20
Menschen und Geschichten 20 Jahre Münchner Straßenambulanz 30 Jahre Arztpraxis für Wohnungslose Sonderausgabe September 2017 miseri cordia

misericordia - barmherzige.de · Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Mitarbeit bei der Münchner Straßenambulanz liegt, so glau-be ich, in besonderer Weise auf der Linie unseres Ordensgrün-

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Menschen

und Geschichten

20 Jahre Münchner

Straßenambulanz

30 Jahre Arztpraxis

für Wohnungslose

Sonderausgabe September 2017

misericordia

Sonderausgabe Münchner Straßenambulanz

Editorial 3

Ohne Wohnung, nicht ohne Würde 4

Unterwegs mit der Münchner Straßenambulanz 6

Christine Strobl: Hilfe vor Ort 9

Die Anfänge von Arztpraxis und Straßenambulanz 10

Dr. Barbara Peters-Steinwachs blickt zurück 11

Dr. Angelika Eisenried: Mein erstes halbes Jahr 13

Birgit Kiask: Von Frater Karl angesteckt 13

Frater Karl Wiench: Menschen mit Namen ansprechen 14

Richard Haschke: „Weil die Arbeit getan werden muss“ 15

Bernd Gollwitzer: „ ... eine Scheibe abschneiden“ 16

Ulf Friesl: Verbandswechsel 17

Gruppenbilder 18

Barmherzige Brüder: Wohnungslosenhilfe weltweit 19

Adressen und Spendenkonto 20

Inhalt

Die Aktiven der Münch-

ner Straßenambulanz

vor dem Behandlungsbus

im Garten des Provinzi-

alats der Barmherzigen

Brüder in Nymphenburg:

stehend (von links) die

Krankenpfl eger Frater Karl

Wiench, Richard Haschke,

Ulf Friesl und Bernd Goll-

witzer; auf der Bank (von

links) die Krankenschwes-

ter Birgit Kiask und die

beiden Ärzte Dr. Angelika

Eisenried und Dr. Thomas

Beutner.

2

MISERICORDIA 9/17

INHALT

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Mitarbeit bei der Münchner Straßenambulanz liegt, so glau-

be ich, in besonderer Weise auf der Linie unseres Ordensgrün-

ders Johannes von Gott.

So wie er sich vor fast 500 Jahren im

spanischen Granada der Kranken und

Armen, der Alten und Obdachlosen

annahm, so müssen wir als seine Nach-

folger heute fragen: Wo ist Not? Was

können wir tun? Wir sollen ja, wie Papst

Franziskus sagt, „an die Ränder gehen“.

Mir liegt dieses Projekt ganz besonders

am Herzen, auch weil ich selbst als

Krankenpfl eger vier Jahre lang regel-

mäßig und später aushilfsweise bei der

rollenden Arztpraxis mitarbeiten durfte.

Der Einsatz von Krankenpfl egern und

einer Krankenschwester in der Stra-

ßenambulanz ist nur ein kleiner Mosa-

ikstein der Aufgaben der Bayerischen

Ordensprovinz der Barmherzigen

Brüder – rund 9000 Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter arbeiten in unseren

Krankenhäusern, in der Behindertenhil-

fe, der Altenhilfe und weiteren sozialen

Einrichtungen. Aber ohne diesen Stein

würde etwas fehlen. Ich bin froh, dass

mit Frater Karl Wiench ein Barmherziger

Bruder persönlich daran beteiligt ist,

solchen Menschen den Zugang zur me-

dizinischen Versorgung zu erleichtern,

die diesen Schritt sonst nicht gehen

oder durch das soziale Netz fallen

würden. Und ich bin dankbar für den

Einsatz von Mitarbeitern des Münchner

Krankenhauses.

Mit dieser Sonderausgabe unserer

Ordenszeitschrift misericordia möchten

wir nach 20 Jahren Straßenambulanz

interessierten Leserinnen und Lesern

Einblicke in den Einsatz von Ärzten und

Pfl egern ermöglichen. Diese kommen

auch selbst zu Wort und berichten über

Veränderungen. Waren die Klienten

anfangs noch häufi g „klassische“

Wohnungslose, so hat das Projekt heute

vielfach mit Migranten aus verschiede-

nen Ländern zu tun.

Wir Barmherzige Brüder stehen dazu:

Wir helfen denen, die in Not sind, ohne

Ansehen von Geschlecht oder Hautfar-

be, von Religion oder gesellschaftlichem

Rang. Was für Johannes von Gott galt,

das gilt auch heute für uns.

Ihr

Frater Benedikt Hau

Provinzial

3

MISERICORDIA 9/17

EDITORIAL

4

MISERICORDIA 9/17

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

Ohne Wohnung, nicht ohne Würde30 Jahre Arztpraxis für Wohnungslose, 20 Jahre Münchner Straßenambulanz

Den Besuch bei einem Arzt schieben

viele Menschen vor sich her. Richtig

schwer tun sich damit Wohnungslose,

denn wirklich gern gesehen sind sie

nicht im Wartezimmer. Um ihnen medizi-

nische Versorgung zu bieten, gibt es seit

30 Jahren eine allgemeinmedizinische

Arztpraxis im städtischen Unterkunfts-

heim für Männer, das der Katholische

Männerfürsorgeverein (KMFV) seit 65

Jahren an der Pilgersheimer Straße be-

treibt. Dennoch zeigte sich, dass ein Teil

der Wohnungslosen den Weg dorthin

scheute. Deshalb hat der KMFV vor 20

Jahren gemeinsam mit der Wohnungs-

losenpraxis und den Barmherzigen Brü-

dern die Münchner Straßenambulanz

auf den Weg zu den Treffpunkten von

Wohnungslosen gebracht.

DREIMAL PRO WOCHE UNTERWEGS

Die Ärztin Barbara Peters-Steinwachs

war bis Oktober 2016 dreimal pro

Woche abends zusammen mit einem

Krankenpfl eger der Barmherzigen Brü-

der in der rollenden Arztpraxis unter-

wegs, um Menschen medizinische Hilfe

zu bringen. „Es ist das Eintrittstor in die

Praxis“, sagt Thomas Beutner.

Zusammen mit Angelika Eisenried teilt

er sich den Dienst in der Allgemeinme-

dizinischen Praxis im Unterkunftsheim

und in der Straßenambulanz. Vorgän-

gerin Peters-Steinwachs ist als nie-

dergelassene Ärztin in den Ruhestand

gegangen, die Nachfolger sind nun fest

angestellt beim Männerfürsorgeverein.

MISERICORDIA 9/17

5

MISERICORDIA 9/17

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

In der Straßenambulanz, die vor 20

Jahren mit Unterstützung des „Advents-

kalenders für gute Werke der Süddeut-

schen Zeitung“ entstanden ist, lasse

sich nur eine Basisversorgung bieten.

Die Wohnungslosen bekommen Tee und

belegte Brote von der „Möwe Jonathan“

– so nennt Walter Lorenz seinen Liefer-

wagen, den er mit seinen Helfern seit

Jahrzehnten auf Tour schickt. „Wenn der

Magen gefüllt ist, kommen die Men-

schen zu uns in die Straßenambulanz“,

sagt Beutner.

Das Wichtigste sei, ihnen das Gefühl

zu vermitteln, dass sie nicht lästig sind.

„Die meisten wollen sie weghaben aus

ihren schönen Städten.“ Das Gefühl für

den eigenen Körper müssten Woh-

nungslose, die lange auf der Straße ge-

lebt haben, erst wieder erlernen. Ärzte

hätten „meist nicht die Muße, sich mit

einem Menschen in dieser Situation zu

befassen“. In der Praxis für Wohnungs-

lose aber gebe es keine Zugangsvor-

aussetzung – auch wer nicht kranken-

versichert ist, wie etwa ein Drittel der

340 Patienten je Quartal, erhält Hilfe.

Das Defi zit gleicht die Stadt aus.

