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Bewegend wie damals JAN SCHLÜTER über das Grubenunglück K aum ein Ereignis hat unsere Region so stark erschüttert ăie die KohlestaubeĄplosion in der Grube Stolĉenbach bei Bor- ken Ăor 2ċ Jahren. Und kaum ein Ereignis hat uns so sehr berührt und gerührt ăie die dramatische Rettung Ăon sechs Bergleuten am dritten Tag nach dem Ăerheerenden Unglück. 51 Männer Ăerloren damals ihr Leben, sechs Gerettete ăur- den ĉum Inbegriff des Wunders Ăon Stolĉenbach. Mit dieser SonntagsZeit erinnern ăir an die dramatischen Ereignisse Ăom Juni 1988, als Trauer über die Ăielen Toten und Freude über die Geretteten so dicht beieinanderlagen. Wir sprachen mit einem der Überlebenden, mit Helfern, Be- treuern, Politikern und Journa- listen. Und ăir ĉeigen, ăie das schreckliche Ereignis das Le- ben im Raum Borken nachhal- tig Ăerändert hat. Alle Informationen tragen daĉu bei, sich mit dem Abstand Ăon 2ċ Jahren noch einmal ei- nen Eindruck Ăon den Ereignis- sen ĉu Ăerschaffen. Die Ăielen Kinder, die damals ihren Vater Ăerloren haben, sind heute er- ăachsen. Einige Ăon ihnen ăer- den sich an ihren Vater nicht einmal mehr erinnern können. Sie kennen nur die Erĉählun- gen ihrer Angehörigen und Be- richte aus den Medien. Im Internet können Sie, lie- be Leserinnen und Leser, diese Seiten ebenfalls anschauen und herunterladen. Außerdem fin- den Sie auf ăăă.hna.de ăeite- re Bilder und eine animierte Grafik. LIEBE LESER HINTERGRUND Die 51 Toten Von den 51 Bergleuten, die das Grubenunglück in Borken-Stolzenbach am 1. Juni 1988 nicht überleb- ten, stammten 13 aus der Türkei. Die Namen in al- phabetischer Reihenfolge: Ali-Asker Akarsu, Sela- hattin Alkan, Hamit Alkus, Michael Andreas, Serafet- tin Barlas, Michael Bartz, Paul Bilinsky, Klaus Böh- nert, Helmut Brandau, Horst Budnitz, Dursun Büyüktürk, Ali Buzdag, Er- win Cassel, Murat Celik, Walter Drescher, Klaus Ell- rodt, Uwe Feldbusch, Die- ter Fennel, Ernst Hapke, Dieter Henke, Hans-Joa- chim Hergenröder, Hans Hirschner, Egon Holzhau- er, Walter Kraft, Erich Kuhn, Reinhold Kuhn, Horst Landsiedel, Michael Matys, Cevdet Mete, Heinz Morgen, Alfred Niewienda, Dieter Nuhn, Burhan Öl- cek, Faik Ölcek, Dieter Ro- senau, Rudolf Roth, Eder- can Saglam, Kemal Sag- lam, Otto Sawitzki, Jörg Schmidt, Karl-Dieter Schnurr, Helmut Schulz, Gerald Sindermann, Hans- Jürgen Specht, Helmut Strenzel, Bayram Tüysüz, Johann Walter, Günter Weidemeier, Oliver Wett, Wilfried Wilhelmi, Wil- helm Wittig. Das Unglaubliche wurde wahr, sechs Bergleute konnten nach cirka 65 Stunden noch gerettet werden - „Das Wunder von Stolzenbach“ titelte unsere Zeitung am Morgen danach. sturm des Fernsehens und der Presse anfangs überfordert, erst nach und nach schütĉten sie die Hinterbliebenen der Opfer. Trotĉdem kam es ĉu dramatischen Sĉenen: Hinter- bliebene, die sich Ăerfolgt fühlten, ăarfen mit Steinen nach den Journalisten. Der Überlebene Wilfried- Dönch arbeitet heute in Bor- ken. Er leitet als Maschinen- bau-Meister den städtischen Bauhof. Im Gespräch mit un- serer Zeitung sagte er, ihn habe - ăie die anderen Überle- benden - Ăor allem immer eine Frage gequält: „Warum habe ich überlebt und der Kollege nicht?“ Wilfried Dönch hat inĉăi- schen für sich eine Antăort gefunden. „Ich glaube, dass ist diese geăisse Vorbestimmung im Leben.“ Unser Online-Angebot um- fasst die komplette Beilage „Stolzenbach“ als PDF-Datei sowie eine Bildergalerie, eine animierte Grafik, einen Live- Mitschnitt vom Hessischen Rundfunk und eine Diaschau. www.hna.de/stolzenbach Neid und Wut“, sagt er. Neid Ăor allem darüber, dass die Hinterbliebenen finanĉielle Hilfe bekamen und bekom- men. Noch heute ĉahlt die E.ON 28 Kindern, die ihre Vä- ter Ăerloren, jeden Monat 153 Euro. Borken-Stolĉenbach, das ăar auch der Beginn einer neuen Epoche: Das Medien- ĉeitalter begann an der Kohle- grube - mit all seinen negati- Ăen Begleiterscheinungen. Noch nie ăaren so Ăiele Jour- nalisten aus ganĉ Deutschland bei einem Unglück auf der Jagd nach Informationen und Sensationen. Dabei ăaren alle erlaubten und unerlaubten Mittel Recht, um etăa an Bil- der der Opfer ĉu kommen. Die Hilfskräfte ăaren mit dem An- überăältigend ăie nie. Das Programm ĉur Unterstütĉung Ăon Betroffenen und Hinter- bliebenen ăurde beispielge- bend. Stolĉenbach ăar die Ge- burtsstunde für die Betreuung Ăon Katastrophen-Opfern. Nach Stolĉenbach ăussten Ärĉte und Psąchologen, ăie man anderen Menschen, die unter den massiĂen Folgen Ăon Unglücken leiden, helfen kann und muss. Heute, sagt einer der Über- lebenden des Unglücks, Wil- fried Dönch, sei die Solidarität mit den Opfern ăeit gehend Ăerblasst. „Wenn das Alltags- leben einkehrt, kommen auch V ON F RANK T HONICKE UND O LAF D ELLIT U m 12.29 Uhr ăar am 1. Juni 1988 die Welt noch in Ordnung in Borken-Stolĉenbach. Die Kum- pel der Frühschicht ăaren ăie eh und je eingefahren. Eine Minute später ăar nichts mehr so ăie früher: Eine ge- ăaltige Detonation erschüt- terte um 12.35 Uhr die Braun- kohleĉeche. Wie sich später herausstellt, handelte es sich um eine KohlestaubeĄplosion. So etăas hatte es ĉuĂor im Braunkohlebergbau nie gege- ben. 51 Bergleute sterben in den Stollen, acht ăerden über Tage Ăerletĉt. Drei Tage später geschieht dann das, ăoran niemand mehr geglaubt hatte - das Wunder Ăon Stolĉenbach tritt ein: Sechs Kumpel ăerden ge- rettet. Sie überlebten in einer Art Sauerstoffblase. Das Unglück Ăon Stolĉen- bach ăar die größte Katastro- phe, die die Region seit dem Zăeiten Weltkrieg erschütter- te. Noch nie ăaren so Ăiele Menschen bei einem einĉigen Unglück ums Leben gekom- men, noch nie ăaren Trauer und Betroffenheit so groß. Aber auch die Hilfe ăar so Warum ausgerechnet ich? Die Grubenkatastrophe von Stolzenbach warf Fragen auf und hatte auch etwas Gutes Ein eingeschlossener Berg- mann - Ausschnitt aus der Ge- dächtnismauer an der Gedenk- stätte Stolzenbach. Foto: privat Seite 2 Die vier Tage von Stolzenbach - eine Chronik Seite 3 Manches ist ver- blasst - ein Gerette- ter berichtet Seite 4 Ohne jede Scham - die Katastrophe und die Medien Seite 5 Die Frage nach dem Warum - Interview mit einem Pfarrer Seite 6 In Trauer vereint - deutsche und türki- schen Opfer Seite 7 Chance in der Kata- strophe - die Region Borken heute Inhalt Wochenend−Ausgabe 24.Mai/25.Mai 2008

Das Grubenunglück von Stolzenbach

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Borken. Um 12.29 Uhr war am 1. Juni 1988 die Welt noch in Ordnung in Borken-Stolzenbach. Die Kumpel der Frühschicht waren wie eh und je eingefahren. Eine Minute später war nichts mehr so wie früher: Eine gewaltige Detonation erschütterte um 12.35 Uhr die Braunkohlezeche. Wie sich später herausstellt, handelte es sich um eine Kohlestaubexplosion. So etwas hatte es zuvor im Braunkohlebergbau nie gegeben. Ein siebenseitiges Spezial der HNA.

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Page 1: Das Grubenunglück von Stolzenbach

Bewegendwie damalsJAN SCHLÜTER überdas Grubenunglück

K aum ein Ereignis hatunsere Region so starkerschüttert ie die

Kohlestaube plosion in derGrube Stol enbach bei Bor-ken or 2 Jahren. Und kaumein Ereignis hat uns so sehrberührt und gerührt ie diedramatische Rettung onsechs Bergleuten am drittenTag nach dem erheerendenUnglück.

