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Impressumisw-report 52, September 2002Herausgeber: isw – institut für sozial-ökologische wirtschaftsforschung e.V.80639 München, Johann-von-Werth-Str. 3, Tel. 089/130041 Fax: 168 94 15email: [email protected], http://www.isw-muenchen.deKonto: Sparda Bank München, Konto-Nr. 98 34 20 (BLZ 700 905 00)IBAN: DE49 7009 0500 0000 9834 20, Swift-Code: GENODEF1S04

Redaktion: Sonja Schmid, Fred Schmid (verantw. im Sinne des Presserechts)titelgrfik: Bernd BückingLayout: Monika Ziehaus

Redaktionsschluss: 14. August 2002Eigendruck im Selbstverlag Schutzgebühr: 3,00 EUR

Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit vorheriger Genehmigung des isw e.V.

Inhalt

Am 8./9. Juni 2002 fand im Münchner Gewerkschaftshaus das 10. isw-forum statt.Gemeinsame Veranstalter waren das isw e.V. und ver.di Landesbezirk Bayern.In diesem report dokumentieren wir die Redebeiträge der fünf ReferentInnen:

Elmar Altvater:Trends und Grenzen der Globalisierung ................................................................. 1Margret Mönig-Raane:Gewerkschaftspolitik in Zeiten der Globalisierung .................................................. 8Leo Mayer:Multis und Chancen gewerkschaftlicher Gegenwehr ............................................. 13Michael Wendl:Löhne made in Shanghai? – Globalisierung und Tarifpolitik ................................. 18Peter Wahl:Global Governance – Alternative zur neoliberalen Globalisierung? ...................... 23

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Elmar Altvater

Trends und Grenzen der Globalisierung

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es geht um "Globalisie-rung und Gewerkschaften" – so lautet der Titel dieserArbeitstagung. Und mir ist die Aufgabe zugefallen, überdie Globalisierung, ihre Grenzen, ihre Dynamik zu spre-chen und vielleicht den Rahmen anzugeben, in demdann genauer diskutiert werden kann, was die Globali-sierungstendenzen für Gewerkschaften, aber vielleichtdarüber hinaus für eine linke Bewegung insgesamt be-deuten. Inzwischen ist eine neue Bewegung entstanden,die direkt ein Kind der Globalisierung ist: ATTAC. VieleGewerkschaftsmitglieder bis in die Vorstände hinein sindinzwischen Mitglieder von ATTAC geworden. Mit ande-ren Worten: Die Globalisierung ist tatsächlich dabei, denorganisatorischen Rahmen und die persönlichen politi-schen Orientierungen und damit sicherlich auch die stra-tegischen Entwürfe von Gewerkschaften überall in derWelt zu beeinflussen.

Globalisierung ist kein Schlagwort, wie es noch vor weni-gen Jahren so schien. Es wurde sehr häufig gerade auchvon gewerkschaftlichen Kreisen – und dabei speziell auchvon der gewerkschaftlichen Linken – eher gemeint, dassGlobalisierung eine Drohgebärde sei, von den Arbeitge-bern, den Unternehmern; erfunden, um Zugeständnissezu erpressen. Globalisierung, so wurde dann häufig ge-sagt, gäbe es eigentlich gar nicht, es sei denn als Ideolo-gie zur Festigung unternehmerischer Herrschaft.

Denn wenn wir die Daten betrachten – so wurde vonihnen dann aus der Statistik herausgelesen – finden wirsehr viele Belege für eine Regionalisierung der Weltwirt-schaft, aber nur wenige für eine Globalisierung. Das istzum Teil nicht ganz falsch, wenn man die Daten für sichsprechen lässt: Der größte Teil des Außenhandels derLänder der Europäischen Union wird innerhalb der Euro-päischen Union abgewickelt, etwa 70 Prozent. Das heißt,nur 30 Prozent des Außenhandels der europäischen Län-der gehen auf den restlichen Weltmarkt. Alles anderebleibt in Europa. Also eher Europäisierung als Globalisie-rung. Doch muss man erstens sehen, dass Europa inner-halb der modernen Welt eine Ausnahmeerscheinung ist.Denn es gibt keine andere Region in der Welt, die so vielan Handels- und Wirtschaftverflechtung aufzuweisen hatwie (das westliche) Europa. Selbst in Nordamerika ist dasnicht der Fall, da beträgt der intraregionale Handel viel-leicht 30 bis 35 Prozent, aber nicht mehr. In Afrika oderLateinamerika ist der innerregionale Handel noch viel ge-ringer, dort geht fast der gesamte Handel auf den Welt-markt außerhalb der jeweiligen Region – und ein großerTeil dieses Weltmarktes ist z.B. Europa. Für andere Regio-nen ist Europa eben die globale Welt – auch die USA sinddann die globale Welt für viele, die dort ihre Warenabsetzen müssen. Mit der "Regionalisierung" hat es seineBewandtnis, aber man kann daraus kein stichhaltiges Ar-gument gegen die Globalisierungstendenzen ableiten.Außerdem kann man sich sehr leicht täuschen, wennman nur auf die Handelsstatistiken schaut. Denn einer-

seits zeigen die Statistiken der Direktinvestitionen, alsoder ins Ausland gehenden Investitionen der Unterneh-men, einen sehr hohen Grad an weltwirtschaftlicher Ver-flechtung. Auch hier kann man gegenläufige Tendenzenfeststellen, denn der Anteil der Entwicklungsländer amWelthandel ist in den vergangenen zehn bis fünfzehnJahren angestiegen, so dass wir daraus schlussfolgernkönnten, die Bedeutung der Entwicklungsländer istgrößer geworden, und die alte These, dass sie im Zugeder Globalisierung "abgehängt" werden, stimmt so nicht.

Wenn man sich aber andererseits die Anteile der Ent-wicklungsländer an der Produktion von Industrieerzeug-nissen betrachtet, dann ist dieser Anteil rückläufig. Wieerklärt sich diese widersprüchliche Statistik? Sie erklärtsich einfach daraus, dass sehr viel Produktion, die in denAußenhandel der Entwicklungsländer geht, durch trans-nationale Unternehmen aus den Industrieländern bereit-gestellt wird; die Daten sind also eher ein Indiz dafür,dass sich die Bedeutung der transnationalen Konzerneerhöht hat, als dass eine bestimmte Ländergruppe ihreBedeutung in der globalen Welt und an dem globalenMarktgeschehen hat steigern können bzw. hat Verlustehinnehmen müssen.

Prof. Elmar Altvater beim 10. isw-forum

isw-report Nr. 52 1

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Weiterhin muss man beachten, dass die Standards, de-nen das Wirtschaftsgeschehen gehorcht, inzwischen glo-bal sind. Die Preise der Produkte, die weltweit gehandeltwerden, sind inzwischen vergleichbar ("single price"), inder weltweiten Kommunikation benutzen wir eine Spra-che, die Lingua franca des Englischen, ganz anders alsdies noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Ich erinneremich noch sehr gut an Seminare in den Universitäten:Wenn man vor zwanzig Jahren einen englischen Textpräsentierte, gab es eine sehr große Zahl von Studieren-den, die des Englischen nicht so mächtig waren, dass siediesen Text lesen konnten – oder nicht bereit waren, ihnzu lesen, weil sie sagten: Warum soll ich das? Ist dochgar nicht nötig, warum soll ich mir die Mühe machen,etwas in Englisch zu lesen – ich warte ab, bis das aufDeutsch kommt. Das ist heute vorbei. Alle lernen Eng-lisch, sind auch dazu gezwungen, Englisch zu lernen,haben es auch verinnerlicht, dass dies die Lingua francaist, die einzige Weltsprache, die überall gesprochen wird.Wir haben es inzwischen auch mit einem weltweitenRechtssystem zu tun. Das ist das US-amerikanische, dasfür die Millionen Geschäfte, aus denen der Welthandelund die Direktinvestitionen und vor allem die weltweitenKreditbeziehungen bestehen, mehr oder weniger ver-bindlich ist. "Mehr oder weniger" – das heißt, dass es sichdabei oftmals nicht um "hard law", sondern um aus demglobalen Geschäftsleben entstehendes "soft law" handelt.Es hat sich also inzwischen so etwas wie ein informellesRecht basierend auf den US-amerikanischen Rechtsvor-schriften und -vorstellungen durchgesetzt. Ich will gar nicht von McDonald‘s und der amerikani-schen Kultur als weltweitem Standard sprechen. Ich willauch nicht davon sprechen, dass sich die Design-Vorstel-lungen bei den Produkten, die wir für unseren täglichenKonsum benötigen – vom Auto angefangen – weltweitangenähert haben und die technischen Standards in vie-len Bereichen fast identisch sind. Alles dies deutet daraufhin, dass wir es jetzt tatsächlich mit so etwas wie einemglobalen Markt, mit einer globalisierten Welt zu tun ha-ben und diese Globalisierung nicht mehr nur ein Schlag-wort ist, dem die Realität eigentlich nicht entspricht. Somüssen wir sowohl die Drohgebärde immer wieder zu-rückweisen, wenn Arbeitgeber – oder wer auch immer –mit dem Verweis auf die Globalisierung Dinge abverlan-gen, die wir nicht gern freiwillig zu leisten bereit sind.Auf der anderen Seite aber müssen wir sehr genau zurKenntnis nehmen, welche tatsächliche Dynamik in dieserWelt abläuft, um uns strategisch darauf zu beziehen.Wie wichtig dies ist, zeigen die jüngsten Ereignisse indieser globalisierten Welt. In Argentinien etwa wird nie-mand sagen: Globalisierung gibt es nicht. Denn die Men-schen dort sind von der Finanzkrise in einer Art undWeise gebeutelt, dass das politische System auseinanderbricht und eventuell auch die Gesellschaft in tiefes Chaosversinkt. Natürlich sind sie in diese Situation aufgrundvon sogenannten wirtschaftpolitischen Fehlern der poli-tisch Verantwortlichen in Argentinien geraten. Alle Weltsagt heute: Ja, die Argentinier haben Fehler gemacht.Vor allen Dingen sagen es diejenigen, die noch vor dreiMonaten gesagt haben: Argentinien, das ist der Muster-knabe des Neoliberalismus, wie ihn Internationaler Wäh-rungsfonds und US-Regierung vorgesehen haben. Die Ar-gentinier sind in diese Krise geraten, weil sie Fehler ge-macht haben: Fehler, die ihnen als angemessene politi-

sche Maßnahmen abverlangt worden sind – etwa diePrivatisierung des Staatsvermögens. Wobei nichts ande-res herausgekommen ist als ein Raubzug auf das Vermö-gen der Nation und eine Korruptionswelle, an der sichdie Eliten nicht nur Argentiniens bereichert haben. Das,was sie sich da angeeignet haben, in illegitimer undmanchmal illegaler und krimineller Weise, ist auf denKonten in Miami, Zürich, auf den Karibik-Inseln gelandet.Daher heißt es denn auch in Argentinien: Das patriafinanciera, das finanzielle Vaterland befindet sich eben inMiami und anderswo. Dort befinden sich die Geldvermö-gen, die den Argentiniern fehlen, um ihre hohe Verschul-dung abbauen zu können. So wird das Volk eben ausge-blutet. Gleich mehrfach, denn die Privatisierung war be-reits ein solcher Anschlag, und auch der Sozialabbau der90er Jahre. Und jetzt soll die argentinische Bevölkerungnoch ihren letzten Spargroschen rausrücken, um dieWährung zu stabilisieren. Die neoliberalen Politiker ma-chen etwas, über das sie, wenn es ihnen passieren wür-de, in ein Mordsgeschrei ausbrechen würden: Sie konfis-zieren das kleine Privateigentum von Sparern, um denAbsturz der Währung ins Bodenlose zu verhindern.Wenn man das bei den großen Konzernen machen wür-de, gäbe es einen Aufschrei weltweit – vom Wallstreet-Journal bis hin zu unserer BILD-Zeitung. Aber wenn mandie Konten der kleinen Leute einfriert, um sie zurDeckung der großen Verluste, die durch den Wahnsinnder Spekulation eingetreten sind, zu verwenden, dannhalten das alle irgendwie für angemessen.

Globalisierung drückt sich aber auch darin aus, dass Jobsverloren gehen – weltweit. Die Arbeitslosigkeit steigt –weltweit. Das ist auch ganz "natürlich" mit der Globalisie-rung verbunden. Denn die Versprechen der Wohltatendes freien Handels basieren auf der sogenannten Theorieder komparativen Kostenvorteile, die Ricardo, ein Polit-ökonom des frühen 19. Jahrhunderts, aufgestellt hat.Durch Außenhandel kann man die Arbeitsteilung vertie-fen und die Produktion spezialisieren. In der Folge steigtdie Produktivität. So kann man größere Mengen der spe-zialisierten Produkte in der gleichen Zeiteinheit herstel-len. Die Zunahme der Produkte aber ist gleichbedeutendmit einem Anstieg des Wohlstands der Nationen, denndiese Mehrprodukte stehen den Konsumenten zusätzlichzur Verfügung. Aber wir wissen auch, dass immer dann,wenn die Produktivität steigt (und sie muss steigen, da-mit dieses Resultat überhaupt möglich ist), Jobs verlorengehen. Dies gilt per saldo – es passiert also nicht anjedem "Standort" in gleicher Weise, sondern ungleich-mäßig und ungleichzeitig. Und so kommt es, dass wirweltweit einen Anstieg von Arbeitslosigkeit zu verzeich-nen haben. Es ist unmöglich – nicht nur schwierig, son-dern unmöglich! – die Arbeitslosigkeit abzubauen, wennman gleichzeitig die Standortkonkurrenz antreibt und zudiesem Zweck die Produktivität steigert.

Doch die Menschen sind findig. Viele unter den eigent-lich Arbeitslosen landen im sogenannten informellenSektor, prekär beschäftigt in autonomer Selbständigkeitvon Kleinstunternehmern, von Straßenhändlern angefan-gen bis zu kleinen Klitschen, die auch als Zulieferer fürgroße multinationale Konzerne fungieren. Der informelleSektor expandiert, vor allem in den Entwicklungs- undSchwellenländern. Er beträgt in Lateinamerika im Durch-schnitt mehr als 60 Prozent der Erwerbspersonen. Mehrals 60 Prozent der Arbeitskräfte sind nicht mehr formell

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beschäftigt, sondern eben informell; in der Regel ohnegewerkschaftlichen Schutz, ohne Sozialversicherung,ohne dauerhafte, längerfristig gültige Verträge, ohne ta-rifvertragliche Absicherung – nichts dergleichen. Aberdiese Menschen haben wenigstens einen Job und daherauch ein Einkommen, das sehr häufig beklagenswertniedrig ist. Aber immerhin ist es mehr als ein Nichts.In Afrika sind 90 bis manchmal 100 Prozent der Jobs indiesem Sinne informell und in vielen Ländern sind dieJobs, die in den 90er Jahren überhaupt dazugekommensind, ausschließlich Jobs im informellen Sektor. In denSektoren, die in den Weltmarkt integriert sind, ist nichtein einziger Job im formellen Sektor geschaffen worden;weil sie nämlich, wenn sie in den Weltmarkt integriertwären, unter der Peitsche der Produktivitätssteigerungstünden.

Der brasilianische Staatspräsident Fernando Enrique Car-doso hat diese Tendenz zu einer nationalstaatlichenWirtschaftsstrategie entwickelt. Er hat nämlich in Indiengesagt: Wir Brasilianer und ihr Inder, wir stehen in dergleichen Situation. Wir sind in den Weltmarkt eingeord-net, da gibt es auch keine Alternative. Wir können unsnicht abkoppeln. Wenn wir dies also als Faktum akzep-tieren, müssen wir wettbewerbsfähig werden. Wenn wirwettbewerbsfähig werden wollen, müssen wir die Pro-duktivität steigern. Wenn wir die Produktivität steigern,erzeugen wir Arbeitslosigkeit. Und das in Ländern miteiner großen Bevölkerungszahl und einem großen Ar-beitslosen-Anteil. Und dann hat er hinzugefügt: AberGott sei Dank haben wir den informellen Sektor. Der lösteinen großen Teil unserer Probleme.

Wir haben in den entwickelten Industrieländern inzwi-schen auch einen informellen Sektor. Den Sektor prekä-rer Arbeit und der Scheinselbständigkeit, wo ähnlicheungeschützte und ungesicherte Arbeitsverhältnisse (wennauch häufig unter besseren materiellen Bedingungen alsin den Ländern der Dritten Welt) existieren. in den Indu-strieländern, auch hier in Europa dehnen sich diese Sek-toren aus. Auch dies ist ein Beleg dafür, wie bestimmenddie Globalisierung ist, wenn wir uns mit Fragen der Ar-beit, der Arbeitsgestaltung, der tarifvertraglichen Absi-cherung usw. auseinandersetzen.

Es wird immer gesagt, die Globalisierung bringe vieleVorteile. Das soll gar nicht bezweifelt werden. Wer reistnicht gern, wer hat es nicht genossen, verschiedene Kul-turen kennen zu lernen – wobei man meistens vergisst,dass dies uns möglich ist, weil wir über eine starke Wäh-rung verfügen, über Kaufkraft, und daher zu reisen ver-mögen. Menschen aus Ländern mit einer schwachenWährung und mit geringer Kaufkraft, können diese tou-ristischen Vergnügungen nicht erleben, die wir mit derGlobalisierung verbinden. Hier drückt sich eine Spaltunginnerhalb der globalen Welt aus.

Aber dennoch: Globalisierung bringt eine ganze Reihevon Vorteilen. Man könnte auch zeigen, dass der tat-sächliche Reichtum ungeheuer gestiegen ist. Ich habehier eine Folie mit sehr langen Reihen der Wirtschaftsent-wicklung, die sehr deutlich macht, dass sich seit der Her-stellung des Weltmarktes und der industriellen Revoluti-on bis heute die Einkommen verachtzigfacht haben. DasProblem besteht nur darin, dass sich auch die Abständezwischen den Einkommen in den verschiedenen Konti-nenten gewaltig vergrößert haben.

Die Daten stammen aus dem Millenniums-Report derOECD. Darin wird die Entwicklung der Einkommen seitChristi Geburt in US-Dollar von 1990 geschätzt. Die Da-ten, die selbstverständlich nicht unproblematisch sind,zeigen eine Stagnation der Einkommen vom Jahre 0 bisetwa zum Jahre 1800. In dieser Stagnationsperiode wa-ren die Pro-Kopf-Einkommen in Afrika leicht höher als inWesteuropa oder Nordamerika. Doch seit dem frühen19. Jahrhundert ist das Einkommen in den westlichenIndustrieländern, in Westeuropa und Nordamerika, bisheute auf etwa 18.000 bis 20.000 Dollar pro Kopf ange-stiegen, während es in Afrika gerade mal im Durch-schnitt 1.000 Dollar beträgt. Und wir wissen, dass Hun-derte von Millionen Menschen in Afrika unterhalb derArmutsgrenze leben. Das heißt, sie bekommen wenigerals einen Dollar pro Tag, und das sind dann im Jahrweniger als 360 Dollar. Also hat sich seit der industriellenRevolution der Abstand der Einkommen und daher auchdes monetär bemessenen Reichtums ungeheuer vergrö-ßert. Das ist einmalig in der Weltgeschichte der vergan-genen 2000 Jahre. Das ist etwas, was uns zu denkengeben muss. Die Vorteile der Globalisierung drücken sichauch in der Einkommensentwicklung aus, in dem rasan-ten Anstieg des monetär gemessenen Reichtums. Abergleichzeitig ist die Ungleichheit zwischen den Menschenauf verschiedenen Kontinenten und in jeder Gesellschaftebenfalls sehr viel größer geworden.