KEINE BELEHRUNGEN

Obwohl die Praxis im Erdgeschoss des

Männer-Unterkunftsheims unterge-

bracht ist, sind auch Frauen unter den

Patienten. Viele gesundheitliche Pro-

bleme der Wohnungslosen hätten mit

„Substanzmissbrauch“ zu tun, erklärt

Beutner. Alkohol und Tabak haben Herz,

Kreislauf, Leber und Gefäßen gescha-

det. Bei Jüngeren spielt die synthetische

Droge Crystal Meth zunehmend eine

Rolle. Manche Wohnungslose, die seit

Jahren auf der Straße leben, haben dick

geschwollene, offene Beine. Belehrun-

gen zum Lebenswandel gibt es nicht,

sondern ärztliche Hilfe: „Wir sind nicht

dazu da, die Menschen zu missionie-

ren“, sagt Beutner. „Aber wir haben die

Sozialberater des Männerfürsorgever-

eins im Haus, die können Wohnungslo-

sen Hilfestellung dabei geben, wieder

in menschenwürdigen Verhältnissen zu

leben.

Dass es einen harten Kern von Woh-

nungslosen gebe, die selbst bei

strengem Frost draußen übernachten,

führt Beutner auf ihre Biografi e zurück:

„Sie haben viel Gewalttätigkeit erlebt,

gerade im Zusammenhang mit Sucht

und Drogen, deshalb meiden sie andere

Menschen. Und die Angst, bestohlen zu

werden, ist groß.“ Auch Angelika Eisen-

ried hat festgestellt, dass „viel Miss-

trauen da ist“. Ihr Rezept dagegen ist,

immer wieder Hilfe anzubieten, deutlich

zu machen, „dass niemand weglaufen

muss, weil etwas bei ihm schief lief“.

Beutner betont: „Man muss weich sein,

mitgehen.“ Wie beim Tanz.

Beutner kommt aus einer internistisch

geführten Hausarztpraxis. „Das Wis-

senschaftliche hat zu sehr überhandge-

nommen“, das Hinhorchen sei wichtig,

aber das komme zu kurz. Patientenge-

spräche im Fünf-Minuten-Takt ließen

individuelle Medizin nicht zu. „Etwas für

Menschen bewirken, die nicht so gut

versorgt sind“, zumal die Schere zwi-

schen Arm und Reich immer weiter aus-

einandergehe, war für Angelika Eisen-

ried entscheidend für den Wechsel an

die Pilgersheimer Straße. Ihre Aufgabe

sieht sie darin, Menschen „den Zugang

zu einem System zu verschaffen, das

vieles bietet, aber wo es jemanden

braucht, der einen durchlotst.“

KASSEN ZAHLEN KEINE BRILLEN

Dabei können die beiden Ärzte zu-

sammen mit drei Arzthelferinnen und

einer Krankenschwester nun noch

besser helfen. Petra Reiter, die Frau

des Münchner Oberbürgermeisters,

hat als Vorstandsmitglied der Stiftung

„Wir helfen München“ dafür gesorgt,

dass ein Ultraschallgerät angeschafft

werden konnte. Die Ärzte denken nun

an ein weiteres Problem, das Woh-

nungslosen wie auch vielen anderen

Menschen mit geringem Einkommen

zu schaffen macht: die Finanzierung

von Brillen. Denn die bezahlt die

gesetzliche Krankenkasse nicht. Viele

ältere Wohnungslose sehen schlecht,

aber sind kaum in der Lage , das Geld

auch nur für die preiswertesten Sehhil-

fen selbst aufzubringen.

Sven Loerzer

Zuerst erschienen in der Süddeutschen

Zeitung am 21. Februar 17

Dr. Angelika Eisenried und Dr. Thomas

Beutner am Behandlungsbus

Das Team der Arztpraxis für Wohnungslose in der Pilgersheimer Straße (von links):

Dr. Thomas Beutner, Krankenschwester Theresa Schmid, Arzthelferin Christiane Em-

bacher, Krankenschwester Mathilde Grommek, Dr. Angelika Eisenried und Arzthelferin

Karin Mohr

MISERICORDIA 9/17

6 SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

Draußen vor der Tür Wer einen Abend mit der Münchner Straßenambulanz unterwegs ist, erfährt, wie

zerbrechlich das Recht auf Gesundheit und ärztliche Versorgung sein kann

6

MISERICORDIA 9/17

7

MISERICORDIA 9/17

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

Ein Frühlingstag im Mai. Seit zwei Tagen

regnet es in München fast ununter-

brochen, jetzt, kurz nach acht Uhr am

Abend, ist die Temperatur einstellig.

Kein Wetter, um sich länger draußen

aufzuhalten. Doch am Oberanger stehen

an diesem Montagabend Personen

unter einem Vordach, Ehrenamtliche der

„Möwe Jonathan“ geben Tee und Essen

aus. Hier hält jetzt auch die Straßenam-

bulanz und bietet medizinische Hilfe für

obdachlose Menschen an. Die Besat-

zung der „rollenden Arztpraxis“: Dr.

Thomas Beutner, der mit seiner Kollegin

Dr. Angelika Eisenried auch die Praxis

für Wohnungslose in der Pilgersheimer

Straße betreibt, und Frater Karl Wiench,

Krankenpfl eger von den Barmherzigen

Brüdern.

EIN ARZT, DER VERTRAUEN WECKT

Herr R. kommt zum Bus. Ob er wie-

der die Augentropfen haben kann, die

gegen seine trockenen Augen helfen?

Natürlich. Dann steigt Herr P. in den

Bus. Der 41-jährige Rumäne leidet an

Diabetes, hat einen Stent im Herzen, er

atmet schwer, hustet. Freundlich und

geduldig fragt Dr. Beutner nach den

Beschwerden. Der Arzt, der mit langem

Haar und üppigem Vollbart ein wenig

wirkt wie ein Gelehrter aus dem 19.

Jahrhundert, weckt schnell Vertrauen.

Frater Karl „piekst“ Herrn P. in den Fin-

ger, um den Blutzuckerwert zu ermitteln.

Der ist mit über 400 mg/dl viel zu hoch.

Ob er Insulin spritzt? Herr P. zeigt seinen

Insulin-Pen. Schließlich stellt der Arzt

beim Abhören Geräusche in der Lunge

fest: „Sie haben eine Infektion, Sie

müssen in eine Klinik, Sie haben wahr-

scheinlich eine beginnende Lungenent-

zündung.“ Ein Krankenhaus hat ihn vor

ein paar Tagen nach wenigen Stunden

wieder weggeschickt, als sein Blutdruck

extrem hoch war, erzählt Herr P. in

gebrochenem Deutsch. Jetzt liegt er bei

160 zu 110 mmHg, stellt Frater Karl fest.

Fieber hat der Patient nicht. Aber ihn so

wieder auf die Straße schicken?

„WIR BRINGEN IHN

IN DIE NOTAUFNAHME“

Kurzerhand entscheiden Arzt und Pfl e-

ger: Wir bringen Herrn P. in die Notauf-

nahme der Uniklinik. Wie schon den

ganzen Abend steuert Frater Karl den

Behandlungsbus sicher – nun durch das

enge Tor der Medizinischen Klinik an der

Ziemssenstraße (übrigens der Ort, an

dem die Barmherzigen Brüder ab 1750

erstmals in einem Münchner Hospital

tätig waren). Dr. Beutner begleitet Herrn

P. zur diensthabenden Ärztin. Problem-

lose Übergabe.

