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2005 1905 VILLA SCHULER DIE HUNDERTJÄHRIGE GESCHICHTE DER VILLA SCHULER GRUPPE DREI ® 05/05

D - Hotel Villa Schuler Official Site | Boutique hotel in ... · fast 2000 Kilometer in Richtung ... dige „Deutschen-Kolonie“.H eute ... villa’s interior showed comfortable

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20051905

VILLA SCHULER

DIE HUNDERTJÄHRIGE GESCHICHTE DER VILLA SCHULER

GRUPPE DREI® 05/05

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DIE 100-JÄHRIGE GESCHICHTE DER VILLA SCHULER

Guten Tag, verehrte Gäste! Gestatten:Alessandro und Andrea Schuler – wir sind dieUrenkel des Hotelgründers.

Wir sind uns vermutlich noch nicht be-gegnet, denn wir helfen nur gelegentlich hierin der „Villa Schuler“ aus. Ich, Alessandro,studiere Sprachwissenschaften an der Uni inCatania. Mein Bruder Andrea besucht das hu-manistische Gymnasium in Taormina. UnserVater, Gerhard Schuler, leitet das Hotel, indem Sie sich hoffentlich wohl fühlen!

In diesem Haus, in dem Sie zu Gastsind, haben wir unsere Kindheit verbracht.Als Kind merkt man nicht unbedingt, ob dieUmgebung, in der man lebt, eine besondereist oder nicht.

Wir hielten alles für gegeben, für nor-mal, so als ob es nie anders hätte sein können.Dass es anders war, begriffen wir erst mit demErwachsenwerden.

Die „Villa Schuler“ hat tatsächlich eineaußergewöhnliche Geschichte. Dass Sie denherrlichen Panoramablick auf die Bucht vonGiardini-Naxos, den Ätna und den romanti-schen Giardino Pubblico von unserer Terrasseaus unter Palmen genießen können, die so altsind wie das Hotel selbst, nämlich stolze 100Jahre – das ist alles andere als selbstverständ-lich. Ursprünglich sollte an dieser Stellenichts anderes als ein Privathaus mit Ausstel-lungsräumen für Antiquitäten entstehen.

Doch es ist anders gekommen…

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Die „Villa Schuler“ im Jahr 1905

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Wenn Sie mögen, erzählen wir Ihnenauf den folgenden Seiten ein wenig über diebewegte Familiengeschichte der Schulers –wie die „Villa Schuler“ zwei Weltkriegeüberstand, wie unsere Oma in den 50er Jah-ren das reichlich mitgenommene Gebäudein ein ansehnliches Hotel verwandelte undso ganz bescheiden die Grundlagen für denheutigen Erfolg unseres Vaters legte.

Über ein Hotel zu berichten, ohne aufdas Wichtigste – seine Gäste – einzugehen,ist natürlich nicht möglich. Deswegen er-fahren Sie von uns auch etwas über unsereFeriengäste aus den vergangenen Jahrzehn-ten: Eine interessante und illustre Gesell-schaft ist da bisweilen zusammengekommen.Viele Gäste schätzten die familiäre Atmo-sphäre der „Villa Schuler“ und kamen wiederund wieder.

Heute wird die „Villa Schuler“ vonunserem Vater in der dritten Generation inFamilienbesitz geführt. Damit sind wir dasälteste inhabergeführte Hotel in Taormina.Und es besuchen uns Menschen aus allenKontinenten. In 100 Jahren ist die „VillaSchuler“ auf Sizilien so etwas wie eine Institution geworden.

Doch lesen Sie selbst! L

Gerhard Schuler mit seinen Söhnen Alessandro und Andrea

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ABSCHIED AUS DEM BADISCHEN

Um die Jahrhundertwende vom 19. zum20. Jahrhundert gab es große Auswanderungs-ströme. Wagemutige Menschen, Abenteureroder schlicht Verzweifelte verließen Deutsch-land. Für manche galt es damals als „schick“ insAusland zu gehen. Menschen, die sich diesesWagnis leisten konnten und bereit waren, einneues Leben zu beginnen.Viele gingen in dieVereinigten Staaten.Aber es gab auch Deutsche,die Italien den Vorzug gaben. Goethes „Italie-nische Reise“ hat sicherlich einen Beitragdazu geleistet, Italien und unsere HeimatSizilien nördlich der Alpen populär zu machen.

