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Corticale Gruben als Folge meningealer Cystenbildung bei chronischen Meningitiden, insbesondere bei der progressiven Paralyse. Von Oskar Fischer. (Aus der k. k. deutschen psychiatrischen Universitlttsklinik in Prag.) Mit 11 Textfiguren und 2 Tafeln. ( Eingegangen am 26. Oktober 1913.) Bei der Atrophie des Gehirns kommt es immer zur Verbreiterung der Furchen, weil sich die Windungen durch den Ausfall von Windungs- material voneinander entfernen miissen; ~hnliche Verh~iltnisse ergeben sich auch bei den Seitenventrikeln, denn infolge der allgemeinen und gleichmiil]igen, also quasi als konzentrisch aufzufassenden Atrophie der Hirnmasse mul3 die innere Oberfl~che des Gehirns -- die Ventrikel- wand -- dem Hemisph~,renzentrum n~her riicken, es mul~ zu einem Hydrocephalus internus kommen. Im allgemeinen finder sich dieses Verhalten bei allen atrophischen Zust~nden des Gehirns, nicht immer aber in dem Mai3e, wie man es auf den ersten Anbliek erwarten wiirde. Abgesehen devon, dal~ die Atrophie ungleichm~l~ig das Gehirn befiillt, wodurch wesentlich kompliziertere Verh~ltnisse eintreten, kommt as wiederholt vor, dait sich namentlich bei der Paralyse ein MiBverhii, ltnis zwisehen der Erweiterung des Ventrikels und der Verbreiterung der Furchen findet ; so gibt es einerseits Fiille mit sehr starkem Hirnschwund und recht starker Verschm~lerung der Windungen ohne wesentliche Verbreiterung der Furchen, wogegen ein enormer Hydrocephalus internus vorliegen kann, andererseits auch F~lle mit nur geringer Ven- trikelerweiterung, aber mit ganz enormer Verbreiterung der Furchen, wie dies z. B. Fig. 1 zeigt. Als Erkl~rung dieser Phi~nomene nimmt man im allgemeinen an, dab die Atrophie einmal die Hirnrinde, das andere Mal das Marklager mehr betroffen hat; doch entspreehen die tatsii~hliehen Verhii, ltnisse nieht immer dieser Erkl~rung, da man bei gleichem Materialsehwund einmal einen sehr starken Hydrocephalus, das andere Mal wieder sehr wei~ klaffende Furehen vorfindet. Es mul~ deshalb noeh andere Fak- toren geben, welche die Form des atrophischen Gehirns bestimmen. Z. f. d. g. Neut. u. Psych. O. XXl. ~I

Corticale Gruben als Folge meningealer Cystenbildung bei chronischen Meningitiden, insbesondere bei der progressiven Paralyse

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Corticale Gruben als Folge meningealer Cystenbildung bei chronischen Meningitiden,

insbesondere bei der progressiven Paralyse. Von

Oskar Fischer.

(Aus der k. k. deutschen psychiatrischen Universitlttsklinik in Prag.)

Mit 11 Textfiguren und 2 Tafeln.

( Eingegangen am 26. Oktober 1913.)

Bei der Atrophie des Gehirns kommt es immer zur Verbreiterung der Furchen, weil sich die Windungen durch den Ausfall von Windungs- material voneinander entfernen miissen; ~hnliche Verh~iltnisse ergeben sich auch bei den Seitenventrikeln, denn infolge der allgemeinen und gleichmiil]igen, also quasi als konzentrisch aufzufassenden Atrophie der Hirnmasse mul3 die innere Oberfl~che des Gehirns -- die Ventrikel- wand -- dem Hemisph~,renzentrum n~her riicken, es mul~ zu einem Hydrocephalus internus kommen. Im allgemeinen finder sich dieses Verhalten bei allen atrophischen Zust~nden des Gehirns, nicht immer aber in dem Mai3e, wie man es auf den ersten Anbliek erwarten wiirde. Abgesehen devon, dal~ die Atrophie ungleichm~l~ig das Gehirn befiillt, wodurch wesentlich kompliziertere Verh~ltnisse eintreten, kommt as wiederholt vor, dait sich namentlich bei der Paralyse ein MiBverhii, ltnis zwisehen der Erweiterung des Ventrikels und der Verbreiterung der Furchen findet ; so gibt es einerseits Fiille mit sehr starkem Hirnschwund und recht starker Verschm~lerung der Windungen ohne wesentliche Verbreiterung der Furchen, wogegen ein enormer Hydrocephalus internus vorliegen kann, andererseits auch F~lle mit nur geringer Ven- trikelerweiterung, aber mit ganz enormer Verbreiterung der Furchen, wie dies z. B. Fig. 1 zeigt.

