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Christlicher Glaube ist auch Wunderglaube. Die verwandelte Hostie und der zu Blut gewordene Wein von Lanciano sind das älteste bekannte Eucharistische Wunder der Kirche. Eine reiche Überlieferung und wissenschaftlich untersucht: Die Kirche hat den geheimnisvollen Schatz als authentisch anerkannt titel-thema Der Ort Lanciano in den italienischen Abruzzen. Das Brot in Fleisch verwandelt und der Wein in Blut 8 vatican 11 | 2016

Das Brot in Fleisch verwandelt und der Wein in Blut · Zweifel an der Wahrheit des Glau- ... logischer Schnitt eine Spur von Infiltrati- ... wie sie im Altertum zur Mumifizierung

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Christlicher Glaube ist auch Wunderglaube. Die verwandelte Hostie und der zu Blut gewordene Wein von Lanciano sind das älteste bekannte Eucharistische Wunder der Kirche. Eine reiche Überlieferung und wissenschaftlich untersucht: Die Kirche hat den geheimnisvollen Schatz als authentisch anerkannt

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Der Ort Lanciano in den italienischen Abruzzen.

Das Brot in Fleisch verwandelt und der Wein in Blut

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war, weckt in vielen bereits Zweifel. Dass aber dieser Jesus gemäß seinen Worten im Abendmahlssaal in jeder katholischen Eucharistiefeier real gegenwärtig ist und sich in den verwandelten Gaben den Gläu-bigen tatsächlich in seinem Leib und sei-nem Blut schenkt, das sprengt vielfach die Grenze des Glaubbaren und Akzeptablen.

Was im protestantischen Glauben mehr oder minder auf ein symbolisches Geschehen reduziert wurde, bleibt im

Katholizismus trotz aller Zweifel zentra-le und unumstößliche Glaubenswahrheit. Nicht umsonst sieht das Zweite Vatika-nische Konzil in der Eucharistie „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (LG 11).

Zweifel an der Wahrheit des Glau-bens sind so alt wie der Glaube selbst. Bes-tes Beispiel hierfür ist der heilige Apostel Thomas, der bekanntlich Beweise verlang-te, um glauben zu können. In der Tat

Der Glaube an die Wahrheit der katholischen Eucharistieleh-re erscheint auch vielen Katho-

liken entweder als Relikt aus einer längst vergangenen Zeit oder gar als Zumutung. Dass Jesus von Nazareth gelebt und eine auch für die Gegenwart noch wegwei-sende Botschaft verbreitet hat, bestreitet kaum jemand. Dass der von Maria jung-fräulich geborene Säugling tatsächlich der Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit

von christoph münch

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könnte alles so einfach sein, wenn Gott sich den Menschen der Gegenwart als so real erweisen würde, wie Jesus dies gegen-über dem heiligen Thomas getan hat. Kein Wort eines Priesters oder gar des Papstes wird jemals eine solche Wirkung verursa-chen können wie die sicht- und greifba-re Präsenz Gottes, die den Glauben in den Stand des Wissens erhebt. Der Überliefe-rung nach soll Thomas den christlichen Glauben sogar bis nach Indien gebracht haben, wo er von Feinden mit Lanzensti-

chen getötet wurde. Seine Gebeine wur-den an mehreren Orten bestattet und ver-ehrt, zunächst in Indien, dann in Edessa und seit 1258 in Ortona in den italieni-schen Abruzzen.

Nun mag es Zufall sein (oder auch nicht), dass genau in jenem Jahr, als die Reliquien des heiligen Thomas von Kreuz-fahrern nach Ortona gebracht wurden, in einem anderen Ort ganz in der Nähe ein Gotteshaus neu gebaut wurde, das bis heute eines der größten Wunder der

katholischen Kirche beherbergt. Zwan-zig Kilometer von Ortona entfernt befin-det sich Lanciano, wo ungefähr seit dem Jahr 700 nicht der Glaube, sondern Zwei-fel und Unglaube der Menschen auf die Probe gestellt werden. Denn das Eucharis-tische Wunder von Lanciano bietet augen-scheinlich und wissenschaftlich fundiert den Beweis dafür, dass der katholische Glaube an die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi keines-wegs als Symbol zu verstehen ist, sondern eben die Realität darstellt.

