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fi« Forschungsberichte Forschungsberichte Das Ende des Triglaw von Brandenburg E i n B e i t r a g zur Religionspolitik Albrechts des Bären 1. Die Stoderaner im Havelland gehören bekanntlich zu denjenigen westslawischen Stämmen, deren endgültige Christianisierung nicht durch die Unterwerfung unter eine politisch-militärische Oberherrschaft ihrer sächsischen Zeitgenossen eingeleitet worden ist. Wohl hat eine solche — die der brandenburgischen Markgrafen — auch in ihrem Falle entscheidend in den Gang des Missionswerkes eingegriffen, aber schon ihr letzter Fürst aus eigenem Stamme, Pribislaw (etwa 1127—1150) \ war getauft (auf den Namen Heinrich; durch wen, wissen wir nicht), und er nahm den neuen Glauben durchaus ernst: auf seinen Münzen erscheint einmal im Verein mit seinem Bilde ein segenspendender Priester 2 , ja wir hören, daß er und Petruscha, die ge- sinnungsgleiche Gemahlin, sich bestimmen ließen, ihre fürstlichen Insignien auf dem Altar der Stiftskirche St. Peters zu Leitzkau niederzulegen 3 (als dem Haupt- stützpunkt des Christentums im dortigen Bereich vor Wiederherstellung des Bistums Brandenburg), ähnlich wie wenig später nach französischem Vorbild in Norwegen gefordert wurde, daß der neugekrönte König seine Krone auf dem Altar des hl. Olaf zu opfern habe. 4 Daß ein solcher Mann sich auch seiner fürstlichen Missionspflicht 1) über diesen: O. v. Heinemann, Albrecht der Bär. Darmstadt 1864. S. 107—8, 179—80; B. G u t t m a n n , Die Germanisierung der Slawen in der Mark (Forsch, z. brandenb. u. preuß. Geschichte — künftig abgekürzt: FBPG — Bd 9, Leipzig 1897, S. 395—514.) S. 423, 425—6, 456; F. C u r s c h m a n n , Die Diözese Brandenburg. Untersuchungen zur historischen Geographie und Verfassungsgeschichte eines ostdeutschen Kolonialbistums. Leipzig 1906. S. 88—91, 96—7, 102—5 mit weiteren Literaturangaben; H. K r a b b o , Albrecht der Bär. (FBPG 19, 1902, S. 371—90.) S. 377, 380; ders., Begesten der Markgrafen von Brandenburg aus dem askanischen Hause. Leipzig 1910—33. Nr. 18, 103, 171. Einzelne wichtige Bemerkungen und weitere Literaturhinweise auch bei H. L u d a t , Legenden um Jaxa von Köpenick, Leipzig 1936, S. 20, 23—4, 30, 32 samt Anmerkungen. — Hauptquellen, auch zum folgenden: Heinrici de Antwerpe Tractatus de captione urbis Brandenburg (verfaßt um 1180 oder doch vor 1200), ed. O. Holder-Egger, Monumenta Germaniae Historica, Scriptores (künftig abgekürzt: MG., SS.) XXV, 482—4 (die kommentierte Neuausgabe von G. Sello, 22. Jahresber. d. Altmärk. Vereins f. vaterld. Gesch., Magdeb. 1888, stand leider nicht zur Verfügung). Ferner: ein in der böhmischen Chronik des Pribika Pulcawy von Tradenina (14. Jh.; gewöhnlich Pulcawa genannt) erhaltenes größeres Bruchstück einer altbrandenburgi- schen Chronik (ed. A. F. Riedel, Codex Diplomaticus Brandenburgensis — künftig abgekürzt: CDB — IV/I, S. 2—3, vgl. S. IX—X) und einige weitere Fragmente, bes. Excerpta Chronicae Brandenburgensis (MG. SS. XXV, 484—5 = CDB. IV/I, S. 274—5 = O. v. H e i n e m a n n , Albrecht der Bär, Anhang I Nr. 1, S. 421). 2) F. C u r s c h m a n n , Die Diözese Brandenburg, S. 105. 3) H e i n r . d e A n t w. (MG. SS. XXV, 483, 14 ff.); P u l c a w a , S. 3; Exe. Chron. Brand., a. O. — Vgl. Anm. 35. 4) vgl. H. M i t t e i s , Der Staat des hohen Mittelalters. Grundlinien einer ver- gleichenden Verfassungsgeschichte des Lehnszeitalters, 3 Weimar 1948, S. 479—80, wo die brandenburgische Parallele nachzutragen ist.

Das Ende des Triglaw von Brandenburg

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Forschungsberichte

Das Ende des Triglaw von Brandenburg E i n B e i t r a g z u r R e l i g i o n s p o l i t i k A l b r e c h t s d e s B ä r e n

1. Die Stoderaner im Havelland gehören bekanntlich zu denjenigen westslawischen Stämmen, deren endgültige Christianisierung nicht durch die Unterwerfung unter eine politisch-militärische Oberherrschaft ihrer sächsischen Zeitgenossen eingeleitet worden ist. Wohl hat eine solche — die der brandenburgischen Markgrafen — auch in ihrem Falle entscheidend in den Gang des Missionswerkes eingegriffen, aber schon ihr letzter Fürst aus eigenem Stamme, Pribislaw (etwa 1127—1150) \ war getauft (auf den Namen Heinrich; durch wen, wissen wir nicht), und er nahm den neuen Glauben durchaus ernst: auf seinen Münzen erscheint einmal im Verein mit seinem Bilde ein segenspendender Priester2 , ja wir hören, daß er und Petruscha, die ge-sinnungsgleiche Gemahlin, sich bestimmen ließen, ihre fürstlichen Insignien auf dem Altar der Stiftskirche St. Peters zu Leitzkau niederzulegen3 (als dem Haupt-stützpunkt des Christentums im dortigen Bereich vor Wiederherstellung des Bistums Brandenburg), ähnlich wie wenig später nach französischem Vorbild in Norwegen gefordert wurde, daß der neugekrönte König seine Krone auf dem Altar des hl. Olaf zu opfern habe.4 Daß ein solcher Mann sich auch seiner fürstlichen Missionspflicht