Weiter geht es zum Isartor. Es ist jetzt

kurz vor neun. Herr O., ein junger Grie-

che, Regenumhang, braune Sackhose,

Baskenmütze, klagt über Hals- und

Ohrenschmerzen. Er erzählt nicht nur

von seinen Beschwerden, sondern auch

davon, wie er nachts immer wieder

von Schlafstätten vertrieben wird. Mit

einem Antibiotikum – „einmal morgens,

einmal abends, bis sie zu Ende sind“,

so Dr. Beutner eindringlich, sowie

Schmerz- und Lutschtabletten verlässt

Herr O. dankbar den Bus. Ob er noch

eine Decke braucht? „Ja, danke.“ Das

Wort „Danke“ fällt oft und Dankbarkeit

lässt sich auch an den Gesichtern der

Patienten ablesen.

Frau B. steht nun an der Bustür und

fragt: „Kann ich eine Salbe gegen Rheu-

ma haben?“ Frater Karl fragt zurück:

„Haben Sie eine Versichertenkarte

dabei?“ „Nein.“ Die Salbe bekommt sie

trotzdem. Der nächste möchte nur eine

Decke haben. Wie es ihm gehe, wird

er noch gefragt: „Gestern super, heute

schwach“, lautet die Antwort.

EIN BETT FÜR HERRN S.

Und dann kommt Herr S. zum Behand-

lungsbus. „Ja, wie sehen Sie denn aus?

Was ist passiert?“, wollen Arzt und

Pfl eger wissen, die den Patienten schon

länger kennen. Herr S., ein älterer, ge-

sprächiger Herr mit rheinischem Akzent,

trägt einen Verband über dem linken

Auge, blutige Verkrustungen sind auch

daneben zu sehen. Die Blutspuren auf

dem hellgrauen Pullover zeugen davon,

dass er schwer verletzt worden ist, auch

ein Zahn wurde ausgeschlagen. Eine

„alte Rechnung“ habe da jemand letzte

Nacht beglichen, berichtet S., der Kon-

trahent habe ihm ein Bein gestellt und

sei dann voll in das Gesicht des am Bo-

den Liegenden getreten. Die Verletzung

wurde an der Uniklinik versorgt. Wenn

er „schwarzen Schnee“ sehe, solle er

wiederkommen, wurde Herrn S. gesagt.

Aber Dr. Beutner ist alarmiert: „Ich

Foto Seite 6 oben: Dr. Thomas Beutner in der Straßenambulanz im Gespräch mit ei-

nem Patienten. Unten: der „Parkplatz“ des Behandlungsbusses an der PIlgersheimer

Straße. Foto Seite 7: Vor dem Start reinigt Frater Karl das Fahrzeug.

8

MISERICORDIA 9/17

schreibe Ihnen noch mal einen Einwei-

sungsschein, es könnte sein, dass das

Nasenbein und der knöcherne Boden

der linken Augenhöhle gebrochen sind.

Da sollte ein CT gemacht werden.“ Er

wird morgen früh mit den Kollegen in

der Klinik sprechen.

Er sei „multimalad“, beschreibt Herr S.

seinen Zustand mit vielen Beschwerden,

die nicht nur von der brutalen Attacke

herrühren. Durchfall habe er auch noch.

Einen Schlafplatz für heute Nacht? Hat

er noch nicht. Ihn so auf die Straße

entlassen? Dr. Beutner meint, in der

Unterkunft an der Pilgersheimer Straße

gebe es noch ein Bett in einem Kran-

kenzimmer. Ein Anruf ergibt: Herr S. hat

noch bis Ende Mai Hausverbot. Nach

einigem Hin und Her und einem Anruf

bei der Leitung des Hauses bekommt

der Patient dann doch ein Bett für eine

Nacht. Die Straßenambulanz wird ihn

am Ende der Tour dorthin mitnehmen.

„HABEN SIE EINE SALBE?“

Zuerst aber geht die Fahrt noch zur

Hauptfeuerwache. Es ist nun schon bald

22 Uhr. Ans Busfenster kommt Frau L.:

„Haben Sie Salbe gegen Gelenkschmer-

zen?“, will sie wissen. „Aber Sie haben

doch erst am Freitag ein Schmerzgel

bekommen“, erinnert sie Frater Karl.

Frau L. jammert: Wie teuer alles ist! Und

viele Medikamente muss man selbst

zahlen! Dann zieht sie ab. Schließlich

trifft auch Herr S. ein und gemeinsam

mit ihm tritt das Team der Straßenam-

bulanz die Rückfahrt an. Mit einem Zwi-

schenstopp: Vor dem Kirchenportal von

St. Maximilian an der Isar sollen zur Zeit

Obdachlose übernachten. Tatsächlich

fi nden sich drei friedlich schlummernde

Menschen in Schlafsäcken. Im Moment

also kein Handlungsbedarf.

Zurück in der Pilgersheimer Straße.

Patientendatei, Akku für die Behand-

lungsliege, Thermoskanne mit Tee und

einige andere Dinge trägt Frater Karl

wieder in die Arztpraxis. Arzt und Pfl e-

ger bringen noch Statistik und Doku-

mentation auf den neuesten Stand. Das

Auto wird dann vor der nächsten Fahrt

am Mittwoch wieder gründlich gereinigt,

so wie Frater Karl das auch heute vor

dem Start getan hat. Dann ist Bernd

Gollwitzer an der Reihe; zum Team der

Krankenpfl eger gehören außerdem noch

Ulf Friesl, Richard Haschke und Birgit

Kiask. An drei Abenden in der Woche ist

die Straßenambulanz in München unter-

wegs: Montag, Mittwoch und Freitag.

Kurz vor halb elf. Ein Becher Tee zum

Abschluss, dann geht es nach Hause.

Immerhin: Der Regen hat jetzt aufge-

hört, das macht die Nacht angenehmer

für die, die draußen schlafen.

Johann Singhartinger

Pfl eger und Arzt bilden ein Team: Frater Karl Wiench (links) und Dr. Thomas Beutner

Papst geißelt „unverschämten Reichtum“(KNA) Papst Franziskus hat den Gegen-

satz zwischen einem „unverschämten

Reichtum“ und einer Ausbreitung der

Armut in weiten Teilen der Welt ange-

prangert. „Angesichts dieser Entwick-

lung ist es unmöglich, untätig zu bleiben

oder gar aufzugeben“, heißt es in seiner

Botschaft zum „Welttag der Armen“,

der erstmals am 19. November 2017

begangen wird.

Der Papst mahnt eine neue „Haltung

des Teilens“ an; sie müsse zum Le-

bensstil werden. Katholiken rief er auf,

konkret auf Arme in ihrer Nachbarschaft

zuzugehen und in der Woche vor dem

Aktionstag in den Pfarreien Begegnun-

gen zu veranstalten. Der Aktionstag

wolle die Menschen anspornen, „der

Wegwerfkultur und dem Überfl uss eine

wahre Kultur der Begegnung entgegen-

zustellen“.

Der „Welttag der Armen“ steht unter

dem Motto „Liebt nicht mit Worten,

sondern mit Taten“. Armut sei eine

„Einladung, aus unserer Sicherheit und

Bequemlichkeit auszubrechen“, so der

Papst. So entstehe eine „Herzenshal-

tung, die verhindert, dass wir Geld,

Karriere und Luxus als Lebensziel und

Grundvoraussetzungen des Glücks

betrachten“.

„Die Armut hat das Gesicht von Frauen,

Männern und Kindern, die aus nieder-

trächtigen Interessen ausgebeutet wer-

den, niedergetrampelt von der perver-

sen Logik der Macht und des Geldes“,

schreibt Franziskus. Er nennt Armut „die

Frucht sozialer Ungerechtigkeit sowie

moralischen Elends, der Habgier von

wenigen und einer allgemein verbreite-

ten Gleichgültigkeit“.

