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D AS THEMA - Bund Naturschutz in Bayern · 2014-01-27 · 05$ 05-3*--5./ *1 &$/ /$*$/ 05!5,)2#*/3 '#5--5: 9# +6 +; $#&%71#$b_ 9; ca %$ ;; $%,0+0%$5&0#, 65% 0++5&5+ >,(

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  • Die Diskussion um den neuen Digitalfunk

    QUELLE: BUND NATURSCHUTZ, BAY. STAATSMINISTERIUM DES INNEREN / MP-GRAFIK: JUTTA GLÖCKNER

    Diagnose: Funk /Bund Naturschutz

    Bayerisches Staatsministerium des Innern /Projektgruppe DigiNet

    TechnischeTauglichkeit/Sicherheit

    Beim Digitalfunk herrschen große Ausfallrisiken wegen derzentralistischen Systemarchitektur und schneller Überbelastung(Erfahrungen aus den Niederlanden und Großbritannien).

    Technik des Analogfunks ist veraltet, störanfällig und nicht mehrzukunftsfähig. Sie ist seit über 40 Jahren im Einsatz und mussersetzt werden.

    Der Datenschutz kann nicht gewährleistet werden. Die Daten der500 000 Nutzer werden von einer amerikanisch-französischen AGverwaltet.

    TETRA ist ein weltweit eingesetzter Digitalfunk-Standard undentspricht den Vorgaben der deutschen Gesetze sowie allen euro-päischen Anforderungen.

    Die Tetra-Masten brauchen 20 Mal mehr Strom als ihre analogenVorgänger. Die Notstromfähigkeit ist mangelhaft.

    TETRA gewährleistet Abhörsicherheit.

    Es besteht eine Gefahr für medizinische Geräte, wie z.B. Herz-schrittmacher.

    GPS-Ortung der Einsatzkräfte beim Notruf wird ermöglicht.

    Digitalfunk liefert eine bessere Sprachqualität.

    TETRA wird bereits in 100 Ländern erfolgreich eingesetzt.

    Finanzierung Es herrscht noch kaum Transparenz zu Investitionserfordernissenund laufenden Kosten bei Kommunen.

    Netzaufbau (1 Milliarde): 80 Prozent Freistaat Bayern, 20 ProzentBund.

    Die Nachrückkosten sind bisher nicht absehbar. Erstbeschaffung Endgeräte: 80 Prozent Freistaat Bayern, 20 ProzentKommunen.

    Hohe Kosten für Anschaffung und Installation der Geräte. Betriebskosten: 60 Prozent Freistaat Bayern, 20 Prozent Sozialver-sicherungsträger, 20 Prozent kommunaler Wertbeitrag für mietfreieStandorte (fiktive Gegenrechnung).

    Förderung der Endgeräte ist ausgeschlossen, wenn Gemeinden sichweigern, einen Standort zur Verfügung zu stellen.

    Transparenz/Beteiligung

    Die Standorte werden geheim gehalten, obwohl sie mit handels-üblichen Messgeräten feststellbar sind.

    Geheimhaltung dient dem Schutz vor Sabotage.

    Die Bürger wurden nur mangelhaft in das Projekt miteinbezogen,und vor vollendete Tatsachen gestellt.

    Strenge Sicherheitsauflagen wurden bereits gelockert: Ortsangabenzu einzelnen konkreten Standorten von Basisstationen innerhalbdes Gemeindegebietes sowie Alternativen möglich

    Mögliche Alternativen für den Digitalfunk werden nicht in Betrachtgezogen.

    Es gibt keine Alternative zum Digitalfunk.

    Gesundheits-belastung

    Die Strahlungsbelastung steigt durch 24-Stunden-Betrieb. Gesamtzahl der Sendemasten (derzeit 3500) kann verringertwerden.

    Die Eindringtiefe in den menschlichen Körper (Frequenz von390 – 395 MHz) ist höher als beim Mobilfunk.

    Die gesetzlichen Grenzwerte (nach „Verordnung über elektro-magnetische Felder“) werden eingehalten.

    Pulsierung ist u.U. biologisch wirksam (17,6 Hz ist im Bereich derHirnaktivität).

    Unterhalb der Grenzwerte sind keine gesundheitlichen Beein-trächtigungen oder Schäden zu erwarten.

    Die Vollflächenabdeckung lässt keine Rückzugsmöglichkeiten fürelektrosensible Menschen.

