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„... dann nehm´ ich eben ´ne Pille“ Von den unscharfen Grenzen zwischen Medikamentengebrauch, -missbrauch und -sucht Dr. Dirk K. Wolter LVR-Klinik Bonn Abt. Gerontopsychiatrie und Psychotherapie LVR-Klinik Bonn Opioidanalgetika

dann nehm´ ich eben ´ne Pille“ - klinik-bonn.lvr.de · Hohe OA-Dosis Die „heavy user“ stellen nur eine kleine Gruppe, in den USA (TROUP-study) entfielen auf die obersten 5

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„... dann nehm´ ich eben ´ne Pille“Von den unscharfen Grenzen zwischen

Medikamentengebrauch, -missbrauch und -sucht

Dr. Dirk K. Wolter

LVR-Klinik Bonn

Abt. Gerontopsychiatrie und Psychotherapie

LVR-Klinik Bonn

Opioidanalgetika

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Norddeutsches Apothekenrechenzentrum (NARZ), erfasst mit einer Abdeckungsquote von über 80% aller Apotheken in Norddeutschland die Rezeptdaten von ca. 11 Mio. Bundesbürgern

Buth S, Holzbach R, Rosenkranz M, Verthein U (2017) Der Gebrauch von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial in Deutschland.

Eine prospektive Analyse kassenärztlicher Verschreibungen der Jahre 2006 bis 2010. Bundesgesundheitsbl 2017; 60:865–872

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Norddeutsches Apothekenrechenzentrum (NARZ), erfasst mit einer Abdeckungsquote von über 80% aller Apotheken in Norddeutschland die Rezeptdaten von ca. 11 Mio. Bundesbürgern

Buth S, Holzbach R, Rosenkranz M, Verthein U (2017) Der Gebrauch von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial in Deutschland.

Eine prospektive Analyse kassenärztlicher Verschreibungen der Jahre 2006 bis 2010. Bundesgesundheitsbl 2017; 60:865–872

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Norddeutsches Apothekenrechenzentrum (NARZ), erfasst mit einer Abdeckungsquote von über 80% aller Apotheken in Norddeutschland die Rezeptdaten von ca. 11 Mio. Bundesbürgern

Buth S, Holzbach R, Rosenkranz M, Verthein U (2017) Der Gebrauch von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial in Deutschland.

Eine prospektive Analyse kassenärztlicher Verschreibungen der Jahre 2006 bis 2010. Bundesgesundheitsbl 2017; 60:865–872

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Opioidanalgetika Einnahmedauer

Norwegen: Nach 5 Jahren noch 24 % der noch Lebenden (17 % der ges. Ausgangsstichprobe) weiter mit Opioid, davon 33,7 % Dosissteigerung > 100 %. Bei hoher Dosis häufiger auch BZD. (Fredheim et al. Pain. 2013 Nov;154(11):2487-93)

CNTS-Patienten, nach 7-24 Monaten noch 44 % mit Opioid (Ende follow-up) (Kalso et al. Pain. 2004 Dec;112(3):372-80)

In Studien drop out ca. 72 % (= Ansprechrate 28 % ?), 5 % Abbruch wg. mangelnder Wirksamkeit. Langzeitfallserien in Schmerztherapiezentren: ca. 85 % kont. Einnahme auch noch nach 5-6 Jahren. (Häuser et al. Schmerz. 2015 Feb;29(1):96-108)

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Opioidanalgetika Einnahmedauer

Dänemark:

Kohorte mit Behandlungsbeginn im Jahr 2000:

57 % nur im Jahr 2000,

33 % mind. 1 Rezept in den folgenden 2-5 Jahren,

8 % in jedem Jahr bis Untersuchungsende / Tod.

