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Am 24. und 25. Juni 2013 haben die Kommission und der Agrar- ministerrat in Luxemburg im Rahmen der Verhandlungen zur Re- form der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU ein Kompromiss zum sog. Greening der Agrarpolitik erzielt. Obgleich die rechtstechnische Umsetzung noch aussteht, soll im Folgenden eine erste Evaluierung der Ergebnisse erfolgen, die voraussichtlich ab Anfang 2015 die künftige Gemeinsame Agrarpolitik prägen werden. 1. Umweltschutz und Gemeinsame Agrarpolitik „Die Gemeinsame Agrarpolitik ist das politische Instru- ment, das sich am stärksten auf die biologische Vielfalt im Prof. Dr. José Martinez, Stiftungsprofessur für Agrarrecht und Öffentliches Recht, Universität Göttingen, Göttingen, Deutschland ländlichen Raum auswirkt …“ 1 , heißt es in einer Abschluss- bewertung der EU-Kommission. In der Tat prägt die land- wirtschaftliche Nutzung mit ca. 180 Mio. Hektar mehr als die Hälfte der Fläche der EU. Selbst in einem industria- lisierten Land wie der Bundesrepublik ist die Landwirt- schaft mit 55 % die quantitativ wichtigste Flächennutzung. 2 Die Landwirtschaft gehört damit zu den traditionsreichen und notwendigen Nutzungen der Landschaft. Bereits auf- grund ihres quantitativen Umfangs entstehen regelmäßig nicht stattgefunden hat, sollte eine für die europäischen Vo- gelarten und für die sonstigen besonders geschützten Arten jeweils getrennte Abweichungsregelung getroffen werden. Dabei bietet sich in Bezug auf die europäischen Vogelarten an, insbesondere den Abweichungsgrund des Art. 9 Abs. 1 lit. c) VRL wortwörtlich ins nationale Recht zu überneh- men. In Bezug auf Art. 9 Abs. 1 lit. a) 3. Spiegelstrich VRL ist zu beachten, dass dieser nach Ansicht des EuGH nur zur Abweichung zwecks Abwendung der dort abschließend ge- nannten Schäden berechtigt, nämlich Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Fischereigebieten und Gewässern. Außerdem harren die Formerfordernisse des Art. 9 Abs. 2 VRL nun umso dringlicher einer ausdrücklichen Umset- zung ins deutsche Recht. Auch dies könnte mit einer schlich- ten Übernahme des Wortlautes des Art. 9 Abs. 2 VRL be- werkstelligt werden. Dem Umstand, dass sich insoweit je nach Sachverhalt – an die ausnahmsweise Vogeljagd sind freilich beispielsweise andere Kontrollanforderungen zu stel- len als bei Infrastrukturvorhaben – unterschiedliche Anfor- derungen ergeben, ließe sich durch eine entsprechende Ver- ordnungsermächtigung Rechnung tragen oder aber könnte auch der Konventionenbildung bzw. Standardisierung in der Praxis überlassen bleiben. Im Übrigen sollte der Gesetzgeber bei dieser Gelegenheit § 44 BNatSchG hinsichtlich des Ver- bots der Beeinträchtigung von Fortpflanzungs- oder Ruhe- stätten zumindest etwas offener gestalten, um flexibler auf die – sicherlich absehbare – Botschaft aus Luxemburg reagieren zu können, dass der Begriff der Fortpflanzungs- und Ruhe- stätten weit, nämlich funktional zu verstehen ist. Im Interesse der Rechtssicherheit wäre es natürlich besser, dies gewisser- maßen im vorauseilenden Gehorsam gleich so zu regeln. V. Fazit Die jüngere Rechtsprechung des EuGH im Allgemeinen und sein Urteil vom 26. Januar 2012 im Besonderen zeigen, dass das europäische Artenschutzrecht an Brisanz nicht ver- loren hat und nach wie vor für eine Überraschung gut ist. Das Urteil vom 26. Januar 2012 offenbart regulatorischen Nachholbedarf in Bezug auf die Abweichungs- bzw. Aus- nahmeprüfung. Bedauerlich ist insoweit, dass die Republik Polen in dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Vertrags- verletzungsverfahren kaum die dogmatische Durchdringung der in Rede stehenden Bestimmungen gesucht hat. In vie- lem hat sie sich letztlich der Auffassung der Kommission ein- fach gebeugt, so dass der EuGH schon gar keinen Anlass hatte, sich intensiver und gegebenenfalls auch kritisch mit der Sicht der Kommission auseinanderzusetzen. Die damit zugleich in der Sache vielmals denkbar knapp ausgefallenen Ausführungen lassen überdies Unsicherheiten zurück und bieten Raum für interpretatorische Spekulationen. Dieses Urteil sollte daher ein weiteres Mal die nationalen Gerichte, insbesondere das Bundesverwaltungsgericht, ermuntern, bei aufkommenden Zweifeln an der ordnungsgemäßen Umset- zung von Richtlinien lieber einmal zu viel als zu wenig von der Möglichkeit des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 Abs. 2 bzw. 3 AEUV Gebrauch zu machen, weil sich auf diese Weise – zumal wenn von dem vorlegenden Gericht gut aufbereitet – Unsicherheiten weitaus treffsiche- rer klären lassen und die Entscheidung des EuGH – freilich nur in einem gewissen Maß – auch wesentlich besser gesteu- ert werden kann, als dies regelmäßig in einem Vertragsver- letzungsverfahren der Fall ist. 64 Ansonsten bleiben auch nach dem Urteil des EuGH vom 26. Januar 2012 noch Fragen hinsichtlich der Details bei der Abweichungsprüfung offen. Was die Verbotstatbestände selbst betrifft, so ist nach wie vor spannend, ob der EuGH hinsichtlich des Tötungsverbots des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG den Signifikanzansatz des Bun- desverwaltungsgerichts, 65 der inzwischen – soweit ersicht- lich – flächendeckend von der oberverwaltungsgerichtli- chen Rechtsprechung übernommen worden ist, so mitträgt. Spannend ist auch, ob sich das im deutschen Recht veran- kerte enge Verständnis des Begriffs der Fortpflanzungs- und Ruhestätten im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG auf Dauer wird durchhalten lassen. Insoweit könnte nicht nur die Kommission ein weiteres Begriffsverständnis verfolgen. DOI: 10.1007/s10357-013-2523-1 Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik José Martinez © Springer-Verlag 2013 123 690 NuR (2013) 35: 690–694 Martinez, Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik 1) KOM (2010a) 548: Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament. Abschlussbewertung der Umsetzung des Gemeinschaftlichen Aktionsplans zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt 2010 2) Bundesregierung, Zweiter Bodenschutzbericht der Bundesregie- rung, BT-Drs. 16/12658 vom 15. 4. 2009, S. 33. 64) Vgl. Kokott/Sobotta, Das BVerwG und das europäische Umwelt- recht, NVwZ Beilage 1/2013, 48, 52. 65) Grundlegend BVerwG, Urt. v. 9. 7. 2008 – 9 A 14.07, NuR 2009, 112, Rdnr. 90, 91.

Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

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Page 1: Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

Am 24 und 25 Juni 2013 haben die Kommission und der Agrarshyministerrat in Luxemburg im Rahmen der Verhandlungen zur Reshyform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU ein Kompromiss zum sog Greening der Agrarpolitik erzielt Obgleich die rechtstechnische Umsetzung noch aussteht soll im Folgenden eine erste Evaluierung der Ergebnisse erfolgen die voraussichtlich ab Anfang 2015 die kuumlnftige Gemeinsame Agrarpolitik praumlgen werden

1 Umweltschutz und Gemeinsame Agrarpolitik

bdquoDie Gemeinsame Agrarpolitik ist das politische Instru-ment das sich am staumlrksten auf die biologische Vielfalt im

Prof Dr Joseacute Martinez Stiftungsprofessur fuumlr Agrarrecht und Oumlffentliches Recht Universitaumlt Goumlttingen Goumlttingen Deutschland

laumlndlichen Raum auswirkt hellipldquo 1 heiszligt es in einer Abschluss-bewertung der EU-Kommission In der Tat praumlgt die land-wirtschaftliche Nutzung mit ca 180 Mio Hektar mehr als die Haumllfte der Flaumlche der EU Selbst in einem industria-lisierten Land wie der Bundesrepublik ist die Landwirt-schaft mit 55 die quantitativ wichtigste Flaumlchennutzung 2 Die Landwirtschaft gehoumlrt damit zu den traditionsreichen und notwendigen Nutzungen der Landschaft Bereits auf-grund ihres quantitativen Umfangs entstehen regelmaumlszligig

nicht stattgefunden hat sollte eine fuumlr die europaumlischen Vo-gelarten und fuumlr die sonstigen besonders geschuumltzten Arten jeweils getrennte Abweichungsregelung getroffen werden Dabei bietet sich in Bezug auf die europaumlischen Vogelarten an insbesondere den Abweichungsgrund des Art 9 Abs 1 lit c) VRL wortwoumlrtlich ins nationale Recht zu uumlberneh-men In Bezug auf Art 9 Abs 1 lit a) 3 Spiegelstrich VRL ist zu beachten dass dieser nach Ansicht des EuGH nur zur Abweichung zwecks Abwendung der dort abschlieszligend ge-nannten Schaumlden berechtigt naumlmlich Schaumlden an Kulturen Viehbestaumlnden Waumlldern Fischereigebieten und Gewaumlssern Auszligerdem harren die Formerfordernisse des Art 9 Abs 2 VRL nun umso dringlicher einer ausdruumlcklichen Umset-zung ins deutsche Recht Auch dies koumlnnte mit einer schlich-ten Uumlbernahme des Wortlautes des Art 9 Abs 2 VRL be-werkstelligt werden Dem Umstand dass sich insoweit je nach Sachverhalt ndash an die ausnahmsweise Vogeljagd sind freilich beispielsweise andere Kontrollanforderungen zu stel-len als bei Infrastrukturvorhaben ndash unterschiedliche Anfor-derungen ergeben lieszlige sich durch eine entsprechende Ver-ordnungsermaumlchtigung Rechnung tragen oder aber koumlnnte auch der Konventionenbildung bzw Standardisierung in der Praxis uumlberlassen bleiben Im Uumlbrigen sollte der Gesetzgeber bei dieser Gelegenheit sect 44 BNatSchG hinsichtlich des Ver-bots der Beeintraumlchtigung von Fortpflanzungs- oder Ruhe-staumltten zumindest etwas offener gestalten um flexibler auf die ndash sicherlich absehbare ndash Botschaft aus Luxemburg reagieren zu koumlnnen dass der Begriff der Fortpflanzungs- und Ruhe-staumltten weit naumlmlich funktional zu verstehen ist Im Interesse der Rechtssicherheit waumlre es natuumlrlich besser dies gewisser-maszligen im vorauseilenden Gehorsam gleich so zu regeln

V Fazit

Die juumlngere Rechtsprechung des EuGH im Allgemeinen und sein Urteil vom 26 Januar 2012 im Besonderen zeigen dass das europaumlische Artenschutzrecht an Brisanz nicht ver-loren hat und nach wie vor fuumlr eine Uumlberraschung gut ist Das Urteil vom 26 Januar 2012 offenbart regulatorischen Nachholbedarf in Bezug auf die Abweichungs- bzw Aus-nahmepruumlfung Bedauerlich ist insoweit dass die Republik

Polen in dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Vertrags-verletzungsverfahren kaum die dogmatische Durchdringung der in Rede stehenden Bestimmungen gesucht hat In vie-lem hat sie sich letztlich der Auffassung der Kommission ein-fach gebeugt so dass der EuGH schon gar keinen Anlass hatte sich intensiver und gegebenenfalls auch kritisch mit der Sicht der Kommission auseinanderzusetzen Die damit zugleich in der Sache vielmals denkbar knapp ausgefallenen Ausfuumlhrungen lassen uumlberdies Unsicherheiten zuruumlck und bieten Raum fuumlr interpretatorische Spekulationen Dieses Urteil sollte daher ein weiteres Mal die nationalen Gerichte insbesondere das Bundesverwaltungsgericht ermuntern bei aufkommenden Zweifeln an der ordnungsgemaumlszligen Umset-zung von Richtlinien lieber einmal zu viel als zu wenig von der Moumlglichkeit des Vorabentscheidungsverfahrens gemaumlszlig Art 267 Abs 2 bzw 3 AEUV Gebrauch zu machen weil sich auf diese Weise ndash zumal wenn von dem vorlegenden Gericht gut aufbereitet ndash Unsicherheiten weitaus treffsiche-rer klaumlren lassen und die Entscheidung des EuGH ndash freilich nur in einem gewissen Maszlig ndash auch wesentlich besser gesteu-ert werden kann als dies regelmaumlszligig in einem Vertragsver-letzungsverfahren der Fall ist 64 Ansonsten bleiben auch nach dem Urteil des EuGH vom 26 Januar 2012 noch Fragen hinsichtlich der Details bei der Abweichungspruumlfung offen Was die Verbotstatbestaumlnde selbst betrifft so ist nach wie vor spannend ob der EuGH hinsichtlich des Toumltungsverbots des sect 44 Abs 1 Nr 1 BNatSchG den Signifikanzansatz des Bun-desverwaltungsgerichts 65 der inzwischen ndash soweit ersicht-lich ndash flaumlchendeckend von der oberverwaltungsgerichtli-chen Rechtsprechung uumlbernommen worden ist so mittraumlgt Spannend ist auch ob sich das im deutschen Recht veran-kerte enge Verstaumlndnis des Begriffs der Fortpflanzungs- und Ruhestaumltten im Sinne des sect 44 Abs 1 Nr 3 BNatSchG auf Dauer wird durchhalten lassen Insoweit koumlnnte nicht nur die Kommission ein weiteres Begriffsverstaumlndnis verfolgen

DOI 101007s10357-013-2523-1

Das Greening der Gemeinsamen AgrarpolitikJoseacute Martinez

copy Springer-Verlag 2013

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690 NuR (2013) 35 690ndash694 Martinez Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

1) KOM (2010a) 548 Bericht der Kommission an den Rat und das Europaumlische Parlament Abschlussbewertung der Umsetzung des Gemeinschaftlichen Aktionsplans zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt 2010

2) Bundesregierung Zweiter Bodenschutzbericht der Bundesregie-rung BT-Drs 1612658 vom 15 4 2009 S 33

64) Vgl KokottSobotta Das BVerwG und das europaumlische Umwelt-recht NVwZ Beilage 12013 48 52

65) Grundlegend BVerwG Urt v 9 7 2008 ndash 9 A 1407 NuR 2009 112 Rdnr 90 91

Nutzungskonflikte mit den Zielen des Natur- und Land-schaftsschutzes Landwirtschaft und Umweltschutz schlie-szligen sich aber nicht grundsaumltzlich aus Vielmehr hat die natur- und landschaftsvertraumlgliche Land- Forst- und Fi-schereiwirtschaft eine herausragende Bedeutung fuumlr die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft da sich unsere Landschaft uumlber Jahrhunderte durch die land- und forstwirtschaftliche Nutzung gebildet hat Daruumlber hi-naus ist die kleinparzellige landwirtschaftliche Nutzung fuumlr den Artenreichtum der Feldflur von besonderer Be-deutung 3 Die Landwirtschaft ist sowohl in Deutschland als auch europaweit zwar weitgehend noch von derartigen kleinen und mittleren Familienbetrieben gepraumlgt 4 So exis-tieren derzeit etwa 137 Millionen landwirtschaftliche Be-triebe (70 mit weniger als 5 ha) Jedoch ist in den letz-ten Jahrzehnten diese ideale Agrarstruktur erheblich im Umbruch begriffen was sich wiederum auf die Umwelt-relevanz der Landwirtschaft auswirkt So findet aufgrund fehlender Hofnachfolgen sowie einem Anstieg von kauf-interessierten Kapitalanlegern insbesondere als Folge der Energiewende sowie der Finanzkrise eine Industrialisie-rung und Intensivierung der Landwirtschaft statt 5 Mit die-ser Tendenz verbunden sind technische chemische biolo-gische zuumlchterische und organisatorische Entwicklungen die zwar zu einer effizienteren Bewirtschaftung beitragen zugleich aber auch in einem sich verstaumlrkenden Spannungs-verhaumlltnis zum Umweltschutz stehen 6 So ist die Arten- und Sortenvielfalt bei Kulturpflanzen seit 1920 um 75 Prozent gesunken 7 Ursache hierfuumlr sind Monokulturen und die Anwendung hochwirksamer Pestizide Auch ist die Land-wirtschaft an der Verschmutzung der Gewaumlsser beteiligt Durch Uumlberduumlngung gelangen Stickstoff und Phosphor ins Grundwasser in die Binnengewaumlsser und schlieszliglich auch ins Meer Das foumlrdert das Wachstum von Algen und ver-mindert gleichzeitig den Sauerstoffgehalt 8 77 Prozent der Stickstoffeintraumlge und 63 Prozent der Phosphoreintraumlge sind agrarischen Ursprungs 9 Weitere Spannungsfelder er-oumlffnen sich im Hinblick auf den Beitrag der Landwirtschaft konkret der Tierzucht zu den Treibhausgas-Emissionen zu den Bodenbelastungen oder zu Ammoniak-Emissionen Auf der anderen Seite spuumlrt die Landwirtschaft selbst die Auswirkungen des Klimawandels 10 So ist die Gefahr von Uumlberschwemmungen gestiegen Pflanzenschaumldlinge und -krankheiten breiten sich aus und gefaumlhrden wiederum Ernte- und Futterertraumlge