Unser Urgroßvater, Eugen Schuler senior,war einer von diesen Auswanderern. Mit 20 Jahren verließ der Sohn einer Arztfamilie

aus Heilbronn seine deutsche Heimat und reistefast 2000 Kilometer in Richtung Süden. Daswar 1886. Unglaublich, was für eine lange,beschwerliche Reise das gewesen sein muss.Heute kaum vorstellbar. Unser Urgroßvaterlitt an einem schwer behandelbaren Ohren-leiden und von dem milden mediterranenKlima versprach er sich zumindest Linderung,wenn nicht sogar Heilung. So kam er in dieHafenstadt Messina auf Sizilien. Als er inMessina ankam, gab es dort bereits eine leben-dige „Deutschen-Kolonie“. Heute würden wir„german community“ dazu sagen. Auch derberühmte Konrad Duden lebte damals inMessina. Unser Urgroßvater lernte hier seinespätere Frau kennen.

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Schmuck- und Uhrengeschäft selbstständig ge-macht und man kann sicherlich sagen: Er warin seiner neuen Heimat angekommen. Nacheinigen Jahren, so wird in unserer Familie er-zählt, machte er sich wieder auf den Weg, umim Süden der Insel einen Standort für einneues Geschäft zu suchen.Sein Ziel war Syrakus.

Auf der Fahrt dorthin traf er bei einemZwischenaufenthalt auf dem Bahnhof in

Er ging bald in die Lehre bei einemdeutschen Uhrmacher. Neben diesem schönenHandwerk interessierte er sich sehr für dieFotografie. In diese Zeit fiel auch seine Heiratmit der Deutschen Anna Märklen aus Asperg.1892 wurde in Messina ihr einziger Sohn –unser Großvater – geboren, dem sie den Namenseines Vaters gaben: Eugen. Nach Abschlussseiner Lehre hatte Urgroßvater sich mit einem

Taormina – Palazzo Corvaja Eugen Schuler senior mit seinem Sohn Eugen 1894 Familie Schuler 1898

Das Geschäft Eugen Schulers senior im Palazzo Corvaja 1904

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Taormina-Giardini einen Bekannten, derihm den Tipp gab, nach Taormina zu gehen.Dort stehe ein ansehnliches Ladenlokal leer.Uropa zögerte nicht lange und fuhr hinauf indiesen wunderschönen Ort, in dem späterwir geboren werden sollten. Es muss ihm hiersofort gefallen haben. Jedenfalls übernahm erdiesen Laden und wurde „Altertumshändler“,wie in einer Werbeanzeige für sein Geschäftin einer Ausgabe von „Meyer’s Reisebücher –Unteritalien und Sizilien“ von 1906 zu lesenist. Die Vorbesitzer des Geschäftes hatten be-reits mit Antiquitäten gehandelt und warenebenfalls Deutsche, „März und Nachfolger“.Es war ein großer Laden mit vier Schaufen-stern im Erdgeschoss des berühmten PalazzoCorvaja an der Piazza Badia, in dem übrigens1410 das sizilianische Adelsparlament getagthatte, um einen neuen König zu wählen.

Neben dem Geschäft, in dem seine Frautatkräftig mitarbeitete, betrieb unser Urgroß-vater leidenschaftlich die Fotografie. Sie verhalfihm zu einer großen Ehre. Unsere Oma erzähltdie Geschichte noch heute gerne: Einmal lagder Deutsche Kaiser Wilhelm II. mit seinerYacht vor der sizilianischen Küste. Die Fähig-keiten des Deutschen Eugen Schuler hattensich bis in die kaiserlichen Kajüten herumge-sprochen: Eines Tages wurde er gerufen, umdie Urlaubsbilder der kaiserlichen Familie zuentwickeln und verschiedene Übersetzungs-dienste für Wilhelm II. zu leisten.