Im Jahre 1258 kamen die Gebeine des Zweiflers unter den Aposteln nach Orto-na. Im selben Jahr bauten wenige Kilome-ter entfernt Franziskaner ein neues Kloster und eine neue Kirche, um den sichtbaren Beweis für die Wahrheit des Glaubens an die Gegenwart Jesu Christi in der Eucha-ristie angemessen beherbergen zu kön-nen. Fast schon gleicht es einem Finger-zeig Gottes, dass er die Antwort auf den Zweifel der Menschen so nahe an dem Ort gegeben hat, an dem die Gebeine des Apostels ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Seit nunmehr 758 Jahren kann beides innerhalb kürzester Zeit besucht und bestaunt werden. In der Franziskus-kirche von Lanciano wird immer noch in einer Monstranz verehrt, was sich um das Jahr 700 herum an gleicher Stelle ereignet haben soll.

Das Ereignis selbst ist zwar erst spä-ter schriftlich fixiert worden, doch zeugt eine reiche mündliche Überlieferung und Verehrung in den Jahrhunderten zuvor von der Glaubwürdigkeit des Geschehe-nen. Ein schriftlicher Bericht über eben-dieses Geschehen existiert seit dem Jahr 1631. Dieser Bericht wurde vom damali-gen Bischof Andrea Gervasio in Auftrag gegeben und vom Prokurator Domherr Croce verfasst. Darin heißt es:

„In dieser Stadt [gemeint ist Lanciano] befand sich etwa um die Jahre 700 nach Christus ein Kloster des heiligen Legonti-anus, in dem damals Mönche des heiligen Basilius wohnten, das heute Sankt Fran-ziskus heißt. Dort war ein Mönch, der –

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Die Kirche San Francesco in Lanciano.

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Die Monstranz mit dem Herzmuskel aus menschlichem Gewebe in der Franziskus-Kirche in Lanciano.

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nicht sehr stark im Glauben, bewandert in den Wissenschaften der Welt, aber nicht jenen Gottes – von Tag zu Tag in Zwei-fel verfiel, ob in der verwandelten Hos-tie der wahre Leib Christi und desgleichen im Wein das wahre Blut zugegen sei. Den-noch war er von der göttlichen Gnade des beständigen Gebetes nicht verlassen und bat Gott fortwährend, er möge ihm diese Qual aus dem Herzen nehmen, die seine Seele betrübte, als der gütigste Gott, der Vater der Barmherzigkeit und all unseres

Trostes, sich gefiel, ihn aus der so dunklen Finsternis zu befreien, indem er ihm die-selbe Gnade gewährte, die er schon dem Apostel Thomas zuteil werden ließ. Wäh-rend er eines Morgens mitten in seiner Messe nach den heiligsten Wandlungs-worten mehr als je in seinen alten Zweifel versank, erblickte er – oh, einzigartige und wunderbare Gunst – das Brot in Fleisch verwandelt und den Wein in Blut.“

Wie das Dokument aus dem Jahre 1631 weiter berichtet, habe der Mönch

seine Entdeckung nicht verheimlicht, sondern sie den anwesenden Gläubigen gezeigt; diese wiederum verehrten Fleisch und Blut fortan als Reliquien. In der Folge verbreitete sich die Kunde davon weit über Lanciano hinaus, sodass viele Gläubi-ge dorthin pilgerten, um vor dem Eucha-ristischen Wunder zu beten.

Bruno Sammaciccia zeichnet in sei-nem Buch „Das Eucharistie-Wunder von Lanciano“ aus dem Jahre 1973 „ein mög-lichst vollständiges geschichtliches, reli-

Ein Kelch aus Glas ent-hält den Blutklumpen aus dem Jahr 700 n. Chr.

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giöses und wissenschaftliches Bild“ über das Geschehen. Im Vergleich mit ande-ren Eucharistischen Wundern – solche gab es im Laufe der letzten beiden Jahr-tausende immer wieder – bezeichnet Sam-maciccia dasjenige von Lanciano als „das vollständigste und umfangreichste Eucha-ristiewunder, weil sowohl Brot wie Wein in ziemlich großer Menge verwandelt wurden“. Tatsächlich sind bis heute in der Franziskuskirche in Lanciano mit bloßem Auge sowohl die in Fleisch verwandelte Hostie als auch die Blutklumpen deutlich zu erkennen.