2 Die verzoumlgerte Integration von oumlkologischen Elementen

Man kann daher durchaus feststellen dass in der staatlichen Agrarpolitik das Verstaumlndnis fuumlr die Forderung gewachsen ist den Umweltschutz kohaumlrent in die Agrarpolitik zu inte-grieren Betrachtet man hingegen die Rechtsentwicklung auf der Ebene der EU ist eine Inkohaumlrenz festzustellen So sind auf der Grundlage der umweltpolitischen Kompetenz-bestimmungen zahlreiche Regelungen erlassen worden die die Landwirtschaft zum Gegenstand haben Zu nen-nen sind insbesondere die Bestimmungen zum Pflanzen-schutz 11 zu Duumlngemitteln 12 zur gruumlnen Gentechnik 13 oder zur Umweltvertraumlglichkeit 14 Diese Regelungen haben mit ihren ordnungs- und planungsrechtlichen Instrumenten si-cherlich zu einer umweltbewussteren Bewirtschaftung ge-fuumlhrt Das zentrale Instrument aber das der EU zur Steue-rung des landwirtschaftlichen Sektors zur Verfuumlgung steht sind jedoch die Beihilfen die den Kern der Gemeinsamen Agrarpolitik darstellen Dieser Bereich der Agrarbeihilfen hat aber relativ unangetastet die verschiedenen Oumlkologi-sierungswellen seit den 80er Jahren uumlberstanden Das wird bereits daran deutlich dass das Kapitel zur Gemeinsamen Agrarpolitik als einziges Kapitel des Primaumlrrechts seit sei-ner Einfuumlhrung 1957 unangetastet geblieben ist 15 Und so wird rechtlich bis heute die GAP von den traditionellen

Zielen der Agrarpolitik aus der unmittelbaren Nachkriegs-zeit gepraumlgt naumlmlich die Versorgungssicherheit der Bevoumll-kerung und Sicherung der Einkommen der laumlndlichen Be-voumllkerung 16 Der Hintergrund ist rechtspolitischer Natur die Agrarpolitik wurde als hochsensibler politischer Be-reich verstanden der durch die Reform der primaumlrrechtli-chen Grundstrukturen der GAP die Union als solches ge-faumlhrdet haumltte

Und so waren nachvollziehbarer Weise nicht die Mit-gliedstaaten die Initiatoren fuumlr eine Integration des Um-weltschutzes in das Beihilfensystem der Gemeinsamen Agrarpolitik sondern vielmehr die Kommission Sie hat den Umweltschutz und die Nachhaltigkeit als klar formu-liertes Ziel bereits der letzten zuruumlckliegenden Agrarrefor-men der EU definiert Doch die beiden fruumlheren Agrar-kommissare Raymond MacSharry 17 und Franz Fischler 18 scheiterten an den individuellen Interessen einzelner Nati-onalstaaten Und so konnte nur ein Ausweg aus dieser Sack-gasse darin gefunden werden dass 1999 zusaumltzlich zu den bestehenden bdquounantastbarenldquo Agrarbeihilfen die direkt an die Landwirte ausgezahlt wurden ein zweites Instrument der gemeinsamen Agrarpolitik die Agrarstrukturbeihil-fen geschaffen wurden 19 Zu diesen Agrarstrukturbeihil-fen gehoumlrt insbesondere Beihilfen fuumlr Agrarumweltmaszlig-nahmen 20 Dabei verpflichten sich Landwirte freiwillig fuumlr

NuR (2013) 35 690ndash694 691

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Martinez Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

3) Siehe hierzu Martinez Naturschutzrecht in Ines Haumlrtel (Hrsg) Handbuch des Fachanwalts fuumlr Agrarrecht Koumlln 2012 S 662

4) So sind 95 der landwirtschaftlichen Betriebe Familienbetriebe Statistisches Bundesamt Landwirtschaft in Deutschland und der Europaumlischen Union 2009 S 6 Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2011 S 31

5) Martinez Die Steuerung der Agrarstruktur durch das Grund-stuumlcksverkehrsrecht in Agrar- und Umweltrecht 2013 S 165

6) Vgl Sachverstaumlndigenrat fuumlr Umweltfragen Fuumlr eine zeitgemaumlszlige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) Nov 2009 S 3

7) Hagedorn Balanceakt zwischen Ernaumlhrung und Naturschutz ndash die Landwirtschaft Informationen zur politischen Bildung Um-weltpolitik 287 36ndash43

8) Siehe hierzu die aktuellen Beschraumlnkungen der Herbstduumlngung mit organischen Duumlngern in Niedersachsen Agra-Europe 54 (28) v 8 7 2013

9) Umweltbundesamt Daten zur Umwelt Umwelt und Landwirt-schaft Ausgabe 2011 S 52 f

10) Ministerium fuumlr Klimaschutz Umwelt Landwirtschaft Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen Klima-wandel und Landwirtschaft abrufbar unter wwwumweltnrwde

11) VO (EG) Nr 11072009 uumlber das Inverkehrbringen von Pflan-zenschutzmitteln ABl L 309 vom 24 11 2009 S 1 Richtlinie 2009128EG uumlber einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft fuumlr die nachhaltige Verwendung von Pestiziden ABl L 309 vom 24 11 2009 S 71

12) VO (EG) Nr 20032003 uumlber Duumlngemittel ABl L 304 vom 21 11 2003 S 1

13) Richtlinie 200118EG uumlber die absichtliche Freisetzung gene-tisch veraumlnderter Organismen in die Umwelt ABl L 106 vom 17 4 2001 S 1

14) Richtlinie 201192EU uumlber die Umweltvertraumlglichkeitspruuml-fung bei bestimmten oumlffentlichen und privaten Projekten ABl L 26 vom 28 1 2012 S 1

15) Thiele in CalliessRuffert EUVAEUV 4 Auflage 2011 Art 38 Rdnr 1

16) Priebe in GrabitzHilfNettesheim Das Recht der Europaumli-schen Union 50 EL 2013 Art 33 Rdnr 11 ff

17) Priebe (Fn 16) Art 34 Rdnr 1518) Thiele (Fn 15) Art 40 Rdnr 4119) VO Nr 4452002 uumlber die Foumlrderung der Entwicklung des laumlnd-

lichen Raums durch den Europaumlischen Ausrichtungs- und Ga-rantiefonds fuumlr die Landwirtschaft (EAGFL) ABl L 74 vom 15 3 2002 S 1

20) Rechtsgrundlage fuumlr die Foumlrderung der Agrarumweltmaszlignah-men innerhalb der EU ist die Verordnung (EG) Nr 16982005 uumlber die Foumlrderung der Entwicklung des laumlndlichen Raums durch den Europaumlischen Landwirtschaftsfonds fuumlr die Entwicklung des laumlndlichen Raums (ELER) ABl L 277 vom 21 10 2005 S 1

einen Zeitraum besonders umweltfreundliche Bewirtschaf-tungsverfahren oder tiergerechte Haltungsverfahren auf ihrem Betrieb einzuhalten Die damit verbundenen Aufla-gen muumlssen uumlber die gesetzlich vorgeschriebenen Mindest-anforderungen hinausgehen Zum Ausgleich fuumlr die Teil-nahme an diesen Maszlignahmen erhalten die Landwirte eine Foumlrderung Dadurch sollen die mit den besonderen An-forderungen an die Bewirtschaftungs- oder Haltungsver-fahren verbundenen zusaumltzlichen Kosten und der Einkom-mensverluste kompensiert werden 21

Erst seit dem Jahr 2005 werden auch die agrarischen Direkt-beihilfen mit der Einhaltung der sogenannten anderweitigen Verpflichtungen (den sog Cross Compliance) verbunden die vorrangig der Erhaltung landwirtschaftlicher Flaumlchen in einem guten landwirtschaftlichen und oumlkologischen Zustand dienen 22 Hierzu gehoumlren insbesondere Regelungen zur Ero-sionsvermeidung zur Erhaltung der organischen Substanz im Boden und Schutz der Bodenstruktur sowie zur Instand-haltung von aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genom-menen Flaumlchen und die Erhaltung von Dauergruumlnland Ver-stoumlszlige gegen diese Vorschriften fuumlhren zu einer Kuumlrzung der Cross Compliance-relevanten Zahlungen

3 Das Greening im Kontext der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

31 Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

Das Ende der Foumlrderperiode 2007ndash2013 hat die Kommis-sion zum Anlass genommen um die Agrarfoumlrderinstru-mente im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik grund-saumltzlich neu auszurichten Erforderlich ist diese Reform zum einen um die EU-Osterweiterung auch agrarpoli-tisch zu integrieren und damit einheitliche Finanzinstru-mente zu schaffen Zum anderen soll den Forderungen der Globalisierung und des internationalen Welthandelsrechts nach einer wettbewerbsoffenen europaumlischen Landwirt-schaft entsprochen werden 23

Die Oumlkologisierung der Landwirtschaft stand indes zu-naumlchst nicht im Mittelpunkt der Reform Zwar gehen die Vorschlaumlge der Kommission zum Greening auf das Jahr 2010 zuruumlck 24 Doch erst die von der Kommission im Oktober 2011 vorgestellten Entwuumlrfe loumlsten eine breite Diskussion aus in denen zum Teil erhebliche Differenzen innerhalb der Kommission aber auch mit den Mitgliedstaaten und den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen Rat und Parlament deutlich wurden

Ausloumlser war zum einen die Bezeichnung des neuen Leit-bilds als bdquoGreening der Gemeinsamen Agrarpolitikldquo Die Verwendung dieses Konzepts entspricht der Tendenz der EU programmatische Bezeichnungen zu verwenden die eine mittel- bzw langfristige Entwicklung und weniger das zu erwartende kurzfristige Ergebnis widerspiegeln 25 Diese Wortwahl hat aber auch zur Folge dass der Erwartungs-druck in der Oumlffentlichkeit in der Regel enttaumluscht wird 26 Und in der Tat spiegelt die Kritik der Umweltschutzver-baumlnde und von Teilen der Oumlffentlichkeit an der Greening-Vereinbarung diesen Effekt wider

32 Das Greening als Paradigmenwechsel

Dabei wird jedoch ihre mittel- und langfristige Wirkung uumlbersehen Denn der Reform liegt ein grundsaumltzlicher Paradigmenwechsel zugrunde der auf das Bestreben der Kommission zu einer verstaumlrkten wettbewerblichen Aus-richtung der gemeinsamen Agrarpolitik zuruumlckzufuumlhren ist Insoweit ist dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) zu folgen das die Vereinbarung aufgrund ihrer historischen Dimension bereits als bdquoLuxemburger Kompro-missldquo bezeichnet 27

Hintergrund des Paradigmenwechsels ist das komplexe Verhaumlltnis zwischen Gemeinsamer Agrarpolitik und Wett-

bewerbsrecht im europaumlischen Primaumlrrecht Denn die Land-wirtschaft ist zwar wie bereits begrifflich deutlich wird Teil des Wirtschaftssystems Die gesamten agrarischen In-strumente der Gemeinsamen Agrarpolitik und damit ins-besondere die Agrarbeihilfen unterliegen grundsaumltzlich den Regeln des freien Wettbewerbs 28 Zu den Regeln des Wettbewerbsrechts zaumlhlt auch das Beihilfenrecht Diese Bestimmungen wirken aber nicht unmittelbar sie ruhen vielmehr Nach Art 42 Abs 1 AEUV obliegt es dem Rat und dem Europaumlischen Parlament die Vertragsbestimmun-gen uumlber die Wettbewerbsregeln auf die Produktion land-wirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen ausdruumlcklich fuumlr anwendbar zu erklaumlren sie sozusagen zu aktivieren Jedoch haben der Rat und das Parlament nach der Rechtsprechung des EuGH nicht das Recht diese Be-stimmungen vollstaumlndig fuumlr nicht anwendbar zu erklaumlren 29 Also nicht die Frage ob das Wettbewerbsrecht greift un-terliegt der Entscheidungspraumlrogative des Rates und des Parlaments sondern allein die Frage wie es auf die Land-wirtschaft angewandt wird 30 Betrachtet man die agrar-politische Position der Kommission seit Agrarkommissar Fischler ist ein stetige Oumlffnung bzw Liberalisierung der Agrarmaumlrkte zugunsten einer groumlszligeren Wettbewerbsorien-tiertheit zu erkennen

Konsequenterweise folgt daraus auch die rechtliche Not-wendigkeit die Agrarbeihilfen jenseits der agrarpoliti-schen Ziele der Einkommenssicherung der Landwirte und der Versorgungssicherheit wettbewerbsrechtlich zu recht-fertigen 31 Die Kommission unternimmt nunmehr mit der Oumlkologisierung der Agrarpolitik den Versuch das Fortbe-stehen der landwirtschaftlichen Beihilfen europarechtlich auf einen Standpunkt zu stellen der mit den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen kohaumlrent ist Eine Moumlglichkeit besteht darin festzustellen dass der Landwirt auch oumlkologische und damit gesellschaftliche Dienstleis-tungen uumlbernimmt und damit die Agrarbeihilfen zum Teil als Entgelt fuumlr die Erbringung dieser Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gesehen werden muumlssen Insoweit waumlren diese Finanzzuweisungen keine bdquoBeguumlnstigungenldquo und damit keine Beihilfe mehr 32

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692 NuR (2013) 35 690ndash694 Martinez Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

21) Siehe hierzu httpwwwbmelvdeSharedDocsStandardarti-kelLandwirtschaftKlima-und-UmweltAgrar-Umweltmass-nahmenAgrarumweltmassnahmeninDeutschlandhtml

22) Moumlckel DVBl 2012 408 SchweizerSeliger AUR 2009 44 kri-tisch zum Instrument Peine NuR 2012 611ndash619

23) Siehe hierzu umfassend Haumlrtel Die GAP der EU nach 2013 in Landwirtschaftliche Rentenbank Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europaumlischen Union nach 2013 Frankfurt 2012 S 42

24) Mitteilung der Kommission Die GAP bis 2020 KOM(2010) 672 end

25) Vergleichbar verwandt wurden die Konzepte bdquoUnionsbuumlrger-schaftldquo oder bdquoBinnenmarktldquo

26) Siehe Ribbe Die GAP-Reform und die Oumlkologisierungskompo-nente (Greening) BUND abrufbar unter wwwbundnet

27) Abrufbar unter httpwwwbmelvde 28) Streinz Die Grundzuumlge des EG-Beihilfenrechts unter besonde-

rer Beruumlcksichtigung der Landwirtschaft in Staatliche Foumlrder-maszlignahmen und Ausgleichsleistungen fuumlr die Landwirtschaft 1998 S 1 Martinez Agrarbeihilfen als Steuerungsinstrument zwischen Agrarpolitik und Wettbewerbsrecht in Jahrbuch des Agrarrechts Bd 59 (2010) S 105 ff

29) EuGH Urt v 29 10 1980 ndash Rs 13979 Slg 1980 3393342 (MaizenaRat) Booszlig in GrabitzHilf Das Recht der Europaumli-schen Union 37EL 2008 Art 36 Rdnr 2

30) Martinez Landwirtschaft und Wettbewerbsrecht ndash Bestandsauf-nahme und Perspektiven in EuZW 2010 S 368ndash374

31) Ebd32) EuGH Urt v 24 7 2003 ndash C-28000 EuGHE 2003 I7747

Bartosch Die Kommissionspraxis nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Altmark EuZW 2004 295 Koenig Die EG-beihilfenrechtlichen Kompensationsmaszligstaumlbe in der Daseinsvor-sorge ndash das Altmark Trans-Urteil in der Praxis BB 2003 2185

4 Die Elemente des Greening

41 Die oumlkologische Bedingtheit der Agrarbeihilfen

Der wesentliche Inhalt der Vereinbarung ist daher die ob-ligatorische Einfuumlhrung einer Oumlkologisierungskompo-nente in der Ersten Saumlule die wiederum an drei oumlkolo-gische Anforderungen gebunden ist Diese Komponente bedingt zwingend die Direktzahlungen in einer Houmlhe von 30 Haumllt ein Betrieb diese Standards nicht ein soll er in diesem Umfang die Beihilfen auch wieder zuruumlckzah-len Hierdurch wird eine neue Konditionalitaumlt der Agrar-beihilfe begruumlndet So sind an die bisherigen Cross-Com-pliance-Verpflichtungen Sanktionsmechanismen geknuumlpft die allerdings einer Bewertung durch die Kontrollbehoumlrde unterliegen Hierbei kann sie Kriterien wie Haumlufigkeit Ausmaszlig Schwere und Dauer ihrer Entscheidung zugrun-delegen Das heiszligt zugleich dass die Behoumlrde auch ver-pflichtet ist den Verstoszlig nachzuweisen Bei einer systema-tischen Kontrolldichte von unter 5 ist die Dunkelziffer der nicht geahndeten Verstoumlszlige groszlig Das neue System ver-lagert indes die Beweislast auf den Landwirt Er muss be-reits bei der Antragsstellung darlegen dass er die Vorausset-zungen fuumlr den Erhalt der Beihilfe erfuumlllt Diese praumlventive Kontrolle erhoumlht die Effizienz der Umsetzung der oumlkolo-gischen Verpflichtungen erheblich Zugleich wandelt sich der Charakter der Beihilfe zumindest in Houmlhe der beding-ten Zahlung in ein Entgelt fuumlr die oumlkologischen Dienst-leistungen die vom Landwirt erbracht werden Im Lichte dieses Paradigmenwechsels wird die Bereitschaft der Kom-mission verstaumlndlich ihre Forderungen hinsichtlich der Weite der oumlkologischen Verpflichtungen erheblich zu re-duzieren So sind die festgelegten neuen Verpflichtun-gen zwar durchaus begrenzt zugleich aber in den kom-menden Foumlrderperioden auf der Grundlage der nunmehr veraumlnderten Grundstruktur erweiterbar Sie umfassen das Gruumlnlandumbruchverbot die Diversifizierung der Anbau-kulturen Gruumlnlanderhalt und die Ausweisung oumlkologi-scher Vorrangflaumlchen