1) über diesen: O. v. H e i n e m a n n , Albrecht der Bär. Darmstadt 1864. S. 107—8, 179—80; B. G u t t m a n n , Die Germanisierung der Slawen in der Mark (Forsch, z. brandenb. u. preuß. Geschichte — künftig abgekürzt: FBPG — Bd 9, Leipzig 1897, S. 395—514.) S. 423, 425—6, 456; F. C u r s c h m a n n , Die Diözese Brandenburg. Untersuchungen zur historischen Geographie und Verfassungsgeschichte eines ostdeutschen Kolonialbistums. Leipzig 1906. S. 88—91, 96—7, 102—5 mit weiteren Literaturangaben; H. K r a b b o , Albrecht der Bär. (FBPG 19, 1902, S. 371—90.) S. 377, 380; d e r s . , Begesten der Markgrafen von Brandenburg aus dem askanischen Hause. Leipzig 1910—33. Nr. 18, 103, 171. Einzelne wichtige Bemerkungen und weitere Literaturhinweise auch bei H. L u d a t , Legenden um Jaxa von Köpenick, Leipzig 1936, S. 20, 23—4, 30, 32 samt Anmerkungen. — Hauptquellen, auch zum folgenden: Heinrici de Antwerpe Tractatus de captione urbis Brandenburg (verfaßt um 1180 oder doch vor 1200), ed. O. Holder-Egger, Monumenta Germaniae Historica, Scriptores (künftig abgekürzt: MG., SS.) XXV, 482—4 (die kommentierte Neuausgabe von G. Sello, 22. Jahresber. d. Altmärk. Vereins f. vaterld. Gesch., Magdeb. 1888, stand leider nicht zur Verfügung). — Ferner: ein in der böhmischen Chronik des Pribika Pulcawy von Tradenina (14. Jh. ; gewöhnlich Pulcawa genannt) erhaltenes größeres Bruchstück einer altbrandenburgi-schen Chronik (ed. A. F. Riedel, Codex Diplomaticus Brandenburgensis — künftig abgekürzt: CDB — IV/I, S. 2—3, vgl. S. IX—X) und einige weitere Fragmente, bes. Excerpta Chronicae Brandenburgensis (MG. SS. XXV, 484—5 = CDB. IV/I, S. 274—5 = O. v. H e i n e m a n n , Albrecht der Bär, Anhang I Nr. 1, S. 421).

2) F. C u r s c h m a n n , Die Diözese Brandenburg, S. 105. 3) H e i n r . d e A n t w. (MG. SS. XXV, 483, 14 ff.); P u l c a w a , S. 3 ; Exe. Chron.

Brand., a. O. — Vgl. Anm. 35. 4) vgl. H. M i t t e i s , Der Staat des hohen Mittelalters. Grundlinien einer ver-

gleichenden Verfassungsgeschichte des Lehnszeitalters, 3 Weimar 1948, S. 479—80, wo die brandenburgische Parallele nachzutragen ist.

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unter dem heidnischen Volke bewußt gewesen ist, verstellt s ich5 : ohne Zweifel hängt es damit zusammen, daß er in unmittelbarer Nähe seiner Burg ein weiteres Prämon-stratenserstift ins Leben rief6, und er soll sogar so weit gegangen sein, den alten Kultmittelpunkt seines Stammes, das Triglaw-Heiligtum auf dem Harlungerberge bei Brandenburg, aufzuheben.7

In der Wissenschaft hat diese Nachricht teilweise Glauben gefunden8, doch bei näherem Zusehen ergeben sich schwere Bedenken. Schon A. H a u c k hat geltend gemacht, daß die Zerstörung eines Heiligtums von solchem Rang an einem noch durchaus heidnischen Orte schlechterdings unmöglich war 9, und wer sich den Augen-zeugenbericht Helmolds von Bosau über die etwa gleichzeitige Vernichtung des heiligen Prowe-Hains zu Starigard-Oldenburg vergegenwärtigt, wird Hauck recht geben müssen: das Wagrierland war im Jahre 1156 immerhin schon fest in den christlich-deutschen Herrschaftsbereich (Grafschaft Holstein) einbezogen, zudem seine wendische Bevölkerung durch wechselvolle Kämpfe mit Sachsen und Dänen erheblich geschwächt, und doch vermochten Bischof Gerold und sein Gefolge ihr Werk nur mit Zittern und Zagen, in ständiger Todeserwartung durchzuführen.10 Für die Stode-raner Pribislaw-Heinrichs dagegen traf keine dieser beiden Voraussetzungen zu! Wie hätte dann ein Fürst, der ähnliches gewagt, ausgerechnet inmitten seines Volkes eines natürlichen Todes sterben können" , besonders wenn man die außerordentliche religiöse Reizbarkeit hinzunimmt, durch welche die Eibslawen des Bekehrungszeitalters gerade auch von den germanischen Stämmen so bemerkenswert abstachen12? über-lief erungskritische Schwierigkeiten kommen hinzu: jene Nachricht findet sich nur in einem kurzen, nicht näher datierbaren Fragment1 3 , fehlt aber in den Hauptquellen Heinrich von Antwerpen u und Pulcawa15 , die sonst doch ziemlich ausführlich von

5) H e i n r . d e A n t w . (S.482, 46 ff.): Princeps itaque Henricus populum suum spurcissimo idolatrie ritu deditum summe detestans, omnimodis ad Deum convertere studuit.

6) ebenda S. 483, 5 ff.; Exe. Chron. Brand, (vgl. Anm. 1). Das Stift lag in Parduin, der späteren Altstadt von Brandenburg, während die Feste selbst sich zunächst auf die heutige Dominsel beschränkte: vgl. C u r s c h m a n n , S. 102—4, dazu ebenda S. 8 m. Anm. 1; auch O. v. H e i n e m a n n , S. 179—80.

7) Exe. Chron. Brand.: Qui christianus factus ydolum quod in Brandenburg fuit cum tribus capitibus, quod Triglav Sclavice dicebatur et pro deo colebatur, et alia ydola destruxit.

8) C u r s c h m a n n betont, daß P. „den heidnischen Kultus unter seinen Unter-tanen dulden mußte. . . Nur das gelang ihm, den Triglavdienst wenigstens aus seiner Hauptstadt zu verbannen" (Die Diözese Brandenburg, S. 83, 104).

9) A. H a u c k , Kirchengeschichte Deutschlands IV s + 4 Leipzig 1913. S. 634. Anm. 4. 10) Helmoldi Presbyteri Bozoviensis Chronica Slavorum, (Ed. tertia rec. B.

Schmeidler, MG. SS. in us. schol., Hannov. 1937) I, 84 (S. 160, 18 ff.): ...non tarnen sine metu, ne forte tumultu incolarum obrueremur. Sed divinitus protecti sumus.

11) Dies geht aus allem, was über das Ende Pribislaw-Heinrichs berichtet wird (vgl. Anm. 23), mit zwingender Gewißheit hervor.

12) vgl. B. R e h f e l d t , Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte. Zur Rechts-und Religionsgeschichte der germanischen Hinrichtungsbräuche. Berlin 1942, S. 39.