Am 18. November 1970 wurden von beiden Reliquienteilen des Wunders Pro-ben genommen, welche in der Folge wis-senschaftlich untersucht wurden. Die Untersuchung wurde von Professor Odo-ardo Linoli, dem Dozenten für Anato-mie und pathologische Histologie und für Chemie und klinische Mikroskopie, dem Direktor der Vereinigten Spitäler von Are-zzo, durchgeführt. Zur Absicherung sei-ner Ergebnisse zog Professor Linoli sei-nen Kollegen Professor Ruggero Bertelli, Professor im Ruhestand für Histologie an der Universität Siena, hinzu. Bezüg-lich der Untersuchungen lässt sich bereits vorwegnehmen, dass beide Professoren zu denselben Ergebnissen gelangten. Diese Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit am 4. März 1971 präsentiert. Fünf zentra-

le Aspekte lassen sich zusammenfassend hervorheben:

1. Das „Blut“ des Eucharistischen Wun-ders ist echtes Blut und das „Fleisch“ ist echtes Fleisch.

2. Das Blut und das Fleisch stammen von einem Menschen.

3. Das Fleisch ist Herzmuskelgewebe.4. Das Fleisch und das Blut gehören

der gleichen Blutgruppe an, was als Beweis dafür angesehen werden kann, dass sie von ein und derselben Person stammen.

5. Die im Blut vorhandenen Proteine sind normal verteilt in einem prozentualen Verhältnis, wie es das Blutbild norma-len, frischen Menschenblutes aufweist.

Professor Linoli geht am Ende seines Berichts auf die in Wunderangelegen-heiten häufig aufkommende Vermu-tung einer Fälschung ein. Diesbezüglich kommt er zu dem Schluss: „Die Ergeb-nisse der Untersuchungen, insbesondere jene über die Natur des Fleisches, machen eine Hypothese, dass es sich um eine wäh-rend der Jahrhunderte bewerkstelligte Fälschung handeln könnte, wenig wahr-scheinlich. Wenn wir annehmen, dass man einem Kadaver das Herz heraus-geschnitten hätte, so behaupte ich, dass nur eine in der anatomischen Zergliede-

rung erfahrene Hand einen so uniformen ‚Schnitt’ aus einem hohlen inneren Organ [...] hätte ausführen können. Und wenn das Blut einem Kadaver entnommen wor-den wäre, so hätte es sich rasch verändert durch Zerfall und Verwesung. Festgehal-ten soll überdies werden, dass kein histo-logischer Schnitt eine Spur von Infiltrati-on von Salzen oder benützten konservie-renden Substanzen, wie sie im Altertum zur Mumifizierung Anwendung gefunden haben, aufgewiesen hat.“

Professor Linoli berichtet, dass die im Fleisch und im Blut gefundenen Prote-ine und Mineralstoffe für eine lange Zeit konserviert werden können, was beispiels-weise auch bei ägyptischen Mumien fest-gestellt wurde. Allerdings betont er, dass diese Fälle verschieden sind „von unserem Fall, wo ein Fragment des Herzmuskels während Jahrhunderten in seinem natür-lichen Zustand verblieben ist und der Wirkung physisch-atmosphärischer und biochemischer Kräfte ausgesetzt war“.

Die genannten Wissenschaftler sind sich also einig, dass es sich bei den Reli-quien aus Lanciano unzweifelhaft um menschliches Fleisch und Blut handelt und dieses über Jahrhunderte hinweg ohne die Verwendung von Stoffen zur Konservie-rung nicht verfallen ist. Natürlich kön-nen sie nicht klären, ob dieses Fleisch und Blut, wie es das katholische Eucha-

Im Jahre 1263 wanderte der deutsche Priester Petrus von Prag betrübten Herzens nach Rom um dort in Zweifeln, die ihn

ängstigten, die Quelle des Glaubens, die Leuchte der Wahrheit, die der Herr selbst auf den Stuhl des Heiligen Petrus gesetzt hat, zu befragen. Sein Glaube an die wirkliche Gegenwart Chris-

ti unter der Gestalt des Weines litt nämlich große Versuchung. Vergeblich suchte er sich dieses Geheimnis zu erklären. Oft bat er Gott, ihm doch diese beängstigenden Zweifel zu nehmen, aber vergeblich. Als er nun auf seiner Wanderung in das Städtchen Bolsena kam, das an der Straße nach Rom nicht fern von Orvieto am Fuße eines Hügels liegt, feierte er in der Kirche Santa Cristi-na die heilige Messe. Jetzt würdigte sich Gott, ihn zu erhören und seine Zweifel verschwinden zu lassen. Bei der Wandlung fängt plötzlich das heilige Blut im Kelch zu wallen an, über den Rand des Kelches träufeln Tropfen auf das Korporale, und es erschei-nen blutrote Flecken.