51 Männer erloren damalsihr Leben, sechs Gerettete ur-den um Inbegriff des Wunderson Stol enbach. Mit dieser

SonntagsZeit erinnern ir andie dramatischen Ereignisseom Juni 1988, als Trauer über

die ielen Toten und Freudeüber die Geretteten so dichtbeieinanderlagen.

Wir sprachen mit einem derÜberlebenden, mit Helfern, Be-treuern, Politikern und Journa-listen. Und ir eigen, ie dasschreckliche Ereignis das Le-ben im Raum Borken nachhal-tig erändert hat.

Alle Informationen tragenda u bei, sich mit dem Abstandon 2 Jahren noch einmal ei-

nen Eindruck on den Ereignis-sen u erschaffen. Die ielenKinder, die damals ihren Vatererloren haben, sind heute er-achsen. Einige on ihnen er-

den sich an ihren Vater nichteinmal mehr erinnern können.Sie kennen nur die Er ählun-gen ihrer Angehörigen und Be-richte aus den Medien.

Im Internet können Sie, lie-be Leserinnen und Leser, dieseSeiten ebenfalls anschauen undherunterladen. Außerdem fin-den Sie auf .hna.de eite-re Bilder und eine animierteGrafik.

LIEBE LESER

HINTERGRUND

Die 51 TotenVon den 51 Bergleuten,die das Grubenunglück inBorken-Stolzenbach am1.Juni 1988 nicht überleb-ten, stammten 13 aus derTürkei. Die Namen in al-phabetischer Reihenfolge:

Ali-Asker Akarsu, Sela-hattin Alkan, Hamit Alkus,Michael Andreas, Serafet-tin Barlas, Michael Bartz,Paul Bilinsky, Klaus Böh-nert, Helmut Brandau,Horst Budnitz, DursunBüyüktürk, Ali Buzdag, Er-win Cassel, Murat Celik,Walter Drescher, Klaus Ell-rodt, Uwe Feldbusch, Die-ter Fennel, Ernst Hapke,Dieter Henke, Hans-Joa-chim Hergenröder, HansHirschner, Egon Holzhau-er, Walter Kraft, ErichKuhn, Reinhold Kuhn,Horst Landsiedel, MichaelMatys, CevdetMete, HeinzMorgen,AlfredNiewienda,Dieter Nuhn, Burhan Öl-cek, Faik Ölcek, Dieter Ro-senau, Rudolf Roth, Eder-can Saglam, Kemal Sag-lam, Otto Sawitzki, JörgSchmidt, Karl-DieterSchnurr, Helmut Schulz,Gerald Sindermann, Hans-Jürgen Specht, HelmutStrenzel, Bayram Tüysüz,JohannWalter, GünterWeidemeier, Oliver Wett,WilfriedWilhelmi, Wil-helmWittig.

Das Unglaubliche wurdewahr, sechs Bergleute konnten nach

cirka 65 Stunden noch gerettetwerden - „DasWunder von Stolzenbach“titelte unsere Zeitung amMorgen danach.

sturm des Fernsehens und derPresse anfangs überfordert,erst nach und nach schüt tensie die Hinterbliebenen derOpfer. Trot dem kam es udramatischen S enen: Hinter-bliebene, die sich erfolgtfühlten, arfen mit Steinennach den Journalisten.

Der Überlebene Wilfried-Dönch arbeitet heute in Bor-ken. Er leitet als Maschinen-bau-Meister den städtischenBauhof. Im Gespräch mit un-serer Zeitung sagte er, ihnhabe - ie die anderen Überle-benden - or allem immer eineFrage gequält: „Warum habeich überlebt und der Kollegenicht?“

Wilfried Dönch hat in i-schen für sich eine Ant ortgefunden. „Ich glaube, dass istdiese ge isse Vorbestimmungim Leben.“

Unser Online-Angebot um-fasst die komplette Beilage„Stolzenbach“ als PDF-Dateisowie eine Bildergalerie, eineanimierte Grafik, einen Live-Mitschnitt vom HessischenRundfunk und eine Diaschau.

† www.hna.de/stolzenbach

Neid und Wut“, sagt er. Neidor allem darüber, dass die

Hinterbliebenen finan ielleHilfe bekamen und bekom-men. Noch heute ahlt dieE.ON 28 Kindern, die ihre Vä-ter erloren, jeden Monat 153Euro.

Borken-Stol enbach, dasar auch der Beginn einer

neuen Epoche: Das Medien-eitalter begann an der Kohle-

grube - mit all seinen negati-en Begleiterscheinungen.

Noch nie aren so iele Jour-nalisten aus gan Deutschlandbei einem Unglück auf derJagd nach Informationen undSensationen. Dabei aren alleerlaubten und unerlaubtenMittel Recht, um et a an Bil-der der Opfer u kommen. DieHilfskräfte aren mit dem An-

über ältigend ie nie. DasProgramm ur Unterstüt ungon Betroffenen und Hinter-

bliebenen urde beispielge-bend.

Stol enbach ar die Ge-burtsstunde für die Betreuungon Katastrophen-Opfern.

Nach Stol enbach usstenÄr te und Ps chologen, ieman anderen Menschen, dieunter den massi en Folgenon Unglücken leiden, helfen

kann und muss.Heute, sagt einer der Über-

lebenden des Unglücks, Wil-fried Dönch, sei die Solidaritätmit den Opfern eit gehenderblasst. „Wenn das Alltags-

leben einkehrt, kommen auch

VON FRANK THON I CK EUND O L A F D E L L I T

Um 12.29 Uhr ar am1. Juni 1988 die Weltnoch in Ordnung in

Borken-Stol enbach. Die Kum-pel der Frühschicht aren ieeh und je eingefahren. EineMinute später ar nichtsmehr so ie früher: Eine ge-

altige Detonation erschüt-terte um 12.35 Uhr die Braun-kohle eche. Wie sich späterherausstellt, handelte es sichum eine Kohlestaube plosion.So et as hatte es u or imBraunkohlebergbau nie gege-ben.

51 Bergleute sterben in denStollen, acht erden überTage erlet t.

Drei Tage später geschiehtdann das, oran niemandmehr geglaubt hatte - dasWunder on Stol enbach trittein: Sechs Kumpel erden ge-rettet. Sie überlebten in einerArt Sauerstoffblase.

Das Unglück on Stol en-bach ar die größte Katastro-phe, die die Region seit demZ eiten Weltkrieg erschütter-te. Noch nie aren so ieleMenschen bei einem ein igenUnglück ums Leben gekom-men, noch nie aren Trauerund Betroffenheit so groß.Aber auch die Hilfe ar so

Warum ausgerechnet ich?Die Grubenkatastrophe von Stolzenbach warf Fragen auf und hatte auch etwas Gutes

Ein eingeschlossener Berg-mann - Ausschnitt aus der Ge-dächtnismauer an der Gedenk-stätte Stolzenbach. Foto: privat

Seite 2Die vier Tage vonStolzenbach - eineChronik

Seite 3Manches ist ver-blasst - ein Gerette-ter berichtet

Seite 4Ohne jede Scham -die Katastropheund die Medien

Seite 5Die Frage nach demWarum - Interviewmit einem Pfarrer

Seite 6In Trauer vereint -deutsche und türki-schen Opfer

Seite 7Chance in der Kata-strophe - die RegionBorken heute

Inhalt

Wochenend−Ausgabe 24.Mai/25.Mai 2008

Page 2: Das Grubenunglück von Stolzenbach

Zu den sch ersten Gru-benunglücken inDeutschland gehören dieE plosionen• auf der Steinkohle-Ze-che Carolinenglück in Bo-chum 1898 mit 116 Toten(Ursache: Schlag etter-und Kohlenstaube plosi-on,• der Steinkohle-ZecheRadbod in Bockum-Hö el19 8 mit 348 Toten(Schlag ettere plosionund Grubenbrände),• der Steinkohle-ZecheMonopol Schacht Grim-berg 3/4 in Bergkamen1944 mit 107 Toten• und 1946 mit 405 Toten(Ursachen unklar)• und in der Steinkohle-Grube Luisenthal/Völklin-gen 1962 mit 299 Toten(Schlag ettere plosion).

Tief ins Be usstseinder Deutschen grub sichdie Berg erkskatastro-phe in der Eisener grubeLengede (bei Sal gitter)1963 ein - or allem e-gen der Rettung on elfKumpel rund 14 Tagenach der Katastrophe:

Am 24. Oktober 1963brach gegen 2 Uhr einur Grube gehörender

oberirdischer Klärteichein, orauf MassenSchlamm und Wasser indie Grube Mathilde ein-brachen. Von den 129 un-ter Tage tätigen Männernkonnten sich die meistenüber Wetterbohrlöcherund Schächte ins Freieretten.

Am 1. No ember konn-ten drei eitere Bergleu-te, die sich per Klopf ei-chen bemerkbar gemachthatten, aus einer Luftta-sche geborgen erden.

