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Horst Friedrich Mayer spürt neue Kurzschlüsse und falsche Wahrheiten auf und legt – wissenschaftlich belegt und statistisch untermauert – dar, was richtig ist: Dieses unterhaltsame Lexi- kon ist nicht nur ein unentbehrliches Nachschlagewerk für Wissbegierige und Wahrheitsliebende, sondern lie- fert auch die Argumente für spannen- de Diskussionen. Info: Gebundene Ausgabe - Deuticke, Franz, Verlagsgesellschaft mbH Erscheinungsdatum: Oktober 2002 ISBN: 3216306526 Scan & Layout: KoopaOne Korrekturen: Joie de Vivre Version: 1.0, Mai 2003

[E-Book]_Horst Friedrich Mayer - Neues Lexikon Der Populären Irrtümer

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Horst Friedrich Mayer spürt neue Kurzschlüsse und falsche Wahrheiten auf und legt – wissenschaftlich belegt und statistisch untermauert – dar, was richtig ist: Dieses unterhaltsame Lexi-kon ist nicht nur ein unentbehrliches Nachschlagewerk für Wissbegierige und Wahrheitsliebende, sondern lie-fert auch die Argumente für spannen-de Diskussionen.

Info:

Gebundene Ausgabe - Deuticke, Franz,

Verlagsgesellschaft mbH Erscheinungsdatum: Oktober 2002

ISBN: 3216306526

Scan & Layout:

KoopaOne

Korrekturen:

Joie de Vivre

Version:

1.0, Mai 2003

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Horst Friedrich Mayer

Das neue Lexikon der populären Irrtümer Österreichs

Weitere Missverständnisse, Vorurteile und Denkfehler

Der zweite Band

Deuticke

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Vorwort „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern

sein.“ Was könnte besser in die erste Zeile einer neuen Sammlung von in Österreich populären Irrtümern passen als dieser Satz Marie von Ebner-Eschenbachs?

Zu unserer großen Freude ist der erste Band der Populären Irrtümer Österreichs vom Lesepublikum und von den Rezensenten äußerst positiv aufgenommen worden, wenngleich das eine oder andere Stichwort da und dort zunächst ungläubiges Kopfschütteln auslöste.

So wollten manche Leserinnen und Leser nicht glauben, dass Leopold Figl zu Weihnachten 1945 keineswegs jene berühmte Rundfunkrede gehalten hatte, die in den Appell mündete: „Glaubt an dieses Österreich!“ Seit Erscheinen unseres Buches sind eineinhalb Jahre vergangen und inzwischen haben zahlreiche Medien über den Irrtum rund um Figls Weihnachtsrede berichtet, z.B. die Neuen Kronen Zeitung am 1. Mai 2001 und das Profil am 3. Juni 2002. Trotzdem sind keine brauchbaren Hinweise auf die Existenz einer Rede dieses Inhalts aufgetaucht. Mit anderen Worten: Unsere Recherchen „haben gehalten“ – wie man in der Sprache des Journalismus sagt.

Die Legende von Figls Weihnachtsansprache hat eindeutig erst Anfang der 1960er Jahre Gestalt angenommen und sich anschließend in unseren Köpfen verfestigt, als es plötzlich eine Tonaufzeichnung mit Figls Stimme gab – wie wir im ersten Band unter dem Stichwort „Figl“ (S. 62-64) gezeigt haben. „Eine Illusion verlieren heißt, um eine Wahrheit reicher werden“, sagt Arthur Schnitzler. Doch dauert es lange, bis die Wahrheit zum Allgemeingut wird. Eine Zeitlang taucht die lieb gewonnene Illusion immer wieder auf (in diesem Fall beispielsweise in der Neuen Kronenzeitung vom 27. Mai 2002 in einem Beitrag mit dem Titel „Glaubt an dieses Österreich!“).

Im Übrigen ist es kein Wunder, dass der Name Leopold Figl immer wieder im Zusammenhang mit Mythen und Irrtümern auftaucht (siehe das Stichwort „Staatsvertrag 2“ in diesem Band). Figl war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der erste Bundeskanzler des wiedererstandenen Österreich und hat am 15. Mai 1955 als Außenminister den Staatsvertrag unterzeichnet. Historische Großereignisse sind ein idealer Nährboden für Mythenbildungen – das gilt für die Befreiung von der Naziherrschaft genauso wie für das Ende der Besatzungszeit. Die Besatzungszeit ist übrigens nicht am 15. Mai, sondern erst am 27. Juli mit der letzten Sitzung des Alliierten Rates zu Ende gegangen (siehe das Stichwort „Staatsvertrag 3“).

Aber auch andere Irrtümer können recht langlebig sein: Dass Fred

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Astaire bzw. sein Vater aus Eisenstadt stammen (siehe „Hollywoodstars l“), dass der erste Entwurf für Schloss Schönbrunn aus Kostengründen verworfen wurde (siehe „Schönbrunn l“) oder dass der „Fenstergucker“ auf der Kanzel des Stephansdoms ein Selbstbildnis Meister Pilgrams ist (siehe „Stephansdom“) – all das wird man vermutlich noch öfter hören und lesen.

Die Irrtümer, die Sie hier in alphabetischer Reihenfolge abgedruckt finden, sind von durchaus unterschiedlichem Gewicht. Die einen kann man wohl zu Recht mit einem Ausdruck der Jägersprache als „kapitale Böcke“ bezeichnen, die anderen hingegen als Petitesse. Wer geglaubt hat, dass „der Ball immer rund ist“, wird auch in Zukunft mit diesem Irrtum gut leben können, ja vielleicht sogar trotzdem ein exzellenter Fußballspieler sein. Wer hingegen überzeugt ist, dass man bei Reisen nach Deutschland oder Italien keinen Personalausweis oder Pass bei sich haben muss, oder wer meint, dass man Bushaltestellen und Busspuren nicht befahren darf, der wird unter Umständen eines Tages eines Besseren belehrt und auch finanziellen Schaden nehmen. Nicht weniger bedeutend sind die zahllosen Irrtümer aus dem Bereich der Ernährung – hier steht nicht mehr und nicht weniger als die eigene Gesundheit auf dem Spiel.

Immer wieder werden Sie auf einen Irrtum stoßen, bei dem Sie sagen: „Das habe ich doch gewusst!“ Wir können Ihnen in diesem Fall gratulieren – aber andere Leser werden es vielleicht nicht gewusst haben. Wobei es in der Natur der Sache liegt, dass Spezialisten auf ihrem eigenem Gebiet jeweils ausgezeichnet Bescheid wissen. Die meisten historisch Interessierten werden vermutlich wissen, dass der Begriff „Austrofaschismus“ nicht von den politischen Gegnern erfunden wurde, die meisten Weinkenner werden schon einmal davon gehört haben, dass „reinsortige Weine“ nicht hunderprozentig reinsortig sein müssen, und wer die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen aufmerksam und regelmässig liest, kennt natürlich die genaue Bedeutung des Begriffes „Nulldefizit“. Aber wer ist schon auf jedem Gebiet ein Experte?

Auch wir nicht. Deshalb haben wir einen Fachbeirat gebeten, uns bei der Suche nach Irrtümern zu begleiten. Folgenden Personen möchten wir für ihre Mitarbeit sehr herzlich danken: Dr. Peter Diem (Heraldik und Symbole), Dr. Ewald Walterskirchen (Wirtschaft), Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm (Ernährungswissenschaften), Univ.-Prof. Dr. Maria Hornung und Prof. Sigmar Grüner (Mundart), Mag. Martin Hoffer (Verkehr), Christoph Wagner und Klaus Egle (Ess- und Weinkultur).

Fast alle Stichwörter dieses Bandes sind neu (nur bei einigen wenigen Beiträgen handelt es sich um erweiterte Neufassungen) – das Reservoir

an Irrtümern, Missverständnissen und gern geglaubten Falschmeldungen scheint unerschöpflich zu sein.

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Neu ist auch das Stichwortverzeichnis am Ende des Buches. Vielleicht haben Sie den Spruch „Dank vom Haus Österreich“ Franz Grillparzer zugeschrieben? Wenn Sie nun nachschlagen wollen, hilft Ihnen ein Blick in dieses Verzeichnis, in dem Sie die relevanten Schlüsselwörter der Beiträge mit Seitenangaben finden – in diesem Fall unter „D“ (Dank vom Haus Österreich), unter „H“ (Haus Österreich), unter „Ö“ (Österreich) und unter „G“ (Franz Grillparzer).

Einige Leserinnen und Leser haben uns nach Erscheinen des ersten Bandes auf weitere populäre Irrtümer aufmerksam gemacht, von denen viele in das vorliegende Buch aufgenommen wurden. Für die Übersendung dieser Hinweise möchten wir uns auf diesem Wege sehr herzlich bedanken. Wenn auch Sie einen populären Irrtum kennen, der in keinem der beiden Bände aufscheint, so schreiben Sie bitte an den Verlag Deuticke, 1015 Wien, Hegelgasse 21 oder schicken Sie ein Mail an [email protected].

Viel Vergnügen bei der weiteren Suche nach Irrtümern und bei der Lektüre dieses Buches wünschen Ihnen

Dr. Horst Friedrich Mayer Dr. Robert Sedlaczek

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A

„Der teuerste Sport ist die Dummheit. Darum ist er auch der nobelste.“

Anton Wildgans

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Alkohol Alkohol ist grundsätzlich ungesund. Alkohol ist nicht grundsätzlich ungesund. Längst weiß man, dass Menschen, die Alkohol in geringen Maßen genießen, durchschnittlich gesünder sind und länger leben als Abstinenzler. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO ergab, dass die Lebenserwartung bei Männern, die täglich 20 bis 40 Gramm Alkohol zu sich nahmen – das entspricht zirka einem Viertel Wein oder einem halben Liter Bier -, am höchsten ist. Bei Frauen lagen die der Gesundheit förderlichen Mengen um die Hälfte niedriger. Forscher des Londoner University College zeigten am Beispiel tschechischer Biertrinker, dass ein Bier pro Tag das Infarktrisiko senkt. Mengen über einem Viertel Wein oder einem Bier pro Tag schädigen hingegen die Gesundheit. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000, S. 19-21; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin „, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Altar Der Altar ist eine christliche Erfindung. Die ersten Christen kannten keine besonderen Plätze in ihren Versammlungsorten, wie es die Altäre in modernen Kirchen sind. Die christlichen Gemeinden wurden sogar, weil sie keine Altäre hatten, von den anderen Religionen als Barbaren angegriffen. Der Altar als der besondere Platz, an dem man den Göttern opfert, existierte bereits lange vor Christus in fast allen Religionen dieser Erde. Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, 11. Auflage, München 2000, S. 24. APA Die Austria Presse Agentur ist eine amtliche Nachrichtenagentur. Diese selbst bei gut informierten Zeitgenossen noch immer verbreitete Meinung geht wohl auf die Vorgängeragenturen der APA zurück, die alle amtlichen Charakter hatten. Die Tradition der heimischen Nachrichtenagenturen reicht über 150 Jahre zurück, doch erst nach dem

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Zweiten Weltkrieg konnte eine Emanzipation vom staatlichen Einfluss erreicht werden. APA0290 2 CI 0044 26.Jul98 Unglück/Bergbau/Steiermark *** V O R R A N G Wunder von Lassing: Georg Hainzl lebt und ist ansprechbar 1= Lassing (APA) – Mit dem bei der Bergwerkskatastrophe in Lassing verschütteten Georg Hainzl haben Sonntag abend Helfer Kontakt aufgenommen. Ihren Angaben zufolge ist der Bergmann am Leben und ansprechbar. **** (Forts.) hai/za/at APA0290 1998-07-26/21:16 2621l6Jul98

Meldung der APA vom 26. Juli 1998 Schon die erste Agentur, die Österreichische Correspondenz, wurde im Jahr 1849 zwar als Privatunternehmen, zugleich aber als dezidiert gegenrevolutionäres Instrument und Sprachrohr für die Obrigkeit gegründet. Nur etwas mehr als zehn Jahre danach wurde das Unternehmen in staatliche Hände gelegt, das k. k. Telegraphen-Korrespondenz-Bureau übernahm die Agenden. 1922 wurde die Agentur in Amtliche Nachrichtenstelle (ANA) umbenannt und 1938 in eine Dependance des nationalsozialistischen Deutschen Nachrichten Büros (DNB) umgewandelt. Unmittelbar nach Kriegsende sorgte die ANA weiter für „amtliche Nachrichten“, ehe im Jahr 1946 die APA gegründet wurde. Dass mit der „APA – Austria Presse Agentur“ eine „entstaatlichte“ Nachrichtenagentur das Licht der Welt erblickte, kam somit einem Traditionsbruch gleich. Paten bei der Gründung waren zwei Weltagenturen, die amerikanische Associated Press (AP) und die britische Agentur Reuters. Die Privatisierung erfolgte nach dem Genossenschaftsprinzip. Zu den Genossenschaftern und Eigentümern zählen heute alle heimischen

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Tageszeitungen – mit Ausnahme der Kronen Zeitung – sowie der ORF. Die APA ist unabhängig von Staat, Regierung und Parteien und hat sich in einem Statut verpflichtet, „jegliche Einseitigkeit und Parteinahme“ zu vermeiden. Literatur: Edith Dörfler und Wolfgang Pensold: „Die Macht der Nachricht. Die Geschichte der Nachrichtenagenturen in Österreich“, Molden, Wien 2001; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Wolfgang Mayr, Wien. Aquaplaning Breitere Reifen schützen vor Aquaplaning. Das Gegenteil ist wahr: Je breiter die Reifen, desto größer die Gefahr, dass das Auto „aufschwimmt“ und unlenkbar wird. Am besten wären Reifen, die so schmal sind wie jene von Fahrrädern – dann wäre die Gefahr eines Aquaplanings so gut wie gebannt. Reifenhersteller haben deshalb besondere Profile für Autoreifen entwickelt, die den Effekt des Aquaplanings deutlich reduzieren. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Mag. Andreas Reisinger, der selbst LKW-Fahrer ist und als Sozialwissenschaftler eine Diplomarbeit mit dem Titel „Unterm Rad. Arbeitsbedingungen im internationalen Straßengüterverkehr, untersucht anhand einer teilnehmenden Beobachtung“ verfasst hat (Linz, Mai 2000). Arabische Ziffern Die arabischen Ziffern stammen von den Arabern. Die arabischen Ziffern 1, 2, 3, 4, etc. sind keine Erfindung der Araber – ursprünglich stammen sie aus Indien. Von dort kamen sie dann über Nordafrika und Spanien mit den Arabern nach Europa. Der eigentliche Vorteil der „arabischen“ Zahlen verglichen mit den römischen besteht darin, dass sie eine Null kennen, und dass die Symbole je nach Standort etwas anderes bedeuten können: Die Ziffer 5 in der Zahl 15 steht für 5, die selbe Ziffer in der Zahl 56 jedoch für 50. Das römische Zahlensystem war nicht nur schwierig zu handhaben – durch das Fehlen der Null waren kompliziertere Rechenoperationen gar nicht möglich. Die Erfindung der Null durch die Inder kann in ihrer Bedeutung durchaus mit der Erfindung des Rades verglichen werden.

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Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, 11. Auflage, München 2000, S. 28. Arche Noahs Arche landete auf dem Berg Ararat. Die biblische Erzählung ist uns allen wohlvertraut – die Arche Noah setzte nach ihrer Fahrt über die von der Sintflut heimgesuchte Erde auf dem „Gebirge Ararat“ auf. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das in der Bibel genannte „Gebirge Ararat“ nicht ident mit dem heute als „Ararat“ bezeichneten Berg in Armenien ist. Dieser höchsten Spitze des armenischen Berglandes haben Europäer erst lange nach der Entstehung der Bibel den Namen „Ararat“ gegeben. In der Bibel selbst finden sich keine weiteren Angaben zum genauen Standort des fraglichen Berges: „Am siebzehnten Tage des siebten Monats setzte die Arche im Gebirge Ararat auf, so steht es in der Genesis. Wo denn aber genau dieses Gebirge gelegen ist, darüber ist nichts zu erfahren. So verwundert es nicht, dass andere Religionen, deren Überlieferungen ebenfalls von einer Sintflut und einer Arche sprechen, deren Landeplatz anderweitig verorten. Die Muslime z. B. suchen diesen Berg in Saudi-Arabien. Das Motiv der Sintflut ist weitverbreitet; die biblischen Berichte über eine gigantische Flut basieren auf wesentlich älteren Sagen aus dem Gebiet um Euphrat und Tigris. Assyrer, Babylonier und Hethiter hatten Sintfluttexte und die berühmteste Fassung findet sich im Gilgameschepos der Sumerer. Auch indianische Legenden ähnlichen Inhalts sind bekannt. Bei Stämmen im Süden der Vereinigten Staaten, in Kalifornien und in Alaska wird von einer großen Flut berichtet, die das ganze Land überschwemmte. Auf Hawaii wiederum wird die Geschichte zweier Menschen erzählt, die auf der Spitze des Mouna-Kea überlebten, während die Insel unter Wasser stand. Artenschutz Die Dronte war ein außerordentlich hässlicher Vogel. Die Dronte, im Englischen „Dodo“ genannt, war ein flugunfähiger Vogel, der 1598 von niederländischen Seefahrern auf der Insel Mauritius entdeckt wurde. „Da die Insel nicht von Menschen bewohnt war, fürchteten sich die

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Vögel nicht vor uns und saßen still, so dass wir sie ohne Mühe totschlagen konnten“, heißt es in einem Bericht der Entdecker über die Flora und Fauna der Insel. „Wenn wir einen am Bein gefasst hatten, so schrie er, so dass die anderen zur Hilfe heraneilten und ebenfalls ergriffen werden konnten“, schrieb ein anderer Inselbesucher im Jahre 1669. Ein Teil der erlegten Vögel wurde sofort verspeist, ein anderer mit Pökelsalz für längere Schiffsfahrten haltbar gemacht. Schließlich setzten die Europäer auch noch Schweine und Makaken auf der Insel aus, die die Nester der Dronten plünderten, wodurch die Population weiter dezimiert wurde. Schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war der Vogel zur Gänze ausgerottet: Kein einziges Federpräparat blieb erhalten, heute existieren weltweit nur wenige Knochenfragmente. Es war vielleicht das erste Mal, dass Europäer in Realzeit beobachten konnten, wie ein Lebewesen ausstarb. Der Dodo lehrte sie: „Ausgestorben heißt für immer!“ Wohl deshalb ist er zu einer Symbolfigur für den Artenschutz geworden. Dass ihm Lewis Carrol in Alice im Wunderland auch ein literarisches Denkmal gesetzt hat, trug zusätzlich zu seiner Popularität bei. Einige wenige Überreste des Vogels im Naturhistorischen Museum in London dürften Carroll zu seinem „Mr. Dodo“ inspiriert haben. Meist wird die Dronte als plumper, hässlicher Vogel beschrieben, ein Irrtum, der erst vor kurzem aufgeklärt worden ist. Der Schweizer Vincent Ziswiler wies 1996 in einem Katalog zu einer Ausstellung im Zoologischen Museum der Universität Zürich nach, dass nahezu allen vorhandenen Darstellungen des Vogels eine Abbildung aus dem Jahr 1626 zugrunde liegt -und die zeigt keine gesunde erwachsene Dronte, sondern ein durch Fehlernährung und Käfighaltung verfettetes und deformiertes Jungtier.

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Durch Fehlernährung und Käfighaltung deformierte Dronte Der niederländische Wissenschaftler Jan Hakhof hat 1994 die Knochenreste und Bilddokumente des Vogels analysiert und so das tatsächliche Aussehen einer Dronte rekonstruiert. Herausgekommen ist das Modell eines eleganten, kompakten Laufvogels. Er war freilich recht groß, wurde rund einen Meter hoch und an die 15 Kilo schwer, doch plump und hässlich war er nicht.

Rekonstruktion einer gesunden Dronte, Jan Hakhof, 1994

Lediglich die ursprünglich angestellte Vermutung, dass es sich um eine Taubenart gehandelt hat, konnte inzwischen bestätigt werden. Wissenschaftler der Universität Oxford und des Londoner Naturhistorischen Museums haben das genetische Material der Dodo-Überreste analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass die nächsten Verwandten der Dronten die Mähnentauben Südostasiens, die Krontauben Neuguineas und die Zahntauben auf Samoa waren. Seine Flugfähigkeit hat der Dodo wohl deshalb eingebüßt, weil auf einer Insel jene Vögel, die die meiste Körpermasse bilden, bei der Paarung und im Kampf um ein Territorium Vorteile haben. „Brustmuskeln fürs Fliegen kosten viel Energie; ein Vogel kann auf diese Muskeln verzichten und stattdessen größer werden – das bringt ihm auf einer Insel rasch Vorteile“, erklärte Alan Cooper, einer der leitenden Wissenschaftler des britischen Dodo-Forschungsprojekts im Interview mit der Herald Tribüne. Literatur: Andrea Dee: „Dodo, der sanfte Riese aus Mauritius“, in: „Der Standard“, vom 18.119.120. Mai 2002; David Quammen: „Der Gesang des Dodo“, Ulktein Taschenbuch Verlag, Berlin 2001.

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Austrofaschismus Der Begriff“ „Austrofaschismus“ wurde von den politischen Gegnern geprägt. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung wurde der Begriff .Austrofaschismus“ nicht von den politischen Gegnern aus dem linken Lager, also den Sozialdemokraten und den Kommunisten, geprägt, sondern von den Heimwehren, den bewaffneten Organisationen am rechten Rand des politischen Spektrums. Schon bei der Heimwehrkundgebung in Korneuburg am 18. Mai 1930, die unter dem Schlagwort „Korneuburger Eid“ in die Geschichtsschreibung eingegangen ist, sagte Bundesführer Dr. Richard Steidle: „…oder wollen Sie sich, um ein Schlagwort zu gebrauchen, für das faszistische System erklären?“ (Reichspost vom 19. Mai 1930 und Die Heimat vom 21. Mai 1930) Die Wortschöpfung selbst beanspruchte später ein anderer Bundesführer des Heimatschutzes für sich. Am 27. Februar 1934 sagte Ernst Rüdiger Starhemberg bei einer Pressekonferenz: „Bewusst habe ich den Ausdruck Austrofaszismus geprägt. Wir wissen, dass nicht nur in Österreich, sondern in der ganzen Welt die demokratischen Formen untergehen werden…“ (Reichspost und Neue Freie Presse vom 28. Februar 1934)

Starhembergs Rede im Wortlaut; „Neue Freie Presse“ vom 28. Februar

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1934 Es fällt auf, dass ursprünglich das Wort „Austrofaschismus“ mit „sz“ geschrieben wurde. Man wollte damit die Anlehnung an Mussolini zum Ausdruck bringen, waren doch die fasces (= Rutenbündel) Namensgeber und Symbol des italienischen Faschismus. Später haben die in die Illegalität gedrängten Sozialdemokraten und Kommunisten, aber auch die Nationalsozialisten, den Begriff „Austrofaszismus“ übernommen und fortan mit „sch“ geschrieben. Sie bezeichneten mit diesem Begriff nicht nur die Heimwehren, sondern ganz pauschal das System der „Regierungsdiktatur“ von 1934 bis 1938, das auch oft Ständestaat genannt wird (siehe dazu das Stichwort „Ständestaat“ im ersten Band des Lexikons der populären Irrtümer Österreichs). Die von Engelbert Dollfuß am l. Mai 1934 verkündete „ständische“ Verfassung führte zwar zu einem autoritären Staat, allerdings mit nur teilweise faschistischen Zügen. Das Wort „Austrofaschismus“ für diese Zeit zu verwenden, ist daher nicht passend, weil es eine Gleichstellung mit dem Nationalsozialismus suggeriert. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Hermann Lifka, Wien. Auto-Abgase Diesel sind viel umweltfreundlicher und sauberer als Benziner. Seit Einführung von Katalysatoren für Benzin-Autos stimmt das so nicht mehr. „Man sieht, dass die Imagekampagnen der Dieselfahrzeughersteller wirken, sonst würde nicht eine überwiegende Zahl der Österreicher Dieselautos kaufen und auch noch glauben, sie wären umweltfreundlicher oder gar sauberer“, schrieb die Tageszeitung Der Standard in Beantwortung einer Leseranfrage. Dieselautos können schon deshalb nicht als sauber bezeichnet werden, weil sie Rußpartikel ausstoßen, die gesundheitsschädlich sind. Außerdem erfüllen alle neuen Benziner die nächste verschärfte Abgasnorm „Euro IV“, die 2005 in Kraft tritt. Das schafft von den Dieselfahrzeugen nur der Drei-liter-Lupo von VW. Allerdings sind die Grenzwerte für Diesel und Benziner unterschiedlich. Nach der Euro-IV-Regel darf ein Diesel nur halb so viel Kohlenmonoxid ausstoßen wie ein Benziner, weil dies beim Diesel konstruktionsbedingt leichter zu verwirklichen ist. Bei den umweltschädlichen Stickoxiden darf

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er hingegen dreimal so viel ausstoßen wie der Benziner. Der Standard kommt daher zu folgendem Schluss: „So einfach ist die Frage nach der Umweltfreundlichkeit also nicht zu beantworten. Es gilt aber, dass die Luftqualität im Wiener Verkehr mit Einfuhrung des Katalysators deutlich besser geworden ist, während sie durch die Vermehrung der Dieselautos, vorwiegend durch den Ruß, wieder signifikant schlechter geworden ist.“ Literatur: Rudolf Skarics: „Sind Diesel sauberer?“, in: „Der Standard“ vom 3. Mai 2002.

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B

„Alles kommt auf die Perspektive an.“

Thomas Bernhard

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Ball l Das Leder ist rund. In Wahrheit ist der Ball nur so lange rund, wie er nicht zum Fußballspielen verwendet wird. Wird der Ball mit dem Fuß getreten, so verformt er sich auf dramatische Weise, wie Fotos und Zeitlupenaufnahmen beweisen. Diese Energie wird dann, unter Rückwandlung in die Kugelform, als Bewegungsenergie umgesetzt. Aus dieser Elastizität der gasgefüllten Hülle bezieht der Fußball seine Dynamik. „Fußball funktioniert also nur, wenn der Ball eben nicht immer rund ist“, schreibt Christian Eichler in seinem Lexikon der Fußballmythen. Peter Handke drückt dasselbe poetisch aus: „Der Fußball hat eine Seele. Er kann für eine Zeit der Schwerkraft der Erde widerstehen […] Wie alles, was rund ist, ist auch der Fußball ein Sinnbild für das Ungewisse, für das Glück und die Zukunft. Und da die Ungewissheit zum Begriff des Spiels gehört, ist der Fußball, wie alles, was rund ist, zum Spiel geschaffen […] Das Rundsein ist sozusagen die Idealvoraussetzung für die Bewegung auf der Erde.“ Literatur: Christian Eichler: „Das Lexikon der Fußballmythen“, Piper Taschenbuchverlag, München 2002, S. 423. Ball 2 „Der Ball hat eine Fett’n“ sagt man deshalb, weil Lederbälle früher mit Fett eingerieben wurden. Das klingt plausibel, ist aber trotzdem falsch. Zu einem mit Seitwärtsdrall fliegenden Ball sagt man aus einem ganz anderen Grund „Der Ball hat eine Fett’n“: Das Wort „Fett’n“ ist in diesem Fall eine Verballhornung des französischen Ausdrucks effet. Dass ein Fußball mit Drall fliegt, heißt physikalisch Magnus-Effekt. Nur ein Ball, der exakt in der Mitte getroffen wird, kann ohne Drall fliegen. Rechts von der Mitte getroffen, ergibt sich ein Links-Effet: Der Ball erhält eine Linksrotation um seine Mittelachse, dreht sich auf der rechten Seite schneller, wird dadurch dort schneller angeströmt, es entsteht ein höherer Luftwiderstand auf der rechten Seite – deshalb wird der Ball nach links abgelenkt. Das gleiche gilt umgekehrt: links getroffen, Rechts-Effet. Lederbälle sind übrigens seit den 1960er Jahren out. Heute besteht ein Fußball aus Polyurethan auf Polyäthylenschaum-Basis, ist zusammengenäht, „allwetter-beschichtet“ und mit einem Luftdruck von 0,7 bar gefüllt. Der Ausdruck effet seinerseits spielt nicht nur im Fußball eine Rolle,

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sondern auch beim Billardspiel – und das schon seit Zeiten, als noch gar nicht Fußball gespielt wurde. Literatur: Christian Eichler: „Das Lexikon der Fußballmythen“, Piper Taschenbuchverlag, München 2002, S. 171, S. 177. Beamte Beamte müssen nichts für ihre Altersversorgung zahlen. Angeblich ist die Pension für Beamte ja kostenlos – die Realität schaut aber ganz anders aus: Im Vergleich zu ASVG-Versicherten, die einen 10,25-prozentigen Pensionsbeitrag mit einer Höchstbeitragsgrenze bezahlen, müssen Beamte 12,55 Prozent ohne Höchstbeitragsgrenze an Pensionsbeiträgen entrichten. Für Beamte, die das sechzigste Lebensjahr nach dem 30. November 2019 beenden, verringert sich die Beitragshöhe auf 11,05 Prozent ihres Bruttobezuges. Als Besonderheit im Vergleich zu Pensionsbezieherinnen und -beziehern anderer Berufsgruppen kommt für Beamte hinzu, dass sie als Ruhestandsbeamte einen Pensionsbeitrag von 2,1 bis 2,3 Prozent (je nach Zeitpunkt des Pensionsantritts) bezahlen müssen. Für Informationen zu diesem Irrtum danken wir Hermann Feiner, Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Wien. Belvedere Der Name von Schloss Belvedere wird französisch ausgesprochen. Manchmal kann es recht schwierig sein, die Namen von Schlössern richtig auszusprechen. Im ersten Band des Lexikons der populären Irrtümer Österreichs beschäftigten wir uns mit Schloss Porcia in Kärnten. Auch die Wienerinnen und Wiener haben ein derartiges Problem – mit dem berühmten Barock-Schloss Belvedere. Wird dieser Name französisch ausgesprochen, nämlich belvédère, also ohne „e“ am Schluss? So nennen viele den ehemaligen Sommersitz des Prinzen Eugen, denn der stammte ja aus Frankreich, war ein Prinz von Savoyen! Trotzdem ist „Belvedere“ eine italienische Wortschöpfung aus bello (= schön) und vedere (= sehen), wird also belvedere ausgesprochen, mit „e“ am Schluss, wobei die vorletzte Silbe betont wird. Das Wort bedeutet soviel

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wie „schöner Ausblick“ oder Aussichtspunkt“. Die Bezeichnung „Belvedere“ stammt übrigens nicht von Prinz Eugen. Zu seinen Lebzeiten sprach man vom „Garten des Prinzen Eugen“. Später kaufte Maria Theresia von Prinz Eugens Erbin nicht nur dieses Schloss, sondern auch das Winterpalais (heutiges Bundesministerium für Finanzen) und die Marchfeldschlösser. Unter Maria Theresia wird erstmals der italienische Name „Belvedere“ verwendet. Die irrtümliche französische Aussprache ohne „e“ am Schluss ist eine Kreation der Wienerinnen und Wiener, weil Französisch lange Zeit als besonders elegant und modern galt. Doch hätte Maria Theresia einen französischen Namen wählen wollen, so wäre es naheliegend gewesen, das Schloss „Bellevue“ zu nennen – so heißt „schöner Ausblick“ auf Französisch. Das berühmte Barockensemble, bestehend aus Unterem und Oberem Belvedere, wurde in den Jahren 1714 bis 1723 von Lukas von Hildebrandt erbaut. Der dazwischenliegende Park ist ein Anziehungspunkt für Einheimische ebenso wie für Touristen. Bekannt ist das Obere Belvedere auch als jener Ort, an dem 1955 der Staatsvertrag unterzeichnet wurde. (Siehe die Stichwörter „Staatsvertrag l, 2, 3 und 4“.) Für Informationen zu diesem Irrtum danken wir DDr. Gottfried Mraz, Wien. Besitz Besitz ist gleich Eigentum. Schon die römischen Juristen haben den Besitz (possessio) vom Eigentum (dominium, proprietas) ganz klar getrennt. Sie definierten Besitz als Herrschaft über eine Sache, Eigentum hingegen als vollständiges Recht an einer Sache und sagten: Nihil commune habet proprietas cum possessione (Eigentum hat mit dem Besitz nichts gemeinsam). Unsere Rechtsnormen enthalten ähnliche Bestimmungen. In § 354 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) heißt es: „Als ein Recht betrachtet, ist Eigentum das Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen.“ Der Besitz hingegen ist ganz anders definiert, man denke beispielsweise an eine Besitzstörungsklage. Diese droht Ihnen beispielsweise, wenn Sie Ihr Auto auf einem Privatgrundstück abstellen. Eine solche Besitzstörungsklage kann auch der Pächter dieses Privatgrundstücks gegen Sie einbringen.

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Umgangssprachlich werden Besitz und Eigentum oft nicht unterschieden. So spricht man etwa vom „Hausbesitzer“ oder vom „Firmenbesitzer“, auch wenn der Eigentümer gemeint ist. Literatur: Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch § 354 und § 309, im Internet auf http://www.ris.bka.gv.at/bundesrecht/. Geben Sie in das Feld „Kurztitel“ ABGB ein; Nikolaus Benke und Franz-Stefan Meissel: „Übungsbuch zum persönlichen Sachenrecht“, Manz Verlag, 5. Auflage, Wien 1996; Herbert Hausmanninger: „Casebook zum römischen Sachenrecht“, Manz Verlag, 8. Auflage, Wien 1996; für den Hinweis danken wir Dr. Arno Weigand, Wien, und Univ.-Prof.Dr. Rudolf Welser, Wien. Bier Alkoholfreies Bier macht nicht dick. Im Gegensatz zur Propaganda der Bierindustrie fuhren nicht nur die Kalorien, sondern auch die im Gerstensaft enthaltenen Hormone zum Bierbauch. Das zeigt sich daran, dass passionierte Biertrinker einen deutlichen Brustansatz entwickeln. Grund dafür sind die im Bier enthaltenen Phytoöstrogene. Diese Pflanzeninhaltsstoffe wirken ähnlich wie die weiblichen Sexualhormone und führen zu den äußerlichen Zeichen der „Verweiblichung“. Früher riet man sogar stillenden Müttern zu Bier, um die Milchbildung anzuregen. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000, S. 53f; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Billion l Was in Amerika billion heißt, ist auch bei uns eine Billion. Das im Amerikanischen gebräuchliche Wort billion bedeutet im Deutschen „Milliarde“. Three billion Dollar sind daher drei Milliarden Dollar, nicht jedoch drei Billionen Dollar. Derartige Verwechslungen sind darauf zurückzuführen, dass im Deutschen eine Billion dem Wert von tausend Milliarden entspricht. Wer den

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amerikanischen Ausdruck three billion dollar mit „drei Billionen Dollar“ übersetzt, irrt sich also um drei Nullen! Was wir eine „Billion“ nennen, heißt wiederum in Amerika trillion. Billion 2 Was in England billion heißt, ist bei uns eine Milliarde. Auch das ist falsch, denn das, was wir „eine Billion“ nennen, heißt auch in England billion. Hier verwenden also Engländer und Amerikaner verschiedene Ausdrücke, was zwischen diesen beiden Nationalitäten ebenfalls zu Missverständnissen führen kann. Für uns gilt: Three billion Pounds sind drei Billionen Pfund. Um Verwechslungen zu vermeiden, ist es daher zweckmäßig, zwischen american billion (Milliarde) und british billion (Billion) zu unterscheiden. Die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Begriffe verdeutlicht folgende Tabelle: Deutsch Britisch Amerikanisch 1.000 103 Tausen

d thousand thousand

1.000.000 106 Million million million 1.000.000.000 109 Milliarde milliard billion 1.000.000.000.000 101

2 Billion billion trillion

1.000.000.000.000.000 101

5 Billiarde thousand

billion quadrillon

1.000.000.000.000.000.000

101

8 Trillion trillion quintillion

Aus dieser Aufstellung wird ersichtlich, dass Amerikaner und Engländer den Begriff trillion ebenfalls unterschiedlich verwenden. Auch hier kann, um Missverständnisse zu vermeiden, zwischen american trillion (Billion) und british trillion (Trillion) unterschieden werden. Mit Blick auf die obige Tafel lässt sich leicht feststellen, wo die Unterschiede liegen: Die Amerikaner zählen in Potenzen von 103, (million, billion, trillion, quadrillion, quintillion), wir und die Briten hingegen in Potenzen von 106 (Million, Billion, Trillion), wobei wir im deutschen Sprachraum die Begriffe Milliarde und Billiarde eingeschoben haben. Literatur: Webster s Third New International Dictionary, Merriam-

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Webster/Könemann, Köln 1993, S. 1549. Bisam Die Bisamratte ist eine Ratte. Die aus Nordamerika stammende und dort wegen ihres Pelzes intensiv gejagte Bisamratte ist eine so genannte Wühlmaus (Microtina), keine Ratte (Rattus). Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie in Böhmen ausgesetzt und mittlerweile ist sie in Europa recht häufig. Bisamratten sind in etwa kaninchengroß und haben ein langhaariges, dichtes Fell, das an der Oberseite dunkelbraun und an der Unterseite grau gefärbt ist. Die Zehen ihrer Hinterfüße sind mit Schwimmborsten gesäumt. Sie werden zwischen 25 bis 40 cm lang (wobei die Schwanzlänge zusätzlich 19 bis 25 cm betragen kann) und wiegen zwischen 700 und 2.400 Gramm. Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, 11. Auflage, München 2000, S. 54. Black Box Flugschreiber heißen „Black Box“, weil sie schwarz sind. Dass das ein Irrtum ist, leuchtet sofort ein, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Auffinden des Flugschreibers nach einem Flugzeugabsturz von größter Bedeutung für die Rekonstruktion des Absturzherganges ist. Ein schwarzer Kasten wäre nur schwer zu finden. Genau aus diesem Grund sind Flugschreiber stets leuchtend rot oder orange, um eine möglichst gute Auffindbarkeit zu gewährleisten. Literatur: Walter Krämer, Götz Trenkler und Denis Krämer: „Das neue Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, München 2000, S. 40. Blashütt’n Der Ausdruck „Blashütt’n“ deutet auf die Anwesenheit von Prostituierten hin. Unter „Blashütt’n“ versteht man in der Wiener Gaunersprache eine Gastwirtschaft unterster Güte. Oft liest man als Erklärung dieses Begriffes,

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eine Blashütt’n werde deshalb so genannt, weil diese Lokalität so klein ist, dass Prostituierte ihren Freiern nur eine eingeschränkte Auswahl ihrer Dienstleistungen anbieten können. Tatsächlich leitet sich das Wort „Blashütt’n“ aber von einer altwienerischen Variante des Wortes „blasen“ im Sinne von „sich anblasen, trinken, saufen“ ab. Der Wiener Polizeikommissär Wilhelm Polzer vermerkt 1922 in seinem Gauner-Wörterbuch für den Kriminalpraktiker: „Blaswieden: Haus, wo man Most erhält.“ Literatur: Albert Petrikovits: „Die Wiener Gauner-, Zuhälter- und Dirnensprache, 1922, Neuauflage: Böhlau Verlag, Wien 1986, S. 21; Wilhelm Polzer: „Gauner-Wörterbuch für den Kriminalpraktiker“, J. Schweitzer Verlag, München 1922, S. 11, für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Prof. Sigmar Grüner, Wien. Blausein Der Ausdruck „Blausein“ hat etwas mit der Gesichtsfarbe von Alkoholisierten zu tun. Es gibt in der Sprachforschung verschiedenste Erklärungsversuche, warum der Zustand stärkeren Angeheitertseins mit der Farbe Blau assoziiert wird: vom Farbton, den der Alkohol auf der Nase eines Trinkenden hinterlässt, bis zu mittelalterlichen Kleiderordnungen, die das Tragen blauer Kleidung an Feier- und arbeitsfreien Tagen vorschrieben. Richtig dürfte folgende Erklärung sein: Der Ausdruck „Blaumachen“ und der Begriff „Blausein“ gehen auf mittelalterliche Färbetechniken zurück. Blauer Farbstoff wurde aus den Blättern der Färberpflanze Waid gewonnen. Um den begehrten Farbstoff zu erhalten, waren recht aufwändige Prozeduren notwendig. Benötigt wurden dafür erstens schönes sonniges Wetter, zweitens größere Mengen an Alkohol und drittens frischer Urin. So sorgten die Färber bei schönem Wetter erst einmal dafür, dass sie selbst „blau“ wurden, damit sie dann „blau machen“ konnten. Literatur: Lutz Röhrich: „Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten“, Herder Verlag, Freiburg 1973; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären ErnährungsirrtümeFr“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000, S. 57.