13) s. Anm. 7. 14) Er weiß nur von idolatris repressis (also Abwehr, kein Unterdrücken = op-

primere) et latronibus aliquantulum extinctis sowie einer dadurch erlangten requies per cir cuitu m (S. 483, 4 f.). Das ganze handelt also wohl von ä u ß e r e n Kämpfen.

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den christlichen Taten des letzten Stoderanerfürsten berichten. So wird man nicht umhin können, die Angabe zu verwerfen: dergleichen gehörte eben zum Typus des missionierenden christlichen Herrschers hinzu1G, als den man sich Pribislaw vor-zustellen gewöhnt hat te: auch die bekannte Neigung, bekehrte Heiden, die wirklich gute Christen wurden, zu idealisieren, mag zur Entstehung dieser Legende beige-tragen haben, denn gerade die Zerstörung heidnischer Kultstätten und Götterbilder entsprach ja einem weitverbreiteten Ideal.17

2. Es bleibt die Frage, ob sich ein anderer finden läßt, dem die Vernichtung des Triglaw von Brandenburg mit größerer Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden darf.

Da das Havelland sich unter Pribislaw-Heinrich einer langen Friedenszeit zu er-freuen hatte und besonders vom Wendenkreuzzug des Jahres 1147 verschont blieb 18, wird vom Tode dieser bemerkenswerten Persönlichkeit (1150) als dem terminus post quem ausgegangen werden müssen. Dazu stimmt, daß gerade dieses Ereignis allgemein einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der stoderanischen Wenden be-zeichnet: schon um 114219 hatte Pribislaw, der ohne Leibeserben war2 0 , „willens, lieber sein Fürstentum den Deutschen zuzuwenden (und damit) Christen zu übergeben als Götzendienern"21 , einen Erbvertrag mit Albrecht dem Bären abgeschlossen22, der als Markgraf der sächsischen Nordmark sein Nachbar und überdies seit geraumer Zeit ihm in Freundschaft verbunden war; nun sorgte seine Witwe Petruscha dafür, daß dieser Vertrag ausgeführt werden konnte.23 Der Askanier aber, dessen gut kirch-

15) meldet ähnlich nur : . . . repressis aliqualiter ydolatris et pace terrarum disposita (Cod. Dipl. Brand. IV/I, S. 3).

16) vgl. H.-D. K a h l , Zum Geist der deutschen Slawenmission des Hochmittel-alters, in ZfO. 2. Jg., 1953, S. 1—14, m. Literatur.

17) Beispiele in den missionsgeschichtlichen Quellen sind ohne Zahl und vielfach bekannt. Hier sei nur noch auf das wertvolle Material aufmerksam gemacht, das

L. D e n e c k e , Ritterdichter und Heidengötter 1150—1220 ( = Form und Geist. Arbeiten zur germ. Philologie, Heft 13, Leipzig 1930), und R. S c h o m e r u s , Die Religion der Nordgermanen im Spiegel christlicher Darstellung (Diss. phil. Göttingen 1936), vorgelegt haben.

18) vgl. F. C u r s c h m a n n , Die Diözese Brandenburg, S. 95, 104—5. 19) Datierung nach H. K r a b b o , Regesten, Nr. 103 (S. 21—2), vgl. Nr. 44 (S. 11). 20) allerdings nicht ohne Erben überhaupt: vgl. B. G u t t m a n n , S. 423 m.

Anm. 1; sowie unten S. 73 m. Anm. 38. 21) So P u 1 c a w a , S. 3, von Pribislaws Witwe und Willensvollstreckerin Pe-

truscha. Die gleichen Worte hätten ohne Zweifel auch auf Pribislaw selbst geprägt werden können: vgl. oben Anm. 5 (wozu sich ähnliche, kürzere Äußerungen über seinen Abscheu vor dem Heidentum aus den übrigen Quellen beibringen ließen) sowie O. v. H e i n e m a n n (oben Anm. 1), S. 108, 179; F. C u r s c h m a n n (ebenda), S. 96; H. K r a b b o , FBPG 19 (ebenda), S. 380. — Eine ähnliche Haltung bei Heinrici Chronicon Lyvoniae (rec. Pertz, MG. SS. in us. schol., Han. 1874), X, 8 (S. 32): bei einem wiederholten Abfall der Liven a. 1206 neophiti quidam .. . fideles se exhibentes . . . Rigam descendunt suggerentes domno episcopo, qualiter se dejendat ab inimicis, optantes magis chrislianorum quam suorum perfidorum Lyvonum pro-fectum (perfidus = Ungläubigenbezeichnung).

22) H. K r a b b o , Regesten, Nr. 103 (S. 21—2) m. Lit. 23) Sie hielt den Tod Pribislaws so lange vor ihrem Volke geheim, bis der sofort

verständigte Markgraf mit Heeresmacht zur Stelle und also in der Lage war, sein Erbe tatsächlich anzutreten: vgl. bes. H e i n r. d e A n t w. und P u 1 c a w a. Als Motiv

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liche und missionseifrige Gesinnung bekannt (freilich auch nicht zu überschätzen) ist24 , nahm sofort die ihm, wie es heißt, nunmehr zugefallene Handlungsfreiheit wahr und trieb alle, die „vom Unflat des Götzendienstes infiziert" waren, aus der Brandenburg hinaus.25 Das kann keine vollständige Slawenaustreibung gewesen sein, denn es gab auch nachher noch Wenden in Brandenburg: Der Markgraf nahm aus ihren Reihen sogar einen Teil der Besatzung, der er bei seiner Abreise den Schutz der strategisch so wichtigen Feste anvertraute 2 6 — zugleich ein Beweis, daß er glauben durfte, beim Antritt seiner neuen Herrschaft keinen übermäßigen Haß gesät zu haben.27 Er war ja auch sonst nicht slawenfeindlich.28 Offenbar steht hinter jener Nachricht ein letzter Appell an die slawischen Bewohner des Ortes, nunmehr endlich den Christenglauben anzunehmen, gestützt auf Machtmittel, wie sie dem Vorgänger niemals zu Gebote gestanden hatten: der Hauptort des neuen Landes, der zudem de jure Bischofssitz und dadurch ganz besonders geheiligt war, sollte nach dem Willen des Bären heidenfrei sein. Die Ausweisung aber betraf nur diejenigen, die auch jetzt noch als Taufverweigerer hartnäckig blieben.29

Trifft diese Auffassung zu, so hätten wir gleich unmittelbar nach dem Tode Pribislaw-Heinrichs eine Kette von Ereignissen, in welche die Zerstörung des branden-wird dabei ebenso wie für Pribislaw (vgl. die Anm. 21 genannte Literatur) die Furcht anzunehmen sein, daß die gemeinsamen frommen Stiftungen einer zu erwartenden heidnischen Reaktion zum Opfer fallen möchten.