    Alltägliche Immissionen wie WLAN, Handy, Computer, Fernseherbestehen bereits.

    Neue Erkenntnisse der WHO: Gefahren von elektromagnetischerStrahlung unterhalb der Grenzwerte nicht auszuschließen.

    PROKONTRA

    DAS THEMA6 7. J a h r g a n g , N r . 0 S a m s t a g , 2 6 . N o v e m b e r 2 0 1 1

    Angst vor der StrahlungDigital-Funk: Ein neues Netz soll die Kommunikation bei Polizei und Rettungsdiensten verbessern. Allein nach

    Unterfranken kommen 123 neue Masten. Wegen der möglichen Belastung sind viele Bürger besorgt.

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    Von unserem RedaktionsmitgliedREGINE BEYSS

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    I n über 130 bayerischen Ge-meinden formiert sich der Wi-derstand. Das sagt die Um-welt- und Verbraucherorgani-sation „Diagnose: Funk“, die sichdem Schutz vor elektromagnetischerStrahlung verschrieben hat. DerGrund für die aktuelle Aufregung:der neue digitale Einsatzfunk fürFeuerwehren, Polizei und Rettungs-kräfte. Gleich mehrere Kritikpunktelisten die Funkgegner auf (siehe Info-grafik). So seien bei der technischenTauglichkeit, bei der Finanzierung,bei der Gesundheitsbelastung undauch bei der Durchführung noch soviele Fragen offen, dass das rund eine

    Milliarde Euro teure Projekt unver-züglich auf Eis gelegt werden müsse,um es auf den öffentlichen Prüf-stand zu stellen. Bei der Staatsregie-rung in München stößt die Kritikhingegen auf Unverständnis. Bayernsei mit der Einführung des digitalenFunks auf dem richtigen Weg.

    Insgesamt 940 Mast-Standortewerden im Freistaat für die Errich-tung des sogenannten BOS-Einsatz-funks benötigt. 123 davon liegen imNetzabschnitt Unterfranken, an 47haben die Baumaßnahmen bereitsbegonnen. Doch auch hier wehrensich immer mehr Bürger gegen dierund 40 Meter hohen Funkmasten.Erst an diesem Mittwoch überreich-ten besorgte Bürger 200 Unterschrif-ten an den Ochsenfurter Bürger-

    meister Rainer Friedrich. Er kannihren Unmut zwar durchaus verste-hen: „Die Durchführung des Pro-jekts war mangelhaft“, sagt Fried-rich. „Wir bekamen die nötigen In-formationen aus München erst vielzu spät.“ In Ochsenfurt wird nun einMast errichtet, die Baumaßnahmenlaufen bereits seit einer Woche. „DieBürger plädieren für einen Baustopp,aber den kann ich nicht erwirken.Ich bin der falsche Ansprechpart-ner“, so der Bürgermeister. Tatsäch-lich hatte die Stadt keinen Einflussauf den Bau des Funkmastes, weil erauf Privatgrund steht. In Aub/Bal-dersheim (Lkr. Würzburg) wurde in-des auf Druck der Bürger ein Alterna-tivstandort für den geplanten Mastgefunden. Zurzeit ruhe das Verfah-ren, so Bürgermeister Robert Melber.„Die Bürger haben Angst vor der abs-trakten Bedrohung durch die Funk-strahlen“, weiß Melber. „Die Emotio-nen sind während der Diskussionhoch gekocht.“

    Im Norden Unterfrankens ma-chen sich besorgte Bürger bemerk-bar. Zwar gab es auch geräuschloseVerfahren wie in Oerlenbach (Lkr.Bad Kissingen), aber von den zehnGemeinden des Landkreises Rhön-Grabfeld, die vom Netzausbau be-troffen sind, gebe es derzeit in Mell-richstadt, Wülfershausen und Sulz-feld Diskussionen, so Karl-Heinz Cla-ßen, stellvertretender Kreisvorsitzen-der vom Bund Naturschutz. „DenGemeinden ist nicht klar, was auf siezukommt“, sagt er. „Die Verantwort-lichen lassen die negativen Aspekteder neuen Technik einfach weg.“

    Unbequem ist die Lage auch inHelmstadt (Lkr. Würzburg). Hierlehnte der Gemeinderat den Baueines neues Masts ab. „Wir wollennicht, dass sich die Strahlenbelas-tung für unsere Bürger erhöht“, soBürgermeister Edgar Martin. Bereitsjetzt steht ein Mobilfunkmast 700Meter von der Baugrenze Helmstadtsentfernt. Der neue Mast soll in 800Meter Entfernung errichtet werden.„Wir teilen die Skepsis der Bürger“,so Martin. Doch der Ratsbeschlusshat keine Auswirkungen auf den Baudes Funkmasts, da der Standort nichtauf Gemeindegrund liegt. „Wir wur-den nur als Nachbar gefragt“, erklärtder Bürgermeister.