Da eitere Rettungsarbei-ten aussichtslos schienen,

urde das technische Ret-tungsgerät abgebaut und

eggefahren.Einer der Hauer schlug

dagegen or, in einem„Alter Mann“ genanntenGebiet nach eiteren Ver-schütteten u suchen. Am3. No ember konntennach einer Bohrung über-raschend Lebens eichenon eiteren Kumpeln

empfangen erden, diein 58 Metern Tiefe einge-schlossen aren. Von 21Bergleuten, die sich nachdem Wassereinbruch u-nächst in den Stollen ret-ten konnten, aren nurnoch 11 am Leben.

Die Bergung gelang mitder so genannten Dahl-buschbombe, einer Kap-sel, die in die Tiefe gelas-sen urde. Unter Tagehalf ein heruntergelasse-ner Steiger den ge-sch ächten Überleben-den beim Einstieg. Am7. No ember erblickte derlet te Gerettete um 14.2Uhr das Tageslicht.

Somit hatte die Katas-trophe 29 Menschenlebengefordert. (bli)

LegendeLengede

Das Wunder von Lengede:Mit der „Dahlbuschbom-be“ wurden die Überle-benden geborgen.

Kumpel. Man ersucht, ihnmit uschleppen, presst ihmdas Mundstück des Selbstret-ters auf die Lippen. Doch derMann ist tot. Die Gruppe mussihn urücklassen. Sie flieht

eiter or dem tödlichen Gas.Für Sekunden gelingt es,

Funkkontakt mit der Zechen-

Ein Bild der Zerstörung: Die Grube Stolzenbach wenige Stunden nach der verheerenden Explosion.Foto: dpa

VON FRANK THON I CK E

D er Tag begann ie jederandere im Tiefbau Stol-enbach. Um 6.45 Uhr

fährt die Frühschicht ein. Eini-ge hundert Meter om Haupt-schacht entfernt, im Südfeld,arbeiten fünf so genannte Ka-meradschaften on ei bisdrei Mann im Vortrieb und imRückbau. Schlosser erledigenunter Tage Umbauarbeiten. ImOstfeld sind an diesem Morgensechs Kameradschaften einge-set t. Pünktlich um 12 Uhrfährt eine eitere ein. ImNordfeld arbeiten sechs Kame-radschaften. 57 Bergleute,Schlosser und Elektriker unterTage.12.35 Uhr: Die Erde bebt inStol enbach. Eine ge altigeE plosion erschüttert die Ze-che. Nicht nur die Grube unddie Schächte sind betroffen,sondern auch Anlagen überTage. Tonnensch ere Trüm-merteile fliegen über 1 Me-ter eit. Die Energie ersor-gung, Kommunikationss ste-me, Be etterung und die Seil-fahrteinrichtungen fallen so-fort aus. Die Rauch olke, dieüber der Grube aufsteigt, istkilometer eit u sehen.12.40 Uhr: Die acht Kumpel,die bei der E plosion überTage erlet t urden, erdenbereits ersorgt. In der nächs-ten Stunde treffen Gruben-

ehren, unter anderem ausClausthal-Zellerfeld, ein.13.40 Uhr: Erster Erkundungs-gang der Gruben ehr.14 Uhr: Die Rede ist unächston 6 Verschütteten. Ver-

eifelte Angehörige erschei-nen an der Zeche.

Unter Tage spielen sich dra-matische S enen ab: Die sechsBergleute, die später gerettet

erden sollen, ersuchen, ausdem Stollenlab rinth heraus-ukommen. Doch Gas er-

sperrt den Flucht eg. Sie müs-sen urück. Dabei entdeckensie einen sch er erlet ten

leitung her ustellen. HauerThomas Geppert gibt die Posi-tion durch: „1 Norden 4/5,sechs Personen.“

Frauen aus Stol enbach bil-den eine Hilfsgemeinschaft.Sie ersorgen die Retter, aberauch die Angehörigen der er-unglückten Bergleute. Für sie

Der Tag, an dem die Erde bebteChronik einer Katastrophe: Kohlestaubexplosion in der Grube Stolzenbach - der erste Tag

ird auf der Zeche e tra einSchut raum eingerichtet, indem sie on den in ischenhunderten Journalisten undSchaulustigen an der Grubenicht belästigt erden kön-nen.16Uhr:E perten geben die Ur-sache des Unglücks bekannt:

Es handelte sich um eine Koh-lestaube plosion. So et ashatte es im Braunkohleberg-bau noch nie gegeben.19.25 Uhr: Im Nordschacht

erden ei Tote gefunden.Sie erden noch nicht gebor-gen, eil die Suche nach Ver-missten und ÜberlebendenVorrang hat.20.25 Uhr: Drei eitere Tote

erden gefunden. Spe ialis-ten der Gruben ehr Essentreffen ein.22 Uhr: Die Zahl der Vermiss-ten ird offi iell mit 57 ange-geben.

gen beginnen. Damit ill mandas tödliche Gas aus dem Stol-len bekommen.8 Uhr: 29 Tote urden in i-schen entdeckt.11 Uhr: Die Vorbereitungenur Bergung der Toten begin-

nen.Während des gesamten Ta-

ges sind die Gruben ehrenunter Tage. Sie erkunden ei-ter das Süd-, Ost- und Nord-feld. Im Ostfeld erden Boh-rungen begonnen. Journalis-

D er Morgen des 2. Junigraut noch lange nicht,aber es steht bereits

fest: Mindestens 16 Bergleutesind tot. Ihre Leichen urdenbereits gefunden, erden abernoch nicht geborgen.

Denn unächst muss eiternach Überlebenden gesucht

erden. Die Rettungsmann-schaften set en ihre fieberhaf-te Suche fort.

3.30 Uhr: Belüftungsbohrun-

Die Zahl der Toten steigtDer zweite Tag: Fieberhafte Suche und erster Katastrophentourismus

ten bemerken das und strö-men dorthin. Das Gebiet irdabgesperrt.

Ein Katastrophen-Touris-mus set t ein. Die Poli ei ap-pelliert über den Rundfunk andie Menschen, die eiter an-dauernden Rettungsarbeitennicht u behindern.

Mittler eile urden 35Tote entdeckt. Die BorkenerHauptschule ird um Treff-punkt für Helfer, Angehörigeund Hinterbliebene umfunk-

tioniert. In der Turnhalle sol-len die Leichen aufgebahrt

erden. Der Zugang ur abge-sperrten Schule ird on derPoli ei kontrolliert.17Uhr: Der erste Tote ird ge-borgen. Weitere folgen.18Uhr:Die Identifi ierung derLeichen beginnt.

In der Turnhalle nehmendie Hinterbliebenen Abschied.Ps chiater und Ps chologenbeginnen mit ihrem Hilfspro-gramm für die Trauernden.

HINTERGRUND

Steinkohle älterals BraunkohleBraunkohle ist ein fossilerBrennstoff, der zur Ener-gieerzeugung eingesetztwird. Sie ist ein bräunlich-schwarzes, oft lockeres Se-dimentgestein, das durchPflanzenreste entstand.Der Schwefelgehalt kannbis zu drei Prozent betra-gen.

Hauptentstehungszeitwar das Tertiär. Wie beider Steinkohle wurdenauch bei der Braunkohleabgestorbene Bäume,Sträucher und Gräser vonSedimenten überdeckt.UnterDruckentstandso ineinem geomechanischenProzess Kohle.

Da Braunkohle erdge-schichtlich jünger alsSteinkohle ist, unterschei-det sie sich von dieserdeutlich: Sie hat einen hö-heren Schwefelgehalt undeine gröbere, lockereGrundmasse.

Deutschlandzähltnachwie vor zu den großenBraunkohlegebieten (wiedie USA, Russland, Grie-chenland und Australien).An der Stromerzeugungist Braunkohle in Deutsch-land zu rund 25 Prozentbeteiligt.

Bei der Verfeuerungvon Braunkohle entstehtdas höchst klimaschädli-che Kohlenstoffdi-oxid. (tho)

HINTERGRUND

RoutinemäßigeSprengung führtezur Katastrophe„Auslösender Faktor fürdas Explosionsunglückwar eine routinemäßigeSprengung in einem Stre-ckenabzweig. Die Unter-suchungen ergaben, dasssich im Bereich derSprengstelle ein unerwar-tet reaktionsfähigerBraunkohlestaub angerei-chert und abgelagert hat-te. Dieser Staub wurdedurch die Sprengung auf-gewirbelt und gezündet.Aufgrund der örtlichenVerhältnisse konnte sicheine anfängliche Abflam-mung zu einer Laufexplo-sion entwickeln. Da eineBraunkohlenstaubexplosi-on unter den in der GrubeStolzenbach gegebenenVerhältnissen bisher alsunmöglich galt, befandensich in der Grube keine Ex-plosionsperren, sodassdieeinmal angelaufene Explo-sion fast das gesamte un-tertägige Grubengeländedurchlaufen konnte.“

Aus: Horst Schönhut: Die Gewerk-schaft Frielendorf

ird im Ostfeld gebohrt, umdie Grube u entlüften. Alsman das Bohrgestänge überder Pfeilerstrecke 5 nach obenieht, erden Geräusche ge-

hört. Es scheint sich um Klopf-eichen u handeln. Sicher ist:

Hier, ei Kilometer om E -plosionsort entfernt, befindetsich in 17 Meter Tiefe nichtGas, sondern Luft.

