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Das Ende des Magnortöters

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Nr. 282

Das Ende des Magnortöters

Rebellion gegen den Imperator ­Freunde werden zu Feinden

von H.G. Francis

Das Große Imperium der Arkoniden kämpft erbittert um seine bloße Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen.

Gegen diese inneren Feinde ist der Kristallprinz Atlan, der rechtmäßige Thronerbe von Arkon, mit seinen inzwischen rund 14.000 Helfern bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Seine geheime Zentrale, von der die meisten Aktionen gegen Orbana­schol ihren Anfang nehmen, ist Kraumon. Auch auf diesem abgelegenen Planeten ist inzwischen bekannt, daß Orbanaschols Position immer unhaltbarer wird. Daher rech­net sich Atlan längst eine reelle Chance aus, den Usurpator zu stürzen.

Um dieses Zieles willen hatte Atlan ein Spiel mit höchstem Einsatz begonnen – und verloren, ohne allerdings sein Leben einzubüßen, wie es üblicherweise das Schicksal der Unterlegenen in den Amnestie-KAYMUURTES zu sein pflegt.

Wieder nach Kraumon zurückgekehrt, erwächst dem Kristallprinzen in Klinsanthor, dem Magnortöter, ein unerwarteter Helfer.

In der Person des KAYMUURTES-Siegers, die der Magnortöter übernommen hat, beteiligt Klinsanthor sich an einer Verschwörung gegen Orbanaschol. Doch diese Verschwörung bewirkt nicht den Tod des Usurpators, sondern DAS ENDE DES MA-GNORTÖTERS …

3 Das Ende des Magnortöters

Die Hautpersonen des Romans:Lebo Axton - Ein Terraner im alten Arkon.Gentleman Kelly - Axtons Roboter erhält neue Beine.Orbanaschol III. - Der Imperator soll gestürzt werden.Klinsanthor - Der Magnortöter im Körper des KAYMUURTES-Siegers.Avrael Arrkonta - Axtons Freund und Helfer.Ertrapp Quartantat - Chef der Macht der Sonnen.

1.

»Süßer. Huhuuu! Aufstehen!« Lebo Axton schreckte hoch. Verwirrt sah

er sich um. Gentleman Kelly beugte sich über ihn.

»Was ist los?« fragte der Terraner. »Aufwachen, Schätzchen. Der Dicke

möchte mit dir reden.« Axton ließ sich stöhnend wieder in die

Kissen fallen. Er fühlte sich müde und zer­schlagen. Gähnend rieb er sich die Augen.

»Wer, zum Teufel, ist der Dicke?« fragte er ärgerlich. »Würdest du dich etwas deutli­cher ausdrücken.«

»Ich spreche von Orbanaschol, dem Impe­rator des arkonidischen Imperiums«, ant­wortete der Roboter würdevoll und trat vom Lager Axtons zurück. »Er hat mir ausgerich­tet, daß du so schnell wie möglich in den Kristallpalast kommen sollst. Er hat etwas mit dir zu besprechen.«

»Und das sagst du erst jetzt!« Der Kos­mokriminalist stieg aus dem Bett und eilte in die Hygienekabine. »Warum kannst du nicht direkter sein, so wie andere Roboter auch?«

Er schnaufte und prustete unter der Du­sche.

»Ich hatte deine gesundheitlichen Interes­sen mit denen des arkonidischen Imperiums abzuwägen«, erwiderte Gentleman Kelly. »Und dabei bin ich zu dem Schluß gekom­men, daß das Imperium ruhig noch etwas warten kann.«

»Manchmal frage ich mich wirklich, ob du noch bei klarem Verstand bist.«

»Du bist sicherlich zu einer für uns beide beglückenden Antwort gekommen«, sagte Kelly, als Axton aus der Kabine zurückkehr­

te und sich ankleidete. Er reichte ihm ein be­scheidenes Frühstück. »Oder nicht?«

»Ich weiß nicht«, entgegnete der Ver­wachsene. »Ich bin mir nur über eines klar. Der Mann, der dich programmiert hat, ist bestimmt nicht allzu lange auf freiem Fuß geblieben.«

»Das entzieht sich meiner Kenntnis, Schätzchen. Allerdings kam der Verschrot­tungsbefehl für mich ziemlich überra­schend.« Axton grinste. Er wußte, daß ein Roboter nicht in dem Sinne »überrascht« sein konnte wie ein Mensch. Er steckte sich eine Waffe ein, nickte Kelly zu und sagte: »Wir gehen.«

Der Roboter kniete sich hin, doch der Ter­raner verzichtete darauf, sich das kurze Stück bis zur Gleiterparknische tragen zu lassen. Er ging voraus. Kelly streckte den Arm über ihn hinweg und öffnete die Tür.

»Hat der Imperator Andeutungen ge­macht, worum es geht?« fragte der Ver­wachsene.

»Nein. Überhaupt keine. Der Kristallmei­ster als Oberaufseher für die Privaträume des Imperators gab nur den Befehl Orbana­schols weiter, ohne diesen näher zu erläu­tern.«

Axton zuckte die Schultern. Er konnte sich denken, um welches Thema es dem Im­perator ging. Dieser hatte vor wenigen Stun­den erst ein Attentat überlebt, das seine bis­herigen Freunde auf ihn ausüben wollten. Der adlige Arkonide Prokasta hatte versucht, ihn durch Mana-Konyr, den KAYMUUR­TES-Sieger, in die Schußlinie eines Gift­pfeilgewehrs zu bringen. Axton hatte buch­stäblich in letzter Sekunde eingreifen kön­nen und dafür gesorgt, daß Prokasta selbst seiner eigenen Falle zum Opfer fiel.

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Es war daher damit zu rechnen, daß Orba­naschol in irgendeiner Weise auf das Atten­tat reagierte.

Gentleman Kelly öffnete auch die Tür zur Parknische. Axton eilte zum Gleiter und wartete darauf, daß Kelly zu ihm aufschlie­ßen würde. In diesem Moment brach eine Flut von warnenden parapsychischen Impul­sen über ihn herein. Seine Extrasinne brüll­ten den Alarm förmlich heraus. Der Terraner schrie unwillkürlich auf. Er preßte sich die Hände gegen den schmerzenden Schädel. Seine Beine gehorchten seinen Befehlen nicht. Wie angewurzelt stand er an der Stel­le. Sein Kopf ruckte herum, und er sah einen klobigen Kampfgleiter, der sich ihm mit Höchstgeschwindigkeit näherte.

Gentleman Kelly gab ihm einen Stoß, der ihn über den Boden bis an den Rand der Par­knische schleuderte. Unter ihm gähnte ein fast vierhundert Meter tiefer Abgrund.

Vor seinen Augen tanzten feurige Kreise. Er konnte nicht mehr klar sehen. Die Im­pulswellen, die von seinem Extrahirn aus­gingen, wurden unerträglich. Axton gelang es nicht, auf die Beine zu kommen. Stöh­nend wälzte er sich auf dem Boden und ver­fluchte die widersinnig erscheinende Ein­richtung seiner Extrasinne, die ihn auf der einen Seite vor einer tödlichen Bedrohung rechtzeitig warnten, dann aber zu einer der­artigen Belastung für ihn wurden, daß er nicht mehr auf diesen Alarm reagieren konn­te.

Er sah den Gleiter vor sich aufwachsen. Nur noch eine winzige Überlebenschance

bot sich ihm. »Kelly«, schrie er mit kreischender Stim­

me. »Rette mich!« Danach wälzte er sich über die Kante der

Parknische und stürzte sich bewußt in die Tiefe. Er sah, daß der Blitz eines Energie­schusses über ihn hinwegzuckte. Er erkannte Gentleman Kelly, der von dem Schuß am Bein getroffen und zurückgeschleudert wur­de. Dann überschlug er sich. Gleiter und Parknische gerieten aus seinem Blickfeld.

Sein Extrahirn, das für Sekundenbruchtei-

H.G. Francis

le geschwiegen hatte, peinigte ihn erneut mit einer Impulswelle von nahezu unerträglicher Intensität. Axton schrie vor Schmerz und Entsetzen, während er immer schneller stürzte. Er preßte die Hände vor das Gesicht, um die Augen zu schützen, und seine ganze Hoffnung richtete sich auf Gentleman Kelly, obwohl er gesehen hatte, daß dieser von ei­nem Energieschuß getroffen worden war. Immer wieder sagte er sich, daß der Roboter ihm nicht mehr helfen konnte, weil er ver­nichtet worden war, und doch war noch Hoffnung in ihm.

Mit allerletzter Kraftanstrengung warf er sich herum, so daß er mit dem Rücken zu­erst in die Tiefe raste. An Farbmarkierungen am Gebäude sah er, daß er nur noch hundert Meter bis zum Aufprall hatte. Ein bizarrer Schatten schoß auf ihn zu. Seine Augen tränten so stark, daß er ihn nicht identifizie­ren konnte.

Doch dann vernahm er eine Stimme. »Warum beeilst du dich so, Schätzchen?«

fragte Gentleman Kelly. »Ich finde nicht, daß das die Art des feinen Mannes ist.«

Er packte Axton und verzögerte mit Hilfe seines Antigravs. Dennoch war der Sturz noch nicht zu Ende. Der Terraner blickte nach unten. Der Boden kam ungeheuer schnell auf sie zu.

Dann erfolgte der Aufprall. Axton glaub­te, daß ihm sämtliche Knochen im Körper zerschmettert würden.

Ächzend und stöhnend richtete er sich schließlich auf. Jede Stelle seines Körpers schmerzte.

»Kelly, was ist mit dir?« fragte er ver­stört.

Von seinem Roboter sah er nur noch Kopf, Arme und Schultern. Der Rest steckte im Grasboden.

»Was sollte mit mir sein?« entgegnete Gentleman Kelly und stemmte sich hoch, so daß sich sein Rumpf aus dem Boden löste. »Ich bin in Ordnung. Allerdings benötige ich jetzt ein neues Bein.«

Er stand auf einem Bein vor Axton und bot einen so komischen Anblick, daß der

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Terraner lachen mußte. »Es wird höchste Zeit, daß ich dir ein paar

neue Beine besorge«, sagte er. »Du siehst aus wie ein einziger Trümmerhaufen.«

Axton blickte nach oben. Dort schwebte noch immer der Kampfgleiter und feuerte aus Energiestrahlern in die Wohnung hinein. Er lächelte. Dort oben schien man noch im­mer nicht bemerkt zu haben, daß er und Kel­ly entkommen waren.

»Weg hier«, befahl er. »So unauffällig wie möglich.«

Er kroch auf den Rücken des Roboters und klammerte sich an diesen, als er an den Grundmauern des Trichterbaus entlang flüchtete, bis man sie vom Kampfgleiter aus nicht mehr sehen konnte. Dann flog Kelly in entgegengesetzter Richtung davon, bis er im Schutz einer Hügelkette in westliche Rich­tung abbiegen und damit den Trichterbau weiträumig umfliegen konnte.

»Wohin?« fragte Kelly. »Zu Avrael Arrkonta«, befahl der Kosmo­

kriminalist. »Anschließend fliegen wir zu Orbanaschol weiter.«

»Warum nicht gleich zu dem Dicken?« fragte Kelly.

»Ich verbiete dir, den Imperator so zu nennen«, schrie Axton wütend.

»Hast du verstanden? Zu diesem Verbot gibt es keine Ausnahme. Niemals und auf gar keinen Fall.«

»Verstanden«, gab Kelly lakonisch zu­rück.

Axton dachte nicht daran, die Scherze mit dem Roboter allzu weit gehen zu lassen. Die Gefahr, daß Orbanaschol zufällig hörte, wie er tituliert wurde, war zu groß.

*

Avrael Arrkonta kam Axton erregt entge­gen, als dieser seine Wohnung betrat.

»Sie leben«, rief er glücklich. »Ich habe versucht, Sie zu erreichen. Man sagte mir, daß Ihre Wohnung vollkommen zerstört worden sei.«

»Ich konnte fliehen«, entgegnete Axton.

Er war froh, daß er die Wohnung des Freun­des erreicht hatte, ohne daß es zu einem wei­teren Zwischenfall gekommen war.

Der Arkonide gab die Anweisung, Axton mit frischen Kleidern und kräftigenden Ge­tränken zu versorgen. Ängstlich besorgt führte er ihn zu einem Sessel, und er bestand darauf, daß Lebo Axton es sich bequem machte.

»Jetzt ist es soweit«, sagte er, nachdem der Verwachsene sich gesetzt hatte. »Die Gegenseite ist zum Angriff übergegangen.«

»Das hat sie schon früher getan«, erwider­te Kennon. »Der Unterschied ist nur, daß man nun mit brutaler Gewalt gegen mich vorgeht, während man es bisher mit Intrigen und Tricks versucht hat.«

»Welche Rolle spielt Mana-Konyr?« frag­te Arrkonta. »Wie ich gehört habe, war er es, der Prokasta hochgehoben und damit in die Schußlinie gehalten hat. Ich verstehe nicht, wie es möglich war, daß er sich Ihrem Befehl beugte. Kennen Sie diesen Mann?«

»Nein. Ich habe ihn nie vorher gesehen. Ich bin ihm zum ersten Mal hier auf Arkon begegnet. Und dennoch habe ich viel von ihm gehört.«

»Das müssen Sie mir erklären.« »In der Gestalt des KAYMUURTES-Sie­

gers leben zwei Persönlichkeiten. Mana-Konyr ist nicht allein in seinem Körper, eine andere Persönlichkeit hat bei ihm Unter­schlupf gesucht und gefunden.«

Avrael Arrkonta blickte Axton verständ­nislos an. Für Arkoniden waren alle para­psychischen Vorgänge so gut wie unbe­kannt.

»Sie sind mein Freund«, sagte der Indu­strielle. »Ich vertraue Ihnen vollkommen. Deshalb darf ich davon ausgehen, daß Sie nicht die Absicht haben, sich einen ge­schmacklosen Scherz mit mir zu erlauben.«

»Sie dürfen, Avrael. Was ich Ihnen gesagt habe, ist die reine Wahrheit.«

»Wer oder was könnte denn in einen an­deren Körper schlüpfen und darin existie­ren?«

»Klinsanthor, der Magnortöter, zum Bei­

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spiel.« Eine Bombe, die plötzlich neben ihnen

explodierte, hätte keine größere Wirkung ha­ben können. Avrael Arrkonta fuhr zurück. Seine Augen weiteten sich. Minutenlang sa­ßen sich die beiden Männer schweigend ge­genüber, während Arrkonta versuchte, mit dem, was er erfahren hatte, fertig zu werden. Er verzichtete auf Fragen, weil er wußte, daß Axton ihm nur wiederholen konnte, was er bisher gesagt hatte. Und er hatte sich dar­an gewöhnt, dem Terraner auch die unge­heuerlichsten Dinge zu glauben. Alles, was Axton ihm erzählt hatte, hatte sich bewahr­heitet.

»Wieso bleiben Sie so ruhig?« fragte Arr­konta schließlich. »Die Begegnung mit dem Magnortöter muß Sie doch aufgewühlt ha­ben. Sie müssen maßlos überrascht gewesen sein.«

Lebo Axton berichtete, wie seine Begeg­nungen mit Mana-Konyr und Klinsanthor verlaufen waren. Doch danach war Arrkonta noch verwirrter als vorher.

»Wer hat sich Ihnen schließlich ge­beugt?« fragte er. »War es Mana-Konyr oder war es der Magnortöter, der Orbana­schol hochgehoben hat?«

»Ich kann Ihnen darauf keine schlüssige Antwort geben«, erwiderte der Terraner. »Ich weiß es selbst nicht. Ich kann nur ver­muten, daß es Mana-Konyr gewesen ist, denn er hat ja ein Interesse daran, mit Hilfe Orbanaschols soviel Ruhm und Geld wie nur möglich einzuheimsen. Ich glaube nicht, daß er wußte, was geschehen würde, als er schließlich Prokasta hochhob. Der Magnor­töter aber hat dem Imperator Rache ange­droht. Er hätte ihm nicht das Leben gerettet, sondern ihn umgebracht.«

Axton hob die Arme. »Aber das alles sind Vermutungen. Ich

kann nicht mehr sagen, bevor ich nicht mit Mana-Konyr oder dem Magnortöter gespro­chen habe.« Er zeigte auf das Videogerät. »Entschuldigen Sie mich. Ich muß den Im­perator benachrichtigen.«

Axton ging zum Gerät und rief Orbana-

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schol an. Der Imperator meldete sich sofort. Überrascht blickte er den Kosmokriminali­sten an.

»Man hat mir gesagt, daß Sie ermordet worden sind«, eröffnete er das Gespräch.

»In diesen Zeiten wird viel behauptet, was nicht richtig ist«, erwiderte Axton lächelnd. »Ich lebe. Ich bin den Attentätern entkom­men. Jetzt bin ich auf dem Weg zu Ihnen.«

»Beeilen Sie sich. Ich muß mit Ihnen re­den.«

»Ich werde in einigen Minuten bei Ihnen sein«, versprach Axton. Er schaltete ab, als er sah, daß der Imperator sich abwandte.

»Was passiert jetzt?« fragte Arrkonta. »Der Endkampf hat begonnen«, antworte­

te der Terraner: »Ein Zurück gibt es nicht mehr.«

Orbanaschol meldete sich erneut. »Warten Sie«, befahl er. »Ich werde Sie

abholen lassen. Ich werde Sie nicht allein fliegen lassen. Wo sind Sie?«

Axton behagte es nicht, daß er Namen und Adresse von Avrael Arrkonta angeben sollte, weil er nicht wußte, ob die Männer, die Orbanaschol schicken wollte, zuverläs­sig waren. Die Gefahr, daß auch sie zur Ver­schwörung gehörten, war groß. Dennoch konnte Axton nicht ablehnen. Er sagte Orba­naschol, wo er war.

»Das gefällt mir nicht«, murmelte er, als Orbanaschol abgeschaltet hatte.

»Fürchten Sie – eine Verhaftung?« fragte der Arkonide.

Axton schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein. Niemandem vertraut Orbanaschol

zur Zeit mehr als mir. Aus dieser Richtung droht keine Gefahr. Aber bisher ist es uns gelungen, Sie weitgehend im Hintergrund zu halten. Und es wäre gut, wenn es auch wei­terhin so bliebe. Immerhin kommen die Mit­glieder der Macht der Sonnen aus den reichsten und mächtigsten Kreisen der arko­nidischen Gesellschaft. Nun, Avrael, Sie ge­hören auch zu dem Kreis derer, die im Impe­rium über Macht und Einfluß verfügen. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn man sich früher oder später an Sie wenden und

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für die Organisation der Orbanaschol-Geg­ner werben würde.«

»Ich bin ein Gegner dieses Imperators!« »Ich weiß, aber Sie sind kein Freund de­

rer, die zur Macht der Sonnen gehören. Sie gehen nicht mit deren politischen Zielen konform. Sie wollen Atlan auf dem Thron sehen. Gerade das aber wollen die anderen verhindern. Wenn sie nun erfahren, daß wir gute Freunde sind, dann bin nicht nur ich in Gefahr. Sie sind es auch.«

Avrael Arrkonta verzog geringschätzig die Lippen.

»Das läßt sich dann nicht mehr ändern«, erwiderte er. »Ich fürchte mich vor diesen Leuten nicht.«

»Nun gut«, sagte Axton. »Ich bewundere Ihren Mut. Darf ich Ihr Video benutzen? Ich möchte ein paar Informationen einholen, be­vor meine Leibgarde hier ist.«

»Selbstverständlich.« Axton schaltete das Gerät ein und führte

eine Reihe von Gesprächen. Die überwie­gende Zahl seiner Gesprächspartner gehörte zur Organisation Gonozal VII. Arrkonta saß schweigend dabei und hörte zu. Axton hatte nichts dagegen einzuwenden, denn vor dem Freund hatte er keine Geheimnisse. Nach et­wa einer halben Stunde kam ein Roboter herein und brachte zwei neue Beine für Gentleman Kelly. Dieser nahm sie entgegen und montierte sie sich selbst an.

Inzwischen erfuhr Axton, daß Mana-Konyr verhaftet worden war. Der KAYMU­URTES-Sieger saß im berüchtigten Tekayl-Gefängnis.

»Damit war zu rechnen«, kommentierte Axton diese Nachricht.

»Wie will Orbanaschol das der Öffent­lichkeit klarmachen?« fragte Arrkonta. »Mana-Konyr ist ein ausgesprochener Publi­kumsliebling. Die wahren Zusammenhänge des Attentats sind noch nicht bekannt. Ich fürchte, die Öffentlichkeit wird empört rea­gieren. Die Schwierigkeiten Orbanaschols werden nun doch größer werden.«

»Davon bin ich auch überzeugt.« Ein Bediensteter kam herein und meldete,

daß ein Kampfgleiter mit vier Männern ein­getroffen war, um Axton abzuholen. Arr­konta und der Verwachsene reichten sich die Hände.

»Hoffen wir, daß alles gutgeht«, sagte der Arkonide.

»Es wird«, entgegnete der Kosmokrimi­nalist. Er stieg auf den Rücken Kellys und ließ sich von ihm aus dem Salon tragen. Arr­konta blieb zurück.

Axton-Kennon horchte aufmerksam in sich hinein. Er wartete darauf, daß sein neu­erwachtes Extrahirn warnende Impulse ab­geben würde. Wenn einer der Männer im Gleiter ein Verräter war, dann mußten die Sondersinne eigentlich ansprechen, sagte er sich. Doch alles blieb ruhig. Nichts verän­derte sich. Auch als der Verwachsene die Maschine erreichte und bestieg, sendete sein Sonderhirn keine Impulse aus.

Beruhigt ließ Axton sich in die Polster sinken. Er sprach kein Wort mit den Män­nern und begrüßte sie nur, indem er leicht mit dem Kopf nickte. Sie erwarteten es nicht anders.

Mit hoher Geschwindigkeit raste der Kampfgleiter zum Kristallpalast.

»Wir führen Sie direkt zum Imperator«, erklärte der ranghöchste der Wächter, als Axton ausgestiegen und auf den Rücken Kellys gestiegen war. Axton nickte wieder­um.

Auf bekanntem Wege ging es hin zu den Privaträumen des Imperators. Überall sah der Kosmokriminalist Wachen stehen, deren Zahl nach seinen Schätzungen etwa ver­zehnfacht worden war. Darüber hinaus schirmte jedoch auch eine ungewöhnlich ho­he Zahl von Kampfrobotern den Imperator ab. Die Privaträume Orbanaschols glichen einer Festung, die unter den gegebenen Um­ständen als uneinnehmbar angesehen werden mußte.

Axton wurde direkt in den großen Salon zu Orbanaschol geführt. Die Wachen blie­ben an der Tür zurück. Und dann war der Terraner mit Orbanaschol allein.

Der Imperator hatte sich erschreckend

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verändert. Sein feistes Gesicht war fahl. Un­ter den Augen hatten sich Tränensäcke ge­bildet. Das schüttere Haar hing ihm wirr über die Stirn herab. Namenlose Angst zeichnete das Gesicht des Imperators, der nie Skrupel gekannt hatte, wenn es darum gegangen war, Gegner zu vernichten.

Orbanaschol trug einen blauen Umhang, den er mit einem Gürtel zusammenhielt. Sei­ne Füße waren nackt. Zwei Energiestrahler lagen vor ihm auf dem Tisch, und ein weite­rer war in den Falten seines Sessels verbor­gen.

»Axton«, sagte er mit heiserer Fistelstim­me. »Wem außer Ihnen soll ich noch ver­trauen? Sie alle haben mich verraten und verlassen. Ausgerechnet jene, die ich mit Reichtümern überhäuft habe, stellen sich nun gegen mich.«

»Das ist wahr«, entgegnete der Kosmokri­minalist. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel. Selbst das sonst so nervöse linke Lid blieb ruhig. Axton wußte, daß er sich selbst dann nicht gehen lassen durfte, wenn Orbanaschol ihn nicht ansah. Versteckte Ka­meras beobachteten jeden Besucher, und manch Heuchler war Orbanaschol schon in die Falle gegangen, weil er geglaubt hatte, hinter dem Rücken des Imperators feixen zu können. Jedes noch so kleine Lächeln, jede noch so sparsame Geste, die im Wider­spruch zu den Worten stand, die über die Lippen der Besucher kamen, konnte verräte­risch sein. Orbanaschol ließ die aufgezeich­neten Filme kontrollieren. Und bei wichti­gen Begegnungen sah er sie sich selbst an. Bewußt führte er seine Besucher in Situatio­nen, in denen sie sich leicht verraten konn­ten. Seine elektronischen Augen waren über­all. Doch das wußte Axton seit langem, und deshalb verhielt er sich entsprechend.

»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, ge­stand Orbanaschol ein. »Wem soll ich ver­trauen? Wem kann ich Befehle geben, und bei wem kann ich sicher sein, daß sie auch ausgeführt werden?«

Lebo Axton blickte Orbanaschol for­schend an.

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»Ihre Unsicherheit ist leider berechtigt«, sagte er. »Es gibt nun keinen Zweifel mehr daran, daß eine Revolte unmittelbar bevor­steht.«

»Von wem geht sie aus?« fragte der Im­perator erregt. »Steckt Frantomor dahinter?«

Axton schüttelte lächelnd den Kopf. »Frantomor ist ein nicht sonderlich fähi­

ger Mann, Imperator«, erwiderte er. »Es wi­derstrebt mir, so etwas über meinen Vorge­setzten zu sagen, aber ich fühle mich ver­pflichtet, bei der Wahrheit zu bleiben.«

»Frantomor ist ein Trottel«, erklärte Orba­naschol mühsam grinsend.

»Er gehört aber mit Sicherheit nicht zu je­nen, die sich gegen Sie erheben wollen«, fuhr der Kosmokriminalist fort.

»Sind es denn wirklich meine ehemaligen Freunde?« fragte Orbanaschol mit tonloser Stimme. »Sind es wirklich jene, die durch mich reich und mächtig geworden sind? Ist es wirklich wahr, daß sie mich absetzen und durch einen anderen ersetzen wollen?«

»Es ist wahr.« Der Imperator schüttelte hilflos den Kopf. Axton beobachtete ihn scharf. Er wußte,

daß jetzt die Entscheidung fallen mußte. Dies war die wichtigste Attacke, die der Ter­raner je gegen den Imperator geführt hatte.