Als Erkl~rung dieser Phi~nomene nimmt man im allgemeinen an, dab die Atrophie einmal die Hirnrinde, das andere Mal das Marklager mehr betroffen hat; doch entspreehen die tatsii~hliehen Verhii, ltnisse nieht immer dieser Erkl~rung, da man bei gleichem Materialsehwund einmal einen sehr starken Hydrocephalus, das andere Mal wieder sehr wei~ klaffende Furehen vorfindet. Es mul~ deshalb noeh andere Fak- toren geben, welche die Form des atrophischen Gehirns bestimmen.

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Dies beweisen vorerst F~lle von lokalisierter starker Rindenatrophie; Fig. 2 zeigt ein derartiges Gehirn; es handelte sich um eine L i s s a u e r - sche Herdparalyse, die (urspriinglich) als sensorische Aphasie begann

Fig. 1. Hochgradige paralytische Rindenatrophie mit klaffenden Furchen.

und nach einjiihriger Dauer mit dem plOtzlichen Tode des Kranken infolge einer Myokarditis endete. Entsprechend dem Umstande, dal~ es sich um einen noch wenig vorgeschrittenen Fall von Paralyse gehandelt

Fig. 2. Herdparalyse mit umschriebener Atrophie der ersten Schlafewindung.

hatte, war die Hirnatrophie nur in den Stirngebieten angedeutet, trotz- dem sich mikroskopisch iiberall das Bild der Paralyse nachweisen lie0; dagegen war die erste linke Schli~fenwindung hoehgradigst, etwa auf ein Drittel der normalen Breite verschmiilert, infolge eines daselbst lokalisierten spongiOsen Rindenschwundes. Trotz dieser so iiberaus

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starken lokalen Atrophie der einen Windung war keine dem Material- schwund entsprechende Erweiterung der angrenzenden Furchen zu sehen (wie dies oben Fig. 2 zeigt), die ja unbedingt h~tte bestehen miissen, wenn eine Furchenerwei- terung immer die direkte Folge von Windungsatro- phie w~re.

In das hier ange- schnittene Kapitel der durch Atrophie bedingten KonfigurationsstSrungen der Hirnoberflgche ge- h6ren auch eigenartige oft recht grol~e grubige Vertiefungen in der Hirn- rinde bei Hirnatrophien, speziell bei progressiver Paralyse, die recht inter- essante Verhgltnisse zei- gen, meiner Beobachtung nach recht h~ufig vor- kommen und trotzdem, soweit ich aus der Lite- ratur schlieBen kann, ganz unbekannt geblieben sind. Die Figg. 3--6 geben ein Bild von diesen Ver~inderungen.

An bestimmten Stellen oft symmetrisch gelegen, zeigen sich die Furchen nischenartig verbrei- tert und vertieft; die Meningen verhalten sich dabei immer so, dal~ die Pia mater der Hirnrinde vollkommen folgt, wogegen die Arachnoidea brfckenartig die Grube fiberzieht; dadurch ent- steht ein cystenartiger Hohl- raum, der von klarer Fltissigkeit erfiillt ist. Manchmal hebt sich an dem frischen Gehirn die Arach- noidea leicht blasenartig hervor, namentlich wenn man das weiche, unfixierte Gehirn hin- und her-

Fig. 3.

Fig. 4.

