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Das Ende der «Eiszeit»? Yvonne Kiefer-Glomme Wer in den letzten Wochen das Radio einschaltete, hörte täglich den Satz: «… und es bleibt so kalt.» Am Wo- chenende soll die frostige Kälte nun ein Ende haben. Es wird langsam wärmer. Wie sieht die Bilanz des seit 30 Jahren kältesten Januars in der Schweiz aus und wie erklären Fach- experten diese Kälteperiode? Auf dem Bodensee schwimmen Eis- schollen und selbst die Skilifte im Mit- telland laufen auf Hochtouren. Durch die Bise fühlen sich die Minus-Tempe- raturen noch deutlich kälter an. Die bis- her tiefsten Temperaturen dieses Winters wurden mit minus 29.9 Grad in La Brévi- ne im Neuenburger Jura gemessen. Die Böen am Genfersee erreichten bis zu 90 Kilometer pro Stunde, wie Meteo- schweiz mitteilte, und die Kursschiffe blieben in den Häfen. Aber auch auf den Strassen hinterliess die Kältewelle ihre Spuren: Schneever- wehungen in der Westschweiz sorgten für ein Verkehrschaos, sodass beispiels- weise die A1 in Fahrtrichtung Genf zeit- weise gesperrt werden musste. Rund um Zürich stand der Verkehr zeitweise still. Allein an einem Morgen berichtete die Kantonspolizei Zürich von 40 Verkehrs- unfällen. Wie der Railinfo zu entnehmen war, fielen Züge aus oder verkehrten mit Ver- spätung. Schneeverwehungen und eine defekte Lok legten für sechs Stunden den Bahnverkehr am Oberalppass lahm. 48 Zentimeter Neuschnee brachten das Programm der Skirennen in Wengen BE durcheinander, weil die Veranstalter der Lauberhorn-Abfahrt diesen nicht recht- zeitig beseitigen konnten. Kälterekord in der Schweiz Der Januar 2017 war in der Schweiz der kälteste Januar seit 30 Jahren. Einen sol- chen Rekord hat niemand erwartet, zu- mal 2016 weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 140 Jahren war. «Berücksichtigt man die Prognosen bis zum Monatsende, wird das landesweite Mittel bei minus 5.8 Grad liegen», berichtete Meteo- schweiz. Ein solcher Durchschnittswert sei letztmalig im Januar 1987 gemessen worden. Tiefere Januar-Temperaturen seien in den letzten 60 Jahren nur 1985 mit minus 8.1 Grad und 1963 bei der «Seegefrörni» mit minus 8.6 Grad er- reicht worden. Trotzdem habe sich der Januar in der Schweiz von durchschnitt- lich minus 4.4 Grad zu Beginn der Auf- zeichnungen auf minus 2.6 Grad er- wärmt. Die Klimaerwärmung macht sich trotz Kälteextremen somit auch in der Schweiz bemerkbar. Quittung der Erderwärmung? Auch die jüngste Kältewelle ist parado- xerweise vermutlich eine Auswirkung der globalen Erwärmung: Durch die massive Eisschmelze in der Arktis nimmt das Polarmeer im Sommer mehr Wärme auf und gibt diese im Winter – ohne den Schutz des Eises – auch leichter an die Atmosphäre ab. Hierdurch verändern sich die arktischen Windsysteme: «Der Jetstream schlägt wilde Bögen», sagt Marlene Kretschmer vom Institut für Kli- mafolgenforschung. Dabei handelt es sich um einen Höhenwind, der die Erde umkreist, normal mildes Atlantikwetter aus dem Westen nach Europa bringt und die Kälte in der Arktis einkesselt. «So können Tiefs kalte Polarluft und Schnee nach Süden schaufeln», erklärt sie. Kli- mamodelle zeigten, dass die Atmosphäre auch ganz von selbst jede Menge Chaos produzieren könne. Durch die globale Er- wärmung könnte die Häufigkeit des ge- störten Jetstreams jedoch erhöht werden. Nach Berechnungen des Instituts für Kli- mafolgenforschung Potsdam wird sich die Zahl extremer Wintereinbrüche in Europa und Nordasien verdreifachen. Der Januar 2017 wird somit nicht der letzte Rekordwinter in der Schweiz sein. Eiskalt erwischt – da nützt auch kein Frostschutzmittel. Foto: pixabay.com «Sommervögel» sind gut gegen die Kälte gewappnet Monica Marti Sie lassen sich einschneien, ihre Eier, Raupen und Puppen fast einfrieren oder fliegen hunderte von Kilometern in den Süden. Jede der 171 Tagfalter- arten der Schweiz hat ihre Strategie, wie sie den Winter überdauert. Die kalte Jahrezeit ist für Wildtiere eine Herausforderung. Auch für die Schmet- terlinge. Nicht alle unsere «Sommer- vögel» trotzen aber der Kälte. Der Dis- telfalter und der Admiral sind Wanderfalter. Sie verlassen im Herbst die Schweiz Rich- tung Südeuropa. Dafür legen die zarten Falter Strecken von einigen hundert