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68 5.2015 CFK-Werkstoffe wer- den in Handwerks- betrieben und in Schreinereien für den Innenausbau immer mehr Anwendun- gen finden. Schon heute er- freuen Bauteile aus Sichtcarbon – bestehend aus CFK-Gelegen mit einer oberen Gewebelage und glanzpolierter Epoxidauflage – den Be- trachter in dekora- tiven Anwendungen, ohne dass die Leichtbau- eigenschaften im Vorder- grund stehen. Im Möbelbau sind verstärkt Applikationen als Friese im Kontrast zu natür- lichen Holzoberflä- chen oder lackierten Ober- flächen denkbar. Damit die moderne Anmu- tung dieser Oberflä- chen nicht beeinträchtigt wird, sind glatte Schmalflächen herzustellen. Ähnlich wie bei den faserbasierten Holzwerkstoffen muss auch bei Carbonfaser-Materialien eine sau- bere Abrisskante erzeugt werden. Neben der CFK-Faserstruktur bereitet die Abrasivität der Carbonfasern den Schneiden ein großes Problem: Sie müssen scharf sein und bleiben, um die geforderte Bearbeitungsqualität zu erzeugen. Durch die Carbonfasern jedoch werden sie schnell stumpf. Leistungsfähige Fräs- und Bohrwerk- zeuge sind notwendig, die eine kurze Bearbeitungszeit benötigen und über eine wirtschaftliche Standzeit verfügen. Große Herausforderung für die Zerspanwerkzeuge Die Be- standteile duroplastischer Verbundwerkstoffe, insbesondere die Glas- und Carbonfasern, wirken hochgradig schneidkantenverschlei- ßend, sodass zur Bearbeitung bevorzugt Werkzeuge mit Diamant- beschichtung und polykristallinem Diamant (DP) als Schneidstoff Composites schneller fräsen und bohren Nicht nur in der Automobil- und Flugzeugindustrie nimmt der Einsatz carbonfaserverstärkter Verbundwerkstoffe (CFK) stetig zu, der hohe Reifegrad dieser Werkstoffe wird auch vermehrt in der Sportartikelindustrie, im Maschinenbau oder Consumerbereich genutzt. Um Bearbeitungsoperationen an CFK-Bauteilen produktiv ausführen zu können, wurden neue Zerspanwerkzeuge für hohe Vorschubgeschwindigkeiten entwickelt. WILM-HENNER NIEMEYER t Für die auskragende CFK-Bauteilbearbeitung auf 5-Achs-Maschi- nen: DP-Dualschnitt-Fräser mit stabilem, langem Werkzeugschaft im Dämpfungs-Spannzeug q Einsatzbeispiele von DP-Werkzeugen in Sichtcarbon: Bohren, Nut- fräsen, Formatieren. Vorn: DP-Dualschnittfräser (Fotos: JSO) q Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines CFK-Spans: Das quer abgetrennte Faserbündel weist Lockerungen im CFK-Harzver- bund auf

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5.2015

CFK-Werkstoffe wer- den in Handwerks-betrieben und in Schreinereien für

den Innenausbau immer mehr Anwendun-gen finden. Schon heute er- freuen Bauteile aus Sichtcarbon – bestehend aus CFK-Gelegen mit einer oberen Gewebelage und glanzpolierter Epoxidauflage – den Be- trachter in dekora-tiven Anwendungen, ohne dass die Leichtbau-eigenschaften im Vorder- grund stehen. Im Möbelbau sind verstärkt Applikationen als Friese im Kontrast zu natür- lichen Holzoberflä-chen oder lackierten Ober- flächen denkbar. Damit die moderne Anmu- tung dieser Oberflä-chen nicht beeinträchtigt wird, sind glatte Schmalflächen herzustellen. Ähnlich wie bei den faserbasierten Holzwerkstoffen muss auch bei Carbonfaser-Materialien eine sau-bere Abrisskante erzeugt werden. Neben der CFK-Faserstruktur bereitet die Abrasivität der Carbonfasern den Schneiden ein großes Problem: Sie müssen scharf sein und bleiben, um die geforderte Bearbeitungsqualität zu erzeugen. Durch die Carbonfasern jedoch werden sie schnell stumpf. Leistungsfähige Fräs- und Bohrwerk-zeuge sind notwendig, die eine kurze Bearbeitungszeit benötigen und über eine wirtschaftliche Standzeit verfügen.

