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Das Deutsche Reich und Serbien im Zweiten Weltkrieg (Resumé) Othmar Nikola Haberl, Essen 1. "Ni rat ni pakt" - Vom 25. zum 27. März 1941 Ganz Jugoslawien (und damit eben auch "Serbien", obwohl es ein eigentliches "Serbien" als territorial- politische Einheit im königlichen Jugoslawien der Zwischenkriegszeit nie gegeben hat) ist am orthodoxen Ostersonntag des Jahres 1941 Opfer der deutschen Aggression geworden, in deren Windschatten auch Italien, Ungarn und Bulgarien ihre revisionistischen territorialen Interessen auf Kosten der militärisch hoffnungslos unterlegenen, ehemaligen Balkangroßmacht Jugoslawien wenigstens teilweise realisieren konnten. Dass Jugoslawien (und damit Serbien) freilich so wehrlos Opfer der europäischen Großmacht Deutschland und seiner Nachbarn wurde, liegt an den tragischen politisch-militärischen Implikationen des nicht zuletzt von Großbritannien angezettelten Militärputsches vom 27. März 1941. Denn weder war die infolge ihrer Heterogenität für gesamtjugoslawische (d. h. tendenziell immer noch großserbische) Zielsetzungen kaum einsetzbare und obendrein auch noch schlecht ausgerüstete jugoslawische Armee auf die Abwehr eines überlegenen militärischen Angriffs vorbereitet, noch war der außenpolitische Nutznießer des Militärputsches auch im geringsten imstande, Beistand zu leisten (zumal ihm selbst nicht nur bis zum deutschen Angriff auf die Sowjetunion militärisch das Wasser bis zum Halse stand). So sehr historiographisch der 27. März 1941 vielfach immer noch mythisch stilisiert wird, er gleicht eher einem affekthaften (aber eben erfolgreichen) Selbstmordversuch als einem gezielt eingesetzten politischen Befreiungsschlag mit Eröffnung einer überaus günstigen Überlebensperspektive. Daher kann auch heute, fast 60 Jahre nach dem Teil-Beitritt Jugoslawiens zum Drei-Mächte-Pakt am 25. März 1941, nur noch einmal wiederholt werden, was an anderer Stelle differenzierter begründet werden konnte: Milan Stojadinoviçs Politik des "Ni rat ni pakt" war die zweifelsohne beste Überlebenstaktik in einem von Hitler-Deutschland beherrschten Europa; nach seinem erzwungenen politischen Sturz im Februar 1939 bestand die zweitbeste Lösung in Cvetkoviçs und Cincar-Markoviçs Teil-Beitritt, die schlechteste im scheinbar heldenhaften Selbstmord. Folgerichtig wurde Jugoslawien nach Gutdünken Berlins als Beute aufgeteilt, wobei freilich Deutschland ungeachtet jeglicher Grenzziehung unbedingt und immer auf die Wahrung seiner ökonomischen Interessen achtete. 2. Der 17. April 1941 und seine politische Folge Finis Serbiae In der Literatur wird mit Blick auf die reine Fläche, die der ebenfalls von deutschen Gnaden 1941 geschaffene neue serbische Staat zwischen 1941 und 1944 umfasste, nicht zu Unrecht darauf verwiesen, dass Serbien nunmehr ein Territorium umfasste, das dem Serbien vor den beiden Balkankriegen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ähnelte. Der reine Vergleich der km-Zahlen, der zweifelsohne zutrifft, suggeriert eine falsche These die nämlich, dass Serbien nach wie vor als unabhängiger Staat und als Völkerrechtssubjekt existiert. Oder anders: zwar war Serbien-Jugoslawien territorial geschwächt, vielleicht sogar dezimiert, seine staatliche Existenz aber stand angeblich nicht zur Disposition. Die These muss aber konsequenter und radikaler formuliert werden: da der von deutschen Gnaden geschaffene Staat auch eine von deutschen Gnaden eingesetzte Regierung hatte, war Serbiens-Jugoslawiens politische Unabhängigkeit mit der am 17. April 1941 in Belgrad unterzeichneten "bedingungslosen Kapitulation" zu Grabe getragen. Am 17. April des Jahres 1941 wurde Serbien damit politisch zurückgeworfen ins 18. Jahrhundert, als es kein besonders erwähnenswertes und keineswegs unruheträchtiges Bestandteil des Osmanischen Reiches war. Der 27.