42 Das Gruumlnlandumbruchverbot

Gruumlnlandumbruch bezeichnet das Unterpfluumlgen der Gras-narbe mit dem Ziel der Umwandlung von Moor- und Wei-deflaumlchen in Ackerland Als Folge der Energiewende ist die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Flaumlchen fuumlr den An-bau von Energiepflanzen stark gestiegen was wiederum zu einem erheblichen Anstieg des Umbruchs von Gruumlnland-flaumlchen gefuumlhrt hat Der Gruumlnlandumbruch ist aber oumlkolo-gisch problematisch da er mit dem Abbau von Humus ver-bunden ist Zugleich wird die klimaschuumltzende Funktion des Gruumlnlands als Speicher fuumlr Kohlenstoffdioxid reduziert bzw zerstoumlrt Je nach Standort kann es laut EU-Kommis-sion von 17 bis zu 111 Jahren dauern um die durch den Gruumlnlandumbruch verursachten Emissionen zu kompen-sieren 33 Zugleich hat die Erhaltung des Gruumlnlands auch eine wichtige Bedeutung fuumlr den Artenschutz den Gewaumls-ser- und den Bodenschutz Unter den Gesetzgebungsorga-nen der EU bestand Einigkeit ein entsprechendes Verbot einzufuumlhren Der Anwendungsbereich ist jedoch nicht um-fassend Die Dauergruumlnlandflaumlchen ndash einschlieszliglich Hei-den ndash werden insgesamt auf dem Stand von 2012 eingefro-ren Auch nach 2014 ist ein Gruumlnlandumbruch bis zu 5 der Flaumlchen in der Region oder im Land moumlglich 34

Zugleich wird aber auch die begrenzte Steuerungswir-kung von finanzwirksamen Instrumenten wie den Agrar-beihilfen deutlich Denn die Greening-Verpflichtung zur Erhaltung des Gruumlnlandes erfasst nicht z B die Wiesen fuumlr die Landwirte keine Beihilfe beantragen Ebenso wenig gehoumlren hierzu Flaumlchen die nicht oder nur eingeschraumlnkt landwirtschaftlich genutzt werden wie z B Moore In die-sem Fall greift nur das Ordnungsrecht wie z B die Vor-

schriften der Landesnaturschutzgesetze die ordnungs-rechtlich ein Gruumlnlandumbruch ausdruumlcklich untersagen 35

43 Die Diversifizierung der Anbaukulturen

Die zweite Komponente betrifft die Diversifizierung der Anbaukulturen Danach muss ein Landwirt auf seinem Ackerland mindestens drei verschiedene landwirtschaftli-che Kulturen anbauen Zwar folgt eine derartige Diversifi-zierung bereits den sog Regelungen zum Erhalt landwirt-schaftlicher Flaumlchen in einem guten landwirtschaftlichen und oumlkologischen Zustand (GLOumlZ-Vorgaben) Wie aber der zunehmende Anbau von Mais in Monokultur in ei-nigen Regionen wie etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder in Teilen Niedersachsens zeigt findet dieses Gebot nur eine beschraumlnkte Umsetzung 36 So baut in den genann-ten Bundeslaumlndern fast jeder zweite Betrieb auf mehr als der Haumllfte seiner Ackerflaumlchen Mais an Ca 25 Prozent der Be-triebe mit Maisanbau bauen Mais sogar auf uumlber 70 Prozent der einzelbetrieblichen Ackerflaumlchen an

Bestand hinsichtlich der Notwendigkeit einer Diver-sifizierung noch ein grundsaumltzlicher Konsens zwischen den Gesetzgebungsorganen gingen die Meinungen so-dann auseinander wie diese Diversifizierung konkret aus-gestaltet werden sollte Der urspruumlngliche Vorschlag der Kommission ging dahingehend drei unterschiedliche An-baukulturen zu fordern Von diesen unterschiedlichen Kul-turen sollte keine 70 des Ackerlandes uumlbersteigen aber auch die dritte sollte noch mindestens 5 des Ackerlandes einnehmen muss

Der gefundene Kompromiss reduziert die Vorgaben fuumlr eine Diversifizierung So muumlssen Landwirte kuumlnftig erst so-weit sie uumlber zehn Hektar bewirtschaften mindestens zwei Kulturen anbauen bei uumlber 30 Hektar mindestens drei Da-bei darf die Hauptkultur houmlchstens 75 der Ackerflaumlche ausmachen Des Weiteren muumlssen die beiden Hauptkultu-ren auf mindestens 95 der Ackerflaumlche wachsen Klein-bauern sind somit von der Regelung ausgenommen Dies ist sicherlich betriebswirtschaftlich sinnvoll Wenn man je-doch bedenkt dass 70 der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU eine Flaumlche von weniger als 5 ha bewirtschaften wird der begrenzte Anwendungsbereich deutlich Kritisch ist daruumlber hinaus dass bei einer dreiflaumlchigen Diversifi-zierung eine 5 prozentige Anbauflaumlche kaum wirksam zur oumlkologischen Diversifizierung beitragen kann

44 Die Ausweisung oumlkologischer Vorrangflaumlchen

Im besonderen Maszlige umstritten war das dritte Element des Greening-Vorschlags der Kommission die Ausweisung von

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Martinez Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

33) EUCAR Concawe Joint Research Centre of the EU Commis-sion Availability and Cost of Biomass For Road Fuels in EU 2006 (EUR 22345 EN) S 5 abrufbar unter httpietjrceceuropaeuabout-jecdownloads

34) Demgegenuumlber sah der Kommissionsentwurf noch den einzel-nen Betrieb als Maszligstab an

35) Schleswig-Holstein Dauergruumlnland-Erhaltungsverordnung vom 13 5 2008 (DGL-VO SH) GVOBl 2008 233 Meck-lenburg-Vorpommern Dauergruumlnlanderhaltungsgesetz vom 10 12 2012 (DGErhG M-V) GVOBl M-V 2012 S 544 Nie-dersachsen Verordnung zur Erhaltung von Dauergruumlnland vom 6 10 2009 NdsGVBl Nr 212009 S 362 Nordrhein-West-falen Dauergruumlnlanderhaltungsverordnung vom 12 1 2011 (DGL-VO NRW) GVNRW 2011 S 160 und Baden-Wuumlrt-temberg sect 27 a Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz vom 14 3 1972 (GBl 1972 74) eingefuumlgt durch durch Gesetz vom 13 12 2011 (GBl S 551)

36) Laut Bundesministerium BMELV erfuumlllt jedoch ein Drittel der deutschen Betriebe diesen Standard nicht abrufbar unter httpwwwabl-evdespezialseitenabl-artikeldetailsbrowse 9ar-ticledie-vorschlaege-der-eu-kommissionhtmltx_ttnews[backPid]=230ampcHash=d8fc179e31402e304b96f44237fd562e

Dieser Beitrag evaluiert die Wirksamkeit des Kerninstruments des deutschen Naturschutzrechts der Eingriffsregelung und zwar mit einem besonderen Fokus auf ihre zunehmend flexibilisierten Komshypensationsbestimmungen Damit kommen zugleich Grundproshybleme ordnungsrechtlicher Steuerung in den Blick

1 Problemstellung 1

Innerhalb des Naturschutzes ereignet sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ein komplexer Prozess der weg vom bloszligen Schutz einzelner Arten und einzelner Gebiete die komplexen oumlkosystemaren Zusammenhaumlnge rechtlich fuumlr schuumltzenswert erklaumlrt Als mittlerweile maszliggebliches voumllkerrechtliches Abkommen zur Biodiversitaumlt wurde in diesem Geiste 1992 im Rahmen der Rio-Konferenz der Vereinten Nationen fuumlr Umwelt und Entwicklung die Convention on Biological Diversity (CBD) verabschie-det Treibend fuumlr die Neuausrichtung des Naturschutzes auf komplexe oumlkosystemare Zusammenhaumlnge ist der hohe

Prof Dr Felix Ekardt LLM M A lehrt Oumlffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universitaumlt Rostock und leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik Dipl Jur Bettina Hennig Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik (wwwnachhaltigkeit-gerechtigkeit-klimade) Leipzig Deutschland

oumlkonomische und fuumlr den Menschen in vielfacher Hinsicht essentielle Wert der Biodiversitaumlt ebenso wie ideelle Fak-toren aumlsthetischer oder erholungsbezogener Art und viele weitere Erwaumlgungen

Ungeachtet ambitionierter Proklamationen und Zielstel-lungen im transnationalen und nationalen Naturschutz-recht schreiten jedoch der Artenschwund sowie der Ver-brauch von Flaumlche und damit von Natur weltweit wie auch in Deutschland ungebremst voran 2 Die Ursachen fuumlr feh-lendes Handeln in Politik Unternehmen und Buumlrgerschaft wurden andernorts mehrfach beschrieben 3 Sie sind uumlber-

7 der beihilfefaumlhigen landwirtschaftlichen Flaumlchen als im Umweltinteresse genutzte Flaumlchen Damit will die EU-Kommission auf den weiter fortschreitenden Verlust an wild lebenden Tier- und Pflanzenarten in unseren Landschaften reagieren Auch hier sieht die Vereinbarung eine Reduzie-rung der oumlkologischen Vorgaben vor die von der Kommis-sion in ihrem Vorschlag noch enthalten waren So ist kuumlnf-tig Voraussetzung fuumlr die Auszahlung der Direktzahlungen dass mindestens 5 der Flaumlchen als derartige im Umweltin-teresse genutzte Flaumlchen ausgewiesen werden Dies gilt al-lerdings nur soweit der Betrieb mehr als 15 Hektar (ohne Dauergruumlnland) umfasst Die EU-Kommission hat sich vor-behalten im Jahr 2017 im Rahmen einer Evaluation den Anteil der Vorrangflaumlchen auf sieben Prozent anzuheben

Zu den im Umweltinteresse genutzten Flaumlchen zaumlhlen ins-besondere Hecken Feldraine Hecken Baumlume Brachland oder Landschaftselemente wie Knicks und Baumreihen Da-durch soll ein Anreiz zu ihrer Ausweitung gegeben werden Eine abschlieszligende Aufzaumlhlung der Flaumlchen ist bislang noch nicht erfolgt 37 Die von Seiten der landwirtschaftlichen Be-rufsverbaumlnde geaumluszligerte Befuumlrchtung die Ausweisung von Vorrangflaumlchen sei eine faktische Stilllegungsanordnung hat sich nicht realisiert So haben die Mitgliedstaaten die Moumlglichkeit bei der Umsetzung dieser Verpflichtung eine nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung der bereitzustel-lenden oumlkologischen Vorrangflaumlchen zu ermoumlglichen Zu diesen Nutzungen zaumlhlen insbesondere der Anbau von Zwi-schenfruumlchten und stickstoffbindenden Pflanzen

5 Bewertung

Der Paradigmenwechsel im Agrarbeihilfenrecht ist erfolgt Da die Landwirtschaft im Wesentlichen von diesen Agrar-beihilfen abhaumlngig ist ist die Steuerungswirkung dieser Fi-nanzinstrumente in der Praxis nicht zu unterschaumltzen Um diese Wirkung zu pruumlfen ist fuumlr das Jahr 2017 eine Halb-zeitbewertung durch die EU-Kommission vorgesehen Im Lichte der Entwicklung der letzten Jahre ist die Prognose naheliegend dass die Kommission die veraumlnderte Grund-struktur der Agrarbeihifen nutzen wird um den Anteil der durch das Greening bedingten Agrarbeihilfen jenseits der derzeitigen 30 der Direktzahlungen zu erweitern Aus oumlkologischer Sicht erforderlich waumlre zugleich eine konse-quente Weiterentwicklung und Verschaumlrfung der einge-fuumlhrten Standards Betrachtet man daher das bdquoGreening der Gemeinsamen Agrarpolitikldquo rein temporal als einen konti-nuierlichen dynamischen Prozess hin zu einer umweltver-traumlglichen europaumlischen Landwirtschaft so ist mit der Ver-einbarung im Juni 2013 ein wichtiger laumlngst uumlberfaumllliger Schritt gemacht worden

Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und KompensationenFelix Ekardt und Bettina Hennig

copy Springer-Verlag 2013

EkardtHennig Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen

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1) Naumlher zum gesamten Gegenstand des vorliegenden Artikels EkardtHennig Oumlkonomische Instrumente und Bewertung der Biodiversitaumlt Lehren aus dem internationalen Klimaschutz Mar-burg 2013 i E als Hintergrund ferner Ekardt Theorie der Nach-haltigkeit Rechtliche ethische und politische Zugaumlnge ndash am Bei-spiel von Klimawandel Ressourcenknappheit und Welthandel Baden-Baden 2011 und Ekardt Steuerungsdefizite im Umwelt-recht Ursachen unter besonderer Beruumlcksichtigung des Natur-schutzrechts und der Grundrechte Sinzheim 2001

2) Zur gebuumlndelten naturwissenschaftlich-oumlkonomischen Forschung siehe IPBES Background Information on Biodiversity Ecosystem Services and Human-Well-Being abrufbar unter httpwwwipbesnetresourceshtml und Secretariat of the Convention on Bioloshygical Diversity Global Biodiversity Outlook 3 Montreal 2010

3) Siehe die Nachweise in Fn 1

37) Das Bundesamt fuumlr Naturschutz (BfN) hat hierzu ein Projekt ausgeschrieben um das Konzept oumlkologische Vorrangflaumlchen fuumlr eine Umsetzung auf nationaler Bundeslaumlnder und betrieblicher Ebene zu konkretisieren und praktisch anwendbar zu machen httpwwwiflsdeprojekt-107html

  • Neues aus Luxemburg zum Artenschutzrecht
  • Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik
  • Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und Kompensationen
  • Was spricht gegen Fracking ndash eine Stellungnahme
  • Aumlnderung der Honorarbemessungsgrundlage zum HOAI-Leistungsbild Flaumlchennutzungsplan
  • Schutz der wild lebenden Vogelarten und Bedingungen fuumlr die Schaffung von Ausnahmen von Verboten der Vogelschutzrichtlinie
  • Merkmale einer endguumlltigen Herstellung einer Erschlieszligungsanlage
  • Beseitigung geschuumltzter Nistplaumltze der Mehlschwalbe
  • Die Kuumlhlung des Kraftwerks Moorburg mit Elbwasser ist unzulaumlssig
  • Zur (fehlenden) Konzentrationswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Sinne von sectthinsp13 BImSchG bei der Erteilung einer Waldumwandlungsgenehmigung und zur Klagebefugnis gemaumlszlig sectthinsp42 Abs 2 1 Hs VwGO ithinspVthinspm sectthinsp2 Abs 1 UmwRG bei einer feh
  • Normenkontrolleilantrag gegen eine Verordnung uumlber die Aufhebung der Schonzeit fuumlr Rabenkraumlhen
  • Nassauskiesung Lage auszligerhalb des Geltungsbereichs eines Wasserschutzgebiets
  • Faumlllungsgenehmigung fuumlr Baumlume bei einer unzumutbaren Verschattung des Grundstuumlcks
  • Der Einwirkungsbereich nach sectthinsp120 BBergG
Page 2: Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

Nutzungskonflikte mit den Zielen des Natur- und Land-schaftsschutzes Landwirtschaft und Umweltschutz schlie-szligen sich aber nicht grundsaumltzlich aus Vielmehr hat die natur- und landschaftsvertraumlgliche Land- Forst- und Fi-schereiwirtschaft eine herausragende Bedeutung fuumlr die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft da sich unsere Landschaft uumlber Jahrhunderte durch die land- und forstwirtschaftliche Nutzung gebildet hat Daruumlber hi-naus ist die kleinparzellige landwirtschaftliche Nutzung fuumlr den Artenreichtum der Feldflur von besonderer Be-deutung 3 Die Landwirtschaft ist sowohl in Deutschland als auch europaweit zwar weitgehend noch von derartigen kleinen und mittleren Familienbetrieben gepraumlgt 4 So exis-tieren derzeit etwa 137 Millionen landwirtschaftliche Be-triebe (70 mit weniger als 5 ha) Jedoch ist in den letz-ten Jahrzehnten diese ideale Agrarstruktur erheblich im Umbruch begriffen was sich wiederum auf die Umwelt-relevanz der Landwirtschaft auswirkt So findet aufgrund fehlender Hofnachfolgen sowie einem Anstieg von kauf-interessierten Kapitalanlegern insbesondere als Folge der Energiewende sowie der Finanzkrise eine Industrialisie-rung und Intensivierung der Landwirtschaft statt 5 Mit die-ser Tendenz verbunden sind technische chemische biolo-gische zuumlchterische und organisatorische Entwicklungen die zwar zu einer effizienteren Bewirtschaftung beitragen zugleich aber auch in einem sich verstaumlrkenden Spannungs-verhaumlltnis zum Umweltschutz stehen 6 So ist die Arten- und Sortenvielfalt bei Kulturpflanzen seit 1920 um 75 Prozent gesunken 7 Ursache hierfuumlr sind Monokulturen und die Anwendung hochwirksamer Pestizide Auch ist die Land-wirtschaft an der Verschmutzung der Gewaumlsser beteiligt Durch Uumlberduumlngung gelangen Stickstoff und Phosphor ins Grundwasser in die Binnengewaumlsser und schlieszliglich auch ins Meer Das foumlrdert das Wachstum von Algen und ver-mindert gleichzeitig den Sauerstoffgehalt 8 77 Prozent der Stickstoffeintraumlge und 63 Prozent der Phosphoreintraumlge sind agrarischen Ursprungs 9 Weitere Spannungsfelder er-oumlffnen sich im Hinblick auf den Beitrag der Landwirtschaft konkret der Tierzucht zu den Treibhausgas-Emissionen zu den Bodenbelastungen oder zu Ammoniak-Emissionen Auf der anderen Seite spuumlrt die Landwirtschaft selbst die Auswirkungen des Klimawandels 10 So ist die Gefahr von Uumlberschwemmungen gestiegen Pflanzenschaumldlinge und -krankheiten breiten sich aus und gefaumlhrden wiederum Ernte- und Futterertraumlge