Urgroßvaters Geschäfte müssen zu dieserZeit recht gut gelaufen sein, denn schon baldkaufte er das Grundstück in Hanglage an der

Piazzetta Bastione – dieses traumhafte Fleck-chen Erde, auf dem Sie heute hoffentlich un-vergessliche Urlaubstage genießen. Das Haus,das er darauf baute, war ursprünglich alsWohnsitz für seine Familie gedacht. Zusätz-lich ließ unser Urgroßvater im Erdgeschossein großzügiges Ladenlokal einrichten, in demer alle seine Schätze ausstellen konnte. Er mussoptimistisch in die Zukunft geschaut haben:eine junge Familie, ein zauberhaftes Haus ineiner traumhaften Landschaft und ein erfolg-reiches und angesehenes Geschäft. Doch diesesGlück sollte nicht lange währen. Unser Uropaerreichte kein hohes Alter, 1905 starb er imAlter von 39 Jahren. L

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Mehr als 100 Jahre alt ist das Hotelschild der „Villa Schuler“!Es ist eines der Ladenschilder vom Palazzo Corvaja, s. S. 11

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DIE VILLA WIRD ZUM HOTEL

Unsere Urgroßmutter Anna stand plötz-lich alleine da – eine junge Witwe mit einem12-jährigen Kind. Pläne, Ziele und Hoffnungenwaren in ein völlig anderes Licht gerückt.Als Witwe mit einem schulpflichtigen Kindkonnte sie den Antiquitätenhandel nicht mehrweiterführen. Aber unser Uropa hatte mit ihrnicht nur eine gute Wahl als Ehefrau getrof-fen: Sie war auch geschäftlich eine tüchtigePerson. Was tat sie nun mit diesem Haus aufdiesem wunderbaren Grundstück? Sie gründe-te kurzerhand eine Pension! Und damit beganndie Geschichte des Hotels „Villa Schuler“.

Keine Frage, unsere Uroma Anna hattedie Zeichen der Zeit erkannt: Um die Jahr-hundertwende war Taormina bereits zu einem

attraktiven Ferienziel für Europäer aus denkühleren Regionen geworden.Viele von ihnenließen sich dauerhaft nieder und brachten soGeld in die Stadt. Als Stadt konnte manTaormina damals allerdings noch nicht be-zeichnen, vor hundert Jahren war Taorminanoch ein kleiner Ort mit einer großenVergangenheit. Als dem Fremdenverkehr be-sonders zuträglich erwiesen sich die Aktivitäteneiner umtriebigen Künstlergemeinde. OttoGeleng, ein deutscher Landschaftsmaler, der1868 im Alter von 20 Jahren nach Taorminagekommen war, war einer von ihnen. Auf-merksamen Taorminabesuchern wird vielleichtaufgefallen sein, dass eine Straße nach ihmbenannt worden ist.

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Anna Schuler – Gemälde von August Bresgen 1939

Taormina um 1905 – die „Villa Schuler“ unten links im Bild

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Oder der Fotograf Wilhelm von Gloe-den: Seine homoerotischen Fotografien undvor allen Dingen die Geschichten, die sichdarum rankten, machten Taormina zum Ge-sprächsstoff, sodass zunehmend berühmtePersönlichkeiten, Künstler, Schriftsteller,Bohemiens und Intellektuelle auf Taorminaaufmerksam wurden, die wiederum anderenach sich zogen. Schon den Spuren eines der ersten großen Bewunderer Taorminas,Johann Wolfgang von Goethe, waren einigeBerühmtheiten gefolgt.

Die Liste der „Promis“, die Taormina imLaufe der Zeit die Ehre gaben, ist lang. Umnur einige zu nennen: Johannes Brahms, Guyde Maupassant, Oscar Wilde, Richard Wagner,Österreichs Kaiserin Elisabeth „Sissi“, dieenglischen Könige Edward VII. und George V.,Thomas Mann, André Gide, Jean Cocteau,D. H. Lawrence, Christian Morgenstern,Tennessee Williams,Truman Capote, SomersetMaugham, Greta Garbo, Marlene Dietrich,Joan Crawford, Rita Hayworth, Cary Grant,Sofia Loren, Elisabeth Taylor, Richard Burtonund Christian Dior.

Die Gäste, die es nach Taormina zog,benötigten natürlich Unterkünfte. Nicht we-nige blieben mehrere Wochen oder Monate.

Die Pension unserer Uroma lieferte so eineinträgliches Geschäft. Viele ihrer Gäste ge-hörten dem preußischen Adel an – neben denprominenten Künstlerpersönlichkeiten wahr-scheinlich die einzige gesellschaftliche Schicht,die sich zu jener Zeit mehrmonatige Aus-landsaufenthalte leisten konnte.

