2
– Grundbedeutung religiöser Kultur erkennen. Dieser Lernbereich schlüsselt sich auf in folgende Module : Modul A : »Evangelisch – Katholisch« Modul B : »Judentum – Islam« Modul C : »Süchte – Sehnsüchte; Stärken – Schwächen; Lebensfördernde – Lebensfeind- liche Formen von Religion« Modul D : »Diakonisches Handeln / karitatives Handeln« Modul E : »Grundgedanken des christlich motivierten Tuns verstehen und nach ihnen handeln« Modul F : »Schau hin und nicht weg !« Diakonisches Praktikum Die Erfahrung aus nunmehr drei Jahren hat gezeigt, dass ein diakoni- sches Praktikum in der Zeit zwischen den Herbst-und Weihnachtsferien und »religiöse Schultage« zwischen den Oster- und Sommerferien in den Schulalltag integriert werden können. Für das diakonische Praktikum sind folgende Lernbereiche hand- lungsleitend : Grundgedanken des christlich mo- tivierten Tuns verstehen und nach ihnen handeln. Grundbedeutung religiöser Kultur erkennen. Darüber hinaus strebt das Prakti- kum folgende Ziele an : Feedback- Kultur üben, Präsentationstechniken üben, öffentliche Rechenschafts- legung üben, Verantwortung für eige- nes Lernen übernehmen, Dokumen- tationsformen üben. Für das Praktikum geeignete Ein- richtungen sind z. B. Seniorenheime, Werkstätten für behinderte Men- schen, Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft, Ambulante Kranken- pflege (Johanniter, Malteser), kirchli- che Kindertagesstätten. In dem diakonischen Praktikum sammeln die Schülerinnen und Schüler in sozialen Einrichtungen Erfahrungen in oftmals unbekannten von Annegret von Dahl Das rheinland-pfälzische Schulpro- jekt »Keine(r) ohne Abschluss« (kurz KoA) will Schülerinnen und Schülern ohne Abschluss nach der neunten Klasse die Möglichkeit geben, durch zusätzliche Förderung die Berufsreife zu erwerben. 1 »Ziel des besonderen 10. Schuljah- res ist es, Schülerinnen und Schülern ohne Chancen auf einen Schulab- schluss in einer eigens dafür einge- richteten Klasse zu einem erfolgrei- chen Abschluss und zu einem gelin- genden Übergang in die Arbeitswelt zu führen. Innerhalb des Projektes nehmen vor allem die Berufsorientie- rung und der Praxisbezug einen hohen Stellenwert ein. Die Lehrkräfte verbinden in ihrem Unterricht allge- meinbildende mit berufsorientieren- den Inhalten. Gemeinsam mit außer- schulischen Kooperationspartnern wie Arbeitsagenturen, Kammern und Unternehmen, entwickeln die Schüle- rinnen und Schüler Qualifikationen, die sie auf die Berufswelt vorberei- ten. Dabei stehen neben den fachli- chen auch die außerfachlichen Kom- petenzen wie Pünktlichkeit, Sorgfalt und Zuverlässigkeit im Fokus der För- derung. »Keine(r) ohne Abschluss« bezieht aber auch die Eltern verstärkt mit ein, zum Beispiel in Form von erweiterten Elternabenden mit Lehr- kräften und Beraterinnen und Bera- tern der Arbeitsagenturen. So kön- nen die Eltern ihre Kinder auf dem Weg zu einem erfolgreichen Schulab- schluss bestmöglich unterstützen.« 2 Der Lernbereich »Religiöses Lernen« Das Fach Religion hat im Rahmen des Projektes »Keine(r) ohne Ab- schluss« einen festen Platz. Die Inhalte des Lernbereichs »Religiöses Lernen« werden dabei wie folgt beschrieben : den eigenen Glauben wahrneh- men, ausdrücken und reflektieren, Grundformen religiöser Praxis und Sprache verstehen, über den Glauben Auskunft geben, Grundgedanken des christlich mo- tivierten Tuns verstehen und nach ihnen handeln, zwischen lebensförderlichen und lebensfeindlichen Formen von Reli- gion unterscheiden, mit Andersgläubigen respektvoll kommunizieren, Lebensbereichen. Sie gewinnen durch direkte Begegnungen und akti- ves Tun Verständnis für Kinder, ein- same ältere Menschen, Behinderte, Notleidende oder Menschen am Rande unserer Gesellschaft. Vorur- teile werden reflektiert und abge- baut. Zudem hat sich gezeigt, dass das diakonische Praktikum zu sozia- lem Engagement anregen kann. Das diakonische Praktikum erfor- dert eine unterrichtliche Begleitung, und zwar in der Vorbereitung, durch Besuche der Unterrichtenden in den Einrichtungen, durch einen Auswer- tungstag und durch eine angemes- sene Präsentation. Zugleich ist eine Dokumentation mittels eines Port- folios nötig und wichtig ! Religiöse Schultage Während der religiösen Schultage sind Exkursionen zu außerschuli- schen Lernorten ( Synagogengemein- den, Moscheen, Klöster, Kirchen, Gedenkstätten) möglich, ebenso wie Kooperationen mit Bildungsprojek- ten, wie z. B. Elan (Globales Lernen), siehe Schönberger Heft 3/11. Für diese »Religiösen Schultage« zwischen den Oster- und Sommerfe- rien sind folgende Lernbereiche be- schrieben : Zwischen lebensförderlichen und lebensfeindlichen Formen von Reli- gion unterscheiden, mit Anders- gläubigen respektvoll umgehen. Den eigenen Glauben wahrneh- men, ausdrücken und reflektieren. Das Fach Religion im Projekt »Keine(r) ohne Abschluss« _________________________ 1 Die derzeitige Anzahl junger Menschen, die die Schule ohne berufsqualifizieren- den Abschluss verlassen, beläuft sich in Rheinland-Pfalz nach Angaben des Statis- tischen Landesamts (2010) auf 5,8 Pro- zent. Die Mehrheit dieser ca. 2.600 Ju- gendlichen hat ohne einen ausbildungs- befähigenden Schulabschluss jedoch kaum eine Chance, einen Ausbildungs- platz oder eine Beschäftigung zu finden. 2 Aus der Internetseite des Projektes 16 Schönberger Hefte 2/12 Fachdidaktische Impulse