    Helmstadt gehört zu insgesamt 63bayerischen Gemeinden, die sichgegen den Bau eines Funkmastenausgesprochen haben. 20 von ihnenhaben zusätzlich ein Moratoriumvon „Diagnose: Funk“ unterzeich-net. Demnach soll der Netzausbauausgesetzt werden, bis alle offenenFragen zum Digitalfunk geklärt sind.„Das Staatsministerium mauert“,kritisiert Hans Schmidt, Vorsitzender

    des bayerischen Landesverbands von„Diagnose: Funk“. „Wir haben einenFragenkatalog erstellt und zugesen-det, auf den wir einfach keine Ant-wort bekommen.“ Die Informations-politik des Staatsministeriums hält erfür skandalös: „Das kann man nichtbringen als seriöse Behörde.“

    Die Organisation hat auch die Mo-bilfunkbeauftragte Helga Krausevom Bund Naturschutz auf ihrer Sei-te. Die Expertin hat erhebliche Zwei-fel, dass der Digitalfunk wie geplantrealisiert wird. „Das wird so nichtfunktionieren“, so Krause. „Sowohltechnisch als auch finanziell.“ DieKommunen wüssten noch nicht,welche Folgekosten auf sie zukämen,denn die Betriebskostenvereinba-rung, die laut Staatsministerium be-steht, ist nicht bekannt.

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    „Der Digital-Funk istin keinster Weise

    gesundheitsgefährdend“CSU-Staatssekretär

    Gerhard Eck........................

    „Und auch der hohe Stromver-brauch der Masten verursacht hoheKosten.“ Die verantwortliche Pro-jektgruppe DigiNet führt Tests an,die die technische Umsetzbarkeit be-weisen sollen. „Doch sobald die Testsgroßräumiger angelegt wurden, gabes Schwierigkeiten“, sagt die Mobil-funkbeauftragte. Auch den gesund-heitlichen Aspekt des Digitalfunkssieht die Expertin kritisch. „Die mög-lichen Folgen werden von politi-scher Seite abgestritten, dabei wur-den in Großbritannien sehr schlech-te Erfahrungen damit gemacht.“

    Von Seiten der zukünftigen Nut-zer, also der Feuerwehr etwa, hörtman Zustimmung. Gerhard Möld-ner, Abteilungsleiter Integrierte Leit-stelle im Würzburger Amt für Zivil-und Brandschutz, sagt: „VomGrundsatz her stehen wir dem Pro-jekt positiv gegenüber.“ Dass es nochtechnische Probleme gibt, über-rascht ihn nicht. „Da kommt manbei so einem Riesenprojekt wohlnicht drum herum.“ Die Industriestelle bald keine analogen Gerätemehr zur Verfügung und spätestensdann bräuchte man eine Alternative.

    In der Projektgruppe DigiNet hatman für die ganze Aufregung indeskein Verständnis. „Die Angst derLeute wird geschürt“, sagt Spreche-rin Susanne Bredemeier. Nur an 50Standorten sei die Lage derzeit annä-hernd kritisch. In Anbetracht derGesamtzahl von 945 Standorten seidas eine relativ geringe Zahl.

    Der zuständige CSU-StaatssekretärGerhard Eck sagt: „Der Digitalfunk

    ist in keinster Weise gesundheits-schädlich. Die organisierten Mobil-funkgegner verunsichern die Bürgerin unverantwortlicher Weise.“ DieArgumente seien völlig aus der Luftgegriffen. Gemeinden, die sichgegen den Digitalfunk aussprechen,stehen nach Meinung des Staatsse-kretärs irgendwann vor der Heraus-forderung, die Sicherheit der Bürgerselbst zu verantworten. „Menschen,die das Projekt ablehnen, ist die Si-cherheit anscheinend egal“, so Eck.„Wir geben unseren Hilfsdienstleis-tenden ein vernünftiges Werkzeugan die Hand, das den heutigen He-rausforderungen gewachsen ist.“ Mitder Planung sei man in München inden letzten Atemzügen. Die Kom-munen werden bald genauere Infor-mationen bekommen, auch bezüg-lich der Kosten.