»Das Attentat war ein überaus deutliches Zeichen«, erklärte er ruhig. Er sprach betont langsam, um jedes Wort wirken zu lassen. »Wäre es geglückt, dann hätte Arkon jetzt schon einen neuen Imperator. Prokasta war ihr Freund. Er war ein Mann, der durch Sie reich geworden ist. Das Industrieimperium, das er mit Ihrer Hilfe geschaffen hat, steht an zwanzigster Stelle der größten Unterneh­men des Imperiums. Prokasta war eine der führenden Persönlichkeiten jener Gruppe, die sich Macht der Sonnen nennt.«

»Aber warum?« fragte Orbanaschol, der die Wahrheit offenbar nicht sehen wollte.

»Weil Ihre Freunde um Macht und Ein­fluß fürchten. Das Unglück hat Sie in letzter Zeit verfolgt, Imperator«, antwortete Axton. »Intrigen und das Ungeschick einiger Ihrer Mitarbeiter haben zu einem fast katastropha­

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len Verlust Ihres Ansehens geführt. Nun fürchten Ihre Freunde, daß Sie abgelöst und durch einen Mann ersetzt werden, der mit ihnen nicht einverstanden ist. Deshalb wol­len sie Sie selbst absetzen und jemanden an Ihre Stelle schieben, der das tut, was sie ver­langen.«

Orbanaschol schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch. Sein Gesicht rötete sich. Die Augen tränten vor Erregung.

»Ich kann meine Freunde nicht hinwegfe­gen«, brüllte er verzweifelt. »Verstehen Sie denn nicht, Axton? Ich kann mich nicht von ihnen trennen. Meine Freunde sind die Basis meiner Macht. Ohne sie bin ich nichts.«

Das brauchst du mir nicht zu sagen dach­te Axton.

Diese Tatsache war entscheidend dafür, daß er den Kampf gegen die Freunde Orba­naschols überhaupt aufgenommen hatte. Er wollte und mußte das Machtgebilde Orbana­schols zerbrechen. Wenn er die Freunde Or­banaschols entmachtete und aus der Nähe des Imperators entfernte, dann war der Im­perator selbst auch entmachtet, und damit waren ideale Voraussetzungen für Atlan ge­geben. Das war das Ziel des Terraners. Er wollte Atlan den Weg nach Arkon ebnen.

»Machen Sie bitte nicht den Fehler, anzu­nehmen, daß es alle Ihre Freunde sind, die sich gegen Sie gestellt haben«, sagte Axton. »Es sind nur einige. Und diese gilt es zu be­kämpfen.«

Orbanaschol hob hoffnungsfroh den Kopf. Er klammerte sich an den kleinen Trost, den der Kosmokriminalist ihm gebo­ten hatte.

»Nur einige?« Er lächelte zaghaft. »Das würde bedeuten, daß ein neuer Anfang mög­lich ist?«

»Selbstverständlich«, erwiderte der Ver­wachsene. »Die Schwierigkeit ist nur, her­auszufinden, welche Ihrer Freunde nach wie vor treu sind und welche zu Verrätern ge­worden sind.«

Orbanaschol beugte sich vor und krallte seine Hand um den Arm Axtons, so daß die­ser vor Schmerz zusammenzuckte.

»Sie müssen es klären«, sagte er be­schwörend. »Sie müssen eindeutig feststel­len, wer beseitigt werden muß und wer nicht. Ich gebe Ihnen jede Vollmacht. Nur tun Sie etwas, um diesen Spuk zu beenden. Schießen Sie meinetwegen jeden, der Ihnen verdächtig vorkommt, über den Haufen. Sie haben meine volle Unterstützung. Selbst wenn Sie sich einmal irren sollten, werde ich Ihnen keinen Vorwurf machen.«

Lebo Axton hatte Mühe, sich nicht an­merken zu lassen, wie sehr ihn diese Worte Orbanaschols anwiderten, zeigten sie ihm doch, wie gewissenlos dieser Mann war.

»Haben Sie schon eine Idee, Axton, wie Sie es machen werden? Sagen Sie mir, wie Sie die Verräter entlarven wollen.«

Axton zuckte mit den Schultern. »Es tut mir leid. Vorläufig habe ich nicht

die geringste Vorstellung. Ideal wäre es na­türlich, wenn ich bei irgendeinem der Verrä­ter eine Liste ausgraben könnte, in der alle Mitglieder der Macht der Sonne enthalten sind. Vielleicht kann ich auch einen Ihrer Feinde mit speziellen Mitteln verhören, so daß er mir berichtet, was ich wissen will.«

»Tun Sie das!« forderte der Imperator. »Tun Sie das.«

»Ich werde mir etwas einfallen lassen«, versprach der Verwachsene. »Wenn ich Ihre Gegner identifiziere, Imperator, dann muß es zweifelsfrei sein. Dann müssen die Be­weise so erdrückend sein, daß niemandem noch Ausflüchte bleiben.«

»Ich vertraue Ihnen«, erklärte Orbana­schol, und er versuchte ein wohlwollendes Lächeln. Es wurde jedoch eine Grimasse daraus, die Axton abstieß. »Es wird Ihr Schaden nicht sein, wenn Sie Erfolg haben.«

»Es geht mir nicht um den Lohn«, entgeg­nete der Verwachsene. »Ich hasse Verrat. Das ist alles.«

Orbanaschol erfaßte den doppelten Sinn dieser Worte nicht. Er nickte Axton aner­kennend zu und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

»Ich muß etwas essen«, sagt er und zeigte damit an, daß er dabei war, seine Krise zu

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bewältigen. »Haben Sie auch Hunger?« »Danke, Nein.« »Von nun an werde ich Sie ständig bewa­

chen lassen. Ich will nicht, daß mein fähig­ster und treuester Mitarbeiter – und viel­leicht sogar Freund – hinterrücks ermordet wird.«

»Ich bin einverstanden. Allerdings werde ich mir erlauben, meine Wächter unter be­stimmten Bedingungen wegzuschicken, falls meine besonderen Fahndungsmethoden et­was Derartiges verlangen.«

Orbanaschol war auch damit einverstan­den. Er bestellte sich etwas zu essen. Seine Diener schienen nur auf einen solchen Be­fehl gewartet zu haben. Sie schoben Anti­gravplatten herein, die mit erlesenen Speisen hoch bepackt waren.

»Ich habe gehört, daß Sie Mana-Konyr haben verhaften lassen«, sagte Axton.

»Allerdings. Ich werde diesen Verräter hinrichten lassen. Nicht nur, daß er mich hat lange warten lassen. Er war auch an dem At­tentat beteiligt.«

»Daß er so spät gekommen ist, das sollte er klären. Am Attentat aber hat er sich wis­sentlich bestimmt nicht beteiligt.«

Orbanaschol stopfte sich ein großes Stück Fleisch in den Mund.

»Wie kommen Sie darauf?« fragte er mit kaum verständlicher Stimme.

»Sie waren von Leibwachen umgeben. Je­der dieser Wächter hätte Mana-Konyr auf der Stelle erschossen, wenn das Attentat ge­glückt wäre. Darüber wäre sich der KAY­MUURTES-Sieger klar gewesen, wenn er gewußt hätte, warum er Sie wirklich hoch­heben sollte. Ich glaube, daß die Macht der Sonnen ihn gewählt hat, weil er kein großer Verlust für sie gewesen wäre.«

Orbanaschol wurde nachdenklich, gab seinen Widerstand aber noch nicht auf.

»Nutzen Sie die Popularität Mana-Konyrs für sich«, empfahl Axton eindringlich. »Noch ist es nicht zu spät. Noch ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt, daß er verhaf­tet worden ist. Wenn die Presse die Nach­richt verbreitet, könnten die Massen dadurch

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so aufgebracht werden, daß es zu einer offe­nen Rebellion kommt. Diese Gefahr ist ge­geben, und Ihre Gegner wissen das auch. Sie könnten sich zu einem sofortigen Angriff entschließen, und dann ist es vielleicht zu spät für uns.«

Orbanaschol fluchte unflätig. Er packte eine Frucht und schleuderte sie ärgerlich auf den Boden. Heftig nach Atem ringend saß er in seinem Sessel.

»Also gut«, stimmte er endlich hinzu. »Reden Sie mit Mana-Konyr. Er befindet sich im Tekayl-Gefängnis. Berichten Sie mir dann, ob wir mit ihm noch etwas anfangen können. Wenn ich ihn freilasse, dann nur unter der Bedingung, daß er für mich kämpft.«

Axton erhob sich. »Ich danke Ihnen, Imperator«, sagte er

und verabschiedete sich.

2.

Gemischte Gefühle beherrschten den Ter­raner, als er den Kristallpalast verließ. Er sah der Begegnung mit dem KAYMUUR­TES-Sieger durchaus nicht mit reiner Freude entgegen.

Würde er mit Mana-Konyr sprechen? Oder würde Klinsanthor, der Magnortöter, die Oberhand haben? Nur ungern erinnerte sich Axton daran, wie es ihm ergangen war, als er Klinsanthor zum ersten Mal begegnet war. Die parapsychische Ausstrahlung des Magnortöters war so intensiv gewesen, daß sie ihn fast ausgelöscht hätte.

Begleitet von zwei Kampfgleitern, die mit Sonderwachen besetzt waren, erreichte der Kosmokriminalist das Tekayl-Gefängnis, das als sicherstes Verlies des Imperiums galt. Für Axton war diese Festung allerdings nicht unüberwindlich gewesen. Doch daran dachte er nicht, als er im Antigravschacht nach unten sank und von zwei Wächtern zu der Zelle geführt wurde, in der der KAY­MUURTES-Sieger saß.

Je näher er ihr kam, desto deutlicher warnten ihn die Impulse, die von seinem

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Sonderhirn ausgingen. Die Alarmzeichen wurden jedoch nicht so intensiv, daß sie un­erträglich für ihn wurden. Daher sah er kei­nen Grund, umzukehren.

Er blieb auf dem Rücken Kellys, als sich die Zellentür öffnete. Mana-Konyr erhob sich von der gepolsterten Bank, auf der er gesessen hatte. Er blickte Axton forschend an.

»Was wollen Sie von mir?« fragte er, nachdem sich die Tür hinter ihm und Kelly geschlossen hatte.

Der Terraner stellte fest, daß das Bewußt­sein von Mana-Konyr überwog. Und er war enttäuscht. Erst jetzt wurde ihm klar, daß er gar nicht die Absicht gehabt hatte, den KAYMUURTES-Sieger zu sprechen. Er suchte die Begegnung mit dem Magnortöter!

Axton-Kennon gab dem Roboter ein Zei­chen, und dieser hob ihn auf einen Hocker, den er sonst mühsam hätte erklettern müs­sen.

»Dies ist nicht gerade die Umgebung, die sich ein KAYMUURTES-Sieger bei seinem Einzug in Arkon als Residenz vorgestellt hat«, sagte er spöttisch.

Das Gesicht Mana-Konyrs wurde starr wie eine geschliffene Maske. Plötzlich wur­de alles anders. Axtons Sonderhirn meldete sich mit schmerzhaft harten Impulswellen. Der Mann vor seinen Augen schien in einen dunklen Nebel zurückzuweichen, und dann war da plötzlich das Bewußtsein von Klinsanthor. Axton spürte es so deutlich, daß ihm niemand mehr sagen mußte, was geschehen war. Der Magnortöter hatte sich an die Oberfläche gearbeitet. Er hatte das Bewußtsein Mana-Konyrs durchbrochen und selbst die Herrschaft über Körper und Geist übernommen.

Axtons Blicke klärten sich wieder. Die warnenden Impulse ebbten ab, verschwan­den jedoch nicht ganz.

Das Gesicht des Mannes, der Axton ge­genüberstand, hatte sich verändert. Es war noch klarer, noch straffer geworden. Die Augen ließen den Kosmokriminalisten nicht mehr los.

»Sie haben mich um die Chance gebracht, den Imperator zu töten«, klang es in Axton auf. Unwillkürlich hob der Verwachsene die Hände, als wolle er Klinsanthor abwehren. »Ich bin nach Arkon gekommen, um den Verräter zu richten. Ich war nahe an meinem Ziel. Sie haben verhindert, daß ich es er­reichte.«

»Es mußte sein«, antwortete der Terraner laut. Er wurde sich dessen zunächst gar nicht bewußt, daß diese Worte über seine Lippen kamen. Erst als er sah, wie sich die Lippen seines Gegenübers zu einem leichten Lä­cheln verzogen, wurde ihm klar, daß es ge­nügt hätte, diese Worte einfach nur konzen­triert zu denken, um sich Klinsanthor mitzu­teilen.

»Jetzt weiß ich es«, erwiderte der Magn­ortöter, nachdem fast drei Minuten verstri­chen waren. »Sie bereiten Atlan den Weg. Sie sympathisieren mit dem Kristallprinzen. Sie arbeiten hier auf Arkon für ihn.«

»Und wenn es so wäre?« Axton paßte sich nun der lautlosen Verständigung an. Sie hatte den außerordentlichen Vorteil, daß sie nicht abgehört und aufgezeichnet werden konnte. Er fügte laut ein paar belanglose Sätze hinzu, die für eventuelle Lauscher ge­dacht waren.

»Warum weichen Sie mir aus?« fragte der Magnortöter telepathisch. »Mich brauchen Sie nicht zu fürchten. Sie wissen nun, daß ich hier bin, weil ich Orbanaschol vernich­ten will. Man nennt mich den Magnortöter.«

»Ich weiß«, erwiderte Axton auf dem gleichen Weg. »Ich habe es von Anfang an gewußt, als wir den ersten Kontakt mitein­ander hatten, der mich fast umgebracht hät­te.«

»Sie haben Energie«, erklärte Klinsanthor rätselhaft. »Das ist es, was ich benötige. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Meine Existenz nähert sich ihrem Ende. Nur Sie können mich noch für einige Zeit erhalten. Ich weiß, daß Sie ein Freund Atlans sind.«

»Sie haben mit Atlan gesprochen?« »Das habe ich.« »Berichten Sie«, forderte Axton. Klinsan­

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thor zögerte nicht. Er übermittelte Axton te­lepathisch Eindrücke von seiner Begegnung mit Atlan. Dabei spielte er das Spiel, das Axton begonnen hatte, mit. Hin und wieder streute er laut einige Worte ein, aus denen sich für eventuelle Beobachter ein Dialog zwischen ihm, dem KAYMUURTES-Sie­ger, und Axton entwickelte.

Der Terraner war fasziniert. Jetzt wußte er, daß seine Arbeit nicht umsonst gewesen war. Atlan war auf dem Weg zum Zentrum des Imperiums.

Längst hatten sich alle Furchtgefühle vor dem Magnortöter verflüchtet. Sein Sonder­hirn schwieg.

»Wird Atlan bald kommen?« fragte Ax­ton lautlos, als er den Bericht gehört hatte.

»Er wird bald hier sein«, antwortete Klinsanthor. »Je mehr Sie Orbanaschol schwächen, desto besser für Atlan.«

»Die Zeit wird knapp«, erklärte der Kos­mokriminalist. »Gegenkräfte machen sich bemerkbar. Sie könnten im letzten Moment Atlan daran hindern, die Macht zu überneh­men.«

Der Magnortöter schwieg. Axton konzen­trierte sich auf ihn und versuchte, ihn zu er­reichen, aber lange Minuten verstrichen, in denen kein telepathischer Impuls kam und ihm anzeigte, daß Klinsanthors Bewußtsein noch da war.

»Meine Kräfte lassen nach«, wisperte es schließlich in Axton.

»Ich werde Sie aus dem Gefängnis ho­len«, versprach der Terraner. »Ich brauche Sie, denn Sie müssen mir helfen.«

»Mana-Konyr kommt«, sagte Klinsanthor warnend. »Er wird immer stärker. Er drängt sich nach vorn. Gehen Sie, bevor er zu stark wird. Gehen Sie!«

Axton stieg vom Hocker direkt auf den Rücken Kellys.

»Ich komme wieder«, erklärte er laut und verließ die Zelle. Der vorgespielte Dialog zwischen ihm und Mana-Konyr hatte kein greifbares Ergebnis gebracht.

Die Tür fiel hinter ihm zu. Axton wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war mü-

H.G. Francis

de und erschöpft. »Zurück zum Imperator«, befahl er.

*

Orbanaschol war nicht allein, als Axton bei ihm eintrat. Kethor Frantomor war bei ihm. Er war jedoch erst kurz vorher einge­troffen, so daß er noch keine Gelegenheit gehabt hatte, einen umfassenden Bericht über seine Arbeit abzugeben. Mehr als ein­leitende Bemerkungen hatte er noch nicht gemacht. Das merkte der Kosmokriminalist, als sich der Imperator ihm zuwandte.

»Frantomor ist der Ansicht, daß der große Schlag von Seiten der Macht der Sonnen un­mittelbar bevorsteht. Er glaubt, daß meine Feinde sogar noch heute oder morgen zu­schlagen werden.«

Frantomor begrüßte Axton. Der Geheim­dienstchef verhielt sich fast unterwürfig ihm gegenüber. Seine Blicke hingen an den Lip­pen des Verwachsenen, und sobald Axton etwas sagte, nickte er zustimmend und wandte sich mal beifallheischend an ihn, mal an Orbanaschol.

»Die Lage ist trügerisch ruhig«, gab Ax­ton zu. »Lassen wir uns nicht täuschen. Ich bin überzeugt davon, daß unsere Gegner zur Zeit alles andere als ruhig sind, sondern ihre Vorbereitungen in fieberhafter Eile treffen.«

»Tun Sie doch etwas«, forderte Orbana­schol mit schriller Stimme. Tränen der Erre­gung quollen ihm aus den Augen. »Warum sitzen Sie hier herum und unternehmen nichts?«

»Wir tun ja etwas«, entgegnete Frantomor beschwörend.

»Das Hauptproblem ist, die Mitglieder der Macht der Sonnen zu identifizieren«, fügte Axton hinzu. Er lächelte kaum merklich, denn plötzlich wurde ihm bewußt, wie sich die Machtverhältnisse innerhalb des Ge­heimdiensts verschoben hatten. Frantomor war dem Rang und dem Namen nach noch Chef des Geheimdienstes. Die Macht aber war seinen Händen entglitten. Sie lag nun in Axtons Händen. Frantomor tat, was er woll­

13 Das Ende des Magnortöters

te. »Was haben Sie unternommen?« fragte

Orbanaschol den Geheimdienstchef. »Ich habe mit meinen Männern die Woh­

nung und die Büros von Prokasta unter­sucht«, antwortete Frantomor. »Die Spezia­listen haben alle Winkel umgekrempelt. Ih­nen ist nichts entgangen.«

Er blickte Axton an. »Wir haben Ihre Spuren gefunden«, er­

klärte er. »Dann sind Sie nun hoffentlich davon

überzeugt, daß ich triftige Gründe hatte, ge­gen Prokasta vorzugehen«, erwiderte Axton spöttisch.

»Ich wollte keine Kritik üben«, sagte Frantomor hastig. Er preßte die Lippen zu­sammen und wurde unsicher.

»Na und? Was ist dabei herausgekom­men?« fragte Orbanaschol ungeduldig. »Nun reden Sie endlich.«

»Wir sind auf eindeutige Beweise der Schuld Prokastas gestoßen«, berichtete der Geheimdienstchef eilfertig. »Unter anderem haben wir einen Raum entdeckt, in dem Kar­teiunterlagen der Organisation der Macht der Sonnen vorhanden waren.«

»Was ist passiert?« fragte Axton mit schneidend scharfer Stimme, als Frantomor nicht fortfuhr.

»Einer meiner Spezialisten hat einen Feh­ler gemacht«, gestand Frantomor zögernd ein.

»Der Raum war abgesichert«, behauptet Axton. »Ihre Männer waren unvorsichtig ge­nug, sich gleich auf die Kartei zu stürzen, anstatt die Sicherungsanlagen auszuschalten. Die gesamten Unterlagen wurden durch ein Feuer vernichtet.«

»Durch ein Säurebad«, korrigierte Franto­mor kläglich. Er wagte es nicht, Axton oder Orbanaschol anzusehen.

»Sie Trottel«, sagte der Imperator mit zornbebender Stimme. »Wie konnte ich nur einen derartigen Versager wie Sie in ein der­art wichtiges Amt erheben?«

»Meine Männer waren übereifrig«, vertei­digte Frantomor sich. »Ich selbst war nicht

dabei, sonst wäre dies kaum passiert. Den­noch trage ich natürlich die Verantwortung dafür.«

»Es waren also alle Unterlagen über die Macht der Sonnen vorhanden? Damit hätten wir sämtliche Mitglieder dieser verräte­rischen Organisation erfassen und identifi­zieren können?«

»So ist es.« Frantomor war am Ende sei­ner Kraft. Er saß wie ein Häuflein Elend ne­ben Axton.

»Ich sollte Sie erschießen lassen«, sagte Orbanaschol. Er sprang auf und stürzte sich auf den Geheimdienstchef, um ihm die Faust ins Gesicht zu schlagen. Er ließ danach je­doch sofort wieder von ihm ab und eilte flu­chend im Raum auf und ab. Schließlich blieb er vor Frantomor stehen, schüttelte verzweifelt den Kopf und setzte sich wieder.

»Ich war überzeugt davon, daß ich an­schließend an diese Besprechung mit einer großen Säuberungsaktion beginnen konnte«, eröffnete er Axton.

»Was hatten Sie vor, Imperator?« »Ich war entschlossen, einige Sonderkom­

mandos zusammenzustellen und die Mitglie­der der Organisation erschießen zu lassen.«

Axtons Gesicht blieb so unbewegt wie vorher, obwohl ihm vor Entsetzen und Ab­scheu der Atem stockte. Er wußte, daß Or­banaschols Worte ernst gemeint waren. Wenn er so etwas sagte, dann hatte er tat­sächlich daran gedacht, Killerkommandos abzukommandieren und alle zu ermorden, die er für hinreichend verdächtig hielt.

»Dann ist das Ergebnis dieser von Ihnen so gepriesenen Aktion also gleich null«, stellte Orbanaschol III. sarkastisch fest.

»Ich muß leider zugeben, daß es so ist«, erwiderte Frantomor nach einiger Zeit, nach­dem der Imperator nicht fortgefahren war und auch Axton das Wort nicht ergriffen hatte.

»Unter diesen Umständen habe ich es nicht leicht mit meiner Empfehlung«, sagte der Kosmokriminalist, nachdem Orbana­schol Frantomor wutentbrannt hinausge­schickt hatte.

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»Sie wollen, daß ich Mana-Konyr freilas­se?«

»Sie müssen. Es bleibt Ihnen keine andere Wahl. Aber nicht nur das. Sie müssen sogar noch einmal mit ihm zusammen auf einer Festveranstaltung erscheinen.«

»Auf gar keinen Fall«, lehnte der Impera­tor kategorisch ab. »Das eine Attentat ge­nügt mir. Glauben Sie, ich würde ein solches Risiko noch einmal eingehen?«

»Jede Blöße, die Sie sich jetzt geben, wird von der Öffentlichkeit als Schwäche ausge­legt werden. Die Tatsache, daß man versucht hat, Sie zu ermorden, dürfte mittlerweile im ganzen Imperium bekannt sein. So etwas spricht sich schnell herum. Deshalb wartet man jetzt darauf, daß Sie eine Schwäche zei­gen. Sie stehen im Mittelpunkt des Gesche­hens. Man blickt auf Sie, und Sie könnten Ihren Gegnern keinen besseren Gefallen tun, als die Öffentlichkeit zu scheuen.«

»Warum zusammen mit Mana-Konyr?« Axton lächelte. Er antwortete verschmitzt:

»Um aller Welt zu zeigen, daß an diesem dummen Gerücht, der KAYMUURTES-Sie­ger sei verhaftet worden, überhaupt nichts dran ist.«

3.

Die Vorbereitungen liefen auf Hochtou­ren. Mana-Konyr wurde aus dem Tekayl-Gefängnis entlassen. Damit hatte Axton nicht direkt etwas zu tun. Ihn gingen auch die Sicherheitsmaßnahmen für den Impera­tor nichts an. Orbanaschol III. war weitsich­tig genug gewesen, den Kosmokriminalisten damit nicht zu belasten. Axton war froh dar­über, denn er verspürte keine Lust, für die Sicherheit ausgerechnet des Mannes zu sor­gen, den er am meisten haßte. Außerdem hatte er mehr als genug zu tun, da der Impe­rator ihm den Befehl erteilt hatte, den Kampf gegen die Macht der Sonnen mit al­ler Energie aufzunehmen. Er wollte diese Organisation so schnell wie möglich zer­schlagen. Genau die gleiche Absicht hatte auch Axton-Kennon, wenngleich aus ganz

H.G. Francis

anderen Motiven. Axton arbeitete wie ein Besessener in den

Archiven des Geheimdiensts. Er hoffte, hier irgendwo Hinweise auf die Männer finden zu können, gegen die er kämpfen mußte. Er suchte sich die Namen derer heraus, die durch Orbanaschol reich und mächtig ge­worden waren, wobei er die besonders auf­fälligen Karrieren bevorzugte. Dabei stellte er eine Liste auf, die vorläufig neunzig Na­men enthielt, aber noch nicht alle Persön­lichkeiten erfaßte, die in Frage kamen. Ax­ton wurde sich während der Arbeit darüber klar, daß er Tage und Wochen benötigte, bis er auf diesem Weg zu einem greifbaren Er­gebnis kommen würde. Bis dahin aber konn­te es schon viel zu spät sein.

Die Macht der Sonnen hatte sich hervor­ragend getarnt. Die Organisation schien straff aufgebaut worden zu sein und wurde offenbar scharf kontrolliert, so daß sich kei­ne Blößen ergaben.

Axton erkannte schließlich, daß ihm nur der Zufall helfen konnte. Das aber behagte ihm überhaupt nicht. Vergeblich grübelte er darüber nach, wie er vorgehen konnte. All seine Erfahrung half ihm in diesem Fall überhaupt nichts. Wo keine Ansatzpunkte waren, konnte es keine Fortschritte geben.

Endlich beschloß er, noch einmal bei Pro­kasta anzufangen. Wieder arbeitete er das Archiv durch und sammelte Informationen von überall her. Er hoffte, dabei mehr über die Freunde des Getöteten zu erfahren, als er bisher wußte. Doch nun zeigte sich, daß Pro­kasta vorsichtig gewesen war. Er hatte die Kontakte zu seinen Freunden und Bekannten weitgehend einschlafen lassen. Seit fast ei­nem Jahr hatte dieser sonst so gesellige Ar­konide kaum noch jemanden aus seinem frü­heren Bekanntenkreis gesehen. Für Axton war das der Beweis dafür, daß der Wider­stand der Emporkömmlinge gegen Orbana­schol seit dieser Zeit ständig gewachsen war. Vielleicht war die Macht der Sonnen schon vor einem Jahr gegründet worden.