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Bleifreies Benzin Bleifreies Benzin ist bleifrei. Mit der Kraftstoffverordnung 1999 wurden in Österreich die Anforderungen der Richtlinie 98/70 der Europäischen Kommission über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen umgesetzt, die bei „unverbleitem“ Benzin einen maximalen Bleigehalt von 0,005 g/l gestattet. Das heißt: Auch bleifreies Benzin darf diese Menge an Blei enthalten. Der Grenzwert ist in Österreich und in der gesamten EU einzuhalten. Seit den 1920er Jahren wurde dem Benzin Blei zugesetzt, um eine bessere Ausnutzung der im Kraftstoff enthaltenen Energie zu ermöglichen. Seit dem l. Jänner 2000 ist verbleites Benzin aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes jedoch europaweit (mit zeitlich begrenzten Ausnahmen für Mittelmeerländer) verboten. Für ältere Motoren wurde ein Zusatz entwickelt, der dem Benzin nachträglich zugegeben werden kann und der die benötigte Schutzfunktion ausübt („Bleiersatz“). Die offizielle Bezeichnung für das ohne Bleizusätze hergestellte Benzin ist „unverbleit“. Damit wird der modernen Analytik Rechnung getragen, die auch dort geringste Bleiverunreinigungen nachweisen kann, wo kein Blei anzutreffen sein sollte. Diese Nachweismethoden lassen auch im „bleifreien“ Benzin die oben genannten kleinsten Mengen erkennen. Für Informationen zu diesem Stichwort danken wir Dr. Christoph Streissle, Kammer für Arbeiter und Angestellte, Wien. Bleistift Bleistifte enthalten Blei und sind deshalb giftig. Anders als der Name vermuten lässt, enthalten Bleistifte keine Spur von Blei. Die Minen von Bleistiften bestehen vielmehr aus Graphit, also aus reinem Kohlenstoff. Als die Stifte noch mit Bleiminen produziert wurden, war die Angst vor einer Bleivergiftung durchaus begründet. Die Giftwirkung des Bleis beruht vor allem auf der Inaktivierung von Enzymen, die für die Hämaglobinbildung wichtig sind, sowie auf der Störung der Blutbildung und der Gefäßnerven. Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, 11. Auflage, München 2000, S. 57; Stichwörter „Bleistift“ und „Bleivergiftung“ in: „Brockhaus in 15 Bänden“, Brockhaus Verlag, Leipzig und Mannheim 1997.

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Blitz Eichen sollst du meiden, Buchen sollst du suchen. Was der Volksmund im Falle eines Gewitters rät, lässt sich wissenschaftlich nicht erhärten. Die Wahrscheinlichkeit eines Blitzschlags hängt vor allem von der Höhe, nicht von der Art des Baumes ab. Unter einer kleinen Eiche ist man unter sonst gleichen Umständen sicherer als unter einer hohen Buche. Dass Eichen dennoch als gefährlicher gelten, liegt an ihrer zerklüfteten und durch Blitze oft augenfällig beschädigten Rinde. An der glatten Rinde einer Buche gleiten die Blitze hingegen ab, ohne größeren Schaden an der Rinde anzurichten. Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, 11. Auflage, München 2000, S. 57; W. R. Newcott: „Lightning, nature’s high voltage spectacle“, in: „National Geographie“ 7/1993, S. 83-103. Blutwurst Ein „Blunz’nstricker“ stellt aus Blutwürsten ein Gewebe her. Das altwienerische Schmähwort „Blunz’nstricker“ führt uns einen blöde dreinschauenden Dodl vor Augen. Dass man damit ausdrücken wollte, dieser wäre in der Lage, aus Blunz’n (= Blutwürsten) ein Gewebe zu stricken, ist freilich ein Irrtum. Generationen von Hobby-Mundartforschern haben das geglaubt. So meinte etwa Peter Wehle: „… es muss schon in Alt-Wien Surrealisten gegeben haben… Du Blunzenstricker – das wäre also einer, der mittels Stricknadeln ein Gewebe aus Blutwürsten herzustellen versteht.“ Die Mundartforscherin Maria Hornung wies darauf hin, dass das Zeitwort „stricken“ nicht nur mit jenem Vorgang etwas zu tun hat, zu dem wir Stricknadeln brauchen. „Stricken“ kommt ja auch von „Strick“. Was heute maschinell vonstatten geht, nämlich das Abstricken (Festschnüren, Abbinden) von Würsten, war in früheren Zeiten eine einfache Tätigkeit, die ein Blunzenstricker erledigt hat. Offensichtlich ist die übertragene Bedeutung des Wortes „Blunz’n-stricker“ langlebiger gewesen als die wörtliche. Dazu hat wohl auch das populäre Wiener Lied „Weil wir zwa Blunzenstricker sein“ beigetragen, das in den 1880er und 1890er Jahren von dem Gesangsduo „Edi & Biedermann“

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(eigentlich Eduard Wehinger und Julius Biedermann) mit großem Erfolg dargeboten wurde. Es schildert zwei Burschen bei diversen amourösen Annäherungsversuchen, die allesamt scheitern, was die beiden mit der Selbsteinsicht kommentieren, „dass jeder von uns zwa a großer Blunzenstricker (= schöner Depp) war“.

Nur wenige scheinen heute die eigentliche Bedeutung des Wortes zu kennen. Zu ihnen gehört Heinz Paul, der im Wiener Gemeindebezirk Ottakring ein Lokal mit dem Namen „Blunzenstricker“ begründet hat. Paul wies uns darauf hin, dass man früher Fleischhauerlehrlinge, die den Lehrabschluss nicht schafften, „Blunzenstricker“ nannte. Sie wurden für die primitive Arbeit des Abschnürens von Blutwürsten herangezogen und gleichzeitig als „Deppen“ gehänselt. Um dieser Bedeutung des Wortes „Blunz’nstricker“ Rechnung zu tragen, hat Heinz Paul sein Lokal mit einer verrückten Pointe ausgestattet: Blickt der gemütlich speisende Gast zur Decke, so sieht er, dass dort verschiedene Türen angebracht sind; außerdem ist die Decke mit uralten Zeitungen tapeziert. Man soll den Eindruck haben, ein Blunz’nstricker, also ein Narr, habe sich dieses Detail des Interieur ausgedacht. Außerdem gibt es zahlreiche Blutwurstgerichte auf der Speisekarte: Erdäpfelpuffer mit Blunz’n, Blunz’ngröstel mit Krautsalat und vieles mehr. Gourmetjournalisten standen dieser augenscheinlichen Doppeldeutigkeit

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bisher ratlos gegenüber. Zwar fanden sie in den Mundartwörterbüchern den Hinweis, dass ein Blunz’nstricker ein Narr ist – die ursprüngliche Bedeutung, nämlich ein junger Bursche, der Blutwürste abstrickt, war aber bisher nirgendwo zu finden. Literatur: Maria Hornung und Sigmar Grüner: „ Wörterbuch der Wiener Mundart“, 2. erw. und verb. Auflage, öhv & hpt, Wien 2002; Josef Koller: „Das Wiener Volkssängertum in alter und neuer Zeit“, Gerlach & Wiedling, Wien, o. J.; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Prof. Sigmar Grüner. Börse Der „Schwarze Freitag“ am 29. Oktober 1929 war ein Freitag. Mit dem Ausdruck „Schwarzer Freitag“ wird gemeinhin der 29. Oktober 1929 als Datum des größten und nachhaltigsten Börsenkrachs im 20. Jahrhundert bezeichnet. Dass diesem Ausdruck ein Irrtum zugrunde liegt, ist durch einen Blick in den Kalender leicht zu klären: Der 29. Oktober 1929 war ein Dienstag. Der 29. Oktober 1929 war allerdings der Tag mit den bis dato meisten Aktienverkäufen und den stärksten Kursverlusten, ein Tag, an dem Millionen Amerikaner ihr Vermögen verloren. Der dazugehörige Börsenkrach begann bereits am Donnerstag, dem 24. Oktober 1929. Die Berichte darüber wurden am Freitag, dem 25. Oktober, über die Medien in die ganze Welt verbreitet, am Dienstag, dem 29. Oktober, erreichte die Entwicklung ihren Höhepunkt. Schon der erste Börsenkrach der Geschichte, der berühmte Tulpen-Crash von 1637, fand an einem Dienstag seinen Höhepunkt, als der Wert der in den Jahren zuvor hoch gehandelten Tulpenzwiebeln in kurzer Zeit ins Bodenlose fiel. Für uns heute kaum vorstellbar, aber historische Tatsache: Tulpenzwiebeln waren die teuersten Güter jener Zeit und Warentermingeschäfte mit Tulpen standen auf der Tagesordnung. Die Gebote überschlugen sich und die erzielten Preise übertrafen alles je Dagewesene. Als die Eskalation des Tulpengeschäfts die vorsichtigeren Händler dazu veranlasste, sich mit Angeboten zurückzuhalten, brach das Geschäft ein. Am schwarzen Dienstag im Februar des Jahres 1637 brach die Tulpenbörse dann endgültig zusammen und halb Europa wurde von dem Crash erschüttert. In wenigen Tagen hatten die reichsten Bürger Hollands ihr gesamtes Vermögen verloren, das in Blumenzwiebeln angelegt war.

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Den ersten „Schwarzen Freitag“ (der wirklich ein Freitag war), gab es im Jahr 1869, als in Amerika infolge von Manipulationen durch Spekulanten der Goldmarkt zusammenbrach. Die Börsenpanik ruinierte viele Anleger und brachte das Ende des Goldfiebers in New York. Dreieinhalb Jahre später kam es in Wien zu einem Schwarzen Freitag, der wirklich ein Freitag war: Am 9. Mai 1873 brach der Börsenverkehr nach einem enormen Anstieg der Insolvenzen völlig zusammen. In der Folge verschwanden ein Großteil der Banken und etwa die Hälfte der Aktiengesellschaften. Die rein ökonomischen Auswirkungen dieses Börsenkrachs waren langfristig weniger dramatisch als befürchtet. Die psychologischen Folgen führten jedoch zu einer Erschütterung des Fortschrittsglaubens und zu einer neuen staatlichen Wirtschaftspolitik (Protektionismus). Literatur: Gordon Thomas und Max Morgan-Witts: „The Day the Bubble Burst. A Social History of the Wall Street Crash of1929“, Hamilton, New York 1979; Mike Dash: „Tulpenwahn. Die verrückteste Spekulation der Geschichte“, Ciaassen Verlag, Hildesheim 1999; Informationen zum Wiener Börsenkrach finden Sie im Internet unter http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.s/s454783.htm Bratwurst Die Bratwurst heißt Bratwurst, weil sie gebraten ist. Wer in bundesdeutschen Lebensmittelgeschäften die Wurstabteilungen besucht, dem wird so manche Bratwurst unterkommen, die mit unseren Bratwürstchen nicht viel gemeinsam hat – vor allem nicht die Zubereitungsart: Der Ausdruck „Bratwurst“ bedeutet nicht zwingend, dass das so bezeichnete Wursterzeugnis gebraten werden muss. Das Wort „Bratwurst“ leitet sich von dem altdeutschen Wort „brat“ ab, das heißt „weiches, kleingehacktes Fleisch“. In der Fachsprache der Wursterzeuger nennt man den Inhalt einer Wurst „Brät“. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Prof. Sigmar Grüner, Wien. Bridge Bridge wird überall auf die gleiche Weise gespielt. Bridge ist ein internationales Kartenspiel mit allseits anerkannten Regeln,

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aber die Bietsysteme differieren sehr stark. Um falsche Interpretationen der Gebote durch den Gegner zu vermeiden, geben die Spielparteien zu Beginn der Spielrunde gegenseitig ihr System bekannt – im Turnier durch Auflegen einer Konventionskarte. Zusätzlich warnt ein Spieler durch Klopfen auf den Tisch (alertieren) seine Gegner, wenn sein Partner ein ungewöhnliches Gebot abgibt, mit dessen Bedeutung diese nichts anfangen können. Das Internet hat allerdings in letzter Zeit zu einer gewissen Vereinheitlichung beigetragen: Wer dort mit einem Zufallspartner Bridge spielt, bietet im Allgemeinen nach dem System „Standard American“. Literatur: Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Johannes Bamberger; er ist Autor des „Bridge-Handbuchs“, erschienen in der Perlen-Reihe im Verlag Deuticke, Wien 1999. Budget Nulldefizit heißt „keine Schulden mehr“. Der irreführende Begriff „Nulldefizit“ bedeutet keineswegs, dass der Staatshaushalt keine Schulden mehr aufweist. Der Ausdruck meint lediglich, dass in einem bestimmten Budgetjahr die Ausgaben nicht größer waren als die Einnahmen. Will man den Sachverhalt korrekt bezeichnen, müsste man sagen, dass es in einem bestimmten Budgetjahr keine Neuverschuldung gab – zugegeben, das klingt viel weniger griffig. Ist die Neuverschuldung null, dann heißt dies lediglich, dass sich am bisherigen Schuldenstand nichts geändert hat. Bus l Busspuren darf man nicht befahren. Das ist grundsätzlich richtig, doch gibt es eine Ausnahme: Wenn man abbiegt, darf man sehr wohl eine für Busse markierte Spur befahren, und zwar in einem angemessenen Bogen. Außerdem darf eine Busspur zum Aus- und Einparken überfahren werden. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Mag. Martin Hoffer, Österreichischer Automobil- Motorrad- und Touringclub (ÖAMTC).

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Bus 2 Bushaltestellen darf man nicht befahren. Viele Menschen glauben, dass man Bushaltestellen prinzipiell nicht befahren darf – doch richtig ist eher das Gegenteil: Wenn man sich beispielsweise nach rechts zum Abbiegen einordnet, dann ist man sogar dazu verpflichtet, dies auf der Bushaltestelle zu tun, sofern Bodenmarkierungen nichts anderes anordnen.

Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Mag. Martin Hoffer, Österreichischer Automobil- Motorrad- und Touringclub (ÖAMTC).

c

„Das Halbwahre ist verderblicher als das Falsche. „

Ernst von Feuchtersieben

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Chili Chili wird aus der Pfefferschote gewonnen. Selbst die Gourmetpäpste Österreichs reden und schreiben von Chilipfeffer. Da ist es dann nicht weit zu dem populären Irrtum, Chili werde aus der Pfefferschote gewonnen. Tatsächlich wird Chili aus einer besonders scharf schmeckenden Frucht der Gattung Capsicum gewonnen – und das ist Paprika. Eine andere beliebte Bezeichnung für Chili ist „Cayennepfeffer“. Dieser Ausdruck weist auf die Insel Cayenne in Französisch-Guayana hin, ein Agrargebiet, in dem diese Art von Paprika kultiviert wird. Der populäre Irrtum kommt vermutlich dadurch zustande, dass es im Englischen kein eigenes Wort für Paprika gibt: Pepper heißt sowohl Pfeffer, ein Gewürz aus Pflanzen der Gattung Piper, als auch Paprika. Um Verwechslungen zu vermeiden, sagt man im Englischen zu den Paprikaschoten je nach ihrer Farbe green peppers, red peppers oder yellow peppers. Pepper im Sinne von Pfeffer wird hingegen als black pepper oder white pepper (in der Einzahl) bezeichnet. Literatur: Günther Frank: „Manche mögen’s scharf, Pichler Verlag, Wien 1995, „Langenscheidts Enzyklopädisches Wörterbuch, Englisch-Deutsch“, Langenscheidt, 11. Auflage, Berlin/ München 1966. Cholesterin Mit Diäten lässt sich der Cholesterinspiegel senken. Der Einfluss des Cholesterins in der Nahrung auf den Blutcholesterinspiegel ist gering. Studien belegen, dass sich der Cholesterinspiegel im Körper selbst reguliert und sich durch geänderte Ernährung langfristig nur um zehn bis 15 Prozent senken lässt. Die fettähnliche Substanz, die als Bestandteil der Zellmembran im Körper zu Gallensäuren, Hormonen und Vitamin D umgewandelt wird, wird zu zirka zwei Dritteln in der Leber gebildet und nur zu einem Drittel mit dem Essen aufgenommen. Wird zu wenig Cholesterin zugeführt, produziert der Körper die fehlende Menge selbst. Zwar gibt es einen belegten Zusammenhang zwischen erhöhtem Cholesterinspiegel und dem Herzinfarktrisiko, aber die Annahme, dass ein hoher Cholesterinspiegel alleine schuld an koronaren Herzkrankheiten ist, ist nicht zutreffend. So kommt es zu etlichen Herzinfarkten auch ohne erhöhten Cholesterinspiegel. Eine Reihe anderer Faktoren – wie etwa niedriges HDL (gutes Cholesterin) oder falsch zusammengesetztes LDL

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(schlechtes Cholesterin) oder Homocystein – kann mit im Spiel sein, ohne dass der Cholesterinspiegel erhöht ist. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000, S. 133 f.; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin „, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Christi Geburt l Der Stern von Bethlehem war ein Komet. Anders als es in vielen Weihnachtskrippen dargestellt wird, war der Stern von Bethlehem vermutlich kein Komet. Wenn man modernen Astronomen glauben darf, war der Stern von Bethlehem vielmehr ein dreimaliges sukzessives Zusammentreffen (eine so genannte Tripelkonjunktion) der Planeten Saturn und Jupiter. Den wichtigsten Hinweis auf den Stern von Bethlehem verdanken wir dem Evangelium von Matthäus: „Als Jesus zur Zeit des Herodes in Bethlehem in Judäa geboren war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“ Aber seltsamerweise konnte außer den Sterndeutern niemand den Stern sehen, d. h. ein Komet oder eine Supernova scheinen ausgeschlossen. Auch Meteore oder andere kurzlebige Himmelsphänomene sind sehr unwahrscheinlich, denn die Weisen folgten ihrem Stern über eine längere Zeit hinweg: „Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.“ Falls der Stern von Bethlehem also nicht erfunden oder eine Collage von mehreren zeitlich getrennten Objekten auf einmal war (Komet, Supernova, Meteor), spricht vieles für das folgende Szenario: Die Sterndeuter kamen aus dem Zweistromland Mesopotamien mit seiner langen jüdischen Kulturgeschichte; dort hatten die Astrologen schon lange auf die Ankunft des Messias gewartet. Für das Jahr 7 vor Christus war eine Tripelkonjunktion von Saturn und Jupiter in dem eng mit dem jüdischen Volk verbundenen Sternbild der Fische vorausgesagt, mit Jupiter als Glücksbringer und Saturn als Stern der Juden, so dass eine Interpretation dieses Ereignisses im Sinn der Prophezeiungen des Alten Testamentes durchaus nicht unwahrscheinlich ist. Die Tripelkonjunktion des Jahres 7 vor Christus war am 29. Mai, am 29.

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September und am 4. Dezember zu beobachten. Am 12. April gingen die Planeten zum ersten Mal zusammen im Sternbild der Fische auf, die Sterndeuter hatten also genügend Zeit, die lange Reise vorzubereiten, und die Fische waren in den Sommernächten des Jahres 7 vor Christus gut zu sehen. Literatur: David W. Hughes: „ The star of Bethlehem“, in: „Nature“ vom 9. Dezember 1976; Leserbriefe dazu in „Nature“, vom 11. August 1977; Konradin Ferrari d’Occhieppo: „Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht. Legende oder Tatsache?“, Gießen 1994. Christi Geburt 2 Bethlehem ist die Geburtsstadt Jesu Christi. Wenn auch im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern Anfang des Jahres 2002 immer wieder von der „Geburtskirche in Bethlehem“ die Rede war: Jesus Christus wurde nach Meinung fast aller modernen Bibelforscher in Nazareth geboren. Die These der Evangelisten Lukas und Johannes, Jesus sei in Bethlehem zur Welt gekommen, sei eher als Versuch zu werten, die Geburt des Messias dorthin zu verlegen, wo sie nach dem Willen des Alten Testamentes stattzufinden hatte: in die Stadt Davids, in die Stadt, wo David geboren und zum König wurde: „Aber du, Bethlehem-Ephratha, so klein unter den Gauen Judas, aus dir wird hervorgehen, der über Israel herrschen soll […]. Er wird auftreten und ihr Hirt sein in der Kraft des Herrn, im hohen Namen Jahwes, seines Gottes.“ (Micha 5, 1-3). Lukas schreibt: „So zog auch Josef von der Stadt Nazareth in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, denn er war aus dem Haus und dem Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.“ Außer dieser einen einzigen Begründung – „er war aus dem Haus und dem Geschlecht Davids“ – hat Lukas und haben andere frühe Kirchenmänner keine weiteren Indizien für diese Reise vorzuweisen, so dass man diese wie auch Marias Niederkunft in Bethlehem als Fiktion und als Versuch bewerten sollte, das Alte und das Neue Testament nachträglich besser aufeinander abzustimmen. Literatur: Die Bibel-Einheitsübersetzung, Stuttgart 1980; Stichwort „Bethlehem (Jordan)“ in: Microsoft CD-ROM Enzyklopädie Encarta, 1994;

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Hans Josef Miller: „Abschied von Bethlehem?“, Katholisches Sonntagsblatt 50/1996, S. 20. Cola Cola ist gut bei Durchfall. Cola ist trotz gegenteiligem Volksglauben bei Durchfall nicht zu empfehlen. Durchfallerkrankungen gehen mit hohen Flüssigkeitsverlusten einher, die zu einer Unterversorgung an Elektrolyten, vor allem Kalium, führen können. Diesen Mineralstoff kann Cola nicht liefern, im Gegenteil: Das in Cola enthaltene Koffein regt die Nieren zu einer weiteren Entwässerung an. Zur Flüssigkeitszufuhr bei Durchfall eignen sich daher besser leicht gezuckerter Tee oder leere Gemüsesuppe. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000, S. 96; Kurt Widhalm: „Emährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000.

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D

„Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen, sind zwei verschiedene Gaben.“

Franz Grillparzer

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Deutsch-Denkmal Das Deutsch-Denkmal im Schweizer Garten erinnert an die Staatsgründung. Im Schweizer Garten im 3. Wiener Gemeindebezirk steht ein Denkmal, das eine verworrene Geschichte hat und selbst für Verwirrung sorgt. Einmal wird es als „Deutsch-Denkmal“ bezeichnet, dann wieder als „Staatsgründungsdenkmal“. Diese Angaben finden sich auch auf der Website des Wiener Stadtgartenamts. Tatsächlich ist weder der Name „Deutsch-Denkmal“ noch der Name „Staatsgründungsdenkmal“ korrekt. Heinrich Deutsch hieß der Bildhauer, der das Denkmal entworfen hat. Denkmäler sind aber gewöhnlich nach jener Person benannt, die damit gewürdigt wird, und nicht nach dem Schöpfer des Denkmals. Womit wir den Namen „Deutsch-Denkmal“ als Irrtum abhaken können. Nun kommen wir zur Bezeichnung „Staatsgründungsdenkmal“ und landen damit bei der Geschichte des Monuments. Als im Jahr 1964 ein Denkmal zu Ehren von Karl Renner ausgeschrieben wurde, gewann Deutsch den Wettbewerb. Das Denkmal sollte an der Ecke Stadiongasse/Ring daran erinnern, dass Renner sowohl im Jahr 1918 als auch 1945 eine wichtige Rolle spielte: Er war zu Beginn der Ersten Republik Staatskanzler und zu Beginn der Zweiten Republik Regierungschef der provisorischen Dreiparteienregierung. Von 1945 bis 1950 war er Bundespräsident. Wie kam es aber dazu, dass das Denkmal nicht am ursprünglich vorgesehenen Platz, sondern im Schweizer Garten aufgestellt wurde? Den Stadtvätern erschien das Kunstwerk mit den zwei geschwungenen Pfeilern als zu „modern“ für die Ringstraße. Deshalb versteckte man es unter der Bezeichnung „Staatsgründungsdenkmal“ im Schweizer Garten – nach dem Motto: „Da sieht man es weniger!“ Literatur: Peter Diem: „Die Symbole Österreichs“, Verlag Kremayr 6“ Scheriau, Wien 1995, S. 207-209; die erwähnte Webseite des Wiener Stadtgartenamtes ist im Internet unter folgender Adresse zu finden: http://www.magwien.gv.at/ma42/parks/schwei.htm; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Peter Diem. Dreizehn Dreizehn ist die internationale Unglückszahl. In Japan ist die Unglückszahl vier: Das Wort dafür heißt „shi“ (= Tod) und man findet in ganz Japan kein Hotelzimmer und keinen Sitz im Flugzeug

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mit der Nummer 4. In Italien ist nicht Freitag, der 13. sondern Freitag, der 17. der Unglückstag: Die römischen Ziffern für 17, also XVII, lassen sich zu „vixi“ (= lateinisch für „ich bin tot“) umstellen. Deshalb kann man in Italien auch keinen Renault 17 kaufen – das Auto heißt dort Renault 117. Literatur: Walter Krämer, Götz Trenkler und Denis Krämer: „Das neue Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, München 2000, S. 73.

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E

„Es kommt weniger darauf an, was als wie man weiß.“

Ernst von Feuchtersieben

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Eichmann Adolf Eichmann war Österreicher. Eine große Zahl von Österreichern war am Holocaust maßgeblich und in führender Position beteiligt, doch Adolf Eichmann, der in diesem Zusammenhang immer wieder genannt wird, war weder von Geburt noch der Staatsbürgerschaft nach Österreicher, obwohl er lange in Österreich lebte. Eichmann wurde 1906 in Solingen (Deutschland) geboren. Seine Familie zog 1914 nach Linz, da sein Vater dorthin versetzt worden war. Eichmann ging in Linz zur Schule und arbeitete dann einige Zeit in Oberösterreich und Salzburg; auch der NSDAP und der SS trat er in Österreich bei. Die österreichische Staatsbürgerschaft besaß er jedoch nicht. Im Protokoll einer Polizeieinvernahme von Eichmanns Vater, Adolf Eichmann senior, heißt es: „Im Jahre 1928 habe ich mich um die österreichische Staatsbürgerschaft beworben und die deutsche mit Bewilligung der […] Behörden beibehalten. Mein Sohn Adolf war damals bereits großjährig und erlangte daher nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, wohl aber meine anderen Kinder, die damals minderjährig waren.“ Adolf Eichmann war ab 1941 für die Judentransporte in die Vernichtungslager verantwortlich. Er baute in Wien die für die Deportation der Juden entscheidende „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ auf und bildete einen Stab von spezialisierten Mitarbeitern heran. Diese so genannten „Eichmann-Männer“ waren es, die in Berlin und vielen anderen Orten in Europa die Deportationen von Juden organisierten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versteckte sich Eichmann und flüchtete 1950 nach Argentinien. I960 wurde er vom israelischen Geheimdienst festgenommen und ein Jahr später in Jerusalem vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Am 1. Juni 1962 wurde das Urteil vollstreckt. In den Verhören, die von Mai 1960 bis Februar 1961 in Jerusalem stattfanden, betonte Eichmann seine deutsche Staatsbürgerschaft. Allerdings bezeichnetet er in diesen Einvernahmen Österreich auch als seine innere Heimat, in der er sich „sehr wohl“ gefühlt habe. Festzustellen bleibt, dass neben Adolf Hitler zahlreiche andere Österreicher am Nationalsozialismus und insbesondere an der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie federführend beteiligt waren. Odilo Globocnik (1939-1942 SS- und Polizeiführer von Lublin) beispielsweise spielte eine führende Rolle bei der „Aktion Reinhard“, Ernst Kaltenbrunner war 1943-1945 Chef des Reichssicherheitshauptamtes und damit Chef von Eichmann, Alois Brunner wiederum war einer der

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wichtigsten „Eichmann-Männer“. Literatur: „Eichmann war Deutscher“, in: „Profil“ vom 13. Mai 2002, S. 16; Jochen von Lang: „Das Eichmann-Protokoll. Tonbandaufzeichnungen der israelischen Verhöre“, Lizenzausgabe mit Genehmigung der Quadriga Verlagsgesellschaft mbH. & Co. KG, Berlin für die Buchgemeinschaft Donauland, Wien o. J. S. 15, S. 19 und S. 21 f.; Hans Safrian: „Die Eichmann-Männer“, Wien/Zürich, 1993. Elfmeter l Der Elfmeterpunkt lag schon immer genau elf Meter vor der Torlinie. Die Ausmaße eines Fußballfeldes wurden in England festgelegt, wo in Yards gemessen wird. Wenn man die Ausmaße des Tores oder des Strafraumes betrachtet, merkt man, dass die metrischen Angaben Umrechnungen von Yards sind. Eigentlich sollte der Elfmeterpunkt genau zwölf Yards von der Torlinie entfernt sein, und das sind eben nicht exakt elf Meter, sondern nur 10 Meter und 97 Zentimeter. Weil die Differenz zwischen zwölf Yards und elf Metern so gering ist, wird dies seit einiger Zeit vernachlässigt. So liest man in den offiziellen FIFA-Angaben, dass der Elfmeterpunkt „in einem Abstand von elf Metern (zwölf Yards)“ von der Torlinie entfernt zu markieren ist. Für den Hinweis danken wir Dr. Roland Scheicher, Wien. Elfmeter 2 Die Angst des Tormanns beim Elfmeter. Dieses geflügelte Wort verdanken wir Peter Handke, denn so lautet der Titel seines Romans um die Morde des Monteurs Bloch. „Das ist so ein literarischer Mythos“, schreibt Christian Eichler in seinem „Lexikon der Fußballmythen“. Denn jeder, der schon einmal einen Elfmeter geschossen hat, weiß: Die Angst hat der Schütze, nicht der Torhüter. Vom Schützen erwartet jeder, dass er den Ball ins Tor befördert – er kann also nur verlieren; der Torhüter wird allerdings nur in Ausnahmefällen den Ball abwehren können – er kann also nur gewinnen. Am Schluss des Romans heißt es: „Der Schütze lief plötzlich an. Der Tormann, der einen grellgelben Pullover anhatte, blieb völlig unbeweglich

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stehen, und der Elfmeterschütze schoss ihm den Ball in die Hände.“ Eichler kommentiert dies so: „Das ist hübsch gedacht, geht aber an der Realität vorbei, in der die Elfer zu mehr als 90 Prozent links oder rechts platziert werden.“ Literatur: Christian Eichler: „Das Lexikon der Fußballmythen“, Piper Taschenbuchverlag, München 2002. Entlassung Entlassung und Kündigung bedeuten dasselbe. Nicht nur die Arbeitnehmer, auch die Medien verwechseln diesen Begriff ständig. Wer gekündigt wird, dessen Dienstverhältnis wird unter Wahrung seiner Rechte beendet. Eine gerechtfertigte Entlassung bedarf eines im Gesetz angeführten Entlassungsgrundes (z. B. Bestechlichkeit oder Missachtung des Konkurrenzverbots). Im Falle einer verschuldeten Entlassung können Ansprüche des Arbeitnehmers verloren gehen, beispielsweise die Abfertigung. Trotzdem liest man immer wieder von „Massenentlassungen“, die in Wirklichkeit „Massenkündigungen“ sind, z. B. bei der Schließung großer Industriebetriebe. Literatur: Thomas Kailab und Erich Ulmann: „Arbeitsrecht in Frage und Antwort“, Verlag des ÖGB, Wien 1998. Erdäpfel Erdäpfel darf man nicht mit dem Messer schneiden. Es ist heutzutage durchaus erlaubt, Erdäpfel mit der Klinge zu zerteilen. Knödel werden hingegen nicht mit dem Messer zerschnitten, sondern sachte mit Messer und Gabel „aufgerissen“. Wie sich die Benimm-Regeln in Sachen Erdäpfel geändert haben, zeigt ein Blick in verschiedene Ausgaben des Elmayer. So schreibt Diether Schäfer-Elmayer 1969: „Beilagen wie Knödel (Klöße), Nockerl, Kartoffel schneidet man nicht mit dem Messer.“ Sein Sohn Thomas sieht die Sache 1991 bereits anders: „Das Schneiden von Knödeln gilt bei manchen als eine ,Beleidigung der Köchin’. Dafür darf man heute mit der Klinge schon Kartoffeln zerteilen. Das wäre vor ein paar Jahren noch ein kleiner Fauxpas gewesen. Messer weg von Gemüsen,

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hieß es damals. Gemüse sollten ebenfalls mit der Gabel zerteilt werden. Heute muss man manchmal das Messer zu Hilfe nehmen, weil das Gemüse, nach den Regeln der Neuen Küche gegart, im Kern noch sehr hart sein kann.“ Literatur: Diether Schäfer-Elmayer: „Der Elmayer. Gutes Benehmen gefragt“, Zsolnay Verlag, Wien 1969, S. 256; Thomas Schäfer-Elmayer: „Der Elmayer. Gutes Benehmen gefragt“, Zsolnay Verlag, Wien 1991, S. 126. Erde Im Mittelalter wurde die Erde für eine flache Scheibe gehalten. Die Entdeckung der Kugelgestalt der Erde wird heutzutage gerne der Neuzeit zugerechnet – de facto hat aber bereits der griechische Gelehrte Aristoteles (384-322 v. Chr.) die Kugelform unseres Planeten erkannt. Den Forschern und Klerikern des Mittelalters war dieses Wissen durchaus vertraut. Thomas von Aquin (1225-1274) beispielsweise, einer der bedeutendsten mittelalterlichen Scholastiker, war ein sehr guter Kenner aristotelischen Gedankenguts. Der Glaube, das mittelalterliche Weltbild sei das einer flachen Scheibe gewesen, ist ein moderner Mythos, der seinerseits auf das ausgehende 19. Jahrhundert zurückgeführt werden kann: 1874 erschien das vielbeachtete Buch „History of the conflict between religion and science“ des amerikanischen Arztes und Kirchenfeindes John B. Draper. Der Autor zeigte die Entwicklung der Wissenschaften als einen andauernden Kampf mit der Kirche. Als Beweis für seine Sicht nannte er den Mythos der scheibenförmigen Erde. Der Erfolg seines und ähnlicher Werke jener Zeit ist noch heute nachzuweisen: Um das Jahr 1870 herum wurde in keinem einzigen englischen Schul-Geschichtsbuch eine im Mittelalter propagierten Weltsicht der Erde als Scheibe erwähnt, um 1880 jedoch findet sich dieser Mythos in fast allen! Literatur: Walter Krämer, Götz Trenkler und Denis Krämer: „Das neue Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, München 2000, S. 101-103; Jeffrey B. Russell: „Inventing the flat earth“, Paeger, New York 1991; Rudolf Simek: „Erde und Kosmos im Mittelalter“, Verlag C. H. Beck, München 1992; Stephen Jay Gould: „The Dinosaur in a haystack“, Penguin, London 1997; Eckehard Henscheid, Gerhard Henschel und Brigitte Kronauer: „Kulturgeschichte der Missverständnisse“, Reclam

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Verlag, Stuttgart 1997. Ernährung Das klassische Ernährungsmodell ist am gesündesten. Dem „Index für gesundes Essen“, der neben viel Obst, Gemüse und Getreideprodukten vor allem eine möglichst geringe Fettaufnahme propagiert, sind Forscher der Harvard Medical School auf den Grund gegangen. Der jahrzehntelang unter Ernährungswissenschaftlern verwendete Maßstab für einen optimalen Speiseplan erlebte dabei eine ziemliche Pleite: Über acht Jahre hindurch wurden die Auswirkungen dieses Ernährungsmodells an 117.000 Personen untersucht. Das schockierende Ergebnis: Zehn von 1.000 fast vorschriftsmäßig ernährten Männern im Alter von 50 Jahren erkrankten an Krebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten oder anderen schweren Erkrankungen. Von denen, die die Ess- und Trinkempfehlungen weitgehend ignorierten, wurden aber auch nur zwölf von l .000 schwer krank. Bei den Frauen war überhaupt kein Vorteil mehr zu erkennen. „Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass die offiziellen Ernährungsrichtlinien überarbeitet werden müssen“, erklärt der Leiter der Studie, Walter Willet. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000, Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000.

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F

„Die Wahrheit ist nicht darauf angewiesen, von uns entdeckt zu werden.“

Karl Heinrich Waggerl

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Fast food Fast food ist eine moderne Erfindung. Diesem Irrtum sitzt so mancher auf, der die Essgewohnheiten unserer modernen, stressgeplagten Kultur kritisiert und einen Untergang der neuzeitlichen bürgerlichen Esskultur befurchtet. Schnellimbisse gab es jedoch schon im 6. Jahrhundert v. Chr. Im Alten Babylon waren sie ebenso bekannt und beliebt wie im antiken Griechenland oder im Römischen Reich, in dem zumindest die Angehörigen der Unterschichten in ihren winzigen Wohnungen gar keine Möglichkeiten zum Kochen hatten. Dennoch wäre es falsch zu glauben, fast food sei nur für die Armen und prinzipiell einfacher Natur gewesen: Der Gourmet-Kritiker Gerd von Paczensky schreibt beispielsweise: „Von den arabischen Garköchen […] berichten verschiedene Quellen, wie gut das schmeckte, was sie zubereiteten […] fast alle Haushalte kauften zumindest einen Teil der Speisen schon fertig zubereitet.“ Literatur: Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000, S. 129 f.; Anita Homolka: „Zück die Finger und iss“, Lorch Verlag, Frankfurt 1989; Gerd von Paczensky und Anna Dünnebier: „Leere Töpfe, volle Töpfe. Die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens „, Knaus Verlag, München 1994; R. Hodges: „ The decline of Rome to a fast food empire“, in: „Nature“ 1994/309, S. 211. Fertigteilhäuser Fertigteilhäuser werden in Österreich erst seit wenigen Jahrzehnten errichtet. Das erste aus Fertigteilen zusammengesetzte Haus steht in Österreich schon seit 1895. Zusammengesetzt aus nummerierten Einzelteilen aus dem Holz der amerikanischen Pechkiefer und eines der Glanzstücke der Weltausstellung 1893 in Chikago, hatte es der Berliner Bühnenautor Oskar Blumenthal dort gesehen und um 20.000 Dollar gekauft. Anschließend wurde das Haus zerlegt, sorgfältig in Kisten verpackt, die nach 8.000 Kilometern Seereise und 1.000 Kilometern auf der Schiene schließlich wohlbehalten auf dem Bahnhof von Bad Ischl ankamen. Auf einem Grundstück am Lauffener Waldweg in Kaltenbach bei Bad Ischl wurden die Einzelteile wieder zusammengebaut und schon wenige Monate nach ihrer Anlieferung in zerlegtem Zustand konnte Blumenthal seine Villa beziehen (vgl. das Stichwort „Weißes Rössl“).

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Villa Oskar Blumenthals in Lauffen/Bad Ischl –

das erste Fertigteilhaus Österreichs Der Erzeuger des Hauses hatte zwar die Haltbarkeit des von ihm verwendeten Holzes für 300 Jahre garantiert, dennoch schien in unseren Tagen das Schicksal des jahrelang leer stehenden Gebäudes schon beinahe besiegelt. Zum Glück fand Österreichs erstes Fertigteilhaus doch noch neue Besitzer, die es zur Gänze renovieren ließen. So steht der sehenswerte Bau, dessen fremdartiges Äußeres mit der vertrauten Landschaft um Bad Ischl bestens harmoniert, wieder in altem Glanz da – wahrscheinlich das letzte erhaltene Ausstellungsstück der Weltausstellung in Chikago 1893. Literatur. Alexander Savel: „Blumenthal und sein Welterfolg“, in: „Traumspiegel“, 7. Jahrgang, Folge 721 April 2002, S. 18-21; Willi und Hilde Senfi: „Geheimnisvolles Salzkammergut“, GrazIStuttgart 2002. Fingernägel Fingernägel wachsen nach dem Tod weiter. Entgegen einem alten Aberglauben wachsen unsere Fingernägel nach dem Tod nicht mehr weiter. Dasselbe gilt auch für die Haare. Nach dem Stillstand des Blutkreislaufes erhalten die Haarwurzeln keine Nahrung mehr und stellen die für das Wachstum notwendige Zellteilung ein.

