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rung und Übermittlung von Wissen und Motivation zum Mehrwissen. Insti- tutionalisiert wird sie schnell zum schwer und zäh vermittelbaren Wis- sensbrei, der nicht sättigt, nur das Maul stopft. An die Politik gefragt: Wo ist der Sinn einer Fortbildung, wenn langfri- stiges Ziel der billige Primärarzt oder Barfußarzt ist? Das sollten sich auch die Standespolitiker fragen, die ihn so her- beisehnen. Und zuletzt, so dumm sind unsere Patienten nicht, daß sie nicht merkten, wer sich – engagiert und freiwillig – fortbildet oder wer nicht. Sie werden mit der Chip-Karte abstimmen oder le- gen ohnehin auf Hochschulmedizin keinen Wert und suchen ihr Heil in Pa- ramedizin, Scharlatanerie, Verdün- nungshochpotenzen oder beim Heil- praktiker. Ich spreche bewußt von Hochschulmedizin, denn der Begriff gendeiner Weise beigetragen habt zum Fortschritt und zum Heil eurer Patien- ten.“ (Im Originaltext steht statt Ärzte- kammer Vaterland und statt Patienten die ganze Menschheit.) Das Pasteur-Zitat habe ich dem brillanten, 1997 erschienenen Werk „Geißeln der Menschheit – Kulturge- schichte der Seuchen“ von dem Ham- burger Autor Stefan Winkle, emeritier- ter Professor für Hygiene und Bakterio- logie der Universität Hamburg, ent- nommen, ein Buch, das ein geradezu enzyklopädisches Wissen beinhaltet und das jedem empfohlen werden kann, der sich wirklich fortbilden will. Dr. med. Hanno Scherf Facharzt für Innere Krankheiten Max-Brauer-Allee 36 D-22765 Hamburg Festvortrag anläßlich des zehnjährigen Be- stehens der Fortbildungsakademie Schulmedizin hat inzwischen fast schon den pejorativen Klang von Klipp- schule bekommen, zu der die Parame- dizin einen leuchtenden Kontrapunkt darstellen zu müssen glaubt und als sol- che gut vergütet wird. Die letzte Freiheit des Medizinbe- rufes ist noch die Freiheit zur Fortbil- dung, wir sollten sie uns nicht nehmen lassen. Qualitätszirkelmarktverwalten- de puristische Strategen und „Peer- review-Apostel“ mögen mich einen Idealisten schelten, ich fühlte mich da- durch nur bestätigt und ausgezeichnet. Zum Schluß ein abgewandeltes Pa- steur-Zitat: „Fragt euch selbst zuerst, was habe ich für mein Wissen getan? Und wenn ihr darin genügend fortge- schritten seid, fragt euch, was habe ich für meine Ärztekammer getan. Bis dann endlich die Zeit kommen wird, und ihr das namenlose Glück habt, euch sagen zu können, daß ihr in ir- Der Internist 7·99 | M 201 Mitteilungen BDI M. Ludwig Contra „Neurologische Stroke Units“ Aktuell sind die Bundesländer in Deutschland damit befaßt, die Behand- lungsmöglichkeiten für Patienten mit Schlaganfall zu optimieren.Von Neuro- logen propagiert und empfohlen wird die Einrichtung einer hochspezialisier- ten Behandlungseinheit in Neurologi- schen Schwerpunktkliniken, wobei In- ternisten bei Bedarf verfügbar sein sollten. Mit diesem Konzept stehen die deutschen Neurologen im Wider- spruch zu dem Konsens, der durch die International Stroke Unit Trialist’s Col- laboration 1997 definiert wurde: „The professional categories of the stroke unit (physician, stroke nurse, physio- therapist and often occopational the- rapist) are not different from those in general medical, neurological or reha- bitational wards. The major difference is that they are organised as an inter- disciplinary team in the stroke units. „Auf der Grundlage dieser Definition bestehen bereits in den skandinavi- schen Ländern Stroke Units interdiszi- plinär zusammenarbeitender ärztli- cher Teams, die von einem Koordinator geleitet werden. Der Erfolg dieser skan- dinavischen Stroke Units konnte be- reits einwandfrei nachgewiesen wer- den. Die Überlebensrate von Schlagan- fall-Patienten fiel zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Stroke Units, nach einem Jahr und fünf Jahren sehr gün- stig aus. Durch Einleitung einer frühen Rehabilitation konnte die Morbidität von Schlaganfall-Patienten drastisch reduziert werden. Aus Sicht des BDI müssen deutsche Stroke Units mit dem internationalen Standard mithalten, indem sie von ei- nem interdisziplinären Team von Kolle- ginnen und Kollegen der Inneren Medi- zin, Neurologie, Neurochirurgie, Radio- logie, speziell ausgebildeten Fachkräf- ten in Schlaganfall-Pflege, Physiothera- pie und Sprachtherapie betreut werden. Dabei muß die Schlaganfall-Diagnostik und -Therapie so früh wie möglich be- ginnen. Eine flächendeckende, bedarfs- gerechte Versorgung Deutschlands mit speziellen neurologischen Schwer- punktkliniken entspricht nicht dem in- ternationalen Standard und ist äußerst kostenintensiv. Der BDI ist der Mei- nung, daß das international anerkannte skandinavische Konzept, das derzeit als einziges evaluiert ist, ohne Schwie- rigkeiten und weitgehend kostenneu- tral in die deutsche Krankenhausstruk- tur übernommen werden kann, indem an den internistischen Abteilungen und Kliniken die erforderlichen interdiszi- plinären Strukturen zur Schlaganfall- Behandlung rasch und flächendeckend geschaffen werden. Immerhin werden bereits bis heute in Deutschland etwa 80% aller Schlaganfall-Patienten in in- ternistischen Abteilungen oder Klini- ken interdisziplinär behandelt. Um ei- ner einseitigen Informationspolitik vorzubeugen, hat die Schlaganfall-Ex- pertengruppe des BDI in den letzten Wochen eine pressewirksame Aufklä- rungskampagne gestartet, die bei Sozi- alministerien der Länder und Landes- ärztekammern eine gute Resonanz fand. Priv.-Doz. Dr. med. Malte Ludwig Vorsitzender der Sektion Angiologie im BDI Med. Universitätspoliklinik Wilhelmstraße 35–37 D-53111 Bonn