MISERICORDIA 9/17

9

MISERICORDIA 9/17

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

Hilfe vor OrtWarum die Stadt München sich um die Gesundheit

obdachloser Menschen sorgt

Wie gut ist es, wenn man krank ist und

sich im eigenen Bett auskurieren, und

– falls keine Besserung eintritt – die

Hausärztin oder den Hausarzt aufsu-

chen kann. Wie schlimm muss es sein,

krank zu sein und keinen Rückzugsort

zu haben?

Auch Menschen, die durch das reguläre

Gesundheitssystem fallen, brauchen

eine Möglichkeit, sich untersuchen

und behandeln zu lassen. Es ist leicht

nachvollziehbar, dass Menschen, die

das ganze Jahr oder je nach Jahreszeit

auf der Straße leben, häufi g mit einer

schlechten gesundheitlichen Allgemein-

verfassung kämpfen: Seien es Erfrie-

rungen oder Atemwegserkrankungen

in den kalten Monaten, Verletzungen,

Hauterkrankungen, die langfristigen

Folgen von schlechter Ernährung und

Suchtmittelmissbrauch oder psychische

Probleme.

Wohnungslose Menschen, die eine

Krankenversicherung haben, können

das Regelangebot nutzen; allerdings

haben viele große Hemmungen, regu-

läre Arztpraxen aufzusuchen – sei es

aus Scham oder weil sie dort schlechte

Erfahrungen gemacht haben.

Aus diesem Grund wurde 1987 die

Praxis im Haus an der Pilgersheimer

Straße in Trägerschaft des Katholischen

Männerfürsorgevereins gegründet und

von Anfang an von der Stadt fi nanziell

unterstützt. Derzeit beträgt der jähr-

liche Zuschuss 350 000 Euro. Diese

allgemeinmedizinische Praxis ist eine

wichtige Anlaufstelle für Wohnungslose

aus dem gesamten Münchner Stadt-

gebiet. Dort werden – wie auch in der

Arztpraxis von St. Bonifaz in der Nähe

des Hauptbahnhofs – auch Menschen

ohne Krankenversicherung behandelt.

Extra für Frauen gibt es darüber hinaus

eine wöchentliche Sprechstunde im

Frauenobdach „Karla 51“.

Weil viele Menschen „auf der Straße“

nicht von sich aus ärztlichen Rat su-

chen, bietet die Straßenambulanz Hilfe

vor Ort an und fährt dreimal pro Woche

zu Treffpunkten von Obdachlosen.

Mein besonderer Dank gilt den Men-

schen, die sich für Wohnungslose und

ihre Gesundheit engagieren!

Christine Strobl

3. Bürgermeisterin

Landeshauptstadt München

Viel haben große Hem-

mungen, reguläre Arzt-

praxen aufzusuchen – sei

es aus Scham oder weil

sie dort schlechte Erfah-

rungen gemacht haben ...

Mein besonderer Dank gilt

den Menschen, die sich

für Wohungslose und ihre

Gesundheit engagieren.

10

MISERICORDIA 9/17

10 SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

Für „Normalbürger“ schwer vorstellbarÜber die Anfänge von Arztpraxis und Straßenambulanz

Am Anfang war da ein kahler Raum, ein

alter Küchentisch, ein alter Küchenstuhl

und eine Personenwaage, die ihre bes-

ten Tage auch schon hinter sich hatte.

Das war die Ausstattung der „Arztpra-

xis“ im Städtischen Unterkunftsheim an

der Pilgersheimer Straße 11 für obdach-

lose Männer. Ein besonders engagierter

Arzt aus einer nahe gelegenen Praxis

versuchte einmal in der Woche für etwa

eine Stunde Sprechstunden anzubieten.

Die Männer waren in 18-Bett-Zimmern

in Stockbetten untergebracht. Jeder der

400 Schlafgäste musste einen blauen

Arbeitsanzug sowie Filzpantoffeln an-

ziehen und seine Kleidung und Schuhe

an einen eisernen Kleiderhaken hängen.

Die Kleidung hing dicht beieinander

im Keller; Kleider- und Filzläuse waren

keine seltenen Gäste. Es gab in den

Zimmern weder Tisch noch Stuhl. Die

Fenster konnten nur einen Spalt breit

geöffnet werden, weil die Stockbetten

davor standen. Der Geruch im gesam-

ten Haus war entsprechend.

Von welchem Jahrhundert wir hier

sprechen? Ich habe das Haus Ende der

70er Jahre zum ersten Mal besucht. Der

Zustand blieb im Prinzip bis 1983, als

die Sanierung und Umgestaltung des

Hauses begann und 1985 beendet war.

1986/87 konnte auch die Arztpraxis

eingerichtet und eine Ärztin – Lucretia

Hirsenkorn – gefunden werden. Ein

Abenteuer, weil keinerlei Rahmenbe-

dingungen geklärt waren. Persönliches

Vertrauen zueinander und der unbeding-

te Wille, etwas Ordentliches zu Wege

zu bringen, bildeten offenkundig die

Grundlage für den Aufbau der ersten

freien niedergelassenen Obdachlosen-

praxis in Deutschland.

Die durchschnittliche Behandlungsdau-

er je Patient beträgt in einer Obdachlo-

seneinrichtung ein Mehrfaches von der

in einer „Normalpraxis“. Zum Teil, weil

man es oft mit psychisch Kranken und

Suchtkranken zu tun hat, die man von

der Notwendigkeit einer Behandlung

erst überzeugen muss. Zum Teil, weil

man nicht einfach einen Verband zum

Wechseln mitgeben kann, sondern dies

selbst in der Praxis tun muss. Fuß-

bäder, Inhalationen und viele andere

Behandlungen müssen mangels eigener

Wohnung ebenfalls in der Praxis durch-

geführt werden.

DRASTISCHE BEFUNDE

Durch die Erfahrungen in der Arztpra-

xis wurde immer deutlicher, dass die

etwa 600 in München auf der Straße

lebenden Obdachlosen nur sporadisch,

vielfach auch gar nicht – und häufi g zu

spät – erreicht wurden. Es wurden in

der Obdachlosenpraxis katastrophale

Befunde festgestellt, die in „normalen“

Arztpraxen überhaupt nicht vorkommen.

Mit der Zeit bildete sich der Gedanke

an die Notwendigkeit einer Straßenam-

bulanz als aufsuchende ärztliche Hilfe

drängender heraus. Wie wichtig – und

für manchen lebensrettend – die Ein-

richtung dieser Straßenambulanz war,

zeigen auch die zum Teil noch drasti-

scheren Befunde als in der Obdachlo-

senpraxis. Es ist für den Normalbürger

schwer vorstellbar, dass Menschen mit

großen faulenden Wunden, in denen

sich Fliegen- und Mückenmaden

durchwühlen, von sich aus keinen Arzt

aufsuchen können oder wollen.

Gerald Winkler, ehemaliger Fachreferent

beim Katholischen Männerfürsorgeverein

Die Straßenambulanz startete 1997 als „ObdachlosenMobil“ mit (von links) Dr. Susan-

nes Strowitzki, Frater Andreas Schüpferling und Dr. Barbara Peters-Steinwachs

11

MISERICORDIA 9/17

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

Neun Patienten am ersten AbendDr. Barbara Peters-Steinwachs

blickt zurück auf 20 Jahre Münchner

Straßenambulanz und ihre Tätigkeit in der

Arztpraxis für wohnungslose Menschen

Dr. Barbara Peters-Steinwachs mit dem Barmherzigen

Bruder und Krankenpfl eger Richard Binder, der zeitweise in der

Münchner Straßenambulanz mitarbeitete

Als ich meine Tätigkeit in der Arztpra-

xis am 1. April 1996 begann, war die

Praxis bereits seit etwa zehn Jahren ein

fester Bestandteil des Hilfeangebotes

im Haus an der Pilgersheimer Straße.