Die Ursachen dieser Entwicklung können nicht nur mitder Globalisierung in Verbindung gebracht werden. Manmuss sie auch in Verbindung bringen mit der industriel-len Revolution, mit der Benutzung der fossilen Energie-träger. Denn nur wenn man diese fossilen Energieträgernutzt, ist es möglich, die energetische Kraft herbei zuzaubern, die es möglich macht, die Produktion zu be-schleunigen. Die Beschleunigung des Produktionsprozes-ses, das ist nichts anderes als Produktivitätssteigerung. Inder gleichen Zeiteinheit kann man mehr produzieren.Dazu bedarf es der Energie, der Kräfte, zu denen die

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biotischen Energien der Menschen und der Tiere nichtausreichen. Die fossilen Energieträger sind nur in einerkurzen Periode der Menschheitsgeschichte, etwa 200Jahre, genutzt worden. Vielleicht kann diese noch einigeJahrzehnte, vielleicht auch noch hundert Jahre forgesetztwerden – wir wissen es nicht genau. Bei der Nutzungfossiler Energieträger fallen die uns bekannten klima-schädlichen Emissionen an, und die können wir uns wohlkaum noch 100 Jahre leisten – selbst wenn die Ressour-cen so lange reichen sollten. Wir sind also unmittelbarmit dem ökologischen Problem konfrontiert, wenn wirüber Globalisierung sprechen.Zum Zweiten aber müssen wir sehen, dass mit der indu-striellen Revolution Geld und Kapital die Steuerung desökonomischen Prozesses übernommen haben und dabeinatürlich die Führungsgröße des Kapitals, das ist die Pro-fitrate, und die des Geldes, das sind die Zinsen. DerMensch ist nun nicht mehr Maß aller Dinge, sondern esist das Kapital, und es ist das Geld, es sind Profit undZinsen. Die Beschleunigung wird durch Profitprinzip undZinsen forciert. Denn die qualitativen und sozialenGrößen Profit und Zins unterscheiden sich nur noch inquantitativer Weise, d.h. sie müssen gesteigert werden,und ihre Steigerung setzt immer wieder auch die Be-schleunigung durch Produktivitätssteigerung voraus.Wenn das nicht der Fall ist, gibt es keinen zusätzlichenProfit, gibt es auch keinen zusätzlichen Zins; dannkommt das ganze System ins Stocken, und diesesStocken kann sich in Form einer Krise Ausdruck verschaf-fen. Profit und Zins resultieren in der Akkumulation undExpansion des Kapitals, das ist sozusagen der take-offder Globalisierung im Verlauf der industriellen Revoluti-on vor etwa 200 Jahren. Einen wichtigen Schub aber erfuhr die Globalisierungdann seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhun-derts. Das Ende des Keynesianismus ist innerhalb derGewerkschaftsbewegung breit diskutiert worden. DiesesEnde des Keynesianismus hat seine Ursachen. Sie beste-hen vor allen Dingen darin, dass seit der zweiten Hälfteder 70er Jahre eine kleine "Revolution" stattgefundenhat, die wir damals gar nicht so bemerkten: Die Realzin-sen nämlich sind so sehr angestiegen, dass sie seitdemoberhalb der Wachstumsrate des Brutto-Inlandsproduktsliegen; in allen Industrieländern, mit wenigen Ausnah-men in manchen Jahren. Wegen des hohen Kreditrisikossind sie insbesondere in den verschuldeten Entwicklungs-ländern gestiegen. Denn da kam immer noch ein Risi-koaufschlag auf den "Normalzins" hinzu, der manchesMal bis zu 20 Prozent betrug und beträgt. Das grenztnicht nur an Wucher, das ist Wucher. Dieser Anstieg der Real-Zinsen hat Ursachen. Ich willnicht auf alle Ursachen eingehen, die auch von derOECD, also von der "Organisation für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Entwicklung" analysiert worden sind,zum Teil mit vielen Oberflächlichkeiten. Aber ein Punktist ganz klar: Mitte der 70er Jahre brach das Bretton-Woods-System mit fixen Wechselkursen zusammen. Seit-dem schwanken die Wechselkurse. Sie schwanken sehrheftig nach oben und nach unten und in sehr kurzenFristen. Sie sind also sehr "volatil", sehr flüchtig. Undimmer dann, wenn Preise sehr stark schwanken, ist dasnatürlich ein fantastischer Anreiz für die Spekulation.Denn wenn ich Geld habe und zu spekulieren bereit bin,also auch die mentalen Voraussetzungen dafür besitze,

kann ich die Kursschwankungen ausnützen, um ein klei-nes Geschäftlein zu machen – und die kleinen Geschäft-lein, die können sich dann zu riesigen Gewinnen sum-mieren, aber auch zu riesigen Verlusten.Also war die Freisetzung der Kurse eine Voraussetzungfür die aufblühende Spekulation. Wenn dann die Unsi-cherheit steigt, weil ich nicht mehr weiß, wie sich inZukunft Wechselkurse und Zinsen entwickeln werden,wird das Risiko größer. Das größere Risiko muss in dieKosten eingerechnet werden. Die Folge ist, dass die Zin-sen schon allein wegen des höheren Risikos ansteigenmüssen. Wo das Risiko höher ist, sind die Zinsen höher –das weiß jeder Häuslebauer.

Um die Volatilität an den verschiedenen Finanzplätzendieser Erde ausnutzen zu können, müssen die Finanz-märkte liberalisiert werden. Genau dies findet seit den70er Jahren statt. Die Finanzmärkte werden in ähnlicherWeise wie die Märkte für Waren und Dienstleistungenschon seit Anfang der 50er Jahre immer weiter liberali-siert und dereguliert, so dass es tatsächlich jetzt möglichist, sehr schnell Kapital um die Welt zu schicken und aufdiese Weise Preisdifferenzen zwischen New York und Sin-gapur, Sao Paulo und Frankfurt usw. auszunutzen. DieGlobalisierung der Finanzmärkte wird Realität.

Im Zuge der Deregulierung sind also Grenzen beseitigtworden, von den Zollgrenzen angefangen bis hin zu dengesetzlichen Regelungen, die bestimmte Aufsichts-maßnahmen und Kontrollmöglichkeiten enthalten ha-ben. In den nun entstehenden neuen Freiräumen bewe-gen sich nicht nur die Finanzjongleure, Portfolio-Mana-ger und Spekulanten; es hat sich in enormem Ausmaßauch die organisierte Kriminalität breit gemacht. Der IWFgeht davon aus, dass allein fünf Prozent des Weltsozial-produkts "gewaschen" werden, also der Geldwäsche un-terzogen werden. Das bedeutet, dass jeder Zwanzigste(im Durchschnitt gerechnet) mit Geldwäsche zu tun hat.Geldwäsche muss man ja nur betreiben, wenn das Geldschmutzig ist; und schmutzig ist es, wenn es durch Akti-vitäten zustande gekommen ist, die nicht korrekt waren,die illegal waren oder sogar hochgradig kriminell. Dasfängt bei der Drogenproduktion an, führt über den Dro-genhandel bis hin zu solchen Delikten, die inzwischennoch höhere Einnahmen bringen, wie Menschenhandelund Menschenschmuggel, einschließlich illegalem Or-ganhandel.

Das sind Hunderte von Milliarden Dollar pro Jahr, die aufdiese Weise verdient kommen. Auch das ist Globalisie-rung. Es ist sozusagen die schwarze Seite der Globalisie-rung, die sich so hat ausdehnen können, weil wir indieser Weltwirtschaft über Offshore-Zentren verfügen,auf denen überhaupt keine Kontrolle stattfindet und wosich daher Fonds angesiedelt haben, die dann neben an-deren Geschäften auch das der Geldwäsche betreibenund korrupte Praktiken unterstützen; denn auch durchKorruption beschafftes Geld muss gewaschen werden.Dabei sind dann höchst ehrenwerte Institutionen undInstitute, Banken usw. mit von der Partie, deren Marmor-fassaden wir auch hier in München bewundern können.

Die Zentralbank, die bis dato im System der festen Wech-selkurse auch die Zinsen und die Kurse gesteuert hatteund damit der Wirtschaftspolitik die Grundlage für ihreInterventionen auf dem Arbeitsmarkt gegeben hatte,verliert an Gestaltungsmacht, verliert ihre Zinssouveräni-

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tät. Dass die Zentralbank und die Wirtschaftspolitik derNationalstaaten angesichts der liberalisierten Finanz-märkte generell ihre Souveränität verlieren, wird zum An-lass einer neuen Ideologie: Der Ideologie, dass die freienMärkte, wenn man sie denn nur schalten und waltenließe, schon zum Wohle aller beitragen würden. Wenndas in der Tat nicht der Fall sein sollte, dann hätte dasnur damit zu tun, dass die Einzelnen sich an die freienMärkte nicht richtig angepasst hätten. Vor allen Dingenmüssten sie auch die Arbeitsmärkte so liberalisieren wiedie Finanz- und Kapitalmärkte, und alle Einzelnen müss-ten bereit sein, sich immer an die Herausforderungen derMärkte anzupassen, sowohl was die Löhne anbelangt –nach unten flexibel, nicht nur nach oben – sondern auchbei Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation. Auchdie müssten dann wie die Märkte flexibilisiert werden. Die Konsequenzen dieser Entwicklung seit Mitte der 70erJahre sind gravierend. Erstens steigt mit der Volatilitätauch die Spekulation. Dazu werden auch neue Finanz-instrumente entwickelt. Nicht nur bei der Produktion vonneuen Autos gibt es technische Innovationen, sondernauch der Finanzsektor produziert innovative Finanzin-strumente, z.B. sogenannte Derivate, deren Bestand undUmsatz mit einer enormen Geschwindigkeit expandieren.Die Wachstumsraten einiger dieser Designer-Produkteauf den Finanzmärkten liegen bei 1.000 Prozent und dar-über innerhalb der 80er und 90er Jahre. Also wachsensie in einem Ausmaß, das von keiner realen Größe – seies die Weltproduktion oder sei es der Welthandel – auchnur annähernd erreicht werden könnte.

Damit diese neuen Instrumente auch richtig angewendetwerden können, verändern sich auch die Finanzinstitutio-nen. Die Bank um die Ecke wird zur Investmentbank, diepopeligen Kleinkunden werden in eine Ecke abgedrängtund dort verarztet – und eigentlich interessiert die Ban-ken nur noch der vermögende einzelne Investor. Dieheißen auch nicht mehr Sparer oder Klienten, sonderndie heißen jetzt Investoren und Anleger. Und die werdendann beraten, damit sie entsprechende Anleihen kaufen,die in aller Welt angelegt werden oder aus aller Welt

stammen. Dann ist es eben günstig, entsprechend derBeratung argentinische Staatsanleihen zu kaufen. Was jasehr viele Menschen hier in Euro-Land getan haben. Siehaben 20 Milliarden Euro hingelegt, natürlich aufgrundvon Beratung der Finanzinstitute. Und diese 20 Milliar-den Euro sind jetzt in den Schornstein zu schreiben.Diese neuen Institutionen, Pensionsfonds, Investment-fonds, und dann die berühmt gewordenen Hedgefonds,also Spekulationsfonds größten Kalibers, machen die Fi-nanzmärkte weltweit unsicher. Es ist – um es vorsichtigauszudrücken – politisch eine sehr fragwürdige Angele-genheit, jetzt mit der Riester-Rente diese Fonds zu mäs-ten. Denn die kapitalgedeckte Rente bedeutet nichts an-deres, als dass man der Spekulation von Pensionsfondsauf den globalen Finanzmärkten Auftrieb gibt – und vorallen Dingen dann auch noch die Alterssicherung an die-se Spekulation anbindet. Denn nur wenn die Spekulationerfolgreich ist, ist die Altersrente ja gewährleistet. Wennda also mal ein Reinfall passiert, wie er in England undauch in Chile schon gedroht hat, ist die Rente unterUmständen futsch.In diesem Kontext entsteht so etwas wie eine "Neue Fi-nanzkultur", die in unsere Alltagswelt vorgedrungen ist;die Börsennachrichten kommen vor den Wetternachrich-ten. Das Finanzsystem hat unser Alltagsleben in Beschlaggenommen. Natürlich hat dies bewusstseinsmäßige Kon-sequenzen in der Wahrnehmungswelt der Menschenebenso wie bei der Überlegung, was man in dieserglobalisierten Welt eigentlich tun könnte. Da die Finanzmärkte so ungeheuer flexibel sind und esAnlegern ein Leichtes ist, bei liberalisierten Finanzmärk-ten von einem Finanzplatz zum anderen zu wechseln,wird die gleiche Flexibilität auch vom Unternehmens-Management erwartet. Das Management macht sich dieShareholder-Ideologie zu eigen; d.h. es versucht, Rendi-ten zu gewährleisten, die mit denen vergleichbar sind,die man mit irgendeinem beliebigen sonstigen Finanz-produkt auch erzielen könnte, denn sonst würden dieShareholders ihre Shares, die Aktionäre also ihre Aktienverkaufen – und das wäre schlecht für die Börsenkapitali-

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sierung. Wenn die Börsenkapitalisierung zu niedrig ist,dann drohen feindliche Übernahmen, dann droht viel-leicht sogar die Zerschlagung eines Unternehmens! Alsotut das Management alles, um die Rendite zu steigern.Davon hängen schließlich auch die Tantiemen oder diePrämien des Managements ab. Die Ideologie des Share-holder value hat zur Folge, dass langfristige Bindungenans Unternehmen eher kontraproduktiv sind und es wieein Selbstbedienungsladen für möglichst hohe Gehälterbehandelt wird. In vielen Skandal-Berichten von Enronbis Worldcom und Telekom ist das ja alles bekannt ge-worden.Aber auch der Arbeitsprozess wird flexibilisiert, und dieForderung nach Flexibilisierung ist tatsächlich auf der ei-nen Seite eine Ideologie und eine Drohung, die den Ge-werkschaften, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mern aufgedrückt wird. Aber gleichzeitig entspricht sieauch der Realität des Shareholder-Kapitalismus, einesglobalisierten Finanzkapitalismus, der die Flexibilisierung,die auf den Finanzmärkten und in den Märkten für Wa-ren und Dienstleistungen gelaufen ist, nun versucht,auch den Arbeitsmärkten und den Arbeitsprozessen inden Produktionsstätten abzuverlangen. Nur ist es nichtmöglich, genauso volatil die Arbeiter hierhin und dahinzu verschieben, wie man dies mit einer Kapitalsummemachen kann. Man kann nicht die Arbeitskräfte malschnell nach Thailand abkommandieren und dann wie-der rausholen und nach Korea oder nach Brasilien brin-gen. Das geht nicht.Man kann also diese Art von Volatilität und Flexibilität,wie sie inzwischen auf den Finanzmärkten erreicht ist,nicht ohne weiteres auf den Arbeitsprozess ausdehnen.Und wir müssen den Widerstand organisieren, damitdies auf gar keinen Fall in Zukunft möglich sein kann;auch nicht in abgeschwächter Weise, denn dies würdezerstörerisch sein – nicht nur für die Arbeitsbedingun-gen, sondern auch für die Lebensbedingungen der Men-schen. Gleichzeitig üben die Finanzmärkte Druck auf dieRegierungen aus. Denn auf den Finanzmärkten operierenGeldvermögensbesitzer, und denen ist nur eins wichtig:die Stabilität ihrer Geldvermögen. Stabilität des Geldwer-tes ist für sie das allererste wirtschaftspolitische Ziel. Undwenn die Stabilität des Geldwertes und eine möglichsthohe Rendite von der Regierung nicht gewährleistet wer-den, dann werden diese Regierungen von den Finanz-märkten "abgestraft". Der Ex-Vorstandsvorsitzende derDeutschen Bank, Rolf Breuer hat in diesem Zusammen-hang von den Finanzmärkten als der "fünften Gewalt" ineiner Demokratie gesprochen. Und er hat hinzugefügt:Das ist auch gut so. Er meinte nämlich, dass Regierungenden Bedingungen, die die Finanzmärkte in einer globali-sierten Welt setzen, ohne Abstriche gehorchen müssen –also nicht etwa dem Wählervotum oder den Parteien,sondern den Finanzmärkten! Das ist jedenfalls die Thesevon Rolf Breuer und von vielen anderen.Die globalen Finanzbeziehungen sind prinzipiell nichtstabil. Das kann auch gar nicht anders sein, denn Finanz-beziehungen verknüpfen immer Vergangenheit, Gegen-wart und Zukunft. Die Vergangenheit insofern, als nachden Sicherheiten von Krediten gefragt wird. Und dieseSicherheiten sind immer in der Vergangenheit produziertworden. Beim Hypothekarkredit ist das ganz offensicht-lich: Mit den Sicherheiten ausgestattet wird der Kreditgegeben von heute bis in die Zukunft. Aber die Zukunft

ist ungewiss. Und daher kann das, was ich mit demKredit finanziert habe, zu Stande kommen – oder auchnicht. Insofern sind da immer Risiken enthalten und da-her auch Instabilitäten.Wenn obendrein die Realzinsen im Durchschnitt ober-halb der realen Wachstumsrate des Brutto-Inlandspro-dukts liegen und daher – so kann man nur vermuten,dazu gibt es keine Statistiken – auch oberhalb der Profit-rate auf industriell oder im Dienstleistungssektor ange-legtes Kapital, dann bedeutet dies, dass Schuldner im-mer weniger in der Lage sind, aus den Zuwächsen ihrenSchuldendienst zu leisten, weil ja der Zins größer ist alsder Zuwachs des Brutto-Inlandsprodukts und wohl auchim Schnitt größer als die Profitrate ist. Wenn die Zinsennicht mehr aus den realen Zuwächsen finanziert werdenkönnen, dann geht das nur noch aus der Substanz. Ir-gendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht, unddann bricht die Finanzkrise aus. Wenn die Geldflüsse im-mer von den Schuldnern zu den Gläubigern, also zu denGeldvermögensbesitzern einseitig erfolgen, dann heißtdies auch, dass die Ungleichheit in der Welt zunehmenmuss. Wenn die einen durch den Schuldendienst immeran die anderen zahlen, dann ist klar, dass die einen rei-cher und die anderen ärmer werden.

Schaut man sich die Berichte etwa von UNDP (UnitedNations Development Program) an, dann wird man fin-den, dass inzwischen wenige hundert Menschen in derWelt genau so viel Einkommen beziehen wie die Hälfteder Menschheit, wie etwa drei Milliarden Menschen zu-sammen genommen. Der Abstand zwischen dem reich-sten Fünftel und dem ärmsten Teil der Menschheit ist inden vergangenen Jahrzehnten, seitdem wir von Globali-sierung sprechen, immer größer geworden.

Wachsende Ungleichheit und Krisenhaftigkeit charakteri-sieren die Globalisierung heute. Die Finanzkrisen in den90er Jahren – zunächst in Mexiko 1994, dann in denasiatischen Ländern 1997, in Russland 1998, in Brasilien1999, im Jahr 2000 in der Türkei und dann 2001/2002 inArgentinien – kommen sehr teuer. Sie haben den Inter-nationalen Währungsfonds und die bilateralen Kreditge-ber etwa 300 Milliarden US-Dollar gekostet. Das ist Geld,das den Regierungen der verschuldeten Staaten zur Ver-fügung gestellt werden musste; Geld von Steuerzahlern– unser Geld wohlgemerkt – vermittelt über Währungs-fonds und andere Geber. Die Schuldnerländer sind jetztentsprechend höher verschuldet und müssen auch einenentsprechend höheren Schuldendienst leisten.

In Krisenländern wird dann der Brotkorb für die Bevölke-rung höher gehängt, der Gürtel muss enger geschnalltwerden. Denn die Staaten benötigen das Geld, um dieBanken zu retten. Der Absturz der Währung – meistensum 50 Prozent und in manchen Fällen sogar 80 oder 90Prozent – führt dazu, dass die Außenkredite in nationalerWährung um den Abwertungssatz, beispielsweise im Fal-le Indonesiens um etwa 80 Prozent, teurer gewordensind. Man muss immer mehr vom eigenen Sozialproduktfür die Bedienung von Schulden in fremder Währungaufbringen.