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Dass die Barthaare eines Toten nach einiger Zeit etwas länger erscheinen können, hat eine andere Ursache: Nicht die Haare sind gewachsen, sondern die Haut trocknet aus und schrumpft dabei ein. Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, U. Auflage, München 2000, S. 119, S. 156. Forellen Fangfrische Forellen schmecken am besten. Mit Slogans wie „Fangfrische Forellen!“ oder „Vom Teich direkt auf den Teller!“ will man hierzulande Restaurantgästen suggerieren, dass Forellen dann am besten schmecken, wenn sie kurz zuvor gefangen wurden – sei es aus einem nahegelegenen Gewässer oder wenigstens aus einem Fischbehälter. Tatsächlich schmecken fangfrische Forellen jedoch nur dann ausgezeichnet, wenn Koch oder Köchin das Handwerk der Fischzubereitung auch wirklich verstehen. Da sich frisch gefangene Forellen in einer Art Leichenstarre befinden, sollte man den Fisch auf ganz kleiner Flamme garen, eher ziehen lassen als kochen oder nur ganz vorsichtig anbraten. Sichtbares Zeichen einer zu schnell gegarten fangfrischen Forelle ist die deutliche Krümmung des zubereiteten Fisches. Fangfrische Forellen können ganz ausgezeichnet munden – aber die bloße Tatsache ihrer Frische ist keine Garantie dafür. Für den Geschmack sind Nahrung, Lebensbedingung und Größe des jeweiligen Exemplars wichtiger als die Zubereitung und die Frage, wie lange der Fisch schon tot ist. „Die besten Forellen des Erdenrundes“ soll es bei Toni und Ida Schraml im Gasthof „Zur Post“ in Grundlsee gegeben haben – das ist aus Friedrich Torbergs Die Erben der Tante Jolesch zu erfahren. Dazu schreibt uns ein bekannter Fliegenfischer und exzellenter Fischkoch, Univ.-Prof. Dr.Walter Gebhart, der die Schramls persönlich kannte: „Forelle blau wurde von Ida Schraml immer ,fangfrisch’ zubereitet, wobei Toni das vom Gast ausgesuchte Exemplar mittels Kescher aus dem mit hauseigenem Quellwasser gespeisten Kalter holte.“ Auch an Idas Maxime bei der Forellenzubereitung erinnert sich Professor Gebhart ganz genau: „Langsam, nur ziehen lassen!“ Forellen aus schnellen, sauberen Fließgewässern weisen meist nicht die etwa 24 Stunden anhaltende Leichenstarre auf. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir dem Gourmetjoumalisten

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Kurt Grünwald, Wien, und Univ.-Prof. Dr. Walter Gebhart, St. Polten; aas Torberg-Zitat findet sich in: Friedrich Torberg: „Die Erben der Tante Jolesch“, Deutscher Taschenbuch Verlag, 11. Auflage, München 2001, S. 208. Friedhof l Der Ausdruck „Friedhof“ hat mit „Frieden“ zu tun. Der Begriff „Friedhof’ hat nichts mit „Frieden“ zu tun. Der Ausdruck kommt vom althochdeutschen „frithof’ (= Vorhof, Vorplatz, Vorraum einer Kirche), was so viel bedeutet wie „eingefriedeter, beschützter Platz“. Da dieser eingefriedete Platz vor einer Kirche vorwiegend im Mittelalter als Begräbnisstätte diente und der Ausdruck „Ruhe in Frieden“ dort zum gängigen Sprachschatz gehört, glauben wir, dass der Begriff „Friedhof etwas mit „Frieden“ zu tun habe. Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, 11. Auflage, München 2000, S. 126. Friedhof 2 Der Leichnam wird in Anwesenheit der Trauergäste beigesetzt. Die Begriffe „Beisetzung“ und „Bestattung“ werden, auch in den Printmedien und in der Berichterstattung des Fernsehens, immer wieder verwechselt. Der Unterschied ist jedoch ganz wesentlich: Nach dem Transport zum Friedhof wird der eingesargte Leichnam in der Totenkammer (= Beisetzkammer) abgestellt (= beigesetzt). In diesem auf vier bis sechs Grad Celsius gekühlten Raum bleibt der Leichnam bis zur Aufbahrung. Die Bestattung erfolgt zum Abschluss des eigentlichen Trauerakts, wenn der Sarg in die Grabstätte hinabgelassen wird – dieser Vorgang wird auch Beerdigung genannt – wenn es sich um eine Körperbestattung und keine Feuerbestattung handelt. Die Verwechslung zwischen „Beisetzung“ und „Bestattung“ ist so häufig, dass man schon fast annehmen könnte, es handelte sich um Wörter mit gleicher Bedeutung. Auch die Friedhofsverordnung der Stadt Wien spricht von Beisetzung, wo eigentlich Bestattung (Beerdigung) gemeint ist. Neben der hier skizzierten Definition wird der Begriff „Bestattung“ oft auch in einem umfassenderen Sinn gebraucht: Gemeint ist die unter Einhaltung

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aller Riten bzw. Bräuche vorgenommene Behandlung und Beerdigung eines Leichnams. Früher fand die Trauerfeier nur im Beisein der Trauergäste in der Kirche statt. Heute gibt es einen Trauerakt in der Zeremonienhalle des Friedhofs und einen zweiten am offenen Grab. (Siehe auch das Stichwort „Mozart 2“.) Literatur: Franz Knispel „Zur Geschichte der Friedhöfe in Wien“, 2 Bände, Bestattung Wien, Wien 1992; Felix Czeike: „Historisches Lexikon Wien“, Kremayr & Scheriau, Band 1, Seite 347; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Felix Czeike, Wien, und Dkfm. Franz Knispel, Wien. Fußball l Rapid wird nur irrtümlich als Österreichischer Rekordmeister bezeichnet. Das behaupten vor allem die Fans von Austria Wien. Sie führen ins Treffen, dass erst seit 1949/50 Vereine aus den Bundesländern mitspielen, es habe sich also vorher um eine rein wienerische Angelegenheit gehandelt. Diese Argumentation ist nicht richtig. Zwar stimmt es, dass die Wiener Vereine Jahrzehnte hindurch den Fußballsport dominierten und Mannschaften aus den Bundesländern gar nicht vertreten waren, die Bewerbe hatten aber dennoch den Charakter von Österreichischen Meisterschaften. Genau genommen organisierte der NO-Verband von 1911 bis 1923 die Meisterschaft (Wien war damals Haupstadt von Niederösterreich), 1924/25 übernahm der Wiener Verband diese Aufgabe und organisierte die erste Profimeisterschaft außerhalb Großbritanniens. Nach dem Anschluss an Nazideutschland im Jahr 1938 organisierte der DFB eine „Gauliga Ostmark“, wobei Rapid 1940 und 1941 erfolgreich war. Im Jahr 1941 war Rapid dann sogar Deutscher Meister, das entscheidende Spiel gegen Schalke 04 fand an jenem Tag statt, als Hitler den Krieg gegen Russland begann. Literatur: Renata Metelko: „Top 10 in Österreich“, Perlen-Reihe im Verlag Deuticke, Wien 2001.

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Fußball 2 Rapid ist 30facher Österreichischer Fußballmeister. Richtig ist allerdings der Einwand, dass man die Rapid-Erfolge nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen nicht zählen dürfe, weil Österreich ab diesem Zeitpunkt völkerrechtlich nicht mehr existierte. Der ÖFB führt dennoch auch diese Erfolge an, genauso diverse Fußball-Bücher.

Fußballmannschaft Siege im Jahr 1. SK Rapid 30 1912,1913,1916,1917,1919,1920,

1921,1928,1929,1930,1935,1938, 1940,1941,1946,1948,1951,1952, 1954,1956,1957,1964,1967,1968, 1969,1982,1983,1987,1988,1996

2. Amateure (Austria) 2 1924,1926 Austria Wien 8 1949,1950,1953,1961,1962,1963,

1969,1970 FK Austria WAG 1 1976 FK Austria Memphis 10 1978,1979,1980,1981,1984,1985,

1986,1991,1992,1993 Austria insgesamt: 21

Vergleich der Meisterschaftserfolge von Rapid und Austria aus Sicht des ÖFB (die „Ostmark“-Ergebnisse mitgezählt)

Will man den Meistertitel 1938 noch gelten lassen und streicht die Titel in der „Gauliga Ostmark“, so ergibt sich folgendes Bild: Rapid-Wien ist bis zum Jahr 2001 nicht 30facher Österreichischer Meister, wie überall zu lesen ist, sondern nur 28facher Österreichischer Meister – aber öfter als die Austria noch allemal. Literatur: Renata Metelko: „Top Win Österreich“, Perlen-Reihe im Verlag Deuticke, Wien 2001. Fußball 3 Das 9:0 gegen Spanien im Jahr 1999 war die höchste Niederlage Österreichs in einem Fußball-Länderspiel. Dieser Schock saß tief- doch wenn man in der Statistik etwas weiter zurück geht, taucht noch Schlimmeres auf: Am 8. Juni 1908 unterlag Österreich gegen England mit 1:11.

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Literatur: Renata Metelko: „Top Win Österreich“, Perlen-Reihe im Verlag Deuticke, Wien 2001.

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G

„Alles Unglück kommt von der Terminologie.“

Anton Kuh

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Galilei Galileo Galilei wurde wegen seiner Lehren zu einem Opfer der katholischen Kirche. Der Naturforscher Galileo Galilei (1564-1642) gilt als eines der prominentesten Opfer der Inquisition, sein angeblicher Ausspruch „und sie bewegt sich doch“ ist ein geflügeltes Wort geworden. Abgesehen davon, dass dieses Zitat nicht nachzuweisen ist, erscheint auch Galileis Verhältnis zur katholischen Kirche bei genauerer Betrachtung hinterfragenswert. Zum einen waren es wohl weniger kirchliche als vielmehr weltliche Gelehrte, die als die Hauptwidersacher Galileis gesehen werden müssen, erschienen ihnen doch die von ihm als neuartige wissenschaftliche Untersuchungsmethode eingeführten Experimente und Naturbeobachtungen als völlig fehl am Platz. Zum anderen unterhielt Galilei stets gute Beziehungen zu den Mächtigen von Staat und Kirche. Dass es zu einem Inquisitionsverfahren gegen ihn kam, lag auch nicht an den Inhalten seiner Lehre, sondern vielmehr daran, dass er sie – trotz wiederholter Mahnungen – als absolute Wahrheit darstellte. Die gegen ihn verhängte Kerkerstrafe musste der Gelehrte nie antreten, vielmehr lebte er nach dem Gerichtsverfahren als Gast beim Großherzog der Toskana, dann beim Erzbischof von Siena und zuletzt als Staatsrentner in einem Dorf nahe Florenz, wo er unbelästigt seinen Forschungen weiter nachgehen konnte, bis er 1642 verstarb. Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, 11. Auflage, München 2000, S. 131; Karl von Gebier: „ Galileo Galilei und die römische Kurie. Nach authentischen Quellen“, Stuttgart 1976; Walter Brandmüller: „Galilei und die Kirche oder das Recht auf Irrtum“, Verlag Anton Pustet, Regensburg 1982; Gerhard Prause: „Niemand, hat Kolumbus ausgelacht“, Econ Verlag, Düsseldorf 1986; „Der Fall Galilei“, in: „Forschung & Lehre“ 3/1994. Geburtenrate Die Anzahl der Geburten ist in Österreich in den letzten 100 Jahren ständig gesunken. Für das Jahr 2001 wurde in Österreich die niedrigste je registrierte Geburtenrate gemeldet: 75.458 Neugebore stellen einen Negativrekord dar, die Geburtenrate fiel gegenüber dem vorangegangenen Jahr um 3,6 Prozent.

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Wer aus dem Rückgang der letzten Jahre und dem zunehmenden Verschwinden traditioneller Großfamilien aber ableitet, dass die Anzahl der Geburten im 20. Jahrhundert durchgehend geringer wurde, täuscht sich: Ein deutlicher Rückgang der Kinderzahlen erfolgte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Danach nahm die durchschnittliche Anzahl der Kinder pro Familie wieder zu, bis sie gegen Ende des Jahrhunderts wieder unter die Werte der Dreißiger Jahre fiel. Genauere Angaben dazu bringt der österreichische Familienbericht aus dem Jahr 1999: „Bis 1928 halbierte sich die durchschnittliche Kinderzahl von vier auf zwei. Mitte der 30er Jahre lag sie bei 1,5 Kinder pro Frau. Mit den Baby-Booms Anfang der 40er und in den 60er Jahren stieg die Kinderzahl wieder auf über 2,0. Zum letzten Mal lag sie 1972 über dieser Grenze. Seit Mitte der 70er Jahre bewegten sich die Kinderzahlen im Schnitt bei 1,5. Nach einigen kleinen Schwankungen geht der Trend seit 1993 allerdings weiter nach unten.“ Literatur: Daten zur aktuellen Geburtenrate finden sich auf der Website der Statistik Austria http://www.statistik.at; die zitierte Passage aus dem „Familienbericht 1999“ kann im Internet unter folgender Adresse eingesehen werden: http://www.bmsg.gv.at/bmsg/relaunch/familie/content/familienforschung/familienbericht99/fb99_kapitel_II_2.htm. Gemüse l Rohes Gemüse ist immer gesünder als gekochtes. Die allgemein propagierte These, wertvolle Inhaltsstoffe gingen beim Kochen von Gemüse verloren, stimmt nicht immer. Viele Gemüsesorten können ihre Wirkstoffe erst bei der Verarbeitung entfalten. Karotten, Brokkoli oder Spinat bieten gekocht den besten Schutz gegen Krebs und Herzkrankheiten. Erst durch das Kochen werden die Zellwände aufgeweicht, so dass der Körper die Inhaltsstoffe besser verwerten kann. So können beispielsweise Karotinoide aus gekochtem Karottenpüree fünfmal besser aufgenommen werden als aus der rohen Karotte. Tomaten wiederum enthalten das Karotinoid Lycopin, einen Farbstoff, der die Oxidation des schädlichen LDL-Cholesterins unterbindet. Dadurch verhindert er die Plaque-Ablagerung an den inneren Gefäßwänden und schützt vor Arteriosklerose und Herzinfarkt. Auch eine krebshemmende

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Wirkung wird dem Rot der Tomaten nachgesagt. Doch erst mit der Zerkleinerung der Tomaten wird das Lycopin aus den Zellen gelöst. Tomatenpüree, Tomatensaft oder Tomatensuppe enthalten im Vergleich zu rohen Tomaten die 2,5-fache Menge an Lycopin. Es wird allerdings empfohlen, Gemüse so kurz wie möglich zu garen, denn sonst können tatsächlich wertvolle Nährstoffe zerstört werden. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Gemüse 2 Frisches Gemüse ist immer gesünder als Dosen- oder Tiefkühlware. Dass das nicht stimmt, fanden Wissenschaftler im Auftrag des Nachrichtenmagazins Focus im Februar 2002 heraus. Geschälte Dosentomaten enthalten genauso viel Vitamin C wie italienische oder spanische Frühlingstomaten und fast die doppelte Menge an Lycopin, einem Stoff, der die Bildung des schädlichen LDL-Cholesterins verhindern hilft. Der Grund für das überraschend gute Abschneiden der Dosentomaten: Sie dürfen meist bis kurz vor der Verarbeitung an Ort und Stelle reifen, was Verluste durch die Konservierung wieder wettmacht. Potenziert werden die Spitzenwerte noch im Tomatenmark, das mit Höchstwerten an Vitamin C und Lycopin auftrumpft. Auch Dosenkarotten weisen, verglichen mit frischer Ware, beachtliche Mengen an Beta-Carotin und Gesamtphenolen auf, nur bei Vitamin C schneiden sie schlechter ab. Tiefgefrorene Karotten erreichen bei Beta-Carotin und Gesamtphenolen ähnliche Werte wie Bundkarotten, beim Vitamin C liegen sie besser als Dosenkarotten, aber unter der Frischware. Bei Spinat, Kohl und Brokkoli aus der Tiefkühltruhe erlebten die Tester ähnliche Überraschungen. Und sogar in tiefgekühlten Pommes frites fanden sie mehr Vitamin C als bei den im Handel erhältlichen Lagerkartoffeln oder bei den Frühjahrskartoffeln.

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Literatur: „Kostbare Früchte“, in: „Focus“ 15/2002, S. 122ff. Gewährleistung Gewährleistung und Garantie sind dasselbe. Diesen Irrtum haben wir bereits im ersten Band des Lexikons der Populären Irrtümer Österreichs geklärt. Mittlerweile sind jedoch einige rechtliche Änderungen in Kraft getreten, weshalb der Sachverhalt hier noch einmal kurz dargestellt werden soll. Gewährleistung ist die gesetzliche Pflicht des Verkäufers (des Händlers), die Ware ohne Mangel zu verkaufen bzw. gegebenenfalls den Mangel zu reparieren, die Ware auszutauschen, den Preis zu mindern oder den Vertrag rückgängig zu machen. Die gesetzliche Frist, innerhalb derer ein Gewährleistungsanspruch geltend gemacht werden kann, beträgt für bewegliche Objekte zwei, für unbewegliche drei Jahre. Die Behebung des Mangels hat kostenlos zu erfolgen, dem Konsumenten oder der Konsumentin dürfen weder Arbeitszeit noch Material- oder Wegkosten angelastet werden. Problematisch an der Gewährleistung ist die Tatsache, dass sie nur Mängel betrifft, die bereits bei der Übergabe der Ware bestanden haben. Garantie hingegen ist eine freiwillige, vertragliche Zusage eines Herstellers oder einer anderen Person für Mängel einzustehen, die innerhalb einer festgelegten Frist auftreten. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über ihren Umfang gibt es nicht, dieser wird in den Garantiebedingungen festgehalten. Das Gesetz verlangt vom Garantiegeber einen Hinweis auf die neben der Garantie bestehende gesetzliche Gewährleistung und die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen, wie die Bekanntgabe der Garantiedauer. Meist wird in der Garantie Reparatur oder Austausch der mangelhaften Ware zugesagt. Viele Garantien umfassen nur einen Teil der Kosten, die bei der Mängelbehebung entstehen; so müssen die Konsumenten und Konsumentinnen manchmal für Arbeitszeit, Wegkosten oder Versandspesen aufkommen. Wie heikel die Unterscheidung zwischen Garantie und Gewährleistung ist, zeigt folgendes Beispiel: Herr X hat bei einem Versandhaus ein elektrisches Gerät gekauft, das nach drei Monaten bereits nicht mehr funktioniert. Der Kunde hat eine Herstellergarantie über zwei Jahre. In den Garantiebestimmungen findet er einen Verweis auf die „gesetzliche

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Gewährleistung“. Da aber der Hersteller des Geräts im Gegensatz zum Versandhaus seinen Sitz in der Nähe des Wohnorts von Herrn X hat und die Kontaktaufnahme auf diesem direkten Weg einfacher scheint, wendet sich Herr X an den Kundendienst des Garantiegebers. Dieser repariert das defekte Gerät, stellt aber gemäß den Garantiebedingungen die Arbeitszeit in Rechnung. Zu spät erfährt der überraschte Kunde, dass die Geltendmachung eines Gewährleistungsanspruches beim Versandhaus im Gegensatz zu dem von ihm gewählten Vorgehen für ihn mit keinerlei Unkosten verbunden gewesen wäre. Für die Aktualisierung dieses Stichwortes danken wir Mag. Jutta Repl, Kammer für Arbeiter und Angestellte, Wien. Gläser Weißweingläser sind immer kleiner als Rotweingläser. Steht auf dem Tisch ein kleineres und ein größeres Glas, so ist das kleinere für den Weißwein gedacht, das größere hingegen für den Rotwein. So liest man es immer wieder in einschlägigen Magazinen. De facto kommt es bei der Gläserwahl aber nicht so sehr darauf an, ob Weißwein oder Rotwein eingeschenkt wird – sondern auf die Qualität des Weins. Wenn Sie einen einfachen Rotwein trinken, so gehört er in ein kleines Glas, trinken Sie einen großartigen Weißwein, sei es vollmundiger Burgunder oder ein älterer Riesling, so wird er sich in einem großen, bauchigen Glas am besten entfalten. Wohl deshalb bietet die glaserzeugende Industrie heutzutage auch voluminöse Weißweingläser an. Auch die Abfolge von Rot- und Weißwein, wie sie von unseren Ess- und Trinkgewohnheiten festgelegt ist, darf durchaus kritisch betrachtet werden: Meist trinken wir zur Vorspeise einen spritzigen, aber eher einfachen Weißwein. Gibt es anschließend ein Fleischgericht, so folgt ein vollmundiger Rotwein. Es wäre jedoch durchaus denkbar, zu bestimmten Vorspeisen einen einfachen Rotwein zu trinken; gibt es anschließend Fisch, dann wäre ein feiner Weißwein die passende Begleitung. In manchen Lokalen herrscht die Unsitte, das größte Glas für das Mineralwasser zu verwenden. Dabei wäre es für einen guten Wein geradezu prädestiniert. Für Informationen zu diesem Irrtum danken wir Klaus Egle, Wien.

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Groschen Infolge der Währungsumstellung auf Euro wird der Groschen bald aus unserem Sprachschatz verschwinden. So las man es in Zeitungskommentaren und auch im Internet, doch wir sehen keinen Grund für diese Besorgnis. Denn „Groschen“ ist eine uralte Münzbezeichnung, die in vielen Ländern verwendet wurde und im allgemeinen Sprachschatz längst zum Synonym für einen kleinen Geldbetrag geworden ist. Groschen ist auch kein Austriazismus. Seit dem 16. Jahrhundert war der Groschen nicht nur in Österreich eine Münze, sondern auch in der Schweiz und in Süddeutschland. Seit Beginn der Markrechnung 1873 galten in Deutschland allgemein zehn Pfennige als ein Groschen. Formulierungen wie „Das ist mir keinen Groschen wert“ oder „Der Groschen ist gefallen“ werden daher auch weiterhin zum Wortschatz der deutschen Sprache gehören, auch wenn es keinen Groschen mehr als Währungseinheit gibt. Gurtenpflicht l Gurtenpflicht gilt nur für die Vordersitze. Viele glauben, dass man sich nur auf den Vordersitzen anschnallen muss – also Fahrer und Beifahrer. Tatsächlich gilt die Gurtenpflicht aber auch für die Insassen im Fond des Wagens. Wenn Sie sich nicht anschnallen, können Sie mit einem Organmandat in Höhe von 21 Euro bestraft werden. Weigern Sie sich zu zahlen, droht Ihnen eine Verwaltungsstrafe in Höhe von 35 Euro. Es handelt sich hierbei allerdings um ein so genanntes Anhaltedelikt: Sie müssen „auf frischer Tat“ ertappt und von der Exekutive angehalten werden. Wenn ein Polizist Sie unangeschnallt fahren sieht und sich nur Ihr Autokennzeichen aufschreibt, kann er Sie nicht mit einer Anzeige verfolgen. Dieselbe Regelung gilt für Handys im Auto. (Siehe auch das Stichwort „Handy“.) Literatur: 3. Novelle des Kraftfahrgesetzes, 1976, § 106, Sicherheitsgurtengesetz, im Internet auf httpl/www.ris.bka.gu.at zu finden. Klicken Sie auf „Bundesrecht“, geben Sie in das Feld „Kurztitel“ KFG ein und klicken Sie § 106 an.

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Gurtenpflicht 2 In Taxis muss man sich nicht anschnallen. Nur Taxifahrer sind von der Gurtenpflicht ausgenommen, Fahrgäste müssen sich hingegen anschnallen, auch wenn sie auf den Hintersitzen Platz genommen haben. Wer sich nicht anschnallt, kann sogar mit einem Organmandat bestraft werden, wenn das Taxi von der Exekutive angehalten werden sollte. Kommt es zu einem Unfall, müssen Sie im Verletzungsfall damit rechnen, dass Ihnen die Versicherung nur ein vermindertes Schmerzensgeld zahlt. Ihr Anspruch verringert sich meist um ein Viertel. Taxifahrer sind übrigens deshalb von der Gurtenpflicht ausgenommen, weil deren Standesvertretung der Ansicht ist, bei einem Überfall sei eine größere Bewegungsfreiheit besonders wichtig. Deshalb gilt die Ausnahme von der Gurtenpflicht auch nur bei der Beförderung von Personen. Auf Botenfahrten müssen auch Taxilenker angeschnallt sein. Literatur: Die 3. Novelle des Kraftfahrgesetzes, 1976, § 106, Sicherheitsgurtengesetz finden Sie im Internet auf folgender Seite: http/lwww.ris.bka.gv.at. Klicken Sie auf „Bundesrecht“, geben Sie in das Feld „Kurztitel“ KFG ein und klicken Sie § 106 an; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Andreas Curda, Geschäftsführer der Taxiinnung Wien. Gurtenpflicht 3 Kinder unter 12 Jahren dürfen nicht vorne sitzen. Ein Irrtum, der weit verbreitet ist, aber immerhin niemandem schadet. Kinder unter 12 Jahren dürfen sehr wohl neben dem Fahrer sitzen, wenn der Wagen über einen höhenverstellbaren Beifahrersitz oder einen höhenverstellbaren Dreipunktgurt verfugt – und das hat heute fast jedes moderne Auto. Dennoch sind Kinder im Fond eines Autos sicherer aufgehoben. Literatur: Die 3. Novelle des Kraftfahrgesetzes, 1976, § 106, Sicherheitsgurtengesetz finden Sie im Internet auf folgender Seite: http/lwww.ris.bka.gv.at. Klicken Sie auf „Bundesrecht“, geben Sie in das Feld „Kurztitel“ KFG ein und klicken Sie § 106 an.

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H

„Es gibt keine Wahrheit auf Erden; und gerade in diesen kleinen Sätzen

dachtest du sie zu finden?“

Arthur Schnitzler

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Haflinger Die ersten Haflinger wurden in Hafling gezüchtet. Die ersten Haflinger wurden nicht in Hafling (italienisch: Avelengo) bei Meran gezüchtet, sondern in Schluderns im Vinschgau. Dort begann im Jahr 1874 die planmäßige Zucht mit einem Hengstfohlen, das als Elternpaar einen orientalischen Hengst und eine veredelte Landstute hatte. Erst später übersiedelte die Zucht nach Hafling, und von diesem Ort bekam die Pferderasse schließlich ihren Namen. Haflinger sind kompakte, relativ kleine (Stockmaß 135-145 cm), fuchsfarbene Pferde mit blondem Schweif und blonder Mähne; sie zeichnen sich durch ihren guten Charakter und ihre Leistungsbereitschaft aus. Früher wurden Haflinger vorwiegend als Gebrauchspferde in der Landwirtschaft und beim Militär eingesetzt. Heute findet in der Zucht eine Verdrängung des ursprünglichen Typs zugunsten eines leichtgliedrigeren Freizeitpferdes statt. Literatur: Josef Rampold: „Vinschgau“, Verlagsanstalt Athesia, 6. überarb. Auflage, Bozen 1991; Otto Schweisgut (Bearb.): „Haflinger. Pferde. Ursprung, Zucht u. Haltung, weltweite Verbreitung“, BLV, München /Wien Neuausg. 1995; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Ulrike Ruetz, Fasching. Handy Mit einer Freisprecheinrichtung im Auto kann man während der Fahrt bedenkenlos telefonieren. Nicht das „Ans-Ohr-Halten“ des Handys, sondern das Telefonieren selbst lenkt vom Fahren ab und ist Ursache für Verkehrsunfälle. Zu diesem Ergebnis kam eine wissenschaftliche Untersuchung in Großbritannien. Nach der Studie des „Labors für Verkehrsforschung“ waren die Reaktionszeiten telefonierender Autofahrer wesentlich länger als jene von solchen, die nicht telefonierten. Die Experten hatten 20 Männer und Frauen an Fahrsimulatoren getestet. Im Durchschnitt brauchten die Probanden am Handy eine halbe Sekunde länger als normal, um auf Gefahren zu reagieren. Die Studie kommt zu dem Schluss, es sei ein Mythos, dass Freisprechanlagen sicherer seien. Es gehe nicht um das „physische Halten des Telefons, sondern um die geistige Ablenkung durch die Unterhaltung“, stellten die Forscher fest. Nach ihren Angaben beträgt der normale Anhalteweg bei 112 Stundenkilometern 31 Meter. Er erhöhte sich beim Telefonieren über

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Freisprecheinrichtung auf 39 Meter und beim Handy am Ohr auf 45 Meter. Geht man davon aus, dass Autofahrer mit Freisprecheinrichtungen öfter und länger telefonieren, weil sie nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, so muss man annehmen, dass Freisprecheinrichtungen in Autos die Verkehrssicherheit nicht erhöhen, sondern verringern. Die einzige Möglichkeit, Autofahren und Telefonieren unter einen Hut zu bringen, liegt damit auf der Hand: Suchen Sie einen Parkplatz und bleiben Sie stehen! Literatur: „Britische Forscher: Handys am Steuer gefährlicher als Alkohol“, Meldung der Austria Presse Agentur vom 22. März 2002. Haus Österreich Der Satz „Dank vom Haus Österreich“ stammt von Franz Grillparzer. Dieser Ausruf wird gerne Franz Grillparzer zugeschrieben, er stammt aber in Wirklichkeit von Friedrich Schiller. In dessen Trauerspiel Wallensteins Tod (2. Aufzug, 6. Auftritt) legt Schiller den ironisch gemeinten Ausspruch Oberst Buttler in den Mund, als dieser Octavio Piccolomini die sprichwörtliche Undankbarkeit des österreichischen Herrscherhauses in politischen Angelegenheiten erläutert. „Dank vom Haus Österreich“ bedeutet deshalb so viel wie Undank. Haustiere Hunde sind die beliebtesten Haustiere in Österreich. Nicht der Hund, sondern die Katze ist das beliebteste Haustier der Österreicher. Vor den Hunden rangieren auch noch die Aquarienfische. So gibt es hierzulande 1,509.000 Katzen und 869.000 Aquarienfische, aber nur 545.000 Hunde. Sieht man sich die beliebtesten Haustiere nach Haushalten an, ergibt sich ein ähnliches Bild: In 867.000 Haushalten schnurrt eine Katze (es können auch mehrere sein), dann folgen 487.000 Haushalte mit Aquarienfischen und 148.000 Haushalte mit Käfigvögeln wie Sittichen und Kanarienvögeln. Die 92.000 Haushalte mit Hunden ergeben nur Rang vier. Literatur: Renata Metelko: „Top 10 in Österreich“, Perlen-Reihe im Verlag Deuticke, Wien 2001; die Angaben stammen aus dem Jahr 1997.

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Heilige Kühe Würde man in Indien die heiligen Kühe schlachten, ginge es den hungernden Menschen dort besser. Dass Kühe in Indien als heilig gelten und deshalb nicht geschlachtet werden dürfen, wird in Mitteleuropa meist mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Entgegen der landläufigen Ansicht verschlechtert das Verbot, Rinder zu schlachten, die Situation der indischen Bevölkerung jedoch nicht, sondern es verbessert vielmehr die Nahrungsversorgung. Es ist um einiges effektiver, Land als Anbaufläche für pflanzliche Nahrung für Menschen zu verwenden, als den Ertrag der selben Fläche auf dem Umweg über Rinder in Form von Fleisch zu konsumieren. Gäbe es in dem bevölkerungsreichen Indien einen Absatzmarkt für Rindfleisch, so würden Anbauflächen für Viehfutter verwendet, die heute – mit Hilfe von genügsamen Rindern statt teuren Maschinen – dem Anbau menschlicher Nahrung dienen. Literatur: Marvin Harris: „ Wohlgeschmack und Widerwillen. Die Rätsel der Nahrungstabus“, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1988; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000. Herzinfarkt l Kaffee erhöht das Herzinfarktrisiko. Kein anderes Getränk wurde von der Ernährungsmedizin so genau unter die Lupe genommen wie der Kaffee. Dabei tauchte immer wieder die Annahme auf, Kaffee würde das Herzinfarktrisiko erhöhen. „Aufgrund zahlreicher Untersuchungen lässt sich heute festhalten, dass Kaffee weder Herzinfarkt noch Schlaganfall verursacht, weder Gicht noch Diabetes“, meint der Ernährungsexperte Udo Pollmer. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) kommt zu dem Ergebnis, dass Kaffee auch keinen Einfluss auf die Krebshäufigkeit hat. Lediglich beim Blasenkrebs wurde ein geringfügig erhöhtes Risiko beobachtet. Ein anderer Effekt von Kaffee zeigt sich in Verbindung mit Alkohol: Forscher nehmen an, dass er die Leber vor den schädlichen Auswirkungen des Alkoholkonsums schützt. Kaffeetrinker erkranken daher seltener an Leberzirrhose und haben bessere Leberwerte als Kaffeeverächter.

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Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichhorn Verlag, Frankfurt 2000, S. 173 f.; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Herzinfarkt 2 Herzinfarkt ist eine typische Männerkrankheit. Entgegen dieser weitverbreiteten Ansicht betrifft Herzinfarkt nicht nur gestresste Männer. Es stimmt zwar, dass in Österreich mehr Männer an akutem Herzinfarkt sterben als Frauen. Die Zahlen sind jedoch nicht so unterschiedlich, wie allgemein angenommen wird: Im Jahr 1999 starben 3.817 Frauen und 4.389 Männer an einem Herzinfarkt. Betrachtet man die Gesamtzahl der Todesfälle infolge von Herzerkrankungen, so dreht sich das Verhältnis um. Auf 17.369 Frauen kommen dann 12.841 Männer. Prozentual gesehen bedeutet das, dass bei Frauen 9,0 Prozent und bei Männern 12,2 Prozent der Todesfälle auf einen akuten Herzinfarkt zurückzuführen sind. Insgesamt sterben 41,0 Prozent der Frauen an einer Erkrankung des Herzens, aber nur 35,8 Prozent der Männer. Literatur: „Sterbefälle nach Geschlecht und ausgewählten Todesarten 1999“ (nach der ISIS-Datenbank der Statistik Austria) in: Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte: „Wirtschafts- und sozialstatistisches Taschenbuch“ Wien 2001, S. 57. Herzl Für Theodor Herzl brachte der Salzburg-Aufenthalt ausschließlich schöne Erinnerungen. Im Sommer 1885 praktizierte Theodor Herzl am Salzburger Gericht. In seinen Erinnerungen schrieb er: „In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu. Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben; aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden.“ Denn schon zur damaligen Zeit agitierten in Salzburg Antisemiten gegen die „Verjudung Österreichs“ und gegen den „jüdischen Betrug“ oder behaupteten: „Alles ist durch Verjudung wund und krank.“

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In der Folge hängte Herzl die Juristerei an den Nagel, ging nach Paris und schrieb dort 1896 unter dem Eindruck der antisemitischen Dreyfusaffäre den Judenstaat – das Gründungsmanifest des Staates Israel. Am 18. Juli 2001 wurde am Hintereingang der Neuen Residenz – wo damals ein Teil des Gerichts untergebracht war und Herzl vermutlich gearbeitet hat – eine Gedenktafel angebracht: „In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu. Sommer 1885. Dr. Theodor Herzl 1860-1904“. „So wurde aus Herzl der Lobhudler Salzburgs“, meinte Clemens Hutter, ehemaliger Ressortleiter der Salzburger Nachrichten. Dieses Beispiel zeige auf anschauliche Weise, wie man durch Weglassung eines Satzes einen Text ins Gegenteil verkehren kann. Wer war für diese Verkürzung des Zitats verantwortlich? Der Anbringung der Gedenktafel durch die Stadt Salzburg ging ein etwa eineinhalbjähriger Entscheidungsprozess voraus, an dem auch der Präsident der jüdischen Gemeinde Salzburgs, Marko Feingold, beteiligt war. Als Clemens Hutter im April 2001 in einem kritischen Schreiben an das Kulturamt der Stadt Salzburg darauf hinwies, dass der Text aus dem Zusammenhang gerissen sei und der Nachsatz fehle, sprachen sich die Initiatoren weiterhin für den vorgeschlagenen Text aus. (Feingold hielt auch später an diesem Standpunkt fest; er meinte, die Zitatergänzung wäre kontraproduktiv und geeignet für antisemitische Reaktionen in der Stadt Salzburg.) Doch die Geschichte hat auch noch einen zweiten Handlungsstrang. Am 29. August 2001 malte der Künstler Wolfram P. Kastner den fehlenden, von uns eingangs zitierten zweiten Satz auf die Mauer unter der Gedenktafel, und zwar im Rahmen eines Projekts mit Studierenden der „Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg“. Er wurde angezeigt und man konstatierte eine „schwere Sachbeschädigung“ im Reinigungswert von 145 Euro. Das Land Salzburg kündigte an, auf die Auseinandersetzung zu verzichten, wenn der Künstler die Reinigung bezahlt – was dieser jedoch ablehnte.

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Herzl-Gedenktafel an der Neuen Residenz in Salzburg

mit handschriftlicher Ergänzung von Wolfram P. Kastner In den ersten Junitagen 2002 erhob schließlich Bundespräsident Thomas Klestil seine Stimme und appellierte an Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden, eine Zitatergänzung zu veranlassen. Auch Ariel Muzikant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich, unterstützte diesen Aufruf und betonte, dass es der Wunsch aller Österreicher sein müsste, die gemeinsame Geschichte aufzuarbeiten. Die Stadt Salzburg und ihre politischen Vertreter sollten kein Problem haben, das richtige Zitat zu verwenden. Im Sommer 2002 hat die Stadt Salzburg schließlich eine neue Tafel anbringen lassen. Seither kann man am Hintereingang der Neuen Residenz den vollständigen Text lesen. Bleibt die Frage, was mehr zählt: Die Sorge Feingolds, dass es zu antisemitischen Reaktionen kommt? Oder der Wunsch Muzikants, dass mit dem kompletten Text ein Beitrag zur Aufarbeitung der österreichischen Geschichte geleistet wird? Literatur: Clemens Hutter: „Herzl und Salzburg: Blamage mit Bestemm „, in: „Der Standard“ vom 17. April 2002, S. 31; Daniela Koweindl: „Schwere Sachbeschädigung oder notwendige Ergänzung eines gefälschten Zitats? Eine künstlerische Intervention wider das Vergessen und Verstecken von Vergangenheit in Österreich“, in: „Kulturrisse“, Nr. 03/02, S. 24-25; für Informationen zu diesem Irrtum danken wir Dr. Alois Haslinger, Leiter des

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worden waren, eine Flüchtlingsstation mit drei Gemeinschaftsbauten und 48 Häusern, wozu auch eine eigene Schule gehörte. Nachdem die Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückgekehrt waren, standen die Häuser leer, so dass man unter dem Wiener Polizeipräsidenten Johann Schober auf die Idee kam, Erholungsheime für Polizisten zu errichten. Diese Aktion lief von 1922 bis 1937. Damit ist die Herkunft eindeutig geklärt – wobei es sicherlich nicht unbedeutend war, dass im Ortsnamen Mistelbach auch das Wort „Mist“ steckt: ideal für einen Spottnamen. Literatur: Günther Bögl/Harald Seyrl: „Die Wiener Polizei im Spiegel der Zeiten. Eine Chronik in Bildern“, Edition S, Wien 199; für den Hinweis auf das Erholungsheim für Polizisten danken wir auch Christa Jakob, Mistelbach. Sie ist Verfasserin der Chronik „Stadtrundgang in Mistelbach“ Für weitere Informationen danken wir Prof. Sigmar Grüner, Wien. Monarchie K. u. k. und k. k. sind zwei nach Belieben verwendbare Abkürzungen aus der Zeit der Monarchie. Eine Verwechslung dieser beiden Kürzel oder gar deren willkürlicher Gebrauch hätte vor 1918 unter Umständen zu schwerer Verstimmung, wenn nicht sogar zu einer ernsthaften Krise zwischen den beiden Reichshälften Österreich-Ungarns fuhren können. War k. k. (kaiserlich-königlich) schon im 18. Jahrhundert gebräuchlich, so galt diese Abkürzung nach dem Ausgleich mit Ungarn (1867), der zur Schaffung der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn führte, nur noch für Behörden und staatliche Einrichtungen der österreichischen Reichshälfte („die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“), zum Unterschied von k. ung. (königlich ungarisch) für die ungarische Reichshälfte. K. u. k. (kaiserlich und königlich) dagegen war die Abkürzung für gemeinsame Behörden und Einrichtungen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (Armee und Marine, Außenpolitik, Finanzministerium). Im militärischen Bereich war dies sogar noch komplizierter: Neben der k. u. k. (also der gemeinsamen) Armee gab es noch die k. k. Landwehr in der österreichischen und die k. ung. Honved in der ungarischen Reichshälfte, alle drei mit jeweils eigener Kommandostruktur. Der etwas saloppe Gebrauch des Ausdrucks „die k. u. k. Zeit“ bezeichnet daher streng genommen nur den Zeitraum von 1867 (Ausgleich mit

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Ungarn) bis 1918 (Beginn der Republik). Bemerkenswerterweise gab es keine klare Regelung, ob man „k. und k.“ bzw. „k. k.“ klein oder groß schreibt. Mozart l Ein „grauer Bote“ hat bei Mozart ein Requiem bestellt und ihm so den nahen Tod verkündet. Dieser unheimliche Bote, der Mozart durch sein Auftreten sehr erschreckt haben soll, geistert bis in unsere Zeit durch die populäre Mozartliteratur und über die Kinoleinwand, obwohl er längst als ganz normaler Angestellter eines Grafen Walsegg mit Namen Franz Anton Leitgeb identifiziert ist. Dieser Leitgeb muss auf seine Umgebung tatsächlich etwas einschüchternd gewirkt haben, denn auch der mit ihm entfernt verwandte Franz Grillpar-zer beschrieb ihn als „langen hageren, grau gekleideten Mann mit ernsthaftem Gesichtsaudruck, eine auffallende Erscheinung, ganz geeignet, einen befremdlichen Eindruck zu machen.“ Angeblich dreimal soll Leitgeb den bereits kranken und wie immer überarbeiteten Komponisten besucht haben: um ihm einen Auftrag seines Herrn zu übermitteln, um das Honorar auszuhandeln und um sich vom Fortschritt der Arbeit zu überzeugen. Mitte Juli 1791 hatte Mozart den Auftrag übernommen, gegen die ansehnliche Summe von 225 Gulden. Eine Totenmesse sollte es sein, für die verstorbene Gräfin, die mit ihrem Mann auf Schloss Stuppach bei Gloggnitz gelebt hatte. Franz Graf Walsegg war ein großer Musikliebhaber. Er hatte allerdings eine Eigenheit: Er pflegte Kompositionen anzukaufen, um sie dann bei Hauskonzerten als seine eigenen auszugeben. Am 5. Dezember 1791 starb Mozart. Die bis dahin fertig gestellten Teile des Requiems – Introitus und Kyrie – wurden bei der Seelenmesse zu seinen Ehren in der Wiener Michaelerkirche zum ersten Mal aufgeführt. Das von Mozarts Schüler Franz X. Süßmayr ergänzte Werk erklang erstmalig am 2. Jänner 1793 in Wien. In seiner ursprünglichen Bestimmung als Begleitmusik zur Seelenmesse der Gräfin Walsegg wurde das Mozart-Requiem am 14. Dezember 1793 im Neukloster in Wiener Neustadt aufgeführt, unter der musikalischen Leitung des Witwers und Auftraggebers.