2 Die verzoumlgerte Integration von oumlkologischen Elementen

Man kann daher durchaus feststellen dass in der staatlichen Agrarpolitik das Verstaumlndnis fuumlr die Forderung gewachsen ist den Umweltschutz kohaumlrent in die Agrarpolitik zu inte-grieren Betrachtet man hingegen die Rechtsentwicklung auf der Ebene der EU ist eine Inkohaumlrenz festzustellen So sind auf der Grundlage der umweltpolitischen Kompetenz-bestimmungen zahlreiche Regelungen erlassen worden die die Landwirtschaft zum Gegenstand haben Zu nen-nen sind insbesondere die Bestimmungen zum Pflanzen-schutz 11 zu Duumlngemitteln 12 zur gruumlnen Gentechnik 13 oder zur Umweltvertraumlglichkeit 14 Diese Regelungen haben mit ihren ordnungs- und planungsrechtlichen Instrumenten si-cherlich zu einer umweltbewussteren Bewirtschaftung ge-fuumlhrt Das zentrale Instrument aber das der EU zur Steue-rung des landwirtschaftlichen Sektors zur Verfuumlgung steht sind jedoch die Beihilfen die den Kern der Gemeinsamen Agrarpolitik darstellen Dieser Bereich der Agrarbeihilfen hat aber relativ unangetastet die verschiedenen Oumlkologi-sierungswellen seit den 80er Jahren uumlberstanden Das wird bereits daran deutlich dass das Kapitel zur Gemeinsamen Agrarpolitik als einziges Kapitel des Primaumlrrechts seit sei-ner Einfuumlhrung 1957 unangetastet geblieben ist 15 Und so wird rechtlich bis heute die GAP von den traditionellen

Zielen der Agrarpolitik aus der unmittelbaren Nachkriegs-zeit gepraumlgt naumlmlich die Versorgungssicherheit der Bevoumll-kerung und Sicherung der Einkommen der laumlndlichen Be-voumllkerung 16 Der Hintergrund ist rechtspolitischer Natur die Agrarpolitik wurde als hochsensibler politischer Be-reich verstanden der durch die Reform der primaumlrrechtli-chen Grundstrukturen der GAP die Union als solches ge-faumlhrdet haumltte

Und so waren nachvollziehbarer Weise nicht die Mit-gliedstaaten die Initiatoren fuumlr eine Integration des Um-weltschutzes in das Beihilfensystem der Gemeinsamen Agrarpolitik sondern vielmehr die Kommission Sie hat den Umweltschutz und die Nachhaltigkeit als klar formu-liertes Ziel bereits der letzten zuruumlckliegenden Agrarrefor-men der EU definiert Doch die beiden fruumlheren Agrar-kommissare Raymond MacSharry 17 und Franz Fischler 18 scheiterten an den individuellen Interessen einzelner Nati-onalstaaten Und so konnte nur ein Ausweg aus dieser Sack-gasse darin gefunden werden dass 1999 zusaumltzlich zu den bestehenden bdquounantastbarenldquo Agrarbeihilfen die direkt an die Landwirte ausgezahlt wurden ein zweites Instrument der gemeinsamen Agrarpolitik die Agrarstrukturbeihil-fen geschaffen wurden 19 Zu diesen Agrarstrukturbeihil-fen gehoumlrt insbesondere Beihilfen fuumlr Agrarumweltmaszlig-nahmen 20 Dabei verpflichten sich Landwirte freiwillig fuumlr

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Martinez Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

3) Siehe hierzu Martinez Naturschutzrecht in Ines Haumlrtel (Hrsg) Handbuch des Fachanwalts fuumlr Agrarrecht Koumlln 2012 S 662

4) So sind 95 der landwirtschaftlichen Betriebe Familienbetriebe Statistisches Bundesamt Landwirtschaft in Deutschland und der Europaumlischen Union 2009 S 6 Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2011 S 31

5) Martinez Die Steuerung der Agrarstruktur durch das Grund-stuumlcksverkehrsrecht in Agrar- und Umweltrecht 2013 S 165

6) Vgl Sachverstaumlndigenrat fuumlr Umweltfragen Fuumlr eine zeitgemaumlszlige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) Nov 2009 S 3

7) Hagedorn Balanceakt zwischen Ernaumlhrung und Naturschutz ndash die Landwirtschaft Informationen zur politischen Bildung Um-weltpolitik 287 36ndash43

8) Siehe hierzu die aktuellen Beschraumlnkungen der Herbstduumlngung mit organischen Duumlngern in Niedersachsen Agra-Europe 54 (28) v 8 7 2013

9) Umweltbundesamt Daten zur Umwelt Umwelt und Landwirt-schaft Ausgabe 2011 S 52 f

10) Ministerium fuumlr Klimaschutz Umwelt Landwirtschaft Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen Klima-wandel und Landwirtschaft abrufbar unter wwwumweltnrwde

11) VO (EG) Nr 11072009 uumlber das Inverkehrbringen von Pflan-zenschutzmitteln ABl L 309 vom 24 11 2009 S 1 Richtlinie 2009128EG uumlber einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft fuumlr die nachhaltige Verwendung von Pestiziden ABl L 309 vom 24 11 2009 S 71

12) VO (EG) Nr 20032003 uumlber Duumlngemittel ABl L 304 vom 21 11 2003 S 1

13) Richtlinie 200118EG uumlber die absichtliche Freisetzung gene-tisch veraumlnderter Organismen in die Umwelt ABl L 106 vom 17 4 2001 S 1

14) Richtlinie 201192EU uumlber die Umweltvertraumlglichkeitspruuml-fung bei bestimmten oumlffentlichen und privaten Projekten ABl L 26 vom 28 1 2012 S 1

15) Thiele in CalliessRuffert EUVAEUV 4 Auflage 2011 Art 38 Rdnr 1

16) Priebe in GrabitzHilfNettesheim Das Recht der Europaumli-schen Union 50 EL 2013 Art 33 Rdnr 11 ff

17) Priebe (Fn 16) Art 34 Rdnr 1518) Thiele (Fn 15) Art 40 Rdnr 4119) VO Nr 4452002 uumlber die Foumlrderung der Entwicklung des laumlnd-

lichen Raums durch den Europaumlischen Ausrichtungs- und Ga-rantiefonds fuumlr die Landwirtschaft (EAGFL) ABl L 74 vom 15 3 2002 S 1

20) Rechtsgrundlage fuumlr die Foumlrderung der Agrarumweltmaszlignah-men innerhalb der EU ist die Verordnung (EG) Nr 16982005 uumlber die Foumlrderung der Entwicklung des laumlndlichen Raums durch den Europaumlischen Landwirtschaftsfonds fuumlr die Entwicklung des laumlndlichen Raums (ELER) ABl L 277 vom 21 10 2005 S 1

einen Zeitraum besonders umweltfreundliche Bewirtschaf-tungsverfahren oder tiergerechte Haltungsverfahren auf ihrem Betrieb einzuhalten Die damit verbundenen Aufla-gen muumlssen uumlber die gesetzlich vorgeschriebenen Mindest-anforderungen hinausgehen Zum Ausgleich fuumlr die Teil-nahme an diesen Maszlignahmen erhalten die Landwirte eine Foumlrderung Dadurch sollen die mit den besonderen An-forderungen an die Bewirtschaftungs- oder Haltungsver-fahren verbundenen zusaumltzlichen Kosten und der Einkom-mensverluste kompensiert werden 21

Erst seit dem Jahr 2005 werden auch die agrarischen Direkt-beihilfen mit der Einhaltung der sogenannten anderweitigen Verpflichtungen (den sog Cross Compliance) verbunden die vorrangig der Erhaltung landwirtschaftlicher Flaumlchen in einem guten landwirtschaftlichen und oumlkologischen Zustand dienen 22 Hierzu gehoumlren insbesondere Regelungen zur Ero-sionsvermeidung zur Erhaltung der organischen Substanz im Boden und Schutz der Bodenstruktur sowie zur Instand-haltung von aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genom-menen Flaumlchen und die Erhaltung von Dauergruumlnland Ver-stoumlszlige gegen diese Vorschriften fuumlhren zu einer Kuumlrzung der Cross Compliance-relevanten Zahlungen

3 Das Greening im Kontext der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

31 Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

Das Ende der Foumlrderperiode 2007ndash2013 hat die Kommis-sion zum Anlass genommen um die Agrarfoumlrderinstru-mente im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik grund-saumltzlich neu auszurichten Erforderlich ist diese Reform zum einen um die EU-Osterweiterung auch agrarpoli-tisch zu integrieren und damit einheitliche Finanzinstru-mente zu schaffen Zum anderen soll den Forderungen der Globalisierung und des internationalen Welthandelsrechts nach einer wettbewerbsoffenen europaumlischen Landwirt-schaft entsprochen werden 23

Die Oumlkologisierung der Landwirtschaft stand indes zu-naumlchst nicht im Mittelpunkt der Reform Zwar gehen die Vorschlaumlge der Kommission zum Greening auf das Jahr 2010 zuruumlck 24 Doch erst die von der Kommission im Oktober 2011 vorgestellten Entwuumlrfe loumlsten eine breite Diskussion aus in denen zum Teil erhebliche Differenzen innerhalb der Kommission aber auch mit den Mitgliedstaaten und den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen Rat und Parlament deutlich wurden

Ausloumlser war zum einen die Bezeichnung des neuen Leit-bilds als bdquoGreening der Gemeinsamen Agrarpolitikldquo Die Verwendung dieses Konzepts entspricht der Tendenz der EU programmatische Bezeichnungen zu verwenden die eine mittel- bzw langfristige Entwicklung und weniger das zu erwartende kurzfristige Ergebnis widerspiegeln 25 Diese Wortwahl hat aber auch zur Folge dass der Erwartungs-druck in der Oumlffentlichkeit in der Regel enttaumluscht wird 26 Und in der Tat spiegelt die Kritik der Umweltschutzver-baumlnde und von Teilen der Oumlffentlichkeit an der Greening-Vereinbarung diesen Effekt wider

32 Das Greening als Paradigmenwechsel

Dabei wird jedoch ihre mittel- und langfristige Wirkung uumlbersehen Denn der Reform liegt ein grundsaumltzlicher Paradigmenwechsel zugrunde der auf das Bestreben der Kommission zu einer verstaumlrkten wettbewerblichen Aus-richtung der gemeinsamen Agrarpolitik zuruumlckzufuumlhren ist Insoweit ist dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) zu folgen das die Vereinbarung aufgrund ihrer historischen Dimension bereits als bdquoLuxemburger Kompro-missldquo bezeichnet 27

Hintergrund des Paradigmenwechsels ist das komplexe Verhaumlltnis zwischen Gemeinsamer Agrarpolitik und Wett-

bewerbsrecht im europaumlischen Primaumlrrecht Denn die Land-wirtschaft ist zwar wie bereits begrifflich deutlich wird Teil des Wirtschaftssystems Die gesamten agrarischen In-strumente der Gemeinsamen Agrarpolitik und damit ins-besondere die Agrarbeihilfen unterliegen grundsaumltzlich den Regeln des freien Wettbewerbs 28 Zu den Regeln des Wettbewerbsrechts zaumlhlt auch das Beihilfenrecht Diese Bestimmungen wirken aber nicht unmittelbar sie ruhen vielmehr Nach Art 42 Abs 1 AEUV obliegt es dem Rat und dem Europaumlischen Parlament die Vertragsbestimmun-gen uumlber die Wettbewerbsregeln auf die Produktion land-wirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen ausdruumlcklich fuumlr anwendbar zu erklaumlren sie sozusagen zu aktivieren Jedoch haben der Rat und das Parlament nach der Rechtsprechung des EuGH nicht das Recht diese Be-stimmungen vollstaumlndig fuumlr nicht anwendbar zu erklaumlren 29 Also nicht die Frage ob das Wettbewerbsrecht greift un-terliegt der Entscheidungspraumlrogative des Rates und des Parlaments sondern allein die Frage wie es auf die Land-wirtschaft angewandt wird 30 Betrachtet man die agrar-politische Position der Kommission seit Agrarkommissar Fischler ist ein stetige Oumlffnung bzw Liberalisierung der Agrarmaumlrkte zugunsten einer groumlszligeren Wettbewerbsorien-tiertheit zu erkennen

Konsequenterweise folgt daraus auch die rechtliche Not-wendigkeit die Agrarbeihilfen jenseits der agrarpoliti-schen Ziele der Einkommenssicherung der Landwirte und der Versorgungssicherheit wettbewerbsrechtlich zu recht-fertigen 31 Die Kommission unternimmt nunmehr mit der Oumlkologisierung der Agrarpolitik den Versuch das Fortbe-stehen der landwirtschaftlichen Beihilfen europarechtlich auf einen Standpunkt zu stellen der mit den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen kohaumlrent ist Eine Moumlglichkeit besteht darin festzustellen dass der Landwirt auch oumlkologische und damit gesellschaftliche Dienstleis-tungen uumlbernimmt und damit die Agrarbeihilfen zum Teil als Entgelt fuumlr die Erbringung dieser Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gesehen werden muumlssen Insoweit waumlren diese Finanzzuweisungen keine bdquoBeguumlnstigungenldquo und damit keine Beihilfe mehr 32

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692 NuR (2013) 35 690ndash694 Martinez Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

21) Siehe hierzu httpwwwbmelvdeSharedDocsStandardarti-kelLandwirtschaftKlima-und-UmweltAgrar-Umweltmass-nahmenAgrarumweltmassnahmeninDeutschlandhtml

22) Moumlckel DVBl 2012 408 SchweizerSeliger AUR 2009 44 kri-tisch zum Instrument Peine NuR 2012 611ndash619

23) Siehe hierzu umfassend Haumlrtel Die GAP der EU nach 2013 in Landwirtschaftliche Rentenbank Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europaumlischen Union nach 2013 Frankfurt 2012 S 42

24) Mitteilung der Kommission Die GAP bis 2020 KOM(2010) 672 end

25) Vergleichbar verwandt wurden die Konzepte bdquoUnionsbuumlrger-schaftldquo oder bdquoBinnenmarktldquo

26) Siehe Ribbe Die GAP-Reform und die Oumlkologisierungskompo-nente (Greening) BUND abrufbar unter wwwbundnet

27) Abrufbar unter httpwwwbmelvde 28) Streinz Die Grundzuumlge des EG-Beihilfenrechts unter besonde-

rer Beruumlcksichtigung der Landwirtschaft in Staatliche Foumlrder-maszlignahmen und Ausgleichsleistungen fuumlr die Landwirtschaft 1998 S 1 Martinez Agrarbeihilfen als Steuerungsinstrument zwischen Agrarpolitik und Wettbewerbsrecht in Jahrbuch des Agrarrechts Bd 59 (2010) S 105 ff

29) EuGH Urt v 29 10 1980 ndash Rs 13979 Slg 1980 3393342 (MaizenaRat) Booszlig in GrabitzHilf Das Recht der Europaumli-schen Union 37EL 2008 Art 36 Rdnr 2

30) Martinez Landwirtschaft und Wettbewerbsrecht ndash Bestandsauf-nahme und Perspektiven in EuZW 2010 S 368ndash374

31) Ebd32) EuGH Urt v 24 7 2003 ndash C-28000 EuGHE 2003 I7747

Bartosch Die Kommissionspraxis nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Altmark EuZW 2004 295 Koenig Die EG-beihilfenrechtlichen Kompensationsmaszligstaumlbe in der Daseinsvor-sorge ndash das Altmark Trans-Urteil in der Praxis BB 2003 2185