Kilo- metern zurück. Die aktuelle «Eiszeit» ha- ben sie so elegant umgangen. Frostschutz in den Adern Mit Ausnahme der Wanderfalter über- wintern alle anderen Schmetterlinge bei uns. Dabei erweisen sich die zarten In- sekten als erstaunlich zäh. Der Zitronen- Eiskristalle überziehen die Flügeladern dieses Zitronenfalters. Foto: Harald Süpfle Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser Auf diese Tage dürfen Sie sich freuen – und das nicht nur, weil Wochenende ist. Gestern Mittag kletterte das Ther- mometer wieder einmal knapp über den Gefrierpunkt – zum ersten Mal seit fast zwei Wochen. Damit geht eine bemerkenswerte Kältephase zu Ende: Der diesjährige Januar war der kälteste seit 30 Jahren, ganze 16 Eistage be- scherte er uns. 384 Stunden mit Tem- peraturen unter null Grad! Und das, obwohl 2016 das wärmste Jahr seit Beginn der Messaufzeichnungen war. (Sch)Eis(s)kalt, denken Sie? Noch um einiges kälter war es 1963, als in Zü- rich das Thermometer über vierzig Ta- ge lang sogar tagsüber tiefe Minus- Grade anzeigte. Die Freude über den arktischen Winter hätte aber grösser kaum sein können, bescherte er den Zürchern doch ein seltenes Naturwun- der. Kalt lässt das Wetter aber auch heute niemanden. Wer mit ihr kämpft und wer sie geniesst, erfahren Sie in unseren Interviews. Gut gewappnet sind auch unsere Sommervögel, die zarten Insekten zeigen sich im Winter erstaunlich zäh. Der Frühling mit den bunten Faltern kommt bestimmt: Die Zeit bis dahin können Sie mit unseren Tipps überbrücken. Mit ihnen genies sen Sie jedes Wetter eiskalt. Glatteis hin oder her, bleiben Sie cool! Herzlich, Melanie Marday-Wettstein Im Januar waren die Feinstaubwerte im Flachland hoch. In Bern wurde an vier Tagen mehr als das Zweifache des Im- missions-Grenzwerts festgestellt. Auch in Zürich und Basel überstiegen die Messwerte an sieben Tagen im Tages- mittel den Grenzwert von 50 Mikro- gramm pro Kubikmeter Luft. Grund für die hohe Feinstaubbelas- tung ist das Kältehochdruckgebiet, das die Schweiz seit Januar im Griff hat. Die Sonne dringt kaum mehr durch den Hochnebel. Durch den Warmluftdeckel bleiben die kalte Luft und mit ihr die Schadstoffe am Boden. Das kann zu Wintersmog führen. Beim Feinstaub handelt es sich um winzige Staubteilchen. Sie entstehen beispielsweise bei der Verbrennung in Dieselmotoren und Holzöfen oder durch den Abrieb der Reifen auf dem Asphalt. Die europaweit angelegte Studie «Euro- pean Study of Cohorts for Air Pollution Effects» aus 2013 zeigt, dass sich das Lungenkrebsrisiko mit jedem Anstieg der Feinstaubkonzentration um zehn Tausendstel Gramm pro Kubikmeter Luft um über 20 Prozent erhöht. Mit dem in den nächsten Tagen von Westen aufziehenden Tiefdruckgebiet dürfte der Hochnebel bald aufreissen: Durch den erneuten Austausch der Luft- massen nimmt der Feinstaubgehalt dann wieder ab. (ykg) falter gehört zu den Schmetterlings- arten, die als Falter den Winter meistern. Er sucht sich ein Versteck zum Beispiel unter Brombeerblättern, wo er auch mal eingeschneit wird. Damit er in der Kälte nicht stirbt, scheidet der Falter vor Win- terbeginn Wasser aus. Zudem lagert er Glycerin im Körper ein: Dieses verhin- dert als natürliches Frostschutzmittel, dass die noch verbleibende Körperflüs- sigkeit gefriert. So überlebt der Zitro- nenfalter Kältewellen von bis zu minus 20 Grad Celsius. Nachwuchs auf Eis gelegt Die meisten Schmetterlingsarten über- dauern den Winter aber im Ei, als Raupe oder wie der Schwalbenschwanz als Puppe. Ihre Falter sterben vor Winterbe- ginn. So auch der Birkenzipfelfalter, der im Herbst seine Eier einzeln oder paar- weise in den Zweiggabeln von jungen Schwarzdorn-Büschen ablegt. Oder der Schillerfalter, dessen winzige Raupen völlig ungeschützt auf Zweigen der Sal- weide überwintern. Manch eine davon wird dabei von einer Eisschicht bedeckt. Im Vergleich dazu haben es die Raupen des Grossen und des Kleinen Moorbläu- lings richtig behaglich. Sie lassen sich von Ameisen in deren Nester tragen, wo sie auch den Winter verbringen. Doch so verschieden die Überwinterungsstrate- gien der Tagfalter – sie alle sind gut ge- gen die harschen Bedingungen gerüstet. Grenzwert überschritten 27./28. Januar 2017 EB Zürich Bildungsgang Journalismus