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Der „graue Bote“ Franz Anton Leitgeb

Zu den vielen bald zirkulierenden Geschichten und Gerüchten um das Requiem – von dem unheimlichen Boten bis zum Streit, was denn nun wirklich Mozart und was sein Schüler Süßmayr komponiert hat – dazu hat sich Franz Graf Walsegg nie geäußert. Literatur: Walther Brauneis: „.Dies irae, Dies illa – Tag des Zornes, Tag der Klage’, Auftrag, Entstehung und Vollendung von Mozarts .Requiem’„, „Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien“, Band 47/48, 1991/92; Andrea Worliz-Wellspacher „Der Bote des Requiembestellers“, „Wiener Geschichtsblätter“, 45. Jg. (1990), Heft 4. Mozart 2 Wolfgang Amadeus Mozart wurde auf dem St. Marxer Friedhof in einem Armengrab/Massengrab beerdigt. Auch dies ist eine der vielen unwahren Geschichten, die sich um Mozarts

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letzte Lebensmonate und um seinen Tod ranken. Am 6. Dezember 1791 war Mozarts Leichnam in der Kruzifixkapelle über dem Katakombeneingang eingesegnet worden. An einem der folgenden Tage wurden seine sterblichen Überreste in einem „allgemeinen einfachen Grab“ auf dem St. Marxer Friedhof im 3. Wiener Gemeindebezirk bestattet. Sein Grab war aber weder ein Armen- noch ein Massengrab, sondern einfach ein im Sinne der damaligen Vorschriften übliches Grab. Mehrfachbestattungen in Massengräbern waren in der am 13. Dezember 1784 erlassenen städtischen Begräbnisordnung ausdrücklich nicht gestattet. Mozarts Grab war ein einfacher Grabschacht, der nach zehn Jahren wieder belegt werden konnte, weil damit kein Eigentumsrecht verbunden war. (Übrigens werden auch heute in Wien Grabstätten für zehn Jahre vergeben, die Benutzungsrechte können dann verlängert werden.)

Das Ehrengrab für Mozart auf dem Wiener Zentralfriedhof

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Anders als in unserer Zeit war die eigentliche Totenfeier die Seelenmesse, das Requiem. Das war die Gelegenheit, im Familien- und Freundeskreis vom Verstorbenen Abschied zu nehmen und seine Seele der Gnade Gottes zu empfehlen. Die Beerdigung der sterblichen Hülle hatte weit geringere Bedeutung. Der Mozartforscher Walther Brauneis hält dazu fest: „Das im Laufe des 19. Jahrhunderts sich völlig verändernde Bestattungsritual lässt Mozarts Leichenbegängnis heute nur schwer begreifen, aus der Sicht der Zeitgenossen aber war es eine für weite Teile der Bevölkerung übliche Begräbnisform.“ Das Ansehen, das der zwar sehr gut verdienende, aber dennoch fast immer knapp bei Kasse befindliche Mozart auch in hohen und höchsten Kreisen der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien genoss, zeigte sich nicht zuletzt darin, dass am 10. Dezember 1791 die Seelenmesse unter großer Beteiligung in der Hofpfarrkirche St. Michael, direkt vor den Toren der Hofburg, stattfand. Wo aber Mozart tatsächlich beerdigt wurde, wird sich wohl nie klären lassen. Die beiden Mozart-Gräber in Wien sind natürlich leer: das Grabmal auf dem St. Marxer Friedhof, das ein musikliebender Friedhofswärter aus Fundstücken zusammengestellt hat, und das Ehrengrab von Hans Gasser auf dem Wiener Zentralfriedhof. Auch dieses befand sich ursprünglich auf dem St. Marxer Friedhof- es wurde 1859 dort errichtet, wo man das Grab Mozarts vermutet. Anlässlich des hundertsten Todestages Mozarts wurde es auf den Zentralfriedhof verlegt. Literatur: Walther Brauneis: ,“Dies irae, Dies illa – Tag des Zornes, Tag der Klage’, Auftrag, Entstehung und Vollendung von Mozarts .Requiem’„, „Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien“, Band47/48, 1991/92. Mozart 3 Mozarts Schädel wird in der Stiftung Mozarteum in Salzburg aufbewahrt. Ob dieser Schädel wirklich jener des großen Komponisten ist, darüber streitet die Wissenschaft seit bald eineinhalb Jahrhunderten. Der Paläontologe Gottfried Tichy, der von der Echtheit des Schädels überzeugt ist, hat einmal geseufzt: „Mythen und Legenden, Unklarheiten, Irrtümer und journalistische Ausschmückungen erschweren die Wahrheitsfindung…“ Die Geschichte dieses Schädels könnte jedenfalls makaberer und

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rätselhafter nicht sein. Mozart war bereits 51 Jahre tot, als der Bruder des berühmten Anatomen Josef Hyrtl von einem Totengräber des St. Marxer Friedhofes den angeblichen Schädel Mozarts erhielt. Dieser war ihm von seinem Amtsvorgänger überlassen worden. Universitätsprofessor Josef Hyrtl führte die Wiener anatomische Schule zu einem Höhepunkt, er gründete das Wiener Museum für vergleichende Anatomie und erforschte die Entwicklung der medizinischen Fachsprache. Sein Vermögen widmete er wohltätigen Zwecken – auf ihn geht das Hyrtlsche Waisenhaus in Mödling zurück. Als der Schädel in seinen Besitz übergeht, beginnt die eigentliche „Raubersg’schicht“, wie man in Wien nur schwer zu glaubende Ereignisabläufe zu nennen pflegt. Denn als Hyrtl 1894 stirbt, ist der übrigens in seinem Testament nicht erwähnte Schädel auf einmal verschwunden. Dies teilt man auch dem Bürgermeister der Stadt Salzburg mit, als dieser um Überlassung des Schädels ersucht. Sieben Jahre nach dem Tod Hyrtls findet sich in einem Abstellraum des Waisenhauses in Mödling dann doch noch eine Kiste mit Mozarts angeblichem Schädel. Zudem taucht eine Verfügung Hyrtls aus dem Jahre 1891 auf, in der er den Schädel der Stadt Salzburg vermachte. Jener Schädel allerdings, der daraufhin nach Salzburg gebracht wird, sieht ganz anders aus als der, den der Arzt, Schriftsteller und Publizist Ludwig August Frank! 1892 im Waisenhaus in Mödling gesehen und in Wort und Bild beschrieben hat. Es fehlen nun der Unterkiefer und die Schädelbasis, der Schädel weist plötzlich elf Zähne auf – und damit um vier mehr, als Frank! gezählt hat. Die Schneidezähne sind abgebrochen und nicht ausgefallen, auch die Beschriftung findet sich auf einmal an anderer Stelle. Der Schädel sei ausgetauscht worden, vermutete nicht nur die Witwe Hyrtls. Fragen über Fragen: War der von den beiden Totengräbern auf dem St. Marxer Friedhof so viele Jahre lang aufbewahrte Schädel wirklich der Schädel Mozarts? Wieso unterschied sich der wiederaufgefundene und nach Salzburg gebrachte Schädel so auffällig von jenem, den der Arzt Frankl vor seinem Verschwinden noch gesehen und 1892 in allen Einzelheiten beschrieben hatte? Waren die beiden Schädel tatsächlich ausgetauscht worden – wenn ja, von wem und warum? Und vor allem: Wo befindet sich der erste Schädel heute? Bei der Suche nach Antworten darf man die problematische Lokalisierung von Mozarts Grab nicht außer Acht lassen. Auch der Umstand, dass der einfache Grabschacht nach zehn Jahren wieder belegt werden konnte, erschwert eine Rückverfolgung, welchen Weg Mozarts Schädel genommen hat.

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Der letzte definitive Beweis, dass es sich nicht um Mozarts Schädel handelt, ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht zu erbringen. Auch eine DNA-Analyse würde kein Licht ins Dunkel bringen, da sich die sterblichen Überreste von Mozarts Vater und die der beiden Söhne W. A. Mozarts ebenfalls nicht mehr genau lokalisieren lassen. Literatur: „Der Anatom Joseph Hyrtl“, hrsg. anlässlich der Eröffnung des Hyrtl-Museums Perchtoldsdorf, Wien/München/Bern 1991; Helmut Kretschmer: „ Wiener Musiker Gedenkstätten „, Edition Wien, Wien 1988; für Informationen zu diesem Stichwort danken wir Regierungsrat Walter Brauneis und Dr. Johanna Senigl, Bibliothekarin der Stiftung Mozarteum, die uns eine Liste von nicht weniger als 24 Titeln aktueller Literatur zu diesem Thema zur Verfugung gestellt hat. Muttertag Der Muttertag wurde von den Nazis eingeführt. Zum ersten Mal gab es den Muttertag als offiziellen Feiertag 1914 in den USA; die Muttertagsbewegung wurde vor allem von Feministinnen wie der Predigertochter Ann Jarvis (1864-1948) angetrieben, die am zweiten Maisonntag des Jahres 1907, dem zweiten Jahrestag des Todes ihrer Mutter, eine erste, noch inoffizielle Muttertagsfeier organisierte. Danach verbreitete sich diese Sitte rasch. Schon 1912 wurde der Muttertag ein „offizieller“ Feiertag der amerikanischen Methodisten und durch ein eigenes „Muttertagsgesetz“ von 1914 dann auch ein allgemeiner Feiertag. Nach Österreich kam der Muttertag auf Betreiben von Marianne Hainisch (1839-1936), der Muter von Michael Hainisch, dem ersten Bundespräsidenten der Republik Österreich. Erstmals gefeiert wurde der Muttertag in Österreich im Jahr 1924. Marianne Hainisch war eine sehr engagierte Frau. Sie war Begründerin und Führerin der österreichischen Frauenbewegung und forderte im Jahr 1870 die Errichtung von Realgymnasien für Mädchen und die Zulassung der Frauen zum Hochschulstudium. 1902 gründete sie den Bund österreichischer Frauenvereine. Nach dem Tod Berta von Suttners übernahm Marianne Hainisch 1914 die Leitung der Friedenskommission im Bund Österreichischer Frauenvereine. Nach dem Ersten Weltkrieg widmete sie sich der Fürsorge und der Friedensbewegung. Die Idee des Muttertags stammt also ursprünglich aus dem Umfeld der Ersten Frauenbewegung und sollte der Frauenemanzipation dienen. Erst später wurde sie vom Nationalsozialismus ins Gegenteil verkehrt. Im Jahr

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1939 machten die Nazis aus dem Muttertag den „Tag der deutschen Mutter“ und verliehen „Mutterkreuze“. Literatur: Valerie-Anne Giscard d’Estaing (Hrsg.): „Das große Hörzu-Buch der Erfindungen „, Uüstein Verlag, Frankfurt 1987; Stichwort „Muttertag“ in der Brockhaus Enzyklopädie, Brockhaus Verlag, Wiesbaden 1990; Hildegard Laessig: „Marianne Hainisch und die österreichische Frauenbewegung“, Diss. Wien 1949.

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N

„In den Wissenschaften kommt es leider mehr darauf an, recht zu behalten als recht zu haben.“

Erwin Chargaff

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Nationalratspräsident Der Nationalratspräsident ist nach dem Bundespräsidenten der zweite Mann im Staat. Für die Höflichkeitsregeln im Protokoll gilt diese Rangordnung – nicht jedoch für die politisch gesehen sehr viel wichtigere Frage der Vertretung im Aufgabenbereich des Staatsoberhauptes. Ist der Bundespräsident nicht in der Lage, sein Amt auszuüben, dann gehen nach Artikel 64 der Bundesverfassung seine Funktionen zunächst auf den Bundeskanzler über, dieser übt dann das Amt des Stellvertreters aus. Dauert die Amtsverhinderung des Bundespräsidenten länger als 20 Tage, so obliegt die Funktion des Bundespräsidenten den drei Präsidenten des Nationalrats als gemeinsamem Kollegium. Vorsitzender und Repräsentant dieses Dreier-Kollegiums ist der Erste Nationalratspräsident. Literatur: Manfried Welan: „Der Bundespräsident – kein Kaiser in der Republik“, Böhlau-Verlag, Wien/Köln/Graz 1992; den: „Das österreichische Staatsoberhaupt“, Österreichisches Jahrbuch für Politik, Sonderband 2, Verlag für Geschichte und Politik, 2. Auflage, Wien 1986. Neujahrskonzert Das Neujahrskonzert sehen eine Milliarde Menschen. Jedes Jahr, wenn das Neujahrskonzert vor der Tür steht, liest man in den Zeitungen, dass dieses Ereignis weltweit rund eine Milliarde Menschen vor die Fernseher lockt. Diese Zahl ist stark übertrieben. In der Tat sind es knapp 50 Millionen, also fünf Prozent der kolportierten Milliarde. Die offizielle Presseaussendung des ORF schlüsselt auch die Anzahl der Zuseher in den verschiedenen Ländern auf: In Österreich verfolgten 2002 gut eine Million Menschen das beliebte Konzertereignis. In China waren es beispielsweise 8,7 Millionen – das ist mehr als die Gesamtbevölkerung Österreichs, allerdings nur ein kleiner Prozentsatz in dem 1,3 Milliarden Einwohner zählenden Land. Für Informationen zu diesem Irrtum danken wir Gerhardt Bollardt, ORF Wien.

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Neutralität Die Neutralität hätte Österreich aus einem militärischen Ost-West-Konflikt herausgehalten. Das ist einer der populärsten Irrtümer hierzulande, und die Politik hat bisher wenig getan, um ihn zu entkräften. Es sind in erster Linie zwei Punkte, die man den Österreicherinnen und Österreichern lange nicht klarzulegen wagte: zum einen die strategische Bedeutung unseres Staatsgebiets, dessen westlicher Teil die beiden NATO-Partner Deutschland und Italien trennt, zum anderen die bescheidene Verteidigungsfähigkeit Österreichs (dessen Neutralität ausdrücklich eine bewaffnete ist), die in US- und in NATO-Kreisen übereinstimmend mit etwa einem Tag eingeschätzt wurde. Die sowjetischen Beistandsangebote für den Fall von Neutralitätsverletzungen durch NATO-Verbände, sei es in der Luft oder auf dem Boden, sind uns ja noch gut in Erinnerung. Sie wurden von der österreichischen Regierung zwar unverzüglich und erschrocken abgelehnt, führten andererseits aber zu keinen nennenswerten Steigerungen der eigenen Verteidigungsbereitschaft. Nach dem Zerfall des Sowjetimperiums haben sich die Panzerschränke des Warschauer Paktes geöffnet und anhand der darin vorgefundenen operativen Planungen lässt sich feststellen, dass die Ostblock-Strategen unser Land im Fall eines großen Ost-West-Konflikts als Teil eines südwestlichen Kriegsschauplatzes gesehen hätten. Vor allem ungarische Truppen wären in südwestlicher Richtung durch Österreich nach Oberitalien marschiert, und in den Norden und Osten unseres Landes wären Verbände der Zentralgruppe des Warschauer Paktes eingedrungen, um in den Rücken der NATO-Verteidigung gegen die Hauptmacht der Ostblock-Truppen zu gelangen. Weitere Ziele waren die jugoslawische und die italienische Grenze. Die jugoslawischen Abwehrplanungen sahen für diesen Fall vor, dem Angreifer offensiv zu begegnen. Der ehemalige österreichische Verteidigungsminister Georg Prader erzählte gern im kleinen Kreis, der jugoslawische Staatspräsident Tito habe ihm auf die Frage, wie sein Land auf eine solche Bedrohung reagieren würde, lächelnd geantwortet: „Wir würden die sowjetischen Panzer sicherlich nicht erst an unseren Grenzen erwarten.“ Teile des österreichischen Staatsgebietes wären dann zweifellos Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen Ostblock-Truppen und jugoslawischen Verteidigern geworden.

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Die Angriffspläne des Warschauer Pakts für einen Krieg in Europa

Die Schlussfolgerungen aus österreichischer Sicht sind düster: Entweder hätte sich die schwache österreichische Verteidigung einem in jeder Hinsicht überlegenen Gegner im Sinn der bewaffneten Neutralität mit leicht vorhersehbarem Ergebnis in den Weg gestellt, oder die Masse der Verteidiger wäre ins Gebirge zurückgewichen und hätte so dem Neutralitätsverletzer erst recht jene Ost-West- und Nord-Süd-Verbindungen überlassen, deren Inbesitznahme Teil seiner Operationspläne war. Dass die NATO dann in ihrer Bedrängnis und ohne auf einen Bündnispartner Rücksicht nehmen zu müssen, Atomwaffen auf österreichischem Territorium eingesetzt hätte, um einen Angriff des Warschauer Paktes auf Österreich zu stoppen, ist anhand vieler Indizien und Hinweise nicht auszuschließen. Dass auch die andere Seite ohne zu zögern atomare Kampfmittel angewendet hätte, bestätigt der ehemalige Generaloberst der

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Sowjetarmee, Akademiker Andrian Danilewitsch, in einem Interview für die ORF-Fernsehserie „Österreich II“: Die in sieben Brigaden aufgeteilten 40.000 Mann österreichischer Truppen habe man für keinen ernstzunehmenden Gegner gehalten, außerdem seien die wichtigsten militärischen Objekte in Österreich als atomare Ziele betrachtet worden – mit einer Ausnahme: „In allen Planungen und Berechnungen war Wien, Österreichs Kulturzentrum und Metropole, als Kernwaffenziel ausgenommen. Teilweise spielten hier humanitäre, aber auch militärstrategische Überlegungen eine Rolle. Wien liegt in unmittelbarer Nähr der ungarischen Grenze […] es ist doch vernünftiger, Wien fast unversehrt im Sturm zu nehmen, als die Stadt als radioaktiven Trümmerhaufen in die Hand zu bekommen.“ Die Wirklichkeit des Krieges hätte dem Mythos vom neutralen Österreich als Insel der Seligen ein schnelles, aber kein gnädiges Ende bereitet. Literatur: In einer hervorragend dokumentierten Studie hat der Historiker Univ.-Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner, Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, die Position Österreichs #ah aus eigenen Stücken neutralem Staat in der Ära des „Kalten „ Krieges dargestellt: Manfried Rauchensteiner: „Österreich und die NATO – ein historischer Rückblick“, in: „Truppendienst – Zeitschrift für Führung und Ausbildung im Österreichischen Bundesheer“, Nr. 249 Heft 4/2000. Dr. Hugo Portisch, oftmals ausgezeichneter Gestalter von „ Österreich II“, hat uns dankenswerterweise den Ausschnitt aus dem Interview mit Generaloberst Danilewitsch überlassen. Dieser Teil des Interviews wurde bisher nicht gesendet und an dieser Stelle zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Den Hinweis auf die Äußerungen Marschall Titos verdanken wir dem Bericht des Klagenfürter Altbürgermeisters Leopold Guggenberger, Prader habe sie ihm persönlich erzählt. Niesen Wenn jemand niest, ist es ein Gebot der Höflichkeit, „Gesundheit!“ zu sagen. Die „Hüter des guten Benehmens“ bekämpfen diesen Brauch schon seit Jahrzehnten: Wenn jemand niest, sagt man in der gehobenen Gesellschaft weder „Gesundheit!“, noch „Zum Wohl!“, noch „Helf Gott!“, noch sonst irgendetwas. Man ignoriert die Sache einfach. Es gibt übrigens auch für die niesende Person eine Benimm-Regel. Wer

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einen Niesreiz verspürt, nimmt mit der Linken ein Taschentuch und hält es sich zur Nase. Die linke Hand nimmt man deshalb, weil die rechte die „Grußhand“ ist. Dass man versuchen sollte, das Niesen so geräuscharm wie nur möglich abzuwickeln, versteht sich von selbst. Der oder die Niesende muss sich auch nicht für das Niesen entschuldigen. Wenn jemand trotz alledem „Gesundheit!“ sagt, bedankt man sich dafür. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Thomas Schäfer-Elmayer, Wien.

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o

„Die Wahrheit ist doch nur die beste Lüge. „

Helmut Eisendle

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Oberösterreich Der Sitz der Oberösterreichischen Regierung war immer Linz. Die „Oberösterreichische Regierung“ ist nicht mit der heutigen „Oberösterreichischen Landesregierung“ zu verwechseln. Die erstgenannte war eine Behörde mit Sitz in Innsbruck und nicht, wie wir es heute erwarten würden, in Linz. Kaiser Maximilian I. (1493-1519) teilte seine Erbländer in eine „niederösterreichische“ Ländergruppe (Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Krain) und eine „oberösterreichische“ (Tirol und die Vorlande). Für beide ließ er jeweils eine eigene Regierung und auch eine Kammer (Finanzverwaltung) einrichten. Die Verwechslung zwischen der damaligen „Oberösterreichischen Regierung“ in Innsbruck und unserer heutigen „Oberösterreichischen Landesregierung“ in Linz bekommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Oberösterreichischen Landesarchivs bis zum heutigen Tag zu spüren. Bei ihnen landen immer wieder historische Anfragen, die eigentlich für Innsbruck bestimmt sind. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, Linz. Olivenöl Braten mit Olivenöl ist besonders gesund. Diesem mediterranen Wundermittel werden bekanntlich zahlreiche positive Wirkungen nachgesagt. Durch die besondere Fettsäurenzusammensetzung und seinen Gehalt an zellschützenden Antioxidantien beugt Olivenöl gegen Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes und manche Krebsarten vor. Britische Forscher etwa konnten nachweisen, dass das Öl Einfluss auf die Gallensäuresekretion hat und daher gegen Dickdarmkrebs schützen kann. Eine andere Studie zeigte, dass Olivenöl auch die Gehirnleistungen von älteren Menschen in geradezu unglaublicher Weise verbessert. Bei einem Konsum von täglich #Vs Liter verbesserten sich Konzentration und Merkfähigkeit signifikant. Kalt gepresstes Olivenöl ist ideal für Salate. Zum Braten eignet es sich allerdings nur dann, wenn es lediglich kurz erhitzt wird, da sich die ungesättigten Fettsäuren ab einer Temperatur von 190 Grad zersetzen – und das ist alles andere als gesund.

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Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Orange In Deutschland sagt man Apfelsine, in Österreich Orange. Für die Ausdrücke „Paradeiser“ und „Tomate“ mag eine derartige Simplifizierung im Großen und Ganzen ihre Richtigkeit haben, nicht aber für „Orange“ und .Apfelsine“. Die in diesem Fall relevante Sprachgrenze ist nicht in Walserberg und Kiefersfelden anzusiedeln, sie verläuft vielmehr entlang des Mains. Mundartforscher haben festgestellt, dass man nördlich der Main-Grenze in der Umgangssprache eher .Apfelsine“ sagt, und südlich davon, also nicht nur in Österreich, sondern auch in Bayern, eher Orange. Dabei wurde früher im Süden Deutschlands Apfelsine und im Norden Orange als das jeweils Höherwertige angesehen. Das ungewöhnliche Wort wurde also für „höhere“ Verwendungsweisen reserviert. So nimmt es nicht wunder, dass die Bezeichnung „Orange“ inzwischen im gesamten deutschen Sprachraum populär geworden ist – wohl auch deshalb, weil im Englischen der gleiche Begriff verwendet wird (man denke an orange juice oder Wodka orange). Das Wort „Orange“ wurde im 17. Jahrhundert aus dem Französischen (pomme d’orange) entlehnt, wobei dieser Ausdruck – über das Spanische und Arabische – aus dem Persischen kommt. Der Begriff „Apfelsine“ gelangte im 18. Jahrhundert aus dem Niederdeutschen ins Hochdeutsche. Vorbild war der französische Ausdruck pomme de Sine (= Apfel aus China). Literatur: Werner König: „dtv-Atlas Deutsche Sprache“, Deutscher Taschenbuchverlag, 13. Auflage, München 2001, S. 238. ORF l Die Rundfunkgebühr kommt dem ORF zugute. Wenn dies stimmen würde, wäre der Kaufmännische Direktor des ORF mancher Sorgen ledig. In Wirklichkeit setzt sich das, was wir gemeinhin als

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Rundfunkgebühr bezeichnen, aus verschiedenen Beträgen zusammen. Ein Teil davon sind die Radio- und die Fernsehgebühr. Diese fließen dem Bund zu und werden an den Finanzminister abgeführt. Jener Teil, der dem ORF zugute kommt, ist das so genannte Programmentgelt. Neben der Radio- und der Fernsehgebühr geht auch der so genannte Kunstforderungsbeitrag an den Bund. Er wird im Verhältnis 70 zu 30 zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Vom Bundesanteil gehen wiederum 85 Prozent an das Bundeskanzleramt und 15 Prozent an das Bildungsministerium. Die Landesabgabe, die zusammen mit der Rundfunkgebühr eingehoben wird, ist je nach Bundesland unterschiedlich hoch, zweckgebunden und fließt dem jeweiligen Landesbudget zu. Oberösterreich und Vorarlberg heben keine Landesabgabe ein, die höchste Landesabgabe verlangt Kärnten mit 4,10 Euro pro Monat. Wien NÖ Bgl

d. OÖ Sbg

. Stmk.

Ktn. Tirol Vlbg.

Radiogebühr 0,36 0,36

0,36 0,36

0,36

0,36 0,36

0,36

0,36

Fernsehgebühr

1,16 1,16

1,16 1,16

1,16

1,16 1,16

1,16

1,16

Programmentgeld

14,03

14,03

14,03

14,03

14,03

14,03

14,03

14,03

14,03

Kunstförderung

0,48 0,48

0,48 0,48

0,48

0,48 0,48

0,48

0,48

Landesabgabe

2,83 2,90

1,40 0,00

2,30

3,50 4,10

2,30

0,00

Gesamt 18,86

18,93

17,43

16,03

18,33

19,53

20,13

18,33

16,03

Rundfunkgebühr für Radio und Fernsehen (Kombi), Stand l. März 2002, Angaben in Euro (monatlich)

Durchschnittlich beträgt die Rundfunkgebühr in Österreich für die Kombination von Radio und Fernsehen 18,36 Euro pro Monat (inklusive Mehrwertsteuer). Da der ORF vom Programmentgelt auch die Einhebung der Rundfunkgebühr finanzieren muss und der Finanzminister über die Mehrwertsteuer ein zweites Mal „mitnascht“, verbleiben dem ORF von seinem Programmentgelt nur 12,19 Euro, das entspricht rund zwei Drittel der Rundfunkgebühr. Mit diesem Rest finanziert der ORF u. a. Eigen- Produktionen, Sendeanlagen, Landesstudios, technische Ausstattung und Lizenzen.

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Literatur: Franz Ferdinand Wolf „25 Jahre ORF 1975-2000“, Residenz Verlag, Salzburg 2001, die Angaben finden sich auf der Website der Gebühren Info Service GmbH (GIS) http://members.orf.at; die GIS steht zu 100 Prozent im Besitz des ORF und ist als „geliehenes Unternehmen „ (de facto eine Außenstelle des Bundesministeriums für Finanzen) für die Einbringung und Verteilung der Rundfunkgebühren zuständig. ORF 2 Der Ton von Werbesendungen im Fernsehen ist deutlich lauter als der der übrigen Programme. Darüber beschweren sich Fernsehzuschauer seit Jahren und sind verärgert, weil ihre Beschwerden offenbar nicht ernst genommen werden. De facto ist das Problem der Messbarkeit der empfundenen Lautstärke nicht hundertprozentig lösbar – eine rein physikalische Messung, die dem Tontechniker selbstverständlich zur Verfügung steht, reicht dafür nicht aus. Um dem Problem wenigstens einigermaßen beizukommen sind die Techniker im ORF angewiesen, während der Werbesendungen den Tonpegel um mindestens zehn Dezibel abzusenken und diese Maßnahme nach eigener Beobachtung zu ergänzen. Die Empfindung, der Ton der Werbesendungen sei lauter, ist ein psycho-akustisches Phänomen, zu dem viele Faktoren beitragen, wie z. B. die elektrische Spannung des Signals (also des übertragenen Programms), das Signal selbst (Musik und Sprache werden bei gleichem Spannungswert verschieden laut empfunden) und die Geräusche der Umgebung. Für Informationen zu diesem Irrtum danken wir Gerhardt Bollardt, ORF Wien. Ostmark „Ostmark“ war nach dem Anschluss an das Deutsche Reich von 1938 bis 1945 die amtliche Bezeichnung für Österreich. Diesen Irrtum findet man beispielsweise im Internet-Lexikon „wissen.de“. In der Tat war der Name „Ostmark“ ab 1938 als Gesamtbezeichnung für Österreich vorgeschrieben. Allerdings nicht bis 1945. Denn im August 1942

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wurde diese Bezeichnung abgeschafft und durch die Sammelbezeichnung „Alpen- und Donaureichsgaue“ ersetzt. Allerdings galt ohnedies der Grundsatz, dass Sammelbezeichnungen für das österreichische Territorium möglichst vermieden werden sollten. Wenig bekannt ist auch, dass einige österreichische Institutionen den Begriff „Österreichisch“ durch die ganze NS-Zeit bewahren konnten, z. B. der „Österreichische Bundesverlag“ als „Österreichischer Landesverlag“ oder die „Erste Österr. Spar-Casse“. Der Name „Ostmark“ ist im 19. Jahrhundert für die mittelalterliche Mark der Babenberger aufgekommen und wurde von den Nationalsozialisten für Österreich verwendet. Literatur: Richard G. Plaschka, Gerald Stourzh, Jan Paul Niederkorn (Hrsg.): „ Was heißt Österreich? Inhalt und Umfang des Österreich-Begriffs vom 10. Jahrhundert bis heute „, ^Archiv für österreichische Geschichte“, Bd. 136, Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1995, S. 32 und S. 305; die richtige Definition des Begriffes „Ostmark“ sowie eine genaue Darstellung, wie die Grenzen der „Gaue“ verliefen, findet sich im österreichischen Internet-Lexikon „allaboutaustria“ unter http://www.allaboutaustria.at:81/aeiou.encyclop.o/o 657342.htm.

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P

„Den Leuten ein X für ein U vormachen - wo ist die Zeitung, die diesen Druckfehler zugäbe?“

Karl Kraus

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Pappenstiel Das Wort „Pappenstiel“ kommt von Pappe. Wenn etwas „keinen Pappenstiel“ wert ist, dann ist es ganz und gar wertlos. Es wäre also nur logisch, dass sich das Wort „Pappenstiel“ von dem Billigprodukt Pappe ableitet. Dem ist aber nicht so. „Pappenstiel“ ist eine niederdeutsche Bezeichnung für Löwenzahn. Gemeint sind die abgeblasenen Blütenstände, die kahl wie der Schädel eines Pfaffen (mit Tonsur) sind. Der Samenstand des Löwenzahns galt lange als Bild der Vergänglichkeit, weil er so leicht abzublasen ist. Sind die Samen einmal abgeblasen, gilt der verbleibende kahle Stiel als wertlos. Literatur: Walter Krämer, Götz Trenkler und Denis Krämer: „Das neue Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, München 2000, S. 255; Friedrich Kluge: „Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache“, .23. erweiterte Auflage, bearbeitet von Elmar Seebold, Verlag De Guyter, Berlin/New York 1995, S. 611. Parken Wer sein Auto länger als 72 Stunden parkt, kann bei nachträglicher Einrichtung eines Parkverbots abgeschleppt werden. Der Ursprung dieses 72-Stunden-Irrglaubens ist nicht festzustellen. Tatsache ist, dass man sein Fahrzeug uneingeschränkt lang auf öffentlichen Verkehrsflächen parken darf- sofern keine Parkbeschränkungen (etwa Kurzparkzonen oder Halte- und Parkverbote) bestehen. All jene, die auf Urlaub fahren und ihr Fahrzeug dann zwei oder drei Wochen an der gleichen Stelle vor dem Haus stehen lassen, müssen daher keine Sorge haben. Wer sein Auto ordnungsgemäß abgestellt hat, kann auch nicht zur Zahlung des Abschleppens verpflichtet werden, wenn beispielsweise nachträglich wegen einer Baustelle ein Halteverbot eingerichtet wird. Literatur: Straßenverkehrsordnung § 89a Abs. 7 (erster Satz), im Internet auffolgender Website zu finden: http//www.ris.bka.gv.at. Klicken Sie auf „Bundesrecht“ und geben Sie in das Feld „Kurztitel“ StVO ein; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. RudolfHellar, AutoMotor- und Radfahrerbund Österreichs (ARBÖ), Wien.

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Personalausweis Wenn man aus Österreich in ein anderes Schengen-Land reist, muss man keinen Ausweis bei sich fuhren. Diese Meinung ist häufig anzutreffen – um festzustellen, dass sie irrig ist, genügt es, sich mit der Regelung der Ausweispflicht in Österreich selbst vertraut zu machen. Es ist richtig, dass in Österreich Inländer grundsätzlich keinen Ausweis mit sich fuhren müssen. Spätestens wenn jemand bei der Begehung einer Gesetzesübertretung ertappt wird, ist jedoch ein Ausweis ratsam. In solchen Fällen kann man vorübergehend festgenommen werden, falls die Identität nicht anderweitig (z. B. durch den Führerschein) feststellbar ist. Fremde, d. h. all jene, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind hingegen grundsätzlich ausweispflichtig. Manche brauchen nur einen Personalausweis, andere zusätzlich auch ein Visum. EU-Bürger müssen in Österreich nur einen Personalausweis, kein Visum, bei sich haben – und dasselbe gilt umgekehrt für Österreicher in einem anderen EU-Land. Ein Österreicher muss daher beispielsweise in Deutschland sehr wohl einen Personalausweis oder einen Reisepass bei sich haben. Der Führerschein gilt in diesem Fall – anders als wir es gewöhnt sind – nicht als Nachweis der Identität. Doch nicht nur von Seiten des jeweiligen Aufenthaltslandes kann man Schwierigkeiten bekommen, wenn man kein Personaldokument bei sich führt: Auch wenn ein solches für den Grenzübertritt an sich nicht notwendig ist, ist es nach österreichischem Recht strafbar, wenn man im Ausland keinen Personalausweis oder keinen Reisepass mitfuhrt. Die neu eingeführte Identitätskarte reicht dafür nicht, sie gilt nur als Ausweisdokument innerhalb Österreichs und stellt keinen Ersatz für Personalausweis oder Reisepass dar. Folgender Fall ist tatsächlich passiert: Ein österreichisches Urlauberehepaar hatte eine Autopanne auf bayerischem Gebiet, im sogenannten Deutschen Eck. Eine Polizeistreife kam vorbei und kontrollierte die Papiere. Es stellte sich heraus, dass die beiden Österreicher nur den Führerschein bei sich hatten, keinen Personalausweis, keinen Reisepass. Daraufhin mussten sie eine Strafe von heute umgerechnet je 350 Euro bezahlen. Gleichzeitig haben sie eine Übertretung des österreichischen Passgesetzes begangen, das heißt, sie liefen Gefahr, ein zweites Mal bestraft zu werden, doch wurde dieses Vergehen von den österreichischen Behörden nicht verfolgt.

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In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, dass Schengen-Staaten vorübergehend wieder Grenzkontrollen einfuhren dürfen. Derartige Kontrollen gab es beispielsweise an der österreichisch-italienischen Grenze im Sommer 2001 während des G-8-Gipfels in Genua. Fazit: Wenn Sie innerhalb der EU unterwegs sind, egal ob mit Auto, Bahn oder Flugzeug, sollten Sie immer einen Personalausweis bei sich haben. Diesen gibt es seit Jänner 2002 im Scheckkartenformat, d. h. man kann ihn bequem immer bei sich führen. Mit diesem Personalausweis können Sie auch die Grenzen zu jenen EU-Ländern überschreiten, die dem Schengen-Abkommen noch nicht beigetreten sind. Außerdem kann er als Einreisedokument für zahlreiche weitere Staaten verwendet werden, darunter befinden sich beispielsweise Ungarn, Slowenien und Kroatien. Für Informationen zu diesem Irrtum danken wir MR Dr. Heinrich Pawlicek, Wien, und Mag. Valentin Wedl, Kammer für Arbeiter und Angestellte, Wien; Informationen zu Identitätskarte, Personalausweis und Reisepass finden Sie unter http:/lwww.help.gv.at/3/030900_f.html. Pfifferling Das Wort „Pfifferling“ ist ein Teutonismus. „Der Österreicher unterscheidet sich vom Deutschen durch die gemeinsame Sprache.“ Dieser Satz, der fälschlicherweise Karl Kraus zugeschrieben wird – wie wir im ersten Band des Lexikons der populären Irrtümer Österreichs zeigen konnten – drückt die Sorge der Österreicher um die sprachliche Identität aus. Dabei schießen wir manchmal auch übers Ziel. So ist beispielsweise das Wort „Pfifferling“ keineswegs ein Teutonismus, wie immer wieder zu hören und zu lesen ist. Der Ausdruck „Pfifferling“ („Pfefferschwamm“) findet sich seit langem in den verschiedenen Mundarten von Tirol bis Oberösterreich, ist also keineswegs auf Deutschland beschränkt. Ein Mundartwörterbuch der Akademie der Wissenschaften erwähnt Belegstellen im Zillertal, in Kufstein, im Oberpinzgau, im oberösterreichischen Salzkammergut und in Teilen der Steiermark. Wohl deshalb ist die Redewendung „keinen Pfifferling wert sein“ auch bei uns so gebräuchlich. Wer glaubt, aus Gründen der österreichischen Selbstbehauptung statt „Pfifferling“ immer „Eierschwammerl“ sagen zu müssen, ist also auf dem Holzweg.