Axton war froh, als sich Avrael Arrkonta über Video meldete und ihn um ein Ge­

15 Das Ende des Magnortöters

spräch in seiner Wohnung bat. Der Terraner stimmte augenblicklich zu. Er informierte seine Wache und ließ sich von ihr zu dem Industriellen begleiten. Er blickte auf sein Chronometer und stellte überrascht fest, daß Orbanaschol III. schon in etwa einer Stunde seinen großen Auftritt in der Öffentlichkeit haben sollte.

»Sie sind nicht dabei, wenn der Imperator zusammen mit Mana-Konyr feiert?« fragte Arrkonta, als Axton seine Wohnung betrat.

»Dieses Mal nicht«, erwiderte der Kos­mokriminalist. »Und irgendwie bin ich da­mit auch sehr einverstanden. Die Versu­chung, Orbanaschol in der Öffentlichkeit eins auszuwischen, ist sehr groß.«

Axton grinste breit. »Da ich dieses Mal nicht dabei bin, kann

dem Imperator nichts passieren. Er wird sei­ne große Show abziehen und wieder Sympa­thien gewinnen. Das wird es unserem Geg­ner ein wenig schwerer machen, gegen ihn vorzugehen.«

Er setzte sich und blickte Arrkonta fra­gend an: »Was gibt es?«

»In meinen Unternehmen wird es unru­hig«, antwortete der Arkonide. »Ich spüre, daß da Politik mit im Spiel ist. Einer meiner leitenden Mitarbeiter hat einige Bemerkun­gen fallenlassen, die mich nachdenklich ge­macht haben.«

»Worum geht es?« »Opposition zu Orbanaschol«, erklärte

der Freund offen. »Nichts Bestimmtes, nur vage Andeutungen.«

»Was stört Sie dabei?« »Ich denke dabei an unsere Organisation

Gonozal VII. Versucht hier jemand, An­schluß an sie zu finden? Sind uns eventuell Leute vom Geheimdienst auf die Spur ge­kommen, ohne daß Sie es gemerkt haben? Bitte, unterschätzen Sie Frantomor nicht. Er macht viele Fehler, aber er hat Spezialisten unter sich, die etwas von ihrem Fach verste­hen.«

»Das ist mir klar«, erwiderte Axton. »Sie fürchten also, daß irgendeine Abteilung uns auf die Spur gekommen ist?«

»Ich bin unsicher. Das ist alles. Ich habe das Gefühl, daß jemand mit mir Kontakt ha­ben will, aber ich weiß nicht, ob dieser Un­bekannte tatsächlich gegen Orbanaschol op­poniert oder ob er nur vorgibt, es zu tun, um mich auf diese Weise in eine Falle zu locken.«

»Machen Sie sich keine Sorgen«, entgeg­nete Axton. »Es ist gut, daß Sie mich infor­miert haben. Sollten Frantomors Leute da­hinterstehen, dann sind Sie durch mich hun­dertprozentig gedeckt. Gehen Sie auf die Bemühungen des Unbekannten ein. Seien Sie vorsichtig und zurückhaltend, wie es je­der wäre, der viel zu verlieren hat. Vielleicht haben wir Glück. Vielleicht steht jemand da­hinter, den ich händeringend suche.«

Die beiden Freunde diskutierten noch eine Weile weiter miteinander. Dann stellte der Arkonide den 3-D-Video ein. Das große Fest hatte bereits begonnen. Es unterschied sich nicht wesentlich von dem, das Orbana­schol beinah zur Katastrophe geworden wä­re. Der Imperator war bereits eingetroffen. Die Kamera erfaßte ihn immer wieder, wie er offensichtlich vergnügt mit Mana-Konyr plauderte.

»Er hat sich gefangen«, sagte Axton. »Passen Sie auf, Avrael. Sobald Orbana­schol merkt, daß alles gut läuft, wird er die sich ihm bietende Chance beim Schopf packen und für sich nutzen. Er wird eine große Propagandashow für sich daraus ma­chen.«

Wenig später war es soweit. Orbanaschol III. hielt eine Rede an das Volk der Arkoni­den. Sie wurde bis in die äußersten Bereiche des Imperiums ausgestrahlt.

»Er hat sich glänzend vorbereitet«, sagte Arrkonta, nachdem sie einige Minuten lang zugehört hatten.

»Erstaunlich, wie er das in der kurzen Zeit geschafft hat«, bemerkte Axton. »Er ist kaum wiederzuerkennen.«

Tatsächlich war der Imperator wie umge­wandelt. Er wirkte frisch und konzentriert. In einer psychologisch geschickt aufgebau­ten Rede stellte er sich selbst und seine Poli­

16

tik dar. Er gab zu, daß Fehler gemacht wor­den waren und daß seine Politik nicht immer glücklich gewesen war. Er behauptete, daß einige seiner Mitarbeiter krasse Fehlent­scheidungen getroffen hätten, für die sie be­straft worden seien. Damit wollte er vertu­schen, daß er für Terrormaßnahmen verant­wortlich war.

»Viele werden es ihm abnehmen«, sagte Axton-Kennon. »Sie werden ihm glauben, daß er eigentlich ein ganz guter Mensch ist, der lediglich von einigen Politikern und Be­amten betrogen worden ist.«

»Ich kann nur staunen«, bemerkte der Ar­konide. »So habe ich ihn noch nie erlebt.«

»Er ist äußerst intelligent«, erklärte der Kosmokriminalist. »Deshalb wäre es ein ge­fährlicher Fehler, ihn zu unterschätzen.«

Orbanaschol ging zu den politischen Plä­nen über, die er in den kommenden Monaten und Jahren verwirklichen wollte. Er machte Versprechungen, stellte soziale Verbesse­rungen in Aussicht und kündigte wirtschaft­liche Blütezeiten an.

»Wie ein Blumenstrauß«, kommentierte Axton. »Für jeden etwas.«

»Aber wiederum so raffiniert, daß die Mehrheit ihm glauben wird«, sagte Arrkonta voller Unbehagen.

Der Terraner lächelte. »Das gefällt Ihnen nicht, wie?« fragte er.

»Was stört Sie daran?« »Mir mißfällt, daß es Orbanaschol ge­

lingt, sein Ansehen mit dieser einen Rede wesentlich zu verbessern. Dies ist ein ganz anderer Orbanaschol, als wir bisher erlebt haben. Der Mann scheint sich völlig gewan­delt zu haben.«

»Fallen Sie auch darauf herein?« »Natürlich nicht. Ich stelle nur fest, daß

dieser Eindruck entsteht. Viele, die bisher erklärte Feinde Orbanaschols waren, werden nun Hoffnung schöpfen und sagen: So schlecht ist er gar nicht. Lassen wir ihn lie­ber schalten und walten. Wer weiß, wer nach ihm kommt?«

»Beruhigen Sie sich, Avrael«, bat Axton lächelnd. »Orbanaschols Zeiten gehen zu

H.G. Francis

Ende. Nichts kann den Zusammenbruch mehr verhindern.«

»Sind Sie davon so überzeugt, Lebo, oder wissen Sie es aus dem Verlauf der altarkoni­dischen Geschichte?«

Axton schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Über das Ende Orbana­

schols war zu meiner Zeit nichts bekannt. Die Geschichte berichtet zwar, daß es ziem­lich abrupt mit ihm vorbei war, aber wie es geschehen ist, ist mir ebenso unbekannt wie Ihnen.«

»Schade.« Axton blickte auf den Bildschirm und

stutzte. »Was ist denn das?« fragte er verblüfft.

»Hat Orbanaschol eben mühsam ein Gähnen unterdrückt, oder irre ich mich?«

Avrael Arrkonta lachte. »Lieber Freund«, rief er, stand auf und

holte Getränke. »Sie glauben doch wohl nicht, daß Orbanaschol mitten in seiner flammenden Rede einschläft.«

»Das wäre zu schön«, entgegnete Axton. Der Imperator steigerte seine Stimme. Er

sprach über den Krieg gegen die Methanat­mer. Auch hier machte er dem Volk weitere Versprechungen. Er sagte, man werde sich nun mit aller Kraft auf diese Auseinander­setzung konzentrieren, damit kein Arkonide mehr um das Leben seiner Söhne fürchten müsse.

Danach aber schien sich die Kraft Orba­naschols erschöpft zu haben. Er gähnte hin­ter der vorgehaltenen Hand und fuhr sich dann über die Augen. Einige Sekunden lang schien er den Faden verloren zu haben, dann fing er sich jedoch wieder und setzte seine Rede fort. Und wieder gelang es ihm, seine Hörer zu beeindrucken. Er verhielt sich so geschickt, daß Arrkonta verärgert abschalten wollte. Axton hinderte ihn daran.

»Ich möchte ihn bis zum Ende seiner Re­de hören«, sagte er. »Bitte, schalten Sie nicht ab.«

»Es fällt mir schwer, diesem Verbrecher zuzuhören und ihn Dinge sagen zu lassen, von denen wir allzu gut wissen, daß es Lü­

17 Das Ende des Magnortöters

gen sind. Woher nimmt dieser Mann den Mut, derartige Unwahrheiten zu verbrei­ten?«

»Er kämpft«, bemerkte Axton. »Er steht mit dem Rücken an der Wand und kämpft um den Thron und um sein Leben. Er weiß genau, daß sich sein Schicksal in diesen Ta­gen entscheiden wird. Entweder gelingt es ihm, sich zu retten, oder er geht unter. Mir gefällt, daß sich die Gegner Atlans auf diese Weise gegenseitig auseinandernehmen. Für Atlan hätte es nicht besser kommen kön­nen.«

Axton wollte noch mehr sagen, doch Or­banaschol stockte plötzlich mitten im Satz. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und gähnte dieses Mal ganz offen. Dann er­schrak er sichtlich über sich selbst. Er richte­te sich auf. Sein Gesicht verzerrte sich bei seinem Bemühen, nicht erneut zu gähnen.

Dann legte er sich ganz langsam zurück. Seine Augen schlossen sich und sein Kopf sank nach vorn. Kein Laut war zunächst zu hören, doch dann vernahmen Axton und Arrkonta, wie Orbanaschol tief durch die Nase einatmete und die Luft zwischen den schlaffen Lippen entweichen ließ.

Die Kamera blieb auf den schlafenden Imperator gerichtet!

Etwa eine ganze Minute verstrich. Orba­naschol gab leise Schnarchtöne von sich.

Avrael Arrkonta schlug sich die Hände klatschend auf die Knie. Er lachte so heftig, daß sich sein ganzer Körper schüttelte. Er rutschte aus dem Sessel heraus, blieb auf dem Boden hocken und blickte mit tränen-den Augen auf den Bildschirm.

Auch Lebo Axton-Kennon schüttelte sich vor Lachen. Auch er konnte seine Blicke nicht vom Bildschirm lösen, auf dem der friedlich schlafende Orbanaschol III. zu se­hen war.

Selbst als das Bild verschwand, beruhig­ten sich die beiden Männer nicht. Im Gegen­teil. Ihr Gelächter steigerte sich noch, als ein stammelnder Reporter im Bild erschien und mitteilte, daß die Sendung aus technischen Gründen unterbrochen werden müßte.

Die beiden Frauen des Arkoniden eilten in den Salon und fragten verwirrt, was gesche­hen sei. Avrael Arrkonta versuchte, es ihnen zu erklären, wurde jedoch immer wieder von Lachanfällen behindert. Auch Axton bemüh­te sich vergeblich, ihnen das Ereignis zu schildern. Er brachte es jedoch fertig, Gent­leman Kelly den Befehl zu geben, diese Aufgabe zu übernehmen.

Die Frauen hörten sich an, was der Robo­ter ihnen mitteilte, lachten jedoch nicht, son­dern blickten Arrkonta und Axton sprachlos staunend an. Sie ließen die beiden Männer allein.

Die beiden Freunde beruhigten sich bald. »Das war Ihr Werk«, rief der Arkonide.

»Und Sie haben sich mit keinem Wort verra­ten.«

Axton schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er. »Dieses Mal habe

ich nichts damit zu tun. Ich gehe jede Wette ein, daß die Macht der Sonnen hinter diesem Attentat steht. Sie wollte den Imperator vor aller Öffentlichkeit lächerlich machen, und es ist ihr mit einfachsten Mitteln hundertpro­zentig gelungen.«

»Wahrhaftig«, stimmte Arrkonta er­schöpft zu. »Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Orbanaschol hat sich bis auf die Knochen blamiert.«

»Das ist Macht«, sagte Axton versonnen. »Unsere Gegenspieler haben vermutlich spontan gehandelt. Sie hatten zu wenig Zeit, sorgfältige Vorbereitungen zu treffen. Noch während der Sendung muß ihnen die Idee gekommen sein, die sie sofort realisiert ha­ben.«

»Was glauben Sie, wie sie es gemacht ha­ben?«

»Mit Gas.« Axton krauste die Stirn. »Orbanaschols Rache wird schlimm werden. Man kann dem Regisseur der Sendung nur empfehlen, so schnell wie möglich zu ver­schwinden. Alles wäre nicht so schlimm ge­wesen, wenn er sofort ausgeblendet hätte. Aber so …?«

Avrael Arrkonta hob sein Glas dem Terra­ner entgegen.

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»Trinken wir auf Atlan«, sagte er. »Diese Sendung ist in das gesamte Imperium ausge­strahlt worden. Auf sämtlichen Planeten des Imperiums und auf allen Raumschiffen hat man sich vermutlich gebogen vor Lachen.«

»Falls man es wagen konnte, offen zu zei­gen, was man denkt!«

*

»Er ist erst vor zwei Stunden wieder auf­gewacht«, berichtete der Kristallmeister, als Lebo Axton am folgenden Morgen in den Privaträumen Orbanaschols erschien. »Erst wußte er überhaupt nicht, was passiert war.

Aber dann erinnerte er sich.« »Was hat er getan?« fragte der Verwach­

sene. »Er hat so getobt, daß die Ärzte ihm Be­

ruhigungsmittel injizieren mußten. Es war furchtbar. So habe ich ihn noch nie erlebt.«

Axton nickte dem Arkoniden zu. Er hatte sich die Reaktion Orbanaschols genau so vorgestellt.

»Hat er sich die entscheidenden Szenen noch einmal vorführen lassen.«

»Er ist gerade dabei, sie sich anzusehen«, antwortete der Kristallmeister. »Er hat den Befehl gegeben, die verantwortlichen Män­ner und Frauen der Sendeanstalt zu verhaf­ten und wegen Hochverrats anzuklagen. Wie ich erfahren habe, sind sie jedoch alle ver­schwunden.«

»Das habe ich mir gedacht.« Axton zeigte auf die Tür, die zu Orbanaschols Salon führ­te. »Kann ich hineingehen?«

»Er hat Anweisung gegeben, Sie sofort zu ihm zu lassen.«

Axton dankte dem Arkoniden und betrat den Salon. Orbanaschol war nicht da. Axton stieg vom Rücken Kellys herab und wartete. Nach einigen Minuten kam der Imperator herein.

Er hatte sich in erschreckender Weise ver­ändert. Durch nichts erinnerte er jetzt noch an den Mann, den Axton am Abend zuvor im 3-D-Vision gesehen hatte. Sein Gesicht war grau. Der Mund bildete nur noch einen

H.G. Francis

schmalen Strich, und die Augen schienen hinter den Fettwülsten verschwunden zu sein.

Doch das äußere Bild war gar nicht ein­mal so entscheidend. Für einen Psychologen wie Axton-Kennon war klar erkennbar, was sich im Inneren dieses Mannes abgespielt hatte und wie es jetzt darin aussah.

Orbanaschol war nun gefährlicher als je­mals zuvor in seiner Regierungszeit. Axton stand einer Bestie in menschlicher Gestalt gegenüber, die entschlossen war, die Macht zu behaupten, ganz gleich, mit welchen Mit­teln. Orbanaschol war von unbändigem Haß gegen seine früheren Freunde erfüllt.

Darüber hinaus aber bot er das Bild eines Mannes, der nicht mehr wußte, was er tun sollte.

»Sie haben es gesehen?« fragte er knapp und setzte sich an einen Tisch. Axton fiel auf, daß Orbanaschol in dieser schärfsten Krise seines Lebens sogar darauf verzichte­te, sich mit Speisen vollzustopfen.

»Ich habe davon gehört und mir eine Auf­zeichnung vorführen lassen«, erwiderte Ax­ton.

»Haben Sie etwas unternommen?« »Ich konnte noch nichts tun, was uns wei­

terbringt, weil ich Ihre Zustimmung benöti­ge.«

Orbanaschol fixierte ihn mit seinen Au­gen.

»Meine Zustimmung? Ich habe Ihnen aus­drücklich gesagt, daß Sie tun und lassen können, was Sie für richtig halten. Meine Unterstützung haben Sie in jedem Fall.«

»Ich brauche mehr. Ich bin auf Ihre Mitar­beit angewiesen.«

»Was soll das heißen?« »Die Macht der Sonnen hat sich so ge­

schickt getarnt, daß sich mir keine Ansatz­punkte bieten. Ich komme nicht weiter. Des­halb habe ich einen Vorschlag.«

»Nun gut. Lassen Sie hören.« Orbana­schol war beherrscht und eiskalt. Die beruhi­genden Mittel wirkten noch.

»Wir müssen die Macht der Sonnen zum Zug kommen lassen. Sie soll einen Schei­

19 Das Ende des Magnortöters

nerfolg erzielen. Das ist die einzige Mög­lichkeit, ihre Mitglieder zu identifizieren und gleichzeitig zu überführen. Nur dann können wir sie unschädlich machen.«

»Was habe ich damit zu tun?« »Ich möchte, daß Sie im entscheidenden

Moment auf meine Pläne eingehen. Selbst­verständlich werde ich Sie vorher informie­ren und Sie so absichern, daß nichts passie­ren kann. Ich will die Macht der Sonnen ver­nichten.«

»Sagen Sie mir, welchen Plan Sie ent­wickelt haben.«

»Ich bin noch nicht soweit, daß ich Ihnen einen exakten Plan vorlegen kann. Ich muß­te mich nur noch einmal vergewissern, daß Sie mir wirklich den Rücken freihalten wer­den.«

»Darauf können Sie sich verlassen«, be­teuerte Orbanaschol. Sein Gesicht verzerrte sich plötzlich vor Haß. »Glauben Sie mir, ich brenne darauf, diese Verräter zu vernich­ten. Je schneller es geht, desto besser.«

»Ich will sie alle. Nicht ein einziger soll mir entgehen. Deshalb werde ich nichts überstürzen, aber auch keine unnötige Zeit verstreichen lassen.«

Orbanaschol war einverstanden, und da­mit waren die Weichen gestellt. Axton ver­abschiedete sich. Er plante, blind bei einigen der mächtigsten Persönlichkeiten des Impe­riums vorzustoßen. Eine andere Möglichkeit sah er nicht. Er konnte nur hoffen, auf diese Weise einen Volltreffer zu erzielen.

Doch der Zufall kam Axton zu Hilfe, ein Zufall allerdings, der eigentlich keiner war.

*

Avrael Arrkonta meldete sich, als Axton mit seinem Gleiter und seinen Wächtern den Kristallpalast verließ. Er bat den Terraner zu sich.

Als Axton die Wohnung des Industriellen betrat, kam dieser ihm erregt entgegen.

»Sie haben sich gemeldet«, sagte er. »Und dieses Mal haben sie die Maske fallen las­sen. Sie wollen mich aufnehmen.«

»Die Macht der Sonnen?« »Allerdings«, erwiderte Arrkonta.

»Äußerst vorsichtig und zurückhaltend ha­ben sie sich an mich herangepirscht. Ich ha­be das getan, was Sie mir geraten haben, und jetzt ist es soweit. Ich habe den Namen eines Mitglieds. Dieser Mann ist mir bekannt, aber ich bin kein Freund von ihm. Es ist ein Em­porkömmling, der allerdings weiß, daß ich keine großen Sympathien für Orbanaschol empfinde. Sein Name ist Ertrapp Quartantat. Er ist Bauunternehmer. Er hat Firmen auf wenigstens hundert Planeten des Imperi­ums.«

»Der Name ist mir bekannt«, sagte Axton. »Auf diesen Mann bin ich bei meinen Nach­forschungen auch schon gestoßen. Man sagt, daß er außerordentlich gute Beziehungen zur SENTENZA hat.«

»Das gibt er sogar offen zu«, bemerkte Arrkonta. Verständnislos über soviel Drei­stigkeit schüttelte er den Kopf. »Quartantat fühlt sich offenbar völlig sicher.«

»Wir hatten vereinbart, daß Sie Fragen stellen sollten«, sagte der Kosmokriminalist. »Haben Sie sich beispielsweise erkundigt, ob man Ihnen gewisse Garantien geben kann, wenn Sie mitmachen?«

Arrkonta nickte. »Es gibt keine Kartei und überhaupt keine

Unterlagen mehr über die Organisation. Der Verbindungsmann hat mich wissen lassen, daß ich mir in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen brauche. Man will Ihnen keiner­lei Ansatzpunkte bieten.«

Axton hatte es nicht anders erwartet. Er war sich darüber klar, daß die Machtgruppe, gegen die er arbeitete, in ihm ihren gefähr­lichsten Feind sah, und daß sie sich nun mit allen Mitteln gegen ihn absicherte.

»Was werden Sie tun?« fragte der Arkoni­de.

»Ich werde Quartantat besuchen«, erklärte Axton. »Allerdings zu einer Zeit, da er nicht damit rechnet. Dann werden wir weiterse­hen.«

»Könnte das nicht eine Falle sein, Lebo? Ich meine, könnte die Macht der Sonnen mir

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dieses Angebot nicht gemacht haben, damit Sie bei Quartantat einbrechen? Vielleicht er­wartet man Sie dort, um Sie zu töten?«

4.

Gentleman Kelly steuerte den Gleiter über den Trichterbau, der sich wie ein giganti­scher Pilz von einer Insel in tropischen Ge­wässern erhob. Axton blickte nach unten. Er befand sich in einer Höhe von etwa fünftau­send Metern. Die Luft war klar, und in der Dunkelheit konnte er die verschiedenen be­leuchteten Einrichtungen auf dem Dach des Gebäudes gut erkennen.

»Du wirst hier auf mich warten«, sagte er. »Quartantat hat seine Wohnung gegen Ro­boter abgesichert. Du würdest einen Alarm auslösen, wenn du sie betrittst.«

Er breitete den Bauplan, den er von einem Architektenbüro erhalten hatte, auf seinen Knien aus. Abermals überprüfte er seine Überlegungen. Stundenlang hatte er schon an diesem Plan gesessen und nach einem Weg gesucht, der in die Wohnung führte. Dieses Mal kam es darauf an, keine Spuren zu hinterlassen. Ertrapp Quartantat durfte nicht merken, daß er ihm einen Besuch ab­gestattet hatte.

»Es muß möglich sein«, sagte Axton. Er öffnete ein Seitenfenster. Sofort fiel der Druck in der Kabine ab. Laut keuchend rang der Verwachsene nach Luft. Er stieß die Tür auf, rutschte ein wenig weiter auf der Sitz­bank zur Seite und ließ sich aus dem Gleiter fallen.

Er stürzte in die Tiefe. Heftig zerrte der Wind an seiner Kleidung. Axton schloß die Augen und schützte sie, indem er eine Hand davor hielt. Die andere Hand legte sich um den breiten Kunststoffgürtel, der sich um seine Hüften schlang.

Leise zählte er, bis er etwa tausend Meter tief gefallen war. Dann schaltete er das Anti­gravgerät ein, das er an den Hüften trug. Sein Sturz verlangsamte sich. Er öffnete die Augen und blickte nach unten. Jetzt näherte er sich dem Dach zu langsam. Er regulierte

H.G. Francis

den Antigrav neu ein, so daß sich sein Fall wieder beschleunigte.

Auf dem Dach des Gebäudes, in dem Quartantat wohnte, herrschte ein lebhaftes Treiben. In den zahlreichen Restaurants und Vergnügungsstätten hielten sich zahlreiche Besucher auf. Ein beleuchtetes Schwimm­bad in der Mitte der kreisrunden Dachfläche leuchtete wie ein großes, blaues Auge in die Nacht hinein. Axton fühlte sich durch dieses Licht irritiert, da es so hell war, daß es viele dunkle Stellen in der Nähe überstrahlte. In ihnen, so fürchtete Axton, konnten sich Be­obachter befinden, die den Luftraum über dem Gebäude überwachten.

Er horchte in sich hinein. Von seinem Sonderhirn gingen warnende Impulse aus, die jedoch nicht übermäßig stark waren. Hatte Quartantat also gar keine Falle aufge­stellt?

Axton ließ sich zügiger fallen. Rasend schnell kam das Dach auf ihn zu. Er korri­gierte die Richtung einige Male, und dann jagte er auch schon in einen dunklen Garten­bereich hinein. In letzter Sekunde riß er den Hebel am Antigrav herum, und sanft berühr­ten seine Füße ein Blumenbeet. Direkt ne­ben ihm schrie jemand auf. Axton fuhr her­um. Seine Hände zuckten zu den Waffen an den Hüften. Doch zu spät. Jemand rannte ihn um und hastete davon.

Axton stürzte zu Boden. Als er sich wie­der aufrichtete, erhielt er einen Tritt, der ihn erneut zwischen die Blumen schleuderte.

Und dann hastete ein Mann fluchend an ihm vorbei und verschwand in der Dunkel­heit. Axtons infrarotempfindliche Augen er­faßten ihn noch, ohne Einzelheiten auszuma­chen.

Ärgerlich erhob sich der Terraner. Schwe­bend flüchtete er etwa fünfzig Meter weiter und verharrte unter einem Baum. Von hier aus konnte er sehen, daß das Pärchen, das er gestört hatte, etwa hundert Meter von ihm entfernt heftig miteinander diskutierend an einem künstlichen Brunnen stand und immer wieder dorthin blickte, wo er gelandet war. Axton ärgerte sich über das Pech, das er ge­

21 Das Ende des Magnortöters

habt hatte. Mit allem hatte er gerechnet, nur nicht damit, daß er ausgerechnet einem ver­liebten Pärchen fast auf den Kopf fallen würde.

Er beobachtete, daß die beiden ängstlich und verschreckt zu der Stelle zurückkehrten, von der er sie vertrieben hatte. Sie suchten dort zwischen den Blumen und Büschen nach etwas, was sie verloren hatten. Und sie stritten miteinander. Axton glitt lautlos an sie heran, bis er so nahe war, daß er sie ver­stehen konnte.

Das Pärchen konnte sich nicht darüber ei­nigen, was sie gestört hatte. Die Arkonidin meinte, ihr Freund, von dem sie sich ge­trennt hatte, habe ihr einen bösen Streich spielen wollen, während er die Ansicht ver­trat, irgend etwas müsse aus einem über sie hinwegfliegenden Gleiter herausgefallen sein.