Die medizinische Versorgung erreichte

aber fast ausschließlich die Bewohner

des Unterkunftsheimes. Um auch den

damals schätzungsweise 600 Menschen

ohne Obdach auf Münchens Straßen

ein medizinisches Angebot machen zu

können, entstand die Idee, eine aufsu-

chende medizinische Straßenarbeit zu

begründen, wie sie auch schon in ande-

ren deutschen Großstädten existierte.

SPENDENMITTEL DES

SZ-ADVENTSKALENDERS

Anfang 1997 war es dann soweit: Das

Münchner ObdachlosenMobil war aus

Spendenmitteln des Adventskalenders

der Süddeutschen Zeitung angeschafft

und ausgestattet worden. Unvergessen

der erste Einsatz am 9. Februar 1997:

neun obdachlose Menschen probierten

das neue Angebot aus. Es blieb nicht

bei diesen neun Patienten, und so

waren unsere drei Abende pro Woche

zum Teil bis weit nach Mitternacht mit

der Versorgung von Menschen auf der

Straße ausgefüllt. Ein Ziel der aufsu-

chenden Arbeit war und ist die Rein-

tegration in bestehende Hilfesysteme.

Deshalb haben wir stets versucht, den

Menschen das Angebot der Unterkunft

im Städtischen Unterkunftsheim zu

machen sowie der weiteren ärztlichen

Versorgung in der Arztpraxis. Beides ist

in vielen Fällen gelungen.

Im Februar 1999 übernahm ich von

Dr. Susanne Strowitzki die kassenärztli-

che Praxis und das ObdachlosenMobil

und führte sie allein bis zum 30. Sep-

tember 2016 weiter.

BEFREIUNG VON DER

PRAXISGEBÜHR

Das im Januar 2004 in Kraft getretene

Gesundheitsmodernisierungsgesetz

brachte mit Praxisgebühr und vermehr-

ten Zuzahlungen große Probleme, da

viele Patienten wegen der befürchteten

fi nanziellen Belastungen die Behand-

lung abbrachen oder gar nicht erst zum

Arzt gingen. Nach meinen Gesprächen

mit der Kassenärztlichen Vereinigung

Bayerns wurden Praxen, die Wohnungs-

lose versorgten, von der Erhebung der

Praxisgebühr befreit.

Mit steigender Akzeptanz des me-

dizinischen Angebotes wurden die

Praxisräume deutlich zu klein. Da ein

Erweiterungsbau des Unterkunftsheims

notwendig wurde, konnten im Erdge-

schoss des Neubaus neue und größere

Praxisräume eingeplant werden. Bei der

MISERICORDIA 9/17

1212 SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

Planung der Raumgestaltung konnte ich

meine Ideen einbringen und die Einrich-

tung der Praxis mitbestimmen. Im Som-

mer 2005 konnten wir unsere Arbeit in

der neuen Praxis fortsetzen, die doppelt

so viel Platz bietet.

AUS „OBDACHLOSENMOBIL“ WIRD

„STRASSENAMBULANZ“

Das ObdachlosenMobil wurde, da es

uns passender erschien, nach einigen

Jahren umbenannt in „Münchner Stra-

ßenambulanz“. Anfang 2012 konnten

wir ein neues Fahrzeug in Betrieb neh-

men, mit besserer Ausstattung und vor

allem besserer Heizung, komplett aus

Spendengeldern sowie einer zweckge-

bundenen Erbschaft fi nanziert.

Die große Gruppe der wohnungslosen

und in Armut lebenden Menschen hat

sich stark gewandelt durch Zuwande-

rung aus den neuen EU-Ländern und

durch die Migration aus Drittstaaten.

Das brachte und bringt für die me-

dizinische Versorgung zunehmende

Herausforderungen mit sich im Blick auf

Sprachbarrieren und die Notwendigkeit

interkultureller Kompetenz. Gerade die

zunehmende Verelendung der bedürf-

tigen EU-Bürger, nicht zuletzt durch

rigidere Gesetze, verlangt engagierten

Einsatz.

Im Fokus aller Arbeit stand immer die

bestmögliche medizinische und pfl egeri-

sche Versorgung der Menschen, die uns

ihr Vertrauen schenkten, unter Berück-

sichtigung der individuellen Lebenslage

und der Fähigkeiten, Hilfeangebote

zu akzeptieren und umzusetzen. Dazu

brauchte es viel Zeit, Geduld, Vernet-

zung mit Fachkräften der Sozialarbeit in

den Einrichtungen der Wohnungslosen-

hilfe und als wichtigstes Element gute,

verlässliche Teamarbeit. Die war sowohl

in der Praxis als auch in der Straßenam-

bulanz gegeben. Dafür bin ich dankbar.

Dr. Barbara Peters-Steinwachs

Die Ärztin in ihrer Praxis (Foto oben) und

bei ihrer Verabschiedung mit Provinzial

Frater Benedikt Hau im Oktober 2016

13

MISERICORDIA 9/17

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

Zuhören und sich einfühlen Mein erstes halbes Jahr als Ärztin in Wohnungslosenpraxis und Straßenambulanz

Vor einem halben Jahr habe ich im

Münchner Ärzteblatt ein Interview mit

Dr. Barbara Peter-Steinwachs gelesen

und war sehr beeindruckt von ihrer Ar-

beit in der Arztpraxis für Wohnungslose

und in der Straßenambulanz. Spontan

schrieb ich noch am selben Tag eine

Bewerbung an den Katholischen Män-

nerfürsorgeverein. Vorstellungsgespräch

und eine erste Hospitation folgten. Mich

beeindruckte der sichtbar vertraute,

individuelle Umgang mit den Patienten

in der Praxis, so dass ich schon in den

paar Stunden Einblicke in Persönlich-

keiten und Lebensumstände bekam.

Die Neugier und das Interesse an den

Menschen, den teils unkonventionellen

Charakteren und den Ursachen für ihre

aktuelle Situation gaben dann für mich

innerlich den Ausschlag.

Nach den ersten Monaten kann ich

sagen: Die Arbeit macht mir sehr viel

Freude. Ich mag den Kontakt zu den

Menschen. Alle Fragen nach dem all-

gemeinen Sinn rutschen in den Hinter-

grund, wenn man die einzelnen extrem

unterschiedlichen Personen kennen-

und schätzen lernt. Vielleicht eint die

Patienten unserer Praxis nur, dass sie

Menschen brauchen, die individueller

und mit mehr Zeit auf sie zugehen. Da-

für haben wir zum Glück in Praxis und

Straßenambulanz ein gut motiviertes

Team und auch die Unterstützung von

Sozialarbeitern.

Viele Begegnungen haben sich schon

in dem ersten halben Jahr eingeprägt.

Herr H. zum Beispiel konnte seit einigen

Wochen nicht mehr gehen, als wir gebe-

ten wurden, bei ihm vorbeizuschauen.

Ich lernte ihn als einen sehr netten,

höfl ichen, differenziert denkenden, aber

auch sehr eigenwilligen Menschen ken-

nen. Er war gestürzt und hatte seitdem

starke Schmerzen, weigerte sich aber

trotz allen Zuredens ins Krankenhaus zu

gehen. Er habe sich für seine Lebens-

führung selber entschieden. Wenige

Tage später wurde er doch ins Kran-

kenhaus eingeliefert. Seine Schmerzen

besserten sich deutlich, aber viele ge-

sundheitliche Probleme blieben beste-

hen. Dennoch kann er sich, jetzt wieder

auf der Straße lebend, bisher nicht

durchringen, eine Wohnung anzuneh-

men oder anderweitige soziale Hilfe. Ein

anderer Patient verwickelte mich nahe

am Königsplatz, neben einem Konzert

und Studentenfest, in eine Diskussion

über Haben und Sein. Solche Gesprä-

che bekommt man nicht aus dem Kopf,

wenn man in sein bequemes Zuhause

zurückkehrt.