24) vgl. O. v. H e i n e m a n n , S. 75—6, 226—9, 266—8, 271, 279, teilweise be-richtigt von H. K r a b b o , FBPG 19, S. 384, 387—8.

25) H e i n r d e A n t w . (S. 483, 18 f.): marchio Adelbertus libera rerum suarum desponendam facultate potitus (die er vor dem Tode des Pribislaw, allein auf Grund des Erbvertrages nicht besessen hatte), paganorum scelere latrocinii notatos et im-mundilia idolatrie infectos urbe expulit ac bellicosis viris, Teutonicis et Sclavis, quibus plurimum confidebat, custodiendam (sc. urbem) commisit. Vgl. auch Pulcawa (S. 3—4): . . . Castrum Brandemburg, cuius iam possessionem Albertus tenuit et expulsis inde ydolatris viris commiserat bellicosis, Slawis pariter et Saxonibus.

26) s. vor. Anm. über die strategische Bedeutung der Brandenburg: C u r s c h -m a n n , S. 8; W. G l e y , Die Besiedelung der Mittelmark von der slawischen Ein-wanderung bis 1624. Eine historisch-geographische Untersuchung. ( = Forsch, z. Deutschtum der Ostmarken. Im Auftr. d. Preuß. Akademie d. Wiss. hrsg. v. H. Witte, Zweite Folge, H. 1. Stuttgart 1926.) S. 95.

27) so schon A. F. R i e d e l , Die Mark Brandenburg im Jahre 1250 . . . II. Berlin 1832. S. 19—20.

28) vgl. A. F. R i e d e l , ebenda S. 16—7, 18, 24, 32—3 u. sonst; B. G u t t m a n n , S. 425—6; H. K r a b b o , FBPG 19, S. 384; A. H a u c k , Kirchengeschichte Deutsch-lands IV, 632; zuletzt W. H o p p e , Biographisches Wörterbuch z. deutschen Gesch., hrsg. v. H. Rößler u. G. Franz. München 1952. S. 14. Die häufig anzutreffende Be-hauptung, Albrecht habe nach der zweiten Einnahme der Brandenburg (s. unten 73) ihre gesamte wendische Bevölkerung vertrieben, ist quellenmäßig nicht verifizierbar, wie besonders aus der Gegenüberstellung von Text und Belegen bei H. S i m o n s -f e l d , Jahrbücher der deutschen Geschichte unter Friedrich I. Bd I, Leipzig 1908, S. 534 m. Anm. 63, deutlich wird.

29) Dies wäre zu erhärten durch eine eingehendere Interpretation der oben Anm. 25 angeführten Quellenstellen im Rahmen anderer gleichzeitiger Zeugnisse aus dem askanischen Bereich, die den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Vgl. einstweilen H.-D. K a h l , ZfO. 2. Jg., S. 12—13.

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burgischen Triglaw-Heiligtums sich geradezu mit Notwendigkeit einfügen würde: wenn schon, wie ausdrücklich bezeugt, die Heiden m e n s c h e n aus der Brandenburg ausgetrieben wurden — was sollte dann noch ein Heiligtum ihres Glaubens am Ort, den zurückbleibenden Christen doch nur eine Stätte des Greuels und des Abscheus? Eine Heidenaustreibung, die nicht von einer Vernichtung solcher Stätten begleitet worden wäre (soweit diese nicht sogar vorausging30), ist im christlichen Mittelalter undenkbar: Albrecht der Bär also wird der Zerstörer des Triglaw auf dem Harlunger-berge gewesen sein, und nur das Jahr 1150, da er die Nachfolge Pribislaw-Heinrichs antrat und die stoderanischen Verhältnisse nach seinen Maßstäben neu ordnete, kommt als Zeitpunkt dafür in Frage, — so müßten wir folgern, selbst wenn kein ausdrück-liches Zeugnis dafür zur Verfügung stünde.

Nun ist aber ein solches Zeugnis sogar vorhanden, jedenfalls für den Urheber der Zerstörung. „In Gemeinschaft mit Bischof Swiger", heißt es im Fragment einer Brandenburgisch-Brietzenschen Chronik (ebenfalls nicht näher datierbar), „stellte derselbige Bär nach langer Zerstörung mit Gottes Hilfe die brandenburgische Kathe-dralkirche wieder her und zerstörte das Götzenbild, das in Brandenburg auf einem Berge vor der Altstadt war, und viele andere mehr".31 Diese Nachricht steht zwar ebenso allein wie die entsprechende für Pribislaw-Heinrich 32, aber das will in diesem Falle weit weniger besagen: die größere Ausführlichkeit der übrigen Quellen gilt nur den Taten dieses letzten Stoderanerfürsten, während Albrechts Anteil an den damaligen Ereignissen auch in ihnen nur sehr knapp gestreift wird.33 Innere Gründe aber, die gegen eine Benutzung dieses Fragments ins Feld geführt werden müßten, sind ebensowenig ersichtlich: wie gesagt — hätten wir es nicht, wir müßten einen erheblichen Teil seines Inhalts postulieren.34

über das Jahr der Zerstörung sagt auch diese Quelle nichts, doch liefert sie wenigstens einen gewissen Anhalt. Jener Swiger oder Wigger, mit dem Albrecht dabei gemeinsam vorging35 — es ist derselbe Bischof von Brandenburg (zunächst noch in

30) vgl. dazu H.-D. K a h l , S. 3—4, 6, 8, 11. 31) CDB. TV/1, S. 277: . . . Idem Visus cum Swigero Episcopo Cathedralem Ecclesiam

Brandenhurgensem, diu destruetam, cum adiutorio Dei reformauit et idolum, quod in Brandenburgie fuit ante Veterem chätatem in monte, et alia multa destruxit (Wortstellung in der deutschen Wiedergabe geändert, um mit dem lateinischen Text festzuhalten, daß die Wirkung Swigers sich nicht nur auf das reformare, sondern auch auf das destruere erstreckte). An dieser Stelle scheitern die Ausführungen von J. W. T h o m p s o n , Feudal Germany (Chicago/111. 1928), S. 447—8, zu denen man sich überhaupt Belege gewünscht hätte. Die brandenburgischen Ereignisse jener Zeit sind bei Th. auch sonst recht ungenau behandelt: so werden die entscheidenden Vorgänge von 1150—57 überhaupt nicht erwähnt bzw. durch den Satz ersetzt: „Most of the Wendish population in Brandenburg accepted the fait accompli, both in its political and its religious bearing, without Opposition", wobei der Herrschaftsantritt Albrechts auf 1134 vordatiert wird (S. 525, vgl. auch 518).