Das Fach Religion im Projekt »Keine(r) ohne Abschluss« · PDF file»dass ich nicht soP gut mit Ton um-gehen kann«. Die Chance, etwas ganz Neues kennen zu lernen, wurde wahrge -

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– Grundbedeutung religiöser Kulturerkennen.

Dieser Lernbereich schlüsselt sichauf in folgende Module :

Modul A : »Evangelisch – Katholisch«

Modul B : »Judentum – Islam«

Modul C : »Süchte – Sehnsüchte;Stärken – Schwächen;Lebensfördernde – Lebensfeind-liche Formen von Religion«

Modul D : »Diakonisches Handeln /karitatives Handeln«

Modul E : »Grundgedanken des christlich motivierten Tuns verstehen und nach ihnen handeln«

Modul F : »Schau hin und nicht weg !«

Diakonisches Praktikum

Die Erfahrung aus nunmehr dreiJahren hat gezeigt, dass ein diakoni-sches Praktikum in der Zeit zwischenden Herbst-und Weihnachtsferienund »religiöse Schultage« zwischenden Oster- und Sommerferien in denSchulalltag integriert werden können.

Für das diakonische Praktikumsind folgende Lernbereiche hand-lungsleitend :

– Grundgedanken des christlich mo-tivierten Tuns verstehen und nachihnen handeln.

– Grundbedeutung religiöser Kulturerkennen.

Darüber hinaus strebt das Prakti-kum folgende Ziele an : Feedback-Kultur üben, Präsentationstechnikenüben, öffentliche Rechenschafts -legung üben, Verantwortung für eige-nes Lernen übernehmen, Dokumen-tationsformen üben.

Für das Praktikum geeignete Ein-richtungen sind z. B. Seniorenheime,Werkstätten für behinderte Men-schen, Krankenhäuser in kirchlicherTrägerschaft, Ambulante Kranken-pflege (Johanniter, Malteser), kirchli-che Kindertagesstätten.

In dem diakonischen Praktikumsammeln die Schülerinnen undSchüler in sozialen EinrichtungenErfahrungen in oftmals unbekannten

von Annegret von Dahl

Das rheinland-pfälzische Schulpro-jekt »Keine(r) ohne Abschluss« (kurzKoA) will Schülerinnen und Schülernohne Abschluss nach der neuntenKlasse die Möglichkeit geben, durchzusätzliche Förderung die Berufsreifezu erwerben.1