Einen interessanten Einblick in dieAnfangszeiten der „Pension Schuler“ liefertein Reiseroman aus dem Jahr 1909, „Seekersin Sicily“ von Elizabeth Bisland und AnneHoyt. Die bekannte amerikanische Reise-schriftstellerin Elizabeth Bisland und ihreKoautorin verarbeiteten darin Erlebnisse ihrereigenen Sizilienreise. „Seekers in Sicily“ isteine Erzählung über zwei reiche Amerika-nerinnen, die in diese damals fremde und füramerikanische Verhältnisse zutiefst unterent-wickelte Region Europas reisen. Die Prota-gonistinnen Jane und Peripatetica nehmen imFrühling 1908 für ein paar Wochen Quartierin der „Villa Schuler“. Liebevoll und mitWitz werden ihre Eindrücke und ihre Be-geisterung über die Gastfreundschaft unse-rer Urgroßmutter geschildert. Der heutigeGast wird unser Hotel in vielen Passagenwieder erkennen. Schon damals gab es einenüppigen Garten und die einmalige Terrasse.

„At the bottom of the crack a high wall and a pink gateway…they were in a delicious garden,descending a pergola of roses and grapes.Violets and freesias, geraniums and heliotrope spread in a dazzleof colour and sweetness under gnarled olives and almonds and blossoming plums; stone benches, bits of oldmarbles, a violet-fringed pool and a terrace leading down to a square white house, a smiling youngGerman girl inviting them in, and then a view – dazzling to even their fatigued, dulled eyes.

Unsere Uroma hatte sich gerade guteingerichtet, da kündigte sich die nächsteKatastrophe an: Krieg. Der Erste Weltkriegbrach aus und deutsches Eigentum im Aus-land wurde beschlagnahmt: so auch die„Villa Schuler“. Unsere Uroma und ihrmittlerweile 22-jähriger Sohn Eugen warengezwungen, den Pensionsbetrieb zu verlassen.

Urgroßmutter ging nach Asperg und ver-brachte die Kriegsjahre dort. Eugen wurde ineine Kaserne nach Karlsruhe eingezogen. Erhatte Glück und musste nicht an die Front.Ein Pferd verpasste ihm einen Tritt und da-mit eine Knieverletzung, die ihm den Dienstam Vaterland ersparte. L

In front a terrace, and then nothing but the sea, 700 feet below, the surf-rimmed coast line meltingon and off indefinitely to the right in great soft curves of upspringing mountains (….) Fortunately thevilla’s interior showed comfortable rooms, clean, airy, and spacious. But the terrace settled it.They wouldhave slept anywhere to belong to that.”

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Familie Schuler mit Gästen auf der Dachterrasse 1912

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NEUBEGINN UND SCHICKSALSSCHLÄGE

Es kam noch besser: Im Lazarett lernteunser Opa Eugen seine spätere Frau TheaAndersen kennen, eine Krankenschwester ausHamburg. Die beiden heirateten, und schonbald meldete sich Nachwuchs an: 1921 wurdeHeinz geboren – in Taormina! Denn unserGroßvater war mit seiner Frau und seinerMutter nach Taormina zurückgekehrt undhatte einen Neuanfang gewagt. Dass der über-haupt gelang, ist einer bemerkenswerten Be-gebenheit zu verdanken: Als nach dem ErstenWeltkrieg die „Villa Schuler“ versteigertwerden sollte, taten sich die lokalen Bieterzusammen und erklärten ihren Verzicht zu-gunsten unseres Opas. Offenbar hatten sichseine Eltern in Taormina nicht nur einen guten

Ruf erworben, sie müssen beliebt gewesensein. Nun war der Weg für unseren Opa EugenSchuler junior frei, sein einstiges Elternhauszurückzubekommen.Als einziger Bieter kaufteer das Familienerbe zurück.

Das Pensionsgeschäft am Meer liefschon bald wieder gut. Die Gäste hatten der„Villa Schuler“ die Treue gehalten und kamenwieder. Vielleicht müssen wir noch erwähnen,dass sich in den 20er und 30er Jahren dasReiseverhalten grundlegend vom heutigenunterschied. Damals kamen die Gäste imHerbst und überwinterten bis zum Mai oderJuni des darauf folgenden Jahres. Ein sicheresGeschäft. Dieses Reise- und Logierverhaltensollte sich erst mit dem Einsatz der modernen Eugen Schuler junior 1921

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Mittagstisch auf der Palmenterrasse der „Villa Schuler“ 1924

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Transportmittel ändern, die die Menschenschneller und auch komfortabler an ihr Ziel brachten.