32) vgl. oben S. 69. 33) zu H e i n r. de A n t w. vgl. unten. 34) Verf. hatte sich vorstehend entwickelte Auffassung bereits gebildet, ehe er auf

die quellenmäßige Bestätigung stieß. 35) Die oben S. 68 erwähnte Diademsniederlegung erfolgte nach H e i n r. d e

A n t w. ad nutum atque arbitrium domini Wiggeri archiepiseofi. Auch die kirch-lichen Stiftungen Pribislaws sind jedenfalls im Zusammenwirken mit W. zustande-gekommen. <

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partes infidelium), der schon mit Pribislaw-Heinrich zusammengearbeitet hatte — amtierte von 1138 bis 1160 und gibt uns damit immerhin einen quellenmäßig fun-dierten terminus ante quem, mit dem die soeben vorgetragene Annahme sich ohne weiteres verträgt. Dieselbe erhält damit tatsächlich einen Grad von Gewißheit, der in der brandenburgischen Geschichte des 12. Jhs. nicht leicht zu überbieten ist.36

3. Eine zweite Frage ist, ob der brandenburgische Triglaw im Jahre 1150 schon endgültig fiel. Zwar ist er nach 1160 nirgends mehr bezeugt, aber die Spanne zwischen jenen beiden möglichen Grenzterminen schließt noch ein zweites Schicksals-jahr des stoderanischen Wendentums ein. Der scheinbar so gut gesicherte Erwerb von 1150 sollte nämlich für den Markgrafen noch nicht von Dauer sein: Pribislaws Testament hatte einen Oheim übergangen, einen gewissen Jaxa (aller Wahrschein-lichkeit nach Knesen von Köpenick).8 ' Dies geschah zwar durchaus im Einklang mit den Möglichkeiten wendischen Rechts38, doch wir verstehen, daß Jaxa seine An-sprüche auf einen so bedeutenden Schlüsselpunkt nicht ohne weiteres fahren ließ. Durch Verrat fiel er ihm zu; wann, können wir nicht sehen.39 Erst 1157 zog der Bär nach harter Belagerung wieder in seine Feste ein.

Es war dies der letzte Herrschaftswechsel, den die Brandenburg in den lang-wierigen Kämpfen zwischen Sachsen und Wenden erlebte, und so hat A. H a u c k den Sturz des alten Gottes mit d i e s e m Zeitpunkt (als dem der „definitiven Be-sitznahme") zu verknüpfen gesucht.40 Die Begründung erregt Bedenken: einmal war doch in Albrechts Sinne die Entscheidung von 1150 nicht weniger definitiv gemeint — die endlich erlangte Handlungsfreiheit, die er damals begierig ergriff, wird aus-drücklich betont4 1 —, andererseits aber stand für die Zeitgenossen durchaus nicht fest, ob der Wechsel von 1157 die Reihe nun wirklich beschließen werde: noch um 1187 hielt ein Bischof von Brandenburg es für nötig, Anordnungen zu treffen für den Fall, daß sein Kathedralsitz erneut verloren gehen sollte.42 Dennoch verdient Haucks Erwägung unsere Aufmerksamkeit in Verbindung mit der Tatsache, daß der sächsische Feldzug von 1157 in den Pöhlder Annalen ausdrücklich als Unternehmen gegen eine „düstere H e i d e n phalanx" erscheint.43 War der Abfall von Albrechts Herrschaft zugleich ein Abfall von der Religion gewesen, der er mit so einschneiden-den Maßnahmen zur Alleinherrschaft in der Brandenburg hatte verhelfen wollen? Hatte damit der Gott vom Harlungerberge nach dem Sturz von 1150 sein Haupt noch einmal erheben können, ehe er für immer dahinsank?

36) über die Quellenlage für die ältere Geschichte der Kurmark vgl. H. K r a b b o , FBPG 19, S. 372; B. G u 11 m a n n, S. 432, dazu die spärlichen historiographischen Fragmente im CDB. IV/I (1862).

37) vgl. H. L u d a t , Legenden, bes. S. 43—52. — Zum folgenden noch: H. K r a b b o , Regesten S. 50—51 Nr.265—66; ders., FBPG 19, S.383; F. C u r s c h -m a n n , S. 113—4; auch W. G l e y , Die Besiedlung d. Mittelmark, S. 92.

38) H. L u d a t , S. 20 Anm. 81. 39) vgl. bes. C u r s c h m a n n , S. 112 und unten Anm. 57. 40) s. Anm. 4. 41) s. Anm. 25. 42) CDB. I/X, S. 77: Einrichtung einer Interimsverwaltung in Leitzkau (s. oben

S. 68), wenn etwa sive paganorum incursu sive quacunque causa Brandeburgensis ecclesia desolata fuerit.

43) Ann. Palid. a. 1157 (MG. SS. XVI, 90, 11): atrox gentilium phalanx. — Vgl. Anm. 42.

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Bei der engen Verquickung „nationaler" und religiöser Momente, die den Be-hauptungskampf des damaligen Eibslawentums gegen deutsche wie polnische Nachbarn so weithin kennzeichnen, wäre an sich kaum etwas anderes zu erwarten. Auffälliger-weise deutet jedoch gerade unser Hauptgewährsmann, der Brandenburger Domherr Heinrich von Antwerpen, einen derartigen Rückschlag mit keiner einzigen Silbe an, obwohl man doch annehmen sollte, daß ihm als Prämonstratenser, sofern er nichts anderes wollte als eben Geschichte schreiben, die religiöse Seite der Auseinander-setzung nicht weniger nahe gelegen hätte als seinem Ordensbruder von Pöhlde. Nach Heinrichs doch einigermaßen ausführlicher Darstellung sieht es ganz so aus, als sei die „Heidenfrage" für Brandenburg mit der Regelung von 1150 erledigt gewesen, und alles weitere habe sich auf rein politisch-rechtlicher Ebene abgespielt als ein ganz gewöhn-licher, profaner Erbfolgekrieg im Kleinen. Da der unmittelbar vorausgehende Lebens-abriß Pribislaws die religiöse Seite seines Wirkens stark und einseitig herausstelle verdient dieser Umstand sorgfältige Beachtung. Hat der Annalist von Pöhlde seine Notiz also gedankenlos nach einem überkommenen Schema formuliert, einer tradi-tionellen Gleichsetzung von „Wenden" und „Heiden" 4 4 , die für die tatsächlichen Gegebenheiten Brandenburgs um 1157 nicht mehr stimmte?