Lernen muss ich auch, mit dem Gefühl

der Hilfl osigkeit umzugehen, wenn sich

soziale Situationen nicht oder nicht

schnell verbessern lassen. Dabei stellt

die medizinische Versorgung das kleinere

Problem dar. Fordernder ist es, sich die

Nöte anzuhören, sich einzufühlen, auch

wenn oder weil wir aktuell keine große

Hilfe oder Lösung anbieten können. Und

gerade dafür, habe ich den Eindruck,

sind die Menschen am dankbarsten.

Dr. Angelika Eisenried

Von Frater Karl „angesteckt“Krankenschwester Birgit Kiask über ihren Einsatz bei der Straßenambulanz

Ich arbeite als Stationsleitung eines

Teams auf der Palliativstation St. Jo-

hannes von Gott im Münchner Kran-

kenhaus Barmherzige Brüder. Ganz

sicher bin ich mir nicht, aber ich habe

das untrügliche Gefühl, dass ich von

Frater Karl „angesteckt“ wurde. Fra-

ter Karl ist ein Arbeitskollege von mir

und er ist ein großartiger, einfühlsamer

Krankenpfl eger und ein begeisterter

Straßenambulanz-Fahrer. Je länger ich

mit ihm zusammenarbeitete und er mir

dabei von der Arbeit auf der Straße

erzählte, umso neugieriger wurde ich,

was seine nächtlichen Fahrten zu woh-

nungslosen Mitmenschen betrifft. Sein

unermüdliches Engagement wirkte auf

mich ansteckend. Es begann in mir ein

Interesse an dieser Arbeit zu wachsen

und ich bat darum, mitfahren zu dürfen.

Die Hilfsangebote sind direkt, unbü-

rokratisch und stellen für mich einen

perfekten Kontrast zu meiner Tätigkeit

im Krankenhausalltag dar. Obdachlosen

Mitmenschen vorbehaltlos medizinische

und pfl egerische Hilfe zukommen zu

lassen, das ist meine Motivation. Nicht

wegschauen, nicht bewerten sondern

helfen, ist meine Devise. Denn: „Ge-

sundheit ist ein Menschenrecht“.

14

MISERICORDIA 9/17

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

Menschen bei ihrem Namen nennenFrater Karl Wiench über seinen Einsatz bei der Münchner Straßenambulanz

Ins Rollen kam das Projekt der Münch-

ner Straßenambulanz bei der Feier des

500. Geburtstags von Johannes von

Gott, des Ordensgründers der Barm-

herzigen Brüder. Aus diesem Anlass

suchten die Brüder 1995 nach einem

„Geschenk“, einem Zeichen in unserer

Zeit, das dem Gründer gefallen würde.

Er selbst hatte die Kranken und Hilfsbe-

dürftigen von der Straße aufgesammelt

und sie auf seine Schultern geladen,

um sie in seine Herberge, später in sein

Krankenhaus zu bringen. Die Stra-

ßenambulanz tut dies mit den Mitteln,

die uns gegenwärtig zur Verfügung

stehen: einem Krankenwagen, Ärzten

und Krankenpfl egern, aktueller Medizin

und viel Engagement.

Als ich Ende 1996 in den Orden der

Barmherzigen Brüder eintrat, war das

Projekt gerade in der Konkretisierung

und viele Fragen waren zu klären.

Welches Fahrzeug ist geeignet? Welche

Ausstattung ist sinnvoll? Wo soll die

Ambulanz hinfahren? Wie erfahren die

Wohnungslosen davon? Mir lag die

Vorstellung, da mitzumachen, sehr fern

und es beschäftigte mich lange, warum

ich nicht mitmachen wollte.

„ERLEBNIS, DAS MICH KOMPLETT

UMGEDREHT HAT“

Zwei Jahre später, ich war zu einem

Praktikum wieder in München, bekam

ich die Einladung, mit der Straßenambu-

lanz mitzufahren. Da brachen zuerst alle

Bedenken und Vorurteile, die ich hatte,

über mich herein und dann, während

der Fahrt und den konkreten Begeg-

nungen, in sich zusammen. Seit diesem

Erlebnis, das mich komplett umgedreht

hat, schlägt mein Herz anders. Im

Erkennen, dass die Menschen auf der

Straße in ihrer Notlage nichts Anderes

sind oder fühlen als ich selbst, hat sich

mir ein Wort Jesu ganz neu erschlossen

Am Beispiel des barmherzigen Samari-

ters fragt Jesus am Ende: „Was meinst

du: Wer … hat sich als der Nächste

dessen erwiesen, der von den Räubern

überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer

antwortete: Der, der barmherzig an ihm

gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm:

Dann geh und handle genauso!“ (Lk

10,36-37)

Es ist die Begegnung auf Augenhöhe,

der Anblick, wie ich dem jetzt gerade

Nächsten gegenübertrete. Ich schaue

den Menschen an, sehe seine Not und

sein Anliegen. Aber da ist noch mehr:

Jeder ist einzigartig, jeder hat seine

eigene Geschichte, etwas, das ihn

ausmacht und nur ihn ausmacht. Und

dahinter ist der, der ihm Leben gibt, der

ihm zusagt: Du bist mein geliebtes Kind,

ich habe deinen Namen in meine Hand

geschrieben. Sehen kann ich nur den

Menschen, tun nur das, was mir gege-

ben ist, aber grenzenlos schenken kann

ich ihm den Blick und das Ansehen: Du

bist wertvoll!

Es ist neben vielen anderen Dingen bei

uns die Regel, dass wir die Menschen,

die zu uns kommen, mit ihrem Namen

ansprechen. Das ist für die meisten

unserer Patienten das einzige Mal am

Tag, in der Woche oder seit sehr langer

Zeit, dass sie respektvoll mit Namen

angesprochen werden. Auch dadurch

bekommt die Behandlung eine persön-

liche Note, eine Hilfe, die anders wirkt

als die Medizin, eine Tiefe, die einen

Hinweis gibt auf das Mehr, das jeden

Menschen ausmacht.

SELBST BESCHENKT

Schenkend und selbst noch mehr be-

schenkt gehe ich jetzt seit nunmehr 14

Jahren jede Woche in diesen Dienst am

Nächsten. Kürzlich kam während unse-

rer Behandlungstour eine Frau zu uns,

der wir vor fast zehn Jahren geholfen

haben und die inzwischen in geordne-

ten Bahnen lebt. Sie brachte uns aus

Dankbarkeit eine Decke als Gabe für

jemanden, der sie brauchen kann. Das

war so ein Moment, in dem mir ganz

klar wurde: Jetzt bin ich ihr Nächster

geworden. Mit dieser Freude geht unser

Geschenk an den heiligen Johannes von

Gott ins dritte Jahrzehnt.

Frater Karl mit einem Patienten in der Straßenambulanz (2007)

15

MISERICORDIA 9/17

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

„Weil die Arbeit getan werden muss“Richard Haschke über seinen Einsatz bei der Münchner Straßenambulanz

Vor unglaublichen 20 Jahren kam die

damalige Pfl egedirektorin des Münchner

Krankenhauses Barmherzige Brüder,

Katharina Regler, in Begleitung des

heutigen Provinzials Frater Benedikt

Hau zu mir. Sie suchten Unterstützung

im neuen Projekt der aufsuchenden

Hilfe, dem „ObdachlosenMobil“. Ich

sagte einen Schnupperabend mit Frater

Andreas Schüpferling zu, der als erster

Krankenpfl eger der Barmherzigen

Brüder im Einsatz war. Seither fahre

ich ununterbrochen mit. Anfangs jeden

Montag, seit meinem Ausscheiden aus

der Klinik noch als Aushilfe etwa einmal

im Monat.