Große Herausforderung für die Zerspanwerkzeuge Die Be-standteile duroplastischer Verbundwerkstoffe, insbesondere die Glas- und Carbonfasern, wirken hochgradig schneidkantenverschlei-ßend, sodass zur Bearbeitung bevorzugt Werkzeuge mit Diamant-beschichtung und polykristallinem Diamant (DP) als Schneidstoff

Composites schneller fräsen und bohrenNicht nur in der Automobil- und Flugzeugindustrie nimmt der Einsatz carbonfaserverstärkter Verbundwerkstoffe (CFK) stetig zu, der hohe Reifegrad dieser Werkstoffe wird auch vermehrt in der Sportartikelindustrie, im Maschinenbau oder Consumerbereich genutzt. Um Bearbeitungsoperationen an CFK-Bauteilen produktiv ausführen zu können, wurden neue Zerspanwerkzeuge für hohe Vorschubgeschwindigkeiten entwickelt. WiLM-henner nieMeyer

t Für die auskragende CFK-bauteilbearbeitung auf 5-achs-Maschi-nen: DP-Dualschnitt-Fräser mit stabilem, langem Werkzeugschaft im Dämpfungs-Spannzeug

q einsatzbeispiele von DP-Werkzeugen in Sichtcarbon: bohren, nut-fräsen, Formatieren. Vorn: DP-Dualschnittfräser (Fotos: JSo)

q rasterelektronenmikroskopische aufnahme eines CFK-Spans: Das quer abgetrennte Faserbündel weist lockerungen im CFK-Harzver-bund auf

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verwendet werden. Der Präzisionswerkzeughersteller JSO stattet die Werkzeuge für die verschleißintensive Composite-Bearbeitung mit DP-Sorten und Diamantbeschichtungen aus, die auf Basis spezieller Eignungstests ausgewählt werden. Einen großen Einfluss auf den Verschleiß hat die Beschaffenheit des CFK-Materials, insbesonde-re dessen Herstellung und die damit verbundene Packungsdich-te, Welligkeit der Lagen und Porosität. Je dichter und homogener das CFK-Bauteil verpresst ist, umso besser lassen sich die Vorteile des Schneidstoffs DP wirtschaftlich nutzen. Der Verschleiß findet vorzugsweise an der Freifläche statt, die Schneidkante bleibt dabei relativ scharfkantig.

Eingesetzt werden Fräswerkzeuge in der CFK-Bearbeitung zum Beispiel bei der CFK-Herstellung, um die Randstreifen abzutren-nen, oder beim Formatieren von Bauteilen auf die Endkonturma-ße. Aber auch Arbeiten wie das Nut- und Falzfräsen, Taschen- und Lichtausschnittfräsen werden diesen Werkzeugen abverlangt. Zur Erhöhung der Einsatzflexibilität und Verringerung der Taktzeiten werden die DP-Besäumschnittfräser mit einer Einbohrfähigkeit aus-gestattet. Bei konstanten Z-Einstellmaßen zur Bauteilkante emp-fiehlt sich der Einsatz eines DP-Dualschnittfräsers. Es obliegt der Frässtrategie im Hause des CFK-Bearbeiters, die beidseitig von den Bauteiloberflächen ziehend zum Materialkern hin schneidenden DP-Schneidkanten für eine delaminations- und faserausrissfreie Schnittqualität zu nutzen. Steht eine hohe Schnittqualität im Vor-dergrund, liefert sie der optimierte DP-Dualschnittfräser. Nach-teilig ist bei dreidimensional geformten Bauteilen das notwendige Nachführen der Z-Achse, sodass der Anwender oft auf alternative Fräser ausweicht.