Wenn man die Kosten der Krisen anhand des Verlustesvon Sozialprodukt berechnet – die Weltbank hat das na-türlich gemacht – dann findet man, dass in Mexiko dieKosten der Finanzkrise von 1994/95 fast 20 Prozent desBrutto-Sozialprodukts ausgemacht haben. Das ist so, als

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wenn den Leuten 20 Prozent ihres Einkommens wegge-nommen würde, nur um die Banken zu retten. In einigenanderen Fällen waren diese Kosten noch sehr viel höher.In Argentinien schätzt man heute, dass die Kosten – manhat das noch gar nicht berechnen können, die Krise ist janoch nicht vorbei – mindestens 60 bis 70 Prozent ausma-chen werden; d.h. die Argentinier, die nicht zum patriafinanciera gehören, arbeiten ein Jahr lang quasi um-sonst. Aber da wirklich gearbeitet worden ist und auchetwas produziert worden ist, muss man sich natürlichfragen, wo ist das hingekommen? Es ist vor allen Dingenbei der globalen Finanzindustrie gelandet, damit derenVermögen gesichert bleiben. Geldvermögensbesitzerwerden davor geschützt, Teile ihres Vermögens abschrei-ben zu müssen. Das ist pervers. Um krisenbedingte Verluste aufzufangen,wird sozusagen der "Wohlstand der Nationen" (dessenSteigerung ein Versprechen der Globalisierung ist) geop-fert. Nicht der Wohlstand steigt in den von einer Finanz-krise betroffenen Ländern, sondern die Armut.

Aber inzwischen weiß man das sogar im InternationalenWährungsfonds und anderswo; man überlegt sich auch,wie man die Gläubiger bei der Lösung von Währungs-und Finanzkrisen beteiligen kann. Das heißt dann "bail-in" – im Gegensatz zum Raushauen sollen sie an denKrisenkosten beteiligt werden. Bail-in, das heißt "privateinvestorinvolvement", also ein Einbezug des privaten Sek-tors in die Krisenlösung. Das heißt auch eventuell dieEinrichtung eines Insolvenz-Verfahrens, das schon seitJahren von den Nichtregierungs-Organisationen (NGO)und auch von den Kirchen gefordert worden und immerabgelehnt worden ist, aber jetzt im Zusammenhang mitder Argentinien-Krise von den internationalen Finanz-institutionen ins Auge gefasst wird.

Die Folgen der Finanzkrisen sind also katastrophal für dieBetroffenen. Diejenigen, die auf der Haben-Seite sitzen,die Geldvermögensbesitzer hierzulande, merken davoneigentlich gar nichts. Wir würden etwas davon merken,wenn nun die Gläubiger bei der Lösung von Finanzkrisenmit einbezogen würden, denn das würde die Bankendoch einiges Geld kosten. Und die würden sich das si-cherlich nicht gefallen lassen, und es wo anders wiederholen – sofern man das zulässt.

In allen Ländern, in denen eine Finanzkrise in den 90erJahren ausgebrochen ist, ist die Arbeitslosigkeit gewaltiggestiegen, ist die Armut größer geworden. Und das heißtdann auch wieder, dass Menschen exkludiert, aus denformellen Arbeitsbeziehungen ausgeschlossen wordensind, aus gewohnten Lebensverhältnissen, aus Systemender sozialen Sicherung, und dass sie abgedrängt wurdenin den sogenannten informellen Sektor. Der informelleSektor ist sozusagen das Rettungsventil der Globalisie-rung. Der informelle Sektor ist ein von Frauen dominier-ter Sektor, auf denen die Lasten der Anpassung an dieBedingungen der Globalisierung liegen, zumal wenn, wiein Argentinien, bei bestimmten Bevölkerungsgruppeneinfach das Geld verschwindet. Ersatzwährungen, Surro-gat-Geld, kommen auf, damit man überhaupt in derLage ist, die nötigsten Lebensmittel zu beschaffen.

Ich komme zum Schluss: Alles in allem hat die Globalisie-rung zweifelsohne ihre positiven Seiten. Die dürfen wirüberhaupt nicht unterschätzen, aber wir müssen vor al-len Dingen die Gefahren sehen – denn das ist die strate-

gische Herausforderung, vor der wir stehen und wo wirauch hierzulande Antworten entwickeln müssen, ebensowie für die globale Weltwirtschaft insgesamt. Die Globa-lisierung in ihrer Dynamik darf man nicht mehr sichselbst überlassen, wie die Neoliberalen es uns weiszuma-chen versuchen. Es wäre der größte Fehler, wenn mandies dem neoliberalen Dogma folgend geschehen ließe.Man muss die Globalisierung kontrollieren, man mussbestimmte Dinge, die sich durchgesetzt haben – wieetwa die offshore-Zentren – auch schließen; d.h. manmuss auch eventuell mit Verboten arbeiten und nicht nurmit lockeren Auflagen und Regulationen hier und da.Ich weiß genau, dass Verbote durchzusetzen verdammtschwierig ist, denn die Machtverhältnisse sind halt nichtso, dass etwas machbar wäre, nur weil es sinnvoll ist.Daher kommt es auch darauf an, diese Machtverhältnissezu verändern – im Zuge eines alternativen Lernprozesses.Mir scheint, dass da sowohl innerhalb der Gewerk-schaftsbewegung als auch darüber hinaus, etwa in derglobalisierungskritischen Bewegung, z.B. ATTAC, einganz wichtiger Anfang gemacht wird. Wenn wir dasnämlich nicht in den Griff kriegen, könnte das passieren,was Wolfgang Leonhard in den 50er Jahren in einemBuch über die russische Revolution als Titel geschriebenhatte: "Die Revolution frisst ihre Kinder" – So könnte esdann eventuell heute heißen: "Die Globalisierung frisstihre Kinder".

Prof. Dr. Elmar Altvater ist Professor für Politikwissen-schaft an der FU Berlin und Mitarbeiter in der RedaktionPROKLA. Veröffentlichung u.v.a.: Grenzen der Globalisie-rung – Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesell-schaft (zusammen mit Birgit Mahnkopf), Münster 1996

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Margret Mönig-Raane

Gewerkschaftspolitik in Zeiten der Globalisierung: Mehr bewegen für ArbeitnehmerInnenrechte und globale Gerechtigkeit

Wie wir ja wissen, ist die Internationalisierung der Wa-renströme und des Kapitals keine neue Erscheinung, wieauch internationale Solidarität und Zusammenarbeit kei-ne neuen Handlungsfelder der Gewerkschaften sind.Aber dennoch gab es in letzten Jahrzehnten gravierendeVeränderungen, die mit dem Stichwort Globalisierungverbunden werden, und die auch für die Gewerkschaftenneue Herausforderungen bedeuten.

1. Welche neuen Problemewirft die Globalisierung auf?

Mehr Wohlstand für Alle durch die fortschreitende Libe-ralisierung der Weltmärkte, das war das Versprechen.Wenn wir die realen Auswirkungen der Globalisierungbetrachten, stellen wir fest, dass diese Verheißung fürdie Mehrheit der betroffenen Menschen nicht wahr ge-worden ist. Profitiert haben vor allem die transnationalenKonzerne, die ihre Gewinne und ihre dominierende Rollein der Weltwirtschaft stark ausbauen konnten. Profitierthaben die Finanzfonds und Besitzer von weltweit ange-legten Vermögen. Und profitiert haben einige Gruppenhöher qualifizierter und bezahlter Erwerbstätiger, die aufden Arbeitsmärkten stark gefragt sind. Zugleich hat sichder Einkommensabstand zwischen reichen und armenLändern in den letzten zwanzig Jahren fast verdoppelt.Das reichste Fünftel der Weltbevölkerung verfügt übernahezu 90 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes,das ärmste Fünftel lediglich über 1 Prozent. In fast allenLändern hat die Armut zugenommen, und Frauen sindbesonders stark davon betroffen. Auch in den entwickel-ten Ländern wird die Kluft zwischen arm und reichgrößer. Der Raubbau an der Natur schreitet weiter voran.Diese real ablaufende Globalisierung hat nicht nur diegravierenden sozialen und ökologischen Probleme derWelt verschärft. Auch für die Gewerkschaften, die Wirt-schaftspolitik, den Sozialstaat und die Demokratie inDeutschland und den anderen entwickelten Ländernwurden neue Probleme aufgeworfen.Im Namen der Globalisierung, der Standortkonkurrenzund des Shareholder Value wird verstärkter Druck auf dieBeschäftigten und auf die sozialen und ökologischenStandards ausgeübt. Die Drohung mit Kapitalverlage-rung und der Hinweis auf "negative Reaktionen derMärkte" – also der großen Kapitalanleger – sollen demNachdruck verleihen. Was andere als "disziplinierendeWirkung der Finanzmärkte auf die Politik" begrüßen, be-trachten wir als sozial-ökonomische Fehlsteuerung undals nicht akzeptable Untergrabung der Demokratie.

Löhne, Sozialleistungen, öffentliche Daseinsvorsorge undRegulierungen sollen abgebaut werden. Eine restriktive,an den Interessen der Kapitalanleger und Finanzinstituteausgerichtete Wirtschafts- und Sozialpolitik soll betrie-ben werden. Damit wird die unzureichende Entwicklungder Binnennachfrage weiter fortgeschrieben und ver-stärkt, was ja auch eine wesentliche Ursache für die re-zessive Wirtschaftsentwicklung des letzten Jahres ist.

2. Welche Bedeutung haben die Gewerkschaften?

Verfolgt man die Veröffentlichungen vieler Wirtschafts-forschungsinstitute und insbesondere die der Wirt-schaftsjournalisten, erscheinen Gewerkschaften als Reliktaus dem 19. Jahrhundert, deren unseliges Wirken – ge-meinsam mit den Arbeitgeberverbänden – die die eigent-liche Bremse von wirtschaftlicher Prosperität und demAbbau von Arbeitslosigkeit sind. Jüngstes und besonders

Margret Mönig-Raane beim 10. isw-forum

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krasses Zitat vom Chefredakteur des ’Handelsblattes’: "...Das Tarifkartell müsste aber nicht nur durch frei ausge-handelte Verträge ersetzt werden. Diese Art der Ver-tragsfreiheit zwischen Unternehmen und ihren Mitarbei-tern würde automatisch zu maßgeschneiderten Ab-schlüssen führen... Weil Gewerkschaften ihre Hauptauf-gabe darin sehen, Löhne durch Zwangsmaßnahmen fest-zusetzen, haben Unternehmer darauf nicht mit Gegen-druck, sondern mit Gründung von Verbänden reagiert –sich somit auf das selbe Verhandlungsniveau begeben.Im Prinzip ist dieses Kartell nichts weiter als eine krimi-nelle Vereinigung gegen Wachstum und Prosperität..."Nun ist es schon unsäglich, grundgesetzlich geschützteRechte wie die Tarifautonomie als Wirken einer "kriminel-len Vereinigung" hinzustellen, es zeigt gleichzeitig, dasder Sinn und der Charakter von Gewerkschaftlicher Ar-beit ignoriert und die tatsächlichen Machtverhältnissezwischen Unternehmen und einzelnen Beschäftigten inder Regel eben nicht das zwischen zwei gleich starkenPartnern ist.

Gewerkschaften sind ja gerade deshalb gegründet wor-den, um ihre gemeinsamen Interessen in Wirtschaft undGesellschaft durchzusetzen. Sie bilden eine Gegenmachtzur Vorherrschaft von Kapitalinteressen in Betrieben, Wirt-schaft, Gesellschaft und Politik. Sie artikulieren und ver-treten die Interessen der abhängig Arbeitenden, einer-seits in der direkten Auseinandersetzung mit den Arbeit-gebern, andererseits durch den Einsatz für politische For-derungen und gesellschaftliche Veränderungen.

Grundlage der Entfaltung einer eigenständigen Macht-position der abhängig Arbeitenden in der ökonomischenAuseinandersetzung ist die Überwindung ihrer Konkur-renz unter- bzw. gegeneinander. Als individuelle Markt-teilnehmerInnen sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer den Unternehmen zumeist hoffnungslos unterle-gen. Nur durch ihre gemeinsame Aktivität, Organisationund Mobilisierung können sie dem Kapital gegenübertre-ten und für alle Beschäftigten menschenwürdige Arbeitund ein existenzsicherndes und dem Entwicklungsstandder Gesellschaft entsprechendes Entgelt durchsetzen.Nur so können sie auch als politische Kraft und Bewe-gung wirksam werden und soziale Reformen und Regu-lierungen durchsetzen. Eine zentrale Bedingung dafürund eine zentrale Zielsetzung der Gewerkschaften sinddemokratische Verhältnisse.

Es ist ein wesentliches Charakteristikum tarifvertrag-licher, sozialstaatlicher und ökologischer Regulierungen,dass sie für die in Konkurrenz zueinander stehenden Un-ternehmen (weitgehend) allgemein gültig sind. Dannkann die Konkurrenz nicht durch die gegenseitige Unter-bietung bei Löhnen, Sozial- und Ökostandards ausgetra-gen werden, sondern muss sich wesentlich auf die Pro-duktivität der Arbeitsprozesse und die Qualität und Inno-vation der Produkte richten.

Es ist wirklich kein Zufall, dass es wütenden Protest ge-gen die Absicherung dieser Mindeststandarts durch dassogenannte "Tariftreuegesetz" gibt. Mit Krokodilstränenüber die ’armen Arbeitslosen’, die durch die Sicherungtariflicher Mindeststandards von Unterbietungskonkur-renz um Arbeitsplätze von diesem Wettbewerb aus-geschlossen würden. Ein besonders krasses Beispiel istder Kommentar "In Treue fest zur Unfreiheit" des derzeiti-gen Vorsitzenden der Ludwig Erhard-Stiftung, H. Barbier.

Zitat: "... Man muss sich dieses Produkt aus ... der Bür-gerperspektive der praktischen Lebensbewältigung vor-stellen: Menschen, die sich und ihre Familien in einerschwierigen Situation notfalls auch mit niedrigeremStundenlohn ernähren wollen, schickt man – offensicht-lich als vernachlässigbare Größe des Machtkalküls derGewerkschaft – in die Arbeitslosigkeit. Und diese Arbeits-losigkeit wird eine Dauerarbeitslosigkeit sein, wenn jederVersuch, unter Tarif eine Arbeit zu finden, durch die Dro-hung des Staates vereitelt wird, an Firmen, die solcheMenschen beschäftigen, keine Aufträge mehr zu ertei-len." ...Praktischerweise unterschlägt Herr Barbier, dass auchdurch untertarifliche Bezahlung nicht etwa ein zusätz-licher Arbeitsplatz entstünde, sondern "nur" ein tarifver-traglich geschützer ausgetauscht würde gegen einen un-geschützten – und ein anderer statt des einen Arbeitneh-mers arbeitslos würde.Die tatsächliche Stoßrichtung der Gegner tarifvertrag-licher Absicherungen liegt woanders: Für die Unterneh-men bedeuten diese Regulierungen zunächst einmal Kos-ten und Einschränkungen ihrer Handlungsmöglichkeiten.Insbesondere wenn sie in der Konkurrenz mit anderenstehen, die diesen Regulierungen nicht unterworfen sind– etwa weil sie nicht tarifgebunden sind oder im Auslandproduzieren – entwickeln sie ein massives Interesse ander Verhinderung und am Abbau solcher Regulierungen.Die gesellschaftspolitischen Kräfteverhältnisse machensich also auch daran fest, inwieweit ein Ausbau oderAbbau solcher gesellschaftlicher Regulierungen der Öko-nomie stattfindet.

3. Was ist neu an der Globalisierung?

Die "Globalisierung" ist nun davon geprägt, dass die in-ternationale Konkurrenz sich verschärft und auf neue Fel-der ausgeweitet hat. Eine Grundlage dafür sind die neu-en Informations- und Kommunikationstechniken. Sie ha-ben zu gesunkenen Kosten und den erweiterten Mög-lichkeiten internationaler Transaktionen geführt. Zum an-deren sind zuvor bestehende Beschränkungen und Regu-lierungen der internationalen Konkurrenz abgebaut undaufgehoben worden, etwa Zölle und Einfuhrbeschrän-kungen und frühere Beschränkungen des internationalenKapitalverkehrs.Ein weiterer wichtiger Vorgang ist der Zusammenbruchder realsozialistischen Staaten. Gerade auch sozial- undgesellschaftspolitisch braucht man – so die Überzeugung– weniger Rücksichten zu nehmen, besteht doch nunauch in sozialer Hinsicht keine Systemkonkurrenz mehr.Zunehmend werden auch Dienstleistungen und Informa-tionsprodukte internationalisiert. Dies wird durch multi-laterale Vereinbarungen abgesichert und vorangetrieben,über die seit einiger Zeit im Rahmen der WTO verhandeltwird. Ich meine die internationalen Abkommen über denDienstleistungsverkehr (GATS – General Agreement onTrade in Services) und über die geistigen Eigentumsrech-te (TRIPS – Trade Related Intellectual Property Rights).Hiervon gehen große neue Gefahren aus, dass Resultatedes gesellschaftlichen Wissens, die allgemein zugänglichsein sollten, privat angeeignet und monopolisiert werdenund insbesondere ärmeren Ländern und Menschen vor-

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enthalten werden. Die gleiche Gefahr droht in Bezug aufbisher öffentliche oder öffentlich subventionierte Dienstebis hin zum Bildungs- und zum Gesundheitswesen.Die gravierendsten Auswirkungen hatte bisher die Libe-ralisierung und Globalisierung der internationalen Fi-nanzmärkte. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten gera-dezu spektakulär und um ein Mehrfaches schneller alsProduktion und Handel entwickelt. Die Ausweitunggrenzüberschreitender Direktinvestitionen hat die Kon-kurrenz der Standorte verschärft. Noch weit stärker istallerdings die renditeorientierte und spekulative Anlageansonsten überschüssiger Kapitalmassen auf den inter-nationalen Finanzmärkten angewachsen. Zu einem nichtunerheblichen Teil geht es dabei auch um die Wäscheund Anlage kriminell erworbener Gelder sowie um Steu-erhinterziehung und Kapitalflucht.Die Spekulation auf den internationalen Finanzmärktenhat zu gravierenden Finanzkrisen in verschiedenen Regio-nen und Ländern der Erde geführt. Der letzte große Fallist aktuell Argentinien, das vorher geradezu als Muster-knabe des IWF galt. Die Politik des Internationalen Wäh-rungsfonds verschärfte mit ihren "Strukturanpassungs-programmen" die daraus resultierenden sozialen Krisen.Die internationalen Spekulanten konnten dagegen ihreSchäfchen weitgehend ins Trockene bringen. Sie wurdenzum Teil unter massivem Einsatz öffentlicher Gelder vorder Pleite bewahrt; auch, um ein Übergreifen der Kriseauf die entwickelten Länder und die gesamte Weltwirt-schaft zu verhindern.