Das Ende der «Eiszeit»? Editorial - EB Zürich · die Bise fühlen sich die Minus-Tempe-raturen noch deutlich kälter an. Die bis-her tiefsten Temperaturen dieses Winters wurden

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Page 1: Das Ende der «Eiszeit»? Editorial - EB Zürich · die Bise fühlen sich die Minus-Tempe-raturen noch deutlich kälter an. Die bis-her tiefsten Temperaturen dieses Winters wurden

Das Ende der «Eiszeit»?Yvonne Kiefer-Glomme

Wer in den letzten Wochen das Radio einschaltete, hörte täglich den Satz: «… und es bleibt so kalt.» Am Wo-chenende soll die frostige Kälte nun ein Ende haben. Es wird langsam wärmer. Wie sieht die Bilanz des seit 30 Jahren kältesten Januars in der Schweiz aus und wie erklären Fach-experten diese Kälteperiode?

Auf dem Bodensee schwimmen Eis-schollen und selbst die Skilifte im Mit-telland laufen auf Hochtouren. Durch die Bise fühlen sich die Minus-Tempe-raturen noch deutlich kälter an. Die bis-her tiefsten Temperaturen dieses Winters wurden mit minus 29.9 Grad in La Brévi-ne im Neuenburger Jura gemessen. Die Böen am Genfersee erreichten bis zu 90 Kilometer pro Stunde, wie Meteo-schweiz mitteilte, und die Kursschiffe blieben in den Häfen.

Aber auch auf den Strassen hinterliess die Kältewelle ihre Spuren: Schnee ver-wehungen in der Westschweiz sorgten für ein Verkehrschaos, sodass beispiels-weise die A1 in Fahrtrichtung Genf zeit-weise gesperrt werden musste. Rund um Zürich stand der Verkehr zeitweise still. Allein an einem Morgen berichtete die Kantonspolizei Zürich von 40 Verkehrs-unfällen.

Wie der Railinfo zu entnehmen war, fielen Züge aus oder verkehrten mit Ver-spätung. Schneeverwehungen und eine defekte Lok legten für sechs Stunden den Bahnverkehr am Oberalppass lahm. 48 Zentimeter Neuschnee brachten das Programm der Skirennen in Wengen BE durcheinander, weil die Veranstalter der Lauberhorn-Abfahrt diesen nicht recht-zeitig beseitigen konnten.

Kälterekord in der SchweizDer Januar 2017 war in der Schweiz der kälteste Januar seit 30 Jahren. Einen sol-chen Rekord hat niemand erwartet, zu-mal 2016 weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 140 Jahren war. «Berücksichtigt man die Prognosen bis zum Monatsende, wird das landesweite Mittel bei minus 5.8 Grad liegen», berichtete Meteo-schweiz. Ein solcher Durchschnittswert sei letztmalig im Januar 1987 gemessen worden. Tiefere Januar-Temperaturen seien in den letzten 60 Jahren nur 1985 mit minus 8.1 Grad und 1963 bei der «Seegefrörni» mit minus 8.6 Grad er-reicht worden. Trotzdem habe sich der Januar in der Schweiz von durchschnitt-

lich minus 4.4 Grad zu Beginn der Auf-zeichnungen auf minus 2.6 Grad er-wärmt. Die Klimaerwärmung macht sich trotz Kälteextremen somit auch in der Schweiz bemerkbar.

