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Deutsches Volksliedarchiv Das französische Chanson im späten Ancien Régime. Strukturen, Verbreitungswege und gesellschaftliche Praxis einer populären Literaturform by Annette Keilhauer Review by: Ulla Karen Duwe Lied und populäre Kultur / Song and Popular Culture, 45. Jahrg. (2000), pp. 251-252 Published by: Deutsches Volksliedarchiv Stable URL: http://www.jstor.org/stable/849614 . Accessed: 18/06/2014 00:33 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Deutsches Volksliedarchiv is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Lied und populäre Kultur / Song and Popular Culture. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.44.79.85 on Wed, 18 Jun 2014 00:33:59 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Das französische Chanson im späten Ancien Régime. Strukturen, Verbreitungswege und gesellschaftliche Praxis einer populären Literaturformby Annette Keilhauer

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Das französische Chanson im späten Ancien Régime. Strukturen, Verbreitungswege undgesellschaftliche Praxis einer populären Literaturform by Annette KeilhauerReview by: Ulla Karen DuweLied und populäre Kultur / Song and Popular Culture, 45. Jahrg. (2000), pp. 251-252Published by: Deutsches VolksliedarchivStable URL: http://www.jstor.org/stable/849614 .

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Rezensionen

Keilhauer, Annette: Das franoisische Chanson im spdten Ancien Regime. Strukturen, Verbreitungswege und gesellschaftliche Praxis einerpopularen Literaturform. Hildesheim u.a.: Olms, 1997 (Musikwissenschaftliche Publikationen 10). 448 S., mus. Not., Abb., graf. Darst., Tab. ISBN 3-487-10726-0.

In ihrer 1997 vorgelegten Dissertation macht es sich Annette Keilhauer zur Aufgabe, die Praxis des franzosischen Chansons im 18. Jahrhundert als oTeil der All- wie Feier-

tagskultur der Franzosen des Ancien Regime<( (S. 9) naher zu erforschen. Eine ver- dienstvolle Unternehmung, da das in den Pariser Archiven diesbezuglich reichhaltig vorhandene Quellenmaterial groBenteils noch nicht ausgewertet wurde.

Die Autorin eroffnet in ihrer interdisziplinaren Vorgehensweise einen neuen Zu-

gang zu einem Phanomen, das durch herkommliche, text- und autorenfixierte litera- turwissenschaftliche Ansatze nur unzureichend erfasst wird, da es auBer durch den Text auch durch die Interaktion von Text und Melodie, dutch den >Kontext der Ver-

offentlichung< sowie durch die ?praktische Ausfuhrung< (S. 10) bestimmt wird. Dieser

Komplexitat der Chansonpraxis entspricht bei Keilhauer ein Analyseverfahren, das bemiiht ist, >)Produktion, Verbreitung und Rezeption [der Chansons] zusammenzu- denken< (S. 10). Dabei erganzen sich literaturwissenschaftliche Methoden (Textanaly- se), musikwissenschaftliche Analyseansatze (Betrachtung der Melodie) und die fur eine

)Einschatzung der Rahmenbedingungen der Quellentypen< notwendigen Uberlegun- gen zur Mentalitats- und Buchgeschichte (S. 12).

Nach grundlegenden systematischen Uberlegungen behandelt die Autorin die Va- riationsbreite des Phanomens )Chanson< und dessen spezifische Zirkulationsweisen in der Zeit zwischen 1750 und der Franzosischen Revolution. Durch die Untersuchung und systematische Darstellung unterschiedlichster Quellenkorpora wird die Vielfalt und Heterogenitat der zeitgenossischen Quellentypen deutlich zum Ausdruck ge- bracht. Bei ihrer Untersuchung geht Keilhauer jeweils von den spezifischen Rahmen-

bedingungen der Verbreitung aus, um danach durch deskriptive und statistische Be-

trachtungsweisen die strukturellen, thematischen und musikalischen Besonderheiten der verschiedenen Chansonrepertoires herauszuarbeiten. Folgende Quellentypen wer- den dabei berucksichtigt: verschiedene Arten gedruckter Chansonsammlungen (der eher gebrauchsorientierte, zwischen 1760 und 1762 erschienene Chansonnierfranfois, die aus erwachendem historischem Bewusstsein heraus entstandene, 1765 von Jean Mon- net herausgegebene Anthologiefranfoise ou chansons choisies depuis le 13e sieclejusqu'd prisent sowie die illustrierte Chansonsammlung Choix de Chansons von Benjamin Laborde aus dem Jahre 1773), ein Korpus aus Chanson-Broschuren der Kolportage-Literatur (es handelt sich dabei um Bestande der Sammlung Patrice Coirault und Jean Baptiste We-