4. Welche ökonomischen Hintergründehat die neoliberale Globalisierung?

Um gewerkschaftliche Alternativen, Forderungen undGegenstrategien zur vorherrschenden kapitalistischenGlobalisierung zu entwickeln, ist es notwendig, die Hin-tergründe dieser Entwicklungen genauer zu diskutieren.Schließlich will uns die herrschende Meinung weis ma-chen, es handele sich hier um sachzwanghafte Prozesse.Die politischen Gestaltungsmöglichkeiten würden da-durch immer kleiner und eine grundsätzliche Alternativezum neoliberal geprägten Kurs der Wirtschafts- und So-zialpolitik werde unmöglich. Dagegen ist zu prüfen, in-wieweit diese Politik nicht selbst diese angeblichen"Sachzwänge" schafft und verschärft, und welche Interes-sen damit verfolgt werden.Zunächst ist festzuhalten, dass hierzulande und weltweitkeineswegs ein Mangel an investierbarem Kapital be-steht, dem durch Förderung unternehmerischer Gewinneund privater Kapitalbildung begegnet werden müsste.Im Gegenteil, es besteht ein Überschuss an anlagesu-chendem Kapital, das im realwirtschaftlichen Bereich kei-ne lohnenden Verwertungsmöglichkeiten findet. Selbstder Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Bun-destages zur Globalisierung der Weltwirtschaft stellt fest,dass die Expansion der internationalen Finanzmärkteüberwiegend auf den zunehmenden Angebotsdruck flüs-siger Finanzmittel zurückzuführen ist.Das Kernproblem der ökonomischen Entwicklung und ih-rer Krisenhaftigkeit ist die unzureichende Entwicklungder gesamtwirtschaftlichen Nachfrage im Verhältnis zuden wachsenden Produktionskapazitäten der Unterneh-

men. Den bei weitem größten Block der Endnachfragebilden immer noch die privaten Konsumausgaben mit inDeutschland ca. 59 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.Konsum und Investitionen des Staates machen weitere21 Prozent aus, die Investitionen der Unternehmen ca.19 Prozent.Seit zwanzig Jahren erleben wir in Deutschland wie welt-weit eine gravierende Umverteilung von den Massenein-kommen zu den Kapitaleinkommen. Dadurch wuchs dieMasse der Verwertung suchenden Finanzmittel, währendzugleich die Nachfrage beschränkt wurde. Die überzoge-ne Sparpolitik der öffentlichen Haushalte verstärkt diesesProblem. Exportsteigerungen sind kein Ausweg, zumalsie auf der anderen Seite immer entsprechend wachsen-de Importnachfrage bedingen und erfordern.

5. Welche politische Hintergründe müssen wir berücksichtigen?

Die einseitige Orientierung auf Exportwachstum undStandortkonkurrenz ist ein entscheidendes Vehikel, dieUmverteilung von unten nach oben durchzusetzen undvoran zu treiben. Kostensenkung für die Unternehmendurch Lohnbegrenzung und Sozialabbau, Deregulierungund Steuersenkung ist in allen Ländern die herrschendeökonomische Orientierung. Die seit den Krisen der 70erJahre anhaltende Massenarbeitslosigkeit schuf die Vor-aussetzungen dafür, diese durchzusetzen. Wenn aberwegen unzureichender Nachfrage zusätzliche Produkti-onskapazitäten nicht ausgelastet werden können, dannlohnen sich auch keine produktiven Investitionen und diewachsenden Gewinne und Vermögenseinkommen flie-ßen stattdessen auf die Finanzmärkte.Die neoliberale Globalisierung erweist sich so als ein zen-traler Mechanismus, diese ökonomische Orientierungumzusetzen. Auf nationalstaatlicher Ebene von den Ge-werkschaften erreichte Regulierungen werden durch dieverstärkte internationale Konkurrenz unterlaufen und un-ter Druck gesetzt. Durch die von den Regierungen derentwickelten Länder im Interesse und auf Drängen derweltmarktorientierten Unternehmen vorangetriebene Pri-vatisierung, Deregulierung und Liberalisierung auf denWeltmärkten wird dieser Druck systematisch verschärft. Allen Bestrebungen, die zunehmende Internationalisie-rung der Wirtschaftsbeziehungen demokratisch zu kon-trollieren und einer internationalen sozialen und ökologi-schen Regulierung zu unterwerfen, setzen die Konzerneund die ihnen verbundenen Regierungen, insbesondereaber die USA, massiven Widerstand entgegen. Mit derideologischen Globalisierungsdebatte wird versucht, die-se Zusammenhänge, die politischen Verantwortlichkeitenund die – jedenfalls in den großen Ländern – weiterhingegebenen Möglichkeiten einer anderen Politik zu ver-schleiern und zu leugnen. Der sozial und ökologisch zerstörerische Charakter dergegenwärtigen Globalisierung erweist sich so als Resultatund Instrument einer neoliberalen Politik. Es geht um dieZurückdrängung aller sozial motivierten Regulierungenund Einschränkungen unternehmerischer Freiheiten – iminternationalen Verkehr ebenso wie innerhalb der einzel-nen Länder.

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6. Wir brauchen einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel

Es gibt Alternativen zu dieser Entwicklung, und es istAufgabe der Gewerkschaften, sich für diese Alternativenstark zu machen. Als Ausgangspunkt ist dabei festzuhal-ten: Die Gewerkschaften sind nicht Gegner einer Globali-sierung. Gewerkschaften, erst recht in einem so stark mitdem Weltmarkt verflochtenen Land wie Deutschland, be-fürworten grundsätzlich intensiven weltweiten Aus-tausch. Er bietet Chancen für mehr Wohlstand. Gewerk-schaften sind aber Kritiker und Gegner einer neolibera-len, kapitalistischen, destruktiven Globalisierung. Zielset-zung der Gewerkschaften ist es, eine soziale, ökologischeund demokratische Gestaltung der Globalisierung undder gesellschaftlichen Entwicklung auf allen Ebenendurchzusetzen.Von zentraler Bedeutung ist dabei eine Veränderung derKräfteverhältnisse und der wirtschafts- und sozialpoliti-schen Ausrichtung in den hochentwickelten Ländern.Zum einen sind es diese Länder und die aus ihnen stam-menden Konzerne, die die Weltmärkte und ihre Rahmen-bedingungen beherrschen. Zum anderen gehen – wie ichkurz darzustellen versucht habe – die Ursachen für diewirtschaftlichen Krisenprozesse und für die wachsendenUngleichheiten in der Welt überwiegend von den ent-wickelten Länder aus.Erster Kernpunkt einer Alternative ist deshalb ein Kurs-wechsel der Wirtschafts- und Sozialpolitik hierzulandeund in den anderen OECD-Ländern. Die Wirtschaftspoli-tik muss auf Stärkung der Binnennachfrage durch mehrMassenkaufkraft und öffentliche Investitionen gerichtetsein. Eine Koordination der Wirtschaftspolitik innerhalbder EU in diesem Sinne – und nicht wie jetzt im Sinneeiner neoliberalen Politik – ist voran zu treiben. Steuer-und Sozialdumping müssen verhindert werden. Eine an-gemessene Besteuerung von Unternehmen, Kapitalerträ-gen und großen Vermögen muss sicher gestellt werdenund die weitere Privatisierung sozialer Sicherungssyste-me muss verhindert werden, denn sie trägt ebenfalls zurUmverteilung von oben nach unten bei.Einen eigenständigen Beitrag werden wir als Gewerk-schaften in den Tarifrunden leisten. Löhne und Gehältermüssen künftig regelmäßig zumindest im Maße des Pro-duktivitätszuwachses zuzüglich der zu erwartenden Preis-steigerungen steigen, müssen also zumindest den vertei-lungsneutralen Spielraum ausschöpfen. Dies soll im Rah-men tarifpolitischer Koordinierung der GewerkschaftenEU-weit betrieben werden. Steigende Massenkaufkrafthierzulande und in Europa bietet auch den ärmeren Län-dern größere Spielräume für den Export ihrer Produkte.

7. Eine Re-Regulierung der Weltwirtschaft ist notwendig

Der zweite Kernpunkt einer Alternative ist die Entwick-lung eines neuen nationalen, europäischen und interna-tionalen Ordnungsrahmens der Globalisierung. Sozialeund ökologische Regulierungen auf nationalstaatlicherEbene, die im Zuge der Globalisierung unterlaufen oderabgebaut worden sind, müssen international abgesichert

oder neu etabliert werden. Nötigenfalls sind Transaktio-nen mit Ländern, die diese Regulierungen missachten,von der EU zu diskriminieren oder zu unterbinden.Wir brauchen eine Re-Regulierung der internationalenFinanzmärkte, unter anderem durch eine Devisenumsatz-besteuerung (Tobin-Steuer) und den Kampf gegen Off-shore-Finanzplätze und Steueroasen. Wir brauchen eineReform und Demokratisierung der Institutionen des in-ternationalen Handels- und Finanzsystems und ihrer Poli-tik. Nötig sind Entschuldung und Hilfe für hochverschul-dete, arme Länder. Die Entwicklungshilfe muss endlichzumindest auf das von der UN proklamierte Ziel von 0,7Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden.Menschenrechte und grundlegende soziale und ökologi-sche Standards müssen durch verbindliche Regelungenim Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) unddurch Stärkung der Internationale Arbeitsorganisation(ILO) weltweit durchgesetzt werden. Insbesondere dieDurchsetzung der von der ILO beschlossenen Kernar-beitsnormen – das sind Gewerkschaftsfreiheit und Rechtauf Tarifverträge, Abschaffung von Zwangsarbeit undKinderarbeit sowie keine Diskriminierung im Arbeitsleben– ist ein Prüfstein für die soziale Gestaltung der Globali-sierung.Bei den Verhandlungen über Dienstleistungshandel undgeistige Eigentumsrechte müssen öffentliche Diensteund Daseinsvorsorge gesichert werden. Ein breiter undkostengünstiger Zugang zu Wissen und wissensbasiertenProdukten muss ermöglicht werden. Die Märkte der rei-chen Länder sind verstärkt für Produkte der ärmeren zuöffnen.Auch die Durchsetzung solcher Forderungen wird reali-stischerweise nur möglich sein, wenn die Regierungenmächtiger entwickelter Länder und der EU ihre Politikändern. Sie dürfen nicht nur die Interessen der in ihnenbeheimateten Konzerne vertreten, sondern müssen so-ziale und ökologische Erfordernisse verstärkt zur Geltungbringen. Dies werden sie wiederum nur tun, wenn siedazu durch den Druck von Gewerkschaften, sozialen Be-wegungen und von der Öffentlichkeit gedrängt werden.Die europäischen, aber auch die amerikanischen und diejapanischen Gewerkschaften haben hier eine globaleVerantwortung.

8. Wir müssen verstärkt internationale Solidarität entwickeln

Die Gewerkschaften sind weltweit die wichtigste Gegen-kraft der neoliberalen Globalisierung und sie müssen esnoch viel stärker werden. Sie müssen die Aufgabe, die siebisher vor allem im Rahmen der Nationalstaaten wahrge-nommen haben, auch auf internationaler Ebene realisie-ren. Also gemeinsame Interessen der abhängig Arbeiten-den zum Ausdruck bringen und vertreten und diese In-teressen durch Organisierung und koordinierte Aktiondurchsetzen. Es geht um die Entwicklung globaler Soli-darität, Gegenmacht und Gestaltungsfähigkeit.Das ist nicht einfach. Schon die Entwicklung und Veran-kerung gemeinsamer Positionen und Forderungen ist aufinternationaler Ebene noch schwieriger als innerhalb dereinzelnen Länder. Es gibt unterschiedliche Bedingungen

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und Interessen verschiedener Gruppen von Beschäftig-ten, je nachdem, in welcher Branche sie arbeiten oderwie die Lage des Unternehmens ist, welche Qualifikationsie haben, ob sie zur Kernbelegschaft gehören oder pre-kär oder informell beschäftigt sind, oder ob sie formalselbständig sind, oder erwerbslos. Und es gibt auch un-terschiedliche Interessen zwischen den Beschäftigten inverschiedenen Ländern. Allen liegen zunächst einmal ihreigenes Wohlergehen und ihre eigenen Arbeitsplätze ammeisten am Herzen. Das äußert sich dann auch in unter-schiedlichen Positionen der Gewerkschaften verschiede-ner Branchen oder Länder.Diese unterschiedlichen Interessen müssen berücksich-tigt, ausdiskutiert und ausgetragen werden. Im Ergebnismuss dann aber eine gewerkschaftliche Position stehen,die gemeinsame, allgemeine Interessen der abhängig Ar-beitenden und der Mehrheit der Menschen nach vornestellt, und die die Konkurrenz der verschiedenen Grup-pen und Standorte überwindet. In den letzten Jahrensind einige Fortschritte in der Kritik der Globalisierungund der Formulierung von Forderungen zu ihrer sozialenGestaltung erzielt worden. Das wird auch in den Erklä-rungen und Aktivitäten der internationalen Gewerk-schaftszusammenschlüsse deutlich. Der wichtigste ist derInternationale Bund Freier Gewerkschaften.Auch die Zusammenarbeit und Durchführung gemeinsa-mer Kampagnen der verschiedenen Gewerkschaften undGewerkschaftszusammenschlüsse auf internationalerEbene ist in den letzten Jahren voran gekommen undmuss weiter forciert werden. Sichtbarer Ausdruck ist dasBündnis und die Internet-Website. Diese wird gemein-sam von den wichtigsten internationalen Gewerk-schaftsorganisationen getragen. Sie vermittelt einenÜberblick und Links zu den verschiedenen Gewerkschaf-ten und Kampagnen. Für den Dienstleistungsbereichgründete sich zum 1. Januar 2000 eine neue Gewerk-schaftsinternationale UNI. Ihr gehören nahezu 1.000 Or-ganisationen aus 140 Ländern mit zusammen über 15Millionen Mitgliedern an.

9. Wir müssen verstärkt gemeinsame Aktionen und Druck entwickeln

Die nationalen und internationalen Gewerkschaften brin-gen gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisatio-nen und über Regierungen, auf die sie Einfluss haben,ihre Forderungen bei internationalen Organisationen undTagungen ein. Die Fortschritte waren bisher allerdingsgering, zuletzt bei der WTO-Konferenz in Doha. Gewerk-schaften beschränken sich aber nicht darauf, hinter ver-schlossenen Türen Lobbyarbeit zu treiben, sondern orga-nisieren auch öffentlichen Druck und Demonstrationen.In den letzten Jahren gibt es verstärkten Austausch undZusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und entwick-lungspolitischen, umweltpolitischen oder globalisie-rungskritischen Nichtregierungsorganisationen.Die Forderungen und Aktivitäten der Gewerkschaftenrichten sich nicht nur an die Politik, sondern auch direktan die Unternehmen. Die Gewerkschaften der verschie-denen Standorte multinationaler Unternehmen müssenSolidarität und gemeinsame Aktivitäten entwickeln. Siedürfen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, son-

dern müssen sich gegenseitig stärken und in Auseinan-dersetzungen unterstützen. Die Bildung weltregionalerund globaler Betriebsräte ist voranzutreiben und Mitbe-stimmungsrechte insbesondere bei Fusionen und Unter-nehmensaufkäufen müssen durchgesetzt werden. Durchgewerkschaftlichen und öffentlichen Druck müssen ver-bindliche und unabhängig kontrollierte soziale und öko-logische Verhaltenskodizes durchgesetzt werden, die dieKonzerne weltweit zu beachten haben.

10. Gewerkschaften stärken!

Grundlage für gewerkschaftliche Erfolge ist auch interna-tional eigene Stärke. Eine zentrale Aufgabe ist deshalbder Aufbau und die Stärkung unabhängiger und demo-kratischer Gewerkschaften in allen Ländern. Insbesonde-re Gewerkschaften in Entwicklungsländern müssen dabeiunterstützt und verstärkt an gemeinsamen Kampagnenbeteiligt werden.Auch in den entwickelten Ländern ist die Frage der Orga-nisierung zentral. Der Anteil der gewerkschaftlich organi-sierten ArbeitnehmerInnen ist zum Teil stark gesunken.Das hat mit der Defensivsituation der vergangenen Jahr-zehnte und mit veränderten Beschäftigungsstrukturen zutun. Dieser Trend muss gestoppt und umgekehrt wer-den. Insbesondere müssen wir verstärkt Frauen, jüngereMenschen, höher qualifizierte Menschen, Beschäftigte inden wachsenden und neuen Sektoren der Dienstleistun-gen sowie Migrantinnen und Migranten für die Gewerk-schaften gewinnen. Auch hier gibt es positive Ansätze.Die stärkere Verbindung und Zusammenarbeit von Ge-werkschaften mit außerparlamentarischen Bewegungenwie Attac kann dazu einen Beitrag leisten. Wenn sichGewerkschaften wieder stärker als soziale und politischeBewegung verstehen und wenn andererseits Initiativenund Organisationen sich verstärkt auf Zusammenarbeitmit Gewerkschaften orientieren, kann das beide Seitenvoran bringen. Vor allem, wenn sich das nicht nur aufder Ebene der Funktionärinnen und Funktionäre abspielt,sondern, wenn sich ganz viele einzelne Mitglieder undAktive daran beteiligen. Ein weiterer Aufschwung derglobalisierungskritischen Bewegung und eine Stärkungder Gewerkschaften und ihrer Durchsetzungskraft –wenn uns das beides zusammen gelänge in den kom-menden Jahren, das wäre doch eine positive Perspektive.

Margret Mönig-Raane ist stellvertretende Bundesvorsit-zende der Vereinigten Dienstleistungsgesellschaft ver.di.

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Leo Mayer

Multis und Chancen gewerkschaftlicher Gegenwehr

Ich würde gerne von erfolgreichen Auseinandersetzun-gen berichten – die anknüpfen an die europaweiten Akti-onstage der Beschäftigten bei Opel im vergangenen Jahrzur Verteidigung der Arbeitsplätze und ihr europaweiterStreik gegen die Schließung des Werkes in Luton, oderdie europaweiten Solidaritätsaktionen gegen die Schlie-ßung des Renaultwerkes in Belgien. Leider ist mir diesnicht möglich. Aktionen dieser Art sind immer noch Aus-nahmeerscheinungen.Heute ist ein Fortschritt, dass diese Woche zwischenWeltbetriebsrat und Konzernleitung von VW eine Sozial-charta vereinbart worden ist, die auch für alle Zulieferer-betriebe gilt: Verbot von Kinderarbeit, Achtung gewerk-schaftlicher Rechte, Einhaltung der jeweiligen nationalensozialen Standards. Wenn ich sage Fortschritt, dann zeigtdas andererseits die Schwäche der Arbeiterbewegung,dass sie auf "freiwillige Verpflichtungen" zu einem "so-zialverträglicheren" Handeln der Multis drängt – dannvielleicht zwischen den guten und den schlechten Multisunterscheidet; gegen die schlechten gibt es dann mögli-cherweise auch noch Boykottaufrufe – anstatt die Machtder Multis und die kapitalistische Logik, die die Ursachefür die verschiedenen Zerstörungen sind, ganz grund-sätzlich zu problematisieren.Dabei ist die Macht der Multis gerade in den letzten zehnJahren gewaltig angewachsen:● Die Multis beherrschen den Welthandel. Ein Drittel desWelthandels ist Intra-Handel der Multis, ein weiteresDrittel ist Handel der Multis untereinander. ● Die Ursache für den hohen Anteil des Multi-internenHandels liegt darin, dass diese ein über die ganze Weltgestreutes Netzwerk von Produktionsstätten aufbauen.In diesem Netzwerk beschäftigen die top 100 – die 100größten Multis – knapp 13 Millionen Arbeitskräfte.● Das Universum der Transnationalen Unternehmen istnicht nur groß, sondern hochgradig konzentriert. DerWert der Umsätze der 200 größten Multis macht etwasmehr als ein Viertel der gesamten Weltwirtschaftsleis-tung aus. Diese Wirtschaftsleistung erbringen sie mit we-niger als 1 % der weltweit beschäftigten Arbeitskraft. ImZeitraum von 1983 bis 1999 stieg der Profit dieser 200größten Multis um 362 Prozent, die Belegschaften nah-men lediglich um 14,4 Prozent zu. (TOP 200, Institute forPolicy Studies, Washington, 2000)● Der Einfluss der Multis auf die Weltwirtschaft wirdauch daran deutlich, dass der Umsatz der Auslandstöch-ter doppelt so hoch ist wie die gesamten globalen Expor-te. (UNCTAD, WIR 2001) Dabei konzentriert sich ein Sieb-tel des weltweiten Auslandsumsatzes auf die top 100.(UNCTAD, WIR 2000)● Während das Welt-BIP in den zehn Jahren von 1990bis 2000 um 25 % gestiegen ist, expandierte der Welt-handel um 85 %. Die Auslandsdirektinvestitionen habensich im gleichen Zeitraum mit einer Zunahme von 529 %

mehr als versechsfacht. Direktinvestitionen sind eine Do-mäne der Großen unter den Multis. So besitzen z.B. diezehn größten Konzerne der BRD ein Drittel des gesamtendeutschen Direktinvestitionsvermögens im Ausland. All-gemein gilt für die entwickelten Industrieländer, dass diejeweils 50 größten Konzerne der betreffenden Heimat-länder, mehr als die Hälfte der aus diesen Ländern aus-strömenden Direktinvestitionen besitzen.

