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www.darmstadt.de - Kultur in Darmstadt, Darmstädter Stadtgeschichte 19. Jahrhundert Darmstadt als Hauptstadt des Großherzogtums Hessen seit 1806 Die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert brachte für die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und für die Hauptstadt Darmstadt einen bedeutenden Entwicklungsschub. Die territorialen Umwälzungen der napoleonischen Zeit hatten aus der kleinen Landgrafschaft das Großherzogtum Hessen mit der neuen Provinz Rheinhessen entstehen lassen. Das Großherzogtum war inzwischen auf mehr als das Doppelte seines ursprünglichen Territoriums angewachsen. Landgraf Ludwig X. (1790-1830), der seinen neuen Status Napoleon verdankte, nannte sich "Großherzog Ludewig I. von Hessen und bei Rhein" und war damit Darmstadts erster Großherzog. Für seinen Beitritt zu Napoleons Rheinbund wurde er mit Gebietserweiterungen belohnt. Dafür starben in den folgenden Jahren Tausende hessischer Soldaten in den Feldzügen Napoleons, vor allem in Russland. Die Hauptstadt erhielt eine neue Bedeutung als Verwaltungssitz eines beträchtlich vergrößerten souveränen Staates. Hof und Beamtenschaft wuchsen und benötigten größere Verwaltungs- und Gerichtsgebäude und standesgemäße Wohnungen. Für die Truppen der neuen Garnison, zeitweise über 3000 Mann, mussten Kasernen errichtet werden. Die Einwohnerzahl stieg von knapp 10000 zur Jahrhundertwende auf etwa 25000 im Jahre 1830. Stadterweiterung Diesem Zuwachs konnte nur mit einer großangelegten Stadterweiterung begegnet werden. Deshalb rief Ludewig 1810 den Architekten Georg Moller als Hofbaudirektor nach Darmstadt. Moller plante und errichtete in den kommenden Jahrzehnten die Stadterweiterung im Westen, die nach ihm "Mollerstadt" genannt wurde. Sein Konzept beinhaltete vor allem regelmäßige Grundrisse mit breiten Straßen und Plätzen. Wesentliche Elemente, wie die Gebäudehöhe, das so genannte Mollermaßoder der Schachbrettgrundriss prägen bis heute weite Teile der westlichen Innenstadt. Auch die Gebäude sollten nach einheitlichen Kriterien gestaltet werden. Wichtig war Moller vor allem die Fassadengestaltung der einzelnen Häuser, deren Entwürfe er in den ersten Jahren noch persönlich überprüfte. Mit seiner Vorliebe für klare Formen vereinte er antike, vor allem griechische Architektur mit moderner Baukunst und war damit einer der Wegbereiter des Klassizismus in Hessen. Es entstand in wenigen Jahrzehnten eine ganz neue Stadtanlage im Westen, welche die alte Stadt an den Rand drängte und das Zentrum Darmstadts an den neuen, nach Großherzogin Luise benannten Platz verlegte. Bildungs-, Kunst- und Kulturpolitik Ludewigs I. Entscheidend geprägt wurde die Darmstädter bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts durch die in der Tradition des aufgeklärten Absolutismus stehende Kunst- und Kulturpolitik Ludewigs I. Ziel dieser Politik war die Verbesserung der allgemeinen Bildung der Residenzgesellschaft. Im Zuge dieser neuen Richtung, errichtete Georg Moller das 1819 eingeweihte neue Hoftheater. Mit einer Kapazität von rund 2000 Plätzen war es bewusst für breitere Bevölkerungskreise gedacht. Der Großherzog öffnete 1817 die Hofbibliothek und 1820 die großherzoglichen Sammlungen für die Allgemeinheit, er förderte begabte Maler durch Einrichtung einer Malerschule und durch die Vergabe von Stipendien für Auslandsreisen. Das Hoftheater, heute Staatsarchiv Er reformierte weiterhin die Kommunalverwaltung und das Schulwesen durch die Einführung der Realschule 1821/22. Bereits 1790 hatte er die katholische Gemeinde wieder zugelassen, für die Moller 1822-27 die Kirche St. Ludwig erbaute. http://www.darmstadt.de/kultur/geschichte/02653/ (1 von 2) [6.11.2009 12:17:12]

Darmstaedter Stadtgeschichte 19 - jahrhundert

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Stadtgeschichte im 19. Jahrhundert

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Darmstadt als Hauptstadt des Großherzogtums Hessen seit 1806

Die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert brachte für die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und für die Hauptstadt Darmstadt einen bedeutenden Entwicklungsschub. Die territorialen Umwälzungen der napoleonischen Zeit hatten aus der kleinen Landgrafschaft das Großherzogtum Hessen mit der neuen Provinz Rheinhessen entstehen lassen. Das Großherzogtum war inzwischen auf mehr als das Doppelte seines ursprünglichen Territoriums angewachsen. Landgraf Ludwig X. (1790-1830), der seinen neuen Status Napoleon verdankte, nannte sich "Großherzog Ludewig I. von Hessen und bei Rhein" und war damit Darmstadts erster Großherzog. Für seinen Beitritt zu Napoleons Rheinbund wurde er mit Gebietserweiterungen belohnt. Dafür starben in den folgenden Jahren Tausende hessischer Soldaten in den Feldzügen Napoleons, vor allem in Russland. Die Hauptstadt erhielt eine neue Bedeutung als Verwaltungssitz eines beträchtlich vergrößerten souveränen Staates. Hof und Beamtenschaft wuchsen und benötigten größere Verwaltungs- und Gerichtsgebäude und standesgemäße Wohnungen. Für die Truppen der neuen Garnison, zeitweise über 3000 Mann, mussten Kasernen errichtet werden. Die Einwohnerzahl stieg von knapp 10000 zur Jahrhundertwende auf etwa 25000 im Jahre 1830.