Die Messe von Bolsena

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ristieverständnis sagt, von Jesus Christus stammt. Um ein Wunder aber handelt es sich in jedem Fall, zumal der Kontext, in dem dieses menschliche Fleisch und Blut verwandelt wurde, von Beginn an glaub-würdig bezeugt ist.

Wie auch heute noch bei jeder Selig- und Heiligsprechung geht die katholische Kirche von der Existenz von Wundern aus; mehr noch, sie stuft immer wieder

bestimmte Fälle offiziell als Wunder ein. Genau dies hat sie beim Eucharistischen Wunder von Lanciano getan und damit ein klares Bekenntnis zu diesem Ort und dem dortigen Geschehen abgelegt. Nam-hafte Kirchenrepräsentanten wie Karol Wojtyla – der heilige Johannes Paul II. – und Angelo Sodano, ehemaliger Kardi-nalstaatssekretär und seit 2005 Kardinal-dekan, haben diesen Ort besucht und die

Reliquien verehrt. Sie waren von diesem wahrhaft wundervollen Glaubensbeweis beeindruckt, so wie Millionen Gläubige in den Jahrhunderten vor ihnen und den Jahren nach ihnen.

Dass anders als beim „Volto Santo“ von Manoppello, das ebenfalls nur weni-ge Kilometer entfernt liegt, bisher kein Papst Lanciano besucht hat, muss doch angesichts der gut dokumentierten Über-

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„Die Messe von Bolsena“ auf einem Fresko von Raf-fael, um 1512. Stanza di Eliodoro, Vatikanstadt.

Der Priester, voll Schrecken, sucht das Vorgefallene zu ver-bergen, er legt das Korporale zusammen, allein die Blutstropfen dringen durch die Falten und vier davon fallen auf das Marmor-pflaster von dem Altare mit allen Zeichen frischen Blutes. Nun war es dem Priester nicht mehr möglich, die Sache zu verber-gen, und da er vernahm, dass Papst Urban IV. im nahen Orvie-to sich befinde, eilte er dahin, bekannte ihm alles reumütig und erhielt die Absolution. Der Papst ließ sich hierauf das blutbe-fleckte Korporale bringen, und als er sich von der Wahrheit des Wunders überzeugt hatte, setzte er es unter großer Feierlichkeit in der Kathedralkirche daselbst bei. Die Marmorsteine mit den

Blutstropfen wurden in der Christinakirche zu Bolsena mit gro-ßer Ehrfurcht aufbewahrt, wo sie heute noch vom Volke verehrt werden. Im Jahre 1290 legte Papst Nikolaus IV. den Grundstein zu einer Kirche, in welcher das wunderbare Korporale zur Ver-ehrung ausgestellt werden sollte. Das Wunder zu Bolsena war neben der Offenbarung der heiligen Juliana ein Hauptgrund, dass Papst Urban IV. nicht mehr zögerte, das Fronleichnamsfest einzuführen. Das prachtvolle Bild, mit dem der Maler Raffael das Wunder darstellte, ist im Vatikan zu Rom zu sehen. (leicht überarbeitet entnommen aus: Georg Ott: Eucharisticum, Regensburg 1869, S. 211-212)

lieferung, der Anerkennung als Eucharisti-sches Wunder und der wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse verwundern. Wenn nicht an diesem Ort das katholische Eucharistieverständnis in seiner Herrlich-keit und in seiner Wirklichkeit eindrück-lich vor Augen geführt wird, wo sonst soll dies geschehen? Es ist bedauerlich, dass angesichts des stetig sich verbreitenden Unglaubens und der zu selten hinterfrag-

ten Wissenschaftsgläubigkeit der Gegen-wart nicht gerade hier der Unglaube viel stärker demonstrativ auf die Probe gestellt wird.

Wie im Bericht aus dem Jahre 1631 so sollte auch heute das Eucharistische Wunder von Lanciano und alle anderen, von der katholischen Kirche offiziell aner-kannten Eucharistischen Wunder als Zei-chen der großen „Gnade des gütigsten

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Gottes, des Vaters der Barmherzigkeit“ angesehen werden. Den Gläubigen beweist dieser Gnadenerweis auf eindrückliche und unvergessliche Weise, woran sie glau-ben; bei den Zweiflern und den Ungläu-bigen bleibt zumindest ein Staunen oder eine Sprachlosigkeit, die nachdenklich machen. In jedem Fall liegt darin das not-wendige Potenzial, die greifbare Wirklich-keit des katholischen Glaubens zu spüren.