Quittung der Erderwärmung? Auch die jüngste Kältewelle ist parado-xerweise vermutlich eine Auswirkung der globalen Erwärmung: Durch die massive Eisschmelze in der Arktis nimmt das Polarmeer im Sommer mehr Wärme auf und gibt diese im Winter – ohne den Schutz des Eises – auch leichter an die Atmosphäre ab. Hierdurch verändern sich die arktischen Windsysteme: «Der Jetstream schlägt wilde Bögen», sagt Marlene Kretschmer vom Institut für Kli-

mafolgenforschung. Dabei handelt es sich um einen Höhenwind, der die Erde umkreist, normal mildes Atlantikwetter aus dem Westen nach Europa bringt und die Kälte in der Arktis einkesselt. «So können Tiefs kalte Polarluft und Schnee nach Süden schaufeln», erklärt sie. Kli-mamodelle zeigten, dass die Atmosphäre auch ganz von selbst jede Menge Chaos produzieren könne. Durch die globale Er-wärmung könnte die Häufigkeit des ge-störten Jetstreams jedoch erhöht werden. Nach Berechnungen des Instituts für Kli-mafolgenforschung Potsdam wird sich die Zahl extremer Wintereinbrüche in Europa und Nordasien verdreifachen. Der Januar 2017 wird somit nicht der letzte Rekordwinter in der Schweiz sein.

Eiskalt erwischt – da nützt auch kein Frostschutzmittel. Foto: pixabay.com

«Sommervögel» sind gut gegen die Kälte gewappnetMonica Marti

Sie lassen sich einschneien, ihre Eier, Raupen und Puppen fast einfrieren oder fliegen hunderte von Kilometern in den Süden. Jede der 171 Tagfalter-arten der Schweiz hat ihre Strategie, wie sie den Winter überdauert.

Die kalte Jahrezeit ist für Wildtiere eine Herausforderung. Auch für die Schmet-terlinge. Nicht alle unsere «Sommer-vögel» trotzen aber der Kälte. Der Dis-telfalter und der Admiral sind Wanderfalter. Sie verlassen im Herbst die Schweiz Rich-tung Südeuropa. Dafür legen die zarten Falter Strecken von einigen hundert Kilo-metern zurück. Die aktuelle «Eiszeit» ha-ben sie so elegant umgangen.

Frostschutz in den AdernMit Ausnahme der Wanderfalter über-wintern alle anderen Schmetterlinge bei uns. Dabei erweisen sich die zarten In-sekten als erstaunlich zäh. Der Zitronen-

Eiskristalle überziehen die Flügeladern dieses Zitronenfalters. Foto: Harald Süpfle

EditorialLiebe Leserinnen, liebe Leser

Auf diese Tage dürfen Sie sich freuen – und das nicht nur, weil Wochenende ist. Gestern Mittag kletterte das Ther-mometer wieder einmal knapp über den Gefrierpunkt – zum ersten Mal seit fast zwei Wochen. Damit geht eine bemerkenswerte Kältephase zu Ende: Der diesjährige Januar war der kälteste seit 30 Jahren, ganze 16 Eistage be-scherte er uns. 384 Stunden mit Tem-peraturen unter null Grad! Und das, obwohl 2016 das wärmste Jahr seit Beginn der Messaufzeichnungen war.(Sch)Eis(s)kalt, denken Sie? Noch um einiges kälter war es 1963, als in Zü-rich das Thermometer über vierzig Ta-ge lang sogar tagsüber tiefe Minus-Grade anzeigte. Die Freude über den arktischen Winter hätte aber grösser kaum sein können, bescherte er den Zürchern doch ein seltenes Naturwun-der. Kalt lässt das Wetter aber auch heute niemanden. Wer mit ihr kämpft und wer sie geniesst, erfahren Sie in unseren Interviews. Gut gewappnet sind auch unsere Sommervögel, die zarten Insekten zeigen sich im Winter erstaunlich zäh. Der Frühling mit den bunten Faltern kommt bestimmt: Die Zeit bis dahin können Sie mit unseren Tipps überbrücken. Mit ihnen genies sen Sie jedes Wetter eiskalt. Glatteis hin oder her, bleiben Sie cool!