Composites treffen sich mit 5-Achs-Be arbeitung Bei der 5-Achs-Bearbeitung auf einem BAZ und der robotergeführten Werkzeugbe-wegung müssen oft lange Werkzeugauskraglängen zur Verfügung stehen, um die Schnittebenen zu erreichen. Realisiert wird dies mit schlanken Werkzeuggeometrien und Adaptern. Damit Schwin-gungen an den DP-Schneidkanten nicht zum Ausbrechen und zu unebenen CFK-Schnittflächen führen, werden dämpfende Schaft-materialien (mehrteilige, fugendämpfende Systeme) zur Erzeugung einer guten Schnittqualität eingesetzt, vor allem aber auch vibrati-onsreduzierende Spannzeuge wie Hydrodehnspannfutter und das Preziso-Spannzeug. Diese dämpfungstechnisch abgestimmte Ge-staltung von Werkzeug und Spannzeug erfolgt bei großen Schnitt-tiefen ap zur Vermeidung von Rattermarken.

Die Auswahl des richtigen Werkzeugs und das Erreichen der gewünschten Bearbeitungsziele wie Schnittqualität, Schnittver-lust, Standzeit und Vorschubgeschwindigkeit erfordert zunächst eine Materialcharakterisierung. Diese sollte unterstützt werden durch Herstellerangaben zur Materialspezifikation und darauf ab-gestimmte Zerspanungsversuche. Aus mehreren geeigneten Werk-zeugen ist das auszuwählen, das die Zielgrößen am besten erfüllt. Die Materialzusammensetzung wie Dichte, Kompaktheit, Poren-gehalt oder Faserorientierungen, vor allem aber die ausreichende äußere Harzabdeckung der Wirkfäden und Faserbündel entschei-den mit Randbedingungen, wie der festen Bauteilverankerung auf dem Maschinentisch, über den Zerspanerfolg des Werkzeugs. Über die Eindringkraft eines Bohrwerkzeugs in das Werkstück, gemessen auf einem Bohrprüfstand mit Vorschubkraftmessung, lässt sich die

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Zerspanbarkeit des CFK-Materials schnell beurteilen und quanti-fizieren. Als materialvergleichende Kenngröße kann die maxima-le, über mindestens fünf Bohrversuche gemittelte Vorschubkraft dienen. Diese Kenngröße liefert je nach CFK-Beschaffenheit sig-nifikante Unterschiede hinsichtlich der Zerspanbarkeit. Das hoch-wertige Flugzeug-CFK bewirkte im Vergleichsversuch die höchs-ten Vorschubkräfte.

Mehr Vorschub für mehr Produktivität Für nicht konstante Werkzeugschnittebenen stehen die neuen, breiter einsetzbaren Diatec-4-Quatto-Fräser mit Durchmesser 8 mm zur Verfügung, die einbohrfähig sind und mit Vorschubgeschwindigkeiten von

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Aerospace Maschinenbau 3K Maschinenbau 50 K Automotive RTM

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vf= 6 bis 8 m/min für kurze Taktzeiten sorgen. Bei größeren Durch-messern sind die Vorschübe entsprechend höher. Jedoch sind grö-ßere Werkzeugdurchmesser, wie sie in der Holzwerkstoffzerspanung Einsatz finden, bei der CFK-Bearbeitung nicht erwünscht – unter anderem wegen Vorrichtungen mit ihren Spannsystemen und Nie-derhaltern. Je nach Härte und Beschaffenheit des CFK-Bauteils und