Im April 1926 wurde die Tochter Elisageboren. Auf das neugeborene Leben folgteim Dezember des gleichen Jahres der Tod:Thea, die Frau unseres Opas, starb. Elisa undHeinz wuchsen nun mit der Großmutter unddem Vater auf. Doch der nächste Schicksals-schlag ließ nicht lange auf sich warten. ImAlter von nur acht Jahren starb Elisa an denFolgen einer nicht erkannten Blinddarm-entzündung. Der Maler Prof.August Bresgen,

ein guter Freund unseres Opas, hatte dasMädchen kurz zuvor porträtiert.

Das schöne Gemälde haben Sie sicher-lich schon gesehen. Es hängt seit damals inunserem Frühstückssalon.

Niemand konnte damals ahnen, dassauf den ersten bald ein weiterer Weltkriegfolgen würde. Doch nur 21 Jahre nach demEnde des Ersten Weltkrieges war es wiedersoweit. Der Zweite Weltkrieg brach aus und ein zweites Mal stand die Existenz der„Villa Schuler“ auf des Messers Schneide.Wieder wurde die Villa enteignet. L

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Unser Opa und seine Mutter flohennach Bozen.

Seiner schönen Lage wegen wurde dasHotel als Erholungsheim für die auf Maltastationierten Soldaten genutzt. In dieser Zeiterfuhr das Gebäude einige Veränderungen.Unser Opa hatte die Villa nach und nach fürden Pensionsbetrieb ausgebaut: So war 1938der Anbau zur Piazzetta Bastione mit einerReihe von Balkonen hinzugekommen. DieEngländer ließen die Balkone zumauern, weilein betrunkener Soldat über eine Balkonbrüs-tung gefallen und dabei zu Tode gekommensein soll.

Als das englische Militär die „VillaSchuler“ verließ, muss das Gebäude in einemverheerenden Zustand gewesen sein. Elektrikund Sanitäranlagen waren herausgerissen, vie-le der Räumlichkeiten verwüstet. Die „VillaSchuler“ war das Haus einer deutschen Familie gewesen, an ihr entluden sich dieSpannungen, die der Krieg verursacht hatte.Das ist glücklicherweise Geschichte. Heutegehört der damalige englische Kommandant,Mr. Robinson, zu unseren Hotelgästen.

Die Hotelruine wurde von den italieni-schen Behörden an die „Banco di Sicilia“ zurVerwaltung übergeben. Diese setzte ausge-bombte Zivilisten und wohnungssuchendeTaorminesi in die leer stehenden Räume. DasHaus, das bis zu diesem Zeitpunkt vornehm-lich dem ostpreußischen Adel Behaglichkeitgeboten hatte, war nun ein Ersatzquartier fürdie Einwohner Taorminas, die durch denKrieg ihre Wohnungen verloren hatten. Den

damaligen Sitten entsprechend wurden aufder Dachterrasse Hühner gehalten und auf derPalmenterrasse Kaninchen gezogen. Und wastat unser Opa? Um den Lebensunterhalt fürsich und seine Mutter zu sichern, übernahm ernach seiner Rückkehr aus Bozen die Leitungdes „Grande Albergo dell’Etna“, oben auf derSüdseite des Ätnas bei Nicolosi. Bis sich 1952das Blatt wieder wenden sollte. L

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Im Zweiten Weltkrieg mussten vieleMenschen erfahren, dass Leid, Grausamkeitund Zerstörung steigerungsfähige Ausdrucks-möglichkeiten bereit hielten. Wie ein auslau-fendes Tintenfass ergoss sich die nationalsozia-listische Aggression über Kontinentaleuropa bisnach Afrika. Die Nationalsozialisten schlugenihr Quartier auch in Taormina auf, und waskonnte ihnen im Ausland Besseres passieren alsein „deutsches Haus“ in Taormina vorzufinden.Unser Opa wurde NSDAP-Mitglied, und sowie sein Vater für den Deutschen Kaiser über-setzt hatte, beherbergte er nun Nazis wie Dr. Robert Ley und seine Gefolgsleute, wenndiese sich gerade in Taormina aufhielten.

Der rege Hotelbetrieb der „Villa Schuler“endete ein zweites Mal abrupt. Unser Hauswurde kurzerhand enteignet und den Kriegsin-teressen der Deutschen untergeordnet. Fortanwar die „Villa Schuler“ Anlaufstelle für dasdeutsche Militär. Aus den Erzählungen unse-rer Oma ist überliefert, dass sich die „VillaSchuler“ bis in die NSDAP-Führung herum-gesprochen hatte. Gast dieser Zeit war unteranderen die Frau des Reichspropagandamini-sters, Magda Goebbels.