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Literatur: „Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich“, Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1977, S. 59; für Informationen zu diesem Irrtum danken wir Dr. Herbert Fussy und Prof. Sigmar Grüner, Wien. Pflanzen Pflanzen können nicht kommunizieren. Pflanzen können weder sehen noch hören, aber trotzdem können sie Signale senden, die von anderen Pflanzen verstanden werden. Manche Pflanzen z. B. verströmen, um andere Pflanzen zu warnen, flüchtige Stoffe wie Alkohole oder Stickoxide, auf die dann die Empfänger der Botschaft chemisch reagieren. Bestimmte in Afrika heimische Akazienarten etwa, die von Antilopen oder Giraffen angeknabbert werden, senden ein Signalgas aus, das, mit dem Wind getrieben, andere Akazien vor den Blätterdieben warnt. Die gewarnten Pflanzen erzeugen dann binnen weniger Minuten große Mengen von – für die Antilopen und Giraffen – hochgiftigem Tannin in ihren Blättern; sollten die Tiere dennoch an den Blättern knabbern, müssen sie nach wenigen Tagen an Leberversagen sterben. Auch andere Pflanzen bleiben über derartige chemische Kanäle in Kontakt. Ein überreifer Apfel steckt andere Äpfel an; reife Tomaten sagen anderen Tomaten: „Jetzt wird’s Zeit“, und wenn im Herbst in einem Laubwald alle Bäume gleichzeitig die Blätter fallen lassen, ist das auch kein Zufall: Die Bäume haben das im wahrsten Sinne miteinander abgesprochen… Literatur: Walter Krämer, Götz Trenkler undDenis Krämer: „Das neue Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, München 2000, S. 260; J. M. Pelt: „Les langages secrets de la nature“, Paris 1996; „Sprache der Pflanzen ist chemischer Natur“, in: „Die Welt“ vom 27. August 1997. Platzangst Die Angst vor engen Räumen nennt man Platzangst. „Ich habe Platzangst – deshalb will ich im Kino nicht in der Mitte einer Reihe sitzen!“ So haben wir es schon oft gehört oder auch selbst gesagt. Die Angst vor zu wenig Platz, vor engen oder geschlossenen Räumen wird meist als „Platzangst“ bezeichnet. Korrekterweise müsste man in diesem Zusammenhang jedoch von „Klaustrophobie“ sprechen. Tatsächlich ist Platzangst, griechisch Agoraphobie, jene neurotische Erscheinung, die etwa in der Furcht vor dem Überschreiten großer,

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freier Plätze besteht – sie ist also das genaue Gegenteil von dem, was gemeinhin angenommen wird. Literatur: Walter Krämer, Götz Trenkler und Denis Krämer: „Das neue Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, München 2000, S. 263. Prosecco Prosecco war schon immer der Name für ein perlendes Getränk. Prosecco ist keine spezielle Art von Sekt oder Schaumwein, sondern eine Rebsorte – ähnlich wie Grüner Veltliner, Riesling oder Chardonnay. Da vor allem im Veneto aus der Prosecco-Traube ein vinofrizzante hergestellt wird, glauben viele Italien-Urlauber, dass Prosecco ein Synomym für „Frizzante“ ist. Inzwischen ist auch die Mehrheit unserer Gastronomen zu diesem Begriff übergeschwenkt – er wird damit aber um nichts richtiger. In der Tat werden aus der Prosecco-Traube sowohl normale Weine (Stillweine) als auch jene prickelnden „In“-Getränke hergestellt, die man heute gern „Frizzante“ nennt. (Die exakte Bezeichnung nach dem österreichischen Weingesetz müsste Perlwein lauten, aber das klingt wohl nicht pfiffig genug, weshalb man auf die italienische Bezeichnung zurückgreift.) Ein vino frizzante oder Perlwein kann auf zweierlei Art hergestellt werden: Man kann Wein künstlich mit Kohlensäure versetzen (dann muss auf dem Etikett „mit Kohlensäure versetzt“ stehen) oder man gibt dem Grundwein Zucker und Hefe bei, damit eine zweite Gärung stattfindet. Allerdings verwendet man weniger Zucker und Hefe als bei der Herstellung von Sekt, so dass der Druck 2,5 bar bei 20 Grad Celsius nicht überschreitet. Frizzante wird üblicherweise anders verkorkt als Sekt – aus steuerlichen Gründen. Würde man einen Frizzante mit einem klassischen Sektkorken samt Halterung versehen, so fiele Schaumweinsteuer an. Aber wer zahlt schon gerne Steuer? So wird das perlende Getränk entweder mit einem Drehverschluss oder mit einem speziellen Naturkorken versehen, der dem Flaschenmündungsverlauf angepasst ist. Dieser Korken darf oberhalb der Flasche nicht mehr als sieben Millimeter in die Höhe ragen – auch dabei war der Gesetzgeber recht penibel. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Hans & Karl Inführ von der Sektkellerei Inführ, Klosteneuburg.

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Q

„In einem guten Buch stehen mehr Wahrheiten, als sein Verfasser hineinzuschreiben meinte.“

Marie von Ebner Eschenbach

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Quantensprung Ein Quantensprung ist riesengroß. „Die Einführung der E-Card anstelle des Krankenscheins ist für die Verwaltung der Sozialversicherung ein ,Quantensprung’ und großer Modernisierungsschub“, meinte Hauptverbandssprecher Josef Kandlhofer laut Standard. Johannes Huber, der Vorsitzende der Ethikkommission, konstatierte „einen Quantensprung“ bei der Therapie mit Stammzellen. Mit dem selben Begriff bezeichnete die Direktorin des Wiener Freud-Museums, Inge Scholz-Strasser, die Einrichtung eines Vortragssaales. Und für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel war die von der EU in Aussicht gestellte Verlängerung des Ökopunktesystems „ein Quantensprung für die österreichische und europäische Verkehrspolitik“. Lesen wir diese Zitate im Zusammenhang, so können wir die folgende Definition erschließen: Ein Quantensprung ist ein großer, in relativ kurzer Zeit stattfindender Fortschritt, der sich eher auf qualitativer als auf quantitativer Ebene abspielt. Es handelt sich ungefähr um das, was früher als „Durchbruch“ oder „Meilenstein“ bezeichnet wurde. Ulrich Werner, 30 Jahre lang als Prüfer von Patenten tätig, betreibt eine Webseite, auf der er die Widersinnigkeit des Wortes „Quantensprung“ erläutert und mit einfachen Worten erklärt, was ein Quantensprung in der Physik wirklich ist. Ihm wollen wir hier bei unserem kurzen Ausflug in die Wissenschaftsgeschichte folgen. Vor dem 1. Weltkrieg begründeten Max Planck, Albert Einstein und Niels Bohr die Quantentheorie der Materie, die so genannte „alte“ Quantentheorie. Diese wurde etwa um 1926 von einer neuen, verbesserten Fassung abgelöst, die auf Werner Heisenberg und andere Physiker – darunter wiederum Niels Bohr – zurückgeht. Die Grundlage der ersten Fassung bildete das Bohrsche Atommodell, das Sie vielleicht aus dem Physikunterricht kennen. In diesem Modell umkreisen negativ geladene Elektronen auf bestimmten Bahnen den elektrisch positiven Atomkern, der aus Protonen und Neutronen zusammengesetzt ist; das Ganze erinnert an ein winziges Planetensystem. Abhängig von der Verteilung der Elektronen auf die einzelnen Umlaufbahnen kann das Atom in verschiedenen Energiezuständen existieren und beim Übergang von einem hohen zu einem niedrigeren Zustand strahlt es ein Lichtquant aus, sozusagen eine kleine Energieportion. Umgekehrt führt die Aufnahme eines Quants dazu, dass das Atom auf ein höheres Energieniveau angehoben wird. In den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts bürgerte sich unter den Physikern für diese Übergänge zwischen verschiedenen Energiezuständen die Bezeichnung „Quantensprung“ ein.

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Max Planck entdeckte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, dass im mikrophysikalischen Bereich Energie nicht kontinuierlich ausgetauscht wird, sondern immer nur unstetig in ganzzahligen Vielfachen von kleinen „Paketen“, eben in Quanten. Ein Quant ist die kleinstmögliche Energiemenge. Diese ist das Produkt aus der Frequenz einer elektromagnetischen Strahlung und dem Planckschen Wirkungsquantum „h“. Wenn die den Atomkern umkreisenden Elektronen durch Energiezufuhr – zum Beispiel durch Strom im Fall der Glühbirne – Energie quantenweise aufnehmen und dabei in einen „angeregten“ Zustand versetzt werden, dann geben sie diese Energie in Form von Quanten wieder ab, in diesem Fall als Lichtquanten, Photonen. Die bestrahlte Substanz leuchtet, der Glühfaden gibt Licht. Der Übergang des einzelnen Elektrons in den angeregten Zustand und der Rückfall in den Normalzustand geschieht sprunghaft unter Aufnahme oder Abgabe eines Energiequants. Dass der Begriff „Quantensprung“ so häufig falsch gebraucht wird, hat vielleicht auch mit seiner Verwendung im Englischen zu tun: Die englischen Ausdrücke quantumjump und quantum leap sind sehr anschaulich, bedeutet doch quantum im Englischen „groß“. Ein quantumjump lässt sich also wörtlich als „großer Sprung“ deuten. Dazu kommt der Bezug zu einer geheimnisvollen wissenschaftlichen Theorie, was den Reiz der Bezeichnung sicher nicht kleiner macht. Zitate wie die von uns oben angeführten sind sehr häufig. Bei solcher Rede geht es fast immer um qualitative Veränderungen. Wie aber schon der Name verrät, handelt es sich beim Quantensprung um einen quantitativen Vorgang. Kommentar Ulrich Werner: „Zum gedankenlosen ,Quanten-sprung’ im Gerede setzt an, wer nicht weiß, wovon er redet. Die Erklärungen und Erläuterungen des Begriffes „Quanten-sprung“ lassen erkennen, dass es sich bei ihm um einen ziemlich komplizierten und für den Laien kaum verständlichen Vorgang im atomaren Bereich handelt. Einmal verwendet und gehört reizt er zum Erwecken des Anscheins umfassender Bildung zum Wiederverwenden, ohne zu bedenken, dass er genau das Gegenteil vom dem aussagt, was gemeint ist.“ Literatur: Zur Geschichte dieses Ausdrucks und seiner missbräuchlichen Verwendung siehe http://www.ulrich-werner.de/quantensprung.htm. Quiz l

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Bei „Money Maker“ braucht sich der zweite Telefonkandidat nicht um die Antwort des ersten zu kümmern. Die ORF-Sendung „Money Maker“, die jedes Jahr in den Sommermonaten läuft, hat zwei Attraktionen: Ein Kandidat, der das richtige Rubbellos gekauft hat oder in einem Zusatzverfahren gezogen worden ist, kann im Windkanal Geldscheine aufsammeln, wobei am Schluss ein wahrer Geldregen auf ihn herabprasselt; anschließend dürfen zwei weitere Kandidaten am Telefon raten, wie viel Geld der Glückliche ergattert hat. Wer näher an das Ergebnis herankommt, gewinnt einen Goldenen „Wiener Philharmoniker“. Derartige Spiele funktionieren nach eigenen Gesetzen, genauso wie die Fragen in der Sendung „Willkommen Österreich“ nach dem Muster „Raten Sie einmal, wie viel Gramm Zimt sich in dieser Schale befindet?“ Wie sieht die optimale Strategie für den ersten Telefonkandidaten bei „Money Maker“ aus? Hat er die Sendung noch nie gesehen, muss sich „der Kandidat auf Leitung l“ ganz auf seine Intuition verlassen und raten. Seine Chancen verbessern sich, wenn er frühere Sendungen verfolgt hat. Im Idealfall sollte er diese Ergebnisse notieren und den Mediän berechnen. (Der Mediän ist jener Betrag, bei dem 50 Prozent der Ergebnisse darunter und 50 Prozent darüber liegen – man schreibt einfach alle bisherigen Ergebnisse der Größe nach geordnet auf einen Zettel, z.B. 10.550 Euro, 7.500 Euro, 7.050 Euro, 6.500 Euro, 6.450 Euro, der „mittlere Wert“, nämlich in diesem Fall 7.050 Euro, ist der Mediän.) Der Kandidat auf „Leitung 2“ hat eine andere Aufgabe. Für ihn geht es darum, ob der erste Kandidat in seiner Schätzung zu niedrig oder zu hoch gegriffen hat. Will der zweite Kandidat seine Chancen optimieren, darf er nicht eine beliebige niedrigere oder höhere Zahl nennen, sondern er muss wie folgt vorgehen: Glaubt er, der erste Kandidat hat zu niedrig gegriffen, so nennt er als Antwort eine um eine Einheit höhere Zahl als dieser; glaubt er, der erste Kandidat hat zu hoch gegriffen, so nennt er eine um eine Einheit niedrigere Zahl als dieser. Jede andere Vorgangsweise schmälert die Gewinn-chancen, wie wir anhand eines Beispiels zeigen wollen.

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„Money Maker’’-Kandidatin mit ihrem Gewinn

Bleiben wir bei der Frage „Wie viel Euro hat der Kandidat im Windkanal ergattert?“ Dazu muss man zunächst wissen, welche Geldscheine im Windkanal herumschwirren: Es sind Fünfzig-Euro-Scheine, Hundert-Euro-Scheine und Fünfhundert-Euro-Scheine. Die kleinste Einheit ist also der Fünfzig-Euro-Schein. (Ein Goldschein mit der Aufschrift „Money Maker“ verdoppelt den Gesamtbetrag, doch darauf wollen wir bei unserem Beispiel zunächst nicht eingehen.) Nehmen wir an, der erste Telefonkandidat schätzt, es seien 7.350 Euro gewesen. Wie wirken sich unterschiedliche Antworten des zweiten Kandidaten aus? Hier zunächst ein Überblick über die möglichen Antworten des zweiten Kandidaten im Bereich 7.350 Euro bis 7.700 Euro: 7.350 7.400 7.450 7.500 | 7.550 7.600 7.650 7.700 Mit der Antwort „7.400 Euro“ gewinnt der zweite Kandidat, wenn im Windkanal 7.400 Euro oder mehr einen neuen Besitzer gefunden haben. Mit der Antwort „7.700 Euro“ gewinnt der zweite Kandidat hingegen nur dann, wenn das Ergebnis im Windkanal 7.550 Euro oder mehr gelautet hat. War das Ergebnis 7.400, 7.450 oder 7.500 Euro, so hat der zweite Kandidat verloren und das, obwohl er erkannt hat, dass der erste Kandidat

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zu niedrig lag. Anders betrachtet: Nehmen wir an, der erste Kandidat hat „7.350 Euro“ gesagt und es sind 7.550 Euro gewesen. Egal ob der zweite Kandidat 7.550, 7.600, 7.650 oder 7.700 Euro sagt, er gewinnt in Gleicherweise die Goldmünze. Die Regeln von „Money Maker“ sehen also keinen höheren Gewinn vor, wenn man an das richtige Ergebnis besonders nahe herankommt. Wie nahe man auch entfernt liegt, man kann nicht mehr als den Goldenen „Wiener Philharmoniker“ gewinnen. Hat der Kandidat im Windkanal auch den goldenen Verdoppel-ungsschein erwischt, dann ist die kleinste Einheit nicht 50 Euro, sondern 100 Euro. Hat der zweite Telefonkandiat das Gefühl, dass der erste mit seiner Schätzung zu niedrig lag, sollte er deshalb einen um 100 Euro höheren Betrag nennen, ist er der Auffassung, dass er zu hoch lag, einen um 100 Euro niedrigeren Betrag. Welcher Telefonkandidat hat die größeren Gewinnchancen? Im Grunde genommen der erste, er hat sogar gute Chancen, das Ergebnis richtig zu treffen, wenn er den bisherigen Mediän nennt. Der zweite Telefonkandidat kann zur Optimierung seiner Chancen ebenfalls berücksichtigen, wo der bisherige Mediän liegt, hat der erste Kandidat einen niedrigeren Betrag als den Mediän genannt, dann sollte er um eine Einheit höher als der erste Kandidat setzen, hat der erste Kandidat einen höheren Betrag als den Mediän genannt, dann sollte er um eine Einheit niedriger setzen. Obwohl die Kandidaten auf „Leitung 2“ nicht immer diese Strategie verfolgt haben, waren sie in den letzten Jahren erfolgreicher als die Kandidaten auf „Leitung l“ welche ja eigentlich einen Vorteil gehabt hätten: Das ist aber kein Widerspruch, denn die Kandidaten auf „Leitung l“ haben ja auch nicht immer die für sie optimale Strategie gewählt. Vielleicht würden Sie gerne wissen, wo der Mediän in der Vergangenheit lag? In den Sendungen des Jahres 2002, also seit Einführung des Euro, lag der Mediän für Spiele ohne Verdoppelungsschein bei 7.800 Euro. Für Informationen zu diesem Irrtum danken wir Mag. Günter Engelhart, Österreichische Lotterien, Wien, und Dr. Roland Scheicher, Wien, der uns auf die Spielstrategien von „Money Maker“ hingewiesen hat; der Mediän-Berechnung liegen die Ergebnisse von 1. Juli bis 18. August 2002 zu Grunde. Quiz 2 Die Ziegentür zu wechseln lohnt sich nicht.

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Diese Quizform ist in zahlreichen Ländern in Fernseh-Shows äußerst beliebt. Im deutschsprachigen Raum war sie zuletzt auf SAT l und Kabel zu sehen – unter dem Titel „Geh aufs Ganze“. Der siegreiche Kandidat hat entweder einen wertvollen Preis, z. B. ein Auto, gewonnen oder einen Preis, der wenig wert ist und mit dem er nichts anfangen kann, z. B. eine Ziege. Er steht vor drei Türen: Hinter einer Tür befindet sich das Auto, hinter den beiden anderen Türen jeweils eine Ziege. Der Kandidat wählt aufs Geratewohl eine der drei Türen, sagen wir die erste Tür von links. Um die Spannung zu erhöhen, öffnet der Moderator aber diese Tür noch nicht, sondern eine andere, von der er weiß, dass eine Ziege dahinter steht, nehmen wir an, die erste Tür von rechts. Und dann erlaubt der Moderator dem Kandidaten, seine Entscheidung zu ändern -statt der ersten Tür von links kann er auch die noch geschlossene mittlere Tür wählen. Soll er nun wechseln oder nicht? Viele meinen: Nein, denn ganz gleich, was man als erstes selber wählt – der Moderator kann immer eine Tür mit einer Ziege öffnen. Deshalb erfährt man dadurch nichts Neues, was man nicht ohnedies schon vorher gewusst hat. Dabei wird aber vergessen, dass sich die Wahrschein-lichkeiten für ein Auto hinter den Türen durch die Aktion des Moderators sehr wohl ändern. Für die vom Moderator geöffnete Tür, die mit der Ziege dahinter, ist dies sofort klar: Die Wahrscheinlichkeit für „Auto“ sinkt auf Null. Klar ist auch, dass das Auto mit Wahrscheinlichkeit Eins hinter einer der Türen wartet: • hinter einer, nämlich der zuerst gewählten, mit der Wahrscheinlichkeit 1/3, • hinter der vom Moderator geöffneten mit Wahrscheinlichkeit Null, • verbleibt für die letzte Tür die (höhere!) Wahrscheinlichkeit 2/3. Aus diesem Grund muss man die Ziegentüre unbedingt wechseln, wenn man seine Chancen optimieren will. Sie können auch die Probe aufs Exempel machen: Raten Sie mit einem Partner, der festlegt, wo sich das Auto befindet und nach Ihrer ersten Antwort eine Ziegentüre öffnet, 50 Mal ohne Wechseln und 50 Mal mit Wechseln – das Ergebnis wird Sie überzeugen. Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, 11. Auflage, München 2000, S. 404 f.; Gero von Randow: „Das Ziegenproblem“, Rowohlt Verlag, Reinbeck 1992; Leonard Gillmann: „The car and the goat“, in: „American Mathematical Monthly“ 1992, S. 3-7;EdBarbeau:“The problem of the car and the goats“, in: „College Mathematics Journal“ 1993, S. 149-154; Walter Krämer: „Denkste! Trugschlüsse aus der Welt des Zufalls und der Zahlen“, Campus Verlag,

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Frankfurt 1995.

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R

„ Vieles ist ein Schwindel, aber nichts ein Zufall.“

Barbara Frischmuth

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Recht „Wer schweigt, stimmt zu“ ist bei uns ein Rechtsgrundsatz. Der Grundsatz, dass Schweigen als Zustimmung interpretiert werden kann, ist in unserem Recht nicht verankert. Nehmen wir an, Sie finden in der Post einen Brief, in dem Sie aufgefordert werden, grundlos einen x-beliebigen Geldbetrag an eine x-beliebige Person zu zahlen. Auch wenn Sie diesem Ansinnen nicht widersprechen, entsteht dadurch keineswegs automatisch eine Zahlungsverpflichtung. Der Grundsatz „Wer schweigt, stimmt zu“ ist bei uns kein Rechtsgrundsatz. Er findet sich allerdings im römischen Recht. Dort galt: Qui tacet, consentire videtur. Vielleicht werden Sie jetzt einwenden: Moment! Wenn mir jemand in einem Brief mitteilt, dass ich ihm am vergangenen Dienstag beim Heurigen 10.000 Euro versprochen habe, dann muss ich mich doch zur Wehr setzen! Das ist richtig. Aber hier spielt nicht der Grundsatz „Wer schweigt, stimmt zu“ eine Rolle, sondern es geht um etwas anderes. Jemand behauptet, dass Sie mit ihm einen mündlichen Vertrag abgeschlossen hätten. Jetzt geht es um die Frage: Haben Sie, oder haben Sie nicht? Die beliebte Formulierung „… der guten Ordnung halber halte ich auch schriftlich fest…“ ist ein Versuch, einen mündlichen Vertrag, der unter Umständen strittig sein könnte, nachträglich zu bestätigen. Wenn später im Streitfall ein Richter der Frage nachgeht, ob solch ein mündlicher Vertrag tatsächlich bestanden hat, dann kann es durchaus eine Rolle spielen, dass Sie einem Bestätigungsbrief nicht widersprochen haben. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Arno Weigand, Wien. Regen In Österreich regnet es mehr als in Italien. Diese Meinung ist viel zu pauschal, um wahr zu sein. Sieht man sich die übers Jahr verteilten Niederschlagsmengen nördlich und südlich der Alpen an, dann fällt auf, dass im Norden die Hauptniederschlagsmenge im Sommer zu erwarten ist, südlich der Alpen hingegen im Frühling und im Herbst. So ist es kein Wunder, dass Österreicher, die ihren Sommerurlaub in Italien verbringen, dort vom Regen verschont bleiben. Auch die absoluten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Vergleicht man Österreich mit Italien, so findet man einige österreichische Orte, in denen es im Jahresdurchschnitt weniger regnet als in Italien. Udine z. B. ist

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ein richtiges „Regenloch“, mit 1.428 mm Niederschlag pro Jahr übertrifft es deutlich das für seinen „Schnürlregen“ vielgeschmähte Salzburg (1.228 mm Niederschlag/Jahr). Doch auch Mailand (982 mm),Triest (1.053 mm), Florenz (832 mm) und Venedig (784 mm) liegen mit ihren Niederschlägen klar über den Daten für Wien (656 mm). Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Reinhard Boehm, Zentralanstalt für Metereologie und Geodynamik, Wien. Restaurant Der Herr geht im Restaurant stets vor der Dame. Den Irrtum, der Herr habe ein Restaurant vor der Dame zu betreten, haben wir schon im ersten Band des Lexikons der populären Irrtümer Österreichs aufgeklärt. Wenn alles korrekt abläuft, öffnet der Herr die Restauranttüre und lässt der Dame den Vortritt. Doch wie geht es weiter? Auf dem weiteren Weg im Inneren des Restaurants gilt der Grundsatz: Die Dame lässt dem Herrn den Vortritt. Allerdings hat diese Regel auch ihre Fußangeln. Sie gilt nämlich nur dann, wenn das Paar ohne fremde Hilfe einen Tisch wählt. Wurde reserviert, so ist es der Oberkellner (oder der Geschäftsführer), der das Paar zum Tisch fuhrt. Dann geht die Dame vor dem Herrn beide folgen dem Oberkellner. Natürlich gibt es auch eine Regel, wie sich zwei Paare verhalten, die gemeinsam einen Tisch reserviert haben und gleichzeitig eintreffen: Gehen sie allein zum Tisch, so geht ein Herr vor, dann folgen die beiden Damen. Den Abschluss bildet der zweite Mann. Werden zwei Paare vom Geschäftsführer zum Tisch geleitet, so folgen dem Geschäftsführer die beiden Damen, anschließend die beiden Herren.

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Der Weg zum reservierten Tisch. Aus: „Der Elmayer“

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Hintergrund dieser Benimm-Regel ist offenbar der Schutz der Damen in einem öffentlichen Raum: Vor den Damen geht immer ein Herr – entweder der Oberkellner oder der Begleiter. So kompliziert das alles aussehen mag, so einfach ist es in der Praxis. Denn in einem guten Lokal übernehmen Geschäftsführer oder Oberkellner die Führung und geben mit einem dezenten „Bitte, gnädige Frau!“ auch gleich die Reihenfolge vor. Beim Verlassen des Lokals gehen die Damen immer zuerst. Literatur: Thomas Schäfer-Elmayer: „Der Elmayer. Gutes Benehmen gefragt“, Zsolnay-Verlag, Wien 1991. Rollende Landstraße Die Rollende Landstraße entlastet die Autobahnen. Die Rollende Landstraße bewirkt das genaue Gegenteil. Frachter entschließen sich nämlich vor allem dann, ihre LKW huckepack mit der Bahn befördern zu lassen, wenn ihnen die entsprechenden Fahrtengenehmigungen für die Straße fehlen. Mit anderen Worten: Nur der zusätzliche Verkehr kommt auf die Schiene. Darüber hinaus dürfen in Österreich und in Deutschland LKW, die von der Rollenden Landstraße kommen, das ansonsten gültige Höchstgewicht überschreiten. Wenn sie die Rollende Landstraße verlassen, dürfen sie beispielsweise noch weitere 200 Kilometer mit 44 statt mit 40 Tonnen Gesamtgewicht unterwegs sein. Oft wird die Rollende Landstraße auch dazu verwendet, dass die LKW-Fahrer ihre Schlafzeiten einhalten. Natürlich ist es besser, die Fahrer ruhen sich in einem Schlafwagen der Rollenden Landstraße aus und ihr LKW fährt huckepack mit, als sie fahren übermüdet auf unseren Autobahnen. Allerdings kommt es auch dadurch zu keiner Entlastung des Straßennetzes – als Alternative würde der LKW-Fahrer sein Fahrzeug auf einem Rastplatz abstellen und in seiner Kabine schlafen. Für diesen Hinweis danken wir Mag. Andreas Reisinger, der selbst LKW-Fahrer ist und als Sozialwissenschaftler eine Diplomarbeit mit dem Titel „ Unterm Rad. Arbeitsbedingungen im internationalen Straßengüterverkehr, untersucht anhand einer teilnehmenden Beobachtung“ verfasst hat (Linz, Mai 2000). Literatur: ders.: „Schwarzbuch Straße“ (Manuskript, voraussichtliches Erscheinungsdatum: November 2002), Verlag Deuticke, Wien.

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Rot Rote Autos fallen überall am stärksten ins Auge. Was die „sicherste“ Autofarbe ist, lässt sich nicht so einfach sagen – doch die Farbe Rot ist es ganz sicher nicht. Zum einen spielt die Reflexionsfähigkeit der Farbe eine Rolle: Je heller die Wagenfarbe, desto mehr Licht kann sie reflektieren und desto besser wird man gesehen. Weiß ist also viel sicherer als Schwarz. Zweitens spielt die Kontrastfahigkeit der Farbe eine Rolle: Je mehr sie sich vom Straßenhintergrund abhebt, desto besser kann sie gesehen werden. Aus diesem Grund ist beispiels- weise die Farbe Weiß im Winter problematisch, die Farbe Grün im Frühling und Sommer. Die Frage müsste also lauten: „Wann und wo wollen Sie einen Unfall vermeiden?“ Nur mit konkreten Angaben kann man wirklich sagen, wie Sie Ihr Auto optimal lackieren lassen. Die beste Wagenfarbe für alle Eventualitäten ist Weiß, kombiniert mit waagrechten Streifen aus rot fluoreszierendem oder rot rückstrahlendem Material, wenn diese Streifen über die gesamte Seitenwand verlaufen. Einziges Pech: Diese Art von Lackierung ist laut Kraftfahr-Gesetz der Polizei, der Gendarmerie und der Rettung vor-behalten. Damit wird Orange zur „sichersten“ Farbe, die für Privatautos erlaubt ist. Literatur: Die gesetzlichen Regelungen sind im Internet auf folgender Website zu finden: http//www.ris.bka.gv.at. Klicken Sie auf „Bundesrecht“, geben Sie in das Feld „Kurztitel“ KFG ein und klicken Sie § 20 an. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Gregor Bartl, Kuratorium für Verkehrssicherheit, Wien.

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S

„Man fürchtet, was man nicht versteht.“

Ernst von Feuchtersieben

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Schichtseife Die Schichtseife heißt deshalb so, weil sie aus mehreren Schichten besteht. Der Name „Schichtseife“ ist weder der Name einer Marke, noch der Name eines Produkts. Sie heißt auch nicht deshalb so, weil sie aus mehreren Schichten besteht. In Wahrheit war „Schicht“ ein Firmenname, oder besser gesagt: der Name eines berühmten Seifenfabrikanten.

Werbung der Firma Schicht, Emailschild

Der aus Böhmen stammende Seifenfabrikant Johann Schicht errichtete 1882 in Obersedlitz bei Aussig eine Seifenfabrik. Diese Fabrik erhielt eine eigene Bahnstation, weil hier jährlich rund 19.000 Eisenbahnwaggons abgefertigt wurden. Bei seinem Tod im Jahr 1907 beschäftigten Schichts Werke rund 1.900 Arbeiter und Angestellte. Einer der wichtigsten Markennamen der Firma Schicht war übrigens „Hirsch“ er hat sich bis heute erhalten und gehört nun Unilever. Wenn wir „Schichtseife“ sagen, meinen wir eine einfache, billige Kernseife. Literatur: Isabella Ackert und Walter Kleindel: „Die Chronik Österreichs“, Chronik Verlag im Bertekmann Lexikon Verlag, Gütersloh 1994, S. 446; Alois Brusatti: „Geschichteder Unilever Österreich“, Wiener Verlag, Wien 1985; für Informationen zu diesem Irrtum danken wir Mag. Herbert Peutz, Wien. Schokolade l Schokolade macht glücklich.

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Dass Schokolade aufgrund der darin enthaltenen „Glückshormone“ glücklich macht und deshalb zu Suchtverhalten führt, stellt sich als Ammenmärchen heraus. Schokolade macht nach neuesten Erkenntnissen höchstens die Herstellerfirmen glücklich. Der euphorieauslösende Stoff Phenylethylamin ist dem Deutschen Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik zufolge in Schokolade nur in so geringen Mengen vorhanden, dass seine Wirkung als Glückshormon zu vernachlässigen sei. Gleiche Mengen sind etwa in Käse enthalten. Schokolade habe nur deswegen so eine enorme Anziehungskraft, weil sie süß sei und einen sehr sinnlichen Genuss biete, so das Institut. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Schokolade 2 Schokolade ist ungesund. Gute Nachrichten für Naschkatzen: Schokolade, einer der süßesten Genüsse im Leben, hat möglicherweise auch gesundheitliche Vorteile. Kakao, der Hauptbestandteil in den meisten Schokoladeprodukten, ist reich an Flavonoiden. Diese natürlichen Pflanzensubstanzen sind stark anti-oxidativ und wirken – ähnlich wie Aspirin – entzündungshemmend. In geringen Konzentrationen können sie auch die Blutplättchenaktivität im Plasma senken und dadurch das Risiko von Blutgerinnseln mindern. Das sagt eine Studie der University of California im Auftrag von Mars, die von unabhängigen Forschern überprüft wurde. Das Ergebnis lässt darauf schließen, dass moderater Schokoladegenuss das Risiko von Herzkrankheiten senkt. Zu viel der beliebten Süßigkeit sollte man jedoch nicht verzehren. Kakaoinhaltsstoffe haben zwar einen positiven kardiovaskulären Effekt, können aber nicht als „Medizin fürs Herz“ gelten. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000.

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Schokolade 3 Zu einem Schokolade-Dessert passt kein Wein. Zugegeben, die Weinwahl ist in diesem Fall nicht einfach, aber es gibt Weine, die ideal zu einem feinen Schoko-Dessert passen: süße Rotweine (z. B. Auslesen und Beerenauslesen), aber auch rote Portweine. Wahrscheinlich passen die Süßweine aus blauen Trauben deshalb so gut zu Schokolade, weil sie – so wie diese – süße und bittere Komponenten beinhalten. Süßweine aus weißen Trauben sind hingegen als Begleiter eines Schokolade-Desserts nicht ideal. Ihnen fehlen die Bitterstoffe und zweierlei Süßigkeit auf einmal ist für den Gaumen wohl zuviel des Guten. Portweine gehören zu den so genannten gespriteten Weinen. Bei deren Herstellung gären süße, überreife Trauben so lange, bis mindestens 15 Prozent Alkoholgehalt erreicht sind. Dann schüttet man den halbvergorenen Saft aus dem Gärbottich in ein Fass, das zu einem Teil mit Branntwein gefüllt ist. Der Alkoholgehalt steigt sofort so hoch, dass die Hefezellen betäubt werden und nicht weiterarbeiten. Ein Teil des Zuckers bleibt im Wein, der infolgedessen sehr stark und sehr süß ist. Weine dieser Art, die zu Schokolade hervorragend passen, werden nicht nur in Portugal gemacht. Die Franzosen betrachten ihren gespriteten Banyuls als Alternative zu rotem Portwein. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Klaus Egle, Wien. Schönbrunn l Der erste Entwurf Fischer von Erlachs ist aus Kostengründen verworfen worden. Der erste Entwurf für Schloss Schönbrunn aus der Feder des berühmten Barockbaumeisters Johann Bernhard Fischer von Erlach ist durch einen Kupferstich dokumentiert. Von der Kunstgeschichte wurde dieser Entwurf wegen seiner Monumentalität vielfach bewundert und es wurde bedauert, dass er nicht zur Ausführung gelangte. Es hieß, die Habsburger hätten ursprünglich ein Gegenstück zu Versailles bauen wollen, aus Kostengründen jedoch davon wieder Abstand genommen. So kann man es nicht nur in Geschichtsbüchern, sondern auch in Reiseführern lesen. Erst in jüngster Zeit konnte aufgezeigt werden, dass es sich bei dieser Darstellung um ein unrealisierbares Schreibtisch-projekt des damals

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jungen Fischer von Erlach gehandelt hat. Er wollte mit einem Idealentwurf das Interesse des Kaisers gewinnen.

Schönbrunn I, Kupferstich Fischer von Erlachs – ein unrealisierbares

Schreibtischprojekt Der Entwurf erscheint nur infolge perspektivischer Tricks als in sich geschlossen. Das eindrucksvoll inszenierte Schaubild aus der Vogelperspektive stimmt mit den topografischen Gegebenheiten nicht überein. Der eigentliche Schlossbau auf dem Hügel wäre wegen der terrassierten Stufenlandschaft: vom Eingang aus gar nicht zu sehen gewesen. Bei Veröffentlichung des Entwurfes im Jahr 1721 wurde die Anlage als kaiserliches Jagdschloss bezeichnet. Sie muss somit für Leopold I. bestimmt gewesen sein, wobei an eine Realisierung wohl auch deshalb gar nicht gedacht war, weil eine Anlage dieses Ausmaßes dem eher schwerfälligen und mit zunehmenden Alter mehr dem Transzendenten zugewandten Kaiser nur wenig entsprach.

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Schönbrunn II, Kupferstich Fischer von Erlachs – kompakter Baukörper

in der Ebene Der zweite Entwurf hingegen zeigt das Schloss bereits als einen kompakten Baukörper, der nun in die Ebene vor dem Schönbrunner Berg verlegt wurde. Literatur: Elfriede Iby und Alexander Koller: „Schönbrunn“, Verlag Christian Brandstätter, Wien 2000, S. 57-64. Schönbrunn 2 Die Fassade war schon immer in Schönbrunnergelb gestrichen. Auch wenn der Ausdruck „Schönbrunnergelb“ eindeutig auf die Herkunft der Farbbezeichnung verweist, wäre es ein Irrtum, zu glauben, Schloss Schönbrunn sei immer schon in den uns bekannten Gelbtönen gestrichen gewesen. Ursprünglich war das Schloss in einem einheitlichen hellen Gelbrosa gehalten. Zur Zeit Maria Theresias erhielt das Schloss zunächst eine lichtockergelbe und in den 1770er Jahren eine graublaue Farbe. Das heutige Schönbrunnergelb besteht aus zwei verschie-denen Gelbockertönen.