Axton grinste. Du ahnst ja gar nicht, wie Recht du hast,

Junge, dachte er, wandte sich ab und näherte sich nun einem Reparaturschacht. In ihm be­fand sich ein Kombinationsroboter, der aus­schließlich Reparaturaufgaben zu erfüllen hatte. Mühelos öffnete Axton die Tür, die zum Schacht führte. Dazu brauchte er nur ein einfaches Schloß zu überwinden, das selbst einem Ungeübten kaum großen Wi­derstand geleistet hätte. Die Reparaturkabine befand sich gleich dahinter am oberen Ein­gang des Schachtes, der bis in die Kellerge­schosse hinabreichte. Sie war verschlossen. Aber auch diese Tür brachte keine Probleme für den Terraner mit sich. Schon nach weni­gen Sekunden glitt sie zur Seite. Axton stand vor dem Kombinationsroboter, auf den er seine ganzen Hoffnungen setzte. Dieses Ge­rät bot ihm, wie er meinte, die einzige Mög­lichkeit, an die Wohnung Quartantats heran­zukommen, ohne Spuren zu hinterlassen oder einen Alarm auszulösen. Dies war gleichzeitig auch der einzige Roboter, der von der Sicherungspositronik des Hauses akzeptiert wurde.

Der Automat füllte die Kabine fast voll­kommen aus. Er setzte sich aus einer Reihe

von Automaten zusammen, die verschiedene Reparaturfunktionen hatten. Keiner von ih­nen konnte sich unabhängig von den ande­ren bewegen. Wenn irgendwo im Gebäude Schäden zu beheben waren, dann setzte die Positronik der Kabine die Roboter nach den Aufgaben, die sie zu erfüllen hatten, zusam­men und versah sie mit den Geräten, die be­nötigt wurden. Das hatte den Vorteil, daß von einer zentralen Stelle aus alle Arbeiten gesteuert und erledigt werden konnten, ohne daß dazu eine Armee von Robotern aufgebo­ten werden mußte, die viel Platz in An­spruch genommen hätte.

Zugleich galt das System als einbruchsi­cher, denn ein Erwachsener hatte zwischen den zahllosen Geräten und Roboterteilen nicht genügend Platz, da der Raum optimal genutzt worden war. Axton stand zunächst ein wenig ratlos vor dem Gewirr von Werk­zeugen, Ersatzteilen und Robotgliedern, bis es ihm gelang, das Schema zu erkennen, nach dem alles aufgebaut war. Vorsichtig löste er einige Teile aus den Halterungen und lagerte sie ein wenig anders, bis nach mühseliger und zeitraubender Arbeit eine Lücke entstand, die gerade groß genug für ihn war. Er kroch hinein und zog die Beine hinterher, dann schloß er die Tür mit einem Funkimpuls. Sie schob sich zu, und nun war er so eingeklemmt, daß er sich nicht mehr bewegen konnte.

Mit einem weiteren Funkbefehl setzte er die Kabine in Bewegung. Jetzt zeigte sich, daß die sorgfältigen Vorbereitungen, die er getroffen hatte, sich auszahlten. Der Auto­mat gehorchte seinen Befehlen. Ungeduldig wartete der Verwachsene darauf, daß der Roboter sein Ziel erreichte. Seine Beine schmerzten schon bald, da sie in der Positi­on, die er zwangsläufig hatte einnehmen müssen, nicht ausreichend durchblutet wur­den. Die Luft wurde knapp. Keuchend rang er nach Atem. Er spürte, daß er es nicht mehr lange in der qualvollen Enge aushalten würde. Die Sinne drohten ihm zu schwin­den.

Eine endlose Zeit schien vergangen zu

22

sein, als der Roboter endlich hielt. Er ließ sich einfach aus dem Versteck kippen. Seine Beine krümmten sich, als sich die Muskeln der Oberschenkel unter Krämpfen verhärte­ten.

Minutenlang wälzte Axton sich auf dem Boden hin und her, streckte und drehte die Beine, bis die Krämpfe nachließen. Danach blieb er erschöpft auf dem Boden liegen. Er befand sich in einem kleinen Vorraum zum Reparaturschacht, in dem irgend jemand ei­nige Kisten mit Ausrüstungsmaterial abge­stellt hatte. Eine Zahl neben der Tür zeigte ihm an, daß er sich im richtigen Stockwerk und dazu direkt neben der Wohnung Quar­tantats befand. Er blickte auf sein Chrono­meter. Befriedigt stellte er fest, daß er sich noch innerhalb der Zeit bewegte, die er sich gesetzt hatte.

Er vergegenwärtigte sich, wie die Woh­nung des Industriellen aussah. Sie glich von oben betrachtet, einem stumpfen Torten­stück. Der größte Raum war der Salon, der sich an der gläsernen Peripherie entlangzog. Er war etwa hundert Meter lang und zwan­zig Meter tief. Dahinter lagen die verschie­denen anderen Räume, die weit weniger groß waren.

Die Wohnung hatte drei Eingänge, die je­doch alle auf der Axton entgegengesetzten Seite lagen. Die Versorgungsschächte führ­ten an dem stumpfen Innenteil vorbei, lagen also näher an der senkrechten Mittelachse des Gebäudes. Von ihnen ausgehend, hatte der Kosmokriminalist in den meisten Fällen seine Angriffe gegen sorgsam abgesicherte Wohnungen vorgetragen. In diesem Gebäu­de war das so gut wie unmöglich, da überaus zahlreiche Sicherheitssysteme vorhanden waren. Zudem rechnete Axton damit, daß sich in diesen kritischen Bereichen Wächter aufhielten. Er war überzeugt davon, daß das Angebot an Avrael Arrkonta nicht seriös war, sondern eine Falle für ihn darstellte.

Die Wohnung Quartantats glich einer Fe­stung, in die er eindringen und dabei einen Alarm auslösen sollte.

Er richtete sich auf und brachte einige po-

H.G. Francis

sitronische Sonden an der Tür an. Sorgfältig prüfte er, ob Sicherungsanlagen vorhanden waren. Gleichzeitig horchte er in sich hinein, um augenblicklich reagieren zu können, wenn sich die warnenden Signale seines Sonderhirns intensivierten.

Die Tür glitt lautlos zur Seite. Dahinter lag ein unbeleuchteter Raum, in dem mehre­re Maschinen standen. Es waren die Versor­gungsanlagen für das Schwimmbad und die technischen Einrichtungen der Wohnung.

Wiederum heftete der Terraner einige Sonden an die Wand und nahm Prüfungen vor. Sie bestätigten ihm, daß sich im Neben­raum niemand aufhielt, und sie ergaben, daß die dort vorhandene elektronische Kamera nicht eingeschaltet war. Auch brannte kein Licht im Schwimmbad.

Axton legte seine Kleider bis auf eine Un­terhose ab. Einige technische Geräte und ei­ne Energiestrahlwaffe deponierte er in ei­nem Plastikbeutel. Dann rollte er eine Pla­stikfolie auseinander und breitete sie direkt an der Wand auf dem Boden aus. Er kniete sich darauf und klebte die Folie dicht über dem Boden an der Wand fest. Er zog den Plastikbeutel zu sich heran und heftete die durchsichtige Folie nun auch an den Seiten an die Wand, indem er sie erst links, dann rechts von sich hochzog. Schließlich ver­schweißte er sie mit einem Spezialkleber auch über seinem Kopf, so daß er nun selbst in einem Plastiksack steckte, der luftdicht abgeschlossen war. Er schob sich eine Sau­erstoffkapsel in den Mund, zerbiß sie jedoch noch nicht, da noch genügend Luft innerhalb der Folie vorhanden war.

Nun setzte er ein Desintegratormesser an die Wand und senkte den materieauflösen­den Strahl vorsichtig hinein, nachdem er mit einem Meßinstrument genau die Stelle aus­gemacht hatte, an der er beginnen mußte. Die Wand war etwa acht Zentimeter dick. Als er das Messer nun höher führte, quoll aus dem entstandenen Schlitz das Wasser hervor.

Axton beschleunigte seine Arbeit. Er führte das Messer schneller und schnitt ein

23 Das Ende des Magnortöters

Quadrat aus der Wand, das eine Seitenlänge von etwa vierzig Zentimetern hatte. Als er fast damit fertig war, war bereits soviel Wasser aus der Wand gekommen, daß sich der Plastikbeutel bis zu seinen Schultern hin gefüllt hatte. Er wartete nun ab, bis der Was­serspiegel ihm über den Kopf stieg, machte einen letzten, tiefen Atemzug und tauchte unter. Das quadratische Stück kam ihm ent­gegen. Obwohl der Wasserdruck nun inner­halb des Plastikbeutels fast so hoch war wie jenseits der Wand, hatte er doch Mühe, das Ausschnittstück mit seinen schwächlichen Armen zu halten.

Er schaffte es mit größter Anstrengung und nachdem er die Sauerstoffkapsel zerbis­sen hatte. Vorsichtig setzte er das Wand­stück ab und lehnte es zu seinen Füßen ge­gen die Wand. Dann nahm er den Beutel mit den Spezialwerkzeugen und der Waffe auf und schob sich langsam durch die Öffnung.

Die Luft wurde ihm knapp. Seine Lungen begannen zu schmerzen, und er schluckte mit geschlossenem Mund, um damit den Atemreiz noch etwas zu unterdrücken. Langsam stieg er im Wasser auf. Mit ganzer Kraft kämpfte er gegen das Verlangen an, sich mit einem energischen Armzug an die Wasseroberfläche zu bringen. Obwohl er fürchtete, ersticken zu müssen, beschleunig­te er sein Tempo nicht. Seine Augen weite­ten sich. Er blickte nach oben. Unendlich langsam kam die Wasseroberfläche entge­gen. Er durchbrach sie lautlos, und es gelang ihm, den ersten Atemzug so diszipliniert durchzuführen, daß er sich nicht verriet. Vor seinen Augen flimmerte es, doch mit jedem Atemzug besserte sich sein Befinden, da das Sauerstoffdefizit wieder ausgeglichen wur­de.

Er drehte sich langsam um sich selbst. Seine infrarotempfindlichen Augen konnten ausreichend sehen. In der Schwimmhalle hielt sich niemand auf. Er hatte es geschafft. Er war in der Wohnung von Ertrapp Quar­tantat, ohne einen Alarm ausgelöst zu haben.

Leise schwamm er zu einer Leiter und kletterte daran hoch. Dann setzte er sich auf

den Beckenrand, um sich von den Anstren­gungen zu erholen. Wie groß sie gewesen waren, das merkte er erst jetzt. Die Hände zitterten ihm vor Schwäche.

Axton öffnete den mitgeführten Beutel und nahm eine kleine Schachtel mit Medika­menten daraus hervor. Dann stopfte er sich ein paar Tabletten in den Mund und ließ sich auf den Rücken sinken. Nur wenige Sekun­den vergingen, bis die Wirkung einsetzte, und er sich von den Anstrengungen erholte. Er wußte, er würde später mit einer starken Schwächeperiode dafür bezahlen müssen, daß er seine Kräfte nun mit pharmazeuti­schen Mitteln mobilisierte, aber er hatte kei­ne andere Möglichkeit.

Er ging zu einem Handtuchspender und trocknete sich ab. Das Papierhandtuch warf er in den Abfallschacht. Dann nahm er seine Ausrüstung auf und ging zu einer der drei Türen des Raumes. Er horchte sie mit seinen Sonden nacheinander ab, bis er ganz sicher war, durch welche er gehen mußte. Auch hier stellte er fest, daß keine Wachen aufge­stellt waren.

Wenn die Zeichnung des Architekten noch stimmte, dann lag hinter der mittleren Tür eine Hygienekabine durch die man in das Schlafzimmer des Industriellen kam. Quartantat hatte vier Frauen, die jedoch nicht regelmäßig mit ihm das Schlafzimmer teilten. Daher hing nun alles weitere vom Glück ab. Wenn der Arkonide sich in sei­nem Schlafzimmer aufhielt, hatte Axton schon fast gewonnen.

Er öffnete die Tür und schlich sich durch die Hygienekabine zur nächsten. Wieder setzte er die Sonden an, und plötzlich schlug sein Herz schneller. Er hörte die unregelmä­ßigen Schnarchtöne eines schlafenden Man­nes.

Lautlos glitt die Tür zur Seite. Axton be­trat das fensterlose und unbeleuchtete Schlafzimmer eines der mächtigsten Männer des Imperiums.

Ertrapp Quartantat lag in seinem Bett und schlief. Er war allein. Lebo Axton lächelte triumphierend. Er eilte weiter bis zur näch­

24

sten Tür, um auch hier die Sonden anzuset­zen, die ihn über die Situation jenseits der Tür ins Bild setzten.

Während von seinem Sonderhirn plötzlich intensive Impulswellen ausgingen, hörte er die Stimmen von zwei Männern in seinen Kopfhörern. Sie diskutierten leise miteinan­der über ein Spiel, das sie anscheinend so­eben beendet hatten. Sie waren sich nicht ganz einig darüber, ob der Spielausgang kor­rekt war.

Einer nannte den anderen beim Namen. Axton hielt den Atem an, während die Im­

pulswellen so hart wurden, daß er die Hand unwillkürlich gegen den Kopf preßte. Einer der beiden Spieler war einer der gefährlich­sten Männer der berüchtigten Verbrecheror­ganisation SENTENZA. Diesem Mann sagte man phänomenale Fähigkeiten und eine ab­solute Skrupellosigkeit nach. Es hieß, daß er der Henker der Organisation war, jener Mann, der ohne Gefühle jedes Todesurteil der Organisation vollstreckte. Dabei ging er so geschickt vor, daß man ihm nichts bewei­sen konnte.

Axton zog sich erschreckt von der Tür zu­rück. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, und ihm wurde bewußt, daß er vor diesem Mann eine fast animalische Furcht empfand.

Er wandte sich dem Schlafenden zu. Sei­ne Aufgabe war erheblich schwieriger durch die Anwesenheit der beiden Verbrecher ge­worden, so schwierig, daß er gar seinen Rückzug erwog. Doch dann setzte sich sein Erfolgswille durch. Er wollte nicht nachge­ben. Er wollte der brutalen Gewalt nicht weichen, sondern ihr – wie bisher – die In­telligenz entgegensetzen.

Er trat an das Bett heran und blickte auf Quartantat hinab. Er hatte ihn schon oft auf gesellschaftlichen Veranstaltungen des Im­perators gesehen. Und doch sah er jetzt ganz anders aus als sonst. Quartantat war wegen seines wirtschaftlichen Genies und wegen seiner Brutalität bekannt, mit der er seine Pläne verwirklichte und Konkurrenten aus dem Feld schlug. Jetzt aber bot er nur das

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Bild eines friedlich schlafenden, fetten Man­nes. Er war nicht viel größer als Orbana­schol und erheblich übergewichtiger als die­ser. Sein Schädel war fast kahl.

Axton packte seine Spezialgeräte aus und setzte aus mehreren Einzelheiten ein Strah­lengerät zusammen. Dieses legte er vorsich­tig so neben den Kopf des Arkoniden, daß zwei Strahlenarme sich auf seine Schläfen richteten. Er schaltete das Gerät ein, und im Licht der Strahlen verfärbte sich das Gesicht Quartantats grün. Axton strich mit einem Pinsel eine Flüssigkeit auf die Schläfe des Schlafenden und verabreichte ihm auf diese Weise ein Medikament, das direkt durch die Haut zum Gehirn gelangte. Er wartete einige Sekunden ab, bis er an einer Verfärbung der Lippen feststellen konnte, daß die Wirkung eingetreten war.

»Sprich leise, Fettsack«, befahl er. »Ganz leise, so daß ich dich gerade noch verstehen kann. Verstanden?«

»Ich habe verstanden«, antwortete Quar­tantat, ohne die Augen zu öffnen. Er wisper­te.

»Ich habe einige Fragen, und ich befehle dir, sie wahrheitsgemäß zu beantworten. Du mußt die Wahrheit sagen. Du kannst gar nicht anders. Hast du verstanden?«

»Ich werde die Wahrheit sagen.« »Gehörst du zur Macht der Sonnen?« »Ich gehöre dazu.« »Gibt es einen Chef dieser Gruppe, und

wer ist es?« »Es gibt einen. Ich bin es.« Axton setzte sich vorsichtig auf die Bett­

kante. »Du hast versucht, Avrael Arrkonta für

die Gruppe zu gewinnen. Warum?« »Weil wir damit rechnen, daß der Freund

des Verräters, Lebo Axton, hier bei mir in der Wohnung erscheinen wird. Wenn er kommt, werden wir ihn töten.«

Er hatte sich also nicht getäuscht. Die Macht der Sonnen hatte eine Falle errichtet. Man wartete auf ihn.

»Wer gehört zur Macht der Sonnen? Nen­ne mir die Namen.«

25 Das Ende des Magnortöters

Ertrapp Quartantat zählte die Mitglieder der Organisation mit monotoner Stimme auf. Er brauchte nicht zu überlegen. Flüssig und in schneller Folge kamen die Namen. Axton schrieb sie sich auf einen kleinen Zettel. Als der Arkonide vierzig Mitglieder aufgeführt hatte, wobei er sich an die Rangfolge gehal­ten hatte, befahl er ihm, zu schweigen. Die Liste war bereits umfangreich genug für ihn.

»Das reicht«, sagte er. »Und nun will ich wissen, was mit Orbanaschol geschehen soll.«

»Er wird am Tage der Entscheidung ver­haftet und vor ein Schnellgericht gestellt werden. Das Gericht wird ihn zum Tode ver­urteilen, und Orbanaschol wird noch in der gleichen Stunde von einem Hinrichtungsro­boter öffentlich erwürgt werden.«

Auch damit hatte Axton-Kennon gerech­net.

»Wer wird sein Nachfolger werden?« fragte er weiter.

»Affraom Schekrey.« Axton lächelte. Eine weitere Vermutung

bestätigte sich. Schekrey war ihm bekannt. Schekrey war ein reicher, aber nicht sonder­lich einflußreicher Mann. Er galt als labil und wenig entschlußfreudig. Er sollte offen­sichtlich nicht mehr als eine Marionette der Machtgruppe sein, die man nach Belieben lenken konnte.

»Wie dumm«, sagte Axton und beugte sich über Quartantat. »Wie unglaublich dumm, einen solchen Mann zu wählen. Wa­rum nicht Mana-Konyr? Warum nicht einen Mann als Nachfolger einsetzen, der wirklich populär ist, und den man dennoch lenken kann? Mana-Konyr ist beliebt. Selbst jene, die Orbanaschol vielleicht noch retten wol­len, werden sich auf die Seite des KAYMU­URTES-Siegers stellen. Sie werden ihn als neuen Imperator feiern. Und sollte die Re­volte wider Erwarten scheitern, so kann man alle Schuld Mana-Konyr in die Schuhe schieben.«

Atemlos vor Spannung und Erregung be­obachtete er den Schlafenden. Der Gedanke, Mana-Konyr vorzuschlagen, war ihm erst in

diesem Augenblick gekommen. Er hatte ihn selbst überrascht. Jetzt aber war er von ihm fasziniert. Es war die beste Idee, die er seit langer Zeit gehabt hatte, und er wunderte sich, daß er nicht schon früher darauf ge­kommen war, Quartantat diesen Gedanken aufzuzwingen.

»Hast du mich verstanden?« fragte er. »Antworte!«

»Ich habe dich verstanden.« »Du wirst tun, was ich dir gesagt habe.

Du wirst deine ganze Energie dafür aufwen­den, Mana-Konyr als Kandidaten einzuset­zen. Er soll der neue Übergangsherrscher werden. Dafür wirst du kämpfen.«

»Mana-Konyr soll der Nachfolger Orba­naschols werden. Dafür werde ich kämp­fen«, flüsterte Quartantat.

Axton richtete sich auf und atmete tief durch. Ein wahrer Erfolgstaumel erfaßte ihn, denn es war ihm gelungen, der Macht der Sonnen eine wahrhaft geniale Falle zu stel­len.

Sein Gefühl überschäumender Freude wurde schon nach Sekunden durch schmerz­haft intensive Impulswellen seines Sonder­hirns hinweggefegt. Axton horchte auf. Er hörte Schritte.

Die beiden SENTENZA-Gangster näher­ten sich dem Schlafzimmer. Hatten sie etwas gehört? Oder hatten sie die Aufgabe, in re­gelmäßigen Abständen zu kontrollieren, ob noch alles in Ordnung war?

In rasender Eile raffte Axton seine Sachen zusammen und stopfte sie in den Beutel. Er blickte sich nach einem Versteck um, sah je­doch keins. Blitzschnell ließ er sich auf die Knie fallen, um unter das Bett zu kriechen. Dabei stellte er zu seinem Entsetzen fest, daß dieses ein geschlossener Kasten war.

Er sprang wieder auf, entdeckte, daß er einen Strahlenarm neben dem Kopf des Schlafenden liegengelassen hatte, riß ihn an sich und steckte ihn in den Beutel. Die bei­den Gangster hatten die Tür erreicht.

»Geh schon endlich hinein«, sagte einer von ihnen unwillig.

Axton sah keinen anderen Ausweg. Er

26

hob die Bettdecke hoch und kroch ins Bett. Er rollte sich neben den Beinen des Arkoni­den zusammen und preßte die Fäuste gegen den Kopf. Seine Hände zitterten. Er hörte, wie sich ein Mann dem Bett näherte, und er wagte es nicht mehr, sich zu bewegen. Die Energiestrahlwaffe steckte noch im ge­schlossenen Beutel. Er verfluchte sich, weil er sie nicht herausgenommen hatte. Fieber­haft überlegte er, was er tun sollte, wenn der Wächter Verdacht schöpfen oder Quartantat aufwachen sollte.

Der Schlafende stöhnte, hustete und wälz­te sich auf die Seite. Dabei zog er die Decke mit.

Axton packte den seidenweichen Stoff und hielt ihn fest, weil er sonst bloßgelegen hätte. Immerhin hob sich die Decke dabei ein wenig. Er sah, daß der SENTENZA-Gang­ster direkt neben dem Bett stand. Die nervi­ge Hand des gefährlichsten Killers von Ar­kon stützte sich keine zehn Zentimeter von ihm entfernt auf das Bett.

»Er schläft«, sagte der Mann leise. »Dann laß ihn schlafen. Hier ist alles in

Ordnung.« »Ich finde, es riecht merkwürdig.« »Blödsinn. Komm. Wir spielen weiter.« Axton wußte, daß der Henker der Verbre­

cherorganisation über animalische Instinkte verfügte. Er wußte, daß dieser Mann seine Nähe spürte, daß er mißtrauisch geworden war.

»Nun mach schon«, sagte der andere Ar­konide drängend. »Mensch, das sieht doch ein Blinder, daß hier alles in Ordnung ist.«

»Ich sehe noch einmal im Bad nach.« Der Killer entfernte sich vom Bett. Der

andere Wächter blieb an der offenen Tür ste­hen. Das Licht fiel aus dem Nebenraum auf das Bett. Axton wagte es nicht, sich zu be­wegen. Wenn Quartantat sich noch einmal umdrehen sollte, dann war er verloren. Das wußte er.

Quartantat blieb ruhig liegen, und er wachte auch nicht auf.

Der Killer kehrte aus dem Bad zurück. »Es scheint tatsächlich alles in Ordnung

H.G. Francis

zu sein«, sagte er leise. »Und doch habe ich ein Gefühl, als sei …«

»Du mit deinen Gefühlen. Komm. Wir spielen weiter.«

»Ich bleibe hier bei dem Dicken.« »Quatsch.« Der Killer zögerte, wandte sich dann aber

der Tür zu und verließ das Schlafzimmer. Axton wartete. Er fürchtete, daß der Gang­ster einen Bluff versuchte. Doch die warnen­den Impulse seines Sonderhirns verebbten. Er kroch unter der Bettdecke hervor und sah sich vorsichtig um, bevor er ganz aus dem Bett stieg. Er war tatsächlich allein mit Quartantat.

Nun überzeugte er sich davon, daß er auch wirklich nichts vergessen hatte, bevor er sich ins Schwimmbad zurückzog. Ihm war kalt, und ihn ekelte vor Quartantat, des­sen körperliche Nähe er hatte erdulden müs­sen.

Er packte seine Sachen zusammen, stieg ins Wasser und schwamm bis zu der Stelle, an der er die Wand durchbrochen hatte. Er schob sich drei Sauerstoffkapseln in den Mund und tauchte. Dabei war er nicht ganz so vorsichtig wie bei seiner Ankunft, aber das war auch nicht notwendig. Er erreichte die Öffnung und zog sich hindurch in die Blase. Hier packte er das ausgeschnittene Stück, das er leicht bewegen konnte. Er drückte es in die Wand und setzte eine Tube an die Schnittstellen. Als er einen Hebel dar­an drückte, preßte sich zischend ein Spezial­kleber in den Spalt und schloß ihn. Ruhig führte Axton die Tube um das Quadrat.

Als die Wand geschlossen war, zog er das Desintegratormesser aus dem Beutel, fuhr die Klinge aus und bewegte sie kräftig im Wasser hin und her. Der Wasserspiegel fiel rasch, so daß Axton die Folie bald durch­schneiden konnte. Gierig atmete er die fri­sche Luft ein. Mit Hilfe des Desintegrators verwandelte er das restliche Wasser und schließlich auch die Plastikfolie in grauen Staub, den er wegfegte, so daß keine Spuren zurückblieben. Die feuchte Wand würde bald abgetrocknet sein. Axton überprüfte die

27 Das Ende des Magnortöters

Schweißstellen und fügte an einigen Stellen noch etwas Dichtungsmasse hinzu. Viel­leicht würde man in einigen Tagen oder Wo­chen auf der anderen Seite der Wand fest­stellen, daß hier jemand eingestiegen war, doch dann spielte das für Quartantat keine Rolle mehr.

5.

Arolf Prakez schickte seinen Privatroboter aus dem Raum, schob das positronische Ge­rät zur Seite, an dem er gearbeitet hatte, und erhob sich. Er streckte sich. Dann trank er ein kleines Glas aus, das mit einem starken alkoholischen Getränk gefüllt war, und ver­ließ seinen Arbeitstisch.

Müde begab er sich in den Nebenraum. Er legte seine Kleider ab und ging in die Mas­sagekabine. Gähnend streckte er sich auf dem Liegetisch aus und drückte einige Knöpfe an einer Leiste. Eine Deckscheibe über ihm glitt zur Seite, und stählerne Mas­sagearme, die mit plastiküberzogenen Hän­den, mit Bürsten und verschiedenen Klopf­instrumenten versehen waren, senkten sich auf ihn herab, während aus seitlich ange­brachten Düsen duftende Öle über seinen Körper gesprüht wurden.