4 Die Elemente des Greening

41 Die oumlkologische Bedingtheit der Agrarbeihilfen

Der wesentliche Inhalt der Vereinbarung ist daher die ob-ligatorische Einfuumlhrung einer Oumlkologisierungskompo-nente in der Ersten Saumlule die wiederum an drei oumlkolo-gische Anforderungen gebunden ist Diese Komponente bedingt zwingend die Direktzahlungen in einer Houmlhe von 30 Haumllt ein Betrieb diese Standards nicht ein soll er in diesem Umfang die Beihilfen auch wieder zuruumlckzah-len Hierdurch wird eine neue Konditionalitaumlt der Agrar-beihilfe begruumlndet So sind an die bisherigen Cross-Com-pliance-Verpflichtungen Sanktionsmechanismen geknuumlpft die allerdings einer Bewertung durch die Kontrollbehoumlrde unterliegen Hierbei kann sie Kriterien wie Haumlufigkeit Ausmaszlig Schwere und Dauer ihrer Entscheidung zugrun-delegen Das heiszligt zugleich dass die Behoumlrde auch ver-pflichtet ist den Verstoszlig nachzuweisen Bei einer systema-tischen Kontrolldichte von unter 5 ist die Dunkelziffer der nicht geahndeten Verstoumlszlige groszlig Das neue System ver-lagert indes die Beweislast auf den Landwirt Er muss be-reits bei der Antragsstellung darlegen dass er die Vorausset-zungen fuumlr den Erhalt der Beihilfe erfuumlllt Diese praumlventive Kontrolle erhoumlht die Effizienz der Umsetzung der oumlkolo-gischen Verpflichtungen erheblich Zugleich wandelt sich der Charakter der Beihilfe zumindest in Houmlhe der beding-ten Zahlung in ein Entgelt fuumlr die oumlkologischen Dienst-leistungen die vom Landwirt erbracht werden Im Lichte dieses Paradigmenwechsels wird die Bereitschaft der Kom-mission verstaumlndlich ihre Forderungen hinsichtlich der Weite der oumlkologischen Verpflichtungen erheblich zu re-duzieren So sind die festgelegten neuen Verpflichtun-gen zwar durchaus begrenzt zugleich aber in den kom-menden Foumlrderperioden auf der Grundlage der nunmehr veraumlnderten Grundstruktur erweiterbar Sie umfassen das Gruumlnlandumbruchverbot die Diversifizierung der Anbau-kulturen Gruumlnlanderhalt und die Ausweisung oumlkologi-scher Vorrangflaumlchen

42 Das Gruumlnlandumbruchverbot

Gruumlnlandumbruch bezeichnet das Unterpfluumlgen der Gras-narbe mit dem Ziel der Umwandlung von Moor- und Wei-deflaumlchen in Ackerland Als Folge der Energiewende ist die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Flaumlchen fuumlr den An-bau von Energiepflanzen stark gestiegen was wiederum zu einem erheblichen Anstieg des Umbruchs von Gruumlnland-flaumlchen gefuumlhrt hat Der Gruumlnlandumbruch ist aber oumlkolo-gisch problematisch da er mit dem Abbau von Humus ver-bunden ist Zugleich wird die klimaschuumltzende Funktion des Gruumlnlands als Speicher fuumlr Kohlenstoffdioxid reduziert bzw zerstoumlrt Je nach Standort kann es laut EU-Kommis-sion von 17 bis zu 111 Jahren dauern um die durch den Gruumlnlandumbruch verursachten Emissionen zu kompen-sieren 33 Zugleich hat die Erhaltung des Gruumlnlands auch eine wichtige Bedeutung fuumlr den Artenschutz den Gewaumls-ser- und den Bodenschutz Unter den Gesetzgebungsorga-nen der EU bestand Einigkeit ein entsprechendes Verbot einzufuumlhren Der Anwendungsbereich ist jedoch nicht um-fassend Die Dauergruumlnlandflaumlchen ndash einschlieszliglich Hei-den ndash werden insgesamt auf dem Stand von 2012 eingefro-ren Auch nach 2014 ist ein Gruumlnlandumbruch bis zu 5 der Flaumlchen in der Region oder im Land moumlglich 34

Zugleich wird aber auch die begrenzte Steuerungswir-kung von finanzwirksamen Instrumenten wie den Agrar-beihilfen deutlich Denn die Greening-Verpflichtung zur Erhaltung des Gruumlnlandes erfasst nicht z B die Wiesen fuumlr die Landwirte keine Beihilfe beantragen Ebenso wenig gehoumlren hierzu Flaumlchen die nicht oder nur eingeschraumlnkt landwirtschaftlich genutzt werden wie z B Moore In die-sem Fall greift nur das Ordnungsrecht wie z B die Vor-

schriften der Landesnaturschutzgesetze die ordnungs-rechtlich ein Gruumlnlandumbruch ausdruumlcklich untersagen 35

43 Die Diversifizierung der Anbaukulturen

Die zweite Komponente betrifft die Diversifizierung der Anbaukulturen Danach muss ein Landwirt auf seinem Ackerland mindestens drei verschiedene landwirtschaftli-che Kulturen anbauen Zwar folgt eine derartige Diversifi-zierung bereits den sog Regelungen zum Erhalt landwirt-schaftlicher Flaumlchen in einem guten landwirtschaftlichen und oumlkologischen Zustand (GLOumlZ-Vorgaben) Wie aber der zunehmende Anbau von Mais in Monokultur in ei-nigen Regionen wie etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder in Teilen Niedersachsens zeigt findet dieses Gebot nur eine beschraumlnkte Umsetzung 36 So baut in den genann-ten Bundeslaumlndern fast jeder zweite Betrieb auf mehr als der Haumllfte seiner Ackerflaumlchen Mais an Ca 25 Prozent der Be-triebe mit Maisanbau bauen Mais sogar auf uumlber 70 Prozent der einzelbetrieblichen Ackerflaumlchen an

Bestand hinsichtlich der Notwendigkeit einer Diver-sifizierung noch ein grundsaumltzlicher Konsens zwischen den Gesetzgebungsorganen gingen die Meinungen so-dann auseinander wie diese Diversifizierung konkret aus-gestaltet werden sollte Der urspruumlngliche Vorschlag der Kommission ging dahingehend drei unterschiedliche An-baukulturen zu fordern Von diesen unterschiedlichen Kul-turen sollte keine 70 des Ackerlandes uumlbersteigen aber auch die dritte sollte noch mindestens 5 des Ackerlandes einnehmen muss

Der gefundene Kompromiss reduziert die Vorgaben fuumlr eine Diversifizierung So muumlssen Landwirte kuumlnftig erst so-weit sie uumlber zehn Hektar bewirtschaften mindestens zwei Kulturen anbauen bei uumlber 30 Hektar mindestens drei Da-bei darf die Hauptkultur houmlchstens 75 der Ackerflaumlche ausmachen Des Weiteren muumlssen die beiden Hauptkultu-ren auf mindestens 95 der Ackerflaumlche wachsen Klein-bauern sind somit von der Regelung ausgenommen Dies ist sicherlich betriebswirtschaftlich sinnvoll Wenn man je-doch bedenkt dass 70 der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU eine Flaumlche von weniger als 5 ha bewirtschaften wird der begrenzte Anwendungsbereich deutlich Kritisch ist daruumlber hinaus dass bei einer dreiflaumlchigen Diversifi-zierung eine 5 prozentige Anbauflaumlche kaum wirksam zur oumlkologischen Diversifizierung beitragen kann

44 Die Ausweisung oumlkologischer Vorrangflaumlchen

Im besonderen Maszlige umstritten war das dritte Element des Greening-Vorschlags der Kommission die Ausweisung von

NuR (2013) 35 690ndash694 693

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Martinez Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

33) EUCAR Concawe Joint Research Centre of the EU Commis-sion Availability and Cost of Biomass For Road Fuels in EU 2006 (EUR 22345 EN) S 5 abrufbar unter httpietjrceceuropaeuabout-jecdownloads

34) Demgegenuumlber sah der Kommissionsentwurf noch den einzel-nen Betrieb als Maszligstab an

35) Schleswig-Holstein Dauergruumlnland-Erhaltungsverordnung vom 13 5 2008 (DGL-VO SH) GVOBl 2008 233 Meck-lenburg-Vorpommern Dauergruumlnlanderhaltungsgesetz vom 10 12 2012 (DGErhG M-V) GVOBl M-V 2012 S 544 Nie-dersachsen Verordnung zur Erhaltung von Dauergruumlnland vom 6 10 2009 NdsGVBl Nr 212009 S 362 Nordrhein-West-falen Dauergruumlnlanderhaltungsverordnung vom 12 1 2011 (DGL-VO NRW) GVNRW 2011 S 160 und Baden-Wuumlrt-temberg sect 27 a Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz vom 14 3 1972 (GBl 1972 74) eingefuumlgt durch durch Gesetz vom 13 12 2011 (GBl S 551)

36) Laut Bundesministerium BMELV erfuumlllt jedoch ein Drittel der deutschen Betriebe diesen Standard nicht abrufbar unter httpwwwabl-evdespezialseitenabl-artikeldetailsbrowse 9ar-ticledie-vorschlaege-der-eu-kommissionhtmltx_ttnews[backPid]=230ampcHash=d8fc179e31402e304b96f44237fd562e

Dieser Beitrag evaluiert die Wirksamkeit des Kerninstruments des deutschen Naturschutzrechts der Eingriffsregelung und zwar mit einem besonderen Fokus auf ihre zunehmend flexibilisierten Komshypensationsbestimmungen Damit kommen zugleich Grundproshybleme ordnungsrechtlicher Steuerung in den Blick

1 Problemstellung 1

Innerhalb des Naturschutzes ereignet sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ein komplexer Prozess der weg vom bloszligen Schutz einzelner Arten und einzelner Gebiete die komplexen oumlkosystemaren Zusammenhaumlnge rechtlich fuumlr schuumltzenswert erklaumlrt Als mittlerweile maszliggebliches voumllkerrechtliches Abkommen zur Biodiversitaumlt wurde in diesem Geiste 1992 im Rahmen der Rio-Konferenz der Vereinten Nationen fuumlr Umwelt und Entwicklung die Convention on Biological Diversity (CBD) verabschie-det Treibend fuumlr die Neuausrichtung des Naturschutzes auf komplexe oumlkosystemare Zusammenhaumlnge ist der hohe

Prof Dr Felix Ekardt LLM M A lehrt Oumlffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universitaumlt Rostock und leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik Dipl Jur Bettina Hennig Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik (wwwnachhaltigkeit-gerechtigkeit-klimade) Leipzig Deutschland

oumlkonomische und fuumlr den Menschen in vielfacher Hinsicht essentielle Wert der Biodiversitaumlt ebenso wie ideelle Fak-toren aumlsthetischer oder erholungsbezogener Art und viele weitere Erwaumlgungen

Ungeachtet ambitionierter Proklamationen und Zielstel-lungen im transnationalen und nationalen Naturschutz-recht schreiten jedoch der Artenschwund sowie der Ver-brauch von Flaumlche und damit von Natur weltweit wie auch in Deutschland ungebremst voran 2 Die Ursachen fuumlr feh-lendes Handeln in Politik Unternehmen und Buumlrgerschaft wurden andernorts mehrfach beschrieben 3 Sie sind uumlber-

7 der beihilfefaumlhigen landwirtschaftlichen Flaumlchen als im Umweltinteresse genutzte Flaumlchen Damit will die EU-Kommission auf den weiter fortschreitenden Verlust an wild lebenden Tier- und Pflanzenarten in unseren Landschaften reagieren Auch hier sieht die Vereinbarung eine Reduzie-rung der oumlkologischen Vorgaben vor die von der Kommis-sion in ihrem Vorschlag noch enthalten waren So ist kuumlnf-tig Voraussetzung fuumlr die Auszahlung der Direktzahlungen dass mindestens 5 der Flaumlchen als derartige im Umweltin-teresse genutzte Flaumlchen ausgewiesen werden Dies gilt al-lerdings nur soweit der Betrieb mehr als 15 Hektar (ohne Dauergruumlnland) umfasst Die EU-Kommission hat sich vor-behalten im Jahr 2017 im Rahmen einer Evaluation den Anteil der Vorrangflaumlchen auf sieben Prozent anzuheben

Zu den im Umweltinteresse genutzten Flaumlchen zaumlhlen ins-besondere Hecken Feldraine Hecken Baumlume Brachland oder Landschaftselemente wie Knicks und Baumreihen Da-durch soll ein Anreiz zu ihrer Ausweitung gegeben werden Eine abschlieszligende Aufzaumlhlung der Flaumlchen ist bislang noch nicht erfolgt 37 Die von Seiten der landwirtschaftlichen Be-rufsverbaumlnde geaumluszligerte Befuumlrchtung die Ausweisung von Vorrangflaumlchen sei eine faktische Stilllegungsanordnung hat sich nicht realisiert So haben die Mitgliedstaaten die Moumlglichkeit bei der Umsetzung dieser Verpflichtung eine nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung der bereitzustel-lenden oumlkologischen Vorrangflaumlchen zu ermoumlglichen Zu diesen Nutzungen zaumlhlen insbesondere der Anbau von Zwi-schenfruumlchten und stickstoffbindenden Pflanzen

5 Bewertung

Der Paradigmenwechsel im Agrarbeihilfenrecht ist erfolgt Da die Landwirtschaft im Wesentlichen von diesen Agrar-beihilfen abhaumlngig ist ist die Steuerungswirkung dieser Fi-nanzinstrumente in der Praxis nicht zu unterschaumltzen Um diese Wirkung zu pruumlfen ist fuumlr das Jahr 2017 eine Halb-zeitbewertung durch die EU-Kommission vorgesehen Im Lichte der Entwicklung der letzten Jahre ist die Prognose naheliegend dass die Kommission die veraumlnderte Grund-struktur der Agrarbeihifen nutzen wird um den Anteil der durch das Greening bedingten Agrarbeihilfen jenseits der derzeitigen 30 der Direktzahlungen zu erweitern Aus oumlkologischer Sicht erforderlich waumlre zugleich eine konse-quente Weiterentwicklung und Verschaumlrfung der einge-fuumlhrten Standards Betrachtet man daher das bdquoGreening der Gemeinsamen Agrarpolitikldquo rein temporal als einen konti-nuierlichen dynamischen Prozess hin zu einer umweltver-traumlglichen europaumlischen Landwirtschaft so ist mit der Ver-einbarung im Juni 2013 ein wichtiger laumlngst uumlberfaumllliger Schritt gemacht worden

Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und KompensationenFelix Ekardt und Bettina Hennig

copy Springer-Verlag 2013

EkardtHennig Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen

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694 NuR (2013) 35 694ndash703

1) Naumlher zum gesamten Gegenstand des vorliegenden Artikels EkardtHennig Oumlkonomische Instrumente und Bewertung der Biodiversitaumlt Lehren aus dem internationalen Klimaschutz Mar-burg 2013 i E als Hintergrund ferner Ekardt Theorie der Nach-haltigkeit Rechtliche ethische und politische Zugaumlnge ndash am Bei-spiel von Klimawandel Ressourcenknappheit und Welthandel Baden-Baden 2011 und Ekardt Steuerungsdefizite im Umwelt-recht Ursachen unter besonderer Beruumlcksichtigung des Natur-schutzrechts und der Grundrechte Sinzheim 2001

2) Zur gebuumlndelten naturwissenschaftlich-oumlkonomischen Forschung siehe IPBES Background Information on Biodiversity Ecosystem Services and Human-Well-Being abrufbar unter httpwwwipbesnetresourceshtml und Secretariat of the Convention on Bioloshygical Diversity Global Biodiversity Outlook 3 Montreal 2010

3) Siehe die Nachweise in Fn 1

37) Das Bundesamt fuumlr Naturschutz (BfN) hat hierzu ein Projekt ausgeschrieben um das Konzept oumlkologische Vorrangflaumlchen fuumlr eine Umsetzung auf nationaler Bundeslaumlnder und betrieblicher Ebene zu konkretisieren und praktisch anwendbar zu machen httpwwwiflsdeprojekt-107html

  • Neues aus Luxemburg zum Artenschutzrecht
  • Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik
  • Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und Kompensationen
  • Was spricht gegen Fracking ndash eine Stellungnahme
  • Aumlnderung der Honorarbemessungsgrundlage zum HOAI-Leistungsbild Flaumlchennutzungsplan
  • Schutz der wild lebenden Vogelarten und Bedingungen fuumlr die Schaffung von Ausnahmen von Verboten der Vogelschutzrichtlinie
  • Merkmale einer endguumlltigen Herstellung einer Erschlieszligungsanlage
  • Beseitigung geschuumltzter Nistplaumltze der Mehlschwalbe
  • Die Kuumlhlung des Kraftwerks Moorburg mit Elbwasser ist unzulaumlssig
  • Zur (fehlenden) Konzentrationswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Sinne von sectthinsp13 BImSchG bei der Erteilung einer Waldumwandlungsgenehmigung und zur Klagebefugnis gemaumlszlig sectthinsp42 Abs 2 1 Hs VwGO ithinspVthinspm sectthinsp2 Abs 1 UmwRG bei einer feh
  • Normenkontrolleilantrag gegen eine Verordnung uumlber die Aufhebung der Schonzeit fuumlr Rabenkraumlhen
  • Nassauskiesung Lage auszligerhalb des Geltungsbereichs eines Wasserschutzgebiets
  • Faumlllungsgenehmigung fuumlr Baumlume bei einer unzumutbaren Verschattung des Grundstuumlcks
  • Der Einwirkungsbereich nach sectthinsp120 BBergG
Page 3: Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

einen Zeitraum besonders umweltfreundliche Bewirtschaf-tungsverfahren oder tiergerechte Haltungsverfahren auf ihrem Betrieb einzuhalten Die damit verbundenen Aufla-gen muumlssen uumlber die gesetzlich vorgeschriebenen Mindest-anforderungen hinausgehen Zum Ausgleich fuumlr die Teil-nahme an diesen Maszlignahmen erhalten die Landwirte eine Foumlrderung Dadurch sollen die mit den besonderen An-forderungen an die Bewirtschaftungs- oder Haltungsver-fahren verbundenen zusaumltzlichen Kosten und der Einkom-mensverluste kompensiert werden 21