● Inzwischen werden 90 Prozent der Auslandsdirektin-vestitionen verwendet, um Firmen aufzukaufen. Auf die-se Weise wächst die Macht der größten Multis in atem-beraubender Geschwindigkeit.

● In der Telekom-Branche haben die Deutsche Telekom.France Telekom und Vodafone – also nur drei Firmen –im Jahr 2000 500 Mrd. Dollar ausgegeben, um andereFirmen aufzukaufen.Bis Ende 2000 galt die Telekommunikation als der Wach-stumsmarkt überhaupt. Neue Technologien, Deregulie-rung und Privatisierung hatten einen gigantischen Zu-strom an Kapital ausgelöst. Getrieben von der Konkur-renz wurde nahezu grenzenlos in Telekom, Internet undMobilfunk investiert. Das hat das Innovationstemponochmals forciert. Die Marktführer erzielten Traumrendi-

Leo Mayer beim 10. isw-forum

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ten. Die Börsenwerte hoben ab. Der Geldfluss, den dieGier an den Börsen in diese Branche spülte, schien nie-mals versiegen zu können. Zyklische Entwicklung der ka-pitalistischen Wirtschaft, Krisen und Arbeitslosigkeit er-schienen wie Geschichten aus vergangenen Epochen. Dienew economy war geboren.

Jetzt ist zu viel Kapital investiert. Die Krise ist, von denUSA ausgehend, global und anhaltend. Die Telekommu-nikationsbetreiber streichen die Investitionen zusammen.Das schlägt auf die Hersteller wie Ericsson, Nokia, Alca-tel, Nortel, Lucent, Siemens durch.

Zudem müssen diese sich mit Lieferantenkrediten an denKosten für den Aufbau der Mobilfunknetze der nächstenGeneration beteiligen, denn die Telekom-Betreiber sindknapp bei Kasse. Mit den Firmenaufkäufen und der Er-steigerung der UMTS-Lizenzen haben sie sich bis überbeide Ohren verschuldet. Der Sturz der Telekom-Aktievon einem Allzeit-Tief zum anderen signalisiert, dass derWeg der Geldbeschaffung über die Börse auch nichtmehr funktioniert.

Allein die europäischen Telekom-Betreibersind mit ca. 400 Mrd. Euro verschuldet.

Die gesamte Branche sauste in atemberaubender Ge-schwindigkeit vom Boom direkt in die Krise. Zuerst wa-ren es nur die neuen Senkrechtstarter gewesen, die vonder Krise in den Abgrund gerissen wurden. Inzwischensind auch die Großen angeschlagen. Das überschüssigeKapital muss verschwinden, damit die Renditen wiedersteigen können. Im Ergebnis wird der Kreis der Firmenkleiner sein, und die Elefanten noch größer und mächti-ger. Weltweit wurden in der Telekommunikationsindu-strie seit Beginn des Jahres 2001 an die 550.000 Arbeits-plätze vernichtet. Siemens reduziert im Festnetze-Bereichdie weltweite Belegschaft von 54.000 auf 37.500; ImInland werden 5.500 Jobs gestrichen, 11.000 im Auslandvon Lateinamerika über die USA, Großbritannien bis Ost-europa.

Weltweit werden lokale Fertigungen geschlossen, denn

1. mit der Liberalisierung der nationalen Investitionsauf-lagen und der Privatisierung der Telekom ist keine natio-nale Fertigung mehr notwendig, um Aufträge in denjeweiligen Ländern zu erhalten;

2. die Fertigung erfolgt im Rahmen eines Weltprodukti-onskonzept mit wenigen großen Fertigungen in einemNetzwerk von weltweit verteilten Zulieferern;

3. Fertigungsstätten werden an spezielle Fertigungsfir-men verkauft, die weltweit für die Telekommunikations-und PC-Hersteller im Auftrag die Fertigung übernehmen;

Die Personalabbauzahlen werden wie Erfolgsmeldungen präsentiert.

Inzwischen sind die Abbauzahlen im Ausland übererfüllt,während der Personalabbau im Inland nicht so voran-kommt, wie von der Konzernleitung gewünscht. DassDeutschland bisher relativ glimpflich davon kam, liegtdaran, dass Arbeitsplätze als erstes dort abgebaut wer-den, wo es das Kündigungsrecht am einfachsten macht.Motorola schloss nicht das Werk in Flensburg, sondernim schottischen Edinburgh. Siemens strich als erstes denKollegen in Großbritannien und den USA die Jobs.

Kein Wunder, dass die Unternehmer unter den Stichwör-tern "starrer Arbeitsmarkt" und "Liberalisierung des Ar-beitsmarktes" das Kündigungsrecht ins Visier genommenhaben. Der Branchenverband Bitkom erhob auf der dies-jährigen CeBIT die Forderung nach einer Erleichterungdes Personalabbaus, weil die Informations- und Telekom-munikationsindustrie "mehr Luft zum Atmen" braucheund das Personal schnell an die zyklische Konjunkturent-wicklung anpassen müsse. (SZ, 15.3.02)

Bei diesem Konflikt handelt es sich um kein deutschesPhänomen. Sozialstaatliche Regulierung ist inkompatibelmit dem globalen Kapitalismus. So ist es kein Zufall, dassauch in Italien das Kündigungsschutzgesetz den Angrif-fen der Berlusconi-Regierung ausgesetzt ist. Allerdingshat sich dort eine breite soziale Bewegung, in deren Zen-trum die Gewerkschaften stehen, zur Verteidigung sozi-alstaatlicher Regulierung entwickelt.

Arbeitsplatz und Lohnentwicklung waren über staatlichesoziale Regulierung und Tarifverträge von der konjunktu-rellen Entwicklung und den schwankenden betrieblichenBedürfnissen abgepuffert worden. Heute sollen Arbeitund Leben flexibilisiert, d.h. der menschliche Lebens-rhythmus wieder vollständig den Verwertungsansprü-chen des Kapitals untergeordnet werden.

Es lohnt sich, diese in harten Auseinander-setzungen erkämpften Standards zu ver-teidigen. Denn wenn sie hier verloren gehen, wird es im Ausland noch schwieri-ger diese Standards zu erkämpfen.

Das beginnt schon bei den Kündigungsfristen und denAbfindungen bei Aufhebungsverträgen. Es weckt Be-gehrlichkeiten bei den Kollegen aus den US-Betrieben,wenn sie im betrieblichen Internet auf der Seite des Be-triebsrates die Kündigungsfristen in Deutschland und dieAbfindungsbeträge lesen und sie selbst erfahren amDonnerstag nachmittag, dass sie am Freitag den Arbeits-platz aufräumen sollen und am Montag schon nichtmehr in den Betrieb gelassen werden. Aber trotz derweltweiten Entlassungen gibt es keine Koordinierung,keine gemeinsame Gegenwehr über Betriebsgrenzen hin-weg – geschweige denn mit ausländischen Betrieben.

Was hier für einen Multi gesagt wurde, gilt für die Ge-werkschaft allgemein.

Beim Weltsozialforum in Porto Alegre Anfang Februardiesen Jahres waren die Gewerkschaften der organisier-teste und stärkste Teil der sozialen Bewegung und siehaben auch die gleichen Vorschläge wie die anderen Or-ganisationen vorgebracht. Aber sie waren die einzigeKraft, die sich nicht auf eine gemeinsame internationaleKampagne verständigen konnte.

Der Internationale Bund freier Gewerkschaften (IBFG)war erstmals in Porto Alegre anwesend. Allerdings tum-melten sich seine Vorstände zur selben Zeit in New Yorkauf dem Davoser Weltwirtschaftsforum. Begründung:dort wären die Ansprechpartner und der Platz für Lob-byarbeit. Wenn man davon ausgeht, dass das Weltsozial-forum die Gegenveranstaltung und das Gegenkonzeptzum Weltwirtschaftsforum ist, dann wird in dieser Her-angehensweise auch eine strategische Orientierungsichtbar.

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Der Verantwortliche für internationale Beziehungen derbrasilianischen Gewerkschaft CUT – neben der südkorea-nischen Gewerkschaft KCTU und der südafrikanischenGewerkschaft COSATU auf dem linken Rand des IBFGangesiedelt und gewissermaßen mit diesen ein Scharnierzwischen den traditionellen Gewerkschaften zu den neu-en Gewerkschaften im Süden bildend – äußerte in einerBilanz des Weltsozialforums: "Eines ist sicher: Die tradi-tionelle Strategie der Gewerkschaften muss überprüftwerden, wenn wir wirkungsvoller die Rechte der Arbei-tenden verteidigen, die Sozialsysteme verbessern und di-rekteren Kontakt mit anderen Teilen der Gesellschaft ha-ben wollen." (2. Forum von Porto Alegre, Dokumente,Berichte, Materialien, SoZ-Verlag, Mai 2002)

Zurück zur Situation in der IT- und Telekom-Branche:Diese Branche war der Vorreiter "neuer" Arbeitsbeziehun-gen gewesen. Mit neuen Managementmethoden – Stich-wort "indirekte Steuerung" – erhielten die Beschäftigteneinen z.T. erheblichen Handlungs- und Entscheidungs-spielraum. Auf allen Ebenen sind sie mitverantwortlichfür den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Einheit: sie arbeitenals unselbstständige Selbstständige. Entsprechend hochist die Identifikation mit der eigenen Arbeit.Die Illusionen ist weit verbreitet, dass mit der Revolutionder Informationstechnologien die alten Beschäftigungs-verhältnisse verschwinden würden, und – wie DagmarDeckstein in der SZ schrieb – "die Menschen sind immerweniger Rädchen in Organisationsmaschinen, sie eman-zipieren sich – teils der Not gehorchend, teils den eige-nen Bedürfnissen und Befähigungen folgend. Wie in denJahrzehnten nach 1848 die arbeitslosen, pauperisiertenMassen in die sich weiterentwickelnde Industriegesell-schaft hineinarbeiteten, so wird das 21. Jahrhundert dieMenschen lehren, sich aus diesen starren und zu enggewordenen Arbeitsstrukturen wieder herauszuarbei-ten.” (Arbeit gestern, Arbeit morgen, Dagmar Decksteinin SZ, 7.2.1998),Um so atemberaubender ist die Geschwindigkeit, mit deraus weltweit händeringend gesuchten, hochqualifizier-ten Spezialisten (green card) überflüssige Arbeitskräftewerden. Die ganze Belegschaft wird in eine existenzielleVerunsicherung gestürzt und einem existenziellen Anpas-sungsdruck unterworfen, auch wenn die Drohung mitEntlassung hinter einem Blendwerk von "Individualisie-rung", "Neue Perspektiven finden", "eigene Wege undneuen Chancen entdecken", "an neuen Möglichkeitenwachsen" versteckt wird. Die "neuen Chancen" sind auf-gezwungen und beinhalten den Preis der Verschlechte-rung der beruflichen Situation. Wieder einmal zeigt sich, dass nicht nur die Chancen,sondern auch die Risiken ungleich verteilt sind. Das Le-ben auch der privilegierten Kernbelegschaften multina-tionaler Konzerne ist alles andere als selbstbestimmt; esbleibt von fremden Interessen, den Entscheidungen einerMachtelite abhängig. Auch sie "findet Arbeit nur, solangesie das Kapital vermehrt". (Karl Marx, KommunistischesManifest). Ihre Existenzbedingungen unterscheiden sichnicht grundsätzlich von denjenigen der Leiharbeitskräfte,der prekär Beschäftigten.Unsicherheit im Beruf, unabhängig von Ausbildung unddem Grad der Qualifikation, Unsicherheit im ganzen Le-ben wird heute wieder zur prägenden Erfahrung. Der

Zwang, etwas "Neues" auszuprobieren, ausgetretene Pfa-de zu verlassen und unkalkulierbare Risiken einzugehen,wird allgegenwärtig. In den zurückliegenden Jahrzehn-ten war es gelungen, diese Unsicherheit einzugrenzen.Nach einigen Jahrzehnten relativer Sicherheit kehrt nuneine Situation zurück, in der jeder plötzlich ein potentiel-ler Verlierer ist; in der sich keiner seiner Sache mehrsicher sein kann.

Erstmals findet die junge Generationschlechtere Bedingungen vor als die alte.

Die Illusionen, dass Markt und Geld gesellschaftlichenInteressen und staatlichen Institutionen untergeordnetwerden können, werden brutal zerstört. Es wachsenZweifel an der Fähigkeit des herrschenden Gesellschafts-systems, die Probleme sozialverträglich zu lösen.Allerdings führt die Angst vor Arbeitslosigkeit und dieErfahrung von Entlassungen nicht automatisch zu kämp-ferischem Bewusstsein. Ausschlaggebend ist die Interpre-tation der Erfahrungen.Unübersehbar ist, dass die Krisenerfahrungen Tendenzenfördern, die Belegschaften in die Herrschafts- und Fes-tungsmentalität einzubeziehen. Gerade die moderneneue Rechte stützt sich auf die Angst vor den Folgen derkapitalistischen Globalisierung, um "in der Mitte der Ge-sellschaft" Positionen des Wohlstands-Chauvinismusmehrheitsfähig zu machen.Die Gewerkschaften bringen mit ihrer Teilnahme am"Bündnis für Wettbewerbsfähigkeit" zum Ausdruck, dasssie die Idee der Gleichberechtigung von Kapital und Ar-beit aufgegeben haben und den Vorrang der Wettbe-werbsfähigkeit akzeptieren. Sie beschränken sich darauf,die Folgen der neoliberalen Globalisierung sozial verträg-lich abfedern zu wollen.In der Logik liegen dann die zahlreichen betrieblichen"Bündnisse für Arbeit", die lediglich die Standortkonkur-renz zu Lasten aller Beschäftigten verschärfen. Dies istAusdruck einer tiefen Krise der Arbeiterbewegung, dielange vor 1990 begonnen hat.Bereits Mitte der 70er Jahre ist ein Kampfzyklus zu Endegegangen.● Fragmentierungsprozesse vertieften die Risse, diedurch die arbeitende Klasse gehen. ● Es begann eine Entwicklung, in der das Normalarbeits-verhältnis durch befristete Verträge, Leiharbeit, aufgenö-tigte Teilzeitarbeit, illegale Beschäftigung, erzwungeneSelbstständigkeit und Werkverträge zurück gedrängtwird.● Neue Betriebsweisen spalten in Kernbelegschaftenund eine zunehmende Zahl von Beschäftigten in Rand-positionen. ● Veränderungen in den Managementkonzepten undder betrieblichen Arbeitsorganisation beseitigen Struktu-ren und Arbeitsprozesse, die kollegiales und solidarischesVerhalten quasi spontan gefördert haben.● Ein wachsender Teil ist arm – trotz Arbeit.● Massenarbeitslosigkeit wurde zur Dauererscheinungdes Kapitalismus in seiner neoliberalen Phase.Beginnend in der Mitte der 70er wurde deutlich, dasssich die nationale sozialstaatliche Regulierung bzw. dernationale Staatsmonopolistische Kapitalismus erschöpft.Die Internationalisierung des Kapitals – die sich dann in

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den 90er Jahren ungehemmt entwickelte – begann, denRahmen des Nationalstaates zu sprengen. Die Krise derArbeiterbewegung hat dann mit dem Zusammenbruchdes Sozialismus in Osteuropa seinen vorläufigen Höhe-punkt erreicht. Das Kapital kündigte den Sozialstaats-kompromiss auf und ging auf Konfrontationskurs gegen-über der arbeitenden Klasse. Diese Entwicklungen habendie traditionellen Gegenmachtkonzepte der Gewerk-schaften untergraben und entwerten – sowohl im Be-trieb wie auch in der Gesellschaft.Der Sozialwissenschaftler Werner Seppmann schreibt:"Im globalen Maßstab ist ein Vakuum entstanden, das esdem Kapital ermöglicht, die von ihm selbst produzierteKrisen- und Widerspruchsentwicklung in einer Herrschaftstabilisierenden Weise auszunutzen: Durch tiefgreifendeVeränderungen im System der internationalen Arbeits-teilung ist das Kapital in der Lage, die Beschäftigten ge-geneinander auszuspielen und ihnen seinen Willen auf-zudrängen. Weil die Menschen verunsichert sind, verhal-ten sie sich angepasst und orientierungslos. Die globaleKrise des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschafts-systems bewirkt unmittelbar keinen Aufschwung derMassenaktivitäten, sondern vielfach eher schicksalserge-bene Anpassung an die herrschenden Verhältnisse."(Werner Seppmann, MB 2-02, S.43)Die Krise ist auch deshalb so dramatisch, weil sie voneiner Krise der gesellschaftlichen Alternative begleitet ist.Es gibt keine Alternative – das wurde den Menschenüber Jahre in die Köpfe gehämmert.Für die Linke steht die Frage: Wie kann in dieser Situationder Zersplitterung ein Bewusstsein gemeinsamer Interes-sen und eine Perspektive der Solidarität wieder gewon-nen werden? Lässt sich das Auseinanderstrebende über-haupt noch zusammenführen?Auch wenn früher aus den kollektiven Organisationsfor-men der industriellen Arbeit und der Überschaubarkeitder Verhältnisse quasi eine organische Solidarität ent-standen ist – voraussetzungslos war solidarisches Han-deln nie.

Aber offensichtlich sind die Bedingungenfür Solidarität komplizierter geworden.

Zwar sind z.B. internationale Entwicklungs- und Produk-tionsnetzwerke multinationaler Konzerne heute schonOrt der Kooperation – allerdings nur zur Realisierung vonUnternehmenszielen, also von Zielen die von außen vor-gegeben werden. Erfahren werden sie von den Beschäf-tigten gerade in Krisensituationen als Ort der Konkurrenzum Arbeitsplätze und Einkommen.Aber internationale Entwicklungs- und Produktionsnetz-werke sind Ausdruck einer alle nationalstaatlichen Gren-zen sprengenden Widerspruchsentwicklung. Sie führenProduktions- und "Kopf"arbeiter durch den engen Ent-wicklungs-, Produktions- und Zuliefererverbund in einemweltweiten – für sie allerdings schwer durchschaubaren –unmittelbaren Kooperations- und Konkurrenzzusammen-hang zusammen.Erst in Ansätzen werden moderne Kommunikationsmittel– die jeder in seiner täglichen Arbeit nutzt –, für dieKommunikation im eigenen Interesse genutzt. Aber siebeinhalten die Potenz, die Beziehung der produzieren-den Menschen untereinander zur Kontrolle der Arbeitund der Arbeitsbeziehungen zu entwickeln

Ich zitiere einen Gedanken aus dem KommunistischenManifest, auch wenn es doch nicht so einfach ist, wieKarl Marx geschrieben hat: " ... die immer weiter um sichgreifende Vereinigung der Arbeiter ..wird befördertdurch die wachsenden Kommunikationsmittel, die vonder großen Industrie erzeugt werden und die Arbeiterder verschiedenen Lokalitäten (und Länder – L.M.) mit-einander in Verbindung setzen. Es bedarf aber bloß derVerbindung, um die vielen Lokalkämpfe (!!) von überallgleichem Charakter zu einem nationalen (und internatio-nalen - L.M.), zu einem Klassenkampf zu zentralisieren.”(Manifest, S. 53)Abgesehen vom "bloß" – gilt es, die "vielen Lokalkämpfe"zu führen, damit etwas "verbunden" werden kann. Indiesen lokalen Kämpfen besteht dann die Aufgabe, dieeigenen Probleme, die Krisenentwicklung und die globa-le Entwicklung als zusammengehörig zu vermitteln.Denn ein unmittelbares Merkmal der gegenwärtigenWelt ist doch die absolute Gemeinsamkeit der Art dersozialen Erfahrungen über weite Teile des Globus hin-weg.Bei allen Besonderheiten sollten wir darauf drängen, die-se Gemeinsamkeit zu beachten.● Eine Gemeinsamkeit, die der Tatsache geschuldet ist,dass global operierende Konzerne überall die gleicheZielstellung verfolgen: nämlich maximale Kapitalrenditeund Marktkapitalisierung. Und dazu machen sie die gan-ze Welt zu ihrem uneingeschränkten Ressourcing-, Han-dels-, Investitions- und Produktionsraum.