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Das Eucharistische Wunder von Liegnitz, das Papst Franziskus in diesem Jahr anerkannt und zur Verehrung freigegeben hat, ist das letzte in einer langen Kette von wundersamen Ereignissen rund um den Leib und das Blut Christi, die von Lanciano über Bolsena oder Walldürn jetzt nach Polen führte

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deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg eine stattliche evangelische Kai-ser-Friedrich-Gedächtniskirche war, fällt beim Austeilen der heiligen Kommunion der Leib des Herrn auf den Boden. Man macht daraufhin das, was in solchen Fäl-len zu machen ist. Die verunglückte Hos-tie wird in ein Gefäß mit Wasser gelegt und im Tabernakel solange aufbewahrt, bis sich deren äußere Gestalt aufgelöst hat.

Es entspricht der Lehre von der Trans-substantiation (Wesensverwandlung), dass Christus solange in der Eucharis-tie gegenwärtig ist, wie die äußere Gestalt des Brotes, also das so genannte Akzidenz, sichtbar erhalten ist. In der Konsekrati-on wird das Wesen des Brotes, seine Sub-stanz, durch die Gnade Christi in Seinen Leib gewandelt. Das „neue“ Wesen des-sen, was dann auf dem Altar liegt, ist also nicht mehr Brot, sondern Christus selbst. Die äußeren Merkmale, die nach wie vor wie Brot aussehen und schmecken, betref-fen nicht das Wesen der Sache. Die äußere Erscheinung des Brotes hält nach der Aus-löschung seines Wesens in der Wandlung den Herrenleib gegenwärtig. Also: Sobald die äußere Erscheinung aufhört zu existie-ren, ist die Gegenwart des Herrn beendet. Solange sie zu sehen ist, ist Christus real präsent. Die übrig gebliebenen Hostien werden deswegen auch an einem besonde-ren Ort, dem Tabernakel, aufbewahrt, um

Als im Jahre 1263 Papst Urban IV. in Begleitung des heiligen Tho-mas von Aquin in Orvieto weilte,

erreichte die prominente Reisegruppe eine aufsehenerregende Nachricht. Im unweit entfernten Bolsena hatte sich soeben ein Eucharistisches Wunder ereignet. Einem durchreisenden Priester waren dort bei der Zelebration der heiligen Messe am Grab der heiligen Christina Blutstrop-fen aus der von ihm konsekrierten Hostie geflossen und hatten das Tuch, das unter der Hostie auf dem Altar ausgebreitet lag, blutrot gefärbt. Der Heilige Vater nahm dieses Zeichen des Himmels zum Anlass, ein Jahr später das Fronleichnamsfest für die ganze Kirche einzuführen, das „Fest des Leibes und Blutes Christi“. Eucharis-tische Wunder sind Bestätigungswunder für die im Glauben Lauen und Wanken-den. Und für die im Glauben Feststehen-den sind sie eine buchstäblich wunderba-re Gelegenheit, das, was sie schon glauben, tiefer und fester zu glauben.

In diesem Sinne fügt das jüngste aller anerkannten eucharistischen Wunder dem Konzert der klassischen Blut- und Hostienwunder einen neuen Klang hinzu. Zu Weihnachten 2013 widerfährt in der Pfarrei zum heiligen Hyazinth im nie-derschlesischen Liegnitz einem Priester ein Missgeschick. In der überfüllten neu-gotischen Kirche, die bis zum Abzug der

von guido rodheudt

Und das Brot ist Fleisch geworden

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sie jederzeit für die Heilige Kommunion oder die eucharistische Anbetung zur Ver-fügung zu haben.

Das alles war zu Weihnachten 2013 in Liegnitz dem Pfarrer von St. Hyazinth wohlbekannt, weswegen er daran ging, den Vorschriften entsprechend, die gefal-lene Hostie, die man aus Gründen der Hygiene nicht mehr zur Kommunion rei-chen wollte, in der Verborgenheit des Tabernakels in einem Gefäß mit Wasser ihrem äußeren Zerfall anheimzustellen, solange, bis sich die Gestalt des Brotes auf-gelöst haben würde und man die zurück-bleibende Flüssigkeit in das „Sacrarium“ der Kirche würde gießen können, einen Abfluss, der nicht mit dem Kanalsys-tem verbunden ist, sondern direkt in das geweihte Erdreich unter der Kirche führt.