31"

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bewegt. Beim Anschneiden der arachnoidealen Cystenwand flieBt die Fliissigkeit ab und recht bald verschwinde~ die Grubenbildung. H/~ufig

reiBen die feinen Meningen beim Herausnehmen des Gehirns und wenn man auch reeht bald und vorsichtig das Pr~parat in Fixie- rungsflfissigkeit einlegt, so wer- den die urspriinglich deutlichen Gruben viel seiehter und kaum erkennbar, well sich diese Ober- fl/ichendifferenzen durch Zu- sammenfliei3en der z/~hweichen Hirnmasse sehr leieht ausgleiehen. Zum Studium dieser Verh~ltnisse erwies sieh die yon mir sehon seit vielen Jahren gefibte Methode tier Hirnfixation in situ als sehr vorteilhaft. Bei der frisehen Leiche wird (die genauere Be- sehreibung der Technik vide bei Bergl, diese Zeitschrift 19, 117. 1913) im Sitzen eine Lumbal- punktion mit einer entspreehen- den Nadel ausgefiihrt, der Liquor so lange ausfliegen gelassen, als sich iiberhaupt noeh etwas ent- leert, und dann unter geringem Drucke, meist geniigt etwa 1/4 bis 1/2 Arm., 10proz. Formol injiziert. Schon naeh einigen Stunden sind das Riickenmark, die Hirnbasis gehs und auch die Oberfl/~che der Hemisphiiren ist wenigstens so fixiert, daft, wenn man das Gehirn naeh der Herausnahme in FixierlSsung gibt, die natiir- liehe Kugelform des Gehirns sich erh~lt, ohne da$ es zu einer kiinstlichen Formveriinderung

Fig. 6. kommt. Bei derartig behandel- ten Gehirnen behalten die geschil-

derten Gruben ihre urspriingliche Form bei, wodurch deren Studium wesentlich erleichtert oder eigentlich erst ermSglicht wird.

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Bei der Paralyse findet sich diese Ver~nderung der Hirnoberfli~che O/ am h~ufigsten, meiner Schiitzung nach etwa bei 5/o. Das Material fiir

die vorliegende Untersuchung gaben 15 F~lle yon Paralyse, ein Fall yon gummSser recht weit ausgebreiteter Meningitis und 2 F~lle von seniler Demenz. Bei all den F~llen fanden sich die grubigen Vertiefungen an der Oberfli~che; alle F~i/le wurden histologisch untersucht und die klinische Diagnose auch yon diesem Gesichtspunkte aus best~tigt.

Um die Bedingungen fiir die Entstehung und LokMisation der Gruben zu iibersehen, wurde ein Lokalisationsschema auf die Weise entworfen, dab die bei allen 18 Gehirnen vorhandenen

Grubenbildungen, ohne Beriicksichtigung ihrer Gr56e, als gleich groBe Kreise auf ein Schema der Hirnober- fl~che aufgetragen wurden. Figg. 7-- 10 zeigen diese Schemen. Daraus ergibt sich vor- erst, da~ die Gruben ganz bestimmte Pdidi- lektionsstellen haben. Am h~ufigsten finden sie sich in der I. Stirn- windung und zwar nahe der Mantelkante, dann um die Interparietal- furche und das obere Ende der vorderen Zentralfurche. Weiter ergibt sich, dal~ die

Fig . 7. linke Hemisphere et- was mehr Gruben aufweist als die rechte und zwar in einem Ver- h~ltnis yon etwa 6 : 5 . Die medialen Hemisph~renfl~chen und die Basis der Hemisph~ren werden viel seltener betroffen. Die Gruben weisen verschiedene Gr58enverh~ltnisse auf. Man finder oft nut ganz kleine Vertiefungen yon Erbsen- und BohnengrSl~e, es gibt abet auch Gruben yon der Gr61~e einer WalnuB, die einem recht gro~en Hirndefekt zu entsprechen scheinen. Die gr58ten Dimensionen nehmen die an der medialen Hemisphi~renfl~che sitzenden Gruben an.