Herzlich,Melanie Marday-Wettstein

Im Januar waren die Feinstaubwerte im Flachland hoch. In Bern wurde an vier Tagen mehr als das Zweifache des Im-missions-Grenzwerts festgestellt. Auch in Zürich und Basel überstiegen die Messwerte an sieben Tagen im Tages-mittel den Grenzwert von 50 Mikro-gramm pro Kubikmeter Luft.

Grund für die hohe Feinstaubbelas-tung ist das Kältehochdruckgebiet, das die Schweiz seit Januar im Griff hat. Die Sonne dringt kaum mehr durch den Hochnebel. Durch den Warmluftdeckel bleiben die kalte Luft und mit ihr die Schadstoffe am Boden. Das kann zu Wintersmog führen.

Beim Feinstaub handelt es sich um winzige Staubteilchen. Sie entstehen beispielsweise bei der Verbrennung in Dieselmotoren und Holzöfen oder durch den Abrieb der Reifen auf dem Asphalt. Die europaweit angelegte Studie «Euro-pean Study of Cohorts for Air Pollution Effects» aus 2013 zeigt, dass sich das Lungenkrebsrisiko mit jedem Anstieg der Feinstaubkonzentration um zehn Tausendstel Gramm pro Kubikmeter Luft um über 20 Prozent erhöht.

Mit dem in den nächsten Tagen von Westen aufziehenden Tiefdruckgebiet dürfte der Hochnebel bald aufreissen: Durch den erneuten Austausch der Luft-massen nimmt der Feinstaubgehalt dann wieder ab. (ykg)

falter gehört zu den Schmetterlings-arten, die als Falter den Winter meistern. Er sucht sich ein Versteck zum Beispiel unter Brombeerblättern, wo er auch mal eingeschneit wird. Damit er in der Kälte

nicht stirbt, scheidet der Falter vor Win-terbeginn Wasser aus. Zudem lagert er Glycerin im Körper ein: Dieses verhin-dert als natürliches Frostschutzmittel, dass die noch verbleibende Körperflüs-

sigkeit gefriert. So überlebt der Zitro-nenfalter Kältewellen von bis zu minus 20 Grad Celsius.

Nachwuchs auf Eis gelegtDie meisten Schmetterlingsarten über-dauern den Winter aber im Ei, als Raupe oder wie der Schwalbenschwanz als Puppe. Ihre Falter sterben vor Winterbe-ginn. So auch der Birkenzipfelfalter, der im Herbst seine Eier einzeln oder paar-weise in den Zweiggabeln von jungen Schwarzdorn-Büschen ablegt. Oder der Schillerfalter, dessen winzige Raupen völlig ungeschützt auf Zweigen der Sal-weide überwintern. Manch eine davon wird dabei von einer Eisschicht bedeckt. Im Vergleich dazu haben es die Raupen des Grossen und des Kleinen Moorbläu-lings richtig behaglich. Sie lassen sich von Ameisen in deren Nester tragen, wo sie auch den Winter verbringen. Doch so verschieden die Überwinterungsstrate-gien der Tagfalter – sie alle sind gut ge-gen die harschen Bedingungen gerüstet.

Grenzwert überschritten

27./28. Januar 2017EB Zürich

Bildungsgang Journalismus

Page 2: Das Ende der «Eiszeit»? Editorial - EB Zürich · die Bise fühlen sich die Minus-Tempe-raturen noch deutlich kälter an. Die bis-her tiefsten Temperaturen dieses Winters wurden

ImpressumRedaktion: Melanie Marday-Wettstein (mmw), Yvonne Kiefer-Glomme (ykg), Andreas Reiner (ar), Monica Marti (mm)Leitung Bildungsgang:Nikolaus Stähelin

Fünf Tipps gegen die Kälte

Mit diesen Tricks trotzen Sie auch der ärgsten Eiszeit.

Wickeln Sie sich vor dem Fernseher in eine Wolldecke und schauen Sie sich «Ice Age 1-5» an. Im Vergleich dazu ist die momentane Kältewelle eine laue Frühlingsbrise.

Schreiben Sie Ihrem Liebsten einen romantischen Liebesbrief. Das bringt dann wenigstens ihn zum Schmelzen.