Nachdem das deutsche Militär 1943,nach der Befreiung Siziliens durch die Alliierten,aus der „Villa Schuler“ ausgezogen war, wurdesie vom englischen Militär besetzt.

BESCHLAGNAHME, BESCHÄDIGUNGEN UND BAULICHE VERÄNDERUNGEN

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„ERSTE HILFE“ AUS DEUTSCHLAND

Der Zweite Weltkrieg war vorüber.Wie-der begannen die Menschen mit der Bestands-aufnahme, dem Neuordnen und dem Aufbauihrer Lebenswelt: so auch unser Großvater. Of-fenbar konnte und wollte er nicht lassen vonseinem Elternhaus. Sicherlich war es für ihnauch zu spät, mit einem neuen Leben inDeutschland, der Heimat seiner Familie, zu be-ginnen. Zu diesem Zeitpunkt war er 61 Jahrealt. Er einigte sich mit den italienischen Behör-den und holte sich ein zweites Mal den Fami-lienbesitz zurück. Dieses Mal bekam er seinHaus gratis als Ruine zurück. So befand sichdie „Villa Schuler“ 1953 wieder in unseremrechtmäßigen Besitz. Seine Mutter erlebte dasnicht mehr, sie war im Jahr 1949 gestorben.

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Die Situation muss traurig gewesen sein:Großvater lebte nun in dem zerstörten Hausgemeinsam mit einer Hausangestellten, seineminzwischen 32-jährigen Sohn Heinz und dessenFrau – und den vielen Erinnerungen an glück-liche und erfolgreiche Zeiten. Unser StiefonkelHeinz deutete schon frühzeitig an, dass er keinInteresse an einem Hotelbetrieb hatte. Er wurdelieber Elektriker und zog später mit seiner Fraunach Messina, wo er sich auf den Entwurf unddie Erstellung von Großanlagen spezialisierte.Allein wagte unser Großvater es nicht, ganz vonvorne anzufangen.Zu dieser Zeit, als unser Opasehr trübseligen Gedanken nachgehangen habenmuss, war die Rettung schon nah. Er sollte siebald darauf kennen lernen: unsere Oma Marta.

spät konnte sie den ersehnten Traumberuferlernen: Krankenschwester. Die Ausbildungwar hart, der berufliche Alltag streng. GroßeVerantwortung, gepaart mit tiefem Mitgefühl,brachte sie rasch an ihre körperlichen Gren-zen: Sie erkrankte an Magengeschwüren.Wie-derholte Kuren brachten keine Besserung.

In dieser Situation erhielt sie von einemOberarzt den entscheidenden Hinweis. Spä-ter sagte sie selbst: ein Wink des Schicksals.Eine befreundete Familie des Oberarztessuchte eine Krankenschwester für die an Tu-berkulose erkrankte Tochter. Einsatzort: Ta-ormina auf Sizilien. Die Tochter aus gutemHause war dort mit dem Direktor der Elek-trizitätswerke, Nino Bolognari, verheiratet.

Man muss sich das vorstellen: Die 50er Jahre in Deutschland – damals war dieFahrt nach Sizilien noch eine halbe Weltrei-se. Unerschrocken fuhr unsere Oma Martalos, in eine für sie gänzlich fremde Welt. Sieplante ihren Aufenthalt zunächst für einJahr. Dass schließlich alles ganz anders kam,können Sie sich sicherlich an dieser Stelleschon denken. Unser Opa war mit den Bo-lognaris befreundet und besuchte sie häufig,so lernte er unsere Oma kennen. Die beidenheirateten 1954. Ein Altersunterschied von31 Jahren lag zwischen ihnen und einegemeinsame Zukunft in der „Villa Schuler“vor ihnen. L

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19541

Szenenwechsel: Nachkriegszeit inDeutschland. Unsere Oma ist eine entschlos-sene, lebenstüchtige Person. Als junge Frauentscheidet sie sich, ihre Arbeitsstelle aufzu-geben und ihre Heimat, den Kraichgau, zuverlassen. Das war ein mutiger Schritt in einer

Zeit, in der sich die meisten Menschen vorallem Stabilität und Sicherheit gewünschthaben. 1923 geboren, gehört unsere Oma ei-ner Generation an, die ihre Jugend unter denBedingungen eines menschenverachtendenRegimes und des Krieges verbracht hat. Erst

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Hochzeit in Taormina 1954

Marta Schuler 1954

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So kann es gehen. Unsere Oma Martawechselte ihren Beruf im Handumdrehen –gestern Krankenschwester, heute Hotelchefin.Die Grundvoraussetzung für die neue Arbeitwar die gleiche wie für die alte: Freude am Umgang mit Menschen. Und unsereOma wusste, dass hier eine Lebensaufgabeauf sie wartete.