Als Ursache dieser eigenartigen Gruben war in erster Linie eine lokale Rindenatrophie anzunehmen, namentlich deshalb, weil es sich

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durchwegs um Gehirne handelte, in denen ein progressiv atrophischer ProzeB Platz gegriffen hatte; die Gruben h~tte man demnach als die Folge einer durch lokale Rindenatrophie bedingten Einsenkung der Hirnoberfl~che auffassen kSnnen. Aber nicht nur die makroskopische Besichtigung der entsprechenden Schnittfl~chen des Gehirnes brachte keinerlei Anhaltspunkte ffr eine solche Erkl~rung, sondern auch die mikroskopische Untersuchung tier die Gruben begrenzenden Hirnrinde ergab kein dementsprechendes Resultat. Es lieB sich in keinem Falle eine derartige Atrophie feststellen, ja vielfach hatte die Rinde auch in der Gegend der Gruben die normale Breite und zeigte auch sonst nur

recht geringe pathologi- sche Ver~nderungen.

Nach AusschlieI3ung einer lokalisierten Rindenatro- phie blieben nur zwei Wege zur Erkl~rung der Grubenbildungen iibrig. Entweder lag eine lokale Atrophie des Markes mit Einsenkung der nicht schwerer verKnderten Hirnrinde vor oder aber es handelte sich um einen aktiven exsudativen Pro- zel3 in den Meningen mit Bildung von abgesackten Cysten, welche infolgo aktiven Druckes die Hirn- rinde zuriickdrgngten. Ich muff zugeben, dab mir letzteres weniger wahr- scheinlich erschien. Zur Fig. 8. Klgrung dieser Frage

zeigte sich das in Fig. 4 abgebildete Gehirn eines Paralytikers besonders geeignet. Neben anderen kleineren Gruben befand sich an der linken Interparietalfurche eine nuBgrol~e Grube, wogegen die korrespondierende Stelle der anderen Seite keine grubige Vertiefung aufwies. Wenn in diesem Falle ein lokaler Ausfall von Hirnmaterial die Ursache der hier so grol3en Grube gewesen w~re, miiflte derselbe wegen des recht groflen Defektes unbedingt nachweisbar gewesen sein. Die Untersuchung wurde noch dadurch erleichtert, dab die Ver~nderung hier nicht wie gewShn- lich symmetrisch war, sondern der Parietallappen der Gegenseite sich unvergndert zeigte, so dab man die symmetrischen Stellen desselben

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Gehirnes zum Vergleiche heranziehen konnte. Dieses Gehirn, das auch in situ fixiert worden war, wurde in Frontalserien zerlegt, die zum Teil nach We ige r t gefiirbt wurden. Eine verkleinerte Abbildung eines Schnittes aus der Parietalgegend zeigt Fig. 11. Ein genaues Studium crgab nun ganz gleiche MassenverhMtnisse der Rinde und des Markes

Fig. 9.

auf beiden Seiten, so dab man eine lokale Atrophie als Ursache der Gru- benbildung mit absoluter Sicherheit ausschlieBen konnte. Dagegen fiel eine deuttiche Differenz der Seitenventrikel auf; beide Seitenventrikel waren zwar, wie es bei der Paralyse zur Regel gehSrt, erweitert, aber die Erweiterung war rechts wesentlich starker als links. Die makrosko-

Fig. 10.

pische und mikroskopische Durchmusterung der Hirnschnitte ergab aber in beiden Hemisphs ganz gleiche Massenverhiiltnisse sowohl der Rinde als auch des Markes. Dies deutete also darauf hin, dab die groBe Grube nur durch eine aktive Verdrs entstanden sein konnte, dab eine cystische Absackung in den Meningen die Rinde verdrs hatte

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und der so entstandene Druck zur relativen Verkleinerung des einen Ventrikels fiihrte. Man muBte also zur Ansieht kommen, dab man eine eystische Bildung vor sich hat, welche aktiv auf die Hirnoberfl~che ein- driiekt.