Bestellen Sie beim Inder das Gericht mit den drei Chilischoten. Das heizt richtig ein! (mm)

Philipp Hahn, Bauleiter, Marti AG

Müssen Bauarbeiten im Winter auf Eis gelegt werden?Eis auf einer Baustelle ist gefährlich, insbesondere wenn Gerüste gefroren sind oder Eiszapfen am Kran hängen. Hinzu kommt, dass auf Betonflächen kein Salz gestreut werden darf, da es diese schädigt. Werden Schutzmaßnah-men und Beheizung zu aufwendig, um die Baumaterialien ordnungsgemäß ein-setzen zu können, muss die Arbeit tat-sächlich eingestellt werden.

Welche Arbeiten können zurzeit nicht ausgeführt werden?Mauern bei Frost ist nicht möglich. Dringt Feuchtigkeit in die Steine ein, ent-stehen Risse und es kommt später zu Aus blühungen. Strassenbeläge auszubes-sern, ist ebenfalls nicht denkbar, der Teer würde bei den jetzigen Temperaturen zu schnell abkühlen. Erdarbeiten bei pickel-hartem Boden sind nicht wirtschaftlich und verletzen die Humusschicht.

Wie schützen Sie sich vor der Kälte? Durch eine dünne Mütze unter dem Helm und Wechselkleidung im Spint. Mehrere Kleidungsschichten sind bei körperlicher Arbeit nicht nötig. Wichti-ger ist, etwas zum Wechseln zu haben, denn auf der Baustelle kommt man schnell ins Schwitzen. (ykg)

Obdachlose sind dem Frost direkt ausgesetzt. Andere Menschen zwingt der Job, sich bei knackiger Kälte draussen aufzuhalten. Zunehmende Unfälle

durch Glatteis fordern Spital-Mitarbeiter. Und auch Freizeitsportler müssen sich auf ihre Weise mit der Kälte arrangieren.

Die Kälte als Herausforderung

1963 hiess es «Eis frei!» Und heute?Melanie Marday-Wettstein

Am 1. Februar 1963 passierte, wovon heute bei diesen kalten Temperaturen viele träumen: Der Zürichsee war vollständig zugefroren und begehbar. Mit seinen eisigen Temperaturen sorgt aber auch der diesjährige Win-ter für Schlagzeilen.

Sie kam abrupt und nach einer Serie von milden Wintern: die Seegfrörni 1963, bei welcher der Zürichsee das letzte Mal vollständig zugefroren war. Doch bis es «Eis frei!» hiess und der See von überall her begehbar war, mussten sich viele in eisiger Kälte gedulden. Über vierzig Ta-ge lang verharrte das Thermometer in Zürich sogar tagsüber weit unter null Grad. Aktuell erlebt die Schweiz zwar den kältesten Januar seit 30 Jahren (sie-he Frontartikel), die Chance für eine Zürichsee-Gfrörni ist gemäss Stephan Bader, Klimatologe bei Meteo Schweiz, aber dennoch sehr gering. «Den ganzen bisherigen Winter betrachtet, kommt der Zürichsee aktuell auf eine Summe von 107 Negativ-Graden». Pro Tag kämen momentan etwa sieben dazu. Damit ein Gewässer von der Tiefe des Zürichsees zufrieren kann, braucht es laut dem Ex-

perten im Mittel aber rund 350 Negativ-Grade. Erst dann entstehe eine tragfähi-ge Eisdicke von zwölf Zentimetern. «Es müsste also noch mehr als einen Monat lang so kalt wie jetzt bleiben, bis der Zürichsee überfriert». Eine solch unge-wöhnlich lange Kältephase ist für den Klimatologen aber unwahrscheinlich.

Nichts Aussergewöhnliches...Wie viel kälter der letzte Seegfrörni-Winter war, zeigt auch der Blick auf die Normtabelle 1981 bis 2010 von Meteo-schweiz: Verglichen mit dem langjähri-

gen Durchschnitt lag 1963 der Januar 6.6 Grad unter der Norm. Der aktuelle Januar wird aber nur drei Grad darunter-fallen. «Diese Messwerte sagen alles», hält Bader fest, 1962/63 sei es wirklich arktisch gewesen. «Der aktuelle Winter ist zwar recht kalt, über lange Zeit be-trachtet jedoch noch nichts Ausserge-wöhnliches.» Da die Winter in den letz-ten 25 Jahren deutlich wärmer geworden seien, falle heuer ein kälterer Verlauf allenfalls stärker auf.