Für mich stand die Mitarbeit nie in

Frage. Auch wegen der intensiven

Anfangsjahre, als wir tatsächlich nur

ein Kernteam aus drei Personen waren.

Die neue Erfahrung auf der Straße mit

wirklich außergewöhnlichen Krankheits-

bildern und sehr langen Abenden, die

oft in der Dusche des Krankenzimmers

der „Pille“ (Unterkunftsheim in der Pil-

gersheimer Straße) endeten, schweißten

zusammen. Maden in „offenen Beinen“

oder Läuse in unglaublichen Größen

auf Mensch und Kleidung waren mir

trotz der Arbeit in der Nothilfe neu. Dass

jemand ein Leben auf der Straße einem

Dach über dem Kopf vorzieht, mussten

wir erst lernen zu verstehen.

„AM ENDE IMMER EIN GUTES GEFÜHL“

„Weil die Arbeit getan werden muss“,

war die Standardantwort unserer Ärztin

Dr. Peters- Steinwachs auf die Frage:

Warum tun Sie das? Und es ist tatsäch-

lich die beste Antwort. Auch wenn ich

mich an manchen Abenden aufraffen

muss, ist es am Ende der Fahrt immer

noch ein gutes Gefühl, was Richtiges

getan zu haben. Aus den vielen Mit-

fahrten von Journalisten ist mir die

Aufzeichnung von „Willi will’s wissen“

2004 am meisten in Erinnerung geblie-

ben („Was ist ohne Obdach los?“). Da

Willi Weitzel automatisch alle mit „Du“

anspricht, fand er es an der Zeit, sich

auch endlich im Team zu duzen. Und so

war es dann auch.

Waren es am Anfang hauptsächlich

ältere deutschsprachige Patienten mit

Hautproblemen, chronischen Wunden,

Ungezieferbefall, festen Schlafplätzen,

Bedarf an manchmal komplett neuer

Kleidung, die – zum Teil über Jahre –

behandelt wurden, sind es jetzt jüngere

osteuropäische Patienten mit eher inter-

nistischem Formenkreis und Schmerzen

an unterschiedlichsten Regionen, die

man oft nur einmal zu Gesicht bekommt.

Die Fahrten als Krankentransport in ein

Krankenhaus oder ins „Krankenzimmer“

der Pille sind selten geworden.

„Willi will‘s wissen“: journalistischer Besuch – Willi Weitzel, rechts – bei Dr. Barbara Peters Steinwachs und Krankenpfl eger Richard

Haschke im Behandlungsbus (2004)

16

MISERICORDIA 9/17

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

„Da können sich gut Situierte

eine Scheibe abschneiden“Bernd Gollwitzer über seinen Einsatz bei der Münchner Straßenambulanz

Bernd Gollwitzer im winterlichen Einsatz

(2004)

Leider vergesse ich oft, wie gut es

mir geht. Außer Mittwochabend nach

meinem Dienst in der Straßenambulanz.

Dort erlebe ich Menschen, die wenig

vom Leben haben. Die es nicht stört,

dass die Haare wie nach einem Orkan

aussehen, das Gesicht an den Nikolaus

erinnert und die Hände wie Reibeisen

sind.

Obdachlosigkeit entwickelt sich häufi g

nach einem Schema: Der Betroffene

verliert seine Arbeit, dann seinen Part-

ner, anschließend fällt er in die Suchter-

krankung, verliert seine Wohnung und

landet letztendlich auf der Straße. Kei-

ner ist dagegen geschützt. Einmal dort

gelandet wird es extrem schwer, wieder

in das soziale Netz zurückzukehren.

BESCHEIDENHEIT FASZINIERT

Doch die Bescheidenheit dieser Men-

schen fasziniert mich. Da reicht eine

einfache Papierdecke, um auf dem

harten Boden etwas weicher zu liegen,

etwas Schmerzmittel, um den Schmerz

der verfaulten Zähne ein wenig zu

dämpfen, oder eine Semmel, die schon

auf der Straße lag und trotzdem noch

schmeckt. Es gibt auch lustige Momen-

te, bei denen wir vor Lachen fast nicht

mehr behandeln können. Manchmal gibt

es kleine Geschenke, die für mich einen

sehr hohen Wert haben.

Der Großteil unserer Patienten kommt

aus dem Ausland. Mir zeigt das, wie viel

Glück ich habe, in Deutschland gebo-

ren zu sein. Die Zustände in manchen

osteuropäischen Ländern sind zum Teil

so erbärmlich, dass die Leute lieber das

Leben auf der Straße bei uns vorziehen.

VIEL VON DER ÄRZTIN GELERNT

Dr. Barbara Peters Steinwachs hat die

Straßenambulanz geprägt. Ihr ist es

zu verdanken, dass viele Obdachlose

wieder ein würdevolles Leben haben

oder es sogar aus der Obdachlosigkeit

schafften. Von ihr habe ich sehr viel ge-

lernt und wir haben auf unseren Fahrten

große Herausforderungen gemeistert.

Manchmal dauerte der Einsatz auch bis

Mitternacht, sodass ich meinen letzten

Zug nach Hause verpasst habe und in

München bleiben musste. Die medizi-

nische Versorgung, die es jetzt seit 20

Jahren gibt, ist zu einem unentbehrli-

chen Bestandteil der Münchner Woh-

nungslosenhilfe geworden.

Seit über 13 Jahren betreue ich jetzt

Obdachlose und diese Zeit hat mich

enorm geprägt. Anfangs konnte ich

das Erlebte kaum verarbeiten. Es war

für mich unbegreifl ich, dass Menschen

unter solchen Umständen leben. Von

den obdachlosen Menschen habe ich

sehr viel lernen können und auch viele

gut Situierte könnten sich manchmal

eine Scheibe von ihnen abschneiden:

Reichtum und Wohlstand müssen nicht

das große Ziel im Leben sein, eine Porti-

on Bescheidenheit tut es genauso. Und

ohne die Unterstützung meiner Frau

würde ich diese Arbeit in dieser Form

gar nicht machen können. Dafür bin ich

ihr sehr dankbar.

Es gibt auch lustige Momente, bei denen wir vor Lachen fast nicht mehr behan-

deln können. Manchmal gibt es kleine Geschenke, die für mich einen sehr hohen

Wert haben.

17

MISERICORDIA 9/17

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

VerbandswechselUlf Friesl über seinen Einsatz bei der Münchner Straßenambulanz

Man steht mit dem Auto an der letzten

Station, hat den vermeintlich letzten Pa-

tienten versorgt und freut sich innerlich

schon auf den Feierabend. Wir steigen

also ins Führerhaus und lassen den Mo-

tor an. Da klopft es an die Seitenscheibe

und Herr S. taucht, wie aus dem Nichts,

aus der Dunkelheit auf. Das folgende

Ritual versetzt mich dann immer wieder

in großes Erstaunen.

ERFINDUNGSREICHE KONSTRUKTION

Zunächst sind da die Erklärungen, wa-

rum er so knapp erscheint, dies meist,

während er sich der ersten seiner bis

zu drei Jacken entledigt. Dann, bei der

zweiten bis dritten Jacke, kommt Herr

S. oft auf ein für ihn höchst brisantes

medizinisches Thema, von dem er

kürzlich erfahren hat und das er in aller

Ausführlichkeit von der dritten Jacke bis

zur Strickjacke erörtert. Bis hierhin sind

gefühlte 15 bis 20 Minuten vergangen.