Knigge-Tesche und Axel Ulrich. Frankfurt a.M. 1996, S. 392-403; Fackler, Guido: Musik im Widerstreit von Generationen und Kulturen. Zur Jazg-Reception in der Weimarer Republik und im >Dritten Reich(. In: Geschichte als Musik. Hg. von Otto Borst. Tii- bingen 1999 (Stuttgarter Symposium 7), S. 209-250. Zur Propagandajazzband ?>Charlie and his Orchestra<( siehe dariber hinaus Bergmeier, Horst J.P./Lotz, Rai- ner E.: Hitler's Airwaves: The Inside Story of Nazi Radio Broadcasting and Propaganda Swing. New Haven/London 1997 (mit CD).

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Rezensionen

ckerlin aus den Jahren 1750 bis 1785), zwei handschriftliche Liedersammlungen unter- schiedlicher Pragung (das Portefeuille de Mr I'abbe de Bassville du Musee de Paris von 1778 sowie das als personliches Familienliederbuch konzipierte Manuskript Jacques Francois Hayez aus den Jahren 1772 bis 1786) und schlieBlich das handschriftliche Tagebuch Mes loisirs, ou Journal d'Evinements, tels qu'ils parviennent d ma connoissance von Simeon

Prosper Hardy, das die Jahre 1763 bis 1789 abdeckt und zahlreiche aktualitatsbezoge- ne Lieder enthalt.

Ging es zunachst darum, die Vielgestaltigkeit des >Chansons( zu verdeutlichen sowie die unterschiedliche Auspragung der einzelnen Repertoires aufzuzeigen, so zielt der folgende Teil der Arbeit darauf ab, >>die Durchlassigkeit und Flexibilitat der Gat-

tung [...] ins Zentrum zu rucken< (S. 11). Keilhauer gelingt dies, indem sie sich auf einen wesentlichen Faktor der Chansonzirkulation, die Melodie, konzentriert. Eine zentrale Rolle in der Chansonkultur des 18. Jahrhunderts spielt gerade die Timbrepra- xis, d.h. die wiederholte Neutextierung bereits bekannter Melodien sowie deren Auf- tauchen in v6llig unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Die Autorin untersucht deshalb anhand zweier ausgewahlter Fallbeispiele diese >Wanderung<( von Melodien und gewinnt so neue Einsichten in das Funktionieren der Parodie- und somit der

Chansonpraxis des 18. Jahrhunderts. Dabei ist es fur das Verstandnis der Parodietradi- tion besonders aufschlussreich, dass - insbesondere beim Air de Joconde - Parodien aus alien gesellschaftlichen Schichten beriicksichtigt werden. Die zwei gewahlten Beispiele decken im Ubrigen unterschiedlichste Aspekte des Phanomens ab: Handelt es sich bei dem Air de Joconde um eine alte, einfach strukturierte Melodie, die durch das gesamte 18. Jahrhundert hindurch als Timbre sehr verbreitet war, so entstammt das Air des Det- tes einer kurz vor der Revolution komponierten >opera comique(< und erfreute sich v.a. wahrend der Revolutionszeit groBer Beliebtheit. Auf die vielen auBerst interessanten Detailerkenntnisse dieser Untersuchung kann hier leider nicht eingegangen werden.

Insgesamt zeigt sich, dass fur ?>die Chansonkultur des 18. Jahrhunderts [...] das Tim- bre in mehrfacher Hinsicht eine konstante GroBe [ist]: Strukturelle, mentale und sozia- le Konstanten bestimmen seine gesellschaftliche Bedeutung<( (S. 336).

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Buch nicht nur inhaltlich viel Neues und Interessantes bringt, sondern auch benutzerfreundlich gestaltet ist. Klare

Gliederung, gute Lesbarkeit und uiber weite Strecken wahre Unterhaltsamkeit beweisen einmal mehr, dass wissenschaftlich Gehaltvolles nicht notwendigerweise trocken und schwer verstandlich sein muss. Der interdisziplinare Ansatz der Arbeit erweist sich im Hinblick auf den gewahlten Gegenstand als auBerst fruchtbar, kleine Abstriche in Form einiger Ungereimtheiten bei den Tonartenanalysen werden dabei gerne in Kauf

genommen und fallen fiir die Gesamtbewertung nicht welter ins Gewicht. Ulla Karen Duwe, Saarbircken

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