Jahreswechsel 2009/10:

52 % bis 1 Jahr,

25 % 2 - 5 Jahre,

10 % 6 - 10 Jahre,

13 % länger als 10 Jahre. (Stat. Serumsinstitut)

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Missbrauch

Von Opioid-

analgetika im

Raum Bonn

Just JM et al. (2019) Opioid use disorder in chronic non-cancer pain in Germany: a cross sectional study.

BMJ Open 2019;9:e026871. doi:10.1136/bmjopen-2018-026871

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Hohe OA-Dosis

Die „heavy user“ stellen nur eine kleine Gruppe,

in den USA (TROUP-study) entfielen auf die obersten

5 % der Patienten 48 % bzw. 70 % der Gesamtmenge

(Edlund et al. 2010 JPSM).

Großbritannien: Stärkster Anstieg bei niedrigen

Dosen, dadurch seit 2006 leichter Rückgang der

durchschnittlichen Jahresdosis pro Patient.

Anteil hoher Dosierungen: ca. 1/12 der NCTS-Pat.

> 200 mg Morphin-Äquivalent, (Zin et al. 2014).

Hohe OA-Dosis korreliert mit: Komorbidität, anderen

psychiatrischen und Suchtdiagnosen, gleichzeitiger

BZD-Verordnung und Häufigkeit von

Notfallambulanzkontakten (Kobus et al. 2012).

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ICD-10: Opioidabhängigkeit

• Mind. 3 Kriterien von 6gleichzeitig innerhalb des letzten Jahres1. Starkes Verlangen oder

eine Art Zwang, die Substanz einzunehmen

2. Schwierigkeiten den Konsum zu kontrollieren

3. Körperliche Entzugssymptomecharakteristisches OpioidentzugssyndromoderOpioidkonsum zur Vermeidung oder Linderung von Entzugssymptomen

4. Toleranz Verlangen nach Dosis-steigerung zur Erzielung der ursprünglichen Wirkung

5. Zunehmende Vernachlässigung anderer Tätigkeiten und Interessen aufgrund des Substanz-konsums erhöhter Zeitaufwand für Beschaffung, Konsum oder Erholung

6. Anhaltender Konsum trotz offensichtlicher nachteiliger Folgen

The ICD-10 Classification of Mental and Behavioural Disorders. Clinical descriptions

and diagnostic guidelines. World Health Organization o.J. (“Bluebook”).

http://www.who.int/classifications/icd/en/bluebook.pdf

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DSM-5: Opioid Use Disorder

• Problematisches Konsummuster führt zu klinisch bedeutenden Beeinträchtigungen, im letzten Jahr mind. 2 Kriterien von 11 bzw. 9:

1. Mehr oder länger als beabsichtigt

2. Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche aufzuhören

3. Hoher Zeitaufwand für Beschaffung oder Erholung von den Wirkungen

4. Craving

5. Wiederholtes Versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen durch den Konsum

6. Fortgesetzter Konsum trotz sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme durch den Konsum

7. Einschränkung wichtiger sozialer, beruflicher oder Freizeitaktivitäten aufgrund des Konsums

8. Wiederholter Konsum in Situationen, in denen der Konsum zu körperlicher Gefährdung führt

9. Fortgesetzter Konsum trotz Kenntnis anhaltender oder wiederkehrender körperlicher oder psychischer Probleme, die durch die Substanz hervorgerufen oder verstärkt werden

10. Toleranzentwicklung*Verlangen nach ausgeprägter Dosissteigerung, um den gewünschten Effekt herbeizuführen oderdeutlich verminderte Wirkung bei gleichbleibender Menge

11. Entzugssymptome*charakteristisches Opioidentzugs-syndrom oderOpioidkonsum zur Vermeidung o. Linderung v. Entzugssymptomen

*nicht bei Konsum ausschließlich unter angemessener ärztlicher Aufsicht

2-3 Symptome: mild

4-5 Symptome: moderate

6 + Symptome: severe

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Missbrauch

Von Opioid-

analgetika im

Raum Bonn

Just JM et al. (2019) Opioid use disorder in chronic non-cancer pain in Germany: a cross sectional study.