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Diese Farben wurden erstmals bei Renovierungsarbeiten in den Jahren 1817 bis 1819 aufgetragen. Literatur: Elfriede Iby und Alexander Koller: „Schönbrunn“, Verlag Christian Brandstätter, Wien 2000, S. 247-251. Schulbücher In Österreich gibt es ein Schulbuchmonopol. Österreichs Schulbuchverlage haben es gut. Für jedes Fach gibt es nur ein Buch, von Konkurrenz ist keine Rede und der Staat zahlt ohnehin alles. Diese Meinung kann man landauf, landab immer wieder hören. Obwohl in Österreich im Rahmen der Schulbuchaktion die Aufwendungen für Schulbücher vom Staat finanziert werden (siehe das Stichwort „Sozialversicherung“), herrscht dennoch zwischen den Schulbuchverlagen Wettbewerb. Eine Volks-Schullehrerin oder ein Volksschullehrer kann beispielsweise frei entscheiden, mit welchem von den verschiedenen auf dem Markt erhältlichen Sachunterrichtsbüchern sie oder er unterrichtet; die Gymnasiallehrerin oder der Gymnasiallehrer für Mathematik kann ebenfalls aus einer Palette von Mathematikbüchern auswählen. Mit anderen Worten: Die einzelnen Schulbuchverlage sind gezwungen, attraktive Lehrbücher auf den Markt zu bringen, andernfalls schnappen ihnen Konkurrenzverlage Marktanteile weg. Es gibt beispielsweise im Bereich der Volksschule für jedes Fach jeder Schulstufe rund zehn Konkurrenzwerke, im Bereich AHS sind es rund 15. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Othmar Spachinger, Wien. Schutzwälder Schutzwälder in den Bergen müssen bewirtschaftet werden, damit sie ihre Funktion erfüllen. Diese Ansicht dient in Österreich als Grundlage forst- und almwirtschaftlichen Handelns. Man denke jedoch einmal an die Situation in anderen Ländern: In Japan z. B. gibt es keine Forst- und Almwirtschaft und auch die riesigen (Fichten- und Tannen-) Wälder des Himalaja-Gebirges werden nicht bewirtschaftet. Trotzdem erfüllen diese Wälder problemlos

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ihre Schutzfunktion. Werden Wälder – wie in Österreich – bewirtschaftet, so müssen Forststraßen gebaut werden. Ein hemmungsloser Bau von Forststraßen erhöht jedoch die Erosionsgefahr. Die Bewirtschaftung kann also negative Auswirkungen für die Umwelt haben und eine Beeinträchtigung der Schutzfunktion der Wälder mit sich bringen. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Prof. Dr. Georg Grabherr, Institut für Vegetationsökologie und Naturschutzforschung der Universität Wien. Schwangerschaft Schwangere müssen für zwei essen. Der tägliche Kalorienbedarf ist entgegen der weit verbreiteten Überzeugung auch während einer Schwangerschaft nicht stark erhöht. Erst ab dem vierten Schwangerschaftsmonat braucht die werdende Mutter bis zu 500 Extra-Kalorien täglich. Im Gegensatz zum Energiebedarf steigt aber der Bedarf an vielen Mikronährstoffen, so etwa schon zu Beginn der Schwanger-schaft der Bedarf an Folsäure um 50 Prozent, der Eisenbedarf um 100 Prozent. Das Eisen sollte primär nicht in Tabletten-, sondern in natürlicher Form (mageres Fleisch, Brokkoli, Braunkohl etc.) eingenommen werden. Durch natürliches Vitamin C, etwa aus (vor dem Essen getrunkenem) Orangensaft, wird das im Gemüse enthaltene Eisen besser aufgenommen. Ab dem vierten Monat braucht die werdende Mutter dann vor allem zusätzliches Vitamin A und Zink. Wegen des positiven Effekts von Folsäure (Verhinderung von Neuralrohrdefekten) und zahlreichen Mikronährstoffen empfiehlt sich die Einnahme von Multivitaminpräparaten jedoch bereits von Beginn der Schwangerschaft an. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Schwarz

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Schwarz ist die internationale Todesfarbe. Es gibt Länder, in denen nicht Schwarz, sondern Weiß die Todesfarbe ist. Dazu gehören beispielsweise Japan, China und Indien. Der Farbpsychologe Max Lüscher weist darauf hin, dass die Farben Schwarz und Weiß absolute Farben sind: absolut hell und absolut dunkel. In beiden Farben ist also das Endgültige enthalten. Das dunkle Schwarz ist die absolute Verneinung: kein Licht, kein Leben mehr. Weiß ist die absolute Befreiung, die Sehnsucht, ins Nirwana einzugehen. Bei uns ist Weiß die Farbe der Tugend, der Reinheit und der Hygiene, assoziiert mit den dazugehörigen Bereichen wie Hochzeit, religiösen Feiern (Erstkommunion) oder den Heilberufen. Die Zitate Max Luschen stammen aus der ORF-Sendung „Treffpunkt Kultur“ vom 29. April 2002. Schwarzarbeit Schwarzarbeit ist ein Schaden für Wirtschaft und Gesellschaft. Unter Schattenwirtschaft (häufig vereinfachend „Schwarz-arbeit“ genannt) versteht man die Produktion an und für sich legaler Güter und Dienstleistungen am Staat und am offiziellen Markt vorbei, d. h. ohne die Beachtung der gültigen (Arbeitsmarkt-) Gesetze und ohne Bezahlung von Sozial-versicherungsabgaben und Steuern. Die Schattenwirtschaft, oder wie wir in Österreich sagen: der „Pfusch“, hat in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen. Der Wirtschaftswissenschaftler und Experte für Schwarzarbeit, Univ.-Prof. Friedrich Schneider von der Universität Linz, errechnete für das Jahr 1990 in Österreich ganze 7,2 Mrd. Euro oder 5,5 Prozent des offiziellen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Für das Jahr 2002 schätzt er den Wert der Schwarzarbeit auf 22 Mrd. Euro oder 10,7 Prozent des offiziellen BIP. Dies ergibt innerhalb von 12 Jahren eine Verdreifachung. Ob die Schattenwirtschaft der Gesellschaft bzw. der Wirtschaft schadet oder nicht, ist immer wieder Gegenstand von Debatten. Viele Studien deuten darauf hin, dass die Schattenwirtschaft in den entwickelten OECD-Ländern die Gesamtwohlfahrt eines Landes erhöht, da zwei Drittel der Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft in der offiziellen Wirtschaft gar nicht stattfinden würden, weil sie dort drei- bis viermal so teuer sind. Dadurch entsteht eine beträchtliche zusätzliche Wertschöpfung, von der die offizielle Wirtschaft profitiert und durch die der Staat zusätzliche Steuern und Sozial-versicherungsbeiträge erhält. Denn jede Fliese, die im

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Pfusch gelegt wurde, ist immerhin vorher in einem Fliesenmarkt offiziell gekauft worden. Aus einer volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung heraus muss man allerdings einräumen: Was dem Staat an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen infolge Schwarzarbeit entgeht, wird durch diese zusätzliche Wertschöpfung nicht kompensiert. Schwarzarbeit bedeutet einen enormen Abgabenausfall. Es wäre für den Staat günstiger, würden alle Schattenwirtschaftsaktivitäten in der offiziellen Wirtschaft geschehen – ein Umstand, der aufgrund des enormen Preisunterschiedes aber nie eintreten wird. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass Schwarzarbeit in jedem Fall eine ungleiche Verteilung der Abgabenlast darstellt. In manchen Branchen kann leicht am Staat vorbei produziert werden, in anderen nicht. Schatten-wirtschaft bewirkt auch eine Verschiebung zwischen National-staaten, sofern sie vor allem von illegalen ausländischen Arbeitskräften ausgeübt wird, die ihr auf diese Weise verdientes Geld im Heimatland ausgeben oder anlegen. Literatur: Friedrich Schneider: „Stellt das Anwachsen der Schwarzarbeit eine wirtschafis-politische Herausforderung dar? Einige Gedanken aus volkswirtschaftlicher Sicht“, in: „Mitteilungen des IAW“ l, S. 4-13, Tübingen 1998; Friedrich Schneider und Dominik H. Ernte: „Schattenwirtschafi und Schwarzarbeit: Umfang, Ursachen, Wirkungen und wirtschafts-polirische Empfehlungen „, R. Oldenbourg Verlag, München/Wien 2000; Friedrich Schneider, Jürgen Volkert undSiegrid Casper: „Schattenwirtschafi und Schwarzarbeit: Beliebt bei Vielen – Problem für Alle?“, Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2002. Schwedenbombe Der Name „Schwedenbombe“ stammt aus Deutschland. Was wir in Österreich Schwedenbombe nennen, heißt in anderen Gebieten des deutschen Sprachraums ganz anders. Im Norden Deutschlands sagt man dazu „Negerkuss“, im Südwesten Deutschlands und in der Schweiz hat sich die Bezeichnung „Mohrenkopf“ eingebürgert, ein Begriff, der ursprünglich einem gefüllten Biskuitgebäck vorbehalten war. Da die Begriffe „Negerkuss“ und „Mohrenkopf’ als diskriminierend empfunden werden können, ist eine Diskussion entbrannt, ob diese Ausdrücke nicht aus dem Sprachgebrauch verbannt werden sollen. Jener Firma, die diese Produkte unter der Bezeichnung „Dickmanns“ auf den

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Markt bringt, kann das recht sein… Nur in Österreich hat sich der von der Firma Niemetz kreierte Warenname „Schwedenbombe“ durchgesetzt. Die Geschichte dieser Firma reicht ins 19. Jahrhundert zurück. 1890 gründete Edmund Niemetz eine Konditorei, 1930 legte sein Sohn Walter den Grundstein zur berühmten Süßwarenmanufaktur Niemetz. Und seit dieser Zeit sprechen wir in Österreich von „Schwedenbomben“. Literatur: Werner König: „dtv-Atlas Deutsche Sprache“, Deutscher Taschenbuch Verlag, 13. Auflage, München 2001, S. 238; die Geschichte der Firma Niemetz und ihre Produkte sind im Internet unter http://www.niemetz.at/dokumentien. Sessel Ein Sessel ist ein Sessel – egal, ob man in Österreich oder in Deutschland daraufsitzt. Das Wort „Sessel“ wird im deutschen Sprachraum nicht einheitlich verwendet. Was wir einen Sessel nennen, nennt man in Deutschland Stuhl: ein mit vier Beinen, einer Rückenlehne und gelegentlich Armstützen versehenes Sitzmöbel für eine Person. Was die Deutschen Sessel nennen, nennen wir Fauteuil: ein mit Rückenlehne, gewöhnlich mit Armstützen ausgestattetes, meist weich gepolstertes, bequemes Sitzmöbel. Ein einfaches Sitzmöbel ohne Armstützen und ohne Rückenlehne nennen wir Stockerl, in Deutschland sagt man Hocker dazu. Und nach Sportveranstaltungen steigen die ersten Drei in Österreich aufs Stockerl, in Deutschland aufs Treppchen. Slezak Wann geht der nächste Schwan? Diese Frage wird oft dem Tenor Leo Slezak (1873-1946) zugeschrieben, als Reaktion auf einen übereifrigen Bühnenarbeiter, der in einer Aufführung des „Lohengrin“ den Schwan mit Boot, aber ohne Slezak auf die Bühne schob. Auch wir sind diesem Irrtum unterlegen und haben das Zitat in der Sammlung Geflügelte Worte aus Österreich Slezak zugeschrieben. In Wahrheit dürfte diese Anekdote nicht von dem aus Mährisch-Schönberg stammenden Künstler, der an der Wiener Hof- bzw. Staatsoper glänzende

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Erfolge feierte, erfunden worden sein. Der erste Lohengrin, dem diese schlagfertige Reaktion auf den eiligen Schwan einfiel, war vermutlich der erste Sänger dieser Rolle überhaupt, der Tenor Joseph Tichatschek (1807-1886). Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, 11. Auflage, München 2000, S. 384. Slowenen Eine slowenische Minderheit gibt es nur in Kärnten. Eine slowenische Minderheit gibt es nicht nur in Kärnten, sondern auch in der Steiermark. Sie wird sogar im österreichischen Staatsvertrag erwähnt. Allerdings ist die slowenische Minderheit der Steiermark viel kleiner und politisch weniger aktiv, so dass sie von den Medien kaum beachtet wird. Literatur: Den entsprechenden Artikel des Staatsvertrags finden Sie im Internet unter http://wunv.bka.gv.at/bka/dokumente/a.rt7SV.pdf. Smoking Der Begriff „Smoking“ kommt aus dem Englischen. Jenes Kleidungsstück, das wir Smoking nennen, heißt in England dinner-jacket und in den USA tuxedo. Der Begriff „Smoking“ ist also genauso wie das Wort „Handy“ eine Scheinentlehnung aus dem Englischen (siehe das Stichwort „Handy“ im ersten Band des Lexikons der populären Irrtümer Österreichs). Song Contest Den Song Contest sehen eine Milliarde Menschen im Fernsehen. Jedes Jahr, wenn der Eurovisions Song Contest vor der Tür steht, hört und liest man von den gigantischen Einschaltziffern. „Eine Milliarde Menschen sieht im Schnitt beim Song Contest zu,“ meinte der ORF auf seiner Website zu „Confetti-Tivi“. Manuel Ortega, der österreichische Teilnehmer des Song Contests 2002, versprach laut Zeitungsberichten, er wolle „einer Milliarde Menschen eine perfekte Show bieten“. Doch selbst wenn man diverse Radioübertragungen des Song Contests mit einrechnet, vielleicht auch noch Internet-User berücksichtigt, kommt man nie auf eine Milliarde.

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Wieviele Menschen den Song Contest 2002 tatsächlich gesehen haben, hat das estländische Meinungsforsch-ungsinstitut „Emor“ erhoben: Es waren 70 Millionen Zuschauer – also sieben Prozent der kolportierten Milliarde. Rund 166 Millionen haben wenigsten einmal kurz hineingeschaut. Eine Milchmädchenrechnung beweist, wie unsinnig die Behauptungen über Zusehermilliarden bei (europäischen) TV-Sendungen sind: In Europa (geographischer Begriff) leben rund 650 Millionen Erwachsene. Selbst wenn jeder Dritte davon zusehen würde (33 Prozent Reichweiten-Durchschnitt in allen europäischen Ländern ist bei Sendungstypen dieser Art eine reine Wunschvorstellung), wären das erst etwa 215 Millionen Seher. In großen Fernsehmärkten sind für ausländische Angebote normalerweise Reichweiten von maximal 8 bis 15 Prozent zu erzielen, wenn es sich nicht gerade um ein EM- oder WM-Finale im Fußball handelt. Außereuropäische Zuseher sind aus sprachlichen und kulturellen Gründen nicht so stark an derartigen Angeboten interessiert, als dass viele lokale TV-Stationen die Übertragungsrechte erwerben würden. Dazu kommt noch die Zeitverschiebung, die meist eine zeitversetzte Ausstrahlung notwendig macht. Literatur: Die Ergebnisse der Emor-Untersuchung findet man auf http://www.eurovisionsongcontest.de/newsl56.html; zu Manuel Ortega vgl. „Kurier“ vom 28. Mai 2002; die erwähnte Website von Confetti-Tivi lautet http://confetti.orf.at/confetti/kati/20020226/18326/main?tmp=1615. Sozialversicherung Der Sozialversicherungsbeitrag dient ausschließlich zur Finanzierung der Pensionen. Allen Lohnsteuerpflichtigen wird Monat für Monat nicht nur die Lohnsteuer abgezogen, sondern auch – salopp formuliert – der Sozialversicherungsbeitrag. Was genau damit geschieht, ist vielen unbekannt – kein Wunder, es steht ja auch nicht auf dem Lohnzettel. So gehen viele davon aus, dass es sich dabei lediglich um die Finanzierung der Pensionen handelt.

Arbeitgeberant

eil Arbeitnehmeranteil

In Prozent der Beitragsrgrundlage

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Pensionsversicherungsbeitrag 12,55 10,25 Krankenversicherungsbeitrag 3,40 3,50 Unfallversicherungsbeitrag 1,40 - Arbeitslosenversicherungsbeitrag

3,00 3,00

Insolvenz-Entgeltsicherungszuschlag

0,70 -

Beitrag zum FLAF 4,50 - Wohnbauförderungsbeitrag 0,50 0,50

Tatsächlich enthält der so genannte Arbeitnehmeranteil der Sozialabgaben aber nicht nur den Pensionsbeitrag, sondern auch den Krankenkassenbeitrag, den Arbeitslosenversicher-ungsbeitrag und den Beitrag zur Wohnbauförderung. Hinzu kommt auch noch der so genannte Arbeitgeberanteil der Sozialabgaben. Auch unter diesem Titel fließt Geld in die Pensionsversicherung, in die Krankenversicherung, in die Arbeitslosenversicherung und in die Wohnbauförderung. Außerdem wird aus dem Arbeitgeberanteil der Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) gespeist, aus dem Sozialleistungen wie Kindergeld, Familienbeihilfen, Schulbücher und Fahrtkostenersatz für Schüler sowie für Studierende finanziert werden. Darüber hinaus zahlen die Arbeitgeber einen Beitrag zur Unfallversicherung. Daraus werden die Ansprüche der Arbeitnehmer im Fall von Arbeitsunfällen gedeckt. Nicht zuletzt gibt es auch den so genannten Insolvenz-Entgeltsicherungszuschlag – wenn eine Firma Pleite macht, erhalten die Beschäftigten auf diesem „Weg eine Zeitlang ihren Lohn oder ihr Gehalt. Spaghetti Spaghetti isst man stilecht mit Gabel und Löffel. So hat es sich in Österreich eingebürgert: in der linken Hand der Löffel, der hält, und in der rechten Hand die Gabel, die wickelt. Deshalb wird auch in Pizzerias eine Portion Spaghetti manchmal mit Löffel und Gabel als Besteck serviert. In Italien, dem Land der Pasta, isst man Spaghetti hingegen nur mit der Gabel. So machen es auch alle Italien-erprobten Österreicherinnen und Österreicher: Sie drehen die Gabel mit der rechten Hand und benützen den Tellerboden als Stütze zum Aufwickeln. Die linke Hand tritt nicht in Aktion.

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Literatur: Diether Schäfer-Elmayer: „Gutes Benehmen gefragt“, Zsolnay Verlag, Wien 1991, S. 115. Spanferkel l Spanferkel haben ihren Namen von den Holzspänen, über denen sie gegrillt werden. Das „Span“ in „Spanferkel“ hat mit einem Holzspan nichts zu tun. Es bezeichnet die Zitze einer Muttersau, und „Spänen“ ist auch ein anderes Wort für Säugen. Ferkel werden mit drei Monaten schlachtreif; zu diesem Zeitpunkt saugen sie noch am Span. Literatur: Walter Krämer und Götz Trenkler: „Lexikon der populären Irrtümer“, Piper Verlag, 11. Auflage, München 2000, S. 335; Adolf und Olga Hess „ Wiener Küche „, neu bearbeitet von Peter Kirischitz, Verlag Deuticke, Wien 2001. Spanferkel 2 Spanferkel werden immer am Spieß gegrillt. Aus dem zuvor dargestellten Irrtum folgt meist ein weiterer: Wenn wir in einer Speisekarte auf „Spanferkel“ stoßen, denken wir sofort an ein im Ganzen gegrilltes Jungschwein – am Spieß, versteht sich. Ein Wirt, der „Spanferkel“ auf die Speisekarte schreibt und damit z.B. einen Schweinsbraten vom Jungschwein meint, bedient sich jedoch einer völlig korrekten Bezeichnung. Auch der Ausdruck „gegrilltes Spanferkel“ ist kein Pleonasmus, sondern eine durchaus notwendige Information für die Gäste. Literatur: Adolf und Olga Hess „Wiener Küche“, neu bearbeitet von Peter Kirischitz, Verlag Deuticke, Wien 2001, S. 54, 306. Sprache Es gibt eine eigene österreichische Sprache. Zunächst muss man zwischen Dialekt und Standardsprache unterscheiden. Dass es verschiedene Dialekte in Österreich gibt, wird jedem einsichtig

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sein: Auf dem Boden des österreichischen Staates werden bayrische und (in Vorarlberg) alemannische Dialekte gesprochen. Die Standardsprache in Österreich, also das, was man gemeinhin als österreichische Sprache bezeichnet, ist keine eigene Sprache, sondern nur eine Variante der deutschen Sprache. Staatsbürgerschaft Alle Menschen, die in Österreich geboren werden, erhalten automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft. Das Staatsbürgerrecht kennt weltweit zwei Prinzipien, die zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führen können: die Geburt im Staatsgebiet oder die Abstammung. Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht folgt dem zweiten Prinzip. Nach dem Staatsbürgerschaftsgesetz von 1985 wird die österreichische Staatsbürgerschaft ganz eindeutig durch Abstammung erworben. Eheliche Kinder, die in Österreich geboren werden, sind nur dann Angehörige des österreichischen Staates, wenn ein Elternteil Österreicher ist, uneheliche, wenn die Mutter österreichische Staatsbürgerin ist. Wird also in Österreich ein Kind zur Welt gebracht, dessen Eltern beide eine andere als die österreichische Staats-bürgerschaft besitzen, wird dieses Kind mitnichten Österreicher. Es erhält vielmehr die Staatsbürgerschaft der Eltern. Eine Ausnahme vom Abstammungsprinzip haben sich die Juristen für einen speziellen Fall ausgedacht: Wer als Baby im Alter von unter sechs Monaten in Österreich aufgefunden wird, ohne dass die Eltern bekannt sind, der gilt – bis zum Gegenbeweis – als österreichischer Staatsbürger. Dies bedeutet eine Durchbrechung des Abstammungsprinzips. Literatur: Staatsbürgerschaftsgesetz von 1985 $ 7, 7a und 8, im Internet auf http://www.ris. bka.gv.at/bundesrecht/. Geben Sie in das Feld „Kurztitel“ StbG ein; für Informationen zu diesen Irrtum danken wir Mag. Dr. Gerhard Hesse, Bundeskanzleramt, Wien. Staatsvertrag l Der Staatsvertrag wurde von den Außenministern der vier Alliierten unterzeichnet und trägt sonst keine Unterschrift. Das dicke, in grünes Saffianleder gebundene Buch weist noch eine fünfte

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Unterschrift auf: die des österreichischen Außenministers Leopold Figl, der seine Unterschrift gleichberechtigt neben die der Außenminister John Foster Dulles (USA), Wjatscheslaw Molotow (UdSSR), Harald Macmillan (Großbritannien) und Antoine Pinay (Frankreich) unter das 300 Seiten starke und in Russisch, Englisch, Französisch und Deutsch abgefasste Dokument setzte. Nach kurzen Ansprachen dieser vier Außenminister ergreift Leopold Figl, sichtlich bewegt, das Wort für Österreich: „Ein 17 Jahre dauernder dornenvoller Weg der Unfreiheit ist beendet. Die Opfer, die Österreichs Volk in dem Glauben an seine Zukunft gebracht hat, haben nun ihre Früchte getragen […] Wenn nun die Glocken vom Bodensee bis zum Neusiedlersee, von der Thaya bis zu den Karawanken läuten, dann läuten sie eine neue Zeit ein. […] Mit dem Dank an den Allmächtigen wollen wir die Unterschrift setzen und mit Freude rufen wir aus: Österreich ist frei!“

Figl präsentiert den unterschriebenen Staatsvertrag

Die fünf Außenminister treten auf den Balkon des Oberen Belvedere, von den zahllosen Menschen im Park des Schlosses erwartet. Figl hebt das Vertragswerk hoch, blättert die Seite mit den Unterschriften und den Siegeln der vier Siegermächte auf und zeigt sie der jubelnden Menge – endlich ist der Staatsvertrag da, soll diese Geste heißen, unterschrieben und besiegelt! Literatur: Hugo Portisch: „Österreich II- Der lange Weg zur Freiheit“, Wien 1986; Walter Kleindel: „Österreich: Daten zur Geschichte und Literatur“, Wien 1978; S. 400 f. (mit einer gekürzten Fassung des Staatsvertragstextes sowie dem Gesamtwortlaut von Leopold Figls

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Ansprache im Anschluss an die Unterzeichnung). Staatsvertrag 2 Figl präsentierte den Staatsvertrag auf dem Balkon des Oberen Belvedere mit den Worten „Österreich ist frei!“ Den Satz „Österreich ist frei!“ sprach der damalige Außenminister Leopold Figl bereits bei der Unterzeichnung des Staatsvertrags im Marmorsaal des Oberen Belvedere – und nicht auf dem Balkon, von dem aus er den wartenden Wienerinnen und Wienern den unterschriebenen Staatsvertrag präsentierte.

Karikatur von Ironimus zum 15. Mai 1955

Es gibt Filmzusammenschnitte, bei denen das Bild der Balkonszene mit diesem historischen Satz unterlegt wird. Dadurch entsteht der Eindruck, Figl habe die berühmt gewordenen Worte auf dem Balkon gesagt. Ein Mikrophon wird man auf den Bild- und Filmdokumenten dieser Balkonszene freilich vergeblich suchen. Ursprünglich war gar nicht vorgesehen, dass die Unterzeichner des Staatsvertrages auf den Balkon hinausgehen – von Gefühlen überwältigt, hatte Figl die „Großen Vier“ einfach die wenigen Schritte auf den Balkon geführt. Ganz ohne Protokoll winkten sie dort der jubelnden Menge lebhaft zu.

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Es war „kein Tag wie jeder andere…“ – so hatte Radioreporter Heinz Fischer-Karwin seine berühmt gewordene Reportage von diesem 15. Mai 1955 aus dem Marmorsaal des Oberen Belvedere eingeleitet. Literatur: Hugo Portisch: „ Österreich II – Der lange Weg zur Freiheit“, Wien 1986. Staatsvertrag 3 Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags endete die Besatzungszeit. Leopold Figl unterzeichnete am 15. Mai 1955 im Marmorsaal des Oberen Belvedere den Staatsvertrag und sprach den historischen Satz „Österreich ist frei!“ War damit die Besatzungszeit auch formal zu Ende? Nein, denn die Unterzeichnung des Staatsvertrags ist die eine Sache, das Inkrafttreten des Vertrags die andere. Das Vertragswerk sah nicht ein sofortiges Inkrafttreten vor, sondern man entschied sich in den Verhandlungen für ein Wirksamwerden mit 27. Juli 1955. An jenem Tag fand auch die letzte Sitzung des Alliierten Rates statt. Der 27. Juli wurde gewählt, weil bis zu diesem Tag der von allen Mächten ratifizierte Staatsvertrag in Moskau hinterlegt sein sollte. Der alliierte Truppenabzug erfolgte innerhalb einer 90-Tage-Frist, beginnend mit 27. Juli. Der Historiker Manfried Rauchensteiner schreibt in Der Sonderfall, dem Standardwerk zur Vorgeschichte des Staatsvertrags: „Wer war nun tatsächlich der letzte Soldat, der Österreich verließ? Die Standardantwort darauf: ,Die Russen’, stimmt nicht, wie so viele Standardantworten bei Fragen über die Besatzungszeit nicht stimmen, wie so viele Klischees nicht stimmen. Die letzten russischen Soldaten verließen sehr unauffällig schon am 19. September Österreich. Die tatsächlich letzten waren britische Soldaten, die knapp vor Ablauf der 90-Tage-Frist, am 25. Oktober 1955, Österreich verließen. Am Vormittag übergaben sie die letzte Kaserne in Klagenfurt, die sie besetzt gehalten hatten, und am späten Nachmittag des 25. passierte das letzte kleine Kontingent britischer Soldaten die österreichische Grenze bei Thörl-Maglern.“ Dass sich der 15. Mai so stark in das Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher eingeprägt hat, ist verständlich. Da sich die Verhandlungen um den Staatsvertrag in die Länge zogen, begann man schon daran zu zweifeln, dass es in naher Zukunft zu einem erfolgreichen Abschluss kommen könne. Die Berichte über den bevorstehenden Abschluss der Verhandlungen und die Unterzeichnung selbst wurden daher mit großer Erleichterung aufgenommen. Dem gegenüber tritt das

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andere wichtige Datum, nämlich der 27. Juli, das eigentliche Ende der Besatzungszeit, in den Hintergrund. Literatur: Manfried Rauchensteiner „Der Sanderfall. Die Besatzungszeit in Österreich 1945 bis 1955“, Styria 1979. Stille Nacht! Heilige Nacht! Der Vater von Joseph Moor war Scharfrichter. Der Priester Joseph Mohr (1792-1848), Textdichter von „Stille Nacht! Heilige Nacht!“, war der Sohn des Salzburger Scharfrichters – diesen populären Irrtum findet man immer wieder in verschiedenen Publikationen, zum Beispiel in dem 2001 erschienenen Buch „Paradeys der Dichter -literarische Wanderungen in Österreich“ von Karl Stankiewitz. In Wirklichkeit wurde Josephus Franciscus Mohr am 11. Dezember 1792 als Sohn der Strickerin Anna Schoiberin und des desertierten Musketiers Franz Mohr (Moor) in Salzburg Stadt geboren. Der Salzburger Scharfrichter Joseph Wohlmuth war Mohrs Taufpate, ließ sich bei der Taufe allerdings von einer Franziska Zachin vertreten. Scharfrichter genossen übrigens zu dieser Zeit kein hohes Ansehen; sie durften nicht einmal in der Stadt wohnen. So kann man auch heute noch das ehemalige Wohnhaus des Henkers am Fuße des Festungsberges der Hohensalzburg sehen – frei stehend, auf einer Wiese. Literatur: Werner Thuswaldner: „Stille Nacht! Heilige Nacht! Die Geschichte eines Liedes“, Residenz Verlag, Salzburg 2002; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Werner Thuswaldner. Straßenbahn Die Straßenbahn hat immer Vorrang. Stimmt nicht – es gibt nämlich zwei wichtige Ausnahmen. Wenn Ihnen als Autofahrer die Straßenbahn entgegenkommt und nach links abbiegt, haben Sie Vorrang, nicht die Straßenbahn.

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Dasselbe gilt für folgenden Fall: Wenn die Straßenbahn im Parallelverkehr unterwegs ist und nach rechts abbiegen will, hat sie ebenfalls nicht Vorrang gegenüber dem parallelen Autoverkehr.

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Da Straßenbahnen in diesen beiden Fällen bei starkem Verkehr oft lange warten müssen, gibt es an derartigen Stellen meist vereinfachte Signalanlagen für die Autos: Die Ampel springt kurz auf Gelb, dann auf Rot, und Rot erlischt, wenn die Straßenbahn vorbei gefahren ist. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Mag. Martin Hoffer, Österreichischer Automobil- Motorrad- und Touringclub (ÖAMTC). Straßennamen Straßennamen und Gassennamen gibt es in Wien niemals doppelt. Dies stimmt nur in der Regel. Zu den wenigen Ausnahmen gehören beispielsweise neben der Ludwiggasse (14. und 18. Wiener Gemeindebezirk) die Gernotgasse (im 15. und 22. Bezirk), die Rohrergasse (im 13. und 16. Bezirk) und die Ölzeltgasse (im 3. und im 23. Bezirk). Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Arno Weigand, Wien. Sudetendeutsche Alle ehemaligen deutschsprachigen Bewohner der früheren Tschechoslowakei waren Sudetendeutsche. Der Begriff“Sudetendeutsche“ galt ursprünglich nur für die Bewohner und Bewohnerinnen des 1763 bei Österreich verbliebenen Restteil Schlesiens, für die sich früher oft auch die Bezeichnung „Sudeten-Schlesier“ findet. Die Sudeten sind das Grenzgebirge im Nordosten Böhmens, dessen bekannteste Gebirgsgruppe das Riesengebirge ist. Die in Böhmen und Mähren lebenden Deutschen hießen einfach Deutsch-Böhmen und Deutsch-Mährer; ähnlich geographisch orientierte Begriffe galten auch für die Bewohnerinnen und Bewohner der verstreuten Sprachinseln. Die Bezeichnung „Sudetendeutsche“ für alle deutsch-sprachigen Einwohner des tschechischen Landesteils der Tschechoslowakei begann sich erst nach 1919 einzubürgern. Hand in Hand damit ging der Gebrauch des Begriffes „Sudetengebiet“, der heute für alle Landesteile gilt, in denen bis zur Vertreibung der Deutschen 1945 mehrheitlich deutsch gesprochen wurde. Die in der Slowakei, vor 1918 ein Teil Ungarns, lebenden Deutschen werden nicht als Sudetendeutsche, sondern als Karpatendeutsche

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bezeichnet. Auch sie wurden Opfer von Mord, Enteignung und Vertreibung im Sinne der viel-diskutierten Benes-Dekrete, ebenso wie die Angehörigen der in der Slowakei lebenden ungarischen Volksgruppe. Literatur: Theodor Veiter: „Österreich und die Sudetendeutsche Frage 1918-1938-1988“, Verlag der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich, Wien 1988; Fritz Peter Habel: „Die Sudetendeutschen „, Studienbuchreihe der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat, Band l, Verlag Langen Müller, München 1992 (mit zahlreichen weiterführenden Quellen- und Literaturangaben). Sushi-Restaurant Sashimi, Sushi und Maki müssen stilecht mit Stäbchen gegessen werden. Die wichtigsten Speisen in einem Sushi-Lokal sind Sashimi (roher Fisch), Sushi (mit Reis verbundene Happen) und Maki (mit Seetang umwickelt). Isst man diese Gerichte nun mit Stäbchen oder mit den Fingern? Thomas Schäfer-Elmayer, Österreichs Experte auf dem Gebiet des guten Benehmens, gibt darauf folgende Antwort: Sashimi und Sushi isst man bei uns meist mit Stäbchen, Maki eigentlich immer mit den Fingern. Die Stäbchen braucht man allerdings dazu, um auf einem separaten kleinen Teller die Sojasauce mit der Wasabi-Paste (japanischer Kren) anzurühren. Außerdem gibt es marinierten Ingwer, der die Geschmacksnerven neutralisiert: Man nimmt nach oder zwischen den einzelnen Bissen ein, zwei Blättchen. In Japan kann man sich frei entscheiden, ob man diese Gerichte mit Stäbchen oder mit den Fingern ist. „Das fertige Sushi kann entweder mit der Hand oder mit Stäbchen gegessen werden. Experten schwören auf die Hand“, schreibt Kim Fukei in seinem Buch Zu Gast in Japan. Tradition, Kultur, Kochkunst. Wetten, dass sich in Österreich das japanische Personal von Sushi-Restaurants manchmal köstlich amüsiert, wenn sich ein Gast krampfhaft mit Stäbchen herumplagt? In Japan gibt es keine strengen Vorschriften, in welcher Reihenfolge man die einzelnen Happen zu sich nimmt. Vorzugsweise beginnt man aber mit den fettärmeren, milderen Fischsorten (meist weißes Fischfleisch) und solchen, die mit Essig abgeschreckt sind, anschließend folgen die rotfleischigen und fetteren Sorten wie zum Beispiel Thunfisch. „Nur der Belag, das tane, wird leicht in die Sojasauce getunkt. Den köstlichen Sushireis mit Sojasauce zu vermischen, gilt als äußerster faux pas“, schreibt Kim Fukei. „Genauso derb ist es, den Sushibelag vom

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Sushireis abzuheben und separat zu essen. Das Sushi-Erlebnis liegt im Verschmelzen von shari und tane, Sushireis und Belag. Jedes Sushi wird in einem Stück in den Mund genommen, damit sich der Geschmack ungestört entfalten kann.“ Auch bei Sashimi bedient man sich zuerst vom weißen Fisch. Bei gemischtem, d.h. rotem und weißem Fischfleisch, werden die weißfleischigen Fischscheibchen am vorderen Tellerrand angerichtet. „Als guter Ton gilt, vom vorderen zum hinteren Tellerrand zu essen.“ Zu Sashimi, Sushi und Maki trinkt man Sake, Bier oder japanischen Tee. Auf jeden Fall gibt es hinterher immer eine Suppe. Literatur: Kim Fukei: „Zu Gast in Japan. Tradition, Kultur, Kochkunst“, Kunstverlag Weingarten, Weingarten 2000; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Thomas Schäfer-Elmayer, Wien, und Dr. Hans Dietmar Schweisgut, Österreichs Botschafter in Tokio.

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T

„Jeder Mensch hat ein Brett vorm Kopf, es kommt nur auf die Entfernung an.“

Marie von Ebner Eschenbach

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Tarock l Der Sküs ist ein Vorläufer des Joker. Der Sküs ist die höchste Karte in jenen Tarockspielen, die heute auf dem Gebiet der ehemaligen Habsburgermonarchie gespielt werden: in Österreich, Ungarn, Südtirol, Slowenien, Tschechien, aber auch in der Ukraine und in Rumänien (früher Bukowina) und in Teilen Baden-Württembergs (früher Vorderösterreich). Diese Karte, die bei uns auch Skys oder Gstieß genannt wird, ziert ein Arlecchino, was auf die italienische Herkunft des Spiels hindeutet.

Der Sküs im Tarockblatt der Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik &

Söhne Obwohl diese Darstellung dem Joker ähnlich sieht, ist der Sküs kein Vorläufer des Joker. Während der Harlekin bereits seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf den Tarockkarten zu finden ist, entstand der Joker – davon völlig unabhängig – im amerikanischen Spiel Euchre. Dieser Joker wurde später in die Spiele Poker und Rummy übernommen und gelangte erst in den 1880er Jahren nach Europa. Literatur: Wolfgang Mayr und Robert Sedlaczek: „Das große Tarockbuch“,

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Perlen-Reihe im Verlag Deuticke, Wien 2001; Michael Dummet: „The Game ofTarot“, Dukworth, London 1980. Tarock 2 Die Spielrichtung und die 22 Tarock deuten auf eine jüdische Herkunft hin. Tarock wird gegen den Uhrzeigersinn gespielt. In diesen Umstand werden immer wieder Merkwürdigkeiten hineingeheimst. So meinte der evangelische Oberkirchenrat Dr. Michael Bunker im Herbst 2001 in der Radio-Sendung „Gedanken zum Tag“: „Beim Tarockieren wird nicht nur gegen den Uhrzeiger gegeben, sondern auch gespielt! Ist die Ursache dafür die Erinnerung an die jüdischen Wurzeln dieses Spieles, wie auf der berühmten Uhr im Prager Ghetto, an der die Zeiger für Nichtjuden verkehrt herum laufen wie die Buchstaben in der hebräischen Schrift?“ In Wahrheit wird Tarock gegen den Uhrzeigersinn gespielt, weil dieses Kartenspiel italienischer Herkunft ist – während die Deutschen bei ihren traditionellen Kartenspielen im Uhrzeigersinn geben und spielen. Zwar werden einige wenige Tarockvarianten, wie z. B. das Zwanzigerrufen, im Uhrzeigersinn gespielt, dies sind jedoch Ausnahmen, die im Grunde genommen eine Art „Eindeutschung“ darstellen. Auch in die fünfte Farbe, Tarock genannt, wird irrtümlicherweise einiges hineininterpretiert. Wir zitieren wieder Dr. Bunker: „Aber was sind die 22 Tarock? Ihre Herkunft wird auf jüdische Wurzeln zurückgeführt, sie stellen die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets dar und jeder Buchstabe ist eine Zahl, Pagat, der Einser, wäre Aleph und der Sküs, Nummer 22, wäre Tau, das Ende und Nichts, in das die Dinge gehen. Zur Welt wie sie ist – symbolisiert durch die Zahl Vier- kommt die Botschaft eines unsichtbaren Gottes, der die Welt nicht so lässt, wie sie ist, sondern sie verändert auf ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit hin. So begegnet uns an jedem Tarocktisch die jüdisch-christliche Tradition und jeder Stich mit Tarock über Herz, Karo, Kreuz oder Pik stärkt das adventliche Verlangen nach dem messianischen Reich des Friedens.“ In der Tat sind die jüdischen Wurzeln der Tarockkarten eine Erfindung von französischen Okkultisten, die im 18. Jahrhundert die Behauptung aufstellten, diese Spielkarten seien zum Wahrsagen und nicht zum Kartenspielen erfunden worden. Wahr ist das genaue Gegenteil: 250 Jahre lang wurde mit diesen Utensilien nichts anderes gemacht, als Karten gespielt. Erst dann kam man auf die Idee, sie zum Wahrsagen zu verwenden. Die Herleitung der 22 Tarock aus dem hebräischen Alphabet

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ist nachweislich eine reine Erfindung. Literatur: Wolfgang Mayr und Robert Sedlaczek: „Das große Tarockbuch“, Perlen-Reihe im Verlag Deuticke, Wien 2001; Michael Dummet: „The Game ofTarot“, Dukworth, London 1980. Tempolimits Tempolimits auf Autobahnen erzeugen Staus. In Zeiten starken Verkehrs gibt es auf bestimmten Strecken der Autobahnen zeitweilige Tempolimits. Manchmal entsteht der Eindruck, diese Geschwindigkeitsbegrenzungen seien verantwortlich für die Staus. De facto erhöhen sie jedoch die Durchflussleistung und tragen dazu bei, dass Staus vermieden werden.