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Das Deutsche Reich und Serbien im Zweiten Weltkrieg

(Resumé)

Othmar Nikola Haberl, Essen

1. "Ni rat ni pakt" - Vom 25. zum 27. März 1941

Ganz Jugoslawien (und damit eben auch "Serbien", obwohl es ein eigentliches "Serbien" als territorial-politische Einheit im königlichen Jugoslawien der Zwischenkriegszeit nie gegeben hat) ist amorthodoxen Ostersonntag des Jahres 1941 Opfer der deutschen Aggression geworden, in derenWindschatten auch Italien, Ungarn und Bulgarien ihre revisionistischen territorialen Interessen aufKosten der militärisch hoffnungslos unterlegenen, ehemaligen Balkangroßmacht Jugoslawienwenigstens teilweise realisieren konnten. Dass Jugoslawien (und damit Serbien) freilich so wehrlosOpfer der europäischen Großmacht Deutschland und seiner Nachbarn wurde, liegt an den tragischenpolitisch-militärischen Implikationen des nicht zuletzt von Großbritannien angezetteltenMilitärputsches vom 27. März 1941. Denn weder war die infolge ihrer Heterogenität fürgesamtjugoslawische (d. h. tendenziell immer noch großserbische) Zielsetzungen kaum einsetzbareund obendrein auch noch schlecht ausgerüstete jugoslawische Armee auf die Abwehr einesüberlegenen militärischen Angriffs vorbereitet, noch war der außenpolitische Nutznießer desMilitärputsches auch im geringsten imstande, Beistand zu leisten (zumal ihm selbst nicht nur bis zumdeutschen Angriff auf die Sowjetunion militärisch das Wasser bis zum Halse stand).

So sehr historiographisch der 27. März 1941 vielfach immer noch mythisch stilisiert wird, er gleichteher einem affekthaften (aber eben erfolgreichen) Selbstmordversuch als einem gezielt eingesetztenpolitischen Befreiungsschlag mit Eröffnung einer überaus günstigen Überlebensperspektive. Daherkann auch heute, fast 60 Jahre nach dem Teil-Beitritt Jugoslawiens zum Drei-Mächte-Pakt am 25.März 1941, nur noch einmal wiederholt werden, was an anderer Stelle differenzierter begründetwerden konnte: Milan Stojadinoviçs Politik des "Ni rat ni pakt" war die zweifelsohne besteÜberlebenstaktik in einem von Hitler-Deutschland beherrschten Europa; nach seinem erzwungenenpolitischen Sturz im Februar 1939 bestand die zweitbeste Lösung in Cvetkoviçs und Cincar-MarkoviçsTeil-Beitritt, die schlechteste im scheinbar heldenhaften Selbstmord. Folgerichtig wurde Jugoslawiennach Gutdünken Berlins als Beute aufgeteilt, wobei freilich Deutschland ungeachtet jeglicherGrenzziehung unbedingt und immer auf die Wahrung seiner ökonomischen Interessen achtete.

2. Der 17. April 1941 und seine politische Folge Finis Serbiae

In der Literatur wird mit Blick auf die reine Fläche, die der ebenfalls von deutschen Gnaden 1941geschaffene neue serbische Staat zwischen 1941 und 1944 umfasste, nicht zu Unrecht daraufverwiesen, dass Serbien nunmehr ein Territorium umfasste, das dem Serbien vor den beidenBalkankriegen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ähnelte. Der reine Vergleich der km-Zahlen, derzweifelsohne zutrifft, suggeriert eine falsche These die nämlich, dass Serbien nach wie vor alsunabhängiger Staat und als Völkerrechtssubjekt existiert. Oder anders: zwar war Serbien-Jugoslawienterritorial geschwächt, vielleicht sogar dezimiert, seine staatliche Existenz aber stand angeblich nichtzur Disposition. Die These muss aber konsequenter und radikaler formuliert werden: da der vondeutschen Gnaden geschaffene Staat auch eine von deutschen Gnaden eingesetzte Regierung hatte,war Serbiens-Jugoslawiens politische Unabhängigkeit mit der am 17. April 1941 in Belgradunterzeichneten "bedingungslosen Kapitulation" zu Grabe getragen. Am 17. April des Jahres 1941wurde Serbien damit politisch zurückgeworfen ins 18. Jahrhundert, als es kein besonderserwähnenswertes und keineswegs unruheträchtiges Bestandteil des Osmanischen Reiches war. Der 27.