Erst seit dem Jahr 2005 werden auch die agrarischen Direkt-beihilfen mit der Einhaltung der sogenannten anderweitigen Verpflichtungen (den sog Cross Compliance) verbunden die vorrangig der Erhaltung landwirtschaftlicher Flaumlchen in einem guten landwirtschaftlichen und oumlkologischen Zustand dienen 22 Hierzu gehoumlren insbesondere Regelungen zur Ero-sionsvermeidung zur Erhaltung der organischen Substanz im Boden und Schutz der Bodenstruktur sowie zur Instand-haltung von aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genom-menen Flaumlchen und die Erhaltung von Dauergruumlnland Ver-stoumlszlige gegen diese Vorschriften fuumlhren zu einer Kuumlrzung der Cross Compliance-relevanten Zahlungen

3 Das Greening im Kontext der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

31 Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

Das Ende der Foumlrderperiode 2007ndash2013 hat die Kommis-sion zum Anlass genommen um die Agrarfoumlrderinstru-mente im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik grund-saumltzlich neu auszurichten Erforderlich ist diese Reform zum einen um die EU-Osterweiterung auch agrarpoli-tisch zu integrieren und damit einheitliche Finanzinstru-mente zu schaffen Zum anderen soll den Forderungen der Globalisierung und des internationalen Welthandelsrechts nach einer wettbewerbsoffenen europaumlischen Landwirt-schaft entsprochen werden 23

Die Oumlkologisierung der Landwirtschaft stand indes zu-naumlchst nicht im Mittelpunkt der Reform Zwar gehen die Vorschlaumlge der Kommission zum Greening auf das Jahr 2010 zuruumlck 24 Doch erst die von der Kommission im Oktober 2011 vorgestellten Entwuumlrfe loumlsten eine breite Diskussion aus in denen zum Teil erhebliche Differenzen innerhalb der Kommission aber auch mit den Mitgliedstaaten und den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen Rat und Parlament deutlich wurden

Ausloumlser war zum einen die Bezeichnung des neuen Leit-bilds als bdquoGreening der Gemeinsamen Agrarpolitikldquo Die Verwendung dieses Konzepts entspricht der Tendenz der EU programmatische Bezeichnungen zu verwenden die eine mittel- bzw langfristige Entwicklung und weniger das zu erwartende kurzfristige Ergebnis widerspiegeln 25 Diese Wortwahl hat aber auch zur Folge dass der Erwartungs-druck in der Oumlffentlichkeit in der Regel enttaumluscht wird 26 Und in der Tat spiegelt die Kritik der Umweltschutzver-baumlnde und von Teilen der Oumlffentlichkeit an der Greening-Vereinbarung diesen Effekt wider

32 Das Greening als Paradigmenwechsel

Dabei wird jedoch ihre mittel- und langfristige Wirkung uumlbersehen Denn der Reform liegt ein grundsaumltzlicher Paradigmenwechsel zugrunde der auf das Bestreben der Kommission zu einer verstaumlrkten wettbewerblichen Aus-richtung der gemeinsamen Agrarpolitik zuruumlckzufuumlhren ist Insoweit ist dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) zu folgen das die Vereinbarung aufgrund ihrer historischen Dimension bereits als bdquoLuxemburger Kompro-missldquo bezeichnet 27

Hintergrund des Paradigmenwechsels ist das komplexe Verhaumlltnis zwischen Gemeinsamer Agrarpolitik und Wett-

bewerbsrecht im europaumlischen Primaumlrrecht Denn die Land-wirtschaft ist zwar wie bereits begrifflich deutlich wird Teil des Wirtschaftssystems Die gesamten agrarischen In-strumente der Gemeinsamen Agrarpolitik und damit ins-besondere die Agrarbeihilfen unterliegen grundsaumltzlich den Regeln des freien Wettbewerbs 28 Zu den Regeln des Wettbewerbsrechts zaumlhlt auch das Beihilfenrecht Diese Bestimmungen wirken aber nicht unmittelbar sie ruhen vielmehr Nach Art 42 Abs 1 AEUV obliegt es dem Rat und dem Europaumlischen Parlament die Vertragsbestimmun-gen uumlber die Wettbewerbsregeln auf die Produktion land-wirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen ausdruumlcklich fuumlr anwendbar zu erklaumlren sie sozusagen zu aktivieren Jedoch haben der Rat und das Parlament nach der Rechtsprechung des EuGH nicht das Recht diese Be-stimmungen vollstaumlndig fuumlr nicht anwendbar zu erklaumlren 29 Also nicht die Frage ob das Wettbewerbsrecht greift un-terliegt der Entscheidungspraumlrogative des Rates und des Parlaments sondern allein die Frage wie es auf die Land-wirtschaft angewandt wird 30 Betrachtet man die agrar-politische Position der Kommission seit Agrarkommissar Fischler ist ein stetige Oumlffnung bzw Liberalisierung der Agrarmaumlrkte zugunsten einer groumlszligeren Wettbewerbsorien-tiertheit zu erkennen

Konsequenterweise folgt daraus auch die rechtliche Not-wendigkeit die Agrarbeihilfen jenseits der agrarpoliti-schen Ziele der Einkommenssicherung der Landwirte und der Versorgungssicherheit wettbewerbsrechtlich zu recht-fertigen 31 Die Kommission unternimmt nunmehr mit der Oumlkologisierung der Agrarpolitik den Versuch das Fortbe-stehen der landwirtschaftlichen Beihilfen europarechtlich auf einen Standpunkt zu stellen der mit den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen kohaumlrent ist Eine Moumlglichkeit besteht darin festzustellen dass der Landwirt auch oumlkologische und damit gesellschaftliche Dienstleis-tungen uumlbernimmt und damit die Agrarbeihilfen zum Teil als Entgelt fuumlr die Erbringung dieser Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gesehen werden muumlssen Insoweit waumlren diese Finanzzuweisungen keine bdquoBeguumlnstigungenldquo und damit keine Beihilfe mehr 32

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692 NuR (2013) 35 690ndash694 Martinez Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

21) Siehe hierzu httpwwwbmelvdeSharedDocsStandardarti-kelLandwirtschaftKlima-und-UmweltAgrar-Umweltmass-nahmenAgrarumweltmassnahmeninDeutschlandhtml

22) Moumlckel DVBl 2012 408 SchweizerSeliger AUR 2009 44 kri-tisch zum Instrument Peine NuR 2012 611ndash619

23) Siehe hierzu umfassend Haumlrtel Die GAP der EU nach 2013 in Landwirtschaftliche Rentenbank Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europaumlischen Union nach 2013 Frankfurt 2012 S 42

24) Mitteilung der Kommission Die GAP bis 2020 KOM(2010) 672 end

25) Vergleichbar verwandt wurden die Konzepte bdquoUnionsbuumlrger-schaftldquo oder bdquoBinnenmarktldquo

26) Siehe Ribbe Die GAP-Reform und die Oumlkologisierungskompo-nente (Greening) BUND abrufbar unter wwwbundnet

27) Abrufbar unter httpwwwbmelvde 28) Streinz Die Grundzuumlge des EG-Beihilfenrechts unter besonde-

rer Beruumlcksichtigung der Landwirtschaft in Staatliche Foumlrder-maszlignahmen und Ausgleichsleistungen fuumlr die Landwirtschaft 1998 S 1 Martinez Agrarbeihilfen als Steuerungsinstrument zwischen Agrarpolitik und Wettbewerbsrecht in Jahrbuch des Agrarrechts Bd 59 (2010) S 105 ff

29) EuGH Urt v 29 10 1980 ndash Rs 13979 Slg 1980 3393342 (MaizenaRat) Booszlig in GrabitzHilf Das Recht der Europaumli-schen Union 37EL 2008 Art 36 Rdnr 2

30) Martinez Landwirtschaft und Wettbewerbsrecht ndash Bestandsauf-nahme und Perspektiven in EuZW 2010 S 368ndash374

31) Ebd32) EuGH Urt v 24 7 2003 ndash C-28000 EuGHE 2003 I7747

Bartosch Die Kommissionspraxis nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Altmark EuZW 2004 295 Koenig Die EG-beihilfenrechtlichen Kompensationsmaszligstaumlbe in der Daseinsvor-sorge ndash das Altmark Trans-Urteil in der Praxis BB 2003 2185

4 Die Elemente des Greening

41 Die oumlkologische Bedingtheit der Agrarbeihilfen

Der wesentliche Inhalt der Vereinbarung ist daher die ob-ligatorische Einfuumlhrung einer Oumlkologisierungskompo-nente in der Ersten Saumlule die wiederum an drei oumlkolo-gische Anforderungen gebunden ist Diese Komponente bedingt zwingend die Direktzahlungen in einer Houmlhe von 30 Haumllt ein Betrieb diese Standards nicht ein soll er in diesem Umfang die Beihilfen auch wieder zuruumlckzah-len Hierdurch wird eine neue Konditionalitaumlt der Agrar-beihilfe begruumlndet So sind an die bisherigen Cross-Com-pliance-Verpflichtungen Sanktionsmechanismen geknuumlpft die allerdings einer Bewertung durch die Kontrollbehoumlrde unterliegen Hierbei kann sie Kriterien wie Haumlufigkeit Ausmaszlig Schwere und Dauer ihrer Entscheidung zugrun-delegen Das heiszligt zugleich dass die Behoumlrde auch ver-pflichtet ist den Verstoszlig nachzuweisen Bei einer systema-tischen Kontrolldichte von unter 5 ist die Dunkelziffer der nicht geahndeten Verstoumlszlige groszlig Das neue System ver-lagert indes die Beweislast auf den Landwirt Er muss be-reits bei der Antragsstellung darlegen dass er die Vorausset-zungen fuumlr den Erhalt der Beihilfe erfuumlllt Diese praumlventive Kontrolle erhoumlht die Effizienz der Umsetzung der oumlkolo-gischen Verpflichtungen erheblich Zugleich wandelt sich der Charakter der Beihilfe zumindest in Houmlhe der beding-ten Zahlung in ein Entgelt fuumlr die oumlkologischen Dienst-leistungen die vom Landwirt erbracht werden Im Lichte dieses Paradigmenwechsels wird die Bereitschaft der Kom-mission verstaumlndlich ihre Forderungen hinsichtlich der Weite der oumlkologischen Verpflichtungen erheblich zu re-duzieren So sind die festgelegten neuen Verpflichtun-gen zwar durchaus begrenzt zugleich aber in den kom-menden Foumlrderperioden auf der Grundlage der nunmehr veraumlnderten Grundstruktur erweiterbar Sie umfassen das Gruumlnlandumbruchverbot die Diversifizierung der Anbau-kulturen Gruumlnlanderhalt und die Ausweisung oumlkologi-scher Vorrangflaumlchen

42 Das Gruumlnlandumbruchverbot

Gruumlnlandumbruch bezeichnet das Unterpfluumlgen der Gras-narbe mit dem Ziel der Umwandlung von Moor- und Wei-deflaumlchen in Ackerland Als Folge der Energiewende ist die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Flaumlchen fuumlr den An-bau von Energiepflanzen stark gestiegen was wiederum zu einem erheblichen Anstieg des Umbruchs von Gruumlnland-flaumlchen gefuumlhrt hat Der Gruumlnlandumbruch ist aber oumlkolo-gisch problematisch da er mit dem Abbau von Humus ver-bunden ist Zugleich wird die klimaschuumltzende Funktion des Gruumlnlands als Speicher fuumlr Kohlenstoffdioxid reduziert bzw zerstoumlrt Je nach Standort kann es laut EU-Kommis-sion von 17 bis zu 111 Jahren dauern um die durch den Gruumlnlandumbruch verursachten Emissionen zu kompen-sieren 33 Zugleich hat die Erhaltung des Gruumlnlands auch eine wichtige Bedeutung fuumlr den Artenschutz den Gewaumls-ser- und den Bodenschutz Unter den Gesetzgebungsorga-nen der EU bestand Einigkeit ein entsprechendes Verbot einzufuumlhren Der Anwendungsbereich ist jedoch nicht um-fassend Die Dauergruumlnlandflaumlchen ndash einschlieszliglich Hei-den ndash werden insgesamt auf dem Stand von 2012 eingefro-ren Auch nach 2014 ist ein Gruumlnlandumbruch bis zu 5 der Flaumlchen in der Region oder im Land moumlglich 34

Zugleich wird aber auch die begrenzte Steuerungswir-kung von finanzwirksamen Instrumenten wie den Agrar-beihilfen deutlich Denn die Greening-Verpflichtung zur Erhaltung des Gruumlnlandes erfasst nicht z B die Wiesen fuumlr die Landwirte keine Beihilfe beantragen Ebenso wenig gehoumlren hierzu Flaumlchen die nicht oder nur eingeschraumlnkt landwirtschaftlich genutzt werden wie z B Moore In die-sem Fall greift nur das Ordnungsrecht wie z B die Vor-

schriften der Landesnaturschutzgesetze die ordnungs-rechtlich ein Gruumlnlandumbruch ausdruumlcklich untersagen 35

43 Die Diversifizierung der Anbaukulturen

Die zweite Komponente betrifft die Diversifizierung der Anbaukulturen Danach muss ein Landwirt auf seinem Ackerland mindestens drei verschiedene landwirtschaftli-che Kulturen anbauen Zwar folgt eine derartige Diversifi-zierung bereits den sog Regelungen zum Erhalt landwirt-schaftlicher Flaumlchen in einem guten landwirtschaftlichen und oumlkologischen Zustand (GLOumlZ-Vorgaben) Wie aber der zunehmende Anbau von Mais in Monokultur in ei-nigen Regionen wie etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder in Teilen Niedersachsens zeigt findet dieses Gebot nur eine beschraumlnkte Umsetzung 36 So baut in den genann-ten Bundeslaumlndern fast jeder zweite Betrieb auf mehr als der Haumllfte seiner Ackerflaumlchen Mais an Ca 25 Prozent der Be-triebe mit Maisanbau bauen Mais sogar auf uumlber 70 Prozent der einzelbetrieblichen Ackerflaumlchen an

Bestand hinsichtlich der Notwendigkeit einer Diver-sifizierung noch ein grundsaumltzlicher Konsens zwischen den Gesetzgebungsorganen gingen die Meinungen so-dann auseinander wie diese Diversifizierung konkret aus-gestaltet werden sollte Der urspruumlngliche Vorschlag der Kommission ging dahingehend drei unterschiedliche An-baukulturen zu fordern Von diesen unterschiedlichen Kul-turen sollte keine 70 des Ackerlandes uumlbersteigen aber auch die dritte sollte noch mindestens 5 des Ackerlandes einnehmen muss

Der gefundene Kompromiss reduziert die Vorgaben fuumlr eine Diversifizierung So muumlssen Landwirte kuumlnftig erst so-weit sie uumlber zehn Hektar bewirtschaften mindestens zwei Kulturen anbauen bei uumlber 30 Hektar mindestens drei Da-bei darf die Hauptkultur houmlchstens 75 der Ackerflaumlche ausmachen Des Weiteren muumlssen die beiden Hauptkultu-ren auf mindestens 95 der Ackerflaumlche wachsen Klein-bauern sind somit von der Regelung ausgenommen Dies ist sicherlich betriebswirtschaftlich sinnvoll Wenn man je-doch bedenkt dass 70 der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU eine Flaumlche von weniger als 5 ha bewirtschaften wird der begrenzte Anwendungsbereich deutlich Kritisch ist daruumlber hinaus dass bei einer dreiflaumlchigen Diversifi-zierung eine 5 prozentige Anbauflaumlche kaum wirksam zur oumlkologischen Diversifizierung beitragen kann

44 Die Ausweisung oumlkologischer Vorrangflaumlchen

Im besonderen Maszlige umstritten war das dritte Element des Greening-Vorschlags der Kommission die Ausweisung von

NuR (2013) 35 690ndash694 693

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Martinez Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

33) EUCAR Concawe Joint Research Centre of the EU Commis-sion Availability and Cost of Biomass For Road Fuels in EU 2006 (EUR 22345 EN) S 5 abrufbar unter httpietjrceceuropaeuabout-jecdownloads

34) Demgegenuumlber sah der Kommissionsentwurf noch den einzel-nen Betrieb als Maszligstab an

35) Schleswig-Holstein Dauergruumlnland-Erhaltungsverordnung vom 13 5 2008 (DGL-VO SH) GVOBl 2008 233 Meck-lenburg-Vorpommern Dauergruumlnlanderhaltungsgesetz vom 10 12 2012 (DGErhG M-V) GVOBl M-V 2012 S 544 Nie-dersachsen Verordnung zur Erhaltung von Dauergruumlnland vom 6 10 2009 NdsGVBl Nr 212009 S 362 Nordrhein-West-falen Dauergruumlnlanderhaltungsverordnung vom 12 1 2011 (DGL-VO NRW) GVNRW 2011 S 160 und Baden-Wuumlrt-temberg sect 27 a Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz vom 14 3 1972 (GBl 1972 74) eingefuumlgt durch durch Gesetz vom 13 12 2011 (GBl S 551)