Studien haben gezeigt, dass eine größere Anzahl von Kraftfahrzeugen ein bestimmtes Autobahnstück passieren kann, wenn die Geschwindigkeit der einzelnen Autos niedriger und damit homogener ist. Fährt ein Teil der Autos 130 km/h und ein anderer Teil 80 km/h, so haben weniger Autos auf der Autobahn Platz, als wenn alle mit 100 km/h unterwegs sind. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Mag. Martin Hoffer,

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österreichischer Automobil- Motorrad- und Touringclub (ÖAMTC) und DI Günther Hanreich, Brüssel. Testament Bei einem fremdhändigen schriftlichen Testament reichen zwei Zeugen. Entgegen dieser weitverbreiteten Meinung braucht man nicht zwei, sondern drei Zeugen, wenn man ein Testament nicht selbst mit der Hand schreibt. Dies gilt sowohl wenn man selbst das Testament auf einer Schreibmaschine oder einem PC schreibt, als auch dann, wenn man das Testament von einem Dritten schreiben lässt. Die drei Testamentszeugen müssen jeweils mit dem Zusatz „als Testamentszeuge“ unterschreiben, um Verwechslungen mit dem Testamentserrichter auszuschließen. Um fähiger Testamentszeuge sein zu können, muss man über achtzehn Jahre alt sein und die Sprache des Erblassers verstehen können. Zu beachten ist, dass ein Erbe oder Vermächtnis-nehmer hinsichtlich der eigenen Zuwendung kein fähiger Zeuge sein kann. Dies gilt auch für die nahen Angehörigen einer im Testament bedachten Person. Man braucht in diesem Fall einen anderen, unbefangenen Testamentszeugen, damit diese letztwillige Zuwendung gültig ist. Was die Formgültigkeit anbelangt, ist das so genannte „eigenhändige Testament“ einfacher: Damit dieses gültig ist, muss es eigenhändig geschrieben und eigenhändig unterschrieben sein. Datum und Ort müssen nicht beigesetzt werden; dies ist aber sinnvoll, wenn man später seinen Erben den Streit darüber ersparen will, welches Testament jüngeren Datums ist. Literatur: Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch §578 und §579, im Internet auf http://www.ris.bka.gv.at/bundesrecht/. Geben Sie in das Feld „Kurztitel“ ABGB ein; für den Hinweis danken wir Dr. Amo Weigand, Wien. Titanic Der Untergang der Titanic war die größte Schiffskatastrophe in Friedenszeiten. Mit solchen und ähnlichen Sätzen erinnerten am 14. April 2002 Zeitungen, Radio und Fernsehen an den 90 Jahre zuvor nach einer Kollision mit einem

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Eisberg gesunkenen Luxusdampfer. Die Zahl der Todesopfer dieser Schiffskatastrophe konnte nie genau festgestellt werden. Etwa 2.200 Menschen waren an Bord, rund 700 wurden gerettet. Eine britische Kommission erklärte, die Zahl der Toten habe l .490 betragen, das „British Board of Trade“ (die Handelskammer) kam auf l .503 Tote, ein Untersuchungskomitee des US-Senates bezifferte die Opferzahl mit 1.517 Toten. Dennoch war der Untergang der Titanic nicht die größte Schiffskatastrophe in Friedenszeiten. In der abendlichen Hauptnachrichtensendung des ORF-Fernsehens wurde dieser äußerst populäre Irrtum dann richtig gestellt: Nicht der Untergang der für unsinkbar gehaltenen Titanic, sondern der Zusammenstoß einer völlig überladenen Fähre mit einem Tanker vor einer Insel im Norden der Philippinen hatte am 20. Dezember 1987 mit etwa 4.400 Toten die bisher höchste Zahl an Menschenleben in der zivilen Schifffahrt gefordert. Das Fracht- und Fahrgastschiff La Paz hatte offiziell l .586 Passagiere und 58 Mann Besatzung an Bord, in Wahrheit dürften es jedoch mehr als 4.300 gewesen sein. Ziel der La Paz war Manila. Der Tanker Vector hatte l .400 Tonnen Benzin, Kerosin und Dieselkraftstoff geladen und führte eine 13-köpfige Besatzung mit sich. Die Schiffe kollidierten nachts in der Tablas-Straße zwischen den Inseln Mindoro und Marinduque. Unmittelbar danach erfolgten mehrere Explosionen; auf dem Tanker brach Feuer aus, das sich schnell auf die Fähre und die Wasseroberfläche um die beiden Schiffe ausbreitete. Es konnten keine Rettungsboote ausgesetzt werden. Wer in Panik ins Wasser sprang, verbrannte, wer an Bord blieb, starb in einer der zahlreichen Explosionen oder ging mit seinem Schiff unter. Die 26 Überlebenden der Fähre konnten sich nur deshalb retten, weil sie unter dem Flammenteppich ins freie Wasser durchtauchten, dennoch erlitten sie schwere Verbrennungen. Zwei Besatzungsmitglieder des ebenfalls gesunkenen Tankers retteten sich auf ähnliche Weise. Die philippinischen Behörden behaupteten zunächst, nur die 1.586 registrierten Passagiere seien ums Leben gekommen, mussten aber schließlich angesichts einer schnell wachsenden Zahl von Vermisstenmeldungen den Tod von 4.317 Reisenden eingestehen. Zusammen mit den toten Besatzungsmitgliedern beider Schiffe erhöht sich die Opferbilanz somit auf fast 4.400 Menschen. Im Bericht über die Ursache der Katastrophe wird die Seetüchtigkeit der Fähre ausdrücklich betont, der Tanker dagegen habe zahlreiche technische Mängel aufgewiesen und seine Besatzung sei nur unzulänglich ausgebildet gewesen. Im Abschlussbericht wurden Eigentümer und

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Betreiber des Tankers alleinverantwortlich für die Schiffskollision und damit für den Tod so vieler Menschen gemacht. Literatur: Die Angaben finden sich auf der Website der „Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“, Bremerhaven unter http://www.janmaat.de/donapaz.htm; Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Josef Broukal, Wien. Tixo Tixo ist der allgemeingültige deutsche Ausdruck für durchsichtiges Klebeband. Tixo ist ein Markenname, aber kein Produktname. Die 1887 in Wien gegründete Firma Koreska nannte das von ihr auf den österreichischen Markt gebrachte Klebeband Tixo. Dasselbe Produkt heißt in Deutschland Tesafilm, und wer in Deutschland nach „Tixo“ fragt, wird auf Unverständnis stoßen. Die Rechte an dem Markennamen „Tixo“ hält allerdings seit 1984 nicht mehr die Firma Koreska. Sie sind vollständig an die Beiersdorf GmbH, verkauft worden, die ihrerseits den Namen „Tesa“ prägte und heute 100 Prozent der Aktien der Tesa AG hält. Der nur in Österreich gebräuchliche Name „Tixo“ wurde trotzdem beibehalten, weil er hierzulande eindeutig markt-gängiger ist. Für Informationen zu diesem Irrtum danken wir Ursula Heissig, Beiersdorf GmbH. – tesa division, Wien. Troja Heinrich Schliemann hat Homers Troja entdeckt. Die Eroberung der mykenischen Stadt Troja durch listige Griechen in Homers Ilias ist uns allen bekannt: Die Griechen verbargen sich nach ihrem vorgetäuschten Abzug im Inneren eines Holzpferdes, das sie vor den Toren der Siedlung zurückließen. Die siegestrunkenen Trojaner holten die Statue alsbald in ihre Stadt. Nachts kletterten die Griechen aus dem Pferd und eroberten das schlafende Troja im Handstreich. Wie viel Wahrheitsgehalt dieser Sage zuzusprechen ist, darüber gehen die Meinungen der Experten weit auseinander. In den Jahren 1870 bis 1882 legte Heinrich Schliemann auf Hissarlik in der Türkei mehrere Schichten

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einer zerstörten Siedlung frei. Was er für die im Trojanischen Krieg zerstörte Stadt hielt, ist allerdings sicher nicht das homerische Troja: Die von Schliemann als Troja angesehene Grabungsschicht wurde durch ein Erdbeben, nicht durch einen Krieg zerstört. Welche andere Schicht eventuell das Troja der Ilias sein könnte, welche wirtschaftliche und politische Bedeutung eine solche Stadt hatte und ob sie tatsächlich durch kriegerische Handlungen unterging, das ist ebenso strittig wie die Frage, wer der Schöpfer der Ilias ist. Die Textherkunft konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Nicht einmal, ob das Epos von einem Autor oder von mehreren Autoren verfasst worden ist. Literatur: Zwei aktuelle, kontroverse Darstellungen: Dieter Hertel: „ Troja. Archäologie, Geschichte, Mythos“, Verlag C. H. Beck, München 2001; Joachim Lactacz: „ Troja und Homer. Der Weg zur Lösung eines alten Rätsels „, Verlag Koehler dr# Amelang, München/Berlin 2001. Türkenbelagerung Kolschitzkys Kundschafter-Tätigkeit wird von der Nachwelt zurecht als einmalige Heldentat gewürdigt. Bei der Türkenbelagerung Wiens im Jahr 1683 haben Kundschafter den Kontakt zwischen den Verteidigern der Stadt und dem Hauptquartier der österreichischen Feldarmee und später mit dem christlichen Entsatzheer aufrechterhalten. Allerdings war Franz Georg Kolschitzky (eigentlich Koltschitzky), ein Orientwarenhändler aus der Wiener Leopoldstadt, nicht, wie in fast allen einschlägigen Werken hervorgehoben wird, der einzige und auch nicht der erste Kundschafter, der den türkischen Belagerungsring durch-querte. Am 5. August durchschwamm ein für die Nachwelt unbekannt gebliebener Kürassier des Regiments Caraffa bei Klosterneuburg die Donau und überbrachte dem Stadt-Kommandanten Starhemberg einen Brief des Herzogs von Lothringen. Am 8. August stahl sich ein Leutnant eines Infanterieregiments, Michael Gregorowitz, mit einem chiffrierten Schreiben aus der belagerten Stadt und erreichte wohlbehalten die Vorposten der kaiserlichen Armee. Kolschitzky trat erst als dritter Bote am 14. August in Erscheinung; er forderte, da er kein Soldat war, eine angemessene Belohnung für die patriotische Tat: Geld und ein Grundstück in Wien. Laut Abrechnung des Hofkriegszahlamts-Kontrollors Johann Michael Eineder erhielt Kolschitzky ein Honorar von 2.760 Gulden, und Bürgermeister Liebenberg versprach

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ihm ein auf 400 Gulden geschätztes ausgebranntes Haus in der Leopoldstadt (heute Haidgasse 8). Kolschitzky machte sich, als Türke verkleidet, übrigens nicht allein auf die Reise, sondern er nahm seinen Diener Stephan Seradly (auch: Serhadly) mit, der in der Geschichtsschreibung gerne vergessen wird. Bei strömendem Regen verließen die beiden durch eine geheime Ausfallspforte neben dem Schottentor die Stadt und kehrten am 17. August mit der erfreulichen Meldung zurück, dass das christliche Entsatzheer bald in Marsch gesetzt werde. Am 19. August wurde Kolschitzky gebeten, das Unternehmen zu wiederholen, aber er weigerte sich: Er hatte Angst. Nun ging sein Diener Seradly allein durch die Fronten. Er bekam dafür lediglich 200 Goldstücke. Kolschitzky war nur einer von insgesamt rund 20 Kund-schaftern, die den gefährlichen Hin- und Rückweg durch das türkische Lager wagten. Die Kundschafter sprachen alle türkisch und waren in ruhigeren Zeiten oft in diplomatischer Mission nach Konstantinopel unterwegs. Ihre Namen und ihre lebensgefährlichen Einsätze während der Türkenbelagerung Wiens sind in Vergessenheit geraten, deshalb sei hier nochmals an einige dieser tapferen Männer erinnert: an den Serben Djordje Mihajlovic, an den bereits erwähnten Offizier Michael Gregorowitz, der die damals noch in viele Arme geteilte Donau durchschwömmen hatte, und an eben jenen Stephan Seradly, der beim letzten seiner gefährlichen Gänge in türkische Gefangenschaft geriet. Kolschitzky hatte allerdings den anderen, so gut wie namenlos gebliebenen Boten eines voraus: Er ließ gleich nach der Schlacht um Wien seine reichlich ausgeschmückte Geschichte von einem poetisch veranlagten Notar, Johann Martin Lerch, niederschreiben, den Text dann in mehrere Sprachen übersetzen, drucken und eifrig vertreiben. Damals war es in Wien offensichtlich allgemein bekannt, dass Kolschitzky nicht der einzige Kundschafter gewesen sein konnte. Deshalb dachte sich dieser: „Wenn ich schon nicht der einzige war, dann tun wir so, wie wenn ich der erste gewesen wäre.“ Deshalb heißt es im gereimten Vorwort der Flugschrift:

Ich leb schon vergnügt, mir bleibt zum Überrest Noch endlich diese Ehr: Ich bin der erst gwest.“

Stephan Vajda, der die Hintergründe recherchiert hat, kommentiert dies mit folgenden Worten: „Eine gezielte Fehlinformation, die aber im historischen Bewusstsein Österreichs anscheinend unausrottbar tiefe Wurzeln schlug.“

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Kolschitzky-Denkmal in Wien 4, Ecke Favoritenstraße/Kolschitzkygasse

Dass Kolschitzky, nach dem in Wien eine Straße benannt ist, auch nicht Begründer des ersten Wiener Kaffeehauses war, haben wir bereits im ersten Band des Lexikons der populären Irrtümer Österreichs gezeigt. In jedem Fall war Kolschitzky eine überaus schillernde Figur, arbeitete er doch zunächst für die Türken und dann für die Kaiserlichen. Er stammte aus Sambor in Polen und kam 1660 im Alter von 20 Jahren nach Österreich. Zunächst war er für einen Tageslohn von 45 Kreuzern als „Unterdolmetsch“ in der türkischen Gesandtschaft des Kara Mehmed Pascha in Wien tätig. Im Jahr 1665 verließ er den Dienst bei den Türken und heiratete die „ehrentugendreiche“ Maria Ursula Heissin, die Tochter eines kaiserlichen Reitknechtes. Er trat als türkischer Dolmetscher der „Ersten Privilegierten Orientalischen Handelskompanie“ bei, reiste mehrmals nach Istanbul und spionierte dabei ein wenig für die Kaiserlichen. Dann zog er sich in die Leopoldstadt zurück und handelte – auch nach der Belagerung Wiens – mit türkischen Waren aller Art.

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Kolschitzky starb am 19. Februar 1694 im Alter von 54 Jahren an der Schwindsucht, anscheinend völlig mittellos, denn seine Witwe reichte ein Gesuch um die Aufnahme in ein städtisches Armenasyl ein. Literatur: Stephan Vajda: „Die Belagerung. Bericht über das Türkenjahr 1683“, ein Trend-Profil-Buch bei Orac-Pietsch, Wien 1983; „Zweite Türkenbelagerung Wien 1683“ hrsg. vom Bundespressedienst, Wien 1982; Thomas M. Barker: „Doppeladler und Halbmond – Entscheidungsjahr 1683“, Verlagsanstalt Styria, WienIGrazIKöln 1982.

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U

„Das Lügen ist was Schrecklich’s, man kommt immer mehr drein.“

Johann Nestroy

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Übergewicht l Fett macht dick. Die von Ernährungsberatern in aller Welt jahrelang gepredigte Warnung vor dem Fett entpuppt sich in dieser allgemeinen Form zunehmend als Mythos. Im Gegenteil: Der Fehler so genannter Low-fat-Diäten ist, dass sie nicht zwischen den einzelnen Fettarten unterscheiden, sondern global eine Reduktion empfehlen. Natürlich ist weniger Fett sinnvoll, aber viel entscheidender sind Art und Qualität der Fette. So ist etwa die lange Zeit propagierte Formel, dass maximal 30 Prozent der aufgenommenen Kalorien aus Fett bestehen sollten, wissenschaftlich nicht belegt. Hingegen sind sogar Mangelerscheinungen an essentiellen Fettsäuren festgestellt worden. Das US-Magazin Science argumentiert, dass mit dem Ratschlag „weniger Fett“ eine unbewiesene Hypothese aus den Sechziger und Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zum Dogma erhoben wurde: „Die meisten von uns haben geglaubt, dass wir einen Gewichtsrückgang sehen werden, wenn wir die Bevölkerung dazu bringen können, ihren kalorienreichen Fettkonsum zu ändern. Stattdessen sehen wir jetzt das genaue Gegenteil“, resümiert der amerikanische Ernährungswissenschaftler William Harlan. Der Wiener Stoffwechselexperte Kurt Widhalm empfiehlt den Konsum von gesättigten Fetten (vor allem aus tierischen Produkten) stark einzuschränken und statt dessen mehr Raps- und Olivenöl zu verwenden, weil diese Ölsorten große Mengen an ungesättigten Fettsäuren enthalten. Wer Wert auf gesunde Ernährung legt, sollte den Konsum von fettreichen Milchprodukten und Fleischsorten einschränken. Literatur: Christine Holzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen’, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmutb: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Übergewicht 2 Essen am Abend macht dick. Es kommt nicht darauf an, zu welcher Tageszeit man isst, sondern was man isst und wie viel man isst. Das fanden amerikanische Forscher heraus, die die Essgewohnheiten von 7.000 Personen zehn Jahre hindurch

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beobachteten. Der Grund für die Binsenweisheit, Essen am Abend verursache zusätzliche Fettpölsterchen, liegt nicht in der Tageszeit, sondern darin, dass ein Abendessen schneller einmal zu üppig ausfällt als beispielsweise ein Frühstück: Man hat meist mehr Zeit, sitzt länger bei Tisch und das eine oder andere Gläschen Wein liefert zusätzliche Kalorien. Außerdem verursacht ein zu umfangreiches Abendessen gerade vor dem Schlafengehen ein unangenehmes Völlegefühl. Die alte Regel, besser ausgiebig zu frühstücken als sich am Abend kurz vor dem Zubettgehen den Bauch vollzuschlagen, bleibt also aufrecht. Literatur: Christine Hold und Silke Tabernik: „25 Emährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Übergewicht 3 Süßstoff hilft beim Abnehmen. Zum Süßen von Kaffee und Tee verwenden Kalorienbewusste gern Süßstoffe anstatt Zucker. Dass die Rechnung, dadurch abzunehmen, nicht aufgeht, hat psychologische Ursachen: Der Mensch glaubt, durch Einsparen dieser geringen Energie-mengen Energie in Form anderer Lebensmittel zu sich nehmen zu können und neigt dazu sich anzuschwindeln. In der Schweinemast wird dieser Effekt sogar zum Appetitanregen eingesetzt. Süßstoffe machen also das, was sie auf keinen Fall sollten: Sie können hungrig machen. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin „, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Übergewicht 4 Übergewicht verkürzt die Lebenserwartung. Die Frage, was Übergewicht und was Normalgewicht ist, hängt stark vom Zeitgeist ab und wird heute auf wissenschaftlichen Kongressen auch gern

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mal um ein paar Kilo in die eine oder die andere Richtung verschoben. Gesichert ist, dass Menschen mit starkem Unter- ebenso wie jene mit starkem Übergewicht früher sterben als Personen mit durch-schnittlichen Werten. Wie schaut es aber nun mit jenen aus, die nach unserem heutigen Schönheitsideal zwar über-gewichtig erscheinen, aber nicht in den Bereich extremer Fettsucht fallen? Eine Studie an der Düsseldorfer Klink für Stoffwechsel-Erkrankungen und Ernährung hat über Jahre hinweg mehr als 6.000 übergewichtige Männer und Frauen untersucht – mit verblüffenden Ergebnissen: Bei Frauen war eine deutlich feststellbare Zunahme der Sterblichkeit erst bei einem Body-Mass-Index (Körpergewicht geteilt durch die ins Quadrat gesetzte Körpergröße) von über 40 festzustellen. Das entspricht einem Gewicht von 109 Kilo bei einer Größe von 1,65 m! Bei Männern lag die Grenze bei ca. 100 Kilo bei einer Größe von 1,80 m. Eine amerikanische Studie kam zu ähnlichen Ergebnissen: Hier wurde die absolut niedrigste Sterblichkeit bei jenen Männern festgestellt, die einen Body-Mass-Index von 24 bis 26 hatten, das entspricht bei einer Größe von l ,80 m einem Gewicht von 78 bis 84 Kilo und das gilt heutzutage bereits als Übergewicht! Insgesamt bleibt jedoch zu beachten, dass bereits mit einem BMI von um die 25 sehr wohl eine Steigerung der Häufigkeit von Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und Herzinfarkt assoziiert ist. Auch wenn heute bei der Beurteilung des Normalgewichts eine viel größere Bandbreite gilt als früher und die Wichtigkeit der individuellen Beurteilung in den Vordergrund rückt, dürfen die Gefahren von Folge-erkrankungen des Übergewichts nicht unterschätzt werden. Literatur: Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Emährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000, S. 291-293; R. Benderetalt.: ,^Assessment of excess mortality onobesity“, in: .^American Journal of Epidemiology“ 1998/14, S. 42;]. Dornetal.:“Bodymass Index and mortality in a general population sample of men and women. The Buffalo Health Study“, in: „American Journal of Epidemiology“ 1997/146, S. 919; Nicolai Warm: „Diätlos glücklich – Abnehmen macht dick und krank“, Hallwag Verlag, Bern 1998.

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V

„Bildung ist das, was die meisten empfangen, viele weitergeben und wenige haben.“

Karl Kraus

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Vampire Es ist ein unerklärbarer Aberglaube, dass Knoblauch gegen Vampire schützt. Es ist schon eine recht eigenartige Wirkung, die dem aromatischen Knollengewächs da zugesprochen wird: Knoblauch soll Vampire vertreiben, das wissen nicht nur die Fans von Bram Stokers legendärem „Dracula“-Roman und den zahlreichen Filmen rund um die „Dracula“- und „Nosferatu“-Legende.

Christopher Lee in der Hauptrolle von Terence Fishers „Dracula“, GB 1958 Bei näherer Betrachtung kommt hinter dieser Ansicht eine ganz wissenschaftliche Erklärung zum Vorschein: Das Bild des Vampirs ist dem symptomatischen Erscheinungsbild einer Erbkrankheit aus der Gruppe der so genannten Porphyrien erstaunlich ähnlich. Menschen, die an dieser Erkrankung leiden, können den roten Blutfarbstoff nicht in normalem Ausmaß produzieren, was zu ständiger Blutarmut und bleichem Aussehen führt. Außerdem sind sie extrem lichtempfindlich: Sonnenlicht ruft auf ihrer Haut Geschwülste hervor, die meist hässliche Narben hinterlassen. Häufiger der Sonne ausgesetzte Körperteile wie Nasen, Ohren und Finger können auf diese Weise verunstaltet werden.

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Lippen und Zahnfleisch sind bei vielen Betroffenen zurückgezogen, die dadurch hervortretenden Zähne rötlich gefärbt – ebenso wie der Urin. Dazu kommt noch eine besonders starke Körperbehaarung. Menschen, die an dieser Erkrankung leiden, kann durch Bluttransfusionen geholfen werden. Was hat das nun alles mit Knoblauch zu tun? Ganz einfach, Knoblauch greift in den Stoffwechsel der Häm-Eiweiße ein (zu denen auch unser roter Blutfarbstoff gehört) und verstärkt den Abbau von Blutkörperchen. Wohl deshalb gilt Knoblauch ja auch als blutreinigend. Wenn jedoch ein Porphyrie-Kranker Knoblauch zu sich nimmt, bewirkt das eine Verschlimmerung seines Leidens. Literatur: Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Emährungsirrtümer“, Eichhorn Verlag, Frankfurt 2000; J. Hall: „Biochemical explanations for folk tales: vampires and werewolves „, in: „ Trends in Biochemical Sciences „ 1986/11/S. 31; Lionel R. Milgrom: „ The colours of life. An introduction to the chemistry of porphyrins and related compounds“, Oxford Univ. Press, Oxford 1997; J. Muth: „Knoblauch: Tanz der Vampire“, in: EU.L.Enspiegel -Wissenschaftlicher Informationsdienst des Europäischen Institutes für Lebensmittel und Ernährungswissenschaften (EU.LE) 1998, Heft 4, S. 1. Vanille Vanillearoma wird aus der Vanilleschote hergestellt. Vanille ist als Aroma sehr beliebt, doch nur die wenigsten Menschen machen sich heute noch die Mühe, die vergleichsweise teuren Vanilleschoten anstelle des einfacher handhabbaren und preiswerteren Aromas zu benutzen, wenn’s an das Backen der weihnachtlichen Vanillekipferln geht. Und nicht nur für diese Spezialität wird Vanille gern verwendet, der weltweite Bedarf an Vanille liegt bei 1.2000 Tonnen jährlich. Echtes Vanillin wird aus Schoten gewonnen, die die Frucht einer in Mittel- und Südamerika beheimateten Orchidee sind. Pro Jahr werden auf diesem Weg 20 Tonnen Vanillin erzeugt – das sind gerade einmal l ,6 Promille des Gesamtbedarfs. Angesichts dieser geringen Menge tritt die Lebensmittelchemie auf den Plan: Entgegen der landläufigen Annahme stammen weder das so genannte natürliche noch das naturidentische Vanillin aus der

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Vanilleschote. Wie andere „natürliche“ Aromen auch, wird das natürliche Vanillin vielmehr in riesigen Tanks hergestellt, so genannten Fermentern, in denen Schimmelpilze und Bakterien fleißig Aromen produzieren. Naturidentisches Vanillin seinerseits wird chemisch synthetisiert, meistens aus Abwässern der papiererzeugenden Industrie. Diese enthalten nämlich jede Menge Lignin, einen Hauptbestandteil von Holz, der in mehreren Arbeitsschritten in Vanillin umgewandelt werden kann. Wem jetzt der Appetit auf Weihnachtskeks und Vanillepudding vergangen ist, der sollte nächstes Mal vielleicht doch lieber zur echten Vanille greifen… Literatur: Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000, S. 195f; G. Feron et al: „Prospects for the microbial production of foodflavours“, in: „Trends in Food Science and Technology“ 1996/7, S. 285; C. Hoicke: „Macht Vanille süchtig?“, in: „ EU.L.E.nspiegel – Wissenschaftlicher Informationsdienst des Europäischen Institutes für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (EU.L.E.)“ 1998, Heft 8, S. 1; A. Yoshida et al.: „Vanillin formation by microbial amine oxidase from vanillylamine“, in: „Journal of Fermentation and Bioengineering“ 1997/84, S. 603; D. Ehlers: „HPLC-Untersuchungen von Handelsprodukten mit Vanille und Vanillearoma „, in: „Deutsche Lebensmittel-Rundschau“ 1999/95, S. 464. Vaterland „Der Österreicher hat ein Vaterland, er liebt’s und hat auch Ursach, es zu lieben“ stammt von Franz Grillparzer. Dieser Irrtum ist immer wieder verbreitet worden, vor allem in den Wochen vor der EU-Abstimmung am 12. Juni 1994. Vermutlich weil man glaubt, diese Zeilen seien dem Lob Österreichs aus dem Munde des Ottokar von Horneck in Franz Grillparzers König Ottokars Glück und Ende entnommen. Der Satz stammt jedoch aus Friedrich Schillers Wallenstein-Trilogie. Er findet sich im fünften Auftritt des ersten Aufzugs von Wallensteins Tod: Als Wallenstein mit dem schwedischen Abgesandten Oberst Wrangel über seinen geplanten Abfall vom Kaiser verhandelt und dem Schweden den Unterschied zwischen den angestammten Österreichern und seinem Söldnerheer klarzumachen sucht, sagt er:

Ich will Euch sagen, wie das zugeht. – Ja, der Österreicher hat ein Vaterland

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und liebt’s und hat auch Ursach, es zu lieben. Doch dieses Heer, das kaiserlich sich nennt,

das hier in Böheim hauset, das hat keins; das ist der Auswurf fremder Länder, ist

der aufgegebne Teil des Volks, dem nichts gehöret als die allgemeine Sonne.

Literatur: „Österreich in Geschichte und Literatur (mit Geographie)“, 38 (1994) 3, S. 171. Verjährung In drei Jahren ist alles verjährt. Viele Forderungen des täglichen Lebens – beispielsweise rückständige Unterhaltsbeiträge, Pacht- und Mietzinsen, Forderungen für Lieferung von Sachen oder Leistungen eines Unternehmens verjähren in drei Jahren. Das gleiche gilt für viele Schadenersatzansprüche, bei denen diese Frist ab Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen beginnt. Daneben gibt es aber auch andere Verjährungsfristen wie etwa die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren und eine 40-jährige Verjährungsfrist für bestimmte Rechte besonders begünstigter Personen wie den Fiskus, Gemeinden und Kirchen. Literatur: Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch § 1486 und § 1478, im Internet auf http://www.ris.bka.gv.at/bundesrecht/. Geben Sie in das Feld „Kurztitel“ ABGB ein; Für den Hinweis danken wir Dr. Arno Weigand, Wien. Verlobung Eine Verlobung ist nur eine unverbindliche Absichtserklärung. Eine Verlobung, ob schriftlich oder mündlich, ob heimlich oder in der Zeitung aller Welt bekannt gegeben, ist ein Vertrag wie jeder andere. Man kann ihn zwar nicht einklagen und auf eine Verehelichung bestehen, aber einen ohne „gute Gründe“ abgesprungenen Partner kann man durchaus für Schäden haftbar machen. Eine Frau, die in Erwartung der baldigen Heirat eine gut dotierte Stelle kündigt, ein Mann, der mit der Aussicht, demnächst bei der Frau zu wohnen, seine Wohnung aufgibt, beide können von einem wortbrüchigen Partner Schadenersatz verlangen.

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„Gute Gründe“ für die Auflösung der Verlobung sind: Bruch der Verlöbnistreue, Lieblosigkeit, Verzögerung der Eheschließung oder „Unfähigkeit zu wirtschaften“. Kein guter Grund ist das Entflammen für jemand anderen – in diesem Fall kann der oder die Zurückgelassene den anderen oder die andere zur Kasse bitten. Einzige Voraussetzung für die Gültigkeit einer Verlobung: Beide Partner müssen bei der Verlobung „geschäftsfähig“, insbesondere also mehr als 18-Jahre alt sein. Verlobungen zwischen Minderjährigen sind nur dann rechtskräftig, wenn die gesetzlichen Vertreter zustimmen. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Arno Weigand, Wien. Verträge Unterschriften auf gefaxten Verträgen sind ungültig. Wer seine Unterschrift auf einen Vertrag setzt und diesen an seinen Geschäftspartner faxt, der kann sich genauso auf die Gültigkeit verlassen, wie wenn der unterschriebene Vertrag auf dem Postwege übermittelt worden wäre. Zwar handelt es sich streng genommen nur um das Abbild einer Unterschrift, doch muss man davon ausgehen, dass das Original existiert und im Streitfall vorgelegt werden kann. Aus diesem Grund ist es heute in vielen Fällen üblich, einen unterschriebenen Vertrag an den Geschäftspartner zu faxen, worauf dieser ebenfalls seine Unterschrift unter den Vertrag setzt und ihn zurückfaxt. In diesem Zusammenhang spielt es auch eine Rolle, dass in Österreich nicht grundsätzlich die Schriftform für Verträge vorgesehen ist. Es gibt auch mündliche Verträge: Wenn Sie beispielsweise eine Vereinbarung auf einen Anrufbeantworter sprechen, so ist das gleichbedeutend mit einer schriftlichen Vereinbarung. Zu dieser generellen Regel gibt es auch Ausnahmen. Wenn es um ganz wichtige Dinge geht, beispielsweise um Bürgschafts-angelegenheiten, dann ist die Schriftform verpflichtend vorgesehen. Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Arno Weigand, Wien. Vitamine l Man kann nie genug Vitamine zu sich nehmen.

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Vitamin-Überdosen können krank machen. So gilt das Provitamin A, das als Pflanzenfarbstoff Beta-Carotin Bestandteil von gelb-roten und dunkelgrünen Obst- und Gemüsesorten wie Karotten, Spinat oder Pfirsichen ist, eigentlich als krebshemmend. Durch seine antioxidative Wirkung schützt es die Zellen vor Schädigungen durch aggressive Sauerstoffverbindungen. Studien in Finnland und in den USA haben jedoch ergeben, dass ab einer täglichen Menge von 20 Milligramm Beta-Carotin die Häufigkeit von Lungenkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Raucherinnen und Rauchern zunimmt. Auch ein Zusammenhang zwischen hohen Vitamin-A-Werten und Missbildungen bei Neugeborenen konnte festgestellt werden. Vor allem in so genannten ACE-Getränken – nach den Vitaminen A, C und E benannt – ist das künstlich erzeugte Provitamin in hoher Konzentration enthalten. Die kritische Dosis Beta-Carotin kann schon bei einem halben Liter eines solchen Getränks liegen. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002, S. 303-305; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt2000; Kurt Widhalm:“Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000. Vitamine 2 Vitamin C ist immer gesund. Auch das viel gerühmte Vitamin C hat zwei Seiten. Bekannt war lange nur, dass es als Radikalfänger, der die Zellen vor chemischen Substanzen schützt, krebshemmend wirkt. Heute weiß die Forschung, dass es gleichzeitig Reaktionen im Körper fördert, die das Erbmaterial zerstören. Radikale wandeln Linolsäure, eine mehrfach ungesättigte Fettsäure, in die Hydroperoxid-Lipid-Verbindung um. Diese wird im Körper zu einer erbgutschädigenden Substanz umgebaut. Dabei, so fanden Forscher der Universität Pennsylvania heraus, ist Vitamin C beteiligt. „Dies könnte erklären, dass Vitamin C im Kampf gegen Krebs weniger effektiv wirkt als bisher erhofft“, schreibt das angesehene amerikanische Wissenschaftsmagazin Science. Dennoch sollte das Mindestmaß von 50 Milligramm pro Tag nicht unterschritten werden. Raucherinnen und Raucher müssen deutlich mehr von diesem Vitamin zu sich nehmen: Eine einzige Zigarette „killt“ 30 Milligramm dieses Vitalstoffes, der unter anderem immunstärkend wirkt. Auch Stress-Situationen machen dem Vitamin den Garaus. Ein 20-

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minütiger Beziehungskrach kostet dem Magazin Geo zufolge sogar 300 Milligramm. Vor kurzem präsentierte das britische Medizin Journal The Lancet eine Studie, die gezeigt hat, dass Menschen mit natürlich erhöhtem Vitamin-C-Gehalt im Blut besser gegen Herzinfarkt geschützt sind. Eine gute Vorsorge mit Vitamin C bietet also höchstwahrscheinlich große Vorteile für die Gesundheit. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000.

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W

Allgemeinbildung ist, so harmlos das Krankheitsbild immer auf den ersten Blick aussehen mag,

doch nur in sehr vereinzelten Fällen heilbar.“

Heimito von Doderer

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Wachau Krems liegt im Weinbaugebiet Wachau. Der Name „Wachau“ taucht erstmals im 9. Jahrhundert in einem Dokument auf- nicht als Region, sondern als Ortsbezeichnung. Heute bezeichnet der Begriff im weiteren Sinn das Donautal zwischen Melk und Krems. Doch als es darum ging, das Weinbaugebiet Wachau zu definieren, sah der Gesetzgeber das etwas enger: Aus Sicht des österreichischen Weingesetzes beginnt die Wachau, flussabwärts betrachtet, bei Spitz und endet in Loiben. Krems gehört nicht mehr zum Weinbaugebiet Wachau, sondern zum Weinbaugebiet Kremstal. Mautern, das von Krems aus gesehen direkt gegenüber auf der anderen Seite der Donau liegt, ist hingegen sehr wohl Teil des Weinbaugebietes Wachau – da soll man sich noch auskennen… Oft wird damit argumentiert, dass diese enge Grenzziehung deshalb notwendig war, weil nur zwischen Spitz und Loiben die einmaligen Urgesteinsböden zu finden sind, die den Weinen ihren wunderbaren Charakter verleihen. Das stimmt allerdings nur bedingt. Urgestein findet man auch in den westlichen Rieden von Krems; die Weine aus den Rieden Pfaffenberg, Goldberg und Wachtberg stehen daher den Wachauer Weinen um nichts nach. Erst mit der Riede Sandgrube beginnen die Lössformationen. Umgekehrt tanzt auch Mautern, am rechten Donauufer, mit seinen Flussschwemmböden aus der Reihe. Die Wachau ist übrigens auch ein Weltkulturerbe. Zu diesem gehören nicht nur das Weinbaugebiet Wachau mit seinen uralten Steinterrassen, sondern auch die Altstadt von Krems sowie die Stifte Göttweig und Melk. Wahlen l Das allgemeine und gleiche Wahlrecht wurde noch im Alten Österreich eingeführt. Von einem allgemeinen Wahlrecht spricht man dann, wenn alle Staatsbürger, die bestimmte Voraussetzungen wie Mindestalter, Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, volle Handlungsfähigkeit etc. erfüllen, das Stimmrecht ausüben dürfen. Von einem gleichen Wahlrecht spricht man dann, wenn jeder Wähler über das gleiche Stimmgewicht verfügt, wenn also keine Abstufung des Stimmgewichts nach Besitz, Steuerleistung u. ä. stattfindet. Diese unzweifelhaften Definitionen vorausgeschickt, mutet es seltsam an, dass in Schulbüchern und Nachschlagewerken die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts in Österreich mit der am 1.

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Dezember 1906 verabschiedeten Wahlrechtsreform datiert wird. Demnach hätten die ersten Wahlen nach dem Prinzip des allgemeinen und gleichen Wahlrechts noch in Zeiten der Monarchie stattgefunden, nämlich vom 14. bis 24. Mai 1907.

Die sozialdemokratische Frauenrechtlerin Therese Schlesinger kritisiert,

dass Frauen nicht wählen dürfen; Arbeiterinnen-Zeitung, Wien, 15. April 1907, S. 2.

Was hat die Wahlrechtsreform von 1906 in Wirklichkeit gebracht? Zwar wurde das alte Kurienwahlrecht abgeschafft, das nicht mehr der gesellschaftlichen Realität entsprach, von einem allgemeinen Wahlrecht kann aber deswegen nicht gesprochen werden, weil Frauen vom Urnengang ausgeschlossen waren. Erst die Republik gab den Frauen das Recht zu wählen. So fanden die ersten Wahlen unter Beteiligung der Frauen am 16. Februar 1919 statt. Eine andere Einschränkung des aktiven Wahlrechts nach der Reform von 1906 war die einjährige Sesshaftigkeit – an Stelle der sechsmonatigen für die bisherige fünfte Kurie. Dazu kamen als Ausschließungsgründe auch jene der Reichsratswahlordnung, die gegenüber den bisherigen

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Bestimmungen sogar wesentlich verschärft wurden. Dies hatte zur Folge, dass der Kreis der Wahlberechtigten gegenüber dem Stand der vorausgegangenen Wahlrechtsreform des Jahres 1896 – als das aktive Wahlrecht nicht mehr von einer bestimmten Steuerleistung abhing – sogar geringer wurde. So hatte die Volkszählung von 1900 ergeben, dass von den über sechs Millionen Männern im wahlfähigen Alter (Vollendung des 24. Lebensjahres) etwa 500.000 männliche Zivilpersonen an ihrem Aufenthaltsort nicht ein Jahr hindurch anwesend waren. (Wie bisher vom Wahlrecht ausgenommen waren die in dauernder oder zeitlicher Dienstleistung stehenden Militärpersonen.) Das Prinzip der Gleichheit des Wahlrechts war insofern stark eingeschränkt, als bei der Festlegung der Wahlbezirke nicht allein auf die Einwohnerzahl oder auf die Zahl der Wahlberechtigten Rücksicht genommen wurde, sondern auch auf die Steuerleistung der einzelnen Wahlbezirke. Steuerkräftige Gebiete erhielten mehr Mandate zugewiesen, als dem Verhältnis zwischen der Gesamtzahl der zu besetzenden Mandate und der Zahl der Wahlberechtigten entsprochen hätte. Damit wurden die Italiener und die Deutschen gegenüber den Slawen bevorzugt, die Polen gegenüber den Ruthenen. Nach Nationalitäten entfiel infolge der Wahlreform von 1906/07 ein Mandat auf ca. 38.000 Italiener, auf ca. 40.000 Deutsche, auf ca. 46.000 Rumänen, auf ca. 50.000 Südslawen, auf ca. 52.000 Polen, auf ca. 55.000 Tschechen und schließlich auf ca. 102.000 Ruthenen. Dennoch stellte diese Wahlreform durch die Abschaffung des Kurienwahlrechts – bei dem beispielsweise rund 5.500 Großgrundbesitzer mehr Abgeordnete stellen durften als 5,5 Millionen Wähler der ,Allgemeinen Wählerklasse“ (= fünften Kurie) – eine wichtige Zäsur dar. Mit den Wahlen vom Mai 1907 traten erstmals die großen Massenparteien als vollwertige Mitglieder auf der politischen Bühne in Erscheinung. Die Sozialdemokraten gingen aus den Wahlen als stärkste Partei hervor. Daraufhin schlossen sich die Christlich-Sozialen mit den Katholisch-Konservativen zusammen und bildeten auf diese Weise die stärkste Fraktion. Dass Frauen noch nicht wählen durften, wurde von diesen sehr wohl kritisiert, im Übrigen verwendete man in den Parteien die Diktion, dass das allgemeine und gleiche Wahlrecht durchgesetzt worden sei – im Großen und Ganzen. Das Frauenwahlrecht war damals, so wie in vielen anderen europäischen Ländern auch, noch nicht in Reichweite. Wenn wir heute über dieses wichtige Datum der österreichischen Geschichte sprechen, so tun wir dies zwangsläufig mit der Terminologie der Gegenwart. Deshalb sind Sätze wie „Das allgemeine und gleiche

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Wahlrecht wurde noch im Alten Österreich eingeführt“ schlicht und einfach ein Irrtum. In der Tat wurde 1907 nur das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Männer eingeführt, wobei das Prinzip der Allgemeinheit und Gleichheit noch etwas eingeschränkt war. Literatur: Karl Ucakar: „Demokratie und Wahlrecht in Österreich. Zur Entwicklung von politischer Partizipation und staatlicher Legitimationspolitik“, Verlag für Gesellschaftskritik, 1985 Wien; Mären Seliger/Karl Ucakar: „ Wahlrecht und Wahlverhalten in Wien 1848-1932 „, Wien/München 1984; Walter Kleindel: „Österreich. Daten zur Geschichte und Kultur“, Ueberreuter, Wien 1997, auf Seite 295 finden sich die Wahlergebnisse von 1908 und 1911 nach Mandaten und Nationalitäten geordnet; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Felix Czeike, Wien. Wahlen 2 Die nächsten Nationalratswahlen finden am 27. September 2003 statt. Das versprach am 24. Jänner 2002 ÖVP-Klubobmann Andreas Khol, nachdem es zuvor in der ÖVP/FPÖ-Koalition einen Krach gegeben hatte. Khol wollte Spekulationen um vorgezogene Neuwahlen beenden und sagte: „Ich bleibe bei dem, was ich seit Monaten sage: Gewählt wird am 27.September 2003.“ Viele Medien brachten kommentarlos diese Aussage. Es war dem Kurier-Journalisten Christoph Kotanko vorbehalten, in einer Fernsehdiskussion auf eine Ungereimtheit hinzuweisen: Der 27. September 2003 ist ein Samstag – in Österreich wählen wir traditionell immer an einem Sonntag. Literatur: „Khol:, Wir haben eine Mission’ – Regierungskrise beigelegt 3 „, Meldung der APA vom 24. Jänner 2002; „Khol: ,Die Reformpartnerschaft hat die Spannungen gestärkt überlebt“, Meldung des ÖVP-Parlamentsklubs vom 24. Jänner 2002. Waldsterben Das Waldsterben ist eine Folge der Industrialisierung. Abgesehen davon, dass es ein globales Waldsterben nie gegeben hat, sind auch die vielen heute unbestreitbar kranken Bäume oft aus anderen

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Gründen krank, als manche Medien uns glauben machen wollen: Viren, Pilze, das Wetter (bei großer Trockenheit werfen Bäume zum Wassersparen vorzeitig die Blätter ab), sogar Läuse können großflächig den Wald gefährden. In Großbritannien etwa, dem neben Tschechien am stärksten von Waldschäden betroffenen Land in Europa, ist weder der saure Regen noch die Autolobby oder der Industrieabfall der Auslöser, sondern die aus der Pazifikinsel Sitka eingeschleppte Sitkalaus, die fast alle neuen Forste Schottlands befallen hat. Auch das in Deutschland derzeit am meisten geschädigte Waldgebiet, der Nationalpark „Bayerischer Wald“ an der Grenze zu Tschechien, ist kein Opfer der Chemie, sondern ein Opfer der Natur, konkret: des Borkenkäfers. Der darf auf inzwischen 3.000 Hektar Fläche ungestraft – denn der Nationalpark soll sich selbst überlassen bleiben – dem Wald den Garaus machen. Inzwischen verlangen Anrainer, denen die Feriengäste ausbleiben, wieder nach mehr Chemie und nach der Abkehr von dem 100-prozentigen Natur-Prinzip. Ein weiterer nichtindustrieller Bösewicht sind Stickoxide aus der Landwirtschaft (chemische Düngemittel, auch Jauche aus der Massentierhaltung). In landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen werden manche Wälder mit 100 kg Stickstoff pro Jahr und Hektar belastet. Ein Zehntel davon würde für das normale Wachstum reichen. Literatur: K.-F. Wentzel: „Der Wald hat viele Feinde“, in: „Die Welt“ vom 19. September 1995; „Der neue Deutsche Wald“, in: „Bild der Wissenschaft“ 12/1996; C. Ehrenstein: „Vielfach ist das Wetter der größte Feind des Waldes“, in: „Die Welt“ vom 22. November 1996; D. Guratzsch: „Wenn die Wälder ,wild’ werden, zittern die Menschen. Eine neue Form des Baumsterbens beruht auf natürlichen Ursachen“, in: „Die Welt“ vom 4. November 1997. Wappenadler Das hier abgebildete Wappen ist das Symbol der österreichisch-ungarischen Monarchie. Obwohl dieses Wappen auf zahlreichen habsburg-nostalgischen Andenken zu finden ist, handelt es sich dabei nicht um das Symbol der österreichischungarischen Monarchie schlechthin.

