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32 umweltfreundliche naturfaser das blonde gold afrikas Die Sisal-Agave wird in Afrika als Heilpflanze genutzt und aus ihren Blättern werden Sisalfasern für umweltfreundliche Teppiche, Seile und Netze hergestellt. Die Naturfaser, zwischenzeitlich fast verdrängt von Plastikprodukten, erlebt ein Comeback in Ostafrika.

das blonde gold afrikas - SECURVITA · business beschäftigt, gegenwärtig sind es 30.000. »Es fehlt uns in Tansania überall an Kapi-tal«, erklärt Damien Ruhinda und zeigt auf

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Page 1: das blonde gold afrikas - SECURVITA · business beschäftigt, gegenwärtig sind es 30.000. »Es fehlt uns in Tansania überall an Kapi-tal«, erklärt Damien Ruhinda und zeigt auf

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umweltfreundliche naturfaser

das blonde gold afrikasDie Sisal-Agave wird in Afrika als Heilpflanze genutzt und aus ihren Blättern werden Sisalfasernfür umweltfreundliche Teppiche, Seile und Netze hergestellt. Die Naturfaser, zwischenzeitlichfast verdrängt von Plastikprodukten, erlebt ein Comeback in Ostafrika.

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Am Fuß der Usambara-Berge wachsen Agaven für die Sisalherstellung.

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amien Ruhinda ist ein Phänomen.Er sieht aus wie 60 und zählt doch

schon 80 Jahre. Die meisten Männer in sei-nem Alter würden sich am wohlverdientenRuhestand erfreuen. Er dagegen sorgt da-für, dass eine alte Sisalplantage wieder inSchwung kommt. Im Norden Tansanias, zuFüßen der Usambara-Berge, hat er vor Jah-ren 1.750 Hektar Land mit alten Agaven-pflanzen gekauft. Jetzt läuft es wiederrund auf der Plantage. Mittlerweile kulti-vieren und verarbeiten mehr als 300 Mitar-beiter die stacheligen, grünen Blätter derSisalpflanze (»Agave sisalana«), deren gel-be Fasern einst als wertvolle Ware gehan-delt und als das »blonde Gold Afrikas« ge-rühmt wurden.

Die Plantage zeigt auch, wie es um die Si-sal-Wirtschaft steht. Lange Zeit war Tansa-nia das weltweit führende Anbauland.Doch dann kam mit dem Siegeszug der Syn-thesefasern ein lang anhaltender Einbruch.Nun erleben Anbau und Verarbeitung derumweltfreundlichen und vielseitig ver-wendbaren Naturfaser im Norden Tansani-as neuen Aufschwung. Damien Ruhindawill dazu beitragen, dass die Sisalfaser, einstdas wichtigste Exportgut Tansanias, wiederzu alter Bedeutung findet. Die Ausgangsla-ge ist nicht schlecht, denn die internationa-le Nachfrage nach der Naturfaser steigtwieder. Ruhinda hat Kontakte zu indischenTeppichproduzenten und Abnehmern inden arabischen Staaten, in China, aber auchin Europa.

seile aus sisal

Der größte Teil geht derzeit in die arabi-schen Staaten, wo die Faser in großen Men-gen als Strukturmaterial im Gips-Bau ver-wendet wird. Ein weiterer Teil wird zu Teppi-chen verarbeitet. Auch in der Landwirt-schaft und in der Schifffahrt zieht die Nach-frage nach vielen Jahren der Flaute an. Sowollen Schifffahrtsorganisationen in Aust-ralien und Neuseeland den Einsatz von syn-thetischen Tauen verbieten lassen, weil sienicht verrotten und als Plastikabfall in denMeeren treiben. Taue aus Sisal dagegensind umweltfreundlich zu entsorgen.