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März 1941 führte also garadewegs zum 17. April und dieser zum politischen Ende Serbiens und zumScheitern der anderthalb Jahrhunderte alten politischen Kämpfe und militärischenAuseinandersetzungen um zunächst Serbiens Autonomie innerhalb des Osmanischen Reiches unddann auch um seine politische Unabhängigkeit. Serbien war am 17. April 1941 politisch undmilitärisch am Ende und niemand konnte voraussagen, ob es aus diesem Koma je wiederaufwachenwürde, weil niemand im April 1941 das militärische Ende von Hitler-Deutschland mit Sicherheitprognostizieren konnte. Oder noch pointierter: der 17. April 1941 muss in der Geschichte Serbiensnicht neben das Datum vom 28. Juni 1389 gestellt werden, sondern davor, weil im Osmanischen Reichserbisches Kulturgut und damit schließlich auch die serbische Nation nicht vernichtet worden sind, derSieg des nationalsozialistischen Deutschland über Serbien jedoch Serbiens völlige Vernichtungimplizierte. Auch wenn im nachhinein das tatsächliche Kriegsende die Erinnerung an dieseKatastrophe hat vollständig auslöschen können.

3. Serbia erat omnis divisa in partes quattuor - Serbiens politische Zersplitterung

Die vom Sieger erzwungene territoriale Zersplitterung spiegelte sich wider in der innenpolitischenFragmentierung nicht zuletzt in Serbien (in geringerem Maße freilich auch in den anderenBesetzungsgebieten), was bis zur Wende von El Alamein und Stalingrad den Siegern das trotz desglänzenden Sieges nicht gerade angenehme Leben im besetzten Gebiet erheblich erleichterte. Politischnämlich war das unterlegene Jugoslawien/Serbien�viergeteilt. Allem voran gab es nach wie vor dieinternational anerkannte Exilregierung (zunächst kurzfristig in Athen und Jerusalem, dann aberdefinitiv in London angesiedelt), die zwar nach wie vor gesamtjugoslawische Ansprüche vertrat, aberweder den "Cvetkovic-Macek – sporazum" politisch akzeptierte noch andere Wege für die Lösung derwichtigsten innenpolitischen Frage Jugoslawiens, der nach dem Umgang mit den interethnischenSpannungen, zeigte. Dadurch aber (jedoch nicht nur dadurch) manövrierte sich die groß-serbisch-jugoslawische, international anerkannte Exilregierung immer mehr ins politische Abseits. Dann ist zunennen die erste, zahlenmäßig gewichtige, aber zunächst politisch und militärisch völlig selbstständigagierende, bald aber von der Exilregierung politisch vereinnahmte Widerstandsbewegung der âetinicides DraÏa Mihailoviç, der militärisch und politisch zunächst sehr klug eine direkte Konfrontation mitdem übermächtigen Feind mied und auf den richtigen Zeitpunkt zum Losschlagen wartete, der dannaber schließlich im Herbst 1943 den richtigen Zeitpunkt zum punktuellen militärischen Losschlagensträflich�verstreichen ließ, obwohl ihn britische Emissäre förmlich beschworen, militärisch endlichFarbe zu bekennen, um vielleicht doch noch fünf Minuten nach Zwölf die politische Kehrtwendungder Alliierten weg von den âetinici und hin zu Titos Partisanen rückgängig zu machen. Mit dieserverpaßten Chance überließ DraÏa Mihailoviç das politische Feld definitiv dem dritten, zugleich seinemeinzigen innenpolitischen Machtkonkurrenten, der von der KPJ geführten Partisanenbewegung.Gerade für diese aber gilt, daß sie im Verlauf der ersten zwei Kriegsjahre an politischer Statur unddeutlichem Zuspruch der Bevölkerung gewonnen hatte, daß es ihr aber bis zur Befreiung Belgrads undSerbiens (eher dank des Vormarsches der Roten Armee als dem Zusammen mit ihr) und selbst nochnach Ende der Kriegshandlungen in Serbien nicht gelingen wollte, hier politisch Fuß zu fassen. Zwarwar die Partisanenbewegung auch eine serbische Bewegung, doch nicht der Serben aus Serbien,sondern eben der Serben der ehemaligen KuK-Militärgrenze bzw. der Serben der "NDH" (desUnabhängigen Staates Kroatien). Zur vierten Gruppierung schließlich zählen derVerteidigungsminister der Cvetkoviç-Maãek-Regierung und serbischer Ministerpräsdent vondeutschen Gnaden Milan Nediç, der zwar immer wieder als serbischer Quisling appostrophiert wurdeund wird, der gleichwohl in einer für Serbien desaströsen Situation zu retten versuchte, was nicht mehrzu retten war, und der obendrein Befehlsempfänger der Besatzungsmacht war. Nediç ohne selbst Artistzu sein, ließ sich auf einen riskanten Drahtseilakt ein, den freilich irgendein Serbe übernehmen mußte,weil die Besatzungsmacht die Organisation des Alltags nicht in ihre Hände nehmen wollte, undscheiterte an der Aufgabe. Der Strudel freilich, der ihn schließlich in die Tiefe ziehen sollte, wurdeauch zu Mihailoviçs Verhängnis; denn nachdem die Alliierten sich von Mihailoviçs âetinici losgesagtund Titos Partisanen zugewendet hatten, verbanden beide ihr Schicksal im aussichtslosen Kampf