36) Laut Bundesministerium BMELV erfuumlllt jedoch ein Drittel der deutschen Betriebe diesen Standard nicht abrufbar unter httpwwwabl-evdespezialseitenabl-artikeldetailsbrowse 9ar-ticledie-vorschlaege-der-eu-kommissionhtmltx_ttnews[backPid]=230ampcHash=d8fc179e31402e304b96f44237fd562e

Dieser Beitrag evaluiert die Wirksamkeit des Kerninstruments des deutschen Naturschutzrechts der Eingriffsregelung und zwar mit einem besonderen Fokus auf ihre zunehmend flexibilisierten Komshypensationsbestimmungen Damit kommen zugleich Grundproshybleme ordnungsrechtlicher Steuerung in den Blick

1 Problemstellung 1

Innerhalb des Naturschutzes ereignet sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ein komplexer Prozess der weg vom bloszligen Schutz einzelner Arten und einzelner Gebiete die komplexen oumlkosystemaren Zusammenhaumlnge rechtlich fuumlr schuumltzenswert erklaumlrt Als mittlerweile maszliggebliches voumllkerrechtliches Abkommen zur Biodiversitaumlt wurde in diesem Geiste 1992 im Rahmen der Rio-Konferenz der Vereinten Nationen fuumlr Umwelt und Entwicklung die Convention on Biological Diversity (CBD) verabschie-det Treibend fuumlr die Neuausrichtung des Naturschutzes auf komplexe oumlkosystemare Zusammenhaumlnge ist der hohe

Prof Dr Felix Ekardt LLM M A lehrt Oumlffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universitaumlt Rostock und leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik Dipl Jur Bettina Hennig Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik (wwwnachhaltigkeit-gerechtigkeit-klimade) Leipzig Deutschland

oumlkonomische und fuumlr den Menschen in vielfacher Hinsicht essentielle Wert der Biodiversitaumlt ebenso wie ideelle Fak-toren aumlsthetischer oder erholungsbezogener Art und viele weitere Erwaumlgungen

Ungeachtet ambitionierter Proklamationen und Zielstel-lungen im transnationalen und nationalen Naturschutz-recht schreiten jedoch der Artenschwund sowie der Ver-brauch von Flaumlche und damit von Natur weltweit wie auch in Deutschland ungebremst voran 2 Die Ursachen fuumlr feh-lendes Handeln in Politik Unternehmen und Buumlrgerschaft wurden andernorts mehrfach beschrieben 3 Sie sind uumlber-

7 der beihilfefaumlhigen landwirtschaftlichen Flaumlchen als im Umweltinteresse genutzte Flaumlchen Damit will die EU-Kommission auf den weiter fortschreitenden Verlust an wild lebenden Tier- und Pflanzenarten in unseren Landschaften reagieren Auch hier sieht die Vereinbarung eine Reduzie-rung der oumlkologischen Vorgaben vor die von der Kommis-sion in ihrem Vorschlag noch enthalten waren So ist kuumlnf-tig Voraussetzung fuumlr die Auszahlung der Direktzahlungen dass mindestens 5 der Flaumlchen als derartige im Umweltin-teresse genutzte Flaumlchen ausgewiesen werden Dies gilt al-lerdings nur soweit der Betrieb mehr als 15 Hektar (ohne Dauergruumlnland) umfasst Die EU-Kommission hat sich vor-behalten im Jahr 2017 im Rahmen einer Evaluation den Anteil der Vorrangflaumlchen auf sieben Prozent anzuheben

Zu den im Umweltinteresse genutzten Flaumlchen zaumlhlen ins-besondere Hecken Feldraine Hecken Baumlume Brachland oder Landschaftselemente wie Knicks und Baumreihen Da-durch soll ein Anreiz zu ihrer Ausweitung gegeben werden Eine abschlieszligende Aufzaumlhlung der Flaumlchen ist bislang noch nicht erfolgt 37 Die von Seiten der landwirtschaftlichen Be-rufsverbaumlnde geaumluszligerte Befuumlrchtung die Ausweisung von Vorrangflaumlchen sei eine faktische Stilllegungsanordnung hat sich nicht realisiert So haben die Mitgliedstaaten die Moumlglichkeit bei der Umsetzung dieser Verpflichtung eine nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung der bereitzustel-lenden oumlkologischen Vorrangflaumlchen zu ermoumlglichen Zu diesen Nutzungen zaumlhlen insbesondere der Anbau von Zwi-schenfruumlchten und stickstoffbindenden Pflanzen

5 Bewertung

Der Paradigmenwechsel im Agrarbeihilfenrecht ist erfolgt Da die Landwirtschaft im Wesentlichen von diesen Agrar-beihilfen abhaumlngig ist ist die Steuerungswirkung dieser Fi-nanzinstrumente in der Praxis nicht zu unterschaumltzen Um diese Wirkung zu pruumlfen ist fuumlr das Jahr 2017 eine Halb-zeitbewertung durch die EU-Kommission vorgesehen Im Lichte der Entwicklung der letzten Jahre ist die Prognose naheliegend dass die Kommission die veraumlnderte Grund-struktur der Agrarbeihifen nutzen wird um den Anteil der durch das Greening bedingten Agrarbeihilfen jenseits der derzeitigen 30 der Direktzahlungen zu erweitern Aus oumlkologischer Sicht erforderlich waumlre zugleich eine konse-quente Weiterentwicklung und Verschaumlrfung der einge-fuumlhrten Standards Betrachtet man daher das bdquoGreening der Gemeinsamen Agrarpolitikldquo rein temporal als einen konti-nuierlichen dynamischen Prozess hin zu einer umweltver-traumlglichen europaumlischen Landwirtschaft so ist mit der Ver-einbarung im Juni 2013 ein wichtiger laumlngst uumlberfaumllliger Schritt gemacht worden

Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und KompensationenFelix Ekardt und Bettina Hennig

copy Springer-Verlag 2013

EkardtHennig Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen

123

694 NuR (2013) 35 694ndash703

1) Naumlher zum gesamten Gegenstand des vorliegenden Artikels EkardtHennig Oumlkonomische Instrumente und Bewertung der Biodiversitaumlt Lehren aus dem internationalen Klimaschutz Mar-burg 2013 i E als Hintergrund ferner Ekardt Theorie der Nach-haltigkeit Rechtliche ethische und politische Zugaumlnge ndash am Bei-spiel von Klimawandel Ressourcenknappheit und Welthandel Baden-Baden 2011 und Ekardt Steuerungsdefizite im Umwelt-recht Ursachen unter besonderer Beruumlcksichtigung des Natur-schutzrechts und der Grundrechte Sinzheim 2001

2) Zur gebuumlndelten naturwissenschaftlich-oumlkonomischen Forschung siehe IPBES Background Information on Biodiversity Ecosystem Services and Human-Well-Being abrufbar unter httpwwwipbesnetresourceshtml und Secretariat of the Convention on Bioloshygical Diversity Global Biodiversity Outlook 3 Montreal 2010

3) Siehe die Nachweise in Fn 1

37) Das Bundesamt fuumlr Naturschutz (BfN) hat hierzu ein Projekt ausgeschrieben um das Konzept oumlkologische Vorrangflaumlchen fuumlr eine Umsetzung auf nationaler Bundeslaumlnder und betrieblicher Ebene zu konkretisieren und praktisch anwendbar zu machen httpwwwiflsdeprojekt-107html

  • Neues aus Luxemburg zum Artenschutzrecht
  • Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik
  • Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und Kompensationen
  • Was spricht gegen Fracking ndash eine Stellungnahme
  • Aumlnderung der Honorarbemessungsgrundlage zum HOAI-Leistungsbild Flaumlchennutzungsplan
  • Schutz der wild lebenden Vogelarten und Bedingungen fuumlr die Schaffung von Ausnahmen von Verboten der Vogelschutzrichtlinie
  • Merkmale einer endguumlltigen Herstellung einer Erschlieszligungsanlage
  • Beseitigung geschuumltzter Nistplaumltze der Mehlschwalbe
  • Die Kuumlhlung des Kraftwerks Moorburg mit Elbwasser ist unzulaumlssig
  • Zur (fehlenden) Konzentrationswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Sinne von sectthinsp13 BImSchG bei der Erteilung einer Waldumwandlungsgenehmigung und zur Klagebefugnis gemaumlszlig sectthinsp42 Abs 2 1 Hs VwGO ithinspVthinspm sectthinsp2 Abs 1 UmwRG bei einer feh
  • Normenkontrolleilantrag gegen eine Verordnung uumlber die Aufhebung der Schonzeit fuumlr Rabenkraumlhen
  • Nassauskiesung Lage auszligerhalb des Geltungsbereichs eines Wasserschutzgebiets
  • Faumlllungsgenehmigung fuumlr Baumlume bei einer unzumutbaren Verschattung des Grundstuumlcks
  • Der Einwirkungsbereich nach sectthinsp120 BBergG
Page 4: Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

4 Die Elemente des Greening

41 Die oumlkologische Bedingtheit der Agrarbeihilfen

Der wesentliche Inhalt der Vereinbarung ist daher die ob-ligatorische Einfuumlhrung einer Oumlkologisierungskompo-nente in der Ersten Saumlule die wiederum an drei oumlkolo-gische Anforderungen gebunden ist Diese Komponente bedingt zwingend die Direktzahlungen in einer Houmlhe von 30 Haumllt ein Betrieb diese Standards nicht ein soll er in diesem Umfang die Beihilfen auch wieder zuruumlckzah-len Hierdurch wird eine neue Konditionalitaumlt der Agrar-beihilfe begruumlndet So sind an die bisherigen Cross-Com-pliance-Verpflichtungen Sanktionsmechanismen geknuumlpft die allerdings einer Bewertung durch die Kontrollbehoumlrde unterliegen Hierbei kann sie Kriterien wie Haumlufigkeit Ausmaszlig Schwere und Dauer ihrer Entscheidung zugrun-delegen Das heiszligt zugleich dass die Behoumlrde auch ver-pflichtet ist den Verstoszlig nachzuweisen Bei einer systema-tischen Kontrolldichte von unter 5 ist die Dunkelziffer der nicht geahndeten Verstoumlszlige groszlig Das neue System ver-lagert indes die Beweislast auf den Landwirt Er muss be-reits bei der Antragsstellung darlegen dass er die Vorausset-zungen fuumlr den Erhalt der Beihilfe erfuumlllt Diese praumlventive Kontrolle erhoumlht die Effizienz der Umsetzung der oumlkolo-gischen Verpflichtungen erheblich Zugleich wandelt sich der Charakter der Beihilfe zumindest in Houmlhe der beding-ten Zahlung in ein Entgelt fuumlr die oumlkologischen Dienst-leistungen die vom Landwirt erbracht werden Im Lichte dieses Paradigmenwechsels wird die Bereitschaft der Kom-mission verstaumlndlich ihre Forderungen hinsichtlich der Weite der oumlkologischen Verpflichtungen erheblich zu re-duzieren So sind die festgelegten neuen Verpflichtun-gen zwar durchaus begrenzt zugleich aber in den kom-menden Foumlrderperioden auf der Grundlage der nunmehr veraumlnderten Grundstruktur erweiterbar Sie umfassen das Gruumlnlandumbruchverbot die Diversifizierung der Anbau-kulturen Gruumlnlanderhalt und die Ausweisung oumlkologi-scher Vorrangflaumlchen

42 Das Gruumlnlandumbruchverbot

Gruumlnlandumbruch bezeichnet das Unterpfluumlgen der Gras-narbe mit dem Ziel der Umwandlung von Moor- und Wei-deflaumlchen in Ackerland Als Folge der Energiewende ist die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Flaumlchen fuumlr den An-bau von Energiepflanzen stark gestiegen was wiederum zu einem erheblichen Anstieg des Umbruchs von Gruumlnland-flaumlchen gefuumlhrt hat Der Gruumlnlandumbruch ist aber oumlkolo-gisch problematisch da er mit dem Abbau von Humus ver-bunden ist Zugleich wird die klimaschuumltzende Funktion des Gruumlnlands als Speicher fuumlr Kohlenstoffdioxid reduziert bzw zerstoumlrt Je nach Standort kann es laut EU-Kommis-sion von 17 bis zu 111 Jahren dauern um die durch den Gruumlnlandumbruch verursachten Emissionen zu kompen-sieren 33 Zugleich hat die Erhaltung des Gruumlnlands auch eine wichtige Bedeutung fuumlr den Artenschutz den Gewaumls-ser- und den Bodenschutz Unter den Gesetzgebungsorga-nen der EU bestand Einigkeit ein entsprechendes Verbot einzufuumlhren Der Anwendungsbereich ist jedoch nicht um-fassend Die Dauergruumlnlandflaumlchen ndash einschlieszliglich Hei-den ndash werden insgesamt auf dem Stand von 2012 eingefro-ren Auch nach 2014 ist ein Gruumlnlandumbruch bis zu 5 der Flaumlchen in der Region oder im Land moumlglich 34

Zugleich wird aber auch die begrenzte Steuerungswir-kung von finanzwirksamen Instrumenten wie den Agrar-beihilfen deutlich Denn die Greening-Verpflichtung zur Erhaltung des Gruumlnlandes erfasst nicht z B die Wiesen fuumlr die Landwirte keine Beihilfe beantragen Ebenso wenig gehoumlren hierzu Flaumlchen die nicht oder nur eingeschraumlnkt landwirtschaftlich genutzt werden wie z B Moore In die-sem Fall greift nur das Ordnungsrecht wie z B die Vor-

schriften der Landesnaturschutzgesetze die ordnungs-rechtlich ein Gruumlnlandumbruch ausdruumlcklich untersagen 35

43 Die Diversifizierung der Anbaukulturen

Die zweite Komponente betrifft die Diversifizierung der Anbaukulturen Danach muss ein Landwirt auf seinem Ackerland mindestens drei verschiedene landwirtschaftli-che Kulturen anbauen Zwar folgt eine derartige Diversifi-zierung bereits den sog Regelungen zum Erhalt landwirt-schaftlicher Flaumlchen in einem guten landwirtschaftlichen und oumlkologischen Zustand (GLOumlZ-Vorgaben) Wie aber der zunehmende Anbau von Mais in Monokultur in ei-nigen Regionen wie etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder in Teilen Niedersachsens zeigt findet dieses Gebot nur eine beschraumlnkte Umsetzung 36 So baut in den genann-ten Bundeslaumlndern fast jeder zweite Betrieb auf mehr als der Haumllfte seiner Ackerflaumlchen Mais an Ca 25 Prozent der Be-triebe mit Maisanbau bauen Mais sogar auf uumlber 70 Prozent der einzelbetrieblichen Ackerflaumlchen an

Bestand hinsichtlich der Notwendigkeit einer Diver-sifizierung noch ein grundsaumltzlicher Konsens zwischen den Gesetzgebungsorganen gingen die Meinungen so-dann auseinander wie diese Diversifizierung konkret aus-gestaltet werden sollte Der urspruumlngliche Vorschlag der Kommission ging dahingehend drei unterschiedliche An-baukulturen zu fordern Von diesen unterschiedlichen Kul-turen sollte keine 70 des Ackerlandes uumlbersteigen aber auch die dritte sollte noch mindestens 5 des Ackerlandes einnehmen muss

Der gefundene Kompromiss reduziert die Vorgaben fuumlr eine Diversifizierung So muumlssen Landwirte kuumlnftig erst so-weit sie uumlber zehn Hektar bewirtschaften mindestens zwei Kulturen anbauen bei uumlber 30 Hektar mindestens drei Da-bei darf die Hauptkultur houmlchstens 75 der Ackerflaumlche ausmachen Des Weiteren muumlssen die beiden Hauptkultu-ren auf mindestens 95 der Ackerflaumlche wachsen Klein-bauern sind somit von der Regelung ausgenommen Dies ist sicherlich betriebswirtschaftlich sinnvoll Wenn man je-doch bedenkt dass 70 der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU eine Flaumlche von weniger als 5 ha bewirtschaften wird der begrenzte Anwendungsbereich deutlich Kritisch ist daruumlber hinaus dass bei einer dreiflaumlchigen Diversifi-zierung eine 5 prozentige Anbauflaumlche kaum wirksam zur oumlkologischen Diversifizierung beitragen kann

44 Die Ausweisung oumlkologischer Vorrangflaumlchen

Im besonderen Maszlige umstritten war das dritte Element des Greening-Vorschlags der Kommission die Ausweisung von

NuR (2013) 35 690ndash694 693

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Martinez Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

33) EUCAR Concawe Joint Research Centre of the EU Commis-sion Availability and Cost of Biomass For Road Fuels in EU 2006 (EUR 22345 EN) S 5 abrufbar unter httpietjrceceuropaeuabout-jecdownloads

34) Demgegenuumlber sah der Kommissionsentwurf noch den einzel-nen Betrieb als Maszligstab an

35) Schleswig-Holstein Dauergruumlnland-Erhaltungsverordnung vom 13 5 2008 (DGL-VO SH) GVOBl 2008 233 Meck-lenburg-Vorpommern Dauergruumlnlanderhaltungsgesetz vom 10 12 2012 (DGErhG M-V) GVOBl M-V 2012 S 544 Nie-dersachsen Verordnung zur Erhaltung von Dauergruumlnland vom 6 10 2009 NdsGVBl Nr 212009 S 362 Nordrhein-West-falen Dauergruumlnlanderhaltungsverordnung vom 12 1 2011 (DGL-VO NRW) GVNRW 2011 S 160 und Baden-Wuumlrt-temberg sect 27 a Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz vom 14 3 1972 (GBl 1972 74) eingefuumlgt durch durch Gesetz vom 13 12 2011 (GBl S 551)