Stadterweiterung Diesem Zuwachs konnte nur mit einer großangelegten Stadterweiterung begegnet werden. Deshalb rief Ludewig 1810 den Architekten Georg Moller als Hofbaudirektor nach Darmstadt. Moller plante und errichtete in den kommenden Jahrzehnten die Stadterweiterung im Westen, die nach ihm "Mollerstadt" genannt wurde. Sein Konzept beinhaltete vor allem regelmäßige Grundrisse mit breiten Straßen und Plätzen. Wesentliche Elemente, wie die Gebäudehöhe, das so genannte „Mollermaß“ oder der Schachbrettgrundriss prägen bis heute weite Teile der westlichen Innenstadt. Auch die Gebäude sollten nach einheitlichen Kriterien gestaltet werden. Wichtig war Moller vor allem die Fassadengestaltung der einzelnen Häuser, deren Entwürfe er in den ersten Jahren noch persönlich überprüfte. Mit seiner Vorliebe für klare Formen vereinte er antike, vor allem griechische Architektur mit moderner Baukunst und war damit einer der Wegbereiter des Klassizismus in Hessen. Es entstand in wenigen Jahrzehnten eine ganz neue Stadtanlage im Westen, welche die alte Stadt an den Rand drängte und das Zentrum Darmstadts an den neuen, nach Großherzogin Luise benannten Platz verlegte.

Bildungs-, Kunst- und Kulturpolitik Ludewigs I. Entscheidend geprägt wurde die Darmstädter bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts durch die in der Tradition des aufgeklärten Absolutismus stehende Kunst- und Kulturpolitik Ludewigs I. Ziel dieser Politik war die Verbesserung der allgemeinen Bildung der Residenzgesellschaft. Im Zuge dieser neuen Richtung, errichtete Georg Moller das 1819 eingeweihte neue Hoftheater. Mit einer Kapazität von rund 2000 Plätzen war es bewusst für breitere Bevölkerungskreise gedacht. Der Großherzog öffnete 1817 die Hofbibliothek und 1820 die großherzoglichen Sammlungen für die Allgemeinheit, er förderte begabte Maler durch Einrichtung einer Malerschule und durch die Vergabe von Stipendien für Auslandsreisen.

Das Hoftheater, heute Staatsarchiv Er reformierte weiterhin die Kommunalverwaltung und das Schulwesen durch die Einführung der Realschule 1821/22.

Bereits 1790 hatte er die katholische Gemeinde wieder zugelassen, für die Moller 1822-27 die Kirche St. Ludwig erbaute.

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Verfassungskonflikt und erste Verfassungsgebung Politische Reformen lehnte Ludewig I. rundweg ab, da er seinen absoluten Herrschaftsanspruch aufrechterhalten wollte. Durch Missernten in den Jahren 1816/17 vergrößerte sich jedoch die wirtschaftliche Not vieler Bewohner des Großherzogtums. Unter anderem war diese Not ausschlaggebend für Forderungen nach politischer Mitsprache, die schließlich in politischen Unruhen mündeten. Als Reaktion auf den Druck der Bürger wurde am 17. Dezember 1820 die "Verfassung für das Großherzogtum Hessen" verabschiedet, die erstmals wichtige Bürgerrechte fixierte. Als Denkmal für die erste hessische Verfassung, welche die Stände dem Großherzog abgerungen hatten, erhebt sich auf dem Luisenplatz das 1844 errichtete Ludwigsmonument, der "Lange Ludwig".

Restauration und Revolution 1830-1848/49 in Darmstadt

Einweihung Ludewigmonument, 25.08.1844 (Zeichnung v. Johann Peter Schneeberger)

Mit dem Tod Großherzog Ludewigs I. setzte unter seinem schwachen Nachfolger Ludwig II. eine Phase der politischen Restauration ein. Bekanntestes Opfer der neuen Politik war der Darmstädter Arztsohn Georg Büchner, der 1834 in Darmstadt eine Sektion der revolutionären "Gesellschaft der Menschenrechte" gründete und den "Hessischen Landboten" herausgab. Büchner machte vor allem auf das starke soziale Gefälle zwischen der Bevölkerung der wohlhabenden Residenz und dem erbärmlichen Leben der Landbevölkerung, etwa im Odenwald aufmerksam. Der Verfolgung und drohenden Verhaftung entzog er sich 1835 durch die Flucht nach Straßburg. Um der scharfen Zensur und Überwachung zu entgehen, fanden politische Diskussionen und Agitationen nur in unverdächtigen Turn- und Gesangsvereinen statt. Unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 forderten die Bürger schließlich Pressefreiheit, Volksbewaffnung und Strafrechtsreform.

Verschärft wurde die Situation durch eine Versorgungskrise aufgrund der Missernten der Jahre 1846 und 1847. Georg Büchner

Ludwig II. berief schließlich seinen Sohn Ludwig III. zum Mitregenten, der am 05. März 1848 den politischen Forderungen nachgab. Die revolutionären Ereignisse der kommenden zwei Jahre führten jedoch zu einer obrigkeitsstaatlichen Reaktion, welche die neuen Freiheiten wieder abschaffte und zum Teil sogar hinter die Errungenschaften des Vormärz zurückfiel.

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