Contra „Neurologische Stroke Units”

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rung und Übermittlung von Wissenund Motivation zum Mehrwissen. Insti-tutionalisiert wird sie schnell zumschwer und zäh vermittelbaren Wis-sensbrei, der nicht sättigt, nur das Maulstopft.

An die Politik gefragt: Wo ist derSinn einer Fortbildung, wenn langfri-stiges Ziel der billige Primärarzt oderBarfußarzt ist? Das sollten sich auch dieStandespolitiker fragen, die ihn so her-beisehnen.

Und zuletzt, so dumm sind unserePatienten nicht, daß sie nicht merkten,wer sich – engagiert und freiwillig –fortbildet oder wer nicht. Sie werdenmit der Chip-Karte abstimmen oder le-gen ohnehin auf Hochschulmedizinkeinen Wert und suchen ihr Heil in Pa-ramedizin, Scharlatanerie, Verdün-nungshochpotenzen oder beim Heil-praktiker. Ich spreche bewußt vonHochschulmedizin, denn der Begriff

gendeiner Weise beigetragen habt zumFortschritt und zum Heil eurer Patien-ten.“ (Im Originaltext steht statt Ärzte-kammer Vaterland und statt Patientendie ganze Menschheit.)

Das Pasteur-Zitat habe ich dembrillanten, 1997 erschienenen Werk„Geißeln der Menschheit – Kulturge-schichte der Seuchen“ von dem Ham-burger Autor Stefan Winkle, emeritier-ter Professor für Hygiene und Bakterio-logie der Universität Hamburg, ent-nommen, ein Buch, das ein geradezuenzyklopädisches Wissen beinhaltetund das jedem empfohlen werdenkann, der sich wirklich fortbilden will.

Dr. med. Hanno ScherfFacharzt für Innere KrankheitenMax-Brauer-Allee 36D-22765 Hamburg

Festvortrag anläßlich des zehnjährigen Be-stehens der Fortbildungsakademie

Schulmedizin hat inzwischen fastschon den pejorativen Klang von Klipp-schule bekommen, zu der die Parame-dizin einen leuchtenden Kontrapunktdarstellen zu müssen glaubt und als sol-che gut vergütet wird.