Die Villa war in einem erbärmlichen Zu-stand. Da half nur eins: beherztes Zupacken.Mit ein paar Hilfskräften aus dem Ort orga-nisierten unsere Großeltern Stück für Stückdie Instandsetzung des alten Gebäudes.Schon bald darauf nahmen sie den Hotel-betrieb mit inzwischen 14 Zimmern wieder

auf. Das war Mitte der 50er Jahre. Und heuteundenkbar: Die ersten fünf Jahre erledigtensie die Arbeit ohne ein einziges elektrischesHaushaltsgerät. Insgesamt war der Standardnoch bescheiden, aber niemanden schien eszu stören, ein Zimmer mit „fließend warm-kalt Wasser“ zu mieten. Im Vergleich zu dem,was die Menschen im Krieg erlebt und gese-hen hatten, muss das Hotel unserer Groß-eltern das Paradies auf Erden gewesen sein.Zumindest der Blick in die alten Gästebücherlässt diesen Eindruck zu. Als ob eine jäheUnterbrechung des Hotelbetriebs das nor-malste auf der Welt sei, kamen die Feriengästedurch Mund-zu-Mund-Propaganda wieder.

Inzwischen besuchten die Kinder derGäste aus den 20er Jahren die „Villa Schu-ler“. Der ostpreußische Adel reiste zu dieserZeit inkognito. Dennoch wissen wir, dassbei uns so klingende Namen wie von derSchulenburg, Baronin Rietesel, BaroninGorup und Baronin Gablens logierten.Unsere Oma erfuhr damals aus erster Handvom deutschen Widerstand. Die Witwe einesder führenden Köpfe der Widerstandsbe-wegung vom 20. Juli 1944, Carl FriedrichGoerdeler, verbrachte mit einer jungen Ver-wandten einige Zeit bei uns. Weitere pro-minente Gäste der Nachkriegszeit waren

der berühmte deutsche Philosoph TheodorW. Adorno, der österreichische DramatikerThomas Bernhard, der liberale PolitikerThomas Dehler, die Schauspielerin ElkeSommer.

Das Reiseverhalten der Menschen än-derte sich in den 50er Jahren grundlegend.Direktverbindungen mit dem Zug zwi-schen Deutschland und Italien machten dasReisen für damalige Verhältnisse schnellund komfortabel. Es kamen viele Gäste, dienun ihren Sommerurlaub hier verlebten.Die Zeiten der monatelangen Gästeaufent-halte waren ein für allemal vorbei.

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WIEDERAUFBAU, NEUE GÄSTE UND NEUES PERSONAL

Auf der Palmenterrasse 1957

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Moderne Werbung im heutigen Sinnegab es noch nicht. Man hatte einen Namen –oder nicht. Opa pflegte unter anderem auchdeswegen die Kontakte zu den deutschenKonsulaten und den Angehörigen der deut-schen Botschaften. Viele Gäste kamen aufEmpfehlung der Mitarbeiter des diplomati-schen Dienstes. Jeden deutschen Konsul inItalien habe sie persönlich gekannt, berichtetunsere Oma noch heute.

Die Gästebücher jener Zeit sind unserhalten geblieben. Sie stellen ein besonderesZeitdokument dar und sind ein eindrucks-volles Zeugnis dieser „Werbestrategie“.Überdurchschnittlich viele Regierungsbe-amte, Bürgermeister, Richter, Staatsräte undSenatoren zählten zu unseren Besuchern.Auch die deutsche Marine gehörte dazu:„Wir haben drei Tage zu Ihren Füßen gele-gen“, schrieb 1961 der Kapitän der deut-schen Schulfregatte „Brommy“, die unten inder Bucht mit Blick auf die „Villa Schuler“vor Anker lag. Der Betrieb florierte wieder,also entschlossen sich unsere Großelternzum Ausbau des Hotels – die dritte Etagewurde abgerissen und neu erstellt.