BMJ Open 2019;9:e026871. doi:10.1136/bmjopen-2018-026871

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Just JM et al. (2019) Opioid use disorder in chronic non-cancer pain in Germany: a cross sectional study.

BMJ Open 2019;9:e026871. doi:10.1136/bmjopen-2018-026871

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Suchtmittelassoziierte Verhaltensauffälligkeiten ADRB

(„aberrant drug-related behaviors“)

• Schwache Indizien

• Horten von Tabletten in Phasen geringerer Symptomatik

• Beschaffung ähnlicher Medikamente bei anderen medizinischen Einrichtungen

• Einzelne eigenmächtige Dosiserhöhungen

• Vehementes Einfordern höherer Dosen

• Nachfrage nach ganz bestimmten Präparaten

• Unzulässige Anwendung des Medikaments bei anderen Symptomen

• vom Arzt nicht angestrebte psychotrope Effekte

• Starke Indizien

• Rezeptfälschung

• Wiederholtes „Verlieren“ von Rezepten

• Rezeptbeschaffung von nichtmedizinischen Quellen

• Entwenden oder „Leihen“ von Tabletten von anderen Personen

• Viele eigenmächtige Dosiserhöhungen

• Injektion oraler Zubereitungen

• Gleichzeitiger Konsum verwandter illegaler Drogen

• Urin-Screening: – Nachweis nicht verordneter Opiate

– Nachweis von Stimulanzien

– Urin-Screening negativ

• Verkauf/Weitergabe verschreibungspflichtiger Medikamente

nach Ives et al. 2006, Kahan et al. 2006

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Prävalenz Opioidabhängigkeit

Patienten mit langfristiger Opioideinnahme

• Literaturübersicht:

– 0 bis 50 % je nach Studiendesign und diagnostischen Kriterien Højsted J, Sjøgren P: Addiction to opioids in chronic pain patients: a literature review. Eur J Pain. 2007 Jul;11(5):490-518

• Uni-Schmerzambulanz København(ø 53 Jahre) Punktprävalenz

– 14,4 % nach ICD-10

– 19,3 % nach Portenoy-Kriterien Højsted J, Nielsen PR, Guldstrand SK, Frich L, Sjøgren P: Classification and identification of opioidaddiction in chronic pain patients. Eur J Pain. 2010 Nov;14(10):1014-20

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Wie viele OA-Patienten sind

abhängig?

• Aktuellste Metaanalyse:

38 Studien (36 aus USA, 1 DK, 1 N)

• Enge Definition abuse (intention),

nur in 1 Studie untersucht.

• High-quality-Studien:

– misuse 2-53,6 % (Mittelwert 23,6-24,5 %),

– addiction 0,7-23 % (Mittelwert 8,8-9,8 %). Vowles KE, McEntee ML, Julnes PS, Frohe T, Ney JP, van der Goes DN:

Rates of opioid misuse, abuse, and addiction in chronic pain: a systematic review and data

synthesis.

Pain. 2015 Apr;156(4):569-76. doi: 10.1097/01.j.pain.0000460357.01998.f1.

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Studien an Patienten über 60 Jahre

• Mittlere Studiendauer 4 Wochen

• Nur 5 von 40 Studien über mehr als 12 Wochen

• Besserer Effekt bei neuropathischen Schmerzen als bei

Schmerzen des Bewegungsapparates

• Analgetischer Effekt wird nicht mit Alter geringer

• Leichte nichtsignifikante Verbesserung des Schlafes

• Kein Einfluss auf physical quality of life (SF 36)

• Leichte Verschlechterung mental health functioning

• Missbrauchsrisiko korreliert negativ mit AlterPapaleontiou M, Henderson CR Jr, Turner BJ, Moore AA, Olkhovskaya Y, Amanfo L, Reid MC: Outcomes associated with opioid use in

the treatment of chronic noncancer pain in older adults: a systematic review and meta-analysis. J Am Geriatr Soc. 2010 Jul;58(7):1353-69