Plöt lich gibt es iederHoffnung: Haben doch nochBergleute die Katastropheüberlebt?

D er dritte Tag bricht anund die Hoffnung aufÜberlebende des Un-

glücks sinkt.10Uhr: Bergamtschef Er in

Braun sagt: „Nach menschli-chem Ermessen kann es keineÜberlebenden mehr geben.“

Die Hausbesuche on Mitar-beitern der Werksfürsorge be-ginnen. Den Hinterbliebenen

ird Geld übergeben, damitsie sich Trauerkleidung kau-fen können.22.30 Uhr: Seit 3 Stunden

Geräuscheaus der TiefeDer dritte Tag: Die Hoffnungen sinken -doch in 170 Metern Tiefe ist noch Luft ...

Seit Tagen im Einsatz (von links): hr-Team Wolfgang Pfetzing (†),Martin Steinhoff und Jörg Gücking Foto: Koch

Samstag, 24. Mai 2 8 Sonntagszeit spezialSZ-ZG2

Page 3: Das Grubenunglück von Stolzenbach

Hand s gab es noch nicht,aber die DDR e istiertenoch. Helmut Kohl arschon sechs Jahre Kan lerund hatte noch ehn ei-tere or sich - ein kur erBlick auf das Stol enbach-Jahr 1988:18. Februar: Generalsek-retärMichail Gorbatschowbetont, dass jeder so ialis-tische Staat sein gesell-schaftliches S stem frei

ählen könne.16. Mär : Giftgasangriffder Luft affe on IraksDiktator Saddam Husseinauf die Kurden und Ass -rer in Halabdscha (et a5 Tote).14. April: In Genf ird einAbkommen geschlossen,das den Ab ug der so je-tischen Truppen aus Af-ghanistan regelt.8. Mai: Bei der Stich ahlum das Amtdes fran ösi-schen Staats-präsidentenset t sichAmtsinha-ber FrançoisMitterrand(Foto) mit 54 Pro ent derStimmen gegen seinenMitbe erber, Premiermi-nister Jacques Chirac,durch.8. Mai: Nach der orausge-gangenen Barschel-Affärege innen die So ialde-mokraten bei den Land-tags ahlen in Schles ig-Holstein die absoluteMehrheit der Mandate.Björn Engholm bildet dieRegierung in Kiel.18. Mai: Bayer Leverkusenge innt im Elfmeter-schießen den Uefa-Cupgegen Espan ol Barcelo-na.25. Juni: Die Niederländi-sche Fußballnational-mannschaft ge inntdurch ein 2: über dieUdSSR die Fußballeuropa-meisterschaft in Deutsch-land.3. Juli: Über dem Persi-schen Golf ird ein Air-bus der Iran Air ersehent-lich durch die USS Vin-cennes abgeschossen. 29Tote.16. August: GladbeckerGeiseldrama. Z ei orbe-strafte Bankräuber neh-men nach ihrem Überfallauf die Deutsche Bank inGladbeck (NRW) mehr-fach Geiseln und fliehen.Be or sie nach mehreren

Tagen über ältigt er-den können, hat es dreiTote gegeben.28. August: Beim Flugtagon Ramstein (Rheinland-

Pfal ) kollidierten dreiFlug euge. Eines stür t indie Zuschauermenge. 7Todesopfer.21. De ember: Aufgrundeiner Bombene plosionan Bord stür te einePanAm-Boeing über Lo-ckerbie in Schottland ab.Alle 259 Menschen anBord so ie 11 Ein ohnerLockerbies sterben. (bli)

Das Jahr1988

Gladbecker Geiseldrama:Bankräuber Dieter De-gowksi und Geisel Silke Bi-schof. Die junge Frau istwenig später tot. Foto: dpa

pen auf Hochtouren, um dienoch immer in erschiedenenStollenabschnitten orhande-ne hohe Kon entration an töd-lichem Kohlenmono id ab u-bauen.

Die nun gefundenen Kum-pel aren noch am Leben,

eil sie sich in eine Streckeurückge ogen hatten, in die

das tödliche Gas nicht ordrin-gen konnte, eil sich dort

VON FRANK THON I CK E

E s ist reiner Zufall, dass indieser Nacht das Teamdes Hessischen Rund-

funks mit dem bereits erstor-benen Wolfgang Pfet ing (Ka-mera), Martin Steinhoff (Re-dakteur) und Jörg Gücking(Ton) genau an jener Stelle ist,an der bei Suchbohrungen imOstfeld der Zeche Klopfgeräu-sche gehört urden.2.10Uhr:Die Fernsehleute bie-ten den Männern der Gruben-

ehr an, ihr Richtmikrofon ubenut en. Das hr-Team hörttatsächlich Töne aus der Tiefe- erklären kann man sich dieGeräusche unächst nicht.

Aus Kassel trifft technischeVerstärkung ein. An 7 MeterKabel ersch indet ein hoch-empfindliches Mikrofon inder Tiefe. Plöt lich sind Stim-men da. Sat fet en sind u hö-ren ie „... die haben ein Lochgebohrt“. (Sie können sich unterwww.hna.de/go/blog einen Mit-schnitt dieser S ene anhören.)4.21 Uhr:Was niemand mehru hoffen agte: Ein Rettungs-

trupp findet unter Tage diesechs Überlebenden - über 6Stunden sind seit der E plosi-on ergangen.

Ob ohl kaum noch damitgerechnet orden ar, Überle-bende bergen u können, a-ren Rettungstrupps immer

ieder in die Grube gegangen.In der Nacht stießen mehrereTrupps in den nördlichen Gru-benbereich or. Zugleich liefenüber Tage die Belüftungspum-

Das Wunder von StolzenbachDer vierte Tag: Sechs Bergmänner werden am frühen Morgen doch noch lebend geborgen

eine Art Luftblase gebildet hat-te. Als die Gruben ehrkommt, leuchten die einge-schlossenen Kumpel ihrenRettern mit Taschenlampenentgegen.

Die Geretteten erden rundei Kilometer bis u dem

Wetterschacht gebracht, überden sie schließlich ans Tages-licht gelangen.5.35Uhr: Es geschieht, as kei-

ner mehr für möglich gehaltenhatte: Als Erster der Einge-schlossenen ird Hein Rösemit einem Förderkorb ans Ta-geslicht gebracht. Seit der E -plosion sind 65 Stunden er-gangen. Ein Wetterschacht

ar ur behelfsmäßigen För-deranlage umgebaut orden.Nacheinander und ein elnkommen auch die Anderennach oben. Es sind neben Röse

die Bergmänner Thomas Gep-pert, Egon Dehn, Ahmet Bat-kan, Helmut Gessner und Wil-fried Dönch. Diese sechs über-lebten, 51 Bergmänner starbenin der Grube Stol enbach.

Kumpel und Retter fallensich in die Arme. Die Angehö-rigen eilen ur Grube. Tränenfließen. Das „Wunder onStol enbach“ ist geschehen.

Die sechs Überlebenden von links: Heinz Röse,Wilfried Dönch, Helmut Gessner, Ahmet Batkan, Egon Dehn und Thomas Geppert. Es istder 4. Juni 1988 und seit der Explosion sindmehr als 65 Stunden vergangen. Foto: Berger

langsam erblassen: „Man hatheute Probleme, sich alles or-ustellen: Wo stand elches

Gebäude?“ Steigerstube, Ein-gang, Kantine - all das lassesich nur noch erahnen. „Vie-les ergisst man im Laufe derJahre“, sagt Dönch.

Auch die Solidarität, die an-fangs in Borken herrschte, seierblasst, hat Dönch beobach-

tet. „Wenn das Alltagslebeneinkehrt, kommen auch Neidund Wut.“ Einige seien egender Entschädigungen neidischge esen, un erständlich fürDönch: „Was nüt t einemGeld und Gut, enn mankrank ist oder das Liebste imLeben erloren hat? Da solltesich jeder mal Gedanken ma-chen.“

Wilfried Dönch, der Über-lebende on Stol enbach, er-steht auch nicht, dass es man-chen Frauen on Verstorbe-nen erübelt orden sei,

enn sie neue Partner fan-den: „Wie es im Her en aus-sieht, kann doch keiner se-hen.“

le angemeldet ge esen. Dochdas klappte nicht. „Ich konntemich nicht kon entrieren“,erklärt Dönch. Im Herbst nachdem Unglück urde ein Ar-beitskreis gebildet, es gab ps -chologische Unterstüt ung.„Es hat gut getan, u hören,dass andere dieselben Proble-me haben“, erinnert sichDönch.