Man braucht die Frage nur auszusprechen, um ihre Unwahrscheinlichkeit zu empfinden: schon die Rückführung der von Albrecht Verbannten, ohne die man sich Jaxas Erfolg schwerlich vorstellen kann, mußte dem Heidentum am Mittelpunkt des Stoderanertums neuen Auftrieb geben, und daß es h e i d n i s c h e Bedrohung war, der die Havelfeste sich in der Zeit nach 1150 ständig ausgesetzt sah, wird von ihrem eigenen Bischof noch in jener Urkunde von etwa 1187 bezeugt.45 Sollte die Un-stimmigkeit also vielmehr auf Seiten Heinrichs liegen? Er gehört ja zu den Autoren, die den so epochemachenden Sturz des Triglawbildes nirgends erwähnen. Die religiöse Fragestellung t ra t für ihn also schon in dem Augenblick zurück, wo er die von Albrecht bei seinem Herrschaftsantritt durchgeführte Neuordnung zu schildern ha t te 4 6 ; sie ist ihm nur bis zum Zeitpunkt der Übergabe durch Pribislaws Witwe wichtig. Sollte er ihr am Ende auch vorher die Aufmerksamkeit nicht um ihrer selbst willen zugewandt haben? Entsprang seine Aufzeichnung nicht dem allgemeinen Wunsch, geschichtliche Denkwürdigkeiten festzuhalten, sondern einem bestimmten, speziellen Zweck?

Durchmustert Iman seinen „Trak t a t " daraufhin noch einmal als Ganzes, so fällt die starke Betonung bestimmter Rechtstitel auf, die alle den Besitz der Brandenburg betreffen. Schon gleich am Anfang wird mit auffälligem Nachdruck, der aus dem engeren Textzusammenhang allein nicht recht verständlich ist, hervorgehoben, daß Pribislaw seine dortige Herrschaft „in legitimer Nachfolge seiner Verwandten" be-saß.47 Entsprechendes aber gilt in verstärktem Maße für den Markgrafen: er findet sich nicht einmal, sondern mehrfach mit Wendungen bedacht wie: daß der alte

44) Das bekannteste Beispiel für Einsetzung von gentiles anstelle des Wenden-namens ist der Magdeburger Entwurf von ca. 1108 zu einem Kreuzzugsaufruf gegen die Ostlandheiden, deren Volksbezeichnung dabei kein einziges Mal genannt wird (vgl. ÜB. d. Erzstifts Magdeburg, bearb. v. F. Israel u. W. Möllenberg, Bd I, 1937, Nr. 193 S. 249).

45) s. Anm. 42. 46) zu der oben Anm. 25 mitgeteilten Stella vgl. unten S. 75. 47) MG. SS. XXV, S. 482, 44: legittima parentele sue successione huius urbis ac

totius terre adiacentis . ., sortitus est principatum.

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Knese ihn „sich zum Erben eingesetzt hat te" , so daß er „die Brandenburg wie nach Erbfolge besaß".48 Erst von diesen Stellen aus wird aber auch jene erste voll ver-ständlich, indem sie nun, aufs Ganze gesehen, nicht nur die Legitimität des letzten Stoderanerfürsten, sondern eben auch die des von ihm erkorenen Nachfolgers be-leuchtet. Offenbar war Heinrich aufs stärkste daran interessiert, daß der Askanier die Hoheit über das brandenburgische Land wirklich mit Fug und Recht ausübte, ja es scheint, daß dieser Nachweis den Angelpunkt seiner ganzen Niederschrift bildet. Zumindest läßt sich die Stoffauswahl unter dieser Voraussetzung besonders gut ver-stehen: die christliche Gesinnung des Erblassers, Motiv für seine eigenwillige Ver-fügung, war dafür wichtig und also ausführlich zu schildern, wichtig ebenso die Feststellung, daß Jaxa ungeachtet seiner nahen Verwandtschaft zu Pribislaw den wohlerworbenen Rechten des Markgrafen doch nur als Usurpator gegenüberstand: selbst die Verbannung bekehrungsunwilliger Heiden beim Herrschaftswechsel fügt sich in den Rahmen solch einseitig rechtsgeschichtlich gerichteter Betrachtung ein, kam ihr doch neben der reügionspolitischen ebensogut eine besitzrechtliche Bedeutung zu. Wann aber das alte Heiligtum der Stoderaner fiel und welchen Schwankungen die religiöse Situation in Brandenburg bis zur endgültigen Lösung unterworfen war, kennte unter solchem Gesichtspunkt ziemlich gleichgültig sein — da genügte die abschließende Feststellung, daß 1165 das Domstift aus der Vorstadt nach Branden-burg selbst verlegt wurde, „damit nach Ausmerzung des Götzenunflats unablässig Gottes Lob gesungen werde, wo zuvor viele Jahrtausende nutzloser Dämonendienst verrichtet wurde".49 Der speziell rechtsgeschichtliche Blickpunkt scheint hier also mit geradezu bewundernswürdiger Folgerichtigkeit festgehalten, ohne größere Ab-weichungen nach der einen oder anderen Seite. Das Interesse aber, das Heinrich an gerade diesen Fragen nahm, wird verständlich, wenn wir vernehmen, daß er Insasse des eben genannten Stiftes war 60, und wenn wir weiterhin bei ihm lesen, wie dieses Stift zu beiden Machthabern in engster Beziehung stand: der eine hatte es gegründet und ausgestattet, der zweite bei seiner Verlegung und Besitzerweiterung mitgewirkt.51

Es war für den Autor also von ganz persönlicher Bedeutung, daß diese Fürsten ihre Verfügungen wirklich als Inhaber guten Rechtes getroffen hatten.