● Dies führt auch dazu, dass die Weltfinanzmärkte denStaaten die Bedingungen diktieren, dass IWF, Weltbank,Welthandelsorganisation überall absolut identische Ziel-stellungen verfolgen. Als Folge kommt es zu absolut glei-chen Entwicklungen bezüglich Arbeitsplätzen, Arbeits-losigkeit und prekärer Beschäftigung, Privatisierung desöffentlichen Sektors, Privatisierung sozialer Bereiche wieGesundheit, Rente, Bildung, Privatisierung des Wassers,etc.

● Es spricht sehr viel dafür, dass die Synchronität desgegenwärtigen Krisenzyklus keine Ausnahme ist, son-dern Ausdruck einer neuen Krisendynamik die die ganzeWeltwirtschaft erfasst. Die hohe Integration der Welt-wirtschaft und die Herrschaft der Multis führen dazu,dass sich die Krise global ausdehnt. Kein Land ist immun.Aber so führt der globale Kapitalismus nicht nur zu einerAngleichung der Krisenzyklen, sondern auch zur Anglei-chung der Kampfzyklen.

Die aktuellen Streikkämpfe im Baugewerbe, in der Me-tall- und Elektroindustrie, bei Telekom und Post sowie imEinzelhandel, die Streikaktionen der Gewerkschaften inSüdkorea gegen Entlassungen und den Ausverkauf dernationalen Industrie, die Generalstreiks der indischen Ge-werkschaften im April gegen die Privatisierung öffent-lichen Eigentums, der Generalstreik der italienischen Ge-werkschaften im April gegen die Zerschlagung sozialerErrungenschaften, die Landlosenbewegung in Brasilien,die gegenwärtigen Volkskämpfe in Argentinien, die Za-patistenbewegung in Mexico, das Treffen des Weltsozial-forums in Porto Alegre und die Vorbereitungen für dasEuropäische Sozialforum in Florenz sind Ausdruck einerentstehenden Kultur des Widerstandes und möglicher-weise auch Signale, dass wir am Beginn eines neuenKampfzyklus der Arbeiterbewegung stehen.

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Offensichtlich ist, dass sich für diesen neuen Kampfzyklus die arbeitende Klasseals internationale Klasse formieren muss.

Zum einen, weil das internationale Monopolkapital dieKontrolle über die Weltwirtschaft ausübt. Aber diese In-ternationalisierung des Kapitals hat auch die arbeitendeKlasse internationalisiert. Sie ist international in den kapi-talistischen Zentren in Folge der Arbeitsimmigration; sieist aber vor allem international auf Grund der Kooperati-on in den globalen Wertketten.

Die Belegschaften der Multis sind der Teil der Klasse, deram engsten mit der modernen kapitalistischen Produkti-on verbunden ist; sie sind der Teil, bei dem objektiv dieHerausbildung des internationalen Charakters der Klasseam weitesten fortgeschritten ist. Und sie bilden den Teil,der die kapitalistische Produktion am empfindlichstentreffen kann.

Aber trotz der elementaren Bedeutung die dieser Teil derKlasse hat, wird sich eine Perspektive der Veränderungund der Möglichkeit einer anderen Welt nur eröffnen,wenn er organischer Teil einer sozialen Bewegung ist, dieüber diesen Bereich hinausgeht und die wachsendenSchichten der prekär und illegal Beschäftigten einbe-zieht.

Wir brauchen einen Typ von Gewerkschaft, der sich nichtnur auf elementare Fragen der Arbeit konzentriert, son-dern auch auf politische und wirtschaftliche Fragen:Menschenrechte, gerechter Handel, soziale Gerechtig-keit, die Verteidigung der Armen und Ausgegrenzten –und diese Auseinandersetzungen in den internationalenZusammenhang stellt.

Wir brauchen einen Typ von Gewerkschaft, der die Eigen-tumsfrage zur Diskussion stellt; die Formen des Eigen-tums zur Diskussion stellt. Eine Frage, die anscheinendvöllig legitim für das Kapital ist, aber ein Tabu für dieWelt der Arbeit. Dabei ist die Form des Eigentums einezentrale Frage in der Strategie der Multis. Was ist dieAneignung der öffentlichen Dienste, der Kommunikati-onsmittel und Medien, des Wassers, des geistigen Eigen-tums, der biologischen Ressourcen, die Aneignung derRenten, der Krankenversicherung – was ist das anderes,als das Stellen der Eigentumsfrage durch das Kapital.Jede Firmenübernahme stellt und verändert die Eigen-tumsfrage im Interesse der Multis.

Eine Perspektive der Veränderungmuss die Eigentumsfrage wieder in den Mittelpunkt stellen.

Das gesellschaftliche Eigentum hat zwei Fundamente:den gesellschaftlichen Charakter der Produktion und desAustausches – der für alle am erfahrbarsten in der Weltder multinationalen Konzerne ist – und zweitens dieIdee, dass das Eigentum dem Gemeinwohl zu dienenhat.

Wir erleben in der jüngsten Zeit, wie sich weltweit eineneue Bewegung gegen den Neoliberalismus, die kapitali-stische Globalisierung und den imperialistischen Kriegbeginnt zu entwickeln. Diese globale Bewegung kann dieArbeiterbewegung stimulieren. Aber umgekehrt brauchtdiese Bewegung auch die organisierte Kraft der Arbeiter-bewegung für die Schaffung einer sozialen und politi-schen Alternative.

Seattle war die Geburt eines neuen Verhältnisses vonglobalisierungskritischer Bewegung und Arbeiterbewe-gung und der Arbeiter und Bauern der verschiedenenLänder untereinander. Beziehungen, die üblicherweisereduziert sind auf Handelsaustausch oder sich in Formder internationalen Arbeitsteilung ausdrücken, wurdenansatzweise zu Beziehungen der Produzenten unterein-ander, die ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmenwollen und die die Kontrolle über ihre eigene Arbeit unddie Arbeitsbeziehungen gewinnen wollen. In Ansätzenwerden die Kräfte sichtbar, die aus einer durch den Welt-markt vermittelten Beziehung zwischen Sachen, Bezie-hungen neuen Typs zwischen den Lohnabhängigen undBauern der verschiedenen Länder machen können unddie die Subjekte einer echten Globalisierung und der"kulturellen Vereinigung der Menschheit" (A. Gramsci)sind.

Das so widersprüchlich zusammen-gesetzte "Volk von Seattle" hat sich zu einem mächtigen Widerpart entwickelt.

Diese Bewegung der Bewegungen – versammelt imWeltsozialforum – ist dabei, die verschiedenen Forderun-gen zu einem großen Ganzen zu verbinden. Dieses großeGanze, das entsteht durch die Kooperation und den ge-meinsamen Kampf all derer, die vom globalisierten Kapi-talismus in Abhängigkeit, existenzielle Unsicherheit, Ar-mut und Ausgrenzung gestürzt werden.Die Losung "Die Welt ist keine Ware" positioniert die Be-wegung als Widerstandsbewegung gegen die kapitalisti-sche Globalisierung und deren Haupttriebkraft – die Mul-tis –, und sie bietet die Plattform für den gemeinsamenKampf von Arbeiter- und globalisierungskritischer Bewe-gung.

Leo Mayer ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und Mitarbeiter des isw e.V.

UNCTAD: United Nations Conference on Trade and Development(UN-Konferenz für Handel und Entwicklung)WIR: World Investment ReportMB: Maxistische BlätterSZ: Süddeutsche Zeitung

Hervorhebungen durch die Redaktion

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Michael Wendl

Löhne made in Shanghai?Globalisierung und Tarifpolitik

I.

Löhne made in Shanghai – in dieser Formel sind dreiBotschaften zugleich enthalten. Zunächst wird damit einpopuläres Vorurteil gefasst. Weit verbreitet ist die Auf-fassung, niedrige Löhne insbesondere in den ost- undsüdostasiatischen Industriegesellschaften würden zu Pro-duktionsverlagerungen aus entwickelten oder reifen ka-pitalistischen Ländern – Westeuropa und den USA – füh-ren. In der Arbeitgeberformel aus den 80er Jahren – die35-Stunden-Woche schafft Arbeitsplätze in Fernost –wird dieses Vorurteil auf den Punkt gebracht. Zugleichsteckt in dieser Formel das zentrale Dogma der neoklassi-schen Wirtschaftsdoktrin: Das Verhältnis der Faktorpreisevon Kapital und Arbeit entscheidet über die Nachfragenach Arbeit. Wird Arbeit relativ billiger, so wird sie stär-ker nachgefragt, wird sie relativ teurer, sucht sich derFaktor Kapital einen billigeren Faktor Arbeit. Mit der zu-nehmenden internationalen Mobilität von Kapital im Pro-zess der Globalisierung wird diese Bedrohung real. DasKapital verlässt die teuren Standorte und sucht sich gün-stigere Anlagemöglichkeiten. Diese Sicht gilt nicht nurfür die neoklassische Wirtschaftsdoktrin, sondern auchfür die vulgäre oder fundamentalistische Version dermarxistischen Kapitalismuskritik – auch wenn diese dar-aus entgegengesetzte politische Schlussfolgerungenzieht. Diese gemeinsame Schnittstelle von neoklassischerund neomarxistischer Wirtschaftstheorie macht auch diePopularität der dritten eher soziologisch aufgeladenenBotschaft deutlich. Deutschland, so die These von Wolf-gang Streeck, sei eine "institutionalisierte Hochlohnöko-nomie", herausgebildet unter den Bedingungen der Voll-beschäftigung und eines keynesianischen Wohlfahrts-staates der 60er und 70er Jahre. Unter den Bedingungender Globalisierung müsse diese Hochlohnökonomie um-gebaut werden in eine Wettbewerbsökonomie mit einemaktivierenden Sozialstaat. Folgendermaßen lauten danndie Schlussfolgerungen für die Tarifpolitik: 1) Zurückhal-tende und damit beschäftigungsorientierte Lohnpolitikund zum zweiten größere Lohnspreizung und weitererAusbau eines Niedriglohnsektors. Im Unterschied zu derauf der neoklassischen Doktrin basierenden wirtschafts-oder neoliberalen Politikversion wird dieser Gesell-schaftsumbau nicht gegen die Gewerkschaften, sondernzusammen mit den Gewerkschaften versucht. Das ist derpolitische Kern des "Bündnisses für Arbeit, Ausbildungund Wettbewerbsfähigkeit". Die dahinter stehende Sichtvon kapitalistischer Gesellschaft wird nicht mehr als Ge-gensatz von Kapital und Lohnarbeit, sondern als Verhält-nis von "Inklusion" und "Exklusion", d.h. vom Einschluss indie Arbeitsgesellschaft, oder vom Ausschluss aus demBeschäftigungssystem gesehen. Bernd Röttger sagt: "DasUnglück (und die Quelle des gesellschaftlichen Konflikts)

besteht folglich nicht mehr darin, ausgebeutet zu wer-den, sondern darin, nicht in ein Ausbeutungsverhältnisgeknechtet zu sein." 2)

Durch meine Wortwahl ist bereits deutlich geworden,dass ich diese drei oder vier (wenn der Neomarxismus inseiner Vulgärversion hinzugerechnet wird) Botschaftenfür oberflächlich und in der Substanz für falsch halte.

Um die Legende von der "institutionalisierten Hochlohn-ökonomie", die durch die Globalisierung existenziell be-droht ist, zu kritisieren, reichen drei makroökonomischbegründete Argumente:

1. Ausschlaggebend für die internationale Wettbewerbs-fähigkeit einer Wirtschaftsgesellschaft ist nicht die Höheder absoluten Lohnkosten, sondern zunächst die Höheder Lohnstückkosten, d.h. das Verhältnis von Arbeits-kosten zur Arbeitsproduktivität. Nehmen wir diese ge-samtwirtschaftliche Größe zum Maßstab für die Wettbe-

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werbsposition Deutschlands, so kann sowohl in den 80erwie in den 90er Jahren von einer Hochlohnökonomiekeine Rede sein. Im Vergleich mit allen anderen ent-wickelten kapitalistischen Gesellschaften ist der Anstiegder Lohnstückkosten unterdurchschnittlich. Insgesamtverbesserte sich dadurch in diesen beiden Jahrzehntendie internationale Wettbewerbsposition Deutschlands.Die Konstruktion einer "Hochlohnökonomie" Deutschlandist nach den Methoden der empirisch orientierten Sozial-wissenschaft auch nicht belegt. Sie ist ideologisch erfolg-reich, weil sie ein populäres Vorurteil bestätigt. Das Vor-urteil entsteht, weil in einer internationalen Ökonomieeinmal mikroökonomisch, zum zweiten in den Kategori-en von Kapitalismus als einer Tauschwirtschaft gedachtwird. Der billigere Akteur auf dem Markt verdrängt indieser Sichtweise den teureren Akteur.

2. Die mikroökonomische Beschränkung des Blickwinkelshängt damit zusammen, dass beim Vergleich der Ar-beitskosten die national verschiedenen Produktivitätender gesellschaftlichen Arbeit ebenso ignoriert werden,wie die Rolle der nationalen Währungen, die über dasVerhältnis der Wechselkurse zueinander Produktivitäts-nachteile auszugleichen versuchen. Die Berücksichtigungder Wechselkursrelationen ist wichtig, weil sie zeigt, dassStandortkrisen Deutschlands, insbesondere in den Jahren1993/94, in erster Linie wechselkursbedingt waren, alsoauf einer Aufwertung der DM basierten und nicht durchdie Arbeitskostenentwicklung erklärt werden. Diese Ver-

knüpfung von schwindender Wettbewerbsposition undvermeintlich zu hohen Löhnen war erfolgreich bis weit indie Gewerkschaften hinein. Das Ausblenden der Wech-selkursverhältnisse können wir als Resultat der Unkennt-nis makroökonomischer Zusammenhänge relativ einfacherklären. Das Ausblenden der unterschiedlichen Produk-tivitäten gesellschaftlicher Arbeit hat komplizierte Grün-de: Einmal verstehen fast alle – auch in den Gewerk-schaften – den Lohn als Preis des Produktionsfaktors Ar-beit. Niedrigere Faktorpreise führen dann zu niedrigerenProduktionspreisen. Die vermeintlichen Niedriglohnlän-der werden dann in der internationalen Konkurrenz alsBedrohung wahrgenommen. Es ist ein Verdienst derklassischen Politischen Ökonomie seit Adam Smith her-ausgearbeitet zu haben, dass der Lohn nicht der Preis dergeleisteten Arbeit, sondern der Preis der Arbeitskraft istund dass die von dieser Arbeitskraft geleistete Arbeits-menge oder der Wert dieser Arbeit deutlich größer seinkann als der Preis der Arbeitskraft. Karl Marx hat mit derKategorie der relativen Mehrwertproduktion herausgear-beitet, wie dieser Mehrwert durch die Entwicklung derProduktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit vervielfachtwerden kann.3) Solche theoretisch schwierigen Zusam-menhänge sind nicht einfach "vergessen" worden, son-dern sie stellen sich in einer falschen oder verdrehtenWeise im Bewusstsein der Menschen dar. In der bekann-ten Formel von "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" trans-portieren auch die Gewerkschaften diese Verwechslungvon Lohn als Preis der Arbeit mit Lohn als Preis der Ar-beitskraft.

3. Die Exportentwicklung der deutschen Wirtschaft wi-derlegt eindeutig das Vorurteil von der teuren deutschenArbeit. Anders gesagt, sie demonstriert, dass sich natio-nal als teuer empfundene Arbeit in international gesehenbillige Produkte transformiert, einmal über die Lohn-stückkosten, zum anderen über eine unterbewertete DModer einen unterbewerteten Euro. Dieser offene Wider-spruch wird in Deutschland in folgender Weise zu lösenversucht: Deutsche Produkte seien zwar preislich nichtwettbewerbsfähig, dafür aber qualitativ überlegen.4) Indiesem falschen Erklärungsversuch drückt sich aber et-was anderes aus: Die deutsche Wirtschaft exportiert Pro-dukte oder Waren auf einem hohen technologischen Ni-veau und setzt auf diesem Level auch die eigenen Pro-duktionspreise durch. Die Niedriglohnländer haben derdeutschen Wirtschaft nichts weggenommen, sondern siehaben im intertemporalen Strukturwandel und derdaraus resultierenden inzwischen internationalen Ar-beitsteilung die Plätze eingenommen, die Deutschland,die USA, Japan, kurzum die kapitalistischen Führungslän-der vor Jahren und Jahrzehnten eingenommen hatten. Indiesem intertemporalen Strukturwandel zu den Füh-rungsländern zu gehören, zahlt sich aus. Zuerst kapital-intensive Produkte, d.h. neue Produkte und neue Produk-tionsverfahren auf dem Markt zu bringen, bedeutet ei-nen Extra- oder sogar Monopolprofit bis zu dem Zeit-punkt, in dem sich diese Produkte oder Produktionsver-fahren verallgemeinert haben. Das fortgeschrittene Landverkauft "seine Waren über ihrem Wert, obgleich wohl-feiler als die Konkurrenzländer" sagt Marx (MEW 25,249). Die auch in den Gewerkschaften oft gehörtenÄußerungen, dass die Globalisierung zu einem Verlustvon Arbeitsplätzen in Deutschland führe, ist falsch. DieInternationalisierung der Produktion ist für den Wirt-

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schaftsstandort Deutschland per Saldo positiv. Produkti-onsverlagerungen wegen international zu hoher Arbeits-kosten erzeugen in anderen Ländern Nachfrage nachdeutschen Investitionsgütern (intertemporaler industriel-ler Strukturwandel) bzw. gehobenen Konsumgütern. Dieniedrigen Löhne in Shanghai, oder allgemein in Latein-amerika oder in Ost- und Südostasien sind zwar einProblem für die dort abhängig Beschäftigten, aber nichtfür Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Ganzim Gegenteil: Die hohen Sparquoten und darauf basie-rende Investitionen in den südostasiatischen Gesellschaf-ten haben die Weltwirtschaft stimuliert und daran habenausgesprochene Exportnationen wie Deutschland über-durchschnittlich partizipiert. In diesem intertemporalenStrukturwandel gehören die führenden Wirtschaftsnatio-nen eindeutig zur Gruppe der Gewinner. Anders gesagt:Weder die hohe Arbeitslosigkeit noch steigende sozialeUngleichheiten in den führenden kapitalistischen Gesell-schaften sind eine Folge der Globalisierung, in dem Sinn,dass weniger entwickelte Wirtschaftsgesellschaften denökonomisch führenden Gesellschaften etwas an Beschäf-tigung und Wohlstand weggenommen haben. Hohe Ar-beitslosigkeit und eine verstärkte politische Umverteilungvon den Arbeitseinkommen zu den Kapitaleinkommensind Resultat eines wirtschaftspolitischen Strategiewech-sels, der sich bereits Anfang der 70er Jahre durchgesetzthatte, und der als politische Reaktion auf gravierendeökonomische Probleme des damaligen Kapitalismus –genauer gesagt als Reaktion auf die Rückkehr des Kon-junktur- und Krisenzyklus in einem makroökonomisch re-gulierten Kapitalismus – verstanden werden muss. Dieschrittweise Aufhebung der sowohl internationalen wienationalen Regulierung der Bewegungen des Kapitalssollte die zurückgegangene Wachstums- oder Akkumula-tionsdynamik wieder stimulieren. Ein wichtiges und zu-gleich klassisches Instrument in diesem Prozess ist die Aus-dehnung des auswärtigen Handels, von Marx im 14. Ka-pitel des 3. Bandes in den Grundzügen analysiert. In die-sem Sinn spielt die Globalisierung sozusagen als "entge-genwirkende Ursache" gegen einen "tendenziellen Fallder Profitrate" (Marx), also als Element einer versuchten

Vitalisierung des Kapitalismus eine wichtige Rolle, abereben nicht als Ursache für steigende Arbeitslosigkeit,steigenden Reichtum und steigende Armut. Eine Rück-wirkung der Globalisierung auf die nationalen Arbeits-märkte sehen wir allerdings in einer verstärkten Migrationvon Arbeitskräften aus der ’armen’ in die ’reiche’ Welt.