Unsere Oma leitete den Betrieb miteinem deutschen Kindermädchen und dreiHausangestellten. Inzwischen waren 1954unser Vater Gerhard und 1957 sein BruderClaudio geboren. Nicht wenig Arbeit fürOma. Dagegen zog sich unser Opa mehrund mehr aus dem Geschäft zurück. Er wid-mete sich im Alter ganz und gar seiner hei-ßen Leidenschaft: dem Ätna.

Sowohl auf den Uropa als auch auf denOpa hatte der Ätna seit jeher eine große Fas-zination ausgeübt. Beide begleiteten Wissen-schaftler auf den Vulkan und sie dokumen-tierten über Jahre hinweg die Veränderungendieses größten, aktiven Vulkans Europas.Noch heute ist der Name unseres Opasunter den Bergführern des Ätnas ein Begriff.Er unternahm regelmäßig Wanderungen zudem Vulkan und war ein anerkannter Exper-te im vulkanologischen Institut in Catania.Gäste, die ein besonderes Interesse am Ätnaerkennen ließen, nahm er auch schon einmalmit zu einer seiner Expeditionen oder er gabsein enormes Wissen in hauseigenen Dia-Vorträgen weiter. 1975 starb unser Opa imAlter von 82 Jahren.

Seine letzte Ruhestätte hat er hier inseinem geliebten Taormina gefunden. L

Eugen Schuler auf dem Ätna 1970

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DIE „VILLA SCHULER“ IST IM 21. JAHRHUNDERT ANGEKOMMEN

Die „Villa Schuler“ hat nicht nur zweiEnteignungen überstanden. Ihre Geschichteinsgesamt dokumentiert eindrucksvoll dieEntwicklung des Tourismus im 20. und 21. Jahrhundert. Unsere Oma berichtet heutenoch oft davon, dass sie mit manchen Gästenein ganz persönliches Verhältnis pflegte: Sowurden schon einmal Hochzeitstage oderGeburtstage von Gästen gemeinsam gefeiert.Man habe einfach mehr Zeit gehabt. FürPersönliches sei mehr Raum gewesen, auchim Verhältnis zu den Angestellten.

Anna di Camillo, eines der Hausmäd-chen, hat über 30 Jahre bei uns gearbeitet –sie gehört mittlerweile zur Familie.

Die 70er Jahre: Der Massentourismushatte Hochkonjunktur. Die Gäste konntenunter Ferienzielen auf dem ganzen Erdballwählen. Auch unser Gästestamm wandelte sich,wurde internationaler. Unsere Oma führte dasHotel noch bis Ende 1983 und übergab danndie Geschäfte an ihre Söhne Gerhard undClaudio. Ein paar Jahre später übernahm unserOnkel Claudio die Ferienappartements unsererFamilie im Ortsteil Chiusa. Seither ist un-ser Vater allein verantwortlich für das Hotel „Villa Schuler“.

Zur Internationalität unserer Gäste passtees nur allzu gut, dass Papa Sprachen inDeutschland studiert hatte.

Seitdem die Hotelleitung in seinenHänden liegt, hat sich viel verändert.

Heute, im Jubiläumsjahr 2005, habenwir insgesamt 27 Zimmer und Suiten. ZehnAngestellte sorgen für einen reibungslosenHotelbetrieb rund um die Uhr. Viele baulicheErgänzungen haben die „Villa Schuler“ zeit-gemäß verschönert, um Ihnen den Standardund Komfort zu bieten, den Sie sich zumWohlfühlen wünschen. Bei allen Neuerungenwar es unserem Vater immer eine Herzensan-gelegenheit, die Tradition der „Villa Schuler“zu erhalten und zu pflegen.

Wir, die jüngsten Schulers und das ge-samte Team, wünschen uns, dass der besondereGeist dieses Hauses auch in Zukunft für unsereGäste spürbar sein wird. Seien Sie immerganz herzlich willkommen bei uns, hier inder traditionsreichen „Villa Schuler“. L

Alessandro und Andrea Schuler,Taormina, im Frühjahr 2005

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HOTEL VILLA SCHULERPiazzetta Bastione/ Via RomaI - 98039 TAORMINA (ME)

ITALIENTel. (+39) 0942 23481Fax (+39) 0942 23522

[email protected]@hotelvillaschuler.com

www.villaschuler.comwww.hotelvillaschuler.com

Text: Ingrid Mühlnikel© Hotel Villa Schuler, Taormina 2005