Der „Trak ta t " des Brandenburger Kanonikers wollte also allem Anschein nach n i c h t einfach ganz allgemein schildern, „wie es gewesen war" , sondern er stellt sich dar als ein Abriß der für sein Stift wichtigen Geschichte des Besitzrechtes jener Landschaft in entscheidender Übergangszeit.52 Ist er aber solchermaßen von eigent-lich religions- und missionsgeschichtlichen Gesichtspunkten frei, so kann sein Schwei-gen über dergleichen auch den Annalisten von Pöhlde nicht ins Unrecht setzen, dessen Hinweis ohnehin soviel Wahrscheinlichkeit für sich hat. Wir entnehmen diesem Hinweis also, daß das Heidentum in Brandenburg nach dem Eingreifen Jaxas neuen Auftrieb bekam. Dazu bietet dann freilich der Prämonstratenser aus Antwerpen gerade auch durch sein Schweigen eine wertvolle Ergänzung: wir sehen daraus, daß

48) S. 483, 20ff.; ZI. 26: velut hereditaria successione. 49) S. 484, 23 ff. Der quatenus-Satz gehört zu collocavit, nicht zum eingeschobenen

contulit; entsprechend weist inibi nicht auf villas, sondern auf sedem episcopii sui. 50) vgl. die Vorbemerkung zum Tractatus von der Hand eines späteren Ab-

schreibers bzw. Kompilators: MG. SS. XXV, 482 = CDB IV/I S. 285. 51) S. 483, 5 ff. bzw. 484, 14 ff. 52) Ob der Traktat, der auf 1180—1200 datiert zu werden pflegt, im Zusammen-

hang mit der oben Anm. 42 erwähnten Bedrohung der ausgehenden achtziger Jahre entstanden ist?

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Aus der Frühzeit der schlesischen Zeitungen Schon im Ausgange des Mittelalters wurde Breslau mit der neuen Kunst des

Drückens bekannt. 1504 konnte bereits die mit Holzschnitten geschmückte Hedwigs-legende in seinen Mauern erscheinen, und 1538 gründete der Rektor des Elisabeth-gymnasiums, Andreas Winkler, die bis in die jüngste Zeit bekannte Stadtbuch-druckerei (Grass, Barth u. Co.).

Weit später als die Einzeldrucke traten die Zeitungen ins Leben. Vorläufer waren die geschriebenen Zeitungen, die sich längere Zeit großer Beliebtheit erfreuten, so daß noch 1725 der damalige Breslauer Zeitungsverleger Stein und Bein über ihre Konkurrenz klagen konnte. Ober die älteste gedruckte Zeitung wissen wir nichts Sicheres; sie muß um 1600 erschienen sein. Ein glücklicher Zufall hat es gefügt, daß aus dem Jahre 1609 zwei ganze Zeitungsbände erhalten sind. Aber die einzelnen Nummern verraten weder den Herausgeber noch den Drucker oder den Erscheinungs-ort. Man betrachtet als solchen Straßburg bzw. Augsburg. Dann folgten andere Städte mit eigenen Zeitungen, so 1610 Basel, 1615 Frankfurt, 1616 Hamburg.

Im Jahre 1629 bat der Buchdrucker Georg Baumann in Breslau um das Privileg, „wöchentliche Avisen" herausgeben zu dürfen. Ob dies das Geburtsjahr der schle-sischen Presse ist? Die ältesten erhaltenen Nummern der Breslauer „Wöchentlichen Zeitungen auss unterschiedlichen Orthen" (in der Breslauer Stadtbibliothek) stammen aus den Jahren 1632/33. Ein kaiserliches Schreiben von 1639 könnte zwar schließen lassen, daß Baumann schon vor 1629 ohne Privileg seine Zeitung herausgab — was, wie wir aus späteren Fällen wissen, durchaus möglich war und vorkam —, anderer-seits sagt das amtliche Gutachten zu Baumanns Antrage von 1629 gar nichts darüber. Also muß die Frage nach dem Geburtsjahre der schlesischen Presse offen bleiben.

In den erhaltenen Nummern ist nach damaliger Gewohnheit nirgends der Heraus-geber oder der Erscheinungsort genannt, die Nummern sind nicht datiert, mitunter fehlt sogar die Jahresangabe, nur die Korrespondenzen tragen ein mehr oder minder zurückliegendes Datum. Trotz dieser Unzulänglichkeiten läßt sich indirekt beweisen, daß die Zeitung aus Breslau stammen muß. Auch die Titel waren in dieser Frühzeit des Zeitungswesens nicht feststehend. In der Universitätsbibliothek Greifswald fanden sich einige Nummern einer „Reichszeitung über Breslau aus mehrerlei Orthen", die aus den Jahren 1633, 1636 und 1637 stammen. Man kommt in Versuchung anzunehmen, daß es sich um dasselbe Blatt handelt wie bei den „Wöchentlichen Zeitungen".

In dem genannten kaiserlichen Schreiben vom 20. April 1639 wird vom Rate der Stadt Breslau verlangt, daß er die „Kramerei mit Zeitungen und solchen famos Schriften und Traktaten gänzlich" verbiete. Heißt das, daß die erste Breslauer Zeitung damals ihr Leben lassen mußte? Nummern oder auch nur Hinweise haben wir für längere Zeit nicht.

Erst nach dem Großen Kriege begegnen wir wieder einer Zeitung in Breslau. Im Jahre 1650 bat ein gewisser Christoph Jonisch, die „wöchentlich einlauffenden Avisen in der Buchdruckerei allhier drucken" zu dürfen. Das Gesuch wurde genehmigt, und Jonisch begann sogleich mit der Herausgabe der „Breslauer Einkommenden Freytags-Postzeitung". Zwei Nummern im Peterswaldauer Archiv führen diesen Titel, während der Jahrgang 1669 in der Grafenorter Bibliothek, leicht geändert, über-schrieben ist: „Neu-Einlaufende Nachricht der Breslauer eingekommenen Post-Zeitungen". 1668 erhielt Jonisch auf seinen Antrag ein kaiserliches Privileg, das ihm als einzigem die Herausgabe einer Zeitung sicherte und zugleich den Allein-

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verkauf fremder Blätter. Außer der genannten Freitags-Postzeitung aber gab Jonisch noch eine zweite heraus, die „Neu einlauffende Nachricht von Kriegs- und Welt-händeln", von welcher der Jahrgang 1685 in der Breslauer Dombibliothek ge-funden wurde. Vielleicht war es ein Auszug aus den Leipziger „Kriegs- und Welt-händeln", jedenfalls aber ein in Breslau gedrucktes Blatt mit einer Auflage von 90 bis 100 Stück. Zugleich bedeutet dieses Zeitungsblatt einen Schritt vorwärts in der schlesischen Zeitungsgeschichte.

Daß die ältesten Zeitungen Wochenschriften waren, hing vor allem an dem wöchent-lichen Eintreffen der Posten; ein geringes Bedürfnis und die vielfach sehr primi-tiven Druckereieinrichtungen mochten hinzukommen. Die Hildesheimer Zeitung war aber schon 1619 zweimal wöchentlich erschienen und die Frankfurter Postzeitung war ihr 1634 darin gefolgt. Allmählich wurde mit der Verbesserung des Postenlaufes das zweimalige Erscheinen zur allgemeinen Sitte, Breslau begann damit 1688 und blieb die ganze österreichische Zeit dabei. Ein Frühversuch der Leipziger Zeitung im Jahre 1660, täglich herauszukommen, mußte wieder aufgegeben werden.