Besonders eine Frage habedie Überlebenden gequält:„Warum habe ich überlebtund arum der Kollegenicht?“ Dönch hat für sicheine Ant ort gefunden: „Ichglaube, das ist diese ge isseVorbestimmung im Leben.“

Dönch ging u AEG nachKassel, arbeitete dort als Be-triebsschlosser. Als er hörte,dass in Borken eine Stelle inder Stadt er altung frei ar,be arb er sich. Heute leitet erden städtischen Bauhof, istMaschinenbau-Meister.

So hat er beruflich häufigan der Gedenkstätte in Stol-enbach u tun und stellt fest,ie manche Erinnerungen

Es dauerte Monate, bis er be-griff, dass sich sein Leben unddas der gan en Region für im-mer erändern ürde.

Schon or der Katastrophear er für die Technikerschu-

der Tiefe befreit urden. An-fangs herrschte pure Freude,erinnert er sich. Die sechs

ussten nicht, as geschehenar, ussten nichts on den

Toten. Dies dämmerte ihmum ersten Mal, als er sich

kur nach der Rettung nach ei-nem Kollegen erkundigte: „Da

ar nur Kopfschütteln undTränen in den Augen.“

„Warum habe ich über-lebt und warum derKollege nicht?“

WILFR IED DÖNCH

Erst u hause, durch Luftbil-der im Fernsehen, urde demdamals 21-Jährigen das Aus-maß der Katastrophe be usst.

VON O L A F D E L L I T

Immer ieder. DieselbenFragen, dieselbe Geschich-te. Wilfried Dönch muss

immer ieder er ählen, iees damals ar, als er aus derGrube Stol enbach gerettet

urde, als einer on sechsÜberlebenden. Neulich urdeer sogar gefragt, ob er mit indie Schule kommen ürde.Das Grubenunglück ar Un-terrichtsthema.

„Ich habe dich im Fernse-hen gesehen“, bekam WilfriedDönch früher oft u hören. Esgefalle ihm aber gar nicht, ieein Star dargestellt u erden,sagt der 41-Jährige.

Die Zeit ist ja nicht stehengeblieben an dem Tag, alsDönch und seine Kollegen aus

So manchesist verblasstWilfried Dönch ist einer der sechsÜberlebenden des Stolzenbach-Unglücks

Bild oben: Er will kein Star sein:Wilfried Dönch ist einer von sechsÜberlebenden des Grubenunglücks. Unser Bild entstand am Bor-kener Badesee Stockelache.Bild links: Wilfried Dönch im Kleinbus des DRK. Die sechs Überle-benden wurden zusammen vom Bergwerksgelände in ein Kran-kenhaus gebracht. Fotos: Dellit/Koch

DOKUMENTATION

„Dann denktman langsam: Haben sie uns vergessen?“Wie die Tage des Eingeschlos-senseins und die Rettung wa-ren, schilderte einer der Kum-pel dem Reporter MartinSteinhoff vom HessischenRundfunk am 4. Juni.

Hier Auszüge:„Wir haben gehört, dass dagebohrt worden ist. Ja, undgestern Nachmittag, da fingirgendwoWasser an zu lau-fen. Da haben sie gebohrtund haben sie so'n bisschenSchlämme angebohrt, daskam dann runtergelaufen.Und da haben wir hochge-guckt, das sah aus wie einRohr oder sowie‘n Loch. Und

da haben wir gekloppt und ge-macht, und da habt ihr uns ge-hört ...Wir haben nur gedacht: Wennkein Bohrer oder so drin ist,kommt das nicht oben an. Essind ja fast 200Meter da hoch.Aber durch das Mikrofonscheint‘s ja doch funktioniertzu haben. Das war auf jedenFall beruhigend, wenn da ge-bohrt wurde, das hält einenimmer aufrecht,wenndaobenwas gemacht wird ... Und dannwar Ruhe bis heute Nacht, unddas war anstrengend, weilnichtsmehr passierte da oben.Dann denkt man langsam: Ha-ben sie uns vergessen? Dann

rechnen Sie mit nichts mehr ...Wennman da unten liegt, so‘neWeile, dann siehtman Lich-ter, die gibt‘s gar nicht. Undwenn dann Lichter kommen,die‘s wirklich gibt, wenn dannauf einmal jemandumdie Eckekommt, woman tagelang da-rauf hofft, das ist ... wir sind aufsie zugestürzt, und da habensie uns erst mal zurückge-schickt, weil wir in eine Gas-wolke reinliefen.Unddahabenwir so Apparate umgehängtgekriegt, somit Sauerstoff, unddann sind wir schön langsamnach vorn gelaufen. Und dannhaben sie uns getragen denRest der Strecke.“ (tho)

Samstag, 24. Mai 2 8Sonntagszeit spezialSZ-ZG3

Page 4: Das Grubenunglück von Stolzenbach

nicht. Am nächsten Morgenhieß es, 57 Bergleute seien un-ter Tage eingeschlossen.

Für die, die draußen arte-ten, dauerte die Katastrophenoch Tage. Christel und Mat-thias Heßler bekamen die Auf-gabe uge iesen, die Angehö-rigen u begleiten, enn toteBergleute geborgen orden

aren. „Es ar hammerhart“,sagt Heßler, die damals 27 Jah-re alt ar. Sie holten die Ver-

andten der Toten uhause aboder nahmen sie in der Sport-halle in Empfang, o die Lei-chen lagen. Die Meisten hät-ten die Toten sehen ollen, er-innert sich die Retterin. Undsie ar immer mit dabei.

Zuhause darüber geredetAn ps chologische Betreu-

ung für die Rettungskräftehabe damals niemand ge-dacht. „Wir haben uhauseiel darüber geredet“, erinnert

sich Christel Heßler. Und siesammelte Artikel aus Zeitun-gen und Zeitschriften. Sie hat

sogar einmal begonnen, dieAusschnitte u sortieren undauf ukleben. Doch sie habebald ieder aufhören müssen,die Erinnerung habe u sehrgeschmer t.

„Wir kannten sie ja alle“,sagt Christel Heßler über dieOpfer. Den Bergmann, der dieSchicht egen eines Fußball-spiels getauscht hatte; die bei-den türkischen Brüder, dienur ausnahms eise gemein-sam in einer Schicht arbeite-ten; den jungen Mann, der ei-nen Tag später einen neuenJob anfangen ollte - beimRettungsdienst Heßler.

Erst ehn Jahre nach demUnglück schaffte es ChristelHeßler, die Gedenkstätte inStol enbach u besuchen. Ver-gessen könne sie die Tage desUnglücks nie. Diese Tage unddas Bild on der Grube, ganin Sch ar .

VON O L A F D E L L I T

E s gibt ein Bild, das Chris-tel Heßler nie ergessen

ird: das Grubengelän-de in Stol enbach kur e Zeitnach dem Unglück. Sch arhat sie das Bild in Erinnerung.Sch ar und mit Menschen,die um Hilfe schrien.

Nur ölf Minuten hattenChristel Heßler und ihr Bru-der Matthias an diesem 1. Juni1988 on Gombeth aus ge-braucht, nach dem alarmie-renden Anruf. „Die Grube istin die Luft geflogen“, hatteeine Stol enbacherin gesagt.Die Nummer om pri atenRettungsdienst Heßler hattendie Menschen im Kopf.

E plosion in der Grube? Un-möglich, glaubte man damals.„Ich dachte, es äre ein Flug-eugabstur “, er ählt Christel

Heßler. Doch die Grube arirklich in die Luft geflogen,

über Borken stand ein großer,sch ar er Pil . Die erfahre-nen Retter nahmen einen Ver-

let ten auf und fuhren ihnnach Frit lar ins Kranken-haus.

So, dachte Christel Heßler,ürde es eitergehen: Ver-

let te ersorgen, in die Kran-kenhäuser bringen, helfen.Doch unächst konnten sienicht iel tun, außer Tragenu bringen und Zelte auf u-

bauen. „Und dann ging dasWarten los“, sagt ChristelHeßler.

Neue GerüchteEine Stunde nach der Katas-

trophe aren die ersten Ange-hörigen an der Grube. Heßlersbetreuten sie, aren einfachda, arteten mit ihnen. Im-mer neue Gerüchte sch irr-ten umher, erinnert sichChristel Heßler, doch echte In-formationen gab es nicht. DieAusmaße des Unglücks ließensich nicht erahnen. Noch

DieAngehörigenzuden Toten begleitetChristel Heßler war erste Retterin am Unglücksort- und kann den Tag bis heute nicht vergessen

Alle haben berichtet: Christel Heßler hat Artikel über dasGrubenunglück gesammelt. Foto: Dellit

Unser AutorFrank Thonicke (53), in Ber-lin geboren, arbeitet seitEnde 1979 für unsere Zei-

tung. Er istverheiratetund hat zweiKinder. Vorzwei Jahrenerhielt Thoni-cke denWächterpreis

der deutschen Tagespressefür seine Berichterstattungüber die unzulässige Ver-quickung von dienstlichenund privaten Interessen beihr-Sportchef Jürgen Emig.

tende und landende Hub-schrauber übertönten jedesWort. Z ischen Poli isten undJournalisten kam es u einemHandgemenge.