Die letzte Freiheit des Medizinbe-rufes ist noch die Freiheit zur Fortbil-dung, wir sollten sie uns nicht nehmenlassen. Qualitätszirkelmarktverwalten-de puristische Strategen und „Peer-review-Apostel“ mögen mich einenIdealisten schelten, ich fühlte mich da-durch nur bestätigt und ausgezeichnet.

Zum Schluß ein abgewandeltes Pa-steur-Zitat: „Fragt euch selbst zuerst,was habe ich für mein Wissen getan?Und wenn ihr darin genügend fortge-schritten seid, fragt euch, was habe ichfür meine Ärztekammer getan. Bisdann endlich die Zeit kommen wird,und ihr das namenlose Glück habt,euch sagen zu können, daß ihr in ir-

Der Internist 7·99 | M 201

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M. Ludwig

Contra „Neurologische Stroke Units“Aktuell sind die Bundesländer inDeutschland damit befaßt, die Behand-lungsmöglichkeiten für Patienten mitSchlaganfall zu optimieren.Von Neuro-logen propagiert und empfohlen wirddie Einrichtung einer hochspezialisier-ten Behandlungseinheit in Neurologi-schen Schwerpunktkliniken, wobei In-ternisten bei Bedarf verfügbar seinsollten. Mit diesem Konzept stehen diedeutschen Neurologen im Wider-spruch zu dem Konsens, der durch dieInternational Stroke Unit Trialist’s Col-laboration 1997 definiert wurde: „Theprofessional categories of the strokeunit (physician, stroke nurse, physio-therapist and often occopational the-rapist) are not different from those ingeneral medical, neurological or reha-bitational wards. The major differenceis that they are organised as an inter-disciplinary team in the stroke units.„Auf der Grundlage dieser Definitionbestehen bereits in den skandinavi-schen Ländern Stroke Units interdiszi-plinär zusammenarbeitender ärztli-cher Teams, die von einem Koordinatorgeleitet werden. Der Erfolg dieser skan-

dinavischen Stroke Units konnte be-reits einwandfrei nachgewiesen wer-den. Die Überlebensrate von Schlagan-fall-Patienten fiel zum Zeitpunkt derEntlassung aus der Stroke Units, nacheinem Jahr und fünf Jahren sehr gün-stig aus. Durch Einleitung einer frühenRehabilitation konnte die Morbiditätvon Schlaganfall-Patienten drastischreduziert werden.

Aus Sicht des BDI müssen deutscheStroke Units mit dem internationalenStandard mithalten, indem sie von ei-nem interdisziplinären Team von Kolle-ginnen und Kollegen der Inneren Medi-zin, Neurologie, Neurochirurgie, Radio-logie, speziell ausgebildeten Fachkräf-ten in Schlaganfall-Pflege, Physiothera-pie und Sprachtherapie betreut werden.Dabei muß die Schlaganfall-Diagnostikund -Therapie so früh wie möglich be-ginnen. Eine flächendeckende, bedarfs-gerechte Versorgung Deutschlands mitspeziellen neurologischen Schwer-punktkliniken entspricht nicht dem in-ternationalen Standard und ist äußerstkostenintensiv. Der BDI ist der Mei-nung, daß das international anerkannte

skandinavische Konzept, das derzeit alseinziges evaluiert ist, ohne Schwie-rigkeiten und weitgehend kostenneu-tral in die deutsche Krankenhausstruk-tur übernommen werden kann, indeman den internistischen Abteilungen undKliniken die erforderlichen interdiszi-plinären Strukturen zur Schlaganfall-Behandlung rasch und flächendeckendgeschaffen werden. Immerhin werdenbereits bis heute in Deutschland etwa80% aller Schlaganfall-Patienten in in-ternistischen Abteilungen oder Klini-ken interdisziplinär behandelt. Um ei-ner einseitigen Informationspolitikvorzubeugen, hat die Schlaganfall-Ex-pertengruppe des BDI in den letztenWochen eine pressewirksame Aufklä-rungskampagne gestartet, die bei Sozi-alministerien der Länder und Landes-ärztekammern eine gute Resonanzfand.

Priv.-Doz. Dr. med. Malte LudwigVorsitzender der Sektion Angiologie im BDIMed. UniversitätspoliklinikWilhelmstraße 35–37D-53111 Bonn