II.

Zurück zur Tarifpolitik:Wenn die Formel "Löhne made in Shanghai" für die Krisedes deutschen Tarifvertragssystems falsch und irrefüh-rend ist, ist es naheliegend, die Formel "Löhne made inGermany" sozusagen als Gegenposition auf den Prüf-stand zu stellen. Das ist nicht nur naheliegend, weil wirzuerst in diesem Land tarifpolitisch handeln können, son-dern ist auch theoretisch plausibel. Wenn wir den Kapita-lismus anders als die neoklassische Theorie eben nicht alseine Tauschökonomie oder Marktwirtschaft, sondernnach wie vor als eine auf der Aneignung von Mehrwertund der Maximierung von Profit resultierende kapitalisti-sche Produktionswirtschaft verstehen, konstituiert sichdas Kapital im Allgemeinen als Nationalkapital. Dasheißt, dass die Lohnbildungsprozesse und darauf basie-rend das System der Akkumulation und Reproduktiondes Kapitals als politisch-ökonomische Prozesse in einemNationalstaat entwickeln. Das wird auch dadurch belegt,dass nach wie vor die nationalen Lohnstückkosten unter-schiedliche Niveaus und unterschiedliche Steigerungsra-ten haben. Nach wie vor sind Arbeitsrecht, Tarifvertrags-systeme und Sozialversicherung national bestimmt. Glei-ches gilt für Macht und Schwäche der Gewerkschaftenund ihrer tarifpolitischen Partner oder Kontrahenten.Diese Formel darf aber nicht so verstanden werden, dasses keinen internationalen Einfluss auf die Arbeitsbezie-hungen gebe. Sowohl die posttayloristische Organisationder Arbeitsprozesse – Stichwort "lean production" – wiedie Herausbildung der Orientierung der Unternehmens-strategie am shareholder value und die Rückwirkung derAktienkurse auf den realwirtschaftlichen Bereich sind in-ternationale Prozesse. Dazu gehört auch der Druck aufdie Deregulierung des Arbeitsmarktes, d.h. auf nationa-les Arbeits- und Sozialrecht. Aber dieser Druck kommtnicht aus Shanghai, sondern er vermittelt sich über dietransnationalen Unternehmen einerseits und über Invest-mentfonds, Pensionsgesellschaften und spekulatives Ka-pital andererseits.5) Aus einer werttheoretischen Sicht ge-sprochen vollzieht sich das Wertgesetz noch auf nationa-ler und nicht auf internationaler Ebene.Wenn wir heute eine weitgehende Erosion des Flächen-tarifvertrages und die deutliche Zunahme tariffreier Wirt-schaftsbereiche und Unternehmen konstatieren müssen,und darüber vermittelt mit einer deutlichen Ausweitungvon Niedriglöhnen und prekärer Arbeitsverhältnisse kon-frontiert sind, so hat das in erster Linie nationale Gründe.In den deutschen Gewerkschaften selbst, aber auch in-nerhalb der Sozialwissenschaften wird die Krise des aufdem Flächentarifvertrag basierenden deutschen Tarifver-tragssystems als zwangsläufige Folge einer "Individuali-sierung" der Arbeitswelt gesehen. W. Schroeder aus derTarifabteilung der IG Metall: "Das neue Leitbild für eineTarifpolitik, die nicht mehr von industriellen, großbe-

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trieblichen Massenstandards ausgehen kann, ist das dernachhaltigen Regulierung von Vielfalt und Differenz." 6)

In dieser Wahrnehmung sind einerseits enthalten eineUnterschätzung oder Verharmlosung der Krise des Flä-chentarifvertrages, zum zweiten wird die makroökono-mische Bedeutung des Flächentarifvertrages nicht ver-standen. Der Flächenvertrag mit branchenweit gleichenTarifnormen ist keine arbeitsrechtliche Abbildung stan-dardisierter Arbeitsabläufe, der durch eine Neuorganisa-tion der Arbeitsprozesse zum historisch überlebten Relikteiner fordistischen Ära der Massenproduktion wird, son-dern er ist einmal ein arbeitspolitischer Ordnungsrah-men, der für konkurrierende Unternehmen in einer Bran-che für einen Wettbewerbsrahmen sorgt, der den Wett-bewerb auf Innovationen und nicht auf Lohnkostendum-ping fokussiert. Zum zweiten bewirkt die Starrheit derNominallöhne nach unten, dass es im Konjunkturzyklusin der Rezession nicht zu einem allgemeinen Preisverfall,also zu einer Deflation kommt.

In den 80er und 90er Jahren sind zwei wesentliche Ände-rungen im Verhältnis von kapitalistisch organisierter Ar-beit im Betrieb und den Entscheidungsebenen im Unter-nehmen und Konzern passiert:

Einmal wurden die Arbeitsabläufe grundlegend reorgani-siert und darüber die Arbeitsintensität gesteigert. Dazugibt es eine breite industriesoziologische Debatte überAuf- oder Abwertung von Industriearbeit, neue Rationa-lisierungsformen, schlanke Produktion, systematische Ra-tionalisierung. Mit der Auflösung eines einheitlichen tay-loristisch geprägten Rationalisierungsparadigmas hat imGeltungsbereich des Flächentarifvertrages ein Arbeitskos-tenwettbewerb stattgefunden, auf den die "Verlierer" mitoffener Tarifflucht oder betrieblicher Aushöhlung desFlächentarifvertrages reagiert haben. Die führenden Un-ternehmen haben diese Prozesse der Ausgründung undTarifflucht sehr rasch übernommen, weil sie darin ökono-mische Vorteile sahen. Nach wie vor sind es aber über-wiegend kleine und "mittelständische" Unternehmen, diedie Arbeitgeberverbände verlassen.7) Das ist auch der tie-fere Grund, warum sich in der Arbeitszeitpolitik der Para-digmenwechsel von der Wochenarbeitszeitverkürzungzur Lebensarbeitszeitverkürzung durchsetzen konnte.Letzteres war der bequeme oder konfliktarme Weg, mitdem Unternehmen und Gewerkschaften den Beschäfti-gungsabbau und den Verschleiß der Arbeitskräfte kanali-sieren konnten.

Zum zweiten haben die Unternehmen gelernt, Prozesseder Marktsteuerung zwischen sich und ihre Produktions-stätten zu schieben, Verfahren von "benchmarking" und"best practices", und versuchen darüber, ihre Betriebe ander langen Leine zu steuern. Auch dies erhöhte denDruck auf den Flächentarifvertrag.

Das was bisher für den industriellen Sektor skizziert wur-de, gilt mit bestimmten Verzögerungen und Eigenheitenauch für den privatwirtschaftlichen wie öffentlichenDienstleistungsfaktor. Hier spielen Entscheidungen derEU-Kommission im Rahmen der Herstellung des europäi-schen Binnenmarktes ab 1992 in Richtung Deregulierungund Liberalisierung bisher politisch geregelter Märkteeine wichtige Rolle. Das war aber kein Druck von"außen", da insbesondere die deutsche Bundesregierungund Deutsche Bundesbank das neoliberale und wettbe-werbsfixierte Profil der EU-Ordnungs- und Fiskalpolitik

erzwungen hatten. Die Durchsetzung eines europäischenArbeitsmarktes und die Öffnung dieses Arbeitsmarktesfür osteuropäische Arbeitskräfte hat zu einer hohen Mo-bilität von Arbeitskräften, insbesondere im Niedriglohn-sektor geführt. Das Gerede vom durch Arbeitsrecht undTarifverträge verkrusteten Arbeitsmarkt dient nur derweiteren Schwächung der gewerkschaftlichen Konflikt-fähigkeit. Sicher kann der Arbeitsmarkt noch flexibler ge-staltet werden, aber die bestehende politische Regulie-rung des Arbeitsmarktes bremst die Beschäftigung imNiedriglohnsektor kaum. Unterhalb einer bestimmten Be-triebsgröße und in betriebsratslosen Betrieben wird for-mal geltendes Arbeits- und Tarifrecht faktisch nicht gel-tend gemacht. Dieser Umstand und die hohe Mobilitätzugewanderter Arbeitskräfte haben die Starrheit der No-minallöhne nach unten weitgehend durchbrochen. Bei einer werttheoretischen Fassung des Lohnes als Re-produktionskosten der Arbeitskraft wird diese hohe Mo-bilität verständlich. In Ländern mit schwacher Währungermöglichen niedrige Löhne in harter Währung gegen-über dem vorhergegangenen Einkommen eine Vervielfa-chung der Kaufkraft. Dafür werden ein hohes Ausmaß anEntbehrungen im fremden Land und ausgesprochenschlechte Arbeitsbedingungen in Kauf genommen. In derneoklassischen Sicht werden die niedrigen Löhne mit derentsprechend niedrigen Grenzproduktivität der Arbeit er-klärt. Tarifliche Löhne übersteigen die Produktivität ge-ring qualifizierter Arbeit und führen daher zu Arbeits-losigkeit von gering qualifizierten abhängig Beschäftig-ten. Deshalb soll mit einem Lohnsegment unterhalb dertarifpolitischen Mindestlöhne Beschäftigung geschaffenwerden. Die Gewerkschaften reagierten mit betrieblichen Öff-nungsklauseln, neuen (abgesenkten) Lohnebenen undmit einer zunehmend moderaten Lohnpolitik, die denkostenneutralen Produktivitätsfortschritt nicht mehr aus-schöpfen wollte, um mit diesem Lohnverzicht einen neu-en Sozial- und Beschäftigungspakt erkaufen wollen. Daswar Klaus Zwickels Angebot eines Bündnisses für Arbeitim November 1995. Damit bin ich bei dem dritten wichtigen Faktor zur Erklä-rung der Krise und Erosion des deutschen Tarifvertrags-systems: den Gewerkschaften selbst. Die Verschärfungdes Gegensatzes von Kapital und Arbeit in den 80er und90er Jahren hat in den Gewerkschaften – mit Ausnahmedes gesellschaftlichen Großkonfliktes um die Durchset-zung der 35-Stunden-Woche – nicht zu einer Politisie-rung der gewerkschaftlichen Interessenvertretung, son-dern spätestens nach der weltgeschichtlichen Zäsur von1989/90 zu einem Prozess der politischen Anpassunggeführt. Diesen Wechsel des politischen Leitbildes verste-he ich als Versuch eines neuen Gesellschaftsvertragesnach dem Sozialstaatskompromiss der 50er und 60erJahre (der stets heftig umkämpft blieb und erkämpftwurde). Die gewerkschaftliche Konzeption für diesenneuen Gesellschaftsvertrag lautete: Wir akzeptieren denKapitalismus als überlegene Wirtschaftsordnung, ihr,d.h. Politik und Unternehmen, beteiligt uns im Gegenzugan der "zivilgesellschaftlichen" Gestaltung des modernenKapitalismus. Wenn ihr uns Partizipation gewährt, ver-stehen wir den Klassenkampf als ein überholtes Reliktaus der Vorgeschichte des modernen, globalisierten Ka-pitalismus. Das war die zentrale Botschaft des ersten Ent-wurfs des DGB-Grundsatzprogramms von 1996. Die 90er

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Jahre markieren insgesamt den zeitlichen Rahmen, indem es zu einer teilweisen Anpassung an Grundzügender neoklassischen Wirtschaftsdoktrin kam. Man müsseendlich die positiven Beschäftigungseffekte niedrigerLöhne akzeptieren hieß die tarifpolitische Botschaft. Ein-zelwirtschaftlich hatte Lohnverzicht auch zur Sicherungvon Beschäftigung durch entsprechende Verdrängungder Beschäftigung anderer Wettbewerber geführt. DieÜberkapazitätskrise in der deutschen Automobilindustriemeisterte Volkswagen mit Arbeitszeitverkürzung undLohnverzicht besser als Daimler-Benz, Ford und Opel mitBeschäftigungsabbau. Betriebliche Erfahrungen und das Gerede vieler intellek-tueller Gewerkschaftsideologen verschränkten und be-stätigten sich gegenseitig, weil die neoklassische Doktrineine passende Legitimation für Betriebs- und Unterneh-mensegoismus liefern konnte. So war die auch förmlicheRealisierung der bereits 1995 angebotenen gewerk-schaftlichen Lohnzurückhaltung auf mehreren Ebenendes gewerkschaftlichen Handelns hinreichend vorberei-tet, so dass der innergewerkschaftliche Widerstand ge-gen die Tarifabschlüsse des Jahres 2000 weitgehendohnmächtig blieb.

III.

Inzwischen sind wir nach über sechs tarifpolitisch verlo-renen Jahren wieder in einem Prozess der tarifpolitischenNeuorientierung. Neuorientierung meint, dass statt einerLohnpolitik, die den Produktivitätsfortschritt nicht aus-schöpft und den nicht in Anspruch genommenen Teilden Unternehmen in der Hoffnung auf zusätzliche Be-schäftigung überlassen hat, in der Tarifrunde 2002 we-nigstens der lohnkostenneutrale Verteilungsspielraum ei-nigermaßen ausgeschöpft wird. Dieser liegt je nach Be-rechnung zwischen 3,3 und 4,0 Prozent. Damit wirdnicht zugunsten der Arbeitseinkommen umverteilt, aberder bisherige Umverteilungsprozess zugunsten der Ge-winne wird unterbrochen. Das ist ein wichtiger ersterSchritt. Der zweite Schritt muss mit der Begrenzung desNiedriglohnsektors und der Erhöhung der tariflichenNiedriglöhne eingeleitet werden. Das heißt aber zu-gleich, dass einerseits die geforderte weitere Deregulie-rung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes in hartenpolitischen Auseinandersetzungen blockiert werdenmuss und andererseits die Gewerkschaften sich insge-samt auf eine abgestimmte Konzeption der stufenweisenAnhebung von tariflichen Bruttoarbeitseinkommen unter1.500 Euro verständigen. Aus einer Reihe von Gründenhalte ich wenig von der Einführung eines gesetzlichenMindestlohns. Ein Grund ist, dass mit dem Mindestlohnzugleich die zulässige Arbeitszeit festgelegt werdenmuss, sonst wird der Mindestlohn faktisch durch Arbeits-zeitverlängerung abgesenkt. Die Gewerkschaften werdendiese Auseinandersetzungen nur mit Aussicht auf Erfolgführen können, wenn einerseits die makroökonomischeBedeutung des Flächentarifvertrages herausgestellt wird– das ist nicht so einfach, weil die große Mehrheit unse-res Führungspersonals diese makroökonomische Funkti-on nicht kennt – und wenn zum zweiten eine an huma-nen Werten orientierte Kampagne gegen Niedriglöhneund die Demontage des Arbeitsrechts geführt wird. Die

bereits 1997 begonnenen Versuche zu einer Koordinie-rung der europäischen Tarifpolitik (Doorner Abkommen)müssen fortgeführt und anders als mit den Tarifab-schlüssen 2000/2001 ernst genommen werden. Das fürdie Gewerkschaften dabei so schwierige an diesem tarif-politischen Kurswechsel besteht in zwei Korrekturen destraditionellen Selbstverständnisses. Einmal in der illusi-onslosen Verabschiedung von der politischen Arbeitstei-lung mit der modernen Sozialdemokratie. Diese ist vonihrem politischen Selbstverständnis und von ihrer sozia-len Zusammensetzung her gesehen eine Partei der mo-dernen Mittelklasse und des versuchten sozialen Auf-stiegs ihrer Mitglieder. Diese Klasse beklagt inzwischenselbst den Mangel an preisgünstigen Dienstboten. Zumzweiten in der Wahrnehmung der sozialen und ökologi-schen Rücksichtslosigkeit und zugleich Labilität des inter-nationalen kapitalistischen Weltsystems. Die Gewerk-schaften werden auch erkennen müssen, dass das subal-terne Mitmachen bei einer deutschen oder westeuropäi-schen "beggar my neighbour"-Politik noch nicht einmaleine mittelfristige Perspektive hat. Das haben wir mehroder minder bewusst nach 1989 versucht. Obwohl dieseexportorientierte Wirtschafts- und Geldpolitik bis 2001aus Sicht der Unternehmen einigermaßen erfolgreichwar – den abhängig Beschäftigten hat sie nichts ge-bracht. Nach der internationalen Rezession 2001/2002 istdie große spekulative Blase der US-Economy, die demEuroraum und insbesondere Deutschland einige Expor-terfolge beschert hatte, geplatzt. Eine solche ökonomi-sche, auch auf Aufblähung des Kredits basierende Pro-speritätskonstellation wird sich nicht wiederholen. Darinkann auch eine Chance liegen zur Politisierung und Inter-nationalisierung der deutschen Gewerkschaften.

Michael Wendl ist stellvertretender Vorsitzender der ver-einigten Dienstleistungsgesellschaft ver.di Bayern undMitherausgeber der Zeitschrift "Sozialismus".

Fußnoten

1) Wolfgang Streeck, Anmerkungen zum Flächentarifvertrag und sei-ner Krise, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 2/96

2) Bernd Röttger, Aufbruch zu verkommenen Ufern, Moderne Wirt-schaftspolitik in Europa, in: Kritische Interventionen, Hannover 2000

3) Karl Marx, Das Kapital Bd. 1 (Marx-Engels-Werke Bd. 23) S. 331 f.

4) Das führt bei deutschen Arbeitnehmern gelegentlich zu chauvinisti-schen Vorurteilen: "We don’t want inferior Chrysler quality in our su-perb Daimler products" sagte ein deutscher Daimer-Beschäftigter zumöglichen Synergien der Fusion Daimler-Chrysler. Zitat nach A. Marko-vits, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 3/2001.

5) Siehe dazu: Elmar Altvater, Birgit Mahnkopf, Grenzen der Globali-sierung, Münster 1996

6) W. Schroeder, Flucht nach vorn? Gewerkschaften unter Druck dessozialen Wandels, in: Blätter für deutsche und internationale Politik5’02

7) Siehe dazu: Ingrid Artus, Krise des deutschen Tarifsystems, Wiesba-den 2001

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Peter Wahl

Global Governance – Alternative zur neoliberalen Globalisierung?

Die neoliberale Globalisierung befindet sich in einer Ak-zeptanzkrise. Deutlichster Ausdruck ist die rasant wach-sende Protestbewegung, für die die Namen Seattle, Ge-nua, Porto Alegre stehen. Das heißt noch nicht, dass dasneoliberale Projekt insgesamt bereits am Ende ist. Nochimmer hat es Gestaltungsmacht und dominiert den Gangder gesellschaftlichen Entwicklung.