Aber es kam anders. Als der Priester nach knapp zwei Wochen, am 5. Janu-ar 2014, nach der Hostie schaute, war sie mitnichten aufgelöst. Vielmehr hatten sich auf ihr kleine rote Flecken gebildet, die dem Priester einen gehörigen Schre-cken in die Glieder fahren ließen. Er holte Mitbrüder zur Beratung hinzu und behielt die Sache im Auge. Vielleicht war es ja auch nur ein Schimmelpilz?!

Nach wiederholtem Prüfen der Ent-wicklung wurde der Bischof zurate gezo-gen, der die Sache so ernst nahm, dass er eine kirchliche Kommission einsetzte, die

Wurde zum Ziel der jüngs-ten Wallfahr-ten zu einem Eucharisti-schen Wun-der: die Pfar-rei zum heili-gen Hyazinth im nieder-schlesischen Liegnitz.

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das Phänomen weiter beobachtete. Diese Entscheidung war mehr als weise, denn aus den kleinen roten Flecken wurde mit der Zeit ein größeres Stück einer roten, gewebeartigen Substanz, die begann, sich von der übrigen Hostie, die mit der Zeit im Wasser zerfiel, abzulösen. Zurück blieb – man muss es so sagen – ein Stück Fleisch. Mittlerweile war der Zeitpunkt gekom-men, an dem sich Fachleute des Phäno-mens annehmen mussten. Schon allei-ne deswegen, weil – wie zu erwarten – die Gerüchteküche kochte und man bereits alle möglichen Tricks und Betrügereien für das Phänomen verantwortlich machte. Sogar ein Mord wurde vermutet, bei dem ein Stück toten Gewebes im Tabernakel gelandet sein sollte.

Über fünfhundert Untersuchungen musste das geheimnisvolle Stück Gewe-be über sich ergehen lassen. Vergleichs-

analysen mit dem ältesten Eucharistie-wunder von Lanciano in den Abruzzen, bei dem sich im Jahre 730 eine Hostie in Fleisch verwandelt hatte, gerichtsmedizi-nische, biologische und andere naturwis-senschaftliche Gutachten wurden einge-holt, bis es zweifelsfrei feststand: das Stück Hostie war zu einem Stück menschli-chen Gewebes mutiert. Genauer, zu einem Stück eines menschlichen Herzmuskels – und zwar im Zustand des Todeskampfes.

Keine zweieinhalb Jahre später, am 10. April 2016, verkündete der Bischof von Liegnitz, Zbigniew Kiernikows-ki, die Anerkennung des Phänomens als ein eucharistisches Wunder durch Papst Franziskus. Seither darf es mit kirchlicher Erlaubnis als solches verehrt werden.

Unter den vielen ähnlichen Bestä-tigungswundern der realen Gegenwart Christi in der Eucharistie hält das jüngs-

te Wunder von Liegnitz allerdings eine besondere Botschaft für unsere Zeit bereit. Sie ergibt sich aus dem Vorfall, der schließ-lich zum Wunder geführt hat: Es ist die Unachtsamkeit beim Austeilen der heili-gen Kommunion. Die Hostie färbte sich in Liegnitz nicht aufgrund des schwachen Glaubens eines Priesters rot wie in Bol-sena oder Walldürn. Das Wunder trat in der Verborgenheit des Tabernakels ein, in dem die Hostie nach dem Malheur auf ihre Auflösung wartete. Damit ist das Mira-kel von Liegnitz mehr als nur ein Bestäti-gungswunder für die Lehre von der Real-präsenz. Es ist vor allem ein Fingerzeig des Himmels, dass im Umgang mit der Eucha-ristie größte Sorgfalt und Ehrfurcht ange-bracht ist – innerlich und äußerlich.

Ein Signal, das nicht unterschätzt werden darf. Denn durch die allgemein üblich gewordene Praxis der Handkom-

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Blick in die Hostienschale, in der sich das menschliche Gewebe bildete.