... oder doch? Ganz eisfrei wird der Winter 2016/2017 aber nicht in die Geschichtsbücher ein-gehen: am Zürichsee gab es nicht weni-ger als 16 Eistage. Von einem Eistag ist in der Meteorologie dann die Rede, wenn die Temperatur während eines ganzen Tages, also 24 Stunden lang, nicht über null Grad steigt. Mehr Eista-ge gab es letztmals vor genau 30 Jahren.

«Das Pech schläft nie»Andreas Reiner

Um Lawinen und deren Gefahren besser zu verstehen, entschloss sich Adrian Bodisch, diesen Winter ein Praktikum am Schweizerischen La-winenforschungs-Institut SLF zu ab-solvieren.

«Mit drei Jahren stand ich bereits auf den Skiern», erzählt der 27-jährige Ös-terreicher, dessen Grossvater schon im Skiclub war. Wie so oft bei Schneesport-begeisterten, fängt auch Adrians Ge-schichte im frühen Alter an. Ursprüng-lich aus Wien, studierte er die vergangenen Jahre in Innsbruck Geo-graphie und Umweltmanagement in Bergregionen. Nächste Woche präsen-tiert er seine Masterarbeit.

Zum jetzigen Praktikum bei der Eid-genössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL kam er eher zufällig: In einem Rundmail ent-deckte er diese Stelle. «Ich mag die Ab-wechslung. Drei Tage verbringe ich draussen im Feld, zwei Tage im Büro», berichtet er mit hörbarer Begeisterung von seiner Arbeit.

Risiko im HinterkopfZu den täglichen Arbeiten gehören das Aufnehmen von Lawinenunfällen in die Datenbank, Kartierungen und das Loka-lisieren von Lawinenabgängen, die an-hand von Fotos geortet werden. Auch das Erstellen von Schneeprofilen im Raum Davos liegt in seinem Aufgaben-bereich. Schliesslich werden anhand dieser Angaben Wochenberichte erstellt, welche Wintersportlern bei Skitouren wichtige Anhaltspunkte liefern.

Walter v. Arburg, Sozialwerke Pfarrer Sieber

Platzt der «Pfuusbus» bereits aus al-len Nähten?Wir waren im Januar trotz der Kälte nicht voll belegt. In den letzten zwei Wochen haben nur 30 Obdachlose in un-serem «Pfuusbus» übernachtet. Und das, obwohl wir aufgestockt haben. Seit Oktober haben wir einen Sattelschlep-per mit Aufleger und Vorzelt, der 40 Schlafplätze bietet.

Wo haben die anderen Obdachlosen übernachtet?Während der Winterzeit duldet die Flug-hafenverwaltung, dass Obdachlose in der Empfangshalle schlafen. Aber auch die «Gammelhäuser» stehen einheimi-schen Obdachlosen offen. Das sind schlecht unterhaltene Liegenschaften, die der Stadt Zürich gehören oder von dieser angemietet wurden. Es gibt aber auch Obdachlose, die diese Angebote nicht annehmen.

Aus welchem Grund?Die meisten Obdachlosen sind Einzel-kämpfer. Sie leben am Rand der Gesell-schaft und sind Einsamkeit gewohnt. Viele von ihnen holen sich nur das Nö-tigste und ziehen sich dann wieder zu-rück. Für sie ist der «Pfuusbus» eine He-rausforderung. Sie fühlen sich beobachtet oder haben sogar Platzangst. (ykg)

Lucia Scandinario, Pflegefachfrau

Hat sich die Kälteperiode im Unispi-tal Spital Basel bemerkbar gemacht?Ja, die glatten Strassen haben uns einige Patienten «beschert». Allein am zweiten Januarwochenende hatten wir in der Notfallstation zwei Dutzend Sturzopfer. Darunter gebrochene Handgelenke, di-verse Verletzungen an Sprunggelenken, Schultern und Oberarmen sowie zahl-reiche Prellungen, Bänderrisse und Ver-stauchungen.

Mussten Sie auch verletzte Winter-sportler versorgen?Nein, die Erstversorgung bei Skiunfäl-len erfolgt meistens in Kliniken vor Ort. Diese Patienten werden erst zu uns ver-legt, wenn sie in einem stabilen Zustand sind und in ein Spital wechseln möch-ten, das näher an ihrem Wohnort liegt.