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Risikofaktoren• Sucht-Vorgeschichte Edlund et al. 2007, Ives 2006, Michna et al. 2004

– Eigenanamnese

– Familienanamnese

• psychische Störungen, insbesondere

– Depression und Angststörungen

• Häufigkeit von Arztbesuchen

• Initiale Dosis u. Dauer der OA-Behandlung

• Psychosozialer Stress

• Schmerzintensität bzw. Schmerzfolgen Boscarino et al. 2010, Edwards et al. 2011, Sullivan et al. 2010

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Edlund MJ, Steffick D, Hudson T, Harris KM, Sullivan M:

Risk factors for clinically recognized opioid abuse and dependence among veterans using opioids for chronic non-cancer pain.

Pain. 2007 Jun;129(3):355-62

Risiko für neu diagnostizierte(n) Opioidmissbrauch oder -abhängigkeit

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Wolter DK: Schmerzen und Schmerzmittelabhängigkeit im Alter. Stuttgart: Kohlhammer 2017

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Pseudoaddiction

• Vergleich: auch sekundäre Alkoholabhängigkeitist Alkoholabhängigkeit

• ADRB sind – nicht entweder Ausdruck von analgetischer

Unterdosierung oder Symptom von Sucht– sondern können sowohl das eine wie das andere

sein– können auch beim süchtigen Patienten Ausdruck

von Unterdosierung sein– bedürfen einer individuellen Gesamteinschätzung– umfassen ein breites Spektrum von harmlos bis

alarmierendPassik SD, Kirsh KL, Webster L: Pseudoaddiction revisited: a commentary on clinical andhistorical considerations. Pain Manag. 2011 May;1(3):239-48

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Pseudoaddiction

Schmerzpatienten mit Sucht-Komorbidität

sind besonders schmerzempfindlich

reagieren intensiver auf Unterdosierung

andererseits wird ihnen häufig ambivalent bis misstrauisch begegnet

Wenn sie dies bemerken, fühlen sie sich herabgesetztund eine konstruktive Zusammenarbeit ist erschwert

Deshalb: offene, neutrale Kommunikation über die Suchtgefahr, als ernsthafte ärztliche Sorge, genauso wie bei anderen GesundheitssstörungenauchPassik SD, Kirsh KL, Webster L: Pseudoaddiction revisited: a commentary on clinical and historical considerations. Pain Manag. 2011 May;1(3):239-48 Savage SR: Opioid Therapy of Pain. In: Ries RK, Fiellin DA, Miller SC, Saitz R: Principles of Addiction Medicine. 4. Ed. 2009

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Psychotrop oder analgetisch?

• Durch ihre psychotropen Effekte lindern OA nicht nur

nozizeptive Schmerzen, sondern beeinflussen auch die

psychischen Schmerzanteile.

So glauben Ärzte oft, Schmerzen i. e. S. zu therapieren,

während sie tatsächlich das Leiden des Patienten durch

die antidepressiven, anxiolytischen und allgemein

Stress-abbauenden Wirkungen lindern.

• Opioid overuse pain syndrome (OOPS): (Mehendale et al. J Opioid Manag. 2013 Nov-Dec;9(6):421-38)

• Opioid syndrome: failed opioid therapy for chronic

noncancer pain(Kamen & Feeko Phys Med Rehabil Clin N Am. 2014 May;25(2):375-95)

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Entwicklung in den USA

• Bis ca. 2003– Unkritische Übertragung der Erfahrung mit

Malignompatienten und akuten Schmerzen auf Nicht-Tumorschmerzen

– Jeder Schmerz kann mit Opioiden erfolgreich behandelt werden, wenn man nur hoch genug dosiert

– Missbrauchsrisiko vernachlässigbar gering– Complianceprobleme als Ausdruck analgetischer