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munion, durch den Abbau der Kommu-nionbänke und die legere Art und Weise, sich den Leib des Herrn zu nehmen statt ihn zu empfangen und durch die psycho-logisch unkluge Art und Weise, wie viele Kommunionhelfer in Straßenkleidung

aber auch Priester das zutiefst geistliche Geschehen des Kommunionempfangs zu einer technischen Verteilungsabwicklung werden lassen, ist in den Herzen vieler Menschen der Glaube daran, dass ich in der heiligen Kommunion nicht ein Stück

Brot, sondern den Leib des Herrn emp-fange, beschädigt worden. Es kann ja nicht etwas, das man mit großem Gepränge und in goldenen Monstranzen am Fronleich-namsfest durch die Straßen trägt, als das-selbe Erhabene erlebt werden, wenn es

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Zur Verehrung ausgestellt: Das Herzmuskelgewebe in seinem Reliquiar.

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Mit der Öffnung des Blutschreins beginnt in jedem Jahr in Walldürn in Baden-Württemberg die vierwöchige Wall-

fahrtszeit. In der dortigen Wallfahrtskirche St. Georg wird ein Korporale, eine Altardecke aus Leinen, aus dem Jahr 1330 mit dem Bild des Gekreuzigten verehrt. 1589 berichtet der Walldür-

ner Pfarrer Hoffius von einer folgenreichen Begebenheit aus dem Jahre 1330: Bei einer Eucharistiefeier stieß der Walldürner Pries-ter Heinrich Otto nach der Wandlung aus Unachtsamkeit den bereits konsekrierten Kelch um. Das vergossene Blut Christi in

mir bei anderer Gelegenheit wie ein Fahr-schein in die Hand gedrückt wird, nach-dem ich an der Ausgabestelle in der War-teschlange gestanden habe. Schon lange ist aus den Gesangbüchern der deutschen Katholiken das Lied „O Christ, hie’ merk“ getilgt, in dem den Gläubigen die Lehre von der Wesensverwandlung des Brotes in das Fleisch des Herrn ins Herz floß, wenn sie sangen: „Kein Brot ist da, noch bei noch nah in Hostia. Das, was da ist, Herr Jesu Christ, Du selber bist.“

Ebenso schizophren ist es, dem Pries-ter in der Liturgie eine Purifikation (Rei-nigung) der Gefäße am Ende der Meß-feier abzuverlangen, wenn gleichzeitig derjenige, der die heilige Kommunion mit der Hand empfängt, anschließend seine Hände ungereinigt in den Hosentaschen vergräbt oder mit Hostienstaub behafte-ten Fingern die Seiten seines Gebetbuch durchblättert. Die frühere Vorschrift, den Gläubigen bei der Austeilung des Herren-leibes eine so genannte Kommunionpate-ne unter das Kinn zu halten, war ein Aus-druck des Glaubens, dass Christus auch in den kleinsten Teilchen der Hostie wahr-haft und wirklich gegenwärtig ist. Priester, die im außerordentlichen Usus die Heilige Messe zelebrieren, in dem der Gebrauch der Kommunionpatene vorgesehen ist, wissen, dass sich auf ihr nach jeder Kom-munionausteilung kleine Hostienpartikel finden. Ohne diese Sicherheitsvorkehrung fallen sie auf den Boden oder vergraben sich in Kleidungsstücken.

Das wäre kein Drama, handelte es sich bei der Kommunion um den Emp-fang eines Brotstücks, das einen symbo-lisch an Jesus erinnert, so wie es deutsche

Kommunionkinder in der Regel von ihren „Tischmüttern“ lernen. Ist es aber der Leib des Herrn, der am Ende buchstäblich mit Füßen zertreten wird, weitet sich jede Unachtsamkeit zum ungewollten Sakrileg. Denn das Brot ist in der Wesensverwand-lung Fleisch geworden! Schon in der Syn-agoge von Kapharnaum spaltet diese Ver-heißung Christi seine Anhängerschaft. Viele folgen ihm daraufhin nicht mehr hinein in diese intellektuelle Zumutung.

Vom heiligen Philipp Neri wird erzählt, er hätte eines Tages eine vor-nehme Dame, die stets unmittelbar nach dem Empfang der heiligen Kommuni-on die Kirche verließ, durch eine beson-dere Maßnahme von ihrer Achtlosig-keit kuriert. Er gab den Ministranten die Anweisung, die Dame, sobald sie die Kir-che verlassen würde, mit zwei brennenden Kerzen auf die Straße zu begleiten. Denn, so sagte sich der heilige Philipp, sie trägt ja unmittelbar nach der heiligen Kommu-nion noch den eucharistisch gegenwärti-gen Christus in sich. Und also eskortierten die Ministranten des heiligen Philipp Neri die Dame solange, bis sie verstanden hatte, zu was sie diese pädagogische Maßnahme erziehen wollte. Sie kehrte flugs in die Kir-che zurück, um eine ausführliche Danksa-gung zu halten.