Eine Frau, ermutlich eineAngehörige, hielt die Belage-rung nicht mehr aus. Sie

Wir aren so iemlich dieersten Journalisten, die amUnglücksort eintrafen. Es sahschrecklich aus. Der Eingangum Stollen ar u einem rie-

sigen sch ar en Loch ge or-den, aus dem es qualmte. Ich

erde das Bild nie ergessen,ie die Männer der Gruben-ehr langsam, mit schleppen-

den Schritten und hängendenSchultern aus diesem Loch he-rauskamen. Sie hatten Schut -kleidung an und Atemgerätegegen das tödliche Gas um. Essah aus, als ären sie dem gie-rigen Schlund der Hölle ent-kommen. Als sie die lebensret-tende Vermummung ableg-ten, sah man Erschöpfung,Ver eiflung und Hoffnungs-losigkeit in ihren erschmut -ten Gesichtern.

Meiser per HubschrauberEs ging chaotisch u in den

ersten Stunden nach der E -plosion. Immer mehr Journa-listen kamen nach Borken.Die Kunde on einem Berg-

erksunglück, das spätestensnach dem Wunder on Lenge-de mit M then beset t ist, hat-te schnell die Runde gemacht.Die Reporter kamen aus ganDeutschland. Hans Meiser, da-mals in der RTL-Nachrichten-redaktion, sch ebte per Hub-schrauber ein. Last agenkarrten die Sendetechnik an,die flugs aufgebaut urde.Wohnmobile aren eine ArtFeldküche, in der Kollegen fürKollegen Kaffee kochten.

Das alles ar damals nochneu. Die Mediengesellschaftmit ihren pri aten Fernseh-sendern steckte noch in denKinderschuhen. Die Pri atentaten alles, um an Informatio-nen u kommen, ebenso ie

VON FRANK THON I CK E

M eine persönliche Bor-ken-Geschichte be-gann schon ein halbes

Jahr or der Katastrophe. ImNo ember 1987 machten ireine Reportage über die Men-schen bei der Preag. Der An-lass: 1993 sollte endgültigSchluss sein mit dem Kraft-

erk Borken, und damit äreauch der Braunkohletagebauam Ende ge esen.

Ich schrieb damals: „Nachdem Montangeset kann je-der, der 25 Jahre im Bergbau

ar und 5 Jahre alt ist, Vorru-hestandsgeld kassieren. Das

erden die meisten Kumpel,die ur Zeit noch die Braun-kohle in Borken brechen, er-reichen.“

Was ich und niemand ahn-te: 51 Kumpel sollten genaudas nicht erreichen. Sie star-ben unter Tage, beim größtenUnglück, das den Braunkohle-bergbau in Deutschland jeereilte.

Es muss kalt ge esen seinin jenen tragischen ersten Ju-nitagen 1988. Ich erinneremich daran, dass ich unseremFotografen Lothar Koch, derdie ersten Unglückstage inBorken rund um die Uhr aus-harrte, um ja nichts u erpas-sen, arme Kleidungsstückemitbringen musste.

Als ir on Kassel über die A49 das erste Mal um Ort derKatastrophe fuhren, ussten

ir noch nichts om Ausmaßdes Unglücks. Eine riesigeRauch olke stehe über der Ze-che, hatte es unächst gehei-ßen. Es hatte eine E plosiongegeben, so iel ussten ir.Wie schlimm es irklich ar,ahnten ir noch nicht.

Ohne jede SchamDie Katastrophe wurde zum medialen Großereignis - eine persönliche Erinnerung

die Kollegen der Boule ard-presse.

Informationen, das hieß orallem Fotos der ermisstenund toten Kumpel u bekom-men. Geld, iel Geld urde ge-boten, und manchen Reporterschien bei der Informationsbe-schaffung alles recht und bil-lig u sein: Da erkleideteman sich als Pfarrer, um in dieFamilien und an entsprechen-de Bilder u kommen.

Jede Be egung auf demGrubengelände löste ein Blit -lichtge itter aus. Eine Presse-konferen fand unmittelbaror dem Zelt statt, in dem Ver-

let te ersorgt urden. Star-

schrie „Ihr Sch eine“, und einBackstein flog Richtung Jour-nalisten. Doch mit Steinen lie-ßen sich derlei Aus üchsenicht eindämmen. HessischerRundfunk und RTL bauten un-terdessen auf dem Geländeriesige Sendemasten auf.

Kameras als WaffenDer Kannibale und alle ähn-

lichen medialen Großereignis-se aren damals noch eit

eg. Und so ar Stol enbachielleicht auch die erste multi-

mediale Sensation, die in derPro in spielte. Mit einemSchlag ar die so genannteWeltpresse in eine Gegendeingefallen, um die sich nor-maler eise niemand scherte.Helfer, trauernde Hinterblie-bene und hoffende Angehöri-ge urden ur gejagten Beute.Die Waffen aren die Teleob-jekti e der Kameras.

Es dauerte, bis man bei derZechenleitung diesen Jagds e-nen Einhalt gebieten konnte.Für direkt Betroffene urdenspe ielle Räume eingerichtet,in denen sie or Journalistengeschüt t aren.

Dort aren sie auch sicheror den gaffenden Blicken derielen Schaulustigen. Auch

das ar Borken - das erste Un-glück, u dem ein regelrechterKatastrophentourismus ein-set te.

HNA-Chefredakteur LotharOr echo ski schrieb damalsin seinem Kommentar: „Wassich danach draußen abspiel-te, hatte erschütternde undleider auch groteske Züge. DasUnglück urde umgehendum Spektakel. Was bloß, so

muss man fragen, macht unsso schamlos neugierig auf dasUnglück der anderen?“

Scharen von Journalisten eilten nachder Katastrophe ins kleineÖrtchen Stolzenbach. Nicht immer ging es so ruhig und zivilisiert zuwiebei dieser kurzen Pressekonferenz mit Hessens Innenminister Gottfried Milde (CDU). Foto: Koch

Hoffen und Bangen: Kumpel aus Stolzenbach warten auf Nach-richten aus der Unglücksgrube.

Selbstretter: Aktivkohle-FiltergerätekonnteneinenMann für zirka eine Stundemit Sauerstoff versorgen. Archivfotos: Koch

Trauer und Verzweiflung: Ange-hörige der Kumpel am Randeder Anlage.

Zerstört: Betonbrocken flogen durch dieWucht der Explosion bis zu 100 m weit undtrafen auch eine Hütte beim Grubeneingang.

Samstag, 24. Mai 2 8 Sonntagszeit spezialSZ-ZG4

Page 5: Das Grubenunglück von Stolzenbach

Die Rettungskapsel: Helfer der Grubenwehr befesti-gen sie am Haken eines Krans, um die Überleben-den aus der Grube zu bergen.

Mit dem Schrecken davongekommen:Otto Kraftmachtewährend der ExplosionPause über Tage und überlebte so das Un-glück. Archivfotos: Koch Bohrung zum Entlüften der Grube.

Nach dem Unglück: Angehörige und Kumpel bangen umdie verschütteten Bergleute.

schen Gemeinde in der Borke-ner Stadtkirche.

Das ar eine sehr starke Er-fahrung, dass das möglich

ar.

holfen und uns auch mal inden Arm genommen haben.

Eine gute Erfahrung arauch die gemeinsame Trauer-feier mit der türkisch-islami-

die die Idee hatten, das Mikro-fon in den Schacht herab ulas-sen. Das Wort Wunder ist einAusdruck großer Dankbar-keit, auch gegenüber Gott. Sohabe ich es empfunden.

Ist der 1. Juni 2008, 20 Jahrenach dem Unglück, für Sie einbedeutsamer Tag?KRÜCKEBERG: Ich denke jedesJahr daran urück. Der 1. Juni

ird für mich immer ein ein-schneidendes Datum bleiben.Die Begleitung der Betroffe-nen hat sehr iel Kraft gekos-tet, aber es ar auch eine guteErfahrung, dass ir uns imKollegenkreis gegenseitig ge-

Verschütteten. Als dann derBerg erksdirektor Lohr dieNamen der Toten orlas, habeich gebetet: Psalm 23 und dasVaterunser.

Als dann die sechs überle-benden Bergleute gerettetwurden, sprachman vomWun-der von Stolzenbach. Ist der Be-griff Wunder aus Ihrer Sichtrichtig?KRÜCKEBERG: Ein Wunder ist jaet as Subjekti es. Für mich

ar es underbar, ie um dasLeben der Verschütteten ge-kämpft urde. Es ar ein Ver-dienst der Rettungsmann-schaften und der Menschen,

nur sagen: Wir können ersu-chen, das gemeinsam mit euchaus uhalten. Und das ar auchunsere De ise. Wir aren ja ge-nauso erschüttert ie alle an-deren, die Angehörigen, dieKollegen und Freunde der er-schütteten Bergleute.

Die Frage nach dem „Wa-rum“ urde natürlich immer

ieder gestellt, aber maneiß eigentlich, dass das nichteiterführt. Wir aren ein-

fach da und haben den Ange-hörigen gesagt: Wenn ihr unsbraucht, könnt ihr uns anspre-chen. Tag und Nacht haben

ir usammen ge artet undgehofft, auf die Rettung der

VON O L A F D E L L I T

P farrer Siegfried Krücke-berg ar in den Tagender Katastrophe on Stol-

enbach Pfarrer in Borken.Wir sprachen mit ihm überdiese Zeit, über die Belastun-gen und die Arbeit mit den An-gehörigen.