Wenn diese Erkl~rung den Tatsaehen entspreehen sollte, muBte die Cystennatur der in den Gruben befindlichen Meningealzisternen aueh auf andere Weise nachweisbar sein. Es muBte sich naehweisen lassen, dab der eystisehe Hohlraum der Meningen vollkommen abge- schlossen ist und mit den Subarachnoidealr~umen der Umgebung, also mit dem sonstigen Liquor nicht zusammenh~ngt. Zahlreiche Versuehe ergaben nun, daB, wenn man vorsichtig auch unter recht groBem Druck Farbfliissigkeit in diese meningealen Cysten, gleiehgiiltig ob in fixiertem oder unfixiertem Zustande injiziert, man nur die Cyste selbst mit Farbe

Fig. 11. Verkleinerter nach Weigert gefiirbter Frontalschnitt durch den Parietal lappen des auf Fig. 4 abgebildeten Gehirns.

ausfiillen kann; dagegen bleibt die Umgebung zun~chst ungef~rbt und nur bei grSflerem Druck gelangt an einzelnen Stellen die Fliissigkeit in die Subarachnoidealr~ume der Umgebung, wohl erst nach mecha- nischer Sprengung der Verwachsungen. Wenn man andererseits die Arachnoidealr~ume der Umgebung injiziert, so breitet sich die Farb- masse in der bekannten Art entlang der Gef~Be aus, erfiillt streifen-, flecken- und flEehenf6rmig den subarachnoidealen Hohlraum, aber in die Cyste selbst gelangt auf diesem Wege nie auch nur eine Spur von Farbe. Einigemal zeigte sich sogar, dab die Farbe fadenf6rmig in die die untere F1Eche der Cyste bildende Pia eindrang, aber auch da blieb der Cysteninhalt farblos. Bei einem Falle, der, wie sich spEter heraus- stellte, zufEllig einige Gruben aufwies, wurde aus anderen Griinden nach postmortaler Lumbalpunktion Berlinerblau start Formol injiziert, die Farbe gelangte recht reichlich an die Konvexit~t, lieB aber da~elbst

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zwei Gruben vollkommen frei, trotzdem dieselben v o n d e r ganz dunkel injizierten Arachnoidea umgeben waren.

Der cystische Charakter der meningealen Hohlr~ume muI3te auch histologiseh erwiesen werden. Zu dem Zwecke wurden einige meist etwas kleinere Gruben mit den anhaftenden und nicht besch~idigten Meningen eingebettet und histologisch untersucht. Es ergab sich auch auf diesem Wege der Naehweis, dab es sich um wirkliche cystische Bildungen mit ganz glatter Wand handelt, deren innere Begrenzung von einer feinen bindegewebigen Membran gebildet ist, in der man deutlich, wenn aueh nicht sehr h~ufig platte Kerne nachweisen konnte (Tafel VI, VII, Fig. 1, 2, 3). Stellenweise war eine zellige Infiltration der meningeale~l Begrenzung zu sehen, deren Intensit~t dem Infiltrationsgrade des ganzen Gehirns entsprach.

Au[3er bei Paral~se konnte ich die Gruben auch bei seniler Demenz und luetischer Meningitis beobachten. Alle diese F~lle hatten als ge- meinsames Merkmal chronisch-entziindlich-verdickte Meningen, mall wird also sehon deshalb zum Schlusse kommen, dab als Bedingung fiir die Entwieklung der Gruben eine chronische Meningitis anzusehen ist. Bei einer chronischen Entziindung und Verdiekung der Meningeal k6nnen gelegentlich einzelne Masehenr~ume derselben sich verkleben und verwachsen; wenn dann in den Meningen eine intensivere Fliissigkeits- produktion einsetzt, dann kann die in den abgeschlossenen Hohlr~umen sezernierte Fliissigkeit nicht abflieBen und wenn hierbei die Zwischen- w~nde nicht gesprengt werden, dann muB es zur Ausweitung und Bildung einer aktiv driiekenden und das Gehirn verdr~ngenden Blase kommen. Die histologische Untersuchung chronischer Meningitiden namentlich bei der Paralyse efgibt auch im allgemeinen Verhi~ltnisse, die diese Er- kl~rung plausibel machen. Wie die Figuren auf Tafel VII ergeben, welche das histologische Bild stark verdickter Meningen bei der Paralyse zeigen, bestehen die verdickten H~ute aus einem Maschenwerk, das in Fig. 4 kleinere, in Fig. 5 wesentlich gr613ere Hohlr~ume aufweist. Diese Hohl- r~ume kommunizieren wohl alle miteinander, durch entziindlichen Ab- schluI~ k5nnen dann einzelne derselben Cystencharakter annehmen.