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gegen die nunmehr konkurrenzlosen Partisanen-Kommunisten. Vielleicht hat Nediç über diesenKontakt zu Mihailoviç insgeheim auch gehofft, bei der Londoner Exilregierung Anerkennung oderzumindest Gnade zu finden, als deren Platzhalter in Belgrad er sich gelegentlich sah. Spätestens mitder Kehrtwendung der Alliierten (und unter deren Druck auch des Exilkönigs Peter) muß Nediç dieAussichtslosigkeit einer solchen Hoffnung eingesehen haben. Den erzwungenen deutschen Rückzugvom Balkan jedenfalls benutzte er für die eigene Absatzbewegung allerdings ohne nachhaltigeWirkung, weil er bei Kriegsende von den Alliierten den siegreichen Partisanen ausgeliefert wurde unddie Auslieferung im Gefängnis mit dem nicht zweifelsfrei erhärtbaren Freitod bezahlte. BeiKriegsende war Nediç tatsächlich serbischer Quisling geworden. Mihailoviç dagegen wurde nachKriegsende ein Schauprozeß gemacht, der denn auch für einen Schauprozeß politisch folgerichtig imTodesurteil und Vollstreckung des Todesurteils mündete.

4. Vernichtung der serbischen Juden "Serbien ist judenfrei"

Weil sie damit der Besatzungsmacht in die Hand arbeiteten, durften und konnten Nediçs Regierungund Mihailoviçs âetnici-Bewegung gelegentlich sogar aufeinander abgestimmt den innenpolitischenGegner bekämpfen und Titos Partisanen im Winter 1941/42 militärisch so stark zusetzen, dass sie die"UÏiãka Republika" und damit Serbien Hals über Kopf aufgeben mussten, wohin sie erst im Herbst1944 quasi im Windschatten der Roten Armee�zurückkehren konnten. Dagegen konnte es NediçsMarionettenregierung erst gar nicht wagen, hat aber offenbar auch der Großserbe DraÏa Mihailoviç esnie für angebracht gehalten, die Vernichtung der serbischen Juden (und Roma) zumindestanzuprangern, nachdem es in beider Macht nicht stand, sie zu verhindern. Dass der Befehlshaber derBelgrader Sicherheitspolizei Emanuel Schäfer Mitte 1942 nach Berlin telegrafieren konnte: "Serbienist judenfrei", konnten weder Nediç noch Mihailoviç verhindern; dass aber nicht einmal Mihailoviç alsseit Sommer 1941 legitimer Vertreter der jugoslawischen Exilregierung nichtteinmal sein Wort erhob,muss mindestens als Ausdruck von selbst offiziell geduldetem, recht weit verbreitetem serbischenAntisemitismus interpretiert werden. Dieses wiegt um so schwerer, als wir es mit einer RegionEuropas zu tun haben, die während ihrer jahrhundertelangen Zugehörigkeit zum Osmanischen Reichein wichtiges Zielland der aus Spanien vertriebenen sephardischen Juden war und wo während dieserJahrhunderte ein im übrigen Europa unbekannter Religionsfrieden herrschte. Schließlich wiegt diesesMoment auch deshalb um so schwerer, als zeitgleich im erklärt pro-faschistischen bzw. pro-nationalsozialistischen kroatischen Usta‰a-Staat, der sich die Judenvernichtung auch offiziell auf dieFahne geschrieben hatte, immerhin fast 20% der kroatischen Juden überleben konnten. Das Prinzipdes Wegschauens gilt aber nicht nur für Serbien der Kriegszeit. "Genocid" ist kein gewichtigeresThema der jugoslawischen oder