Wenn Sie an das Unglückvon Stolzenbach denken, wel-ches Bild kommt Ihnen als Ers-tes in den Sinn?SIEGFRIED KRÜCKEBERG: Mirkommt die Turnhalle in denSinn, in der die Leichen aufge-bahrt urden, und in der dieAngehörigen Abschied onden Toten nehmen konnten.

Das eite Bild ist die Situa-tion um die Grube herum, oein großer Rummel herrschte,mit der Presse, den Kamera a-gen und so eiter. Auch ieleAngehörige aren nach Stol-enbach gekommen, und na-

türlich die Angestellten derGrube.Als Pfarrer hatten Sie eine

besondere Rolle. Wie habenSie das erlebt?KRÜCKEBERG: Ich ar an diesemTag unter egs ge esen undkam nachhause. Ich hörtemeinen Anrufbeant orter ab.Die Stimme unseres damali-gen Bischofs Dr. Hans-GernotJung ar drauf. Er sagte, erhabe on dem Unglück in Stol-enbach gehört.Da habe ich sofort bei der

Preußen Elektra angerufen,um mehr u erfahren. Dort

ar man unächst sehr u-rückhaltend. Wir Pfarrerkolle-gen haben uns dann beratenund beschlossen, nach Stol-enbach u fahren, um unsere

Hilfe an ubieten.

Sicherlich wurden Sie häufigmit der Frage nach dem „Wa-rum“ konfrontiert. Was habenSie geantwortet?KRÜCKEBERG: Eine Ant ort da-rauf gibt es nicht. Man kann

„Warum? Eine Antwort gibt es nicht“Pfarrer Siegfried Krückeberg, vor 20 Jahren Pfarrer in Borken, im Interview über die Katastrophe und ihre Bewältigung

In Trauer vereint: Angehörige der Kumpel von Stolzenbach. Hinten links: Liselotte Funcke (FDP), damals Ausländerbeauftragte der Bundesregierung. Foto: Koch

nert sich noch genau an „diegroße Freude der Angehörigenund die Enttäuschung derjeni-gen, deren Männer und Söhnenicht dabei aren“.

Für Gerd Haug begann dieschlimmste Aufgabe in derZeit danach. Er ar einer derPreag-Verant ortlichen, diedie Hinterbliebenen der Kata-strophe besuchten, um ihnenihr Beileid aus udrücken. Diegan e Trauer, das gan e Lei-den: „Das ging irklich unterdie Haut.“

Haug besucht regelmäßigdie Gedenkfeiern für Stol en-bach. Wichtig ist ihm, dass dieErinnerung achgehalten

ird an die Geschichte derStadt. Deshalb set te er sichfür das Bergbaumuseum ein.

Helfer. Im Kraft erk bautenseine Männer eine Rettungs-bombe, die später in den Wet-terschacht, der für Atemluftunter Tage sorgte, eingelassen

urde. Leider ergeblich.Auch das Kraft erk lief ei-ter, lediglich einer on dreiBlöcken urde om Net ge-nommen.

In all der Zeit kamen immerieder schlechte Nachrichten

aus der Tiefe: „Es urde einToter nach dem anderen ge-funden.“ Und dann kam derMoment, der gan kur einenFunken Hoffnung in die Trau-er brachte: die Rettung dersechs Bergleute. „In diesemMoment hat man die Tragikergessen“, sagt Haug. Doch

der ährte nur kur , er erin-

chen traf sich die Runde da-mals.

Irgend ann erreichte Lohrein Anruf, es ar on einer E -plosion die Rede. Vielleichtein e plodierter Lüfter, dachteman, denn, ie gesagt, Braun-kohle konnte nicht e plodie-ren. Lohr fuhr los und meldetesich später. Die Katastrophe

ar eingetreten.Haug half dabei, das Gru-

bengelände, so gut ie mög-lich, ab usichern, gegen denAnsturm on Schaulustigenund Medien. Vor allem dieEinsat entrale und die Ange-hörigen mussten abgeschottet

erden, erinnert sich der heu-te 73-Jährige.

Er organisierte unter ande-rem die Verpflegung für die

VON O L A F D E L L I T

B raunkohle hat einenWasseranteil on bis u5 Pro ent. Eine E plosi-

on? Ausgeschlossen. Das dach-te bis 1988 auch Gerd Haug. Erkannte sich aus mit Kohle,denn er ar damals auf sie an-ge iesen. Haug ar im Jahrder Katastrophe Chef des Bor-kener Kohlekraft erks.

An diesem 1. Juni saßen ierMänner u einem Arbeitses-sen usammen, die in Borkeniel Einfluss hatten: Bürger-

meister Bernd Heßler, Berg-bauchef Walter Lohr, der kauf-männische Leiter, Hein Ha-mann, und Gerd Haug. In To-denhausen ar das, erinnertsich Haug, et a alle ier Wo-

Das ging unter die HautGerd Haug war in den Tagen der Katastrophe Direktor des Borkener Kraftwerks

Er war Kraftwerksdirektor: Gerd Haug vor einer alten Lore, einemErinnerungsstück aus dem Borkener Bergbau. Foto: Dellit

Zur PersonDr. Siegfried Krückeberg (50) istBeauftragter der EvangelischenKirche von Kurhessen-Waldeckfür den privaten Hörfunk. Derevangelische Theologe ist ver-heiratet und lebt in Frankfurt.

Krückeberg war während desStolzenbacher Unglücks Pfarrerin Borken. (ode) Foto: privat

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Page 6: Das Grubenunglück von Stolzenbach

T ief im ErdreichNordhessens liegenSchät e ergraben:

Braunkohle und Kalisalin ge altigen Mengen,Kupferschiefer, Sch er-spat, Eisen, Ton und Ba-salt. Bei Korbach soll so-gar bis heute mit einerTonne Gold die größte La-gerstätte Deutschlandsschlummern.

Über Jahrhunderte hin-eg on Bergleuten aus

den Tiefen gekrat t, lie-ferten die Bodenschät ean der Oberfläche denTreibstoff für Industrieund Arbeitsplät e, trugenu Wohlstand und Ener-

gie ersorgung bei.

Wirtschaftlich bedeut-sam ist nur noch der Kali-Abbau zwischenWerra undFulda. Das Re ier im hes-sisch-thüringischenGren gebiet bietet heute42 Menschen Arbeit,die in einem Stollens s-tem on der Größe Mün-chens das or 25 Millio-nen Jahren entstandeneKali ur Düngemittelge-

innung abbauen.4 bis 5 Jahre langar die nordhessische

Braunkohle ichtigsterheimischer Energieträ-ger. In ischen ird sienicht mehr gebraucht. ImHabichts ald bei Kassel

ar der geplante Tagebauebenso heftig umstritten

ie am Hohen Meißner.Bürgerinitiati e kämpf-ten für den Erhalt derLandschaft und hatten Er-folg: Im Habichts aldschloss die Zeche Marieim Juli 1966, auf der Kalbeam Meißner ar 1974 mitdem Tagebau Schluss. InKaufungen hatten dieKumpel bis 1971 3,3 Mil-lionen Tonnen Braunkoh-le gefördert.

Am Meißner, bei BadWildungen und Sontra so-

ie in der Sch alm hat-ten die Bergleute im Lie-gen Kupferschiefer ausden oft nur einen halbenMeter dicken Flö en ge-krat t. Das let te Berg-

erk schloss Anfang der6 er Jahre.

Heute spielt der Berg-bau außererhalb der Kali-re iere kaum noch eineRolle. In Großalmerodeholen noch fünf KumpelTon aus der Erde, der -

eil besonders feuerfest -elt eit begehrt ist. In

Lindau-Lamerden irdnoch Gips abgebaut, inKassel ird Tuffstein fürdie laufende Herkules-Sa-nierung ge onnen. ZumBau on Bahnstreckenund Autobahnen sind imDruseltal bei Kassel undbei Hessisch Lichtenaunoch einige Basaltbrüchein Betrieb. (tom)

Geschichtedes Bergbausin der Region

Schwere Arbeit unterTage: Seit Jahrhundertenholen Bergleute in Nord-hessen Bodenschätze ausdem Untergrund.

Trauerfeier für die Opfer: Die Särge der türkischen Toten warenmit Nationalfahnen bedeckt. Foto: Koch

als er seinen Vater in der Gru-be Stol enbach erlor. In denersten Jahren nach der Kata-strophe ar der Junge häufigu Gast bei Professor Schüffel.

Man unterhielt sich, undmanchmal maß man sich umZeit ertreib im Armdrücken.Dann sagte der Junge, dass erdas gerne mit seinem Vater ge-macht hätte.

1998, ehn Jahre nach demUnglück, erkundigten ir unsbei, as denn aus dem kleinenTürken ge orden sei. Er seiein kräftiger junger Mann ge-

orden, „der seinen Weggeht“, sagte Schüffel damals.