Das Büro von Damien Ruhinda ist in Tanga, einer verschlafen wirkenden Hafen-

stadt am Indischen Ozean. Moscheen und christliche Kirchen stehen sich hierfriedlich gegenüber. Von hier aus wird dienordtansanische Sisalproduktion für denExport nach Übersee verschifft. In der Kolo nialzeit brachten Eisenbahnwaggonsdie goldene Faser nach Tanga, doch jene Äraist längst vorbei. Der alte Güter bahnhof ähnelt gegenwärtig mehr einem vernach -lässigten Industriemuseum als einem funk-tionstüchtigen Umschlagsplatz. Heute sindes Lastwagen, die die Roh fasern und Garne

von den Plantagen und Spinnereien trans-portieren. »Mkonge ni Tanga, na Tanga niMkonge« steht in großen Buchstaben aufdem Schild vor dem Gebäude aus engli-scher Kolonialzeit, in dem der Verband vonSisalunternehmen untergebracht ist. Ausder Landessprache Kisuaheli übersetztheißt das: »Sisal ist Tanga und Tanga ist Si-sal«. Dies unterstreicht die früher immen-se Bedeutung für die Stadt und ihre umlie-gende Region. So waren in den sechzigerJahren noch 100.000 Menschen im Sisal-

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business beschäftigt, gegenwärtig sind es30.000.

»Es fehlt uns in Tansania überall an Kapi-tal«, erklärt Damien Ruhinda und zeigt aufdie alte, gebrauchte Spinnmaschine. Diehat er vor kurzem in Südafrika gekauft. Ei-ne Handvoll Mitarbeiter in blauen Arbeits-anzügen setzt die Spinnmaschine »FibreMackhigh Good Machine, Baujahr 1967«wieder instand. Ein Höllenlärm dröhntdurch die Halle, als sie für einen Probebe-trieb angeschaltet wird.

rohstoff für arzneien

»Solche Maschinen überhaupt zu bekom-men, ist schon schwierig, weil der Nieder-gang der Sisalfaser auch die Maschinenbau-er in Mitleidenschaft zog«, erklärt Ruhinda.

Wichtig wäre, dass die Wertschöpfungbeim Sisalanbau sich nicht nur auf die Fa-sergewinnung beschränke solle, meintMaige Hamisi Maige, Manager einer Sisal-fabrik in Tanga. »Die Faser macht vier Pro-zent der ganzen Pflanze aus. Wir müssendie restlichen 96 Prozent zukünftig bessernutzen, beispielsweise zur Erzeugung vonBiogas. Denkbar ist auch die Extraktionvon Wirkstoffen für die Pharmazie.«

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sisal in zahlen

Die Weltproduktion an Sisalfasern erreichte vor 50 Jahren einen Höchststand vonfast 2,5 Millionen Tonnen. In den siebziger Jahren brach der Markt aufgrund derdamals aufkommenden synthetischen Fasern (Polypropylen etc.) zusammen.Hauptanbauländer wie Tansania verringerten ihre Erzeugung bis zu 80 Prozent.Seit einigen Jahren nimmt die Sisalproduktion wieder zu. Gegenwärtig liegt siebei rund 230.000 Tonnen jährlich. Das entspricht einem weltweiten Handelswertvon rund 300 Millionen Euro im Jahr.

Besonders interessant ist der Wirkstoff Hecogenin, der in den fleischigen Blätternder Agave sisalana enthalten ist. Er dientals Rohstoff für die Herstellung von Steroidhormonen und cortisonhaltigenMedikamenten. In der aztekischen Medi-zin in Mexiko wurde schon vor Jahrhunder-ten eine Mischung aus heißem Agavensaftund Salz als wirksames Antiseptikum verwandt und auf Wunden aufgetragen,um Infektionen zu verhindern. In der ost-afrikanischen Volksmedizin wird dagegendie Wurzel abgekocht und das daraus gewonnene Getränk als schweißtreiben-des Mittel verwandt.

Auf der Plantage an den Usambara- Berge zeigt Damien Ruhinda die Ernte und

Verarbeitung der Agavenpflanzen. Diefrisch geernteten Blätter, stachelig und ungefähr einen Meter lang, werden in ei-ner Entfaserungsmaschine mit Eisenschle-geln traktiert. Während der Pflanzensaftnach unten über einen Kanal abfließt,kommt auf der anderen Seite die Faserfrisch aufgereiht heraus. Frauen hängennach dem Entfasern die feuchten Faser-bündel auf hüfthohe Leinen zum Trocknen.Danach werden die Fasern maschinell gebürstet. Am Ende drückt eine Presse dasFasermaterial zu schweren Ballen zusam-men. Der Geruch erinnert an jene Zeit, alsSisal auch in Deutschland noch das gängi-ge Bindegarn beim Pressen von Heu undStrohballen war. ■

Wie in alten Zeiten: Seile und Schnüre aus der Sisal-Naturfaser.