Im allgemeinen gelten Cystenbildungen in den weichen Hirnh~uten als groi~e Seltenheiten, wie dies in allerletzter Zeit wieder v. K lebe l s - berg in dieser Zeitschr. 17, 485. 1913 betonte; dementsprechend konnte er auch nur von recht wenigen einschl~gigen Angaben der Literatur berichten. Meine Erfahrung steht nun in groBem Gegensatz dazu, wenn ieh hier von 18 F~llen berichten kann, namentlich aber wenn sich diese Bildungen bei etwa 5~o aller Paralytikergehirne naehweisen lassen.

Als Ursache dafiir, dab diese Ver~nderung eigentlich unbekannt geblieben ist, wird wohl der Umstand anzusehen sein, dab man bei atro- phisehen Gehirnen alle diese grubigen Bildungen als einfaehe Folge

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der Atrophie auffa[3te, um so mehr als die Gruben nach der Sektion sehr ba/d verschwinden. Durch die Formolfixation in situ bleiben sie aber deutlich und auch im fixierten Zustande der Untersuchung zugi~nglich. Bei dieser Gelegenheit will ich noch, um jedes Mil3verst~indnis auszu- schlieBen, betonen, dal3 diese Gruben auch in nicht in situ fixierten Gehirnen in gleicher anatomischer Form sich finden, dal3 es also nicht angeht, diese/ben etwa als einfache Folge der Formolinjektion zu er- kl~renZ).

Befremdend erscheint es, dal3 auch die grSl]ten Cystenbildungen bei meinen F~llen nie irgendwelche lokale Symptome hervorgerufen haben, namentlich deshalb, weft es ja bereits vielfach bekannt geworden ist, da/3 abgesackte Meningitiden yore cystischen Charakter zu Tumor- symptomen gefiihrt haben und deshalb auch zu operativen Eingriffen Veranlassung geben. Es diirfte sich in meinen F~llen wohl um langsam wachsende Hoh]riiume gehandelt haben; immerhin ist es abet nicht ausgeschlossen, dal3 hin und wieder irgendein Herdsymptom bei der Paralyse auch auf diesem Wege hervorgerufen werden k(innte; eventuell kSnnten die bei der Paralyse so h~ufigen corticalen Reizsymptome dutch solche Cysten hervorgerufen werden, doch miisseu erst weitere Beobachtungen lehren, ob diese Annahme den Tatsachen entspricht.

Zum Schlusse mSchte ich noch betonen, dab die Gruben am sch6n- sten an wenig oder noch gar nicht atrophierten Gehirnen hervortreten, denn wenn es bereits zu einer weitgehenden Schrumpfung der Windun- gen, namentlich in grSl~eren Gebieten gekommen ist, dann l~tl~t sich die einfache passive Erweiterung der Furchen yon einer cystischen Aus- weitung nicht gut unterscheiden.

l) Es ist wohl nieht n6tig, des genaueren auszufiihren, dal3 die vorhandenen Cysten mit dem ]~tat vermoulu yon Marie und L~ri niehts Gemeinsames haben, da der letztere nur eine besondere Form der oberfi~chliehen Rindenerweiehung darstellt.

Erklitrung der TaIeln VI und VII.

Fig. 1 und 3. Schnitte dureh kleine meningeale Cysten. Fig. 2. Die linke untere Nische der auf Fig. 1 abgebildeten Cystcnbildung bei

sti~rkerer VergrSl3erung. Fig. 4 und 5. Strukturen paralytischer Meningen. In Fig. 4 ein feinmaschiges

System, Fig. 5 grSl~ere Hohlr~ume aufweisend.