Prakez schloß die Augen und stöhnte vor Wohlbehagen, als der Massageroboter damit begann, seine verkrampfte Muskulatur zu lockern.

Hinter seinem Kopf löste sich eine Wand­platte. Zwei zierliche Hände hielten sie und schoben sie zur Seite. Dann stieg ein kleiner, verkrüppelter Mann aus der entstandenen Öffnung. Er war nur 1,52 Meter groß und sah so schwach wie ein Kind aus. Ein riesi­ger Schädel saß auf dem kleinen Rumpf mit der vorgewölbten Brust. Wasserblaue, her­vorquellende Augen musterten den Arkoni­den auf dem Tisch. Das linke Lid zuckte nervös.

Der Zwerg strich sich lächelnd mit der linken Hand über das dünne, strohgelbe Haar. Dann griff er in einen Plastikbeutel, den er mit sich führte, brachte daraus einige

kompliziert aussehende Instrumente hervor und steckte sie lautlos zusammen. Eine Art Gabel mit zwei Armen entstand. Diese schob der Verwachsene vorsichtig an den Kopf des Arkoniden heran, so daß die Enden der Gabeln die Schläfen fast erreichten. Dann streckte er sich eine feine Röhre zwi­schen die Lippen, tauchte sie mit der Spitze kurz in eine Flasche und sprühte dem Mann auf der Liege etwas Flüssigkeit auf die Stirn.

Arolf Prakez gähnte und schlief ein. Lebo Axton wartete, bis die Atemzüge ru­

hig und gleichmäßig kamen. Dann schaltete er den Massageautomaten ab und stellte sich neben den Massagetisch.

»Prakez«, sagte er freundlich. »Sie haben viel zu tun gehabt. Bis in die tiefe Nacht hin­ein haben Sie gearbeitet.«

»Ja, das habe ich«, antwortete der Arkoni­de undeutlich.

»Bald wird sich die Arbeit für Sie noch viel mehr lohnen«, fuhr der Verwachsene einschmeichelnd fort. »Wenn Orbanaschol erst einmal beseitigt ist, sieht alles viel bes­ser aus.«

»Davon bin ich überzeugt.« »Und wer wird sein Nachfolger werden?« »Affraom Schekrey.« »Nicht doch«, sagte Axton lächelnd. »Das

wäre ein Fehler. Viele haben das schon er­kannt. Es gibt einen viel besseren Mann, je­manden, der fast alle Probleme für Sie lösen kann. Es wird Ihr Vorteil sein, wenn Sie sich für Mana-Konyr, den KAYMUURTES-Sie­ger entscheiden. Mana-Konyr, Prakez!«

Der Kosmokriminalist führte nun eine Reihe von Namen prominenter Mitglieder der Macht der Sonnen auf, um dem Arkoni­den nahezubringen, daß er nicht allein ste­hen würde, wenn er Mana-Konyr vorschlug.

Nachdem er Prakez noch einige Male auf Mana-Konyr hingewiesen hatte, baute er sei­ne Geräte wieder ab, verstaute sie in dem Beutel, kroch durch die Öffnung in der Wand, schloß die Platte wieder und ver­schwand.

Arolf Prakez wachte erst Stunden später wieder auf. Er erhob sich von der Massage­

28

bank, fluchte ein wenig, weil er hier einge­schlafen war, und wechselte in sein Schlaf­zimmer über, um im bequemen Bett weiter­zuschlafen.

»Blöder Gedanke, Affraom Schekrey vor­zuschlagen«, murmelte er, bevor er wieder in tiefen Schlaf versank. »Ich werde ihnen Mana-Konyr schmackhaft machen.«

*

Teresphohon Lashael schaltete das Video­gerät ab. Er lehnte sich in seinem Sessel zu­rück und schnippte zufrieden mit den Fin­gern.

Wie seltsam, dachte er. Monatelang be­müht man sich, ohne auch nur den gering­sten Fortschritt zu erzielen. Und dann plötz­lich entscheidet sich alles mitten in der Nacht in wenigen Minuten.

Er massierte sich die müden Augen und steckte sich dann einen Semon-Stick zwi­schen die Lippen. Langsam kaute er darauf herum. Er behielt den säuerlichen Saft so lange wie möglich im Mund, damit der erfri­schende Effekt besonders intensiv wurde. Unter normalen Umständen lehnte er aufput­schende Mittel ab, wenn aber Millionen zu verdienen waren, dann strapazierte er seine Gesundheit bis an die Grenze des Belastba­ren.

Als er sich wieder etwas frischer fühlte, beugte er sich vor und schaltete das Video­gerät wieder ein. Er wählte und wartete ge­duldig, bis das Gesicht eines Mannes auf der Bildfläche erschien. Er lächelte zuvorkom­mend.

»Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, Schekrey, daß ich Sie um diese Stunde noch anrufe«, sagte er entschuldigend.

»Überhaupt nicht«, erwiderte der Mann, der der Nachfolger Orbanaschols werden sollte. »Ich war ohnehin noch wach. Was gibt es?«

»Ich habe soeben die Nachricht erhalten, daß der Planet Amoyk im kommenden Jahr ausschließlich für mich produzieren wird. Das bedeutet, daß ich Ihnen die Ware zu Ih-

H.G. Francis

ren Bedingungen liefern kann. Über das ganze Jahr hinweg. Regelmäßig und in stets gleicher Qualität.«

»Ausgezeichnet«, sagte Schekrey. Er wölbte die Augenbrauen und fuhr sich ner­vös mit der Zungenspitze über die Lippen. »Ich kann damit rechnen, daß ich Ihre Stim­me bekomme?«

»Selbstverständlich«, erklärte Lashael. »Das ist doch klar. Ich habe mich bereits für Sie eingesetzt, und ich habe Quartantat ge­sagt, daß ich mich nur beteilige, wenn Sie der Nachfolger des Mannes werden, den wir alle so schnell wie möglich beseitigen wol­len.«

»Also gut«, entgegnete Schekrey. »Dann sind wir uns einig. Das Geschäft

ist perfekt. Ich danke Ihnen.« »Ich danke Ihnen ebenfalls.« Lashael

neigte den Kopf und wartete höflich, bis Schekrey abgeschaltet hatte. Dann lächelte er verächtlich. Schekrey war schwach und leicht beeinflußbar. Also war er der ideale Mann als Nachfolger Orbanaschols.

Es zischte leise im Raum, doch das hörte Lashael nicht. Unter der Tür strömte ein fast farbloses Gas ein. Es erreichte schon nach wenigen Sekunden eine wirksame Konzen­tration im Raum. Teresphohon Lashael gähnte kräftig. Dann sank sein Kopf nach vorn auf die Platte.

Der Arkonide schlief tief und fest, als sich die Tür öffnete und eine kleine, verwachse­ne Gestalt eintrat. Der Einbrecher trug eine Atemschutzmaske und führte einen Pastik­beutel mit sich, in dem technische Geräte steckten.

*

»Seid lieb, ihr Süßen«, rief Katak Polga lachend. Er zog die beiden Mädchen an sich und küßte erst die eine, dann die andere. »Geht schon in den Salon, ja?«

»Wo willst du hin?« fragte Rasel, die et­was größer war als die andere und die ihre üppigen Formen durch ein raffiniert ge­schnittenes Hosenkleid allzu deutlich zur

29 Das Ende des Magnortöters

Geltung brachte. »Ich muß mich umziehen«, antwortete der

Arkonide. »Meine Sachen sind vollkommen durchgeschwitzt.«

Er winkte den beiden Mädchen zu, stützte sich an der Wand ab, weil er sonst gefallen wäre und entfernte sich schwankend von ih­nen. Die Arkonidinnen gingen in den Salon. Sie kicherten und alberten so laut, daß Polga froh war, für einige Minuten allein zu sein.

Er betrat sein Schlafzimmer, lehnte sich an die geschlossene Tür und hob die Fla­sche, die er in der Hand trug, an die Lippen. Doch nun stellte er enttäuscht fest, daß sie leer war. Achtlos ließ er sie fallen. Stolpernd begab er sich in die Hygienekabine.

Als er nach einigen Minuten daraus zu­rückkehrte, folgte ihm lautlos ein zwergen­haft gewachsener Mann mit mächtigem Schädel und unproportional großen Füßen, die er mühsam voreinander setzte. Die klei­ne Gestalt blieb stehen und hob eine zierli­che Schußwaffe. Sie richtete diese auf den Nacken des Arkoniden und löste sie aus. Ein winziger Pfeil schoß auf Polga zu und bohr­te sich in seinen Nacken. Der betrunkene Arkonide merkte es nicht. Er schleppte sich weiter. Er wollte zur Tür. Als er jedoch an seinem Bett vorbeikam, gab ihm Lebo Ax­ton von hinten einen leichten Stoß und stell­te ihm gleichzeitig ein Bein. Der Arkonide fiel aufs Bett und blieb dort liegen. Sekun­den später schnarchte er laut.

Axton packte seine Gerätschaften aus und brachte sie an. Ruhig und deutlich sprach er auf den Schlafenden ein.

»Mana-Konyr soll der Nachfolger sein«, sagte er eindringlich. »Hast du mich gehört und verstanden?«

»Mana-Konyr wird der Nachfolger«, be­stätigte Polga mit schwerer Zunge. »Mana-Konyr …«

Er wiederholte den Namen des KAYMU­URTES-Siegers immer wieder, wurde dabei zugleich aber immer leiser, so daß Axton ihn bald nicht mehr verstehen konnte. Er baute seine Geräte ab und verstaute sie in dem Beutel.

In diesem Moment meldete sich sein Sonderhirn!

Der Terraner sah sich gehetzt um. Im Überschwang seines Erfolgsgefühls hatte er die Gefahr völlig außer acht gelassen. Er entdeckte kein geeignetes Versteck, in das er sich schnell genug zurückziehen konnte. In seiner Not stellte er sich seitlich neben einen Schrank, wo er halbwegs gegen direkten Einblick von der Tür her gesichert war. Kaum hatte er diesen Platz erreicht, als die Tür aufging.

Rasel trat ein. Das Mädchen war noch betrunkener als

zuvor. »Also, du bist mir einer«, sagte sie mit

schwerer Zunge. »He, Polga, du kannst doch nicht einfach einschlafen.«

Sie ging zum Bett und beugte sich über den Schlafenden. Dann richtete sie sich auf und wandte sich um. Dabei bemerkte sie Le­bo Axton, der neben dem Schrank stand.

»Ach so«, sagte sie und blickte abwech­selnd auf den Verwachsenen und den schla­fenden Arkoniden. »So ist das!«

Sie kicherte, ging heftig schwankend auf Axton zu und küßte ihn auf die Stirn.

Axron schob sie in Richtung Tür. Sie füg­te sich und verließ kichernd den Raum.

*

»Wenn sie nüchtern ist, erinnert sie sich nicht mehr daran«, sagte Lebo Axton opti­mistisch.

»Hoffentlich«, erwiderte Avrael Arrkonta. Er schob dem Terraner einige süße Früchte über den Frühstückstisch hinweg zu. »Nehmen Sie. Ich kann sie Ihnen wirklich empfehlen.«

Axton bediente sich. »Alles in allem gehören etwa vierzig bis

fünfzig Persönlichkeiten zum Kern der Macht der Sonnen«, berichtete er. »Es sind dies wirklich wichtige und mächtige Männer und Frauen. Viele von ihnen hatte ich bereits in Verdacht. Jetzt weiß ich, daß meine Ver­mutung richtig war. Es sind alles ehemalige

30

Freunde Orbanaschols, und sie alle wurden von ihm beschenkt und gefördert.«

»Undankbares Gesindel.« »Das mag Orbanaschol sagen. Ich bin ei­

gentlich ganz zufrieden damit, daß diese Leute sich gegen den Imperator wenden. Dadurch wird Atlan es leichter haben.« Ax­ton trank etwas Tee. »Zwanzig der wichtig­sten Männer habe ich inzwischen erwischt. Ich habe noch nie so schnell und konzen­triert gearbeitet. Es erscheint mir wie ein Wunder, daß es nicht eine einzige gefährli­che Panne gegeben hat.«

»Glauben Sie, daß zwanzig ausreichend sind?«

»Davon bin ich überzeugt. Diese zwanzig Männer werden sich energisch für Mana-Konyr einsetzen. Sie sind die wichtigsten, auf sie wird man also hören.«

Avrael Arrkonta blickte bestürzt auf sein Chronometer.

»Wie konnte ich das nur vergessen«, rief er. »Mana-Konyr will Sie sprechen. Ich habe einen Termin mit ihm vereinbart. Er hat sich über einige Mittelsmänner mit mir in Ver­bindung gesetzt.«

»Wann?« fragte Axton. »Wann will er mich sprechen?«

»Wir haben nur noch wenige Minuten Zeit.« Der Arkonide sprang auf. Lebo Axton kletterte auf den Rücken Kellys und folgte Arrkonta zu einem Gleiter. Eskortiert von zwei weiteren Maschinen, die mit Leibwa­chen besetzt waren, rasten sie davon. Sie landeten auf dem Parkdach eines nur wenige Kilometer entfernten Trichtergebäudes und schwebten im Antigravschacht nach unten.

Die Wachen ließen sich erst dazu überre­den, Axton und Arrkonta allein zu lassen, nachdem sie die Wohnung gründlich durch­sucht hatten, in die die beiden Männer geeilt waren. Kaum waren der Terraner und Arr­konta allein, als der Arkonide auch schon ei­ne versteckte Tür öffnete.

»Sie führt in eine andere Wohnung«, er­klärte er. »Und von dieser aus kommen wir in die nächste, in der Mana-Konyr sein wird.« Die beiden Freunde durchquerten die

H.G. Francis

Wohnung. Axton spürte bereits die eigenar­tige Ausstrahlung des Magnortöters, als er noch durch mehrere Wände von ihm ge­trennt war. Sie zeigte ihm an, daß Klinsan­thor über Mana-Konyr herrschte.

»Kommen Sie, Axton«, wisperte es in ihm. »Ich brauche Sie.«

Kurz darauf stand der Terraner vor dem Magnortöter, der in starrer Haltung in einem Sessel saß. Seine Wangen waren eingefal­len. Seine Blicke suchten ihn, und er schien Mühe zu haben, sich zu konzentrieren.

»Was ist los mit Ihnen?« fragte der Kos­mokriminalist. »Was ist passiert?«

»Ich erlösche«, antwortete Klinsanthor laut. »Meine Kräfte gehen zu Ende. Helfen Sie mir.«

»Gern«, erwiderte Axton, »aber was kann ich tun?«

»Geben Sie mir Ihre Hand.« Axton streckte seine Hand aus, und der

Magnortöter ergriff sie mit beiden Händen. Ein Stromkreis schien sich zu schließen. Der Terraner fühlte, daß etwas Unbegreifliches vorging. Seine Umwelt schien zu versinken. Ihm war, als ob er allein mit dem Magnortö­ter irgendwo zwischen den Dimensionen schwebte. Um ihn herum war nichts als ufer­lose Schwärze, in der es kein Licht zu geben schien. Und dennoch sah er den Magnortöter und sich selbst ganz deutlich.

Ein blaues Leuchten ging plötzlich von ihm aus und strich pulsierend zu Klinsanthor hinüber. Axton blickte auf seine Hand hinab. Und der Magnortöter schien zu wachsen. Seine Gestalt straffte sich, seine Augen wur­den klar, fast leuchtend, während das blaue Leuchten intensiver wurde. Axton fühlte sich von einer eigenartigen Spannung erfaßt. Er verkrampfte sich und lehnte sich dagegen auf, daß ihm Energie entzogen wurde. Er versuchte, seine Hand aus der Umklamme­rung zu lösen. Zunächst war der Widerstand des Magnortöters zu groß, dann aber gelang es ihm, sich loszureißen.

Plötzlich war er wieder in dem Raum, in dem er Klinsanthor angetroffen hatte. Alles war wie zuvor. Nur Klinsanthor sah nicht

31 Das Ende des Magnortöters

mehr so müde und erschöpft aus. Seine gei­stigen Impulse waren klar und stark.

Lebo Axton blickte bestürzt an sich her­unter. Seine Hand glitt unter die Blusen­jacke. Sie legte sich um den blauen Gürtel, der seine Hüften wie ein lebendes Wesen umschlang. An ihm hatte sich nichts verän­dert.

»Ich danke Ihnen«, sagte der Magnortöter laut. »Sie haben mir neue Kraft geschenkt.«

Die parapsychische Ausstrahlung unter­strich, daß Klinsanthor die Wahrheit sprach. Sie war erdrückend intensiv. Unwillkürlich wich der Terraner vor dem Magnortöter zu­rück. Er fürchtete, daß dieser die neuen Energien dazu nutzen würde, auf eigene Faust zu handeln und seine Rache an Orba­naschol zu vollziehen.

»Fürchten Sie nichts«, klang es da in ihm auf. »Ich überschätze mich nicht. Ich bin am Ende. Die Energien, die von Ihnen zu mir übergeflossen sind, verlängern die Frist, die mir noch bleibt, nur geringfügig. Es scheint nur so, als hätte ich die alte Machtfülle er­reicht, aber das täuscht. Ich werde tun, was Sie von mir verlangen.«

»Danke«, sagte Axton. Er griff in seine Jackentasche und reichte Klinsanthor ein kleines Funkgerät. »Verstecken Sie dies an Ihrem Körper. Ich möchte, daß wir ständig in Verbindung bleiben. Die Gegenseite wird an Sie herantreten. Man wird Sie als Nach­folger für Orbanaschol vorschlagen.«

»Ich bin ein Sterbender«, erwiderte Klinsanthor.

»Sie haben es mir gesagt, und ich glaube Ihnen. Doch die Mitglieder der Macht der Sonnen wissen es nicht. Sie wollen Mana-Konyr, den KAYMUURTES-Sieger, als neuen Imperator einsetzen. Sie werden zum Schein auf die Pläne dieser Männer und Frauen eingehen.«

»Einverstanden.« Die beiden Männer reichten sich die Hän­

de. Dann verließen Axton und Arrkonta den Magnortöter und kehrten zu den wartenden Wachen zurück.

*

»Wir fliegen zur Wohnung Arrkontas«, teilte Axton den Wachen mit, als er hinter den Steuerelementen des Gleiters saß und startete. Gentleman Kelly hatte sich auf den Nebensitz gesetzt, während der Arkonide auf der hinteren Bank Platz genommen hat­te.

Er beschleunigte scharf und ging erst auf den richtigen Kurs, als er bereits Höchstge­schwindigkeit erreicht hatte. Dabei absor­bierten die Antigravs die Fliehkräfte nicht voll, so daß sich ein gewisses Fluggefühl einstellte.

Dieses unerwartete Manöver, das Axton aus Spaß am Fliegen wählte, ließ den ersten Schlag gegen ihn scheitern.

Aus dem wolkenverhangenen Himmel zuckte ein Blitz herab und überschüttete die Landschaft mit gleißendem Licht. Axton schrie auf und preßte die Hände vor die ge­blendeten Augen. Der Energiestrahl raste zi­schend am Gleiter vorbei und traf eine der tiefer fliegenden Maschinen mit den Wa­chen. Diese explodierte augenblicklich. Ein Feuerball breitete sich unter Axton aus. Trümmerstücke wirbelten daraus hervor.

Als der Terraner sich etwas von dem Schock erholt hatte und er wieder etwas bes­ser sehen konnte, beobachtete er, wie mäch­tige Kampfroboter aus den Wolken herab­regneten. Auf den ersten Blick schätzte er, daß es wenigstens fünfzig Kampfmaschinen waren, die sich ihm näherten. Und wieder blitzte es auf. Aus den beiden Waffenarmen eines Kampfautomaten schoß ein Energie­strahl. Er raste über Axtons Gleiter hinweg und zerschmetterte die zweite Maschine, die ihn begleitete.

»Kelly«, schrie der Verwachsene und warf sich über die Rückenlehne nach hinten.

Der Roboter nahm seine Stelle an den Steuerelementen ein und ließ den Gleiter so­fort steil abfallen. Zahllose Energieblitze umtosten die Maschine plötzlich. Das Dach zerbarst unter dem Hitzesturm und flog da­

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von. In diesem Moment leistete die Natur un­

verhoffte Hilfe. Aus den Wolken stürzten plötzlich wahre Wassermassen herab. Die Energieschüsse der Kampfroboter ver­dampften die Regentropfen und schufen eine brodelnde, kochende Dunstglocke, in der für Axton und Arrkonta unerträgliche Hitzegra­de herrschten. Das Positronenhirn Gentle­man Kellys reagierte jedoch mit phantasti­scher Präzision und Schnelligkeit. Der Ro­boter ließ den Gleiter mit gedrosselten Mo­toren wie ein Stein in die Tiefe stürzen. Dann beschleunigte er wieder, wobei er mehrere Male nach einem nicht erkennbaren System den Kurs änderte. So führte er die Maschine aus der unmittelbaren Gefahren­zone heraus.

Axton gab über Funk Alarm. Er erreichte die Leibwache des Imperators

und forderte Hilfe an. Er hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als sein Gerät ge­stört wurde. Damit wurde eine Verständi­gung mit der Palastwache unmöglich.

Axton wußte jedoch, daß inzwischen Ge­neralalarm für diesen nördlichen Bereich von Arkon I gegeben worden war. Ein derar­tiger Massenangriff von Kampfrobotern lös­te zwangsläufig Abwehrreaktionen aus. Ax­ton zweifelte jedoch daran, daß die Hilfe rechtzeitig kommen würde.

Die Sicht klärte sich wieder. Axton sah sich um, während ihm der Regen ins Gesicht peitschte. Die Roboter waren etwas zurück­gefallen. Gentleman Kelly hatte sie mit sei­nen überraschenden und schnellen Manö­vern ausgespielt, so wie Axton es erhofft hatte, als er dem Roboter das Steuer überlas­sen hatte.

»Die Roboter holen auf«, rief Arrkonta. »Zum Kristallpalast, Kelly«, befahl Ax­

ton. »Das ist unsere einzige Chance.« Der Gleiter schwenkte herum und raste

auf den Palast des Imperators zu. Mit diesem Manöver holte Kelly abermals einen kleinen Vorsprung heraus, der jedoch bald wieder zusammenschmolz. Gehetzt blickte Axton zurück. Die Kampfmaschinen kamen schnell

H.G. Francis

näher. Nur noch Sekunden blieben, bis sie auf Schußweite heran waren.

Da tauchte ein Geschwader Kampfgleiter vor ihnen auf. Die Maschinen rasten heran. Für Sekundenbruchteile wußte Axton nicht, wie er sich entscheiden sollte. Waren dies feindliche Maschinen oder war das der er­sehnte Einsatz?

»Nach unten«, befahl der Terraner end­lich. Kelly ließ den Gleiter weiter abfallen, bis er dicht über die Wipfel der Bäume in den Parks dahinjagte. Die Kampfgleiter ra­sten über sie hinweg und dann blitzten auch schon die Hochleistungsenergiestrahler auf.

Die Kampfroboter explodierten fast gleichzeitig. Fünfzig Feuerbälle breiteten sich hinter Axton aus, und damit war der heimtückische Angriff endgültig abgeschla­gen.

Völlig durchnäßt erreichten Axton und Arrkonta den Kristallpalast. Einige Wachen nahmen sie in Empfang. Ein erregter Offi­zier eilte auf den Kosmokriminalisten zu.

»Wir haben ein Raumschiff geortet«, er­klärte er. »Von ihm sind die Kampfroboter abgesprungen.«

»Ermitteln Sie den Kommandanten und lassen Sie ihn verhaften«, befahl Axton.

»Wir wissen bereits, wer es ist. Wir ver­suchen gerade, mit ihm zu sprechen.« Er führte Axton in einen Funkraum, der unmit­telbar neben der Parknische lag, in der Kelly gelandet war. »Da. Der Kommandant meldet sich.«

Auf einem Videoschirm zeichnete sich das blasse Gesicht eines auffallend jungen Offiziers ab. Seine Augen weiteten sich, als Axton den Raum betrat. Mit dieser Reaktion verriet er, daß er den Kosmokriminalisten gesehen hatte und nun wußte, daß der An­schlag gescheitert war.

»Ich habe einen Fall von Sabotage anzu­zeigen«, sagte er mit stockender Stimme. »Einer meiner Offiziere hat Kampfroboter vorprogrammiert und ausschleusen lassen. Es geschah gegen meinen Befehl. Ich bitte um eine Untersuchung.«

»Die werden Sie bekommen«, antwortete

33 Das Ende des Magnortöters

Axton grimmig.

6.

Als Lebo Axton-Kennon den Funkraum gerade verlassen hatte, rief ihn der Wachof­fizier zurück.

»Der Imperator möchte Sie sprechen«, sagte er respektvoll und trat höflich zur Sei­te, um den Verwachsenen vorbeizulassen. Der Kosmokriminalist ging in den Fun­kraum zurück. Das Gesicht Orbanaschols zeichnete sich auf dem Videoschirm ab. Es war grau. Der Imperator hatte Angst. Das er­kannte Axton auf den ersten Blick.

»Was ist passiert?« fragte Orbanaschol. »Ich will es von Ihnen selbst hören.«

Der Kosmokriminalist berichtete in kurz­en Worten.

»Verhören Sie den Kommandanten selbst«, befahl der Imperator danach. »Und wenn Sie erfahren haben, was Sie wissen wollten, dann schicken Sie ihn zum Hinrich­tungsroboter. Verräter wie diese müssen ausgemerzt werden.«

Axton dachte daran, daß sieben oder acht Männer des Begleitkommandos bei dem An­griff der Kampfroboter getötet worden wa­ren. Auch der Verlust der kostspieligen Kampfroboter war von dem Kommandanten zu verantworten.

»Ich teile Ihre Meinung, Imperator«, er­widerte er daher. »Allerdings bin ich für die­sen Zwischenfall in gewisser Weise auch dankbar, denn er hat mir gezeigt, daß unsere Gegenspieler auch in den Reihen der Mili­tärs und offenbar unter den höchsten Offi­zieren zu finden sind. Und das macht die ganze Angelegenheit noch viel gefährlicher, als sie uns bisher schon erschien.«

Orbanaschol III. nickte nur. Tränen der Erregung rannen ihm über die feisten Wan­gen. Der Imperator hatte längst begriffen, welch schwerwiegenden Hintergrund der Angriff der Kampfroboter auf Axton hatte. Das war der Grund dafür, daß er panische Angst litt.

Orbanaschol schaltete ab. Axton verließ

den Funkraum und bat Arrkonta, zu seiner Wohnung zu fliegen.