Der Himmel hat uns in Liegnitz eine noch wertvollere Pädagogik geschenkt. Er will uns zu größerer Ehrfurcht dem Aller-heiligsten gegenüber erziehen. Weil im Verlust der Ehrfurcht, im Abbau der äuße-ren Formen, in der falschen Signalwirkung der Handkommunion, die aus unmündi-gem Empfangen eine Selbstermächtigung macht, und in der Unachtsamkeit den

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Weingestalt zeichnete daraufhin auf dem Korporale das Bild des Gekreuzigten und elf einzelne Häupter Christi mit Dornenkro-ne. Der erschrockene Priester versteckte das Korporale aus Angst hinter einem Stein des Altars. Fünfzig Jahre später erleichterte er

auf dem Sterbebett sein Gewissen und nannte das Versteck des Tuches. Das Leinentuch wurde an der genannten Stelle gefun-den, das Blutbild wurde allgemein bekannt, und es begann eine große Verehrung des Tuches.

Ortsbischof Zbigniew Kiernikowski zeigt die Blutreliquie den Gläubigen.

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kleinsten Partikeln des Herrenleibes gegen-über ein weitergehender Verlust begrün-det ist: Es ist der Verlust der Treue zum Vermächtnis Christi, das er im Abend-mahlsaal hinterlassen hat. Wenn das Hei-lige nicht mehr heilig gehalten wird und der Umgang mit der Eucharistie weder innere noch äußere Akte der Sorgfalt und Demut mehr zeitigt, dann wird am Ende der Kult des Christentums unverbindlich und schließlich ersetzbar. Der Wunsch des Zweiten Vatikanischen Konzils, es möge bewusst werden, dass die heilige Messe Quelle und Höhepunkt des ganzen kirch-lichen Lebens ist, wird durch die kontra-produktive Erlaubnis, den Leib des Herrn in einer Art Selbstbedienung mit der Hand zu ergreifen, und durch andere formlose Unachtsamkeiten dem Sakrament gegen-über unerfüllbar. Die Realität der Anwe-senheit des Gottessohnes, die in Liegnitz auf eine außerordentliche Weise bekundet wird, verlangt ein Umdenken.

Als im vergangenen Sommer eine deutsche Jugendgruppe auf ihrem Weg zum Weltjugendtag nach Krakau in Lieg-nitz das rote Stück Fleisch in der Monst-ranz sehen wollte, hielt Andrzej Ziomb-ra, der Pfarrer der St.-Hyazinth-Kirche, eine Katechese vor den jungen Leuten. Im Gespräch vernahm er mit erkennba-rem Entsetzen, dass sich in Deutschland – im Gegensatz zur gängigen Praxis in Polen – die Handkommunion so gut wie aus-schließlich etabliert hat. Er beschwor dar-

aufhin die Jugendlichen, die Eucharistie über alles zu schätzen und sie nicht unbe-denklich zu empfangen: „Kein Sonntag ohne Messe! Kein Kommunionempfang ohne Gewissensprüfung und – gegebenen-falls – nicht ohne vorherige Beichte!“

Als der deutsche Priester, der die Grup-pe begleitete, ihm erzählte, dass er aus der Botschaft von Liegnitz Konsequenzen zie-hen wolle und sich deswegen bereits zwei Tage zuvor in Tschenstochau Kommu-nionpatenen besorgt habe, um sie in seiner Pfarrei einzuführen und damit ein Zei-chen zu setzen, fiel ihm Pfarrer Ziombra vor Freude um den Hals. Eine Freude, die im Land der Reformation nur von weni-gen verstanden wird, wo sich auch unter

Katholiken flächendeckend die evange-lische Auffassung eingebürgert hat, man empfange in der Kommunion ein Stück Brot, das uns an das Letzte Abendmahl erinnert. Es bleibt deswegen zu wünschen, dass viele – besonders aus Deutschland – nach Liegnitz in die Kirche des heiligen Hyazinth kommen, die vor über siebzig Jahren von einer protestantischen zu einer katholischen Kirche wurde. Denn dort zeigt der Himmel selbst, was in der Refor-mation verloren ging.

Pilgerinfo: www.jacek-legnica-sanktuarium.pl Kontakt: [email protected] - Telefon: 0048 76 854 7449

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