Im Jahre 1683 rückten die Türken vor Wien und die ganze Christenheit war vor Schreck wie gelähmt. Selbstverständlich mußte durch den Druck darüber berichtet werden und Jonisch gab einen „Neu-Ankommenden Krieges-Curirer" heraus, den einst Hoffmann von Fallersieben als die Breslauer Türkenzeitung bezeichnete. Als aber später in der Breslauer Dombibliothek einige Blätter davon gefunden wurden, mußte man sie doch eher als eine Serie von Einzeldrucken ansehen.

Jonisch starb um 1690 und der Buchhändler Georg Seydel von der Albrechts-gasse erwarb das Zeitungsprivileg. Von seinem „Ordinari Zeitungs-Courir", der auch als „Wienerischer Zeitungs-Courir" erschien, haben wir Nummern zwischen 1691 und 1700. Ferner gab er einen „Bresslauischen Mercurius" (auch mit ähn-lichen Überschriften vorkommend) heraus, von dem Nummern zwischen 1695 und 1702 erhalten sind.

Bei der Bewerbung Seydels spielte zum ersten Male die für das damalige Schlesien so bezeichnende religiöse Frage eine Rolle. Die Breslauer Zeitungsverleger waren bisher evangelisch gewesen. Nun war in den Jahrzehnten nach dem Großen Kriege die Autorität der alten Kirche wieder gewachsen und der Kaiser als Oberherr Schlesiens bemühte sich mit allen Kräften, das evangelische Land zum Katholizis-mus zurückzuführen. So wurde jetzt, ,1692, beim schlesischen Oberamt sofort aus Wien angefragt, ob Seydel auch katholisch sei. Er war es nicht, aber das Oberamt empfahl ihn, und so bekam er schließlich das Privileg für ein Jahr. Stillschweigend blieb es ihm dann bis 1702. In diesem Jahre t ra t jedoch ein katholischer Bewerber namens Cavan auf. Alles Jammern nützte nun Seydel nichts, das Privileg wurde ihm genommen und Cavan gegeben. Dieser war ein gesinnungsloser Mensch, wie sie Übergangszeiten eigen sind. Mehrfach war er katholisch geworden, um die Vor-teile des Übertritts auszunutzen, und als ein paar Jahre später die Schweden im Kampfe mit August dem Starken von Sachsen-Polen im Lande erschienen, trat er als Protestant in ihre Dienste und verschwand 1707 aus Breslau. Von seinen „Bresslauer Nouvellen" sind Nummern zwischen 1706 und Januar 1708 übrig.

Seit 1703 waren die Herausgeber der Breslauer Zeitung, den Zeitverhältnissen entsprechend, katholisch.

Das Privileg von Cavans Nachfolger Bachler lautete auf den Druck „deutscher, wällischer und französischer Zeitungen" — schon Seydel hatte darum gebeten, sein Blatt in verschiedenen Sprachen herausbringen zu dürfen. War doch inzwischen

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das neue Zeitalter des Kavaliertums angebrochen! In wällischer, d. h. italienischer Sprache hat Bachler, soweit bekannt ist, keine Zeitung erscheinen lassen, ob in französischer, ist auch nicht mit iSicherheit zu sagen, denn die „Nouvelles" von 1715, die hierauf hinzudeuten scheinen, sind nur durch eine Zeitungsanzeige bekannt ge-worden. Nun bat Bachler im Jahre 1716 darum, sein Privileg auf die lateinische und polnische Sprache auszudehnen. Das schlesische Oberamt war dagegen, „weil wenige allhier der Sprache kundig" wären (gemeint ist die polnische), „ratione censurae also eine Schwierigkeit bestände und das Publikum kein Interesse an diesen Zeitungen" haben könnte.

Der Begriff „Zeitungen" sollte zugleich wohl die Zeitschriften mit umfassen, die, keine deutsche Erfindung, 1665 in Paris „entdeckt" worden waren.

Im Jahre 1695 ließ der Rektor Gryphius des Magdalenengymnasiums seine Über-setzungsübungen mit den Primanern wöchentlich drucken als „relationes hebdomada-rias Wratislavienses". Eine wirkliche wissenschaftliche Zeitschrift aber, die „Miscel-lanea Curiosa Medico-Physica", die älteste medizinisch-naturwissenschaftliche Zeit-schrift der Welt, die 1670 der Breslauer Stadtarzt Sachs von Löwenheim gründete, blieb nur kurze Zeit in Breslau und wurde dann nach Leipzig verlegt, wo sie 1713 einging.

Latein war die Sprache der Gelehrten und wurde von ihnen gesprochen und gelesen. Was aber sollte ein Privileg für polnische Zeitungen in Breslau? Warschau bekam seine erste Zeitung erst 1728, also rund 100 Jahre nach Breslau! Der Kaiser ge-währte gegen den Rat des Oberamtes Bachler die polnische Sprache für Zeitungen, es gibt aber keinen Hinweis, daß dieser davon Gebrauch gemacht hätte.

Bis ziemlich zu seinem Tode (1736) blieb Bachler der Herausgeber des „Schle-sischen Nouvellen-Courier", dann folgte ihm sein Schwiegersohn Adametz, der den Einmarsch der Preußen im Dezember 1740 erlebte. Bald ließ er den kaiserlichen Doppeladler weg, den seine Zeitung bis dahin am Kopfe trug. Aber er glaubte wohl, trotz aller Vorsicht, der Schwierigkeiten nicht Herr werden zu können, die der Regierungswechsel bot, und eines Tages verschwand er von der Bildfläche. „Es war jetzt gar künstlich, Zeitungen zu schreiben", sagt das Tagebuch des Zeitgenossen Steinberger.

Am 3. Januar 1742 erschien die erste Nummer der „Schlesischen Privilegierten Staats-, Kriegs- und Friedenszeitung" des Thüringers Johann Jakob Korn, die als Schlesische Zeitung bis in die letzten Jahre am Leben blieb; Adametz hatte sie vorher ankündigen müssen.1

Willy Klawitter

1) Genauere Einzelheiten finden sich in folgenden Schriften: W. K l a w i t t e r , Die Zeitungen und Zeitschriften Schlesiens von den Anfängen bis zum Jahre 1870 bzw. bis zur Gegenwart (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte 32, Breslau 1930), und: ders., Geschichte der Zensur in Schlesien (Deutschkundliche Arbeiten. B. Schlesische Reihe. 2. Breslau 1934).