»Ich werde dafür sorgen, daß Sie ein Be­gleitkommando bekommen«, sagte er.

»Das ist nicht notwendig«, erwiderte der Arkonide und zwinkerte Axton verstohlen zu. »Meine Schutztruppe ist bereits da.«

Er deutete auf einige Männer, die der Ver­wachsene bisher nicht gesehen hatte, weil sie etwas abseits standen. Sie waren alle Mitglieder der Organisation Gonozal VII.

Wenige Minuten nachdem Axton sein Bü­ro betreten hatte, führten einige Offiziere den Kommandanten des Raumschiffs herein, von dem aus die Kampfroboter angegriffen hatten. Seine Hände waren mit Stahlbändern gefesselt. Sein Navigationsoffizier begleitete ihn. Auch er trug Fesseln.

Axton schickte die Wachen hinaus. For­schend blickte er die beiden Raumfahrer an. Sie hatten offene Gesichter, die jetzt aller­dings von Furcht gezeichnet waren. Der Kommandant trug die Wochenspule des elektronischen Logbuchs bei sich. Wortlos legte er sie vor Axton auf den Arbeitstisch.

»Es steht schlecht um Sie«, eröffnete der Kosmokriminalist das Gespräch. »Ich will ehrlich sein mit Ihnen. Vor wenigen Minu­ten habe ich mit dem Imperator gesprochen. Er sieht in dem Anschlag auf mich einen Angriff auf sich selbst. Wir sind uns darüber klar, daß ich es nur einem Zufall verdanke, daß ich noch lebe. Die Roboter haben falsch entschieden. Sie haben erst die beiden ande­ren Gleiter unter Feuer genommen und sich dann auf meine Maschine konzentriert. Hät­ten Sie das nicht getan, wäre ich jetzt schon tot.«

Er machte eine bedeutungsvolle Pause, in der er die beiden Arkoniden scharf beobach­tete.

»Der Imperator kennt in der augenblickli­chen Situation keine Gnade mehr. Wenn Sie sich vor dem Hinrichtungsroboter retten wollen, dann reden Sie. Berichten Sie genau, was vorgefallen ist, und wie es zu dieser Ro­boteraktion kam.«

»Wir haben Anspruch auf ein ordentliches

34

Verfahren vor einem Militärgericht.« »Nicht in diesem Fall.« Axton schüttelte

den Kopf. »Ich sagte Ihnen bereits, daß der Imperator selbst eingegriffen hat. In der Verfassung steht, daß er berechtigt ist, jedes arkonidische Gericht auszuschalten und an seine Stelle zu treten. Das ist die Lage. Der Imperator wird sie innerhalb der nächsten Minuten zum Tode verurteilen und die so­fortige Hinrichtung anordnen, wenn Sie nicht die Wahrheit sagen.«

Axton lehnte sich in seinem Sessel zu­rück. Er hob abwehrend die Hände.

»Es tut mir leid, wenn Sie die Lage anders und damit falsch beurteilt haben sollten. Überlegen Sie sich also genau, was Sie sa­gen, wenn Sie jetzt den Mund aufmachen.«

»Ich bin getäuscht worden«, antwortete der Kommandant. »Gestern schickte mir mein Vorgesetzter, der Kommandant der SHRAEKRER, einen Kampfroboter. Er teil­te mir mit, daß dieser klar umrissene Anwei­sungen habe, die er an fünfzig andere Kampfroboter weitergeben sollte. Ich bekam den Befehl, diese Kampfroboter abzustellen und weitere Befehle abzuwarten.«

»Sie sind also nicht von einem Ihrer Offi­ziere hereingelegt worden.«

»Nein. Das war eine Notlüge. Ich wagte nicht, die Wahrheit zu sagen.«

»Weiter. Was geschah dann?« »Vor einer Stunde erhielt ich den Befehl,

zu beschleunigen und die Kampfroboter über Arkon I auszuschleusen. Der Befehl kam von dem Kommandanten der SHRAE­KRER. Ich führte ihn aus, ohne zu wissen, welche Aufgabe die Kampfroboter hatten.«

»Ah, auf den Gedanken, daß sie auf Ar­kon kämpfen sollen, sind Sie wohl nicht ge­kommen, wie?« fragte Axton.

»Sicherlich«, antwortete der Komman­dant. »In der Flotte ist es jedoch nicht üb­lich, nach dem Grund für einen Befehl zu fragen. Befehle sind auszuführen.«

Das war richtig. Axton verzichtete vorläu­fig auf weitere Fragen. Er nahm das Log­buch an sich. Es würde beweisen, ob der Kommandant die Wahrheit gesagt hatte oder

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nicht. Von diesem Mann war nicht zu erwar­ten, daß er sich gegen die Befehle eines Vor­gesetzten auflehnte, ohne dafür einen trifti­gen Grund zu haben. Den aber hatte er nicht gehabt.

»Wie heißt der Kommandant der SHRAEKRER, und wo ist dieses Schiff jetzt?« fragte Axton schließlich.

»Das Schiff hat Arkon verlassen und ist ins Gebiet der blauen Sonnen Lafthars geflo­gen«, antwortete der Navigationsoffizier.

»Es hat dort einen geheimen Auftrag zu erfüllen«, ergänzte der Kommandant, und auch diese Auskunft überraschte Axton nicht. Sie bewies, daß es bei der Raumflotte hohe Offiziere gab, die an der geplanten Re­volte beteiligt waren. Sie selbst gehörten der Organisation gar nicht an, waren aber bereit, mit ihr zusammenzuarbeiten, um den Impe­rator zu stürzen.

Axton drückte einen Knopf und rief damit die Wachoffiziere wieder zu sich herein.

»Bringen Sie die beiden in eine Zelle«, befahl er. »Sie bleiben vorläufig in Haft.«

Als er allein war, hörte er das Aufzeich­nungsband an, das die Aussagen des Kom­mandanten bestätigte. Dann informierte er den Imperator. Dieser verzichtete vorläufig darauf, den Kommandanten hinrichten zu lassen. Er tat es aus taktischen Gründen.

»Anders sieht es mit dem Kommandanten der SHRAEKRER aus«, sagte er. »Für ihn gibt es kein Entkommen, wenn er zurück­kehrt.«

»Dieser Offizier hat sich an dem An­schlag nur beteiligt, weil er davon überzeugt ist, daß unsere Gegner Erfolg haben«, erwi­derte Axton. »Doch er soll sich gründlich geirrt haben.«

*

Axton hatte das Gespräch kaum beendet, als sich Klinsanthor mit dem Spezialfunkge­rät meldete, das der Kosmokriminalist ihm gegeben hatte. Er gab sich mit einem Kode­wort zu erkennen und flüsterte.

»Man hat mich abgeholt«, berichtete der

35 Das Ende des Magnortöters

Magnortöter. »Soeben habe ich an einer Be­sprechung teilgenommen. Man hat mir den Plan weitgehend eröffnet. Der große Schlag steht unmittelbar bevor.«

»Wann ist es soweit?« fragte Axton atem­los.

»Ich weiß es nicht genau«, erwiderte Klinsanthor. »Es kann heute noch sein, wahrscheinlich aber erst morgen.«

»Wie soll es geschehen?« »Bei einer großen Versammlung von

namhaften Persönlichkeiten des ganzen Im­periums soll Orbanaschol für abgesetzt er­klärt werden. Er soll verhaftet werden, wäh­rend Spezialeinheiten, die schon seit einem halben Jahr auf anderen Planeten ausgebil­det worden sind, die Video-Sender und die strategisch wichtigen Punkte auf Arkon I be­setzen sollen. Danach soll ich, Mana-Konyr, der KAYMUURTES-Sieger, als Nachfolger Orbanaschols proklamiert werden.«

»Das entspricht meinem Plan«, entgegne­te der Terraner. »Haben Sie noch etwas her­ausgefunden?«

»Allerdings. Die Macht der Sonnen steht nicht allein. Es stoßen ständig wichtige Männer und Frauen zu der Organisation. Ich habe Offiziere der Raumflotte gesehen, und ich habe einige Bosse der SENTENZA be­merkt.«

»Wo soll die entscheidende Versammlung stattfinden?«

»Das steht noch nicht fest. Man sucht noch nach einem passenden Saal. Die Schwierigkeit ist, daß Orbanaschol zu dieser Veranstaltung gelockt werden muß. Wäre das nicht der Fall, dann wäre es wohl schon längst passiert.«

»Sie haben recht.« »Ich muß Schluß machen.« Klinsanthor

dämpfte seine Stimme auffallend stark. »Passen Sie auf, Axton. Man will Sie noch vorher erledigen. Man fürchtet Sie wie die Pest, und man hat Angst, daß an Ihnen noch alles scheitern könnte. Deshalb will man Sie vorher aus dem Weg räumen.«

»Danke für die Warnung.« Klinsanthor schaltete ab.

Wiederum nur wenige Minuten später wurde Axton erneut durch einen Anruf in seiner Arbeit gestört. Unwillig schaltete er das Videogerät an seinem Arbeitstisch ein. Er hatte die Absicht, den Anrufer kurz abzu­fertigen, doch das änderte sich, als er sah, daß es Avrael Arrkonta war.

Das Gesicht des Freundes war blaß. Arr­konta blickte ihn seltsam starr an, und sein Lächeln wirkte gequält.

»Lebo«, sagte er. »Ich muß Sie dringend sprechen. Es ist etwas passiert. Bitte kom­men Sie sofort zu mir.«

»Was ist denn los, Avrael?« Der Arkonide schüttelte den Kopf. »Bitte, stellen Sie keine Fragen. Kommen

Sie. Schnell.« Axton-Kennon zögerte nachdenklich.

Dann erwiderte er: »Nicht, bevor Sie mir nicht gesagt haben, was los ist.«

»Warum verlangen Sie das von mir? Miß­trauen Sie mir?« Arrkonta wurde unsicher. Er blickte flüchtig zur Seite.

»Nein, natürlich nicht, Avrael«, antworte­te der Terraner. »Ich komme. Sie können sich fest darauf verlassen.«

Er schaltete ab. Unentschlossen blickte er auf den Bildschirm. Auch ohne die warnen­den Impulse seines Sonderhirns hätte er ge­wußt, daß etwas nicht in Ordnung war. Er kannte Avrael Arrkonta genau. Mimik und Verhalten des Freundes hatten ihm deutlich angezeigt, daß er nicht allein gewesen war. Der flüchtige Blick zur Seite hatte jemanden gegolten, der außerhalb des Erfassungsbe­reichs der Kamera gestanden und ihn, wie Axton vermutete, mit einer Waffe bedroht hatte.

Axton wußte, daß Arrkontas Wohnung zur Falle für ihn werden sollte. War es die­ses Mal die SENTENZA, die es auf ihn ab­gesehen hatte? Oder steckte ein anderer Kommandant der Raumflotte dahinter?

Für Axton stand außer Frage, daß er Arr­konta helfen mußte. Er wußte auch, daß er es allein nicht schaffen konnte, sondern dazu die tatkräftige Unterstützung eines Sonder­kommandos benötigte. Er rechnete damit,

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daß sich eine ganze Reihe von Gegnern bei Arrkonta befanden und nicht nur ihn, son­dern auch seine beiden Frauen und das Dienstpersonal bedrohten. Es kam also dar­auf an, in die Wohnung einzudringen und so überraschend zuzuschlagen, daß niemand getötet wurde.

Die Schwierigkeit war, daß das Trichter­gebäude, in dem der Industrielle wohnte, vom Gegner bewacht wurde. Rückte er mit militärischer Unterstützung an, dann würden die Beobachtungsposten des Gegners sofort Alarm schlagen. Vielleicht würde ein sol­cher Aufmarsch schon ausreichen, ein Blut­bad in der Wohnung des Freundes auszulö­sen.

Stöhnend lehnte Axton sich in seinem Sessel zurück. Er legte die Hände vor das Gesicht. Er kannte sich in der Wohnung Arr­kontas bestens aus, aber er wußte nicht, wie er es anstellen sollte, ungesehen in sie einzu­dringen und dann gegen eine Übermacht zu kämpfen.

Die Art des Überfalls deutete auf SEN­TENZA-Methoden hin. Das bedeutete, daß Axton mit brutalsten Reaktionen rechnen mußte, wenn er einen Fehler machte. Die Männer der SENTENZA kannten keine Skrupel. Sie lebten vom Verbrechen, und sie räumten durch Mord aus dem Weg, wer sich ihnen entgegenstellte. Allzu lange war diese Organisation gefördert worden. Der Impera­tor hatte seine Hand aufgehalten und sich Beteiligungen aus den Gewinnen der Orga­nisation zahlen lassen. Als Dank für sein Wohlwollen und seine Protektion hatte die SENTENZA, wie Axton mit absoluter Si­cherheit wußte, zahlreiche Morde für den Imperator ausgeführt und so manchen Geg­ner verschwinden lassen, der Orbanaschol unbequem geworden war.

Nun aber hatte sich die SENTENZA of­fenbar entschlossen, Orbanaschol zu stürzen, um noch bessere Gewinnmöglichkeiten zu schaffen.

Axton kletterte auf den Rücken Gentle­man Kellys und befahl ihm, ihn zum chemi­schen Hauptlaboratorium des Kristallpalasts

H.G. Francis

zu tragen. Er kannte den Leiter des Labors gut. Arlot Menkoskhan war ein junger, ge­nialer Mann, der sich durch außergewöhnli­che Leistungen zu einer Führungsposition hochgearbeitet hatte. Er war einer der weni­gen in der Nähe Orbanaschols, der seinen Weg nicht durch Protektion gemacht hatte. Über Politik sprach Menkoskhan nie, den­noch glaubte Axton sicher zu sein, daß er Orbanaschol ablehnte.

Er traf den jungen Arkoniden im Hauptla­bor an, wo er mit einigen anderen Chemi­kern zusammen an einem Experiment arbei­tete.

»Muß das sein?« fragte Menkoskhan, als Axton ihn ansprach.

»Es tut mir leid. Es geht nicht anders.« Seufzend trennte der Arkonide sich von

seiner Arbeit und führte seinen Besucher in sein Büro. Er setzte sich hinter einen einfa­chen Tisch, legte die Hände flach auf die Tischplatte und blickte Axton spöttisch an.

»Nun?« fragte er. »Ist es soweit? Haben Sie hier irgendwo in meinem Büro Abhöran­lagen angebracht und mich danach bei einer unbotmäßigen Äußerung über den Imperator erwischt?«

Axton lächelte. Er stieg vom Rücken Kel­lys herab und ließ sich von diesem auf einen Hocker helfen.

»Selbst wenn es so wäre, würde es mich nicht interessieren«, sagte er. »Ich habe ein anderes Problem, und ich möchte, daß Sie mir dabei helfen. Ein Freund von mir ist in den Händen der SENTENZA. Die Killer wollen mich in seine Wohnung locken und mich dort töten. Ich muß ihm helfen.«

»Gehen Sie nicht hin. Was sollen diese Männer von der SENTENZA machen, wenn Sie der Wohnung fernbleiben?«

»Sie werden ihn erschießen«, antwortete der Kosmokriminalist. »Das ist sicher.«

»Und was wollen Sie von mir?« Axton deutete über die Schulter zurück

auf den Roboter. »Kelly hat verschiedene Vorrichtungen,

mit denen er kleine Giftpfeile verschießen kann. Ich brauche ein Gift mit einer be­

37 Das Ende des Magnortöters

stimmten Wirkung.« »Ein tödliches Gift? Da sind Sie bei mir

an der falschen Adresse.« »Sie unterschätzen mich, Menkoskhan.

Ich habe nicht vor, die Wohnung meines Freundes in ein Schlachtfeld zu verwandeln, und die Verbrecher der Reihe nach zu töten. Das dürfte auch nicht möglich sein. Ich rechne damit, daß ich von einem der Männer an der Eingangstür empfangen werde. Ver­mutlich hat dieser Mann die Aufgabe, mich sofort zu töten. Vermutlich beobachtet man ihn und mich über ein Videosystem. Wenn ich den SENTENZA-Mann töte, dann wird man vermutlich meinen Freund umbringen. Sie werden verstehen, daß ich dieses Risiko nicht eingehen kann.«

»Was also wollen Sie von mir?« Axton sagte es ihm.

*

Der Terraner landete mit seinem Gleiter nicht, wie gewöhnlich, in einer Parknische, die zu Arrkontas Wohnung gehörte, sondern auf dem Dach des Trichtergebäudes.

»Da drüben bei dem Exka-Restaurant ist ein Mann«, sagte Gentleman Kelly, dessen optisches System die Umgebung viel besser überwachen konnte, als es Axton vermocht hätte. »Er hat uns gesehen. Jetzt spricht er über Video.«

»Man meldet uns also an.« Axton verließ die Gleiterkabine und kletterte gemächlich auf den Rücken des Roboters, als sei alles normal. Gentleman Kelly trug ihn zum Ein­gang des zentralen Antigravschachts hin­über, wobei sie mehrere Restaurants und Automatenläden passierten. Im Schacht san­ken sie nach unten bis zu dem Stockwerk, in dem Arrkonta wohnte. Niemand hielt sie auf den Gängen auf. Das wäre Axton auch auf­gefallen, wenn er arglos gewesen wäre.

Als er sich der Tür zu der Wohnung des Freundes näherte, wurden die von seinem Extrahirn ausgehenden Impulse intensiver. Seine infrarotempfindlichen Augen bemerk­ten einige Wärmeverfärbungen an der Tür.

Sie zeigten ihm an, daß dahinter jemand stand und auf ihn wartete.

Axton beugte sich über die Schulter des Roboters hinweg und legte die Hand an den Rufkontakt. Die Tür öffnete sich augen­blicklich.

»Na los, Blechkumpel, geh schon«, sagte Axton und schlug Kelly klatschend mit der Hand auf den Kopf. »Und erinnere mich daran, daß ich deine Gelenke schmieren las­se, du quietscht wie ein alter Blecheimer.«

»Das ist Absicht. Ich versuche eben im­mer …«

»Ruhe«, befahl Axton. Er beugte sich vor und sah den Mann an, der im Vorraum der Wohnung stand. »Wer ist denn das? Sie ha­be ich hier noch nie gesehen.«

Er erkannte den Mann wieder. Bevor er hierher aufgebrochen war, hatte er sich eine Kartei mit bekannten SENTENZA-Mitglie­dern angesehen. Dieser Mann gehörte zu ei­nem Todeskommando.

»Treten Sie ein, Axton«, sagte der Ver­brecher. »Schließen Sie die Tür hinter sich.«

Axton vernahm ein leises Knirschen hin­ter sich. Jemand näherte sich ihm von hin­ten. Er gab Gentleman Kelly hastig ein Zei­chen. Der Roboter ging weiter. Die Tür schloß sich hinter ihm und deckte ihn damit nach hinten ab.

Ein winziger Giftpfeil schoß aus einer Öffnung im Rumpf Kellys. Der Gangster griff sich unter die Jacke und holte einen kleinen Nadelstrahler darunter hervor. Im gleichen Moment traf ihn der Pfeil im Ge­sicht. Er fuhr sich mit der linken Hand zu der Stelle, an der er getroffen worden war, und blickte Axton verstört an. Dann hob er den Energiestrahler und zielte auf den Kos­mokriminalisten.

»Sollten Sie mich tatsächlich derart unter­schätzen?« fragte Axton spöttisch. »Glauben Sie wirklich, daß ich Ihnen in die Falle ge­gangen bin? Nun gut. Sie sollen wissen, daß ich mich vorbereitet habe. Es wäre ein Feh­ler, auf mich zu schießen.«

Er beobachtete, daß die rötlichen Augen seines Gegenübers glasig wurden. Der Killer

38

schaffte es nicht, den Nadler auszulösen. Das Gift wirkte. Es machte ihn willenlos und unfähig, Gewalt auszuüben.

Axton lächelte. Er deutete auf die nächste Tür.

»Bitte, öffnen Sie«, befahl er. Der SEN­TENZA-Mann gehorchte. Im gleichen Mo­ment schrie es in Axton förmlich auf. Eine tosende Impulswelle ging von seinem Sonderhirn aus. Er duckte sich, und dann trommelte eine Serie von winzigen Pfeilen gegen den Stahlkörper Kellys, gegen den Kopf des Roboters und gegen die Tür hinter Axton.

»Weiter«, rief der Terraner Kelly zu. Die­ser stürmte in den Wohnsalon. Der Kosmo­kriminalist sah sich drei SENTENZA-Kil­lern gegenüber, die sich im Raum verteilt hatten. Einer von ihnen umklammerte Avrael Arrkonta von hinten und preßte ihm die Mündung einer Giftpfeilpistole an die Schläfe.

Als der Industrielle Axton sah, ließ er sich fallen und rammte seinem Peiniger den El­lenbogen in die Magengrube. Damit ver­schaffte er sich etwas Luft, doch die Attacke genügte nicht, einen derart gefährlichen Feind auszuschalten.

Gentleman Kelly schoß einige Giftpfeile auf diesen Gangster ab und traf ihn. Gleich­zeitig warf sich Lebo Axton zur Seite. Er stürzte zu Boden, während Kelly herumwir­belte und auf die beiden anderen Männer schoß. Er traf sie. Einer von ihnen konnte seinen Energiestrahler jedoch noch abfeu­ern. Der Blitz zuckte quer durch den Raum und verbreitete eine unerträgliche Hitze.

Dann war der Kampf im Salon vorbei. Die drei SENTENZA-Männer standen auf der Stelle und konnten sich zu keiner weite­ren Tat aufraffen. Gentleman Kelly aber ra­ste quer durch den Raum. Er sprang mit vol­ler Wucht gegen eine Tür und zertrümmerte sie. Wie ein Geschoß drang er in das Neben­zimmer ein.

Zu diesem Zeitpunkt lag Lebo Axton auf dem Bauch auf dem Boden. Er hielt eine stabförmige Waffe in der Hand. Damit zielte

H.G. Francis

er auf die Tür, die Kelly durchbrach. Als der Roboter sie hinweggeschmettert hatte, löste Axton die Waffe aus. In kurzer Folge rasten rote Kugeln in den Nebenraum. Sie zerplatz­ten, als sie den Türrahmen passiert hatten, und in unglaublicher Geschwindigkeit brei­tete sich nebenan ein rötliches Gas aus.

Axton beobachtete zwei Frauen und zwei Männer, die miteinander kämpften, aber un­ter der Einwirkung des Gases schon nach Sekundenbruchteilen zu Boden fielen.

»Haben Sie sonst noch irgendwo ein paar Freunde versteckt?« fragte Axton.

Avrael Arrkonta schüttelte stumm den Kopf. Er sah verstört aus. Unsicher blickte er zu den SENTENZA-Männern, die ihre Waffen noch immer in der Hand hielten.

»Kelly, sammle die Waffen ein«, befahl Axton. Er löste das stabförmige Gerät noch einmal aus. Dieses Mal flog eine grüne Ku­gel in den Nebenraum, und als sie zerbarst, da schien es so, als ob das aus ihr entwei­chende Gas den rötlichen Nebel in sich auf­saugen würde.

Gentleman Kelly ging von einem der Gangster zum anderen und nahm ihnen die Waffen ab, wobei er sie gründlich nach wei­teren, versteckten Waffen untersuchte.

Währenddessen ging Axton zu einem Vi­deogerät und verständigte einen seiner Mit­arbeiter.

»Sie können jetzt da draußen aufräumen«, sagte er. »Hier bei uns ist alles in Ordnung.«

Avrael Arrkonta ließ sich in einen Sessel sinken, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß seine beiden Frauen lediglich das Bewußtsein verloren hatten.

»Das Dienstpersonal ist gefesselt wor­den«, berichtete er und blickte Axton dank­bar an. »Ich fürchtete schon, Sie würden ein Einsatzkommando zusammenstellen und da­mit hier eindringen. Sie hätten es nicht ge­schafft. Diese Verbrecher haben alle Zugän­ge zur Wohnung über Video beobachtet. Sie hätten uns getötet, wenn Sie nicht allein ge­kommen wären. Und dann wären sie nach unten geflüchtet.«

Er deutete auf den Fußboden und dann

39 Das Ende des Magnortöters

auf eines der Nebenzimmer. Axton ging hin­über. Im Fußboden war ein großes Loch. Er konnte in die darunter liegende Wohnung sehen.

7.

»Axton?« wisperte es aus dem winzigen Funkgerät. »Ich habe erfahren, daß Sie es überlebt haben.«

»Es ist ihnen nicht gelungen, mich umzu­bringen«, bestätigte der Verwachsene. Er befand sich noch immer in der Wohnung Avrael Arrkontas. Das gesamte Gebäude war mittlerweile von Truppen besetzt wor­den, die Orbanaschol und Axton noch für zuverlässig hielt. Der Terraner und sein ar­konidischer Freund Arrkonta wußten, daß zahlreiche Mitglieder der Organisation Go­nozal VII unter den Soldaten waren. Daher fühlten sie sich sicher.

»Ich war gerade bei einer Besprechung«, fuhr Klinsanthor über Funk fort. »Quartantat und die führenden SENTENZA-Leute sind außer sich vor Wut und Enttäuschung, daß dieser Anschlag gegen Sie fehlgeschlagen ist.«

»Das kann ich mir denken. Was werden sie tun?«

»Heute noch werden maßgebliche Männer aus der Organisation zu Orbanaschol gehen und ihm ein Treffen vorschlagen.«

»Was passiert, wenn Orbanaschol ab­lehnt?«

»Dann werden die Gewerkschaften im ge­samten Imperium den Generalstreik ausru­fen. Die Unternehmer werden sämtliche Ro­botfabriken stillegen, und die SENTENZA wird Sabotageakte ausüben, durch die der allgemeine Zusammenbruch eingeleitet wer­den wird.« Klinsanthor senkte seine Stimme. »Sodann ist vorgesehen, mich als Gegen-Imperator auszurufen. Man wird der Öffent­lichkeit erklären, daß ich den Sturz Orbana­schols und die Machtübernahme schon von langer Hand vorbereitet habe.«

»Das entspricht meinem Plan. So habe ich es Quartantat und den anderen eingeflüstert.