Der Wissenschaftler sollteRecht behalten. Heute ist ausdem Jungen ein Mann ge or-den, der an der Uni in Frank-furt So iologie studiert hat.

ganisierte, entrale Hilfe aufdrei Jahre beschränkt ar,gibt es auch heute keine Sta-tistiken, as aus den Betroffe-nen ge orden ist.

Nicht nur der Zusammen-halt der Türken und Deut-schen nach der Katastrophe

ar bemerkens ert. In Stol-enbach urde ielfach Neu-

land betreten: Zum ersten Malgab es ein Spektakel der Mas-senmedien, das die Poli ei aufden Plan rief.

Und um ersten Mal gab esin Deutschland Hilfe für Men-schen, die unter einer „post-traumatischen Belastungsstö-rung“ oder dem „Katastro-phens ndrom“ litten. Das istunter anderem gekenn eich-net durch Her rh thmusstö-rungen, Magenschmer en,

VON FRANK THON I CK E

W enn Prof. WolframSchüffel (69) an Stol-enbach denkt, sieht

er Menschen, die usammen-arbeiten, sich unterstüt en,helfen, Trost spenden. Er siehttürkische und deutsche Fami-lien, die in der Trauer nichtgetrennt, sondern ereint a-ren.

Die „Grauen Wölfe“, die mi-litante, rechtse treme Organi-sation der Türken, hatte da-mals e tra egen Stol enbachihre Zentrale eit eise in Kas-sel. Man ollte dokumentie-ren, dass Türken on deut-schen Unternehmen ausge-beutet, ja erhei t ürden.Das misslang gründlich. Tür-ken und Deutschen in Borkenließen sich nicht auseinander-di idieren.

Insofern ar die Be älti-gung des Unglücks on Stol-enbach orbildhaft, sagt Prof.

Schüffel. Der frühere Chef derPs chosomatik an der Unikli-nik Marburg ar der Koordi-nator eines bis dahin beispiel-losen Hilfsprogramms: DerStol enbachhilfe.

Intensive BetreuungDrei Jahre lang betreuten

Geistliche, Ps chologen,Werksfürsorger, Betriebsräteso ie Frauen und Männer derPreag die Opfer des Unglücks:die Hinterbliebenen, die Über-lebenden, Kollegen und Helferder ersten Stunden, Tage undWochen.

Klar ar on Anfang an: DieStol enbachhilfe sollte aufdrei Jahre beschränkt sein.Schüffel: „Nach diesen dreiJahren aren die Betroffenenkeine Opfer mehr“. Sie ur-den teil eise aber eiter be-treut. In ambulanten Pra en,an der Uniklinik Marburg. AusOpfern mit Sonderbetreuung

aren normale Patienten desdeutschen Gesundheitss s-tems ge orden. Und da die or-

In der Trauer vereintDas Grubenunglück lieferte Erkenntnisse auch für andere Opfer, sagt Psychotherapeut Schüffel

Sch eißausbrüchen undSchlaflosigkeit.

Dass Stol enbach dieseKrankheit ins Be usstsein derÖffentlichkeit beförderte, fin-det Professor Schüffel imRückblick erstaunlich und be-merkens ert. „Wir Deut-schen sind schließlich seitdem Weltkrieg ein traumati-siertes Volk“, sagt er. Docherst nach Stol enbach sei aufdem Gebiet hier ulande - an-ders als im Ausland - s stema-tisch geforscht orden.

Er geht seinen WegIn den Genuss der Erkennt-

nisse kommen jet t alle Opferon Katastrophen. Denn nicht

alle überstehen ein so drama-tisches Unglück ie der kleineTürke, der neun Jahre alt ar,

Prof. Wolfram Schüffel leitetevon 1976 bis 2005 die Psycho-somatische Klinik des Zen-trums für Innere Medizin derPhilipps-Universität Marburg

Foto: Thonicke

ten Zeugen hatte der Anruf,den der Landrat am Samstagder Unglück oche erhielt, sogegen 4 Uhr. Es ar die guteNachricht mitten in den dunk-len Tagen des Unglücks: SechsBergleute aren gefunden

orden, und sie lebten. JürgenHasheider ar dabei, als dieMänner an die Oberfläche ka-men, urück ins Leben.

Rettung in aller StilleEs sei gut ge esen, dass die

Rettung in relati er Stille ge-schehen sei, er ählt der E -Landrat. Nach 65 Stunden inder Tiefe, 65 Stunden mit derständigen Angst, es könne

ieder et as passieren, hätteRummel den Überlebendengeschadet, ist er sicher undsagt über die undersame Ret-tung: „Bei aller Betroffenheitüber die hohe Zahl der Opfer

ar das ein Moment der Be-freiung.“

Am 1. Juni 2 8, 2 Jahrenach dem Unglück, ill Jür-gen Hasheider ieder in Bor-ken sein. Er möchte an derTrauerfeier teilnehmen, mitder der 51 Opfer gedacht ird,die an jenem Mitt och umka-men.

• Jürgen Hasheider (70) warvon 1984 bis 2002 Landrat imSchwalm-Eder-Kreis. Er ist ver-heiratet und hat zwei Kinder.Heute lebt Hasheider in BadHersfeld.

teil, dass diese Anrufe nichtohne eiteres abgehört er-den konnten.

Denn auch das sei on Bou-le ardjournalisten gemacht

orden, et a der Funk er-kehr der Feuer ehren, sagtHasheider. Keine uner ünsch-

Kritikern schon für ein Reliktder Vergangenheit gehalten

orden ar, so Hasheider.Nun urden die Fernmeldergebraucht, sie ogen Telefon-leitungen om Nordfeld derGrube ur Einsat leitung. Dashatte unter anderem den Vor-

erbraucht. Das Funktelefonurde on den Rettungskräf-

ten ständig benut t, onHand ar damals noch keineRede.

Des egen kam auch derFernmelde ug der Feuer ehrum Einsat , der u or on

VON O L A F D E L L I T

D er 1. Juni 1988 ar fürLandrat Jürgen Hashei-der (SPD) ein gan nor-

maler Mitt och, bis u demAnruf kur or 13 Uhr. Schlim-mes Unglück in Stol enbach,Näheres noch nicht bekannt.Hasheider set te als obersterKatastrophenschüt er alle He-bel in Be egung.

Kur e Zeit später ar er amOrt der Katastophe. „Esherrschte Chaos, überall lagenTrümmer herum, Menschenrannten orientierungslosdurch die Gegend“, erinnertsich der heute 7 -Jährige. Dieerste Aufgabe sei es ge esen,et as Ordnung u schaffenund dafür u sorgen, dass dieRettungs ege frei aren.

Er habe eine Linie iehenlassen, die um Beispiel onSchaulustigen und Journalis-ten nicht überschritten er-den durften. Auf die Arbeit derRettungsdienste ist Hasheiderheute noch stol . Bis auf einpaar kleinere Pannen habe dasalles gut geklappt.

Hasheiders Auto urde eit-eise um Büro. Möglich ar

das auch, eil der Landrat einAutotelefon hatte, im Jahr1988 eine echte Seltenheit. Andie Kiste im Kofferraum erin-nert sich Hasheider gut, an ei-nem Abend sei sogar die Auto-batterie leer ge esen, so ielStrom hatte das C-Net -Gerät

Der Mann mit dem einzigen FunktelefonJürgen Hasheider war vor 20 Jahren als Landrat der oberste Katastrophenschützer

Die Katastrophe beschäftigt ihn immer noch: Jürgen Hasheider, damals Landrat des Schwalm-Eder-Kreises. Foto: Hornickel

Samstag, 24. Mai 2 8 Sonntagszeit spezialSZ-ZG6

Page 7: Das Grubenunglück von Stolzenbach

D irekt nach der Ka-tastrophe urdeon der Preag die

Stolzenbachhilfe ins Le-ben gerufen, die den Hin-terbliebenen und Angehö-rigen der Opfer mit finan-iellen Leistungen unter

die Arme griff. Diese Hilfegibt es heute, 2 Jahrenach dem Unglück, nochimmer.

Preag-NachfolgerinE.ON set te sie fort. Heuteheißt die Hilfe offi iell„Hilfs erk Stol enbachder E.ON-Energie AG“ mitSit in Hanno er.

In den 2 Jahren derStol enbachhilfe flosseninsgesamt 2,6 MillionenEuro an die Hinterbliebe-nen - und E.ON ahlt ei-ter. Zur eit bekommen 28Kinder, die in der Grubeon Stol enbach ihre Vä-

ter erloren, eine monat-liche Unterstüt ung onje 153 Euro - früher arenes glatte 3 Mark.

Ge ahlt ird so lange,bis die Kinder mit ihrerAusbildung fertig sind.Damit erden die Zahlun-gen, schät t Hilfs erk-Ge-schäftsführer DieterSchröder, in den Jahren2 1 bis 2 12 auslaufen.

Das Hilfswerk Stolzen-bach ird es aber eitergeben. Denn aus der fürdie Hinterbliebenen derGruben-Opfer gedachtenHilfsmaßnahme ist längstein Werk