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Linker Teil des Doppelwappens Österreich-Ungarns (ohne Krone)

Historisch betrachtet war dieses Wappen eine kurze Episode. Es ist der linke (heraldisch: rechte) Teil des österreichisch-ungarischen Doppelwappens, das von 1915 an nur drei Jahre lang in Gebrauch war. Dieses Wappen symbolisierte Österreich, das andere Ungarn – es war eine Zeit, in der die nationalen Spannungen bereits so groß waren, dass man sich nicht mehr auf ein gemeinsames Wappen einigen konnte. Auf den meisten dieser heutigen Abbildungen wird auch die Krone weggelassen.

Doppelwappen Österreich-Ungarns

Sucht man ein geeignetes Symbol für die österreichisch-ungarische Monarchie, so kommen zwei Wappen in Frage: das „kleine“ oder das „mittlere“ Reichswappen – beide standen viele Jahrzehnte hindurch mit geringfügigen Modifikationen in Verwendung.

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Kleines Reichswappen Mittleres Reichswappen

(Siehe auch das Stichwort „Doppeladler“ im ersten Band des Lexikons der populären Irrtümer Österreichs.) Literatur: Peter Diem: „Die Symbole Österreichs“, VerlagKremayr & Scheriau, Wien 1995; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Peter Diem, Wien. Weibliche Offiziere An der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt ist noch nie eine Frau als Offizier ausgemustert worden. Es stimmt zwar, dass alle 14 Berufsoffiziersanwärterinnen, die derzeit (Stichtag 15. Juli 2002) die Militärakademie Wiener Neustadt besuchen, ihren Studienabschluss, die Ausmusterung zum Leutnant und die Graduierung zum Magister (FH) noch vor sich haben. Die ersten vier von ihnen werden Leutnantsstern und Magisterdiplom am 4. September 2003 in Empfang nehmen. Bereits zwischen 1794 und 1797 hat jedoch eine junge Frau die damals dreijährige Ausbildung absolviert und die Theresianische Militärakademie als Fähnrich des Grenz-Infanterieregiments Nr. 6 verlassen. Die unglaubliche, aber wahre Geschichte einer militärischen Karriere, die es verdient, kurz nacherzählt zu werden: Die Mailänder Senatorentochter Francesca Scanagatta rückte, gerade 13 Jahre alt, anstelle ihres wenig militärbegeisterten Bruders an die Militärakademie ein und nahm als

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„externer“ Zögling beim Oberarzt ihrer Ausbildungsstätte Quartier. In den drei Ausbildungsjahren von 1794 bis 1797 hat anscheinend niemand gemerkt, dass sich ein Mädchen in die Schar der Zöglinge eingeschlichen hatte! Der am 16. Februar 1797 ausgemusterte Fähnrich Scanagatta verrichtete seinen Dienst bei der Infanterie allem Anschein nach ohne Anstände, machte auch einige kriegerische Einsätze mit, bis er schließlich im Jahr 1800 mit seinem Regiment in Livorno Quartier bezog. Da muss die Familie schon sehr das Gewissen gedrückt haben, denn man unterrichtete den kommandierenden General vom wahren Geschlecht seines Fähnrichs, der General informierte den Hofkriegsrat und dieser wiederum Kaiser Franz. Der war damit einverstanden, dass Francescas Fähnrichstelle an ihren Bruder Guido weitergegeben wurde und bewilligte ein Jahr später, wohl auf Grund vorzüglicher Leistungen, dem damals zwanzigjährigen weiblichen Ex-Fähnrich eine Leutnantspension von 200 Gulden jährlich.

Francesca Scanagatta in Uniform

(Zeichnung von Demaurizio nach einem Stich von Guiseppe Buccinelli) 1804 heiratete Francesca einen Offizierskameraden von der Kavallerie, den späteren Major Cölestin Spini. Der Ehe entstammten zwei Söhne und

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zwei Töchter. Einer ihrer Enkel absolvierte 70 Jahre nach seiner Großmutter ebenfalls die Neustädter Akademie. Nach dem Tod ihres Mannes 1831 bezog Francesca somit die Pension einer Majorswitwe, dazu aber nach wie vor ihre eigene Leutnantspension. So unterschrieb sie 1852 völlig zu Recht einen Brief an ihre militärische Ausbildungsstätte mit „Franz Scanagatta, Leutnant, Majors Spini Witwe.“ 1865 rückte der einzige weibliche Fähnrich, den es je in kaiserlichen Diensten gab, für immer zur großen Armee ein. Die Akten als Belege dieser einzigartigen Geschichte finden sich im Österreichischen Staatsarchiv/Kriegsarchiv, einige Dokumente dazu und ein Bild Francesca Scanagattas in Fähnrichuniform waren in der Ausstellung „200 Jahre Kriegsarchiv“ im Neuen Archivgebäude in Wien-Erdberg zu sehen. Literatur: Ausstellungskatalog „200 Jahre Kriegsarchiv“, Verlagsbuchhandlung Stöhr, Wien 2001; für Auskünfte über den gegenwärtigen Stand an Offiziersanwärterinnen danken wir der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt. Wein l Weißwein wird nur aus weißen Trauben hergestellt. Wahr ist: Rotwein wird aus blauen Trauben hergestellt. Weißwein hingegen wird sowohl aus blauen wie auch aus weißen Trauben hergestellt. Bei der Produktion von Rotwein kommen die im so genannten Einmaischapparat zerquetschten Trauben mitsamt den Schalen in den Gärbehälter (vor allem die Schalen sorgen für die rote Farbe). Bei der Produktion von Weißwein dagegen werden die Schalen vor dem Gären mittels einer Traubenmühle ausgeschieden; der so erzeugte Wein wird auch bei blauen Trauben weiß. Man nennt den Weißwein aus blauen Trauben deshalb in Österreich „Gleichgepresster“. Auch viele hervorragende weiße Champagner sind (zu ca. 60 Prozent) aus blauen Trauben, nämlich aus Pinot Noir (= Blauer Burgunder) und aus der in Österreich als „Müllerrebe“ bekannten Rebsorte Pinot Meunier. Wein 2 Wenn auf dem Flaschenetikett der Name einer Rebsorte steht, dann ist der Wein reinsortig.

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Sie kaufen eine Flasche österreichischen Qualitätswein, und auf dem Etikett steht „Blaufränkisch“. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, dass der Wein zu 100 Prozent aus Blaufränkisch-Trauben gepresst wurde. Denn nach EU-Recht müssen nur 85 Prozent des Weines aus jenen Trauben stammen, die auf der Flasche vermerkt sind. Bis zu 15 Prozent darf es Wein aus anderen Rebsorten sein. Manche Weinbauern mischen in den Blaufränkisch etwas Cabernet Sauvignon, der den Weinen Körper und Frucht gibt. Bei den Weißweinen war es lange Zeit üblich, den Rieslingen mit etwas Muskateller oder Muskat Ottonel nachzuhelfen. Oder man machte einen Grünen Veltliner mit einer kleinen Menge Müller Thurgau runder und aromatischer. Das EU-Recht lässt diese Beigaben nur dann zu, wenn dadurch der Sortencharakter des Weines nicht verändert wird – dass Weinen aus diesem Grund die amtliche Prüfnummer versagt bleibt, kommt jedoch äußerst selten vor. Im Grunde schadet diese Praxis niemandem, sie kann jedoch zu Konkurrenzverzerrungen zwischen jenen Weinbauern führen, die auf die 15-Prozent-Regel verzichten, und jenen, die sie voll ausnützen. Zu Konfusionen kann es auch bei Verkostungen kommen: Die Frage ,Aus welcher Rebsorte stammt dieser Wein?“, kann in manchen Fällen nicht eindeutig beantwortet werden. Nehmen wir als Beispiel einen Riesling oder einen Grünen Veltliner, in dem 15 Prozent Sauvignon Blanc „versteckt“ wurden. Wer hat jetzt recht: Jener Weinkenner, der den Wein als Grünen Veltliner erkannt hat (und das steht auf dem Etikett), oder jener, der den Sauvignon Blanc herausgeschmeckt hat? Kann man durch eine Prüfung feststellen, ob die 15-Prozent-Grenze überschritten wurde? Ja, mit dem Gas-Chromatographen. Es soll Spitzenweine geben, die auf diese Weise in Privatrunden als illegale Tropfen identifiziert worden sind. Aber: Wo kein Kläger, da kein Richter. Literatur: Verordnung Nr. 753/2002 der Kommission vom 29. April 2002, Titel IV (Vorschriften für Tafelweine mit geographischer Angabe und Qualitätsweine b. A.), Kapitel I (Gemeinsame Vorschriften), Artikel 19 (Angabe der Rebsorten); für den Hinweis auf die relevanten Bestimmungen des EU-Rechts danken wir Mag. Richard Franta, Wien. Wein 3 Wenn auf dem Flaschenetikett ein Jahrgang steht, dann ist der Wein zu 100 Prozent aus diesem Jahrgang.

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Ebenso wie mit der Frage der Reinsortigkeit verhält es sich mit den Angaben zum Jahrgang eines Weines: Sie kaufen eine Flasche österreichischen Qualitätswein, und auf dem Etikett steht „2001“. Damit ist noch lange nicht gesagt, dass der Wein zu 100 Prozent aus Trauben dieses Jahrgangs gepresst wurde. Nach EU-Recht müssen nur 85 Prozent des Weines aus Trauben des entsprechenden Jahrgangs stammen, die restlichen 15 Prozent können aus einem anderen Jahrgang stammen. Natürlich mischt man nur deshalb Weine eines anderen Jahrgangs hinzu, um den Wein eines schwachen Jahrgangs etwas zu verbessern. Die 15-Prozent-Regel hinsichtlich des Jahrgangs und die 15-Prozent-Regel hinsichtlich der Sortenreinheit sind übrigens nicht kumulierbar. Hier lautet der Grundsatz für den Weinbauern: entweder – oder. Literatur: Verordnung Nr. 753/2002 der Kommission, Artikel 18 (Angabe des Erntejahres), Artikel 20 (Erläuterungen zur 85 Prozent-Regel). Wein 4 Nur in Australien und Kalifornien darf Zitronensäure dem Wein zugesetzt werden, nicht in Österreich. Auch in Österreich darf Zitronensäure dem Wein beigegeben werden, um einem Weißwein in säurearmen Jahrgängen eine stärkere Säurenote zu verleihen. Allerdings schreibt das Weingesetz hierfür enge Obergrenzen vor. In Australien und Kalifornien darf Zitronensäure hingegen beinahe unbegrenzt beigegeben werden, was manchmal sogar degustativ feststellbar ist. Da dort die Trauben aufgrund des Klimas besonders schnell reifen, enthalten sie nur wenig Säure. Literatur: Durchführungsverordnung Nr. 1622/2000 der Kommission vom 24. Juli 2000, Anhang TV (Grenzwerte für die Verwendung bestimmter Stoffe). Weißbrot Helles Mehl und Weißbrot sind eine Errungenschaft moderner Großmühlen. Wir leben heutzutage gern in der Vorstellung, erst die modernen Zeiten hätten den Menschen weggeführt von seiner eigentlichen Bestimmung als

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Vollkornesser, während in früheren Jahrhunderten stets nur Vollkornprodukte verzehrt wurden. Das Vermählen des Korns zu hellem Mehl und die Abtrennung der dabei anfallenden Kleie ist jedoch nicht erst seit der Neuzeit bekannt: Weißbrote finden sich bereits im Alten Ägypten. Beamte des Mittleren Reiches wurden in Naturalien gezahlt, unter anderem auch in Weißbrot. Der heute noch bekannte griechische Arzt Hippokrates (460-375 v. Chr.) äußerte sich abfällig über den mangelnden Nährstoffgehalt des Vollkornbrotes im Verhältnis zum Weißbrot, und im Alten Rom war Weißbrot eine Standardsorte. Auch im Mittelalter waren Weizen- und Roggenauszugsmehle eine Selbstverständlichkeit und die Kleie als Futtermittel für Schweine vorgesehen – sowie als Nahrungsmittel der Ärmsten und in Notzeiten. Die Tatsache, dass sich heute in Österreich und Deutschland mehr Vollkorn- und überhaupt dunkleres Brot findet als beispielsweise in Frankreich oder Italien hat eine historische Tradition, allerdings eine, die bei weitem nicht so weit in die Geschichte zurückgreift: Der Glaube an den Wert des Vollkorns wurde vor allem im „Dritten Reich“ popularisiert. Um so bemerkenswerter, dass bereits 1937, also inmitten der Hitlerherrschaft: in Deutschland, der deutsche Professor Felix Günther in einer Schrift über Mehl und Brot sich offen über die „Antiweißbrotpropaganda der letzten Jahre“ empört: „Da nicht wenige der Wortführer akademische Titel tragen, fanden sie gläubige Hörer in der Menge, die […] nicht auf den Gedanken kamen, dass diejenigen, die solche Behauptungen aufgestellt hatten, vom Brote der deutschen Vergangenheit genauso wenig wussten wie sie selbst.“ Literatur: Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000, S. 335-337; R. Macrae etal. (Hrsg.): „Encyclopedia offood science, food technologiy, and nutrition „, Academic Press, London 1993; Felix Günther: „Mehl und Brot in der deutschen Vergangenheit im Lichte der Gegenwart“, Verlag Rohmkopf, Leipzig 1937; Hans Lichtenfeldt: „Die Geschichte der Ernährung“, Reimer Verlag, Berlin 1913; Erna Hörn: „Bayern tafelt: Vom Essen und Trinken in Altbayern, Franken und Schwaben“, Prestel Verlag, München 1980; Patricia und Don R. Brothwell: „Manna und Hirse. Eine Kulturgeschichte der Ernährung“, Verlag Von Zaborn, Mainz 1984. Weißes Rössl

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Das Vorbild für das „Weiße Rössl“ in der gleichnamigen Operette stand am Wolfgangsee. Jenes Gasthaus, das durch den Siegeszug der gleichnamigen Operette weltbekannt wurde, stand nicht am Wolfgangsee, sondern in dem alten Schifferort Lauften, einige Kilometer traunaufwärts von Bad Ischl gelegen. Lauffen war vor hundert Jahren ein beliebter Ausflugsort für die Sommergäste der nahen Kurstadt. Besonders gern kehrte man im Gasthaus „Zum Weißen Rössl“ am Ortsbeginn ein.

Das Gasthaus „Zum Weißen Rössl“ in Lauffen

Einer der Sommergäste war der Berliner Theaterautor Oskar Blumenthal, der sich in Lauffen so wohl fühlte, dass er sich ganz in der Nähe des Ortes eine Villa errichten ließ, in der er von seinem Arbeitszimmer aus den uralten Markt sehen konnte (siehe das Stichwort „Fertigteilhäuser“).

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Die uns wohlvertraute Handlung von der reschen Wirtin, die vom Oberkellner Leopold zunächst erfolglos verehrt wird, weil sie ihrerseits einen ihrer Gäste besonders gern sieht, die vielen heiteren Zwischenfalle mit den bergungewohnten Urlaubern aus Berlin – die hat Blumenthal aus eigener Beobachtung heraus geschrieben. Für die Eingeweihten war als Ort der Handlung Lauffen leicht zu erkennen, nicht zuletzt anhand der Familiennamen einiger handelnder Personen. Auch die hübsche Rösslwirtin gab es in Lauffen, freilich war sie in Wirklichkeit nicht ledig, sondern verheiratet, wenn auch früh verwitwet. Ihr Mann war so eifersüchtig, dass er das mit einer Widmung versehene Originalmanuskript, das Blumenthal der Wirtin geschenkt hatte, kurzerhand verbrannte. Blumenthals „Weißes Rössl“ spielte „irgendwo im Salzkammergut“ und wurde 1897 im von ihm gegründeten Berliner Lessing-Theater uraufgeführt. Das Stück hatte einigen Erfolg, geriet dann aber in Vergessenheit. Erst in den Zwanziger Jahren erinnerte sich der inzwischen berühmt gewordene Schauspieler Emil Jannings, dass er vor vielen Jahren in einer Nebenrolle im „Weißen Rössl“ debütiert hatte und machte den Operettenregisseur Erik Charell auf den wirkungsvollen Stoff aufmerksam. Charell griff schnell entschlossen zu (Blumenthal war 1917 gestorben), Ralph Benatzky, Robert Stolz und Bruno Granichstaedten steuerten die noch heute populäre Musik bei, vor allem den Titelschlager. Das Wichtigste aber war, dass die Handlung nun an einen realen Ort verlegt wurde, den man auch in Berlin gut kannte: an den Wolfgangsee, nach St. Wolfgang. Am 8. November 1930 hob sich in Berlin zum ersten Mal der Vorhang; seither wurde das „Weiße Rössl“ in 27 Sprachen übersetzt und erlebte rund 1,5 Millionen Aufführungen. Das „Weiße Rössl“ in Lauffen hat mittlerweile, so wie fast alle anderen Gasthäuser des Ortes, längst zugesperrt. Lauffen hatte früher sieben Gasthäuser, heute gibt es nur noch eines – und das öffnet nur am Sonntag. Der Reichtum des Ortes aus den Salztransporten auf der Traun ist längst dahin. Literatur: Alexander Savel: „Blumenthal und sein Welterfolg“, in: „Traunspiegel“, 7. Jahrgang, Folge 72/April 2002, S. 18-21; Willi und Hilde Senft: „Geheimnisvolles Salzkammergut“, Stocker Verlag, Graz/Stuttgart 2002. Wiegenlied

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Das Wiegenlied „Heidi pupeidi!“ stammt aus Griechenland. Der volkstümliche Schriftsteller Vincenz Chiavacci, Schöpfer der „Frau Sopherl vom Naschmarkt“ und des „Herren Adabei“, verbreitete um die Jahrhundertwende erfolgreich den Mythos, das in Wien weithin bekannte Wiegenlied „Heidi pupeidi, heidi pupei!“ sei griechischen Ursprungs. Es handle sich dabei um „ehrwürdige griechische Verse aus dem zwölften Jahrhundert“, schreibt Chiavacci in seinem 1895 erschienen Buch Wiener vom alten Schlag:

„Eine Verwandte des griechischen Kaisers Konstantin, Theodora, vermählte sich im Jahre 1149 mit Heinrich Jasomirgott, dem Babenberger Herzog. Als Griechin von Geist und Geschmack dichtete sie für ihren ersten Sprößling ein Wiegenlied […] Die Kammerzofen, echte Wiener Kinder, sangen diese Verse nach, und da sie kein Griechisch verstanden, so machten sie aus dem ,heude mu paidon’ ein heidi pupei, und dieses Liedchen der griechischen Kaisertochter wird noch heutigentags unseren kleinen ,Bambaletschen’ vorgesungen.“ In der Tat war Heinrich II. (Jasomirgott) in zweiter Ehe mit Theodora Komnena, der Tochter des Sebastokrators Andronikus und Nichte Kaiser Manuels I. von Byzanz vermählt. Da „heude mu paidon, heude mou pai“ auf Deutsch „Schlaf, mein Kindchen, schlaf, mein Kind!“ bedeutet, schien auch der Inhalt der griechischen Zeilen zu passen. Chiavacci hat damit einen Mythos wiedergegeben, der bereits in den Jahrzehnten zuvor bekannt war. So berichtete 1852 ein Professor des Wiener Schottengymnasiums namens Berthold Sengschmitt, dass mehrere Babenberger griechische Prinzessinnen als ihre Ehefrauen mit zahlreichem Gefolge aus Griechenland nach Wien mitgebracht hätten. Als die

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griechischen Mägde ein Herzogskind mit „heude mu paidon“ in den Schlaf sangen, hätten die Wienerinnen und Wiener daraus das bekannte Wiegenlied „Haiderl pupaiderl, haiderl pupai!“ gemacht. An diese Herleitung knüpfte 1980 auch Peter Wehle an, als er die Griechin Theodora als Urheberin des Kinderliedes „Heidipupeidi, was raschelt im Stroh“ bezeichnete. Der Verdacht, dass diese Herleitung so nicht stimmen kann, kam schon Ende des 19. Jahrhunderts auf. In einem mit A. L. gezeichneten Artikel der Monatszeitschrift „Alt-Wien“ des Jahres 1895 wird daraufhingewiesen, dass zur Zeit der Babenberger im 12. Jahrhundert längst nicht mehr die Aussprache des Altgriechischen, sondern jene des Neugriechischen vorherrschend war. Dann hätte jedoch der griechische Vers „Efde mu pädion, efde mu pä!“ heißen müssen! Den Verfechtern der griechischen Wurzeln dieses Wiegenliedes hätte aber noch ein anderer Umstand zu denken geben müssen: Die Worte „eia popeia“ bzw. „heidi popeidi“ sind auch in der Schweiz, in Berlin, ja sogar in Holland gebräuchlich. Tatsächlich ist „heidi pupeidi!“ ein Wiegenlied bäuerlicher Herkunft, entstanden aus der lautmalenden Nachahmung des sanften Hin- und Herbewegens beim Wiegen des Kindes. Dazu passt auch, dass im „Kärntischen Wörterbuch“ (1862) von Matthias Lexer haia als Mundartbegriff für Wiege zu finden ist, Friedrich Nicolai 1785 heideln (schlummern) erwähnt und Franz S. Hügel 1873 das Zeitwort heiderln (kleine Kinder einschläfern) vermerkt. Der Ausdruck „Heia“ in Redewendungen wie „Heia machen, in die Heia gehen“ ist ja auch heute noch in Österreich und Deutschland geläufig. Dass „heidi“ eines Tages durch „pupeidi“ ergänzt worden ist, kann Kenner der Sprachentwicklung nicht verwundern. Es handelt sich dabei um eine „Iteration mit vorangestelltem b“, also um die Wiederholung eines Wortes, wobei vor das wiederholte Wort der Laut b oder p gestellt wird. Die Silben „heidi pupeidi“ klingen in den Ohren der Kinder einfach beruhigend – genauso wie „Hatschi-Bratschis Luftballon“, der Titel eines legendären Kinderbuches von Franz Karl Ginzkey. Literatur: Vincenz Chiavacci: „Wiener vom alten Schlag“, Verlag Adolf Bonz, Stuttgart 1895; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Prof. Sigmar Grüner, Wien.

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Wörterbuch Das Österreichische Wörterbuch ist verbindlich für alle Österreicherinnen und Österreicher. Tatsächlich ist das Österreichische Wörterbuch nur an Schulen und in Ämtern (Ministerien) sowie in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung für die Rechtschreibung verbindlich. Eine Zeitung kann beispielsweise eine andere Rechtschreibung wählen, und Die Presse tut dies in der Tat nach wie vor: Sie verwendet die alten, außer Kraft gesetzten Rechtschreibregeln. Das Österreichische Wörterbuch muss sich dabei – so wie alle deutschen Rechtschreibwörterbücher – selbst wieder an die so genannte „Amtliche Regelung“ der deutschen Rechtschreibung halten. Die „Amtliche Regelung“ ist Inhalt eines internationalen Vertrags zwischen all jenen Staaten, in denen deutsch gesprochen wird. Würfel l Die zukünftige Würfelzahl lässt sich aufgrund der vergangenen Würfe vorhersagen. An Spieltischen kann man häufig folgendes Argument hören: Jetzt habe ich schon so lange keinen Sechser gehabt, jetzt muss er einfach fallen. Dahinter steckt folgender Gedanke: Jede Zahl von Eins bis Sechs, die wir auf dem Würfel finden, muss im Durchschnitt gleich oft fallen, deshalb muss sich die Zahl Sechs etwas beeilen, wenn sie länger nicht gefallen ist. Wie wir bereits im ersten Band des Lexikons der populären Irrtümer Österreichs zeigen konnten, denkt der Sechser gar nicht daran, einen Rückstand aufzuholen. Denn der Würfel hat, wie es der französische Mathematiker Joseph Bertrand formuliert hat, „weder Gewissen noch Gedächtnis“: Er fällt immer mit der gleichen Wahrscheinlichkeit, ganz egal, was vorher war, ob dreimal Eins oder zehnmal Fünf, ob oft ein Sechser oder nie ein Sechser. Das hier Gesagte gilt allerdings nur für jene Spiele, bei denen mit einem Würfel gewürfelt wird. Bei Spielen mit zwei Würfeln, bei denen die kombinierte Augenzahl als Ergebnis gilt, sieht die Sache ganz anders aus – wie wir im nächsten Stichwort zeigen. Literatur: H. J. Benz: „Hat die Münze doch ein Gedächtnis?“ in: „Der Mathematikunterricht“ 29, 1983, S. 8-10; Georg Schräge: „Stochastische Trugschlüsse“, in: „Mathematica Didactica“ 7, 1984, S. 3-19; Walter Krämer: „Denkste; Trugschlüsse aus der Welt des Zufalls und der Zahlen „,

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Campus Verlag, Frankfurt 1995. Würfel 2 Beim Würfeln mit zwei Würfeln lässt sich das Würfelergebnis genauso wenig vorhersagen wie beim Würfeln mit einem Würfel. Erfahrene Backgammon-Spieler werden diesen Irrtum entrüstet zurückweisen, denn dieses Brettspiel lebt davon, dass sich das Würfelglück nach den Prinzipien der Wahrscheinlichkeit sehr wohl voraussagen lässt. Und das aus einem einfachen Grund: Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit treten manche Ergebnisse wesentlich häufiger auf als andere. Ein einfaches Beispiel erläutert das: Wer im Backgammon einen gegnerischen Stein schlagen will, der fünf Schritte entfernt ist, wird ihn nicht nur dann erreichen, wenn er mit einem der beiden Würfel einen Fünfer würfelt; er wird den Stein auch dann schlagen, wenn er mit einem Würfel 2 und mit dem anderen Würfel 3 oder mit einem Würfel l und mit dem anderen 4 würfelt. Während Sie mit einem Würfel also nur sechs verschiedene Zahlen haben, erreichen Sie mit zwei Würfeln schon 36 verschiedene Zahlenkombinationen. Hier sind sie: 1 und 1, 1 und 2, 1 und 3, 1 und 4, 1 und 5, 1 und 6, 2 und 1, 2 und 2, 2 und 3, 2 und 4, 2 und 5, 2 und 6, 3 und 1, 3 und 2, 3 und 3, 3 und 4, 3 und 5, 3 und 6, 4 und 1, 4 und 2, 4 und 3, 4 und 4, 4 und 5, 4 und 6, 5 und 1, 5 und 2, 5 und 3, 5 und 4, 5 und 5, 5 und 6, 6 und 1, 6 und 2, 6 und 3, 6 und 4, 6 und 5, 6 und 6. Diese 36 verschiedenen Zahlenkombinationen sollten Sie sich einmal genauer ansehen. Sie geben Ihnen Aufschluss darüber, wie Sie einen Stein im Backgammon am günstigsten positionieren können. Es gibt nämlich nur 11 Möglichkeiten, einen Einser zu werfen, die Chance also, dass Sie der Gegner mit einem Einser hinausbefördert, ist 25 zu 11, denn 25 Mal zeigen seine Würfel keine Eins. Daraus folgt: Sollten Sie einen Stein in unmittelbarer Nähe des Gegners schutzlos den Angriffen aussetzen müssen, so sind sie besser dran, möglichst nahe an ihn heranzurücken; im Idealfall sollten Sie sich unmittelbar neben den gegnerischen Stein stellen. Bei einem Sechser sieht die Sache hingegen anders aus: Hier gibt es schon 17 Möglichkeiten, hinausgeworfen zu werden; denn es zählen ja nicht nur die Sechser, die geworfen werden, sondern auch 2 und 4, l und 5, 3 und 3 – diese Kombinationen ergeben bekanntlich ebenfalls 6. Auch

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mit 2 und 2 kann man 6 ziehen, weil gleiche Augen zu einer Verdoppelung führen. Aus all dem folgt: Sollten Sie einen gegnerischen Stein schlagen wollen, sollten Sie sich in einem Sechser-Abstand entfernt von ihm positionieren. Schauen Sie sich einmal folgende Tabelle an, auf der wir alle Möglichkeiten, nicht getroffen zu werden, aufgezeichnet haben: Die Chancen stehen 25 zu

11

69 % bei

1 Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 24 zu

12

67 % bei

2 Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 22 zu

14

61 % bei

3 Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 21 zu

15

58 % bei

4 Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 21 zu

15

58 % bei

5 Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 19 zu

17

53 % bei

6 Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 30 zu

6 83 % bei

7 Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 30 zu

6 83 % bei

8 Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 31 zu

5 86 % bei

9 Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 33 zu

3 92 % bei

10

Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 34 zu

2 94 % bei

11

Nicht getroffen zu werden.

Die Chancen stehen 33 zu

3 92 % bei

12

Nicht getroffen zu werden.

Aus umgekehrter Sicht: Bei 6 ist also die Wahrscheinlichkeit, getroffen zu werden, am größten. Bei 7, 8, 9 und 10 sinkt sie ab. In gleicher Weise, und das mag überraschend sein, sinkt die Wahrscheinlichkeit auch bei den niedrigeren Zahlen 5, 4, 3, 2 und 1. Die Tabelle ist natürlich nur dann anzuwenden, wenn keine anderen Steine im Weg stehen. Ist dies der Fall, werden die Wahrscheinlichkeitsrechnungen um einiges komplizierter. Literatur: Georg W Fink: „Backgammon“, Falken Taschenbuch,

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Niedernhausen 1994, S. 97.

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Z

„Man muss schon etwas wissen, um verbergen zu können, dass man nichts weiß.“

Marie von Ebner-Eschenbach

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Zeitungen Der Standard und Die Presse haben mehr A-Schicht-Leserinnen und -Leser als die Neue Kronenzeitung. In absoluten Zahlen betrachtet, ist das falsch, denn die Neue Kronenzeitung hat ganz eindeutig mehr A-Schicht-Leserinnen und -Leser als Der Standard oder Die Presse. Der Standard 94.000 Von 401.000 = 23 % Die Presse 95.000 Von 351.000 = 27 % Neue Kronenzeitung 236.000 Von 2,958.000 = 8%

Literatur: Lesergestern (Österreicherinnen und Österreicher ab 14 Jahre lt. Media-Analyse 2001). Für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Dr. Peter Diem, Wien. Zigarren Zigarren muss man vor dem Anzünden erwärmen. „Dieser Brauch, die Zigarre übermäßig zu erwärmen, den man leider in vielen besseren Restaurants beobachten kann, ist ein Anachronismus“, schreibt Zino Davidoff. „Früher […] war das Deckblatt gewisser spanischer Zigarren, die in Sevilla hergestellt wurden, mit Tragantgummi angeklebt, der mit Zichorie gefärbt war, und damals war es ratsam, den Geschmack des Tragants zu vertreiben, indem man die Zigarre leicht über einer Flamme erhitzte.“ Heute werden die Deckblätter geruchlos angeklebt, deshalb ist auch kein Geruch mehr zu vertreiben. Trotzdem zündet man eine Zigarre vorsichtig an – das ist Teil der Zigarrenkultur. Literatur: Zino Davidoff „Zigarren-Brevier oder Was raucht der Connaisseur?“, Wien 1991; für den Hinweis auf diesen Irrtum danken wir Prof. Günther Mayer, Wien. Zucker Karies kommt immer von zu viel Zucker. Der Glaube, dass nur Zucker und Süßwaren Karies verursachen, ist falsch. Es sind vor allem Bakterien, die im zuckerhaltigen Milieu der Mundschleimhaut ihre schädliche Wirkung entfalten. Auch andere weiche oder klebrige Lebensmittel dienen den Bakterien im Mundraum als

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Nahrung. Eine über lange Zeit gekaute Brotscheibe kann daher den Zahnschmelz mehr schädigen als ein schneller Schluck Limonade. Langsam konsumierter Zucker ist auf jeden Fall zu vermeiden. Vor allem für Kleinkinder ist langes Nuckeln am Fläschchen mit gesüßtem Tee ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor. Am besten ist es, Süßes zu den Mahlzeiten zu essen und nicht zwischendurch oder vor dem Schlafengehen. Ganz entscheidend ist die Zahnhygiene – die Zähne sollten nach jeder „süßen“ Mahlzeit gereinigt werden. Literatur: Christine Hölzl und Silke Tabernik: „25 Ernährungslügen“, in: „Profil“ Nr. 36, 2002; Udo Pollmer und Susanne Warmuth: „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“, Eichborn Verlag, Frankfurt 2000; Kurt Widhalm: „Ernährungsmedizin“, Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien 2000.

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Danksagung Bei folgenden Personen möchten wir uns für wertvolle Hinweise und Informationen bedanken: A Dr. Isabella Ackerl, Wien B Johannes Bamberger, Wien Dr. Gregor Bartl, Kuratorium für Verkehrssicherheit, Wien Mag. Brigitte Binder, Profil Online, Wien Dr. Reinhard Boehm, Zentralanstalt für Metereologie und Geodynamik, Wien Gerhardt Bollardt, ORF Wien Regierungsrat Walter Brauneis, Bundesdenkmalamt, Wien Josef Broukal, ORF Wien C Dr. Günther Chaloupek, Kammer für Arbeiter und Angestellte, Wien Dr. Felix Czeike, Wien Dr. Andreas Curda, Geschäftsführer der Taxiinnung Wien D Dr. Peter Diem, Wien Prof. Dr. Walter Dujmovits, Oberwart Mag. Hannes Dünser, Profil Online, Wien E Klaus Egle, Wien Mag. Günter Engelhart, Wien F Hermann Feiner, Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Wien Dr. Herbert Fussy, Wörterbuchredaktion des Verlags öbv Et hpt Mag. Richard Franta, Wirtschaftskammer Österreich G Univ.-Prof. Dr. Walter Gebhart, St. Polten Univ.-Prof. Dr. Georg Grabherr, Institut für Vegetationsökologie und

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Naturschutzforschung der Universität Wien. Prof. Sigmar Grüner, Wien Kurt Grünwald, Wien H DI Günther Hanreich, Brüssel Mag. Karin Harrasser, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst Dr. Alois Haslinger, Leiter des Kulturamts der Stadt Salzburg Ursula Heissig, Beiersdorf GmbH. – tesa division Wien Dr. Rudolf Hellar, Auto- Motor- und Radfahrerbund Österreichs (ARBÖ), Wien Mag. Dr. Gerhard Hesse, Bundeskanzleramt, Wien Mag. Martin Hoffer, Österreichischer Automobil- Motorrad- und Touringclub (ÖAMTC), Wien I Hans & Karl Inführ, Sektkellerei Infuhr, Klosterneuburg J Christa Jakob, Mistelbach Mag. Thomas Jöchler, Telekurier, Wien K Nikolaus Käfer, Kuratorium für Verkehrssicherheit, Wien Franz Knispel, Wien Doris Krämer, Wien Roland Kronigl, Wien L Dr. Hermann Lifka, Wien M Veronika Mader, Museum für Angewandte Kunst, Wien Dr. Wolfgang Maderthaner, Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien Dr. Peter Malina, Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien Prof. Günther Mayer, Österreichisches Tabakmuseum, Wien Wolfgang Mayr, Chefredakteur der APA, Wien OStR. Prof. Mag. Hermann Möcker, Wien Erich Möchel, Wien Hofrat DDr. Gottfried Mraz, Wien Dr. Klaus-Dieter Mulley, Kammer für Arbeiter und Angestellte, Wien Robert. Muller, Wien

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P Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Peter Paschen, Montanuniversität Leoben MR Dr. Heinrich Pawlicek, Bundesministerium für Inneres, Wien Mag. Herbert Peutz, Unilever, Wien Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, Linz R Mag. Andreas Reisinger, Linz Mag. Jutta Repl, Kammer für Arbeiter und Angestellte, Wien Dr. Robert Rill, Österreichisches Staatsarchiv/Kriegsarchiv Ulrike Ruetz, Pasching S Dr. Arthur Saliger, Österreichische Galerie Belvedere, Wien Alexander Savel, Traunspiegel, Bad Ischl/Lauffen Dkfm. Thomas Schäfer-Elmayer, Geschäftsführer der Tanzschule Elmayer-Vestenbrugg, Wien Dr. Roland Scheicher, Wien Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schneider, Linz Dr. Hans Dietmar Schweisgut, Österreichischer Botschafter in Japan, Tokio Dr. Johanna Senigl, Stiftung Mozarteum Salzburg Dr. Othmar Spachinger, Geschäftsführer des Verlages öbv Et hpt, Wien Elisabeth Specht, Wien Dr. Christoph Streissle, Kammer für Arbeiter und Angestellte, Wien U Dr. Günter Unger, ORF-Landesstudio Burgenland, Eisenstadt V Anita Vock, Spanische Reitschule, Wien W Dr. Ewald Walterskirchen, Institut für Wirtschaftsforschung, Wien Mag. Valentin Wedl, Kammer für Arbeiter und Angestellte, Wien Dr. Arno Weigand, Wien Univ.-Prof. Dr. Rudolf Welser, Wien Ulrich Werner, Deutsches Patentamt, Bayerischer Rundfunk, München Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm, Wien Unser besonderer Dank gilt der Redaktion des österreichischen Internet-Lexikons allabout.austria.at, das bei allen österreichischen Themen ein wichtiges und zuverlässiges Nachschlagewerk war. Es ist unter der

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