Der populäre Mana-Konyr soll vorgescho­ben werden. Ich will Sie in der entscheiden­den Stunde dabei haben, damit Sie Atlan mit Ihren besonderen Fähigkeiten helfen kön­nen. Außerdem weiß ich, was die Gegensei­te plant, solange Sie in vorderster Linie ste­hen.«

»Bis jetzt weiß man nicht, daß Sie bereits über alles informiert sind«, fuhr der Magn­ortöter fort. »Man glaubt auch, daß Orbana­schol ahnungslos ist.«

»Danke, Klinsanthor. Passen Sie auf sich auf.« Axton beendete das Gespräch. Er rieb sich die Hände. Triumphierend blickte er Arrkonta an. »Bald haben wir es geschafft, Avrael.«

»Freuen Sie sich nicht zu früh. Lebo. Noch ist alles offen.«

»Aber nicht mehr lange. Ich werde gleich zu Orbanaschol fliegen und den Abschluß der Aktion mit ihm besprechen. Wenn er mitmacht – und es bleibt ihm eigentlich gar nichts anders mehr übrig –, dann werden sich alle Atlan-Gegner und bisherigen Orba­naschol-Anhänger eindeutig entlarven. Der Imperator muß sie verhaften, wenn er seinen eigenen Hals retten will. Und damit ent­machtet er sich selbst. Das wird der größte Schlag, den wir je gegen die Macht Orbana­schols geführt haben.«

»Dann sollten wir jetzt die Freunde aus unserer Organisation alarmieren«, schlug Arrkonta vor.

»Ich benötige sie dringend«, erwiderte Axton. »Wenn alles so verläuft, wie ich es geplant habe, dann brauche ich noch in die­ser Nacht ein ganzes Heer von Spezialisten, die mir helfen, die notwendigen Vorberei­tungen zu treffen.«

»Ich werde dafür sorgen, daß Sie alles be­kommen«, versprach der Arkonide.

»Gut. Dann mache ich mich jetzt auf den Weg zu Orbanaschol.« Er glitt vom Stuhl, kletterte auf den Rücken von Gentleman Kelly und blickte Avrael Arrkonta ernst an. »Hoffen wir, daß wir die nächsten dreißig Stunden lebend überstehen, Avrael.«

40

*

Lebo Axton hatte das Gefühl, von einer ganzen Streitmacht begleitet zu werden. Diese übertriebene Schutzmaßnahme gefiel ihm überhaupt nicht, weil sie seinen Plan zu stark gefährdete. Er beschloß, bei Orbana­schol durchzusetzen, daß seine Leibwache auf ein paar Mann beschränkt wurde. Auch der Kristallpalast war ihm zu gut bewacht. Diese Vorsichtmaßnahme konnte die Macht der Sonnen darauf aufmerksam machen, daß ihr Plan verraten war.

Gleich zu Beginn des Gesprächs mit Or­banaschol versuchte Axton, diesem die Ge­fahr deutlich zu machen. Der Imperator lehnte es jedoch energisch ab, den Schutz für sich selbst zu verringern.

»Wenn Sie sich selbst zum Abschuß an­bieten wollen, dann ist das Ihre Sache«, er­klärte er. »Ich werde jedoch auf keinen ein­zigen Mann verzichten.«

Orbanaschol hatte sich nicht verändert. Noch immer war sein Gesicht von panischer Angst und Furcht gezeichnet. Sein ganzes Gebaren deutete darauf hin, daß er mit sei­nen Kräften so gut wie am Ende war. Nun genügte tatsächlich ein kleiner Anstoß, ihn ganz zu beseitigen. Vermutlich hatte der Im­perator in den letzten Stunden eingesehen, daß die von ihm verfolgte Politik der per­sönlichen Bereicherung falsch gewesen war. Er hatte die totale Machtfülle angestrebt und sich dazu einen Freundeskreis geschaffen, der ebenfalls stets nur an den eigenen Vor­teil gedacht hatte. Nun mochte er erkannt haben, daß man sich auf derartige Freunde nicht stützen kann.

»Berichten Sie«, forderte der Imperator den Verwachsenen auf. »Was haben Sie her­ausgefunden.«

Axton schilderte Orbanaschol die Ereig­nisse der letzten Stunden. Mit seinen Worten konnte er den Imperator jedoch keineswegs beunruhigen. Im Gegenteil. Orbanaschols Unsicherheit und Angst stiegen noch mehr.

»Und jetzt?« fragte er schließlich gereizt.

H.G. Francis

»Wie soll es weitergehen? Warum verhaften Sie diese Verräter nicht einfach? Nichts wä­re leichter.«

»Die Öffentlichkeit würde einfach nicht glauben, daß soviele reiche und mächtige Männer einen Umsturz geplant haben. Man wird behaupten, Sie hätten die Verhaftungen vornehmen lassen, um sich zu bereichern oder auf illegale Weise Widersacher aus dem Weg zu räumen.«

»Das ist wahr«, gestand Orbanaschol ein. »Aber was soll ich tun?«

»Ich schlage Ihnen vor, daß die große Versammlung hier im Kristallpalast stattfin­det. Ich werde dafür sorgen, daß dieser Ge­danke auch bei unseren Gegnern Anklang findet. Mana-Konyr, mit dem ich mich gut verstehe, wird dafür eintreten.«

»Was haben Sie vor, Axton? Reden Sie deutlicher. Was soll das alles?«

»Ihre Feinde wollen die Macht über das Imperium übernehmen. Nun, wo könnte ein besserer Ort sein, das zu tun als hier im Kri­stallpalast? Ihre Feinde wollen Sie absetzen. Wo ließe sich besser dokumentieren als hier, daß Sie am Ende sind?«

»Axton, was soll das?« fragte Orbana­schol scharf und voller Mißtrauen.

»Ich will die wirklich wichtigen Mitglie­der der feindlichen Organisation in eine Fal­le locken. Ich will, daß sie sich selbst die Maske vom Gesicht reißen. Ich will, daß sie vor aller Öffentlichkeit, über Video-Netz verbreiten, was sie getan haben. Ich will, daß sie hinausbrüllen ins Imperium: Hier, wir haben Orbanaschol entmachtet. Wir sind die neuen Herren.«

»Und dann?« forderte Orbanaschol, den es nicht mehr in seinem Sessel hielt. Er sprang auf, kam um den Tisch herum, an dem er gesessen hatte, und blieb vor dem Verwachsenen stehen. »Wie soll das alles zu Ende gehen?«

»Ganz einfach, Imperator. Wenn das alles geschehen ist, dann schlagen wir zu. Unser Konter wird völlig überraschend und mit tödlicher Präzision kommen. Danach hat keiner der Verräter noch die Chance zu be­

41 Das Ende des Magnortöters

haupten, er hätte mit der ganzen Angelegen­heit nichts zu tun. Die Öffentlichkeit wird Zeuge sein, daß Ihr Zorn diese Männer und Frauen aus gutem Grund trifft.«

Orbanaschol atmete schwer. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe,

Axton, dann erwarten Sie von mir, daß ich mich verhaften lasse«, sagte er. »Sie wollen, daß ich mich von diesen Verrätern in Ketten legen lasse. Ich soll mich vor aller Öffent­lichkeit als der Ex-Imperator präsentieren lassen. Glauben Sie denn wirklich, ich wer­de mich selbst in dieser Weise demütigen?«

»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Axton ruhig. »Aber ich bin fest davon überzeugt, daß Sie nicht auf Ihren Triumph verzichten werden. Ich sehe Sie schon jetzt vor mir, wie Sie die Ketten von sich schleudern und diese Bande von Verrätern lachend ins Tekayl-Gefängnis schicken.«

»Ich werde mich nicht verhaften lassen.« »Wenn Sie das Spiel nicht mitmachen,

dann werden Ihre Feinde die Maske nicht fallenlassen. Wollen Sie denn wirklich nicht wissen, wer alles zu diesen Verrätern ge­hört?«

Orbanaschol III. senkte den Kopf. Er kehrte zu seinem Sessel zurück und setzte sich. Nachdenklich begann er Stücke eines kalten Bratens zu verzehren, die ein Diener ihm auf den Tisch gestellt hatte. Er nickte, nachdem er einige Zeit gegrübelt hatte.

»Doch«, sagte er. »Das will ich.« »Dann bleibt Ihnen keine Wahl. Sie müs­

sen sich verhaften lassen.« Orbanaschol III. hob den Kopf und blick­

te Axton starr an. Aus den rötlichen Augen des Arkoniden schlug dem Verwachsenen eine tödliche Drohung entgegen, die ihn je­doch nicht beeindruckte. Er hatte von jeher gewußt, daß Orbanaschol ihn kaltblütig um­bringen lassen würde, wenn er die Wahrheit über ihn zu einem Zeitpunkt erfuhr, in dem er noch Macht besaß.

*

Die Stimme Klinsanthors wisperte aus

dem Funkgerät in Axtons Händen. Er hob es sich ans Ohr, um besser verstehen zu kön­nen. Zunächst dachte er, daß der Magnortö­ter sich direkt an ihn gewandt hatte, aber dann merkte er, daß dieser nur das Funkge­rät eingeschaltet hatte, um ihn mithören zu lassen.

Klinsanthor befand sich in einer Bespre­chung mit den wichtigsten Männern der Macht der Sonnen. Soeben hatte er den Vor­schlag gemacht, die Versammlung der Orba­naschol-Gegner im Kristallpalast stattfinden zu lassen.

Quartantat war damit nicht einverstanden. »Das ist viel zu gefährlich«, rief er. »Das

können wir nicht riskieren. Im Kristallpalast sitzen wir in der Falle.«

Klinsanthor antwortete ihm ruhig und mit überzeugenden Argumenten, die Axton ihm geliefert hatte. Es waren die gleichen Argu­mente, die auch Orbanaschol überzeugt hat­ten. Bei diesem hatten sie allerdings unter einem anderen Vorzeichen gestanden.

»Orbanaschol läßt sich doch von einer ganzen Armee bewachen«, sagte Quartantat schließlich. »Wie sollten wir ihn unter sol­chen Umständen überwältigen und verhaften können?«

»Ich werde dafür sorgen, daß die vierte Abteilung die Sicherung des Versammlungs­raums übernehmen wird«, sagte jemand aus dem Hintergrund. Die Stimme elektrisierte Axton förmlich. Es war die Stimme eines hohen Offiziers aus der Leibwache Orbana­schols. Er hatte nicht gewußt, daß dieser Mann zu der Organisation Macht der Son­nen gehörte. »Meine Leute werden Orbana­schol abschirmen. Niemand wird ihm zur Hilfe kommen können.«

»Bleibt noch ein Problem«, bemerkte Quartantat. »Axton. Solange dieser Mann noch lebt, zweifle ich an unserem Erfolg.«

»Was kann er jetzt noch ausrichten? Die Zeit ist zu knapp. Auch ein Mann wie Axton hat irgendwo seine Grenzen«, antwortete der Offizier.

»Dennoch. Dieser Mann ist so gefährlich wie niemand sonst. Wenn wir noch scheitern

42

können, dann an ihm. Gibt es nicht doch noch eine Möglichkeit, ihn zu beseitigen?«

»Mit jedem weiteren Anschlag auf ihn steigt die Gefahr, daß unser Plan aufgedeckt wird«, wandte Klinsanthor ein. »Nach allem, was ich von diesem Mann gehört habe, ist es besser, ihn in Ruhe zu lassen, als ihn durch Gewaltakte auf uns aufmerksam zu machen. Wenn wir Orbanaschol abgesetzt haben, dann ist auch dieser Axton erledigt.«

»Ich habe eine Idee«, sagte der Offizier. »Ich werde noch einmal einen Roboter ge­gen ihn einsetzen. Ein einziger Roboter kann mehr schaffen als eine ganze Robotarmee. Ich werde dafür sorgen, daß irgendeiner der vielen Roboter im Kristallpalast Axton tötet. Es wird blitzschnell gehen, so daß der Krüp­pel keine Abwehrchance hat.«

»Wie wollen Sie das bewerkstelligen?« fragte Klinsanthor, der Axton offensichtlich soviele Informationen zukommen lassen wollte, wie nur möglich.

»Es gibt Hunderte von Robotern im Kri­stallpalast, die die unterschiedlichsten Auf­gaben erfüllen. Es würde schon genügen, beispielsweise einen Reinigungsroboter so zu programmieren, daß er Axton erschlägt, wenn er ihm über den Weg läuft.«

»Das ist doch nicht möglich«, protestierte Quartantat. »Die einfachen Roboter haben keine aggressiven Programme.«

»Ich muß ja auch nicht unbedingt einen einfachen Roboter nehmen«, erwiderte der Offizier selbstsicher lachend. »Verlassen Sie sich auf mich. Ich werde schon den richtigen Roboter auswählen. Ich habe ziemlich viel Ahnung von diesen Maschinen.«

Das war richtig. Axton wußte, daß dieser Offizier ein Experte auf robotologischem Gebiet war. Ihm traute er ohne weiteres zu, daß er seinen heimtückischen Plan verwirk­lichte.

»Also gut. Übernehmen Sie das«, sagte Quartantat. »Ich werde jetzt zu Orbanaschol fliegen und ihn dazu überreden, an der großen Besprechung teilzunehmen. Er wird einsehen, daß diese Konferenz notwendig ist. Er muß mit uns reden, denn nur mit un-

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serer Hilfe kann er sich noch retten. Der fei­ste Lump wird toben. Er wird mich anschrei­en und mich verfluchen, aber dann wird er zu Kreuze kriechen. Er kann nicht anders. Er wird glauben, daß wir ihn ausnehmen wol­len, ihm aber als Gegenleistung zu neuer Machtfülle verhelfen werden. Das ist der Köder, den er bestimmt schluckt.«

Die Männer verabschiedeten sich von Klinsanthor und verließen den Raum.

»Haben Sie gehört, Lebo?« fragte der Ma­gnortöter.

»Ich habe alles gehört«, bestätigte der Verwachsene.

»Passen Sie gut auf sich auf. Dieser Offi­zier ist gefährlich.«

»Ich danke Ihnen, Klinsanthor.« Axton besprach noch einige Fragen mit dem Magn­ortöter und verabschiedete sich dann von ihm. Es gab noch viel zu tun in dieser Nacht.

*

Der Saal faßte zweihundert Personen. Die Wände waren mit farbschönen Platten ver­schalt. Bei ihnen wollte Axton ansetzen.

»Ich will die Platten so weit vorziehen«, erklärte er dem Leiter der Arbeitsgruppe, »daß ich dahinter Roboter verstecken kann.«

»Ich verstehe«, erwiderte der Arkonide. Er gehörte zur Organisation Gonozal VII. und war ein Mann, auf den Axton sich ver­lassen konnte. »Wir sollen den Saal so ver­ändern, daß er zur Falle wird, aber unsere Arbeit darf später nicht zu erkennen sein.«

»Sie haben es erfaßt.« Axton verließ den Saal und kehrte erst

nach etwa zwei Stunden zurück, als er einige Vorbereitungen erledigt hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Arbeiten schon weit fortgeschritten. Sie erwiesen sich als weit weniger problematisch, als Axton befürchtet hatte.

»Wir schaffen es«, erklärte der Bauleiter. »In spätestens drei Stunden sind wir fertig.«

Im Saal arbeiteten fünfzig Männer. Sie setzten für die körperlich anstrengenden Ar­beiten Roboter der verschiedensten Art ein.

43 Das Ende des Magnortöters

Alles war so organisiert, daß niemand den anderen behinderte.

»Kommen Sie«, bat der Arkonide. »Da hinten bringen meine Leute den ersten Kampfroboter. Wir wollen sehen, ob die ge­schaffenen Nischen ausreichend groß sind.«

Axton, der auf dem Rücken Gentleman Kellys stand, blickte zu der Stelle hinüber, auf die der Bauleiter zeigte. Er sah einen vierarmigen Kampfroboter, der größer war als Kelly.

Plötzlich setzten die warnenden Impulse seines Sonderhirns wieder ein. War dies ein Roboter, der gegen ihn angesetzt worden war? Er hatte keine Möglichkeit, das heraus­zufinden.

»Warum kommen Sie nicht?« fragte der Arkonide überrascht. Er war bereits einige Schritte weitergegangen.

Axton schob seine Hand unter die Bluse und zog einen Kombistrahler aus dem Gür­tel. Er stützte die Waffe mit dem Projektor auf der Schulter Kellys ab.

»Weiter«, befahl er leise. Gentleman Kelly setzte sich in Bewe­

gung. Gleichzeitig wurden die warnenden Impulse intensiver. Axton wußte, daß ein Angriff gegen ihn bevorstand. Er konzen­trierte sich ganz auf den Kampfroboter, der vor einer Nische stand. Die beiden Waffen­arme hingen nach unten, aber das konnte sich in Bruchteilen von Sekunden ändern. Dann konnten sie hochschnellen und feuern, so schnell, daß Axton keine Abwehrmög­lichkeit mehr blieb.

Der Bauleiter sprach auf den Verwachse­nen ein, aber dieser hörte ihn gar nicht.

»Befehlen Sie dem Roboter, in die Nische zu steigen«, sagte er.

Das Sonderhirn schien sich zu verkramp­fen. Der Terraner stöhnte vor Schmerz auf. Vor seinen Augen flimmerte es, und für ei­nige Sekundenbruchteile konnte er nichts se­hen. Er riß den Energiestrahler hoch, feuerte jedoch nicht. Hinter sich hörte er ein eigen­artiges, alarmierendes Geräusch. Er fuhr herum. Ein Roboter, an dessen Arbeitsarmen Kreissägen surrten, stürzte sich auf ihn. Die

beiden Sägen fuhren auf ihn zu. Axton schrie auf. Er ließ sich vom

Rücken Kellys fallen und schoß. Der Ener­giestrahl warf den Arbeitsroboter zurück. Er traf ihn oberhalb des breiten Hüftgelenks, zerstörte ihn jedoch nicht. Kaum hatte die Maschine ihr Gleichgewicht zurückgewon­nen, als sie erneut angriff. Kelly warf sich ihr entgegen. Der Bauleiter schleuderte ihr eine Eisenstange zwischen die Beine, wäh­rend Axton, der auf dem Boden lag, ver­suchte, abermals zu schießen. Die Waffe versagte jedoch.

Die Kreissäge berührte einen Arm Kellys. Das Metall kreischte schrill auf. Dann aber hieb Gentleman Kelly dem Arbeitsroboter die Faust gegen die Linsen und zerstörte das optische System, mit dem er sich orientierte. Das genügte. Der Arbeitsroboter blieb ste­hen.

Der Bauleiter half Axton auf die Beine. »Wie war das möglich?« fragte er stam­

melnd. »Ich begreife das nicht.« »Beruhigen Sie sich«, entgegnete der Ver­

wachsene mit gepreßter Stimme. Er hielt sich die Schulter, auf die er gefallen war. Sie tat ihm so weh, daß er den linken Arm kaum noch bewegen konnte. »Sie haben keine Schuld. Das haben unsere Gegenspieler ver­anlaßt.«

Er blickte auf den Kampfroboter, auf den er sich vorher allzu sehr konzentriert hatte. Ihn schauderte, als er daran dachte, daß in den nächsten Stunden noch zahlreiche wei­tere Kampfroboter in diesen Saal marschie­ren würden. Jeder von ihnen konnte von dem Robotspezialisten der Gegenseite prä­pariert worden sein.

Jetzt erst erkannte er in vollem Umfang, was die Drohung des Wachoffiziers bedeu­tete.

Sein Leben war auf Schritt und Tritt be­droht. Wohin er sich auch wandte, überall waren Roboter, und jeder von ihnen konnte zur Todesmaschine werden.

8.

44

Klinsanthor meldete sich kurz vor Mor­gengrauen. Zu dieser Zeit hatte sich Axton zu einer kurzen Ruhepause hingelegt.

»Sie müssen sich um Yamat Gor küm­mern«, sagte der Magnortöter. »Wir haben eben noch eine Besprechung gehabt.«

»Was ist passiert?« Axton fiel auf, daß Klinsanthor langsam sprach und offenbar Mühe hatte, sich zu konzentrieren.

»Yamat Gor ist Robotspezialist. Sie wis­sen es sicherlich. Er hat behauptet, er könne zu einer ganz bestimmten Zeit alle Roboter im Kristallpalast lahmlegen.«

Axton erschrak. Er wußte, daß es zahllose Experimente gegeben hatte, Roboter funk­technisch zu beeinflussen und zu lenken, und daß gigantische Summen für For­schungsarbeiten ausgegeben worden waren, die das Ziel hatten, derartige Manipulationen zu verhindern. Zur Zeit aber, so meinte er, waren die Roboter so gut geschützt, daß nichts passieren konnte.

»Machen Sie keine Witze«, sagte er. »Quartantat und seine Freunde werden in

den Kristallpalast kommen. Alles ist so ver­laufen, wie sie es geplant haben. Orbana­schol hat zugesagt. Jetzt fragt Quartantat sich, ob Orbanaschol ihm eine Falle gestellt hat.«

»Damit habe ich gerechnet.« »Quartantat will jedes Risiko für sich und

seine Freunde ausschalten. Er glaubt, daß die einzige Gefahr, die ihm droht, durch den Einsatz von Robotern entsteht. Yamat Gor soll daher während der Konferenz alle Ro­boter im Kristallpalast oder zumindest die im Saal und in dessen Umgebung lahmle­gen. Und Gor sagte, daß er das wirklich kann.«

»Ich werde mich darum kümmern«, ver­sprach Axton. »Wie geht es Ihnen?«

»Schlecht«, antwortete der Magnortöter zögernd. »Meine Kräfte lassen schnell nach. Ich spüre, daß es zu Ende geht mit mir. Es kostet mich zuviel Energie, Mana-Konyr zu unterdrücken.«

»Sie müssen durchhalten. In ein paar Stunden sieht alles schon wesentlich besser

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aus für Sie. Dann kann ich Ihnen helfen.« Der Magnortöter lachte leise. »Warum lachen Sie?« fragte der Terraner. »Das werden Sie doch nicht verstehen«,

erwiderte Klinsanthor rätselhaft. »Versuchen Sie es«, bat Axton. »Lieber nicht.« Der Magnortöter lachte

erneut und brach das Gespräch dann ab. »Mit wem haben Sie gesprochen?« Lebo Axton fuhr auf. Der Schreck fuhr

ihm in die Glieder. Fassungslos blickte er auf Orbanaschol III. der vor ihm stand. Er hatte nicht gehört, daß der Imperator in das Büro gekommen war, und nichts hatte ihn gewarnt.

»Mit Mana-Konyr«, antwortete Axton stammelnd. Dann wurde ihm siedend heiß bewußt, daß er davon gesprochen hatte, er werde helfen, Mana-Konyr zu unterdrücken. Hatte Orbanaschol diese Worte gehört oder nicht?

Er blickte den Imperator forschend an. »Mit Mana-Konyr«, sagte Orbanaschol

und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Er nickte einige Male. »Na schön. Wie stehen die Dinge?«

Axton krallte die Hände ineinander. Er fühlte sich wie gelähmt.

»Schlecht«, eröffnete er Orbanaschol. Er berichtete, daß Yamat Gor eine Möglichkeit gefunden hatte, die Roboter zu manipulie­ren. Orbanaschols Augen begannen zu trä­nen.

»Was werden Sie tun?« »Ich weiß es noch nicht. Ich werde mich

bemühen, herauszufinden, mit welchen Mit­teln Yamat Gor arbeiten will. Sobald ich das geschafft habe, kann ich etwas tun.«

»Ich habe erfahren, daß der Konferenzsaal SD-338 scharf bewacht wird. Einer meiner Offiziere beklagte sich bei mir darüber, daß man ihm verwehrt hat, den Saal zu betreten. Und es sind Männer, die nach Ihren Worten zu meinen Feinden zählen, die den Saal be­wachen.«

Orbanaschol blickte Axton drohend an. Seine Hände öffneten und schlossen sich. Eine wilde Drohung ging von ihm aus. Der

45 Das Ende des Magnortöters

Arkonide befand sich in einer Stimmung, in der er völlig unberechenbar war. Axton spürte, daß jetzt jedes Wort wichtig war.

»Das ist richtig«, erwiderte er. »Ich habe diese Männer dazu abgestellt, SD-338 abzu­sichern. Gleichzeitig lasse ich dort die not­wendigen Vorbereitungen für die Konferenz treffen. Unsere Feinde müssen schließlich davon überzeugt werden, daß die Versamm­lung dort stattfinden wird. Das gibt mir den nötigen Spielraum, VC-12 umzubauen und in eine Falle zu verwandeln.«

»Ich werde diese Verräter also nicht in SD-338 treffen?«

»Auf keinen Fall. Kurz vor Beginn der Konferenz wird dort ein kleines Feuer aus­brechen. Der Schaden wird gering sein, aber der Anlaß ist ausreichend, einen anderen Saal zu wählen – den Saal, den wir wollen.«

Orbanaschol beruhigte sich schnell. Er hatte Verrat gewittert und war nun davon überzeugt, daß sein Argwohn unberechtigt gewesen war. Seine Reaktion bewies Axton abermals, daß der Imperator in einer psychi­schen Situation war, in der er blindwütig um sich schlug, wenn er sich direkt angegriffen sah. Er glich einem verängstigten Tier, das in die Ecke getrieben worden war, und das wütend zubiß, sobald man ihm noch näher­kam.

»Ich habe alles getan, die Verräter zu täu­schen«, sagte Axton. »Die Voraussetzungen sind gut. Ich werde jedoch nicht zulassen, daß die Konferenz stattfindet, wenn ich nicht weiß, ob ich die Roboter auch wirklich unter Kontrolle habe.«

Orbanaschol gab einen unbestimmbaren Laut von sich, drehte sich um und eilte aus dem Arbeitsraum. Lebo Axton ging ihm bis zur Tür nach. Draußen warteten zwei Leib­wächter auf den Imperator. Sie begleiteten ihn, als er sich entfernte.

Der Terraner schloß die Tür. »Warum hast du mich nicht gewarnt?«

fragte er scharf. Er ging auf Gentleman Kel­ly zu und trommelte mit den Fäusten gegen den Rumpf des Roboters. »Du hättest mich warnen müssen.«

Gentleman Kelly schwieg. »Antworte«, schrie Axton außer sich vor

Zorn. »Der Imperator befahl mir durch ein

Handzeichen, ruhig zu sein«, erklärte Kelly. »Hat er gehört, daß ich versprochen habe,

Klinsanthor gegen Mana-Konyr zu helfen?« »Zu diesem Zeitpunkt war er noch nicht

im Raum.« Eine Zentnerlast fiel von Axton ab. Der

Terraner setzte sich auf den Rand der Liege. Seine Hände zitterten, und das linke Lid zuckte heftig.

»Wenn noch einmal so etwas passiert, Freundchen«, sagte er leise, »dann hast du den Befehl, mich sofort zu informieren. Nie­mand darf sich mir ungesehen nähern. Nie­mand darf mich überraschen, nicht einmal der Imperator. Hast du das verstanden, du niederträchtiges Blechmonstrum?«

»Ich habe verstanden.« Axton blickte auf. »Ich schwöre dir«, sagte er drohend, »und

dieses Mal meine ich es wirklich ernst, daß ich dich zusammenschießen werde, wenn so etwas noch einmal vorkommt. Du hast mein Leben gefährdet. Präge dir das in deine Blechkartei ein.«

»Ich verfüge über keine Blechkartei«, ent­gegnete Kelly dozierend. »Mein Positronen­speicher ist vielmehr nach dem baseyischen Prinzip aufgebaut und ist eingeteilt in sie­benundvierzig Grundsektoren, die von …«

»Sei still«, befahl Axton müde. »Ich will nichts hören.«

Er ließ sich auf den Rücken sinken und schloß die Augen.