    Das Staatsministerium sieht dasProjekt trotz des Widerstands nichtin Gefahr. In der Antwort auf eineschriftliche Anfrage des FW-Land-tagsabgeordneten Hans-Jürgen Fahnheißt es, dass alle fünf Landtagsfrak-tionen hinter der Einführung des Di-gitalfunks stehen. „Das stimmt sonicht“, hält der Abgeordnete Fahndagegen. „In vielen Fraktionen gibtes Kritiker.“ Insgesamt hält er dieAuskünfte des Staatsministeriumsnicht für befriedigend. „Das Ministe-rium geht nicht auf die konkretenBedenken der Betroffenen ein.“Stattdessen steht für die Verantwort-lichen fest: Es gibt keine Alternativezur bundesweiten Einführung desBOS-Digitalfunks.

    Gemeinsam haben die FreienWähler und Bündnis 90/Die Grünennun einen Antrag auf eine Experten-anhörung im Landtag gestellt. Siesoll klären, welche Auswirkungenelektromagnetische Strahlung auchunterhalb der Grenze haben kann.Internationale Studien, die biologi-sche Wirkungen unterhalb der gel-tenden Grenzwerte nachgewiesenhaben, wurden bisher von der baye-rischen Staatsregierung lediglich mitHinweis auf Kommentare von Exper-tengruppen abgetan, heißt es in derBegründung. „Warnungen und Emp-fehlungen des EU-Rates, der Weltge-sundheitsorganisation und interna-tionaler Wissenschaftler werdennach wie vor nicht zur Kenntnis ge-nommen, geschweige denn umge-setzt“, so die Antragsteller.

    Die Diskussion also geht weiter.Dabei soll die bayernweite Standort-gewinnung in diesem Jahr weitge-hend abgeschlossen werden, damitdie Teilnetze bis 2014 in das bundes-deutsche Gesamtnetz integriert wer-den können. Zwischen 2013 und2015 sollen die bayerischen Netzedann in Betrieb genommen werden.

    Digitalfunk-Technik

    Der neue Digitalfunk arbeitet mit derTechnik von TETRA-Standard, die be-reits in rund 120 Ländern im Einsatzist. Die Abkürzung steht für TerrestrialTrunked Radio (Terrestrischer Bündel-funk). In Europa verfügen bisher achtStaaten über landesweite TETRA-Net-ze. Der Frequenzbereich liegt zwischen390 und 395 MHz. Die Basisstationenhaben zwei bis vier Frequenzträger, diejeweils mit einer Sendeleistung von20 Watt arbeiten. Die digitalen Hand-funkgeräte haben eine Sendeleistungvon maximal einem Watt.

    Die Einführung des Digitalfunks wur-de 1994 von der Innenministerkonfe-renz beschlossen. In Bayern ist die2006 gegründete Projektgruppe Digi-Net damit beauftragt, den Digitalfunkeinzuführen. Die Bundesanstalt für denDigitalfunk der Behörden und Organi-sationen mit Sicherheitsaufgaben(BDBSOS) koordiniert die Gesamtpla-

    nung für das bundesweite Netz. Ge-nutzt wird der neue Digitalfunk vonFeuerwehren, Katastrophenschutzbe-hörden, Rettungsdiensten, dem THW,dem Zoll sowie der Polizei aus Bundund Ländern.

    Beim Netzaufbau sollen zunächst be-stehende Funkmasten genutzt werden.Wo dies nicht möglich ist, wird einneuer Antennenträger auf einem kom-munalen oder privaten Grundstück er-richtet. Die Kommunen erhalten dafüreinmalig 5000 Euro. In Unterfrankenwerden 123 Standorte benötigt. Davonsind nach Angaben von DigiNet 119bereits gesichert, bei 71 Standortenwurde ein Bauauftrag erteilt, bei 47hat der Bau begonnen. Bayernweitsind von insgesamt rund 940 Stand-orten derzeit 850 vertraglich gesichert,bei rund 300 Standorten wurde mit derBauausführung begonnen. 200 Mastensind bereits fertig gestellt. TEXT: REB

    Cobra 1,bitte melden!

    Behörden wie diePolizei haben eigene

    Ansprüche an ihrFunknetz. Der digi-

    tale Ausbau sorgt fürDiskussion.

    FOTO (BEARBEITET): DPA

    Angst vor der StrahlungDigitalfunk-Technik