Aber bei zunehmender Distanz gegenüber den Globali-sierungsprozessen – selbst der Bundespräsident hat ineiner Rede kürzlich den Analysen der Globalisierungskriti-ker zu achtzig Prozent zugestimmt – verwundert esnicht, dass die Diskussion um Alternativen intensiverwird. Gefragt sind neue Paradigmen, die sich jenseits derneoliberalen Marktorthodoxie bewegen. Aus diesemGrund wächst auch die Bereitschaft, auf wissenschaftli-che Politikberatung zu hören. Reformorientierte Politik-und Sozialwissenschaften sollen nun alternative Leitbil-der zum Neoliberalismus liefern und gleichzeitig dazubeitragen, die Akzeptanz für solche Projekte zu steigernund ihnen zu einem breiten gesellschaftlichen Konsenszu verhelfen.

In dieser Situation bietet sich das Konzept von GlobalGovernance an. Mit ihm wird der Anspruch verbunden,die Probleme der neoliberalen Globalisierung in den Griffzu bekommen. Das Konzept wird als progressive Alterna-tive zum Neoliberalismus präsentiert. Zunächst noch dis-kursive politische Strategie, mit dem Ziel, die politisch-ideologische Hegemonie vom neoliberalen Lager zurück-zuerobern, hat es durchaus auch eine politische Zukunft.

Was heißt Global Governance?

Was heißt Global Governance? Im Deutschen gibt es da-für keine präzise Übersetzung. Deshalb wird der Begriffmeist unübersetzt gelassen. Mitunter trifft man auf dieFormel "Globale Ordnungspolitik" oder "Weltordnungs-politik." Eine Übersetzung, die in einem konservativenwissenschaftlichen und politischen Kontext angesiedeltist. In der Entwicklungspolitik trifft man häufig auch aufden Begriff "Regierungsführung" im Zusammenhang mit"good governance." In quasi amtlicher Sprachregelungwird "good governance" von der Bundesregierung aufdiese Weise übersetzt. Gemeint ist effizientes und kor-ruptionsfreies Regieren und Verwalten, wie es Entwick-lungsländern häufig als Vorbedingung für den Erhalt vonEntwicklungshilfe oder von Krediten abverlangt wird.

Aber gerade die Übersetzung "Regierungsführung" führtin die Irre. Bei Global Governance handelt es sich nämlichgerade nicht einfach um Regierungshandeln, sondernum Regulierung ohne zentrale Durchsetzungsmachtim internationalen Raum. Es geht also darum, jenseitsdes Nationalstaates aber unterhalb der Schwelle der ne-

gativen Utopie eines Weltstaates – mit Weltregierung,Weltparlament etc. – politische Handlungsfähigkeit zugewinnen. Die Vordenker des Global Governance-Diskurses stellensich dies als das netzwerkartige Zusammenwirken vonRegierungen, internationalen und supranationalen Insti-tutionen, ökonomischen Akteuren, d.h. Unternehmenund ihre Interessenvertretungen und zivilgesellschaftli-che Akteuren (NGOs, Gewerkschaften, soziale Bewegun-gen etc.) in einem Geflecht von formellen, völkerrechtlichverregelten und informellen Beziehungen vor.

Die Hauptprotagonisten von Global Governance

Das Global Governance-Konzept tritt in dreifacher Ge-stalt auf, nämlich ● als heuristisches Instrumentarium, mit dem die Analy-se der internationalen Beziehungen auf die Tatsache rea-giert, dass nicht nur mehr Regierungen im internationa-len System präsent sind, sondern vermehrt Nicht-Regie-rungsakteure im internationalen System eine Rolle spie-

Peter Wahl beim 10. isw-forum

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len. Diese reichen von Transnationalen Unternehmen,über NGOs bis hin zu international operierenden krimi-nellen Organisationen;

● in Gestalt einer normativen Orientierung für politi-sches Handeln und

● als politisch-strategischer Reformansatz.

Hauptprotagonisten des Konzepts waren in den neunzi-ger Jahren die UN-Commission on Global Governance,die Gruppe von Lissabon und in der Bundesrepublik dasInstitut für Entwicklung und Frieden (INEF) und die Stif-tung Entwicklung und Frieden, die von Willy Brandt ge-gründet worden ist. Vorläufer und Quellen des GlobalGovernance-Diskurses sind u.a. der Brundlandt-Berichtund die Arbeiten des Sozialwissenschaftlers James Ro-senau.

Ungeachtet der Unterschiede zwischen diesen Grund-typen gibt es in einigen Kernaussagen eine hohe Über-einstimmung zwischen den verschiedenen Vertreternvon Global Governance-Konzepten. Insbesondere dasAuseinanderdriften des als primär ökonomisch definier-ten Globalisierungsprozesses und politischer Regulierung(sfähigkeit) ist gemeinsamer Ausgangspunkt für alle An-sätze. Auch der hohe Stellenwert der institutionellen Di-mensionen internationaler Prozesse und entsprechendeReformen sowie große Hoffnungen auf die "Zivilgesell-schaft" als Effizienzressource und transnationale Netz-werke zwischen Regierungen, Wirtschaft und NGOszeichnet alle Konzepte aus. Eine hohe Übereinstimmungbesteht auch darin, dass einer Weltethik als normativeOrientierung für internationale Regulierung hohe Bedeu-tung beigemessen wird.

Unterschiede sind dagegen geringfügiger. Sie beziehensich vor allem auf die Gewichtung der Hauptakteure. DieCommission on Global Governance setzt z.B. einenSchwerpunkt bei der UNO, während die Gruppe von Lis-sabon auf aufgeklärte Eliten hofft.

Ausgangspunkt: Entbettungsthese

Zentraler Ausgangspunkt des Global Governance-Kon-zepts ist die sog. Entbettungsthese. Demnach findet imZuge der Transnationalisierung der ökonomischen Ent-wicklung eine Entbettung ökonomischer Prozesse undStrukturen aus dem Rahmen das Nationalstaates und de-ren Übergang in den transnationalen Raum statt. Dereinzelne Nationalstaat verliert zunehmend den regulato-rischen Zugriff auf die Global Players.

Sicher beschreibt die These zutreffend einen Teil des neu-en Verhältnisses zwischen Politik und Ökonomie unterBedingungen der neoliberalen Globalisierung. Allerdingssind dazu folgende Einschränkungen notwendig:

● Der Steuerungsverlust des Nationalstaates fällt sehrunterschiedlich aus. Zwischen dem Nationalstaat USAund dem Nationalstaat Mauretanien liegen in dieser Hin-sicht Welten.

● Gerade die großen Industrieländer verfügen noch überbeträchtliche Handlungsspielräume, bzw. gewinnen, wieim Rahmen der EU, auch neue hinzu; insofern kann dieRede vom Steuerungs- und Bedeutungsverlust des Natio-nalstaates ideologisch instrumentalisiert werden.

● Die Regierungen der G7 sind nicht Opfer dieses Pro-zesses, sondern sie haben ihn in den siebziger Jahren inGang gesetzt. Vorreiter waren zunächst die USA unterReagan und Großbritannien unter Thatcher, aber nachund nach haben sich die anderen G7-Länder angeschlos-sen und verfolgen aktiv diesen Kurs. Das gilt auch für dierot-grüne Bundesregierung, wie u.a. die großen "Re-formprojekte" Steuerreform und der Einstieg in die Priva-tisierung der Altersversorgung zeigen, bis heute. 1)

Die Entbettungsthese wird relativiert, wenn man sich voneinem eindimensionalen Staatsbegriff löst, und denStaat unter dem Gesichtspunkt verschiedener Funktionenbetrachtet, die er erfüllt, bzw. erfüllen kann. Der bürger-liche Staat erfüllt nämlich in der Tat mehrere Funktionen.Neben der Ordnungsfunktion nach innen, die durch Poli-zei, Justiz etc. ggf. auch repressiv durchgesetzt werdenkann und die militärische Vertretung von Interessen nachaußen war im 19. und 20. Jahrhundert auch der Sozial-Wohlfahrts- und Umverteilungsstaat entstanden. Zuerstzu Beginn des 20. Jahrhunderts in Skandinavien, in den30er Jahren in den USA mit Roosevelts New Deal unddann nach dem zweiten Weltkrieg auch in Westeuropa.Solange Wirtschaften im wesentlichen innerhalb des Na-tionalstaats stattfand, unterlag es auch nationalstaat-licher Regulierung. Im Ergebnis langer gesellschaftlicherKämpfe der Arbeiter- Frauen- Umwelt- u.a. sozialer Be-wegungen war der ungezügelte Manchesterkapitalismusdes 19. Jahrhunderts dabei durch eine Vielzahl von Sozi-al-, Arbeits-, Umwelt-, Gesundheits-, Wettbewerbs-, Kar-tell- etc. Gesetzgebungen zumindest in den Industrielän-dern zivilisiert und bis zu einem gewissen Maße demo-kratischer Kontrolle unterworfen worden.

Für die globalisierte Wirtschaft dagegen existiert ein sol-cher Ordnungsrahmen nicht. Es gibt keinen Weltstaat,und die Regulierungsansätze durch internationale Insti-tutionen und Vertragswerke hinken in ihrer Problem-lösungsfähigkeit hoffnungslos hinter der Dynamik derGlobalisierung her. Fondsmanager, Banker, Börsenjob-ber, Aufsichtsräte von Transnationalen Unternehmen u.a.mit keinerlei demokratischer Legitimität versehene Gre-mien treffen schicksalhafte Entscheidungen für Millionenund Abermillionen von Menschen, und dies auch übernationale Grenzen hinweg.

Der Nationalstaat baut die Sozialstaatsfunktion zuneh-mend ab und tritt als Organisator des Standortwett-bewerbs auf. Er wird zum Wettbewerbsstaat, der dieGesellschaft für den Weltmarkt "fit" machen sollen. DieEntbettungsthese trifft auch insofern die Realität, als bei-spielsweise die Liberalisierung und Deregulierung der Fi-nanz-, Güter- und Dienstleistungsmärkte sowie die Inter-nationalisierung der Wertschöpfungskette dazu führt,dass makroökonomische Steuerungshebel, wie die Zins-und Wechselkurshoheit ihre Wirksamkeit verlieren.

Selbst auf große Volkswirtschaften entsteht so ein per-manenter Druck, den Finanzakteuren und den großenKonzernen optimale Verwertungsbedingungen zu garan-tieren. Erst recht gilt dies für Entwicklungsländer. Derehemalige Chefökonom der UNCTAD, Yilmaz Akyüz, hatdies im Hinblick auf den Süden so formuliert: "Als Resul-tat der erweiterten Exit-Option, die das Kapital genießt,ist die Politik der Regierungen jetzt zur Geisel der Finanz-märkte geworden."

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Vor allem die Finanzmärkte werden, wie der kürzlich zu-rückgetretene Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank,Breuer, in einem ZEIT-Artikel formulierte, zur "fünftenGewalt". Neben Legislative, Exekutive, Justiz und Medienund diktieren den Regierungen zunehmend die "richtige"Wirtschaftspolitik. "Anleger müssen sich nicht mehr nachden Anlagemöglichkeiten richten, die ihnen ihre Regie-rung einräumt, vielmehr müssen sich die Regierungennach den Wünschen der Anleger richten." Diese "fünfteGewalt" ist freilich von niemandem gewählt und ent-behrt jeder demokratischen Legitimität.

Für kleinere Länder und für die Entwicklungsländer hatdieser Bedeutungsverlust des Nationalstaates zu einemweitgehenden Souveränitätsverlust geführt. Die Durch-griffsmöglichkeiten multilateraler Institutionen wie IWF,Weltbank und WTO über den Hebel der Strukturanpas-sungspolitik und die Sanktionsmöglichkeiten des WTO-Schiedsgerichts haben die Entwicklungsländer in dieneoliberale Globalisierung hineingezwungen.

Die ideale Architektur der Global Governance

Ausgehend von der Entbettungsthese strebt Global Go-vernance eine globale Architektur an, die in allen wesent-lichen Politikfeldern eine multilaterale politische Ord-nung etabliert:

● Die Welthandelsordnung, die Arbeits-, Sozial- undUmweltstandards beinhalten soll;

● Die internationale Wettbewerbsordnung, die den In-teressen schwacher ebenso wie starker VolkswirtschaftenRechnung trägt;

● Die Weltwährungs- und Finanzordnung, die Wechsel-kurse stabilisiert, kurzfristige Kapitalspekulationen be-grenzt, Bankenaufsicht gewährleistet und für bessere Da-tentransparenz sorgt;

● Die Weltsozialordnung, die durch einen internationa-len Lastenausgleich die Risiken zu verringern versucht,die aus wachsendem Wohlstandsgefälle und der Margi-nalisierung ganzer Weltregionen resultieren;

● Die Weltumweltordnung zur Stärkung der Wirksam-keit globaler Umweltpolitik.

● Die Weltfriedensordnung

Ziel dieser Struktur ist es eine zweite ’Transformation‘des Kapitalismus, wie Dirk Messner vom INEF formuliert,zu erreichen, "um nach der Zähmung der nationalenMarktwirtschaften durch die Rechts- und Wohlfahrts-staaten eine neue, diesmal globale institutionelle Einbet-tung der Weltmarktwirtschaft durchzusetzen."

Real existierende Global Governance

Auch wenn im Diskurs über Global Governance diesehauptsächlich als Alternativprojekt zur neoliberalen Formder Globalisierung definiert wird, sollte dies nicht denBlick dafür verstellen, dass gegenwärtig bereits Struktu-ren mit globalen Regulierungsfunktionen entstandensind bzw. entstehen. Das internationale System ist keinunbebautes Gelände, auf dem voraussetzungslos eineneue Architektur inter- und transnationaler Strukturenerrichtet werden könnte.

Die wichtigsten Institutionen dieser real existierendenGlobal Governance sind die G7 2), der IWF, die Weltbankund die WTO. Darüber hinaus spielt die OECD eine ge-wisse Rolle und partiell das UNO-System. Angesichts desvergleichsweise hohen Gewichts der Entwicklungsländerkämpft die UNO allerdings gegen einen permanentenBedeutungsverlust. Abgesehen von Fällen, in denen derSicherheitsrat für die Politik der G7 instrumentalisierbarist, bewegt sich der Einfluss der UNO in zunehmend en-ger werdenden Grenzen.Mit der Globalisierung verstärkt sich zugleich auch dieTendenz zur Blockbildung in den verschiedenen Weltre-gionen. Inzwischen haben sich mehrere regionale Inte-grationsansätze mit sehr unterschiedlicher Integrations-tiefe herausgebildet. Die wichtigsten Integrationsimpulsegehen dabei zweifellos von der EU aus. Aber auch mitder NAFTA (Nordamerikanische Freihandelszone mit Ka-nada, USA und Mexiko) ist ein solcher Integrationskernentstanden.Die institutionellen Arrangements werden ergänzt durchVerträge und Vereinbarungen unterschiedlicher recht-licher Verbindlichkeit, die sich auf einigen Politikfeldernzu Regimen verdichten, z.B. das Geflecht der Umweltver-träge zu einem Umweltregime. Die Institutionen und Prozesse der bestehenden Weltord-nung besitzen machtpolitisch eine solche Gravitations-kraft, dass die gängigen Governance-Strategien mit ihrermachtpolitischen Blindstelle und ihrem harmonisieren-den Weltbild dem gegenüber zu kurz greifen. Damit ist auch die zentrale Schwäche des Global Go-vernance-Konzepts benannt. Es ist von einer generellen"Machtblindheit" durchzogen. Die herrschaftsförmigstrukturierten Umbruchprozesse der Globalisierung ver-schwinden hinter einem harmonisierenden Weltbild, indem mächtige Interessen so gut wie keine Rolle spielen.Zur Verwirklichung der Reform wird hauptsächlich auftransnationale Netzwerke von Regierungen, Wirtschaftund "Zivilgesellschaft" gesetzt. Diese korporatistischeKonstruktion verkennt die darin enthaltenen machtpoliti-schen Ungleichgewichte und deren Konsequenzen. Ins-besondere der Unilateralismus der USA, aber auch diemachtpolitischen Rivalitäten zwischen den Zentren fallenunter den Tisch.Geradezu grotesk ist auch die Überschätzung der Rollevon Nichtregierungsorganisation (NGOs) während ande-re zivilgesellschaftliche Akteure, Gewerkschaften und so-ziale Bewegungen und gesellschaftlicher Protest weitge-hend ausgeblendet werden. Die Hoffnungen auf NGOsals Agens für Demokratisierung oder gar als Gegenge-wicht zu Markt und Staat, finden in den gegenwärtigenStrukturen keinerlei Bestätigung. Zwar ist deren Fähig-keit, Öffentlichkeit herzustellen und für Transparenz ininternationalen Prozessen zu sorgen eine wertvolle Res-source für eine emanzipatorische Strategie, aber ihr tat-sächlicher Einfluss auf die Dynamik der real existierendenGlobal Governance ist sehr gering, vor allem im Vergleichzu dem der Wirtschaft.Die machtpolitische Blindstelle des Global Governance-Konzepts macht es zu einer technokratischen, effizienz-orientierten Reform des internationalen Systems vonoben an und zeichnet sich damit durch ein grundlegen-des Demokratiedefizit aus. Durchgängig ist eine etatisti-sche Illusion, die den Staat für einen Gegenpol zur ent-

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fesselten Ökonomie hält und die Bedeutung sozialer Be-wegung für gesellschaftliche Transformationsprozesseignoriert. Die Durchsetzungsstrategie verabsolutiert da-her folgerichtig Dialog, Partnerschaft und Kooperationals Handlungsoptionen. Konflikt, Protest und Konfronta-tion werden dagegen ausblendet. Darüber hinaus ist der Global Governance-Diskurs ge-schlechtsblind. Die feministische Diskussion der vergan-genen Jahrzehnte wird nicht aufgegriffen. Die Ausblen-dung von Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen,von denen – wenn auch in unterschiedlicher Form undIntensität – die Hälfte der Menschheit betroffen ist, kon-stituiert eine weitere Dimension des Demokratiedefizitsvon Global Governance. Die "Nachsichtigkeit" des Global Governance-Diskursesgegenüber den destruktiven Aspekten des kapitalisti-schen Marktes und den hegemonialen Akteuren der ge-genwärtigen Weltordnung macht ihn (miss)brauchbarzur Modernisierung des Neoliberalismus.

Demokratische Regulierung der Globalisierung

Für eine politische Regulierung der Globalisierung ist alserstes eine Abkehr vom neoliberalen Leitbild notwendig.An die Stelle der an den Interessen der Global Playersausgerichteten Globalisierung muss eine sozial gerechte,ökologisch vertretbare und demokratische Gestaltungder Globalisierung treten.Diese wird aber nur durch Druck von unten aus der Ge-sellschaft entstehen. Nur auf der Grundlage verändertergesellschaftspolitischer Kräfteverhältnisse können institu-tionelle Reformen und Regelsysteme emanzipatorischePolitik implementieren.

Peter Wahl ist Vorstandsmitglied bei WEED (Weltwirt-schaft, Ökologie & Entwicklung) und Mitbegründer vonATTAC Deutschland.

Fußnoten

1) Allerdings ist inzwischen bis zu einem gewissen Maße auch eine"Zauberlehrlingskonstellation" entstanden. Die Geister, die man rief,wird man nicht mehr los. So ist etwa im sog. Stabilitätspakt der EU(Maastricht-Vertrag) eine Selbstbindung enthalten, die für jede Regie-rung, welcher Couleur auch immer, nur schwer rückgängig zu machenist. Auch das Statut der Europäischen Zentralbank ist außerordentlichfest verankert. Hier war die EU päpstlicher als der Papst, d.h. neolibera-ler als die USA, wo weder ein solcher Zentralbankstatus noch Selbstbin-dungen á la Maastrich denkbar sind.

2) Offiziell als G8 bezeichnet. Tatsächlich sitzt aber Russland als achtesMitglied am Katzentisch und dies auch nur, um es wegen seines Nukle-arpotentials in das Dominanz-System des Westens einzubinden.

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