»Ziel des besonderen 10. Schuljah-res ist es, Schülerinnen und Schülernohne Chancen auf einen Schulab-schluss in einer eigens dafür einge-richteten Klasse zu einem erfolgrei-chen Abschluss und zu einem gelin-genden Übergang in die Arbeitsweltzu führen. Innerhalb des Projektesnehmen vor allem die Berufsorientie-rung und der Praxisbezug einenhohen Stellenwert ein. Die Lehrkräfteverbinden in ihrem Unterricht allge-meinbildende mit berufsorientieren-den Inhalten. Gemeinsam mit außer-schulischen Kooperationspartnernwie Arbeitsagenturen, Kammern undUnternehmen, entwickeln die Schüle-rinnen und Schüler Qualifikationen,die sie auf die Berufswelt vorberei-ten. Dabei stehen neben den fachli-chen auch die außerfachlichen Kom-petenzen wie Pünktlichkeit, Sorgfaltund Zuverlässigkeit im Fokus der För-derung. »Keine(r) ohne Abschluss«bezieht aber auch die Eltern verstärktmit ein, zum Beispiel in Form vonerweiterten Elternabenden mit Lehr-kräften und Beraterinnen und Bera-tern der Arbeitsagenturen. So kön-nen die Eltern ihre Kinder auf demWeg zu einem erfolgreichen Schulab-schluss bestmöglich unterstützen.«2

Der Lernbereich»Religiöses Lernen«

Das Fach Religion hat im Rahmendes Projektes »Keine(r) ohne Ab-schluss« einen festen Platz.

Die Inhalte des Lernbereichs»Religiöses Lernen« werden dabeiwie folgt beschrieben :

– den eigenen Glauben wahrneh-men, ausdrücken und reflektieren,

– Grundformen religiöser Praxis undSprache verstehen,

– über den Glauben Auskunft geben,

– Grundgedanken des christlich mo-tivierten Tuns verstehen und nachihnen handeln,

– zwischen lebensförderlichen undlebensfeindlichen Formen von Reli-gion unterscheiden,

– mit Andersgläubigen respektvollkommunizieren,

Lebensbereichen. Sie gewinnendurch direkte Begegnungen und akti-ves Tun Verständnis für Kinder, ein-same ältere Menschen, Behinderte,Notleidende oder Menschen amRande unserer Gesellschaft. Vorur-teile werden reflektiert und abge-baut. Zudem hat sich gezeigt, dassdas diakonische Praktikum zu sozia-lem Engagement anregen kann.

Das diakonische Praktikum erfor-dert eine unterrichtliche Begleitung,und zwar in der Vorbereitung, durchBesuche der Unterrichtenden in denEinrichtungen, durch einen Auswer-tungstag und durch eine angemes-sene Präsentation. Zugleich ist eineDokumentation mittels eines Port -folios nötig und wichtig !

Religiöse Schultage

Während der religiösen Schultagesind Exkursionen zu außerschuli-schen Lernorten ( Synagogengemein-den, Moscheen, Klöster, Kirchen,Gedenkstätten) möglich, ebenso wieKooperationen mit Bildungsprojek-ten, wie z. B. Elan (Globales Lernen),siehe Schönberger Heft 3/11.

Für diese »Religiösen Schultage«zwischen den Oster- und Sommerfe-rien sind folgende Lernbereiche be-schrieben :

– Zwischen lebensförderlichen undlebensfeindlichen Formen von Reli-gion unterscheiden, mit Anders-gläubigen respektvoll umgehen.

– Den eigenen Glauben wahrneh-men, ausdrücken und reflektieren.

Das Fach Religion im Projekt »Keine(r) ohne Abschluss«

_________________________1 Die derzeitige Anzahl junger Menschen,die die Schule ohne berufsqualifizieren-den Abschluss verlassen, beläuft sich inRheinland-Pfalz nach Angaben des Statis-tischen Landesamts (2010) auf 5,8 Pro-zent. Die Mehrheit dieser ca. 2.600 Ju-gendlichen hat ohne einen ausbildungs-befähigenden Schulabschluss jedochkaum eine Chance, einen Ausbildungs-platz oder eine Beschäftigung zu finden.

2 Aus der Internetseite des Projektes

16 Schönberger Hefte 2/12Fachdidaktische Impulse

Page 2: Das Fach Religion im Projekt »Keine(r) ohne Abschluss« · PDF file»dass ich nicht soP gut mit Ton um-gehen kann«. Die Chance, etwas ganz Neues kennen zu lernen, wurde wahrge -

– Grundformen religiöser Praxis undSprache verstehen.

Die Lernbereiche werden jeweilsganztägig bearbeitet und in einemLerntagebuch dokumentiert und re-flektiert.

Die Ziele dieser Schultage sind :Verantwortung für eigenes Lernenübernehmen, eigenes Handeln re-flektieren, mit Andersgläubigen kom-munizieren, Auskunft über die eigeneKonfession geben, auf eigenen Stär-ken aufbauen, über das eigene Ler-nen reflektieren, die Qualität der eige- nen Arbeit einschätzen, mit Wahl-möglichkeiten verantwortlich umge-hen.