Hält Sie auch die aktuelle Grippewel-le auf Trab? Bei uns auf der Chirurgie spüren wir sie nicht. Wir mussten aber Personal und Material an die Isolierstation abgeben, damit die Kolleginnen und Kollegen dem Ansturm der Patienten gerecht wer-den konnten. Dort mussten auch zusätz-liche Pflegeschichten aufgeboten wer-den. Zum Selbstschutz trägt jeder von uns, der nicht grippegeimpft ist, einen Mundschutz. (ykg)

Zürcher Seegfrörni: Aus den Annalen der Schweizerischen Meteorologischen Zentralanstalt geht hervor, dass der Zürichsee seit Erfassung der Daten achtmal zugefroren ist: 1880, 1891, 1895, 1907, 1909, 1929, 1941 und 1963. Bis die Eisdecke im Seebecken bei Zürich stark genug ist, um einen beträchtlichen Teil der Stadtbevölkerung zu tragen, muss es nach dem Zufrieren noch mehrere Frosttage geben. Dieses Phänomen fand aber in den Jahren 1907, 1909 und 1941 gar nicht statt. Die Seegfrörni von 1963 war also die erste vollständige seit 1929.

Seegfrörni 1963 im Seebecken der Stadt Zürich. Foto: Ortsmuseum Zollikon

Regula Schäpper, Leichtathletin

Normalerweise sind Sie auf der Tar-tanbahn anzutreffen. Wie ertragen Sie als Sommersportlerin diese sehr kalten Temperaturen?Ich ertrage die Kälte gar nicht mal so schlecht. Ich habe es sogar lieber etwas frischer. Wenn ich doch mal Mühe be-kunde mit ihr, dann am ehesten an den Füssen und an den Fingern, wenn ich die Trainingseinheit beendet habe. Wenn immer möglich versuche ich dann, rasch unter die Dusche zu gehen, um mich aufzuwärmen. Dann gehts gleich wieder besser.

Wie schützen Sie sich bei diesen Tem-peraturen, besonders gegen den bissi-gen Fahrtwind?Zu meiner Ausrüstung gehört ein Stirn-band, Handschuhe und ein leichtes Halsband. Lieber trage ich nicht zu viel, denn ich bekomme eher schneller warm als umgekehrt. Natürlich bewährt sich das alt bekannte Zwiebelprinzip: Ver-schiedene Schichten, denen man sich bei Bedarf entledigen kann.

Macht die kalte Luft nicht Probleme beim Atmen, wenn Sie sich anstren-gen müssen?Nein, damit hatte ich bis jetzt keinerlei Probleme – selbst bei diesen eisigen Temperaturen nicht. (ar)

Adrian Bodisch auf dem Zuckerhütl in den Stubaier Alpen. Foto: zvg

Die Arbeit im Gelände birgt Gefahren, ist sich Adrian Bodisch bewusst: «Du kannst das Risiko nie komplett aus-schalten und das Pech schläft nie. Des-halb ist Planung und die richtige Aus-rüstung essentiell.» Zum Glück sei es bei ihm bisher immer gut ausgegangen.

Osteuropa als nächstes ZielDie aktuelle Kältewelle hat auch die Re-gion um Davos erreicht. «Arschkalt» sei es gewesen, was die Feldarbeit er-schwert habe, erklärt er lachend. So stei-ge das Risiko von Erfrierungen an den Extremitäten durch die tiefen Tempera-turen natürlich an.

Für die Zeit nach dem Praktikum hat er bereits konkrete Pläne. Er möchte mit seiner Freundin von Innsbruck aus durch Europa touren. Dafür will er sich einen Kleinbus kaufen. Ziel ist der Os-ten Europas: Türkei, Georgien, Armeni-en. Vorher stehen aber noch einige Berg-touren auf dem Programm.

Wer erfand den Gefrierschrank?

1876 entwickelte der deutsche Ingeni-eur Carl von Linde ein Verfahren, das die Entwicklung des Kühlschranks er-möglichte. Zunächst wurde seine Käl-tetechnik vor allem in der Industrie eingesetzt. Er verkaufte wenig später die Patentrechte in die USA, wo die ersten Kühlschränke 1926 vom Fliess-band rollten. Ende der 1930er Jahre besass jeder zweite US-Haushalt einen Kühlschrank. Rund 20 Jahre später wurde das Küchengerät auch in Euro-pa ein Kassenschlager. (AR)

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