36) Laut Bundesministerium BMELV erfuumlllt jedoch ein Drittel der deutschen Betriebe diesen Standard nicht abrufbar unter httpwwwabl-evdespezialseitenabl-artikeldetailsbrowse 9ar-ticledie-vorschlaege-der-eu-kommissionhtmltx_ttnews[backPid]=230ampcHash=d8fc179e31402e304b96f44237fd562e

Dieser Beitrag evaluiert die Wirksamkeit des Kerninstruments des deutschen Naturschutzrechts der Eingriffsregelung und zwar mit einem besonderen Fokus auf ihre zunehmend flexibilisierten Komshypensationsbestimmungen Damit kommen zugleich Grundproshybleme ordnungsrechtlicher Steuerung in den Blick

1 Problemstellung 1

Innerhalb des Naturschutzes ereignet sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ein komplexer Prozess der weg vom bloszligen Schutz einzelner Arten und einzelner Gebiete die komplexen oumlkosystemaren Zusammenhaumlnge rechtlich fuumlr schuumltzenswert erklaumlrt Als mittlerweile maszliggebliches voumllkerrechtliches Abkommen zur Biodiversitaumlt wurde in diesem Geiste 1992 im Rahmen der Rio-Konferenz der Vereinten Nationen fuumlr Umwelt und Entwicklung die Convention on Biological Diversity (CBD) verabschie-det Treibend fuumlr die Neuausrichtung des Naturschutzes auf komplexe oumlkosystemare Zusammenhaumlnge ist der hohe

Prof Dr Felix Ekardt LLM M A lehrt Oumlffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universitaumlt Rostock und leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik Dipl Jur Bettina Hennig Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik (wwwnachhaltigkeit-gerechtigkeit-klimade) Leipzig Deutschland

oumlkonomische und fuumlr den Menschen in vielfacher Hinsicht essentielle Wert der Biodiversitaumlt ebenso wie ideelle Fak-toren aumlsthetischer oder erholungsbezogener Art und viele weitere Erwaumlgungen

Ungeachtet ambitionierter Proklamationen und Zielstel-lungen im transnationalen und nationalen Naturschutz-recht schreiten jedoch der Artenschwund sowie der Ver-brauch von Flaumlche und damit von Natur weltweit wie auch in Deutschland ungebremst voran 2 Die Ursachen fuumlr feh-lendes Handeln in Politik Unternehmen und Buumlrgerschaft wurden andernorts mehrfach beschrieben 3 Sie sind uumlber-

7 der beihilfefaumlhigen landwirtschaftlichen Flaumlchen als im Umweltinteresse genutzte Flaumlchen Damit will die EU-Kommission auf den weiter fortschreitenden Verlust an wild lebenden Tier- und Pflanzenarten in unseren Landschaften reagieren Auch hier sieht die Vereinbarung eine Reduzie-rung der oumlkologischen Vorgaben vor die von der Kommis-sion in ihrem Vorschlag noch enthalten waren So ist kuumlnf-tig Voraussetzung fuumlr die Auszahlung der Direktzahlungen dass mindestens 5 der Flaumlchen als derartige im Umweltin-teresse genutzte Flaumlchen ausgewiesen werden Dies gilt al-lerdings nur soweit der Betrieb mehr als 15 Hektar (ohne Dauergruumlnland) umfasst Die EU-Kommission hat sich vor-behalten im Jahr 2017 im Rahmen einer Evaluation den Anteil der Vorrangflaumlchen auf sieben Prozent anzuheben

Zu den im Umweltinteresse genutzten Flaumlchen zaumlhlen ins-besondere Hecken Feldraine Hecken Baumlume Brachland oder Landschaftselemente wie Knicks und Baumreihen Da-durch soll ein Anreiz zu ihrer Ausweitung gegeben werden Eine abschlieszligende Aufzaumlhlung der Flaumlchen ist bislang noch nicht erfolgt 37 Die von Seiten der landwirtschaftlichen Be-rufsverbaumlnde geaumluszligerte Befuumlrchtung die Ausweisung von Vorrangflaumlchen sei eine faktische Stilllegungsanordnung hat sich nicht realisiert So haben die Mitgliedstaaten die Moumlglichkeit bei der Umsetzung dieser Verpflichtung eine nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung der bereitzustel-lenden oumlkologischen Vorrangflaumlchen zu ermoumlglichen Zu diesen Nutzungen zaumlhlen insbesondere der Anbau von Zwi-schenfruumlchten und stickstoffbindenden Pflanzen

5 Bewertung

Der Paradigmenwechsel im Agrarbeihilfenrecht ist erfolgt Da die Landwirtschaft im Wesentlichen von diesen Agrar-beihilfen abhaumlngig ist ist die Steuerungswirkung dieser Fi-nanzinstrumente in der Praxis nicht zu unterschaumltzen Um diese Wirkung zu pruumlfen ist fuumlr das Jahr 2017 eine Halb-zeitbewertung durch die EU-Kommission vorgesehen Im Lichte der Entwicklung der letzten Jahre ist die Prognose naheliegend dass die Kommission die veraumlnderte Grund-struktur der Agrarbeihifen nutzen wird um den Anteil der durch das Greening bedingten Agrarbeihilfen jenseits der derzeitigen 30 der Direktzahlungen zu erweitern Aus oumlkologischer Sicht erforderlich waumlre zugleich eine konse-quente Weiterentwicklung und Verschaumlrfung der einge-fuumlhrten Standards Betrachtet man daher das bdquoGreening der Gemeinsamen Agrarpolitikldquo rein temporal als einen konti-nuierlichen dynamischen Prozess hin zu einer umweltver-traumlglichen europaumlischen Landwirtschaft so ist mit der Ver-einbarung im Juni 2013 ein wichtiger laumlngst uumlberfaumllliger Schritt gemacht worden

Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und KompensationenFelix Ekardt und Bettina Hennig

copy Springer-Verlag 2013

EkardtHennig Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen

123

694 NuR (2013) 35 694ndash703

1) Naumlher zum gesamten Gegenstand des vorliegenden Artikels EkardtHennig Oumlkonomische Instrumente und Bewertung der Biodiversitaumlt Lehren aus dem internationalen Klimaschutz Mar-burg 2013 i E als Hintergrund ferner Ekardt Theorie der Nach-haltigkeit Rechtliche ethische und politische Zugaumlnge ndash am Bei-spiel von Klimawandel Ressourcenknappheit und Welthandel Baden-Baden 2011 und Ekardt Steuerungsdefizite im Umwelt-recht Ursachen unter besonderer Beruumlcksichtigung des Natur-schutzrechts und der Grundrechte Sinzheim 2001

2) Zur gebuumlndelten naturwissenschaftlich-oumlkonomischen Forschung siehe IPBES Background Information on Biodiversity Ecosystem Services and Human-Well-Being abrufbar unter httpwwwipbesnetresourceshtml und Secretariat of the Convention on Bioloshygical Diversity Global Biodiversity Outlook 3 Montreal 2010

3) Siehe die Nachweise in Fn 1

37) Das Bundesamt fuumlr Naturschutz (BfN) hat hierzu ein Projekt ausgeschrieben um das Konzept oumlkologische Vorrangflaumlchen fuumlr eine Umsetzung auf nationaler Bundeslaumlnder und betrieblicher Ebene zu konkretisieren und praktisch anwendbar zu machen httpwwwiflsdeprojekt-107html

  • Neues aus Luxemburg zum Artenschutzrecht
  • Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik
  • Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und Kompensationen
  • Was spricht gegen Fracking ndash eine Stellungnahme
  • Aumlnderung der Honorarbemessungsgrundlage zum HOAI-Leistungsbild Flaumlchennutzungsplan
  • Schutz der wild lebenden Vogelarten und Bedingungen fuumlr die Schaffung von Ausnahmen von Verboten der Vogelschutzrichtlinie
  • Merkmale einer endguumlltigen Herstellung einer Erschlieszligungsanlage
  • Beseitigung geschuumltzter Nistplaumltze der Mehlschwalbe
  • Die Kuumlhlung des Kraftwerks Moorburg mit Elbwasser ist unzulaumlssig
  • Zur (fehlenden) Konzentrationswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Sinne von sectthinsp13 BImSchG bei der Erteilung einer Waldumwandlungsgenehmigung und zur Klagebefugnis gemaumlszlig sectthinsp42 Abs 2 1 Hs VwGO ithinspVthinspm sectthinsp2 Abs 1 UmwRG bei einer feh
  • Normenkontrolleilantrag gegen eine Verordnung uumlber die Aufhebung der Schonzeit fuumlr Rabenkraumlhen
  • Nassauskiesung Lage auszligerhalb des Geltungsbereichs eines Wasserschutzgebiets
  • Faumlllungsgenehmigung fuumlr Baumlume bei einer unzumutbaren Verschattung des Grundstuumlcks
  • Der Einwirkungsbereich nach sectthinsp120 BBergG
Page 5: Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik

Dieser Beitrag evaluiert die Wirksamkeit des Kerninstruments des deutschen Naturschutzrechts der Eingriffsregelung und zwar mit einem besonderen Fokus auf ihre zunehmend flexibilisierten Komshypensationsbestimmungen Damit kommen zugleich Grundproshybleme ordnungsrechtlicher Steuerung in den Blick

1 Problemstellung 1

Innerhalb des Naturschutzes ereignet sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ein komplexer Prozess der weg vom bloszligen Schutz einzelner Arten und einzelner Gebiete die komplexen oumlkosystemaren Zusammenhaumlnge rechtlich fuumlr schuumltzenswert erklaumlrt Als mittlerweile maszliggebliches voumllkerrechtliches Abkommen zur Biodiversitaumlt wurde in diesem Geiste 1992 im Rahmen der Rio-Konferenz der Vereinten Nationen fuumlr Umwelt und Entwicklung die Convention on Biological Diversity (CBD) verabschie-det Treibend fuumlr die Neuausrichtung des Naturschutzes auf komplexe oumlkosystemare Zusammenhaumlnge ist der hohe

Prof Dr Felix Ekardt LLM M A lehrt Oumlffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universitaumlt Rostock und leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik Dipl Jur Bettina Hennig Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik (wwwnachhaltigkeit-gerechtigkeit-klimade) Leipzig Deutschland

oumlkonomische und fuumlr den Menschen in vielfacher Hinsicht essentielle Wert der Biodiversitaumlt ebenso wie ideelle Fak-toren aumlsthetischer oder erholungsbezogener Art und viele weitere Erwaumlgungen

Ungeachtet ambitionierter Proklamationen und Zielstel-lungen im transnationalen und nationalen Naturschutz-recht schreiten jedoch der Artenschwund sowie der Ver-brauch von Flaumlche und damit von Natur weltweit wie auch in Deutschland ungebremst voran 2 Die Ursachen fuumlr feh-lendes Handeln in Politik Unternehmen und Buumlrgerschaft wurden andernorts mehrfach beschrieben 3 Sie sind uumlber-

7 der beihilfefaumlhigen landwirtschaftlichen Flaumlchen als im Umweltinteresse genutzte Flaumlchen Damit will die EU-Kommission auf den weiter fortschreitenden Verlust an wild lebenden Tier- und Pflanzenarten in unseren Landschaften reagieren Auch hier sieht die Vereinbarung eine Reduzie-rung der oumlkologischen Vorgaben vor die von der Kommis-sion in ihrem Vorschlag noch enthalten waren So ist kuumlnf-tig Voraussetzung fuumlr die Auszahlung der Direktzahlungen dass mindestens 5 der Flaumlchen als derartige im Umweltin-teresse genutzte Flaumlchen ausgewiesen werden Dies gilt al-lerdings nur soweit der Betrieb mehr als 15 Hektar (ohne Dauergruumlnland) umfasst Die EU-Kommission hat sich vor-behalten im Jahr 2017 im Rahmen einer Evaluation den Anteil der Vorrangflaumlchen auf sieben Prozent anzuheben

Zu den im Umweltinteresse genutzten Flaumlchen zaumlhlen ins-besondere Hecken Feldraine Hecken Baumlume Brachland oder Landschaftselemente wie Knicks und Baumreihen Da-durch soll ein Anreiz zu ihrer Ausweitung gegeben werden Eine abschlieszligende Aufzaumlhlung der Flaumlchen ist bislang noch nicht erfolgt 37 Die von Seiten der landwirtschaftlichen Be-rufsverbaumlnde geaumluszligerte Befuumlrchtung die Ausweisung von Vorrangflaumlchen sei eine faktische Stilllegungsanordnung hat sich nicht realisiert So haben die Mitgliedstaaten die Moumlglichkeit bei der Umsetzung dieser Verpflichtung eine nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung der bereitzustel-lenden oumlkologischen Vorrangflaumlchen zu ermoumlglichen Zu diesen Nutzungen zaumlhlen insbesondere der Anbau von Zwi-schenfruumlchten und stickstoffbindenden Pflanzen

5 Bewertung

Der Paradigmenwechsel im Agrarbeihilfenrecht ist erfolgt Da die Landwirtschaft im Wesentlichen von diesen Agrar-beihilfen abhaumlngig ist ist die Steuerungswirkung dieser Fi-nanzinstrumente in der Praxis nicht zu unterschaumltzen Um diese Wirkung zu pruumlfen ist fuumlr das Jahr 2017 eine Halb-zeitbewertung durch die EU-Kommission vorgesehen Im Lichte der Entwicklung der letzten Jahre ist die Prognose naheliegend dass die Kommission die veraumlnderte Grund-struktur der Agrarbeihifen nutzen wird um den Anteil der durch das Greening bedingten Agrarbeihilfen jenseits der derzeitigen 30 der Direktzahlungen zu erweitern Aus oumlkologischer Sicht erforderlich waumlre zugleich eine konse-quente Weiterentwicklung und Verschaumlrfung der einge-fuumlhrten Standards Betrachtet man daher das bdquoGreening der Gemeinsamen Agrarpolitikldquo rein temporal als einen konti-nuierlichen dynamischen Prozess hin zu einer umweltver-traumlglichen europaumlischen Landwirtschaft so ist mit der Ver-einbarung im Juni 2013 ein wichtiger laumlngst uumlberfaumllliger Schritt gemacht worden

Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und KompensationenFelix Ekardt und Bettina Hennig

copy Springer-Verlag 2013

EkardtHennig Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen

123

694 NuR (2013) 35 694ndash703

1) Naumlher zum gesamten Gegenstand des vorliegenden Artikels EkardtHennig Oumlkonomische Instrumente und Bewertung der Biodiversitaumlt Lehren aus dem internationalen Klimaschutz Mar-burg 2013 i E als Hintergrund ferner Ekardt Theorie der Nach-haltigkeit Rechtliche ethische und politische Zugaumlnge ndash am Bei-spiel von Klimawandel Ressourcenknappheit und Welthandel Baden-Baden 2011 und Ekardt Steuerungsdefizite im Umwelt-recht Ursachen unter besonderer Beruumlcksichtigung des Natur-schutzrechts und der Grundrechte Sinzheim 2001

2) Zur gebuumlndelten naturwissenschaftlich-oumlkonomischen Forschung siehe IPBES Background Information on Biodiversity Ecosystem Services and Human-Well-Being abrufbar unter httpwwwipbesnetresourceshtml und Secretariat of the Convention on Bioloshygical Diversity Global Biodiversity Outlook 3 Montreal 2010

3) Siehe die Nachweise in Fn 1

37) Das Bundesamt fuumlr Naturschutz (BfN) hat hierzu ein Projekt ausgeschrieben um das Konzept oumlkologische Vorrangflaumlchen fuumlr eine Umsetzung auf nationaler Bundeslaumlnder und betrieblicher Ebene zu konkretisieren und praktisch anwendbar zu machen httpwwwiflsdeprojekt-107html

  • Neues aus Luxemburg zum Artenschutzrecht
  • Das Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik
  • Chancen und Grenzen von naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen und Kompensationen
  • Was spricht gegen Fracking ndash eine Stellungnahme
  • Aumlnderung der Honorarbemessungsgrundlage zum HOAI-Leistungsbild Flaumlchennutzungsplan
  • Schutz der wild lebenden Vogelarten und Bedingungen fuumlr die Schaffung von Ausnahmen von Verboten der Vogelschutzrichtlinie
  • Merkmale einer endguumlltigen Herstellung einer Erschlieszligungsanlage
  • Beseitigung geschuumltzter Nistplaumltze der Mehlschwalbe
  • Die Kuumlhlung des Kraftwerks Moorburg mit Elbwasser ist unzulaumlssig
  • Zur (fehlenden) Konzentrationswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Sinne von sectthinsp13 BImSchG bei der Erteilung einer Waldumwandlungsgenehmigung und zur Klagebefugnis gemaumlszlig sectthinsp42 Abs 2 1 Hs VwGO ithinspVthinspm sectthinsp2 Abs 1 UmwRG bei einer feh
  • Normenkontrolleilantrag gegen eine Verordnung uumlber die Aufhebung der Schonzeit fuumlr Rabenkraumlhen
  • Nassauskiesung Lage auszligerhalb des Geltungsbereichs eines Wasserschutzgebiets
  • Faumlllungsgenehmigung fuumlr Baumlume bei einer unzumutbaren Verschattung des Grundstuumlcks
  • Der Einwirkungsbereich nach sectthinsp120 BBergG