Am Auswertungstag, der unmittel-bar nach dem Praktikum stattgefun-den hat – auch unbedingt stattfindensollte – gab es zahlreiche positiveund nur wenige negative Äußerun-gen der Jugendlichen. Zu guten Er-fahrungen zählten : »dass es nicht soschlimm war, wie ich gedacht habe«,»dass viele alte Leute fit sind«, »dasses gut tut, anderen Menschen zu hel-fen«, »wie ich mit Behinderten umge-hen kann«, »ich habe viel über Alten-pflege erfahren«. Negative Erfahrun-gen waren etwa : »jemandem helfenwollen, aber man kann es nicht«,»dass zwei Alkoholkranke einenRückfall hatten«, »dass einige alteLeute mental krank sind«, »in derZeit sind zwei Menschen gestorben«,»dass ich nicht so gut mit Ton um -gehen kann«.

Die Chance, etwas ganz Neueskennen zu lernen, wurde wahrge-nommen und verbalisiert : »ich habegelernt, mich sozial zu verhalten«,»dass ich nicht so negativ an neueSachen rangehen sollte«, »dass ichauch in schwierigen Zeiten keineMenschen ignoriere und Respektzeige«, » Ich habe gelernt, dass be-einträchtigte Menschen auch Men-schen sind und abgesehen von ihrerBeeinträchtigung genauso sind wiewir«, »dass die Menschen doch nochso glücklich sind – trotz ihres tristenLebens«.

Selbstverständlich war es für unsals Unterrichtende wichtig zu erfah-ren, ob die Jugendlichen das diakoni-sche Praktikum als eine sich loh-nende Erfahrung sehen und eventuell

Rückschau auf das Praktikum

In der Rückschau auf drei Schul-jahre, in denen bisher das Praktikumabsolviert worden ist, hat sich erge-ben, dass der Erfolg des Projektesvon fünf Faktoren abhängig war :

– vom Selbstbild der Jugendlichenund der sozialen Perspektive inihrem Umfeld,

– vom Grad ihrer sozialen Integrationin Vereine, Jugendgruppen, kirch -liche Gruppen,

– von der Einschätzung des Projek-tes durch die Eltern, die Familie(insbesondere bei den muslimi-schen Schülern),

– vom Einbeziehen geschlechtsspezi-fischer Sozialisationserfahrungen –so wird auch von Jungen Bezie-hungspflege und Fürsorge erwartet,

– vom Religionsunterricht und denunterrichtenden Lehrkräften, bzw.kirchlichen Mitarbeitern.

Die Akzeptanz des einwöchigenPraktikums hängt sicher auch damitzusammen, dass das Engagementder Jugendlichen zeitlich begrenztund damit überschaubar ist und dasssich dadurch nicht zwangsläufig wei-tere Verpflichtungen ergeben – auchwenn sich einige Schüler/-innen nocheine zweite Praktikumswoche ge-wünscht haben.

In ihren Rückmeldungen wurdedeutlich, dass sie wohl selbst nichtauf die Idee gekommen wären, derleiErfahrungen machen zu wollen, abersie haben sich auch nicht verweigert.

Am Ende zeigten sie eine Haltungder begründeten Zustimmung »einegute und wichtige Erfahrung« ge-macht zu haben. Die Bereitschaftzum freiwilligen sozialen Engage-ment ist durchaus gestiegen ( z. B.FS J ).

eine andere Perspektive im Hinblickauf ihre berufliche Zukunft erworbenhaben, auch hierzu einige schriftlicheÄußerungen : »Ich konnte neue Er-fahrungen sammeln«, »ich hatte vor-her Vorurteile«, »mir wurde mal be-wusst, wie schlecht es vielen Men-schen geht«, »meine Befürchtungen,von den beeinträchtigten Menschenabgelehnt zu werden, haben sichnicht bestätigt«, »ich habe einen al-ternativen Beruf gefunden«, »ichhabe jetzt einen Vergleich mit demBeruf Koch«, »ich habe gelernt, aufbestimmte Menschen mehr zu ach-ten«, aber auch : »ich traue mir nichtzu, täglich mit kranken Menschen zuarbeiten«, »weil ich nicht gut sehenkann, wie die Menschen leiden«.

Im Hinblick auf die bisher gemach-ten Erfahrungen mit dem Religions-unterricht in »anderer« Form lässtsich feststellen, dass die Schüler/-innen motiviert, interessiert undoffen den Inhalten und Anforderun-gen begegnen und die Chance wahr-nehmen, ihre erworbenen Kompeten-zen zu zeigen und neue zu erwerben.Das eröffnet auch, aus meiner Sicht,neue Zukunftsperspektiven für denReligionsunterricht überhaupt.

Annegret von Dahl ist Studienleiterin am Religionspädago -gischen Institut, Regionalstelle [email protected]

Schönberger Hefte 2/12 17Fachdidaktische Impulse