den geforderten Schnittqualitäten liegen die Werkzeugstandwege zwischen 50 und 1 000 m. Das gute Spannen der Bauteile nutzt der DP-Schneidkante ebenso wie die schneidstoffgerechte Programmie-rung, denn größere Bauteilschwingungen und Querschnittsprünge verkraftet die DP-Schneide nicht. Wird dies berücksichtigt, können die DP-Werkzeuge Zahnvorschübe und Vorschubgeschwindigkei-ten leisten, wie es kein anderer Schneidstoff mit langen Standwegen schafft. So arbeiten die teuren Bearbeitungszentren produktiver. Der Durchsatz in der Fertigung wird erhöht. Der Zerspanprozess ist wegen der Schnittigkeit der DP-Schneiden lärmreduziert. Und der Feinstaubanteil sinkt, da die Zahnvorschübe zum Beispiel ge-genüber Raspelfräsern mit Pyramidalverzahnung erhöht werden können. Dass die DP-Werkzeuge nachschärfbar sind und der Trag-körper mit DP-Schneidplatten neu bestückt werden kann, trägt zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit des hochwertigen Fräs- und Bohrwerkzeugs bei. Außerdem kann der Anwender die Effizienz des Zerspanprozesses so beeinflussen, dass die Schneidkante nicht zerstört wird. Zu den Maßnahmen gehören die einsatzoptimale Aus-wahl des Spannzeugs und das vollständige Einspannen des Werk-zeugschafts im Spannzeug über die Mindesteinspannlänge hinaus.

Profilfräsen als High-End-Bearbeitung Die Gestaltungsfreiheit von Hartmetallwerkzeugen mit der Stabilität von Diamantschneiden in einer feinzerspanenden Anwendung für die CFK-Bearbeitung zu kombinieren, ist der im Forschungsprojekt CarAdT entwickelte Ansatz der DP-HW-Hybridfräser. Bei diesen Fräswerkzeugen wur-de die Integration verschiedener Schneidstoffe sowie von Vor- und Nachfräsvorgängen für verschiedene Bearbeitungsoperationen in einem Fräswerkzeug verwirklicht. An dem Hybridwerkzeug über-nehmen zahlreiche kleintrennend wirkende diamantbeschichtete Hartmetallschneiden die Vorfräsarbeit, die DP-Profilschneiden sind für die Finish-Bearbeitung der Schnittfläche verantwortlich. Durch die Profilierung der DP-Schneiden wird eine weiche, das heißt fla-che Anfasung an den Schnittkanten ermöglicht.

In der Holzverarbeitung wird dieses Profilfräsverfahren als Ab-platten bezeichnet. Da diese Form der Profilgestaltung zu einer her-vorragenden Schnittqualität an faserbasierten Werkstoffen führt, wurde die Geometrie des abplattenden Werkzeugs auf die CFK-Fräswerkzeuge mit kleinem Durchmesser übertragen. Durch das Abplatten werden sowohl die Wirkfäden im CFK-Material als auch die nicht kompakt verpressten Kohlenstofffasern im oberflächen-nahen Bereich wirksam getrennt. Auch die Verletzungsgefahr bei der Berührung der Schnittkanten mit den Händen wird durch diese Profilierung erheblich verringert. Nicht zuletzt besitzt die Variati-onsvielfalt bei den Profilgeometrien, die mit dieser Gattung Hybrid-Kombiwerkzeuge abgedeckt wird, ein großes Potenzial zur Lösung bauteilspezifischer Zerspanungsaufgaben. Durch eine anwendungs-bezogene Werkzeuggestaltung lassen sich die Zielgrößen Schnitt-qualität, Bearbeitungszeit und gefräste Bauteilmenge erreichen.

Diesem Beitrag liegenden Arbeiten zugrunde, die gefördert wurden über den Projektträger Karlsruher Institut für Technolo-gie (KIT) Produktion und Fertigungstechnologien (PTKA-PFT) im BMBF-Forschungsprojekt CarAdT ‚Übertragung und Anwen-dung der HSC-Werkzeugtechnologie auf die Fräsbearbeitung von

CfK-Laminaten‘, Förderkennzeichen: 02PK2259. u www.jso.de

p (von oben) gemittelte maximale Vorschubkräfte beim Durchgangs-bohren von CFK-Materialien mit einem tridur-bohrer

DP-HW-Hybrid-Kombiwerkzeug zum einbohren, besäumen und abplatten

CFK-Werkzeugauswahl nach einsatzpriorität

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5·2015

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HOB D i e H o l zbe a r be i t u n g

Ligna 2015

„Vernetzte Fertigung“