Nun kann man, Herr S. ist thematisch

bei der Tagespolitik angekommen, eine

äußerst erfi ndungsreiche Konstruktion

bewundern. Auf welch komplizierte Art

und Weise man einen Katheterbeutel mit

einem Drahtkleiderbügel an sich und der

Hose befestigen kann, war mir bisher

fremd. Bis da so alles entwirrt und die

Hose, die oft auch mit zwei Gürteln plus

Hosenträgern und dem teilweise darum

geschlungenen Draht des Kleiderbü-

gels gesichert ist, darüber gezogen ist,

dauert es auch seine Zeit.

Der Verbandswechsel dauert dann drei

bis vier Minuten. Übrigens: Herr S. zieht

sich auch wieder an!

Aber diese Originale wurden in den

letzten Jahren immer weniger. Mittler-

weile überwiegt die Zuwanderung aus

den Balkanstaaten, die hoffnungsvoll in

das „reiche“ Deutschland gekommen

sind und hier mangels entsprechender

Ausbildung und Sprachkenntnisse rela-

tiv schnell auf der „Platte“ landen. Das

soziale Netz ist sehr grobmaschig und

wer nur ein paar Schicksalsschläge zu

viel mit sich herumträgt, fällt durch.

Das größte Problem für uns ist ohne

Zweifel die Sprachbarriere. Oft sit-

zen die Patienten uns gegenüber und

deuten nur auf den Hals, die Zähne

oder den Kopf, um bei den leichteren

Symptomen zu bleiben. Wir wissen

nicht, ob eine Dosierungsempfehlung

für ein Medikament verstanden wird.

Oft habe ich auch beobachtet, dass der

Patient dann draußen von einer Gruppe

Leidensgenossen erwartet wird und die

eigentlich für ihn bestimmtem Medika-

mente werden untereinander aufgeteilt.

Wo die Originale geblieben sind? Ich

weiß es nicht. Früher waren beispiels-

weise am Rossmarkt 15 bis 20 Bedürfti-

ge. Heute stehen bis zu 40 Leuten dort,

überwiegend aus den Balkanstaaten.

WERT VON OBDACH,

FAMILIE UND GESUNDHEIT

Seit über zwölf Jahren begleite ich die

Münchner Straßenambulanz und in

dieser Zeit hat sich in meiner Motivation

nichts verändert: Jedes Mal auf dem

Heimweg bin ich über das persönlich

Erreichte froh und dankbar. Mir wird be-

wusst, wie wertvoll Obdach, Familie und

Gesundheit sind, aber auch, wie leicht-

fertig man manchmal damit umgeht.

Das soziale Netz ist

sehr grobmaschig und

wer nur ein paar Schick-

salsschläge zu viel mit

sich herumträgt, fällt

durch.

18

MISERICORDIA 9/17

Gruppenbild

mit BusOben: das Team der Straßenambulanz

2017 mit (von links) Dr. Thomas Beut-

ner, Dr. Angelika Eisenried, Frater Karl

Wiench, Birgit Kiask, Richard Haschke,

Bernd Gollwitzer, Ulf Friesl und Provinzi-

al Frater Benedikt Hau

Mitte: Gruppenbild 2007 – zusätzlich mit

Dr. Barbara Peters-Steinwachs (stehend)

und Aushilfs-Ärztin Dr. Anna Schmidt

(sitzend) sowie Krankenpfl eger Joseph

Tomic (rechts)

Unten: Gruppenbild 1998 – hier sind

noch mit auf dem Foto: Krankenpfl eger

Engelbert Heiles (rechts), Sprechstun-

denhilfe Petra Müller (links), Fachreferent

Gerald Winkler (2. von links) und Aushilfe

Rettungsassistent Manfred Leßmann (4.

von links)

18

19

MISERICORDIA 9/17

Herausgeber und Verlagsinhaber:

Barmherzige Brüder

Bayerische Ordensprovinz KdöR

Südliches Schloßrondell 5

80638 München

Postfach 200362, 80003 München

Telefon: 089/1793-100

Telefax: 089/1793-120

[email protected]

www.barmherzige.de

Redaktion:

Frater Eduard Bauer (feb, verantwortlich)

[email protected]

Johann Singhartinger (js)

[email protected]

Kirsten Oberhoff (kio)

[email protected]

Anschrift wie Herausgeber

Fotos: Barmherzige Brüder/Missionssekre-

tariat Rom (19), Martin Bolle (12 oben), BR/

Megaherz-Filmproduktion (15), Wilfried Brune

(5), KMFV/Elisabeth Sarker (12 unten), Frater

Magnus Morhardt (Titel, 13, 17, 18 oben),

Alessandra Schellnegger (4), Johannes

Schießl (10), Johann Singhartinger (6-8, 11,

16, 18 Mitte), Stadt München (9), Simone

Stiedl (3), Michael Westermann (14).

Verlag: Johann von Gott Verlag

Anschrift wie Herausgeber

Bayerische Hypo- und Vereinsbank

Konto Nr. 3 960 071 831

Bankleitzahl 700 202 70

IBAN: DE79 7002 0270 3960 0718 31

BIC: HYVEDEMMXXX

Layout: Johann Singhartinger

Druck: Marquardt

Prinzenweg 11 a, 93047 Regensburg

69. Jahrgang

Erscheint zehn Mal jährlich.

Jahresabonnement: 16,00 Euro

Impressum

SONDERHEFT STRASSENAMBULANZ

Mehr als 400 Patienten

wurden im ersten Halbjahr 2017 in der Arztpraxis für

Wohnungslose in der Pilgersheimer Straße behandelt

und

rund 150 Patienten

in der Münchner Straßenambulanz.

Wohnungslosenhilfe weltweit

Der Orden der Barmherzigen Brüder

setzt sich weltweit für obdachlose

Menschen ein. In Ecuador nehmen sich

die Brüder ganz besonders hilfl oser und

verwahrloster Menschen an, die in der

Altstadt von Quito leben (das Foto oben

zeigt eine Betreute). Bei Missionstagen

der Bayerischen Ordensprovinz im Sep-

tember 2017 wird für die Unterstützung

des Projekts geworben. Bereits 1987

hat der Orden in Quito ein Obdachlo-

senzentrum eröffnet, zehn Jahre später

ein zweites. Täglich fi nden bis zu 350

Personen eine Übernachtungsmöglich-

keit und werden mit Kleidern versorgt,

jährlich werden rund 190 000 Essen

ausgegeben und 1700 physiotherapeuti-

sche Behandlungen durchgeführt.

Auch in Europa gibt es einige große

Projekte des Ordens in der Obdachlo-

senhilfe, so etwa in Barcelona (Spanien),

Brescia (Italien), Marseille (Frankreich)

und London (Großbritannien).

Arztpraxis für Wohnungslose

im Haus an der Pilgersheimer Straße

Dr. Angelika Eisenried / Dr. Thomas Beutner

Pilgersheimer Straße 9-11

81543 München

Telefon 089/62502-40

Katholischer Männerfürsorgeverein München e.V.

Kapuzinerstraße 9 D

80337 München

www.kmfv.de

Krankenhaus Barmherzige Brüder

Romanstraße 93

80639 München

Telefon 089/1797-0

www.barmherzige-muenchen.de

Spendenkonto des Hauses an

der Pilgersheimer Straße des KMFV

Städt. Unterkunftsheim

Hypo Vereinsbank München

IBAN: DE 41 7002 0270 6920 1777 68

BIC: HYVEDEMMXXX

Kennwort: „Gesundheitshilfe für Wohnungslose“