der serbischen Historiographie in der Zeit des sozialistischenJugoslawien, sondern taucht wiederholt auf allerdings zu eigenen Gunsten entschieden nationalistischverfärbt in dezidiert politischen, pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungen der 1990er Jahre.Während die in jahrzehntelanger Arbeit gesammelten Daten des Tierarztes und Hobbyhistorikers Ja‰aRomano über die Vernichtung der jugoslawischen Juden, veröffentlicht vom Belgrader JüdischenMuseum vor genau 20 Jahren, weitgehend unbeachtet blieb (vielleicht auch deshalb, weil Jugoslawienzu sehr mit den unvermeidlichen politischen Implikationen des Todes Titos beschäftigt war), war esder ambitiösen Zagreber Ausstellung über 2000 Jahre jüdisches Leben auf dem TerritoriumJugoslawiens im Frühling 1988 nicht vergönnt, eine größere Breitenwirkung zu erzielen, weil schonder Schatten der mörderischen Kriege der 1990er Jahre spürbar war.

5. Vertreibung der deutschen Minderheit

In einem eigentlichen Sinn enden die serbisch-deutschen "Beziehungen im Zweiten Weltkrieg mit derBefreiung Belgrads durch die Rote Armee und Titos Partisanen und dem dadurch verursachtenRückzug der deutschen Besatzungstruppen aus Jugoslawien, in deren Troß sich auch Milan Nediç mitseiner Regierung befand. Nicht umgehend, aber zügig nach Kriegsende wäre eine durchgreifende

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Strafaktion seitens der neuen Machthaber gegen Tausende und Abertausende von Serben zu erwartengewesen sei es aus Verärgerung und Wut wegen ausgebliebener Unterstützung für die "sozialistischeRevolution", sei es wegen Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht. Es spricht für diepolitische Reife und den Realitätssinn der jugoslawischen Kommunisten, dass sie allem revolutionärenPathos zum Trotz, den sie sonst an den Tag legten, nur die politische Eisbergspitze strafrechtlichverfolgten, die große Mehrheit der Serben also weitgehend ungeschoren davonkommen ließen. Damitöffneten sie zugleich die Tür der KPJ für serbische Mitglieder und schufen die Voraussetzung für dieunmittelbar nach dem eigentlichen Kriegsende erfolgte Gründung einer KP Serbiens innerhalb derKPJ. Während also die kollektive Bestrafung der Serben bewusst vermieden wurde, gab es keinenGrund für eine ähnliche Behandlung der vor dem Krieg gut 500.000 Angehörigen der deutschenMinderheit, die größtenteils in der Vojvodina gelebt haben. Wenngleich unter ihnen der Anteil derKollaborateure und Sympathiseure sicherlich entschieden höher war als auf der serbischen Seite, sosind mitnichten alle 500.000 Angehörigen der Volksdeutschen Kriegsverbrecher. Gleichwohl wurdensie kollektiv haftbar gemacht für die Greuel der Besatzungsmacht und ihrer Helfershelfer, so daß siegut beraten waren, der kollektiven Verfolgung durch Flucht zuvorzukommen. Folge war, daß diedeutsche Minderheit in Serbien nach Ende des Krieges auf einige wenige 10.000 Angehörigegeschrumpft war. Serbien war nicht nur infolge der deutschen Besetzung "judenfrei, sondern als Folgedieser Besetzung auch fast "deutschenfrei".