»Wie könnte man dich per Funkbefehl lahmlegen, Kelly?«

»Das ist nach den mir vorliegenden Infor­mationen nicht möglich, Schätzchen.«

»Das dachte ich mir. Du weißt es nicht. Also muß ich mich mal wieder selbst darum kümmern.«

Axton überlegte fieberhaft. Wie war das Ende Orbanaschols in der altarkonidischen Geschichte gewesen? Gab es wirklich kei­nerlei Hinweise darauf? Hatte die Macht der

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Sonnen vielleicht doch gesiegt? Wenn das der Fall war, dann hatte er keine Möglich­keit, das zu ändern? Dann durfte er es auch gar nicht ändern, weil die Konsequenzen dann so gravierend waren, daß vielleicht gar die Existenz der terranischen Menschheit auf dem Spiel stand.

War er an eine Mauer gekommen, die er nicht mehr überwinden konnte? Hatte er die Grenze erreicht, an der er handlungsunfähig wurde?

*

Lebo Axton hielt Gentleman Kelly an der Ecke eines Ganges an. Er spähte um die Ecke und sah, daß sich ein Arkonide von ihm entfernte. Der Mann kam aus einem La­bor und verschwand in einem nach oben ge­polten Antigravschacht.

»Laß mich 'runter«, befahl Axton. Kelly kniete sich hin, so daß der Terraner von sei­nem Rücken gleiten konnte.

Axton deutete auf eine grüne Tür, die mit der Zahl 100 versehen war.

»Ich will wissen, ob jemand in dem Raum ist«, sagte er. »Schnell. Beeile dich.«

Gentleman Kelly schaltete sein Antigrav­gerät ein und schwebte lautlos zu der Tür hinüber. Axton konnte nicht verfolgen, wie die in seinem Ovalrumpf verborgenen elek­tronischen Geräte arbeiteten. Für ihn sah es so aus, als ob Gentleman Kelly lediglich still vor der Tür stand. Dann aber kehrte der Ro­boter zu ihm zurück.

»Ein Mann ist hinter der Tür«, berichtete er. »Ich konnte jedoch nicht feststellen, wer es ist.«

Axton blickte auf sein Chronometer. In sorgfältiger und vorsichtiger Arbeit hatte er ermittelt, daß Yamat Gor etwa dreißig Mi­nuten lang in einem der unteren Geschosse des Kristallpalasts zu tun hatte. Einer seiner Mitarbeiter begleitete ihn. Diese dreißig Mi­nuten wollte er nutzen. Es war die letzte Ge­legenheit, den Robotplan des Offiziers noch zu durchkreuzen. Jetzt aber war der Raum durch einen anderen Mitarbeiter Gors

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blockiert. Vielleicht aber hatte der Offizier sich auch durch eine Wache dagegen abgesi­chert, daß jemand seine Unterlagen durch­sah.

Axton verkrampfte die Hände ineinander. Er wußte nicht, was er tun sollte. Drang er mit Gewalt in den Raum ein, dann merkte Gor fraglos, was gespielt wurde. Verzichtete er auf eine Untersuchung, war Orbanaschol verloren, und die Clique seiner ehemaligen Freunde, die die wahre Macht repräsentierte, blieb an der Macht.

Die Minuten rannen uneinholbar dahin. Axton entschloß sich, Giftgas anzuwen­

den und den Arkoniden im Büro Gors da­durch vorübergehend zu betäuben. Als er Kelly losgeschickt hatte, das Gift aus seinem Büro zu holen, öffnete sich die Tür. Schritte näherten sich ihm, doch dann überlegte der Arkonide es sich anders, drehte sich um und ging in der anderen Richtung davon. Axton schob vorsichtig einen Taschenspiegel um die Ecke. Darin konnte er den Mitarbeiter Gors beobachten, bis dieser in den Antigrav­schacht stieg und nach unten verschwand.

Axton steckte den Spiegel weg und eilte erregt auf die Tür zu. Mit seinen Spezialge­räten öffnete er sie, ohne das elektronische Schloß zu beschädigen. Er atmete auf, als die Tür wieder hinter ihm zufiel. Er war al­lein im Büro Yamat Gors.

Flüchtig fragte er sich, ob der Wachoffi­zier wirklich ahnungslos war oder ob er ihm hier eine Falle gestellt hatte. Doch dann schob er diesen Gedanken zur Seite. Er wollte sich durch nichts irritieren lassen und die kurze Zeit, die ihm noch blieb, optimal nutzen.

Ruhig und konzentriert begann er damit, den Raum zu durchsuchen. Da er zu wissen glaubte, daß es um eine Apparatur ging, be­schränkte er sich auf bestimmte Bereiche des Büros.

Bereits zehn Minuten waren verstrichen, ohne daß er etwas entdeckt hatte, als er seine Meinung änderte und nun die Notizen Gors durchging. Er hoffte, hier einen Hinweis fin­den zu können. Doch wiederum verstrichen

47 Das Ende des Magnortöters

zehn Minuten, ohne daß er weiterkam. Die Zeit wurde knapp.

Da öffnete sich die Tür, und ein hochge­wachsener Arkonide trat ein.

Axton fuhr herum. Die beiden Männer blickten sich an. Ein böses Lächeln glitt über die Lippen des Arkoniden.

»Also doch«, sagte er. »Ich habe es doch geahnt.«

Axtons Hand krallte sich um die Akte, die er gerade durchgesehen hatte, plötzlich fiel ihm auf, daß der Arkonide erbleichte, und schlagartig begriff er. Zufällig hatte er das richtige Papier in der Hand. Direkt vor ihm lag das Geheimnis. Er brauchte es nur an sich zu nehmen.

Der Arkonide näherte sich ihm. Dabei schob er seine Hand unter die Bluse. Aber auch Axton griff blitzschnell zur Waffe. Die beiden Männer rissen sie gleichzeitig hervor.

Der Terraner sah den Energiestrahlprojek­tor der anderen Waffe aufglühen. Im Bruch­teil einer Sekunde erkannte er, daß er zu spät schießen würde. Er warf sich zur Seite. Der Blitz zuckte an ihm vorüber. Ein Gluthauch streifte ihn, und dann feuerte er. Und er traf besser als der Arkonide. Der Energiestrahl aus seiner Waffe durchbohrte den anderen.

Hinter Axton prasselten Flammen hoch. Er riß die Akte an sich, die ihm alle Fragen beantworten sollte. Dann flüchtete er aus dem Raum. Die automatischen Löschanla­gen begannen zu arbeiten. Gleichzeitig jaul­te eine Alarmsirene.

Axton lief Gentleman Kelly in die Arme. »Kommst du endlich«, schrie er. »Los. Zu

Boden.« Der Roboter drehte sich um und kauerte

sich hin. Als Axton in den Haltebügeln stand, startete er sofort. Er flog mit Hilfe sei­nes Antigravs mit abenteuerlicher Ge­schwindigkeit über den Gang, raste um die Ecke und floh weiter in Richtung auf eine breite Tür. Axton stoppte ihn jedoch, als er die Klappe eines Müllschachts sah.

»Reiße sie heraus«, befahl er. Kelly packte die Klappe mit beiden Hän­

den und riß sie samt Rahmen und Halterung

aus der Wand. Dahinter gähnte der Müll­schacht.

»Hinein. Schnell.« Kelly gehorchte. Mit Axton auf dem

Rücken glitt er in den Schacht, wobei er die Füße vorschob. Die Klappe hielt er noch im­mer in den Händen. Er drehte sich um und zog sie wieder in die Mauer, so daß kaum Spuren zurückblieben.

»Warte«, befahl Axton. Er horchte. Drau­ßen liefen einige Arkoniden vorbei. Deutlich konnte er das Prasseln der Flammen und das Zischen der Löschanlage hören, die anschei­nend nicht wirksam genug für das Feuer war.

»Zurück in mein Büro. So schnell wie es geht, aber auch so unauffällig wie möglich.«

Gentleman Kelly ließ sich nach unten fal­len. Glücklicherweise warf niemand Abfall in den Schacht. Der Roboter beendete den Sturz auf dem Stockwerk auf dem Axton sein Büro hatte. Nachdem er sich vergewis­sert hatte, daß sich niemand im Gang vor dem Schacht aufhielt, stemmte er auch hier die Luke heraus und stieg aus. Axton rutsch­te von seinem Rücken und rannte los, wäh­rend der Roboter noch damit zu tun hatte, die Luke wieder an ihren Platz zu bringen.

Völlig außer Atem erreichte der Verwach­sene sein Büro. Er setzte sich hinter seinen Arbeitstisch, trocknete sich den Schweiß von der Stirn und versuchte, sich möglichst schnell wieder zu ruhigem Atmen zu zwin­gen. Doch er kam nicht dazu. Wie erwartet, leuchtete das Rufzeichen am Video auf. Ax­ton schaltete sofort ein. Kein Muskel beweg­te sich in seinem Gesicht, als er Yamat Gor als Anrufer erkannte.

»Ja?« fragte er. »Sind Sie im Büro von Grankei?« fragte

Yamat Gor, der sichtlich nicht damit gerech­net hatte, daß Axton sich melden würde.

»Sie irren sich«, erwiderte der Verwach­sene scharf. »Ich bin in meinem eigenen Bü­ro. Sollten Sie sich verwählt haben?«

»Entschuldigen Sie, Axton. Ich muß die Zahlen tatsächlich verwechselt haben.«

»Bitte.« Axton schaltete ab. Er ließ sich in

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die Polster zurückfallen und rang nach Luft. Das kurze Gespräch hatte ihn überaus stark angestrengt. Er war nicht in der Lage, noch irgend etwas zu sagen, als Gentleman Kelly kam.

Er war überzeugt davon, daß es ihm ge­lungen war, Gor zu täuschen und damit die Situation in letzter Sekunde noch zu retten. Er war in seinem Büro, also konnte er nicht vor wenigen Sekunden noch oben im Büro Gors gewesen sein. Der Wachoffizier würde in der kurzen Zeit, die ihm noch blieb, nicht aufklären können, was da oben passiert war.

Als Axton sich wieder etwas erholt hatte, begann er damit, die Akte durchzusehen, die er erbeutet hatte. In ihr befand sich irgendwo der entscheidende Hinweis, wie man Robo­ter ausschalten konnte.

Die Zeit verrann, aber Axton konnte nicht herausfinden, welchen Trick Gor anwenden wollte. Er hatte die Akte bereits mehrere Male durchgesehen. Schließlich sagte er sich, daß der Hinweis sich unter technischen Beschreibungen und Feststellungen verber­gen mußte, die so selbstverständlich waren, daß er immer wieder über sie hinweg las, ohne zu merken, was darin steckte.

»Du mußt abbrechen«, sagte Gentleman Kelly plötzlich. Axton blickte auf.

»Wieso? Ist es schon so spät?« »Wenn du dich an den Zeitplan halten

willst, dann mußt du in genau zehn Minuten das Feuer im Konferenzraum zünden.«

Axton fluchte. Die Zeit zerann ihm buch­stäblich unter den Händen. Er beschloß, noch drei Minuten an der Akte zu arbeiten und dann alles auf eine Karte zu setzen.

Kaum hatte er die erste Seite aufgeschla­gen, als er stutzte. Da stand, daß alle Com­puter im Palast direkt Informationen vom zentralen Hauptcomputer aufnehmen konn­ten.

Das war es! Das hatte Yamat Gor gemeint. Roboter

hatten ihren eigenen Computer. Diese konn­ten jederzeit mit der Hauptpositronik kom­munizieren.

Axton verschloß die Akte, kletterte auf

H.G. Francis

den Rücken Kellys und wollte aufbrechen. Dann aber überlegte er es sich anders, kehrte an seinen Arbeitstisch zurück und tippte eine Zahl in die Tastatur des Videos. Ein Offizier der Leibwache meldete sich. Er war von Ax­ton selbst eingeschleust worden und gehörte der Organisation Gonozal VII. an.

Hastig setzte der Kosmokriminalist dem Offizier das Problem auseinander.

»Ihre Aufgabe ist es, mit wenigstens fünf­zig Mann die Hauptpositronik zu besetzen.« Er gab dem Mann die Uhrzeit an, zu der er zuschlagen sollte. »Sorgen Sie dafür, daß die Hauptpositronik blockiert wird. Niemand darf sie dann noch bedienen, bis ich Ihnen durchgebe, daß alles weitergehen kann. Wer auch immer versuchen sollte, an die Positro­nik zu kommen, muß daran gehindert wer­den.«

»Ich habe verstanden«, erwiderte der Of­fizier.

Axton schaltete ab. Er preßte die Lippen zusammen. Die gesamte Aktion gefiel ihm nicht. Er hatte zu wenig Zeit für Vorberei­tungen gehabt. Allzu viel hing nun vom Zu­fall ab. Er wußte zu wenig über die takti­schen Maßnahmen der Gegenseite. Ja, er wußte noch nicht einmal, ob er auch die richtige Anweisung gegeben hatte, was die Positronik betraf.

Wenn er sich geirrt hatte, dann würde Or­banaschol III. gestürzt werden.

9.

Orbanaschol III. war nervös und erregt. Er saß am Tisch und aß, als Axton bei ihm ein­trat. Wahllos stopfte er alles in sich hinein, was ihm gerade in die Finger geriet.

»Sie sollten nichts mehr essen«, sagte Ax­ton vorsichtig.

»Das geht Sie nichts an«, erwiderte der Imperator mit schriller Stimme. »Ich fresse, wann und wieviel ich will. Ja, Sie haben richtig gehört. Heute esse ich nicht, ich fres­se. Es beruhigt mich, und ich kann dabei nachdenken.«

»Sie müssen dennoch aufhören«, beharrte

49 Das Ende des Magnortöters

Axton auf seiner Forderung. »Es ist soweit. Die Männer und Frauen der Macht der Son­nen sind versammelt.«

Orbanaschol III. schüttelte den Kopf. »Ich gehe nicht«, erklärte er störrisch.

»Ich bleibe hier. Wenn die etwas von mir wollen, dann sollen sie hierher kommen.«

Axton hatte Mühe, ernst zu bleiben. Der Imperator Arkons hatte Angst. Er traute sich nicht, seine Privaträume zu verlassen und vor seine ehemaligen Freunde hinzutreten. Er wollte die Tatsachen einfach ignorieren und hoffte wie ein Kind, daß die Gefahr schon irgendwie vorbeigehen würde, auch wenn er nichts tat.

Orbanaschol schlürfte eine mit kleinen Fangarmen versehen, lebende Muschel aus. Das Tier wehrte sich verzweifelt gegen das Ende. Die Fangarme peitschten um die zuckenden Lippen Orbanaschols. Er zer­malmte sie genüßlich zwischen seinen Zäh­nen und schluckte sie herunter. Axtons Ma­gen revoltierte. Sekundenlang brachte er kein Wort heraus. Doch dann fing er sich.

»Wollen Sie Ihren verräterischen Freun­den den Triumph gönnen? Wollen Sie zulas­sen, daß Quartantat und die anderen vor aller Öffentlichkeit erklären, daß Sie in Ihren Pri­vaträumen verhaftet worden sind und diese nicht mehr verlassen dürfen?«

Orbanaschol spuckte ein paar Muschelre­ste aus. Er wurde bleich.

»Sie meinen, diese Lumpen könnten es wagen, mich hier einzusperren?«

»Wenn Sie nicht zu ihnen gehen, dann werden sie Ihren Privatbereich umstellen und Sie von jeder Kommunikation aus­schließen. Wenn das geschieht, kann auch ich nicht mehr verhindern, daß Sie entmach­tet werden.«

Orbanaschol riß sich die Serviette vom Hals und schleuderte sie wütend auf seinen Teller. Dann sprang er auf, ließ sich von ei­nem Diener einen flammend roten Umhang reichen und erklärte grimmig: »Wir gehen!«

Zusammen mit Axton, der auf den Rücken Kellys kletterte, verließ der Impera­tor seine Privaträume. Zwanzig zuverlässige

Leibwächter begleiteten ihn bis vor den Konferenzsaal, hier blieben sie jedoch auf Anweisung Axtons zurück.

Im Konferenzraum waren etwa hundert Männer und Frauen versammelt. Es wurde still, als Axton und der Imperator eintraten. Unmittelbar neben dem Platz, der für Orba­naschol vorgesehen war, erhob sich ein hochgewachsener, athletischer Mann. Mana-Konyr.

Orbanaschol blieb stehen. Seine bleichen Wangen zitterten. Er spürte, daß dieser Mann eine besondere Aura ausstrahlte.

Auch die Männer und Frauen um Quar­tantat schienen zu fühlen, daß von Mana-Konyr etwas ausging, was ihn als ganz ande­res Wesen charakterisierte. Axton sah, daß Quartantat Mana-Konyr geradezu entsetzt anblickte.

Der Terraner atmete laut und keuchend. Ihn trafen die Impulswellen, die von Klinsanthor ausgingen, viel härter als die an­deren.

Der Magnortöter schrie ihm zu, daß er sich nicht mehr gegen Mana-Konyr behaup­ten könnte.

»Geben Sie mir den blauen Gürtel«, fleh­te er. »Geben Sie ihn mir. Nur er kann mich noch retten.«

Plötzlich stürzten sich einige Männer, die zur Leibwache Orbanaschols gehörten, auf den Imperator. Sie umringten ihn und Ax­ton. Mana-Konyr näherte sich ihnen. Er ging langsam und schwerfällig.

»Was hat das zu bedeuten?« schrie Orba­naschol.

Quartantat stieg eine kleine Treppe zu ei­ner Bühne empor. Von hier aus konnte er den ganzen Saal überblicken. Axton sah, daß er einigen Männern, die eine Kamera aufge­baut hatten, ein Zeichen gab.

»Orbanaschol«, rief Quartantat mit lauter Stimme. »Hören Sie, was wir Ihnen zu sa­gen haben.«

Er zeigte auf Mana-Konyr, der Orbana­schol fast erreicht hatte.

»Axton helfen Sie mir«, bettelte Klinsan­thor. »Geben Sie mir neue Energien. Ich

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kann nicht mehr. Sie müssen etwas tun. Ma-na-Konyr überwältigt mich. Ich kann mich nicht mehr gegen ihn behaupten.«

»Kämpfen Sie«, antwortete Axton auf gleichem telepathischem Weg.

»Ich kann nicht mehr.« Ein Aufschrei folgte. »Passen Sie auf, Axton. Mana-Konyr kommt. Er will dem Imperator sagen, was wirklich gespielt wird. Er will ihm verraten, daß Sie die größte je inszenierte Intrige ge­gen ihn eingeleitet haben.«

Der vermeintliche Mana-Konyr schrie Or­banaschol mit heiserer Stimme zu: »Sie sind verhaftet, Orbanaschol. Ihre Zeit ist zu En­de. Ich bin der neue Imperator Arkons.«

Er wandte sich um und hob grüßend beide Arme zur Kamera hin.

Das sah äußerlich sehr überzeugend aus. Axton bot sich ein ganz anderes Bild. Klinsanthor starb, und das. Ich Mana-Konyr brach durch.

»Sie sind verhaftet, Orbanaschol«, wie­derholte Quartantat von der Bühne herunter. Die Männer und Frauen im Saal sprangen von ihren Plätzen auf und jubelten Quartan­tat und Mana-Konyr zu.

In diesem Moment riß einer der untreuen Leibwächter Axton von Kelly herunter und entwaffnete ihn. Der Terraner zögerte nicht länger. Er aktivierte die Kampfroboter per Funkbefehl. Einige bange Sekundenbruch­teile lang schien es so, als sei der Plan ge­scheitert. Doch dann brachen einhundert Un­getüme krachend durch die dünnen Verscha­lungen an den Wänden. Plötzlich umringten einhundert Kampfroboter die versammelten Männer und Frauen der Macht der Sonnen. Sie richteten ihre Kampfarme gegen sie, und die Energiestrahlprojektoren leuchteten dro­hend auf.

Orbanaschol lachte schrill und triumphie­rend. Ihm schien nicht bewußt zu werden, daß er in dieser Sekunde seine Macht verlo­ren hatte. Er hielt sich für den Sieger.

Ein verzweifelter, telepathischer Schrei erreichte Axton. Mana-Konyr warf sich un­gestüm durch die Reihen der Leibwächter, die mit erhobenen Armen um Orbanaschol

H.G. Francis

herum standen. »Ich kann nicht mehr«, schrie Klinsanthor

Axton zu. »Bitte, lassen Sie mich Orbana­schol töten. Ich muß ihn vernichten. Ich muß ihn töten. Bitte, lassen Sie es mich tun.«

Axton griff unter seine Bluse. Seine Hand umkrallte den blauen Gürtel. Er glaubte zu wissen, daß dieser aus reiner psionischer Energie bestand. Aus ihm hatte Klinsanthor neue Kräfte geschöpft. Jetzt wollte er ihn ge­gen den Magnortöter verwenden.

Er wirbelte ihn um seinen Kopf und schleuderte ihn auf Mana-Konyr. Der blaue Gürtel krümmte und steckte sich wie ein le­bendes Wesen. Mana-Konyr riß die Arme hoch. Der blaue Gürtel schlang sich ihm um Arme und Hals – und verschwand.

Mana-Konyr stand inmitten eines blauen Lichts, das ihn kugelförmig umgab. Deutlich sah Axton, daß seine Füße einige Zentimeter über dem Boden schwebten. Entsetzt wich er vor dem Magnortöter zurück. Damit hatte er nicht gerechnet.

»Was haben Sie getan, Axton?« klang es in ihm auf. »Sie töten mich. Sie werfen mich dorthin, wo ich geworden bin.«

Im Saal herrschte ein wahres Chaos. Eini­ge Männer und Frauen versuchten in pani­scher Angst zu fliehen, doch die Roboter bil­deten einen so dichten Ring, daß niemand hindurch kam. Mana-Konyr näherte sich Or­banaschol III. Er streckte die blau schim­mernden Hände aus.

»Ich werde dich töten«, erklärte er mit dumpfer Stimme.

»Das … das ist nicht Mana-Konyr«, rief der Imperator stammelnd. Er blickte Axton hilfesuchend an und wich vor Mana-Konyr zurück. »Axton, wer ist das?«

»Ich werde ihn töten«, klang es in Axton auf.

Der Terraner riß einem der Leibwächter den Energiestrahler aus dem Gürtel und schoß. Der Energiestrahl toste auf Mana-Konyr zu und raste in die Lichtflut hinein.

Wildes Gelächter klang in Axton auf. »Jetzt habe ich Mana-Konyr im Griff, Ax­

ton«, teilte der Magnortöter ihm mit. »Ge­

51 Das Ende des Magnortöters

hen Sie zur Seite. Ich muß Orbanaschol tö­ten.«

»Denken Sie an Atlan. Tun Sie es nicht.« Niemand außer Axton und Klinsanthor

konnte diesen lautlosen Dialog verfolgen. Für die anderen im Saal lief ein kurzer Kampf ab.

»Ich töte Sie, wenn Sie noch einen Schritt weitergehen.«

Klinsanthor lachte. »Das können Sie nicht. Ich werde mit je-

dem Schuß, den Sie auf mich abgeben, stär­ker.«

Axton feuerte. Der Energiestrahl raste auf den Magnortöter zu, ließ aber den Lichtball, in dem er stand, nicht noch mehr aufleuch­ten, sondern verwandelte ihn plötzlich in Schwärze.

Aufschreiend wichen Axton und die Ar­koniden vor dem Nichts zurück. Eisige Käl­te wehte ihnen entgegen. Die Dimensionen brachen auf. Axton hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren und ins Nichts zu stürzen. Für Bruchteile von Se­kunden sah er die Traummaschine Ischtars vor sich. Ein bekanntes Gesicht beugte sich besorgt über ihn. Sonnen zogen an ihm vor­bei. Er hörte die verwehenden Schreie Klinsanthors, der ihm etwas mitteilen woll­te, sich aber nicht verständlich machen konnte.

Dann wurde es wieder hell um ihn. Er hu­stete. Ein beißender Geruch stieg ihm in die Nase.

Orbanaschol half ihm auf die Beine. »Was täte ich, Axton, wenn ich Sie nicht

hätte«, sagte er mit bebender Stimme, in der sich sein ganzer Schrecken widerspiegelte.

Im Saal war es still geworden. Axton sah zu der Stelle hinüber, von der Klinsanthor verschwunden war. Im Boden war eine fla­

che, schwarze Mulde. Das war die einzige Spur, die noch auf den Magnortöter hindeu­tete.

»Kommen Sie«, sagte der Imperator. Sei­ne Finger krallten sich in den Arm Axtons. Er zwang ihn, ihn zur Bühne zu begleiten. Sie stiegen die Stufen empor, und dann stand Orbanaschol III. seinen ehemaligen Freunden gegenüber, die ihn verraten hatten. Die Kamera im Hintergrund fing die Szene ein und übertrug sie bis auf die äußersten Welten des Imperiums.

»Ich bin und bleibe Imperator von Ar­kon«, erklärte Orbanaschol triumphierend. »Sie alle sind verhaftet. Die Gerichte wer­den sich mit Ihnen befassen, aber Sie wissen wohl auch selbst, daß im Imperium Hoch­verrat mit besonderen Strafen geahndet wird.«

Die Türen öffneten sich. Axton erkannte einige Freunde von der Organisation Gono­zal VII. Sie standen draußen und warteten auf die Verhafteten, um sie abzuführen.

»Wir gehen, Axton«, sagte der Imperator. Der Verwachsene begleitete ihn auf sei­

nem Weg zu den Privaträumen. Orbanaschol war ruhig und ausgeglichen. Die Angst, die ihn in den letzten Tagen beherrscht hatte, war von ihm gewichen. Er wirkte befreit.

»Was wird mit den Verhafteten gesche­hen?« fragte Axton.

»Ich werde sie alle hinrichten lassen«, antwortete der Imperator.

Axton lächelte. Er glaubte nicht daran, daß es dazu kom­

men würde. Er hoffte, daß Atlan noch vor­her auf Arkon I eintreffen und völlig neue Entwicklungen einleiten würde.

E N D E

Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 283: Schnittpunkt der Dimensionen von Clark Darlton Mit Ra, dem Barbaren, auf dem Planeten der Weltentore – eine Reise ohne Wiederkehr be­

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ginnt