Unterdosierung (”Pseudoaddiction”)

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Entwicklung in den USA

• Ab ca. 2003– Erfahrungen mit Malignompatienten und akuten

Schmerzen lassen sich nicht einfach auf Nicht-Tumorschmerzen übertragen

– Begrenzte Wirksamkeit bei Nicht-Tumorschmerzen – Massiver Verordnungsanstieg (”Epidemie”)– Risiken der Langzeit- und Hochdosisbehandlung – Missbrauchsrisiko groß – Complianceprobleme als Ausdruck von

Missbrauch/Abhängigkeit

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Adler JA, Mallick-Searle T (2018) An overview of abuse-deterrent opioids and recommendations

for practical patient care. Journal of Multidisciplinary Healthcare 2018:11 323–332

open access

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Opioisanalgetika abdosieren

Retrospective chart review performed at a private physician office for physical medicine and rehabilitation. (Buffalo, NY, USA)

46.7 ± 12.7 years old, history of opioid use of 7.7 ± 6.1 years.

All patients received the comprehensive opioid taper treatments (including interventional pain management techniques, psychotherapy, acupuncture, physical modalities and exercises, and adjuvant medications) on top of the medication assisted treatment using methadone (transient use).

With comprehensive treatments, 27.9% of patients had successful opioid tapering withopioid abstinence for over a year. The use of mirtazepine, topiramate, or likely bupropion was associatedwith successful opioid tapering in the medication assisted treatment with temporary use of methadone.

Zhou K (2017) Opioid tapering in patients with prescription opioid use disorder:

A retrospective study. Scandinavian Journal of Pain 17 (2017) 167–173

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LONTS 2

2014

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Grundsätze der langfristigen Anwendung von

Opioiden in der Schmerzbehandlung Ballantyne & LaForge Pain 2007; 129(3):235-55

• Konsequentes rehabilitatives Vorgehen, vorrangiges Ziel: funktionelle Wiederherstellung mit möglichst geringem Medikamentenbedarf

• Längerfristige Opioidbehandlung ist eine ernsthafte Angelegenheit, die hohe Anforderungen an Arzt und Patient stellt

• Maximales Ausschöpfen anderer, nichtmedikamentöser Behandlungsoptionen

• Opioide lediglich als Ergänzung; alleinige Opioidtherapie ist nur selten erfolgreich

• Explizite Vereinbarung von klar definierten Therapiezielen und -grenzen

• Schriftliche Vereinbarung, eindeutige Festlegung der Bedingungen für die Behandlung und ihre Beendigung, eindeutige Beschreibung von potentiellem Nutzen und möglichen Risiken

• Langwirksame Opioide als Therapieprinzip (es sei denn, die Schmerzen treten nur gelegentlich auf), Vermeidung von Bedarfsmedikation

• Umsichtige und regelmäßige Weiterbehandlung

• Überprüfung der Opioideinnahme als Hilfsmittel, z. B. durch Zusammenarbeit mit der Apotheke, Abzählen der Tabletten und Urinproben

• Vorbereitet und gewillt sein, die Behandlung ausschleichend zu beenden und den Patient zu entwöhnen, wenn die Ziele nicht erreicht werden

• Kontinuierliche gute Dokumentation

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Empfehlungen einer Expertenkommission im Auftrag der WHO aus

dem Jahre 1986 (fortgeschrieben 1990 und 1996), für die Tumor-

schmerzbehandlung formuliert und im Gefolge kaum hinterfragt für

die Behandlung von Nicht-Tumorschmerzen übernommen.

Die kritiklose Anwendung bei CNTS gilt als

„problematisch“, eine daran ausgerichtete

medikamentöse Monotherapie ist „als Dauer-

therapie kontraindiziert“ (Zenz et al. 2013).

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www.dggpp.de

http://www.dggpp.de/Arbeitsmaterial/

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www.dggpp.de

http://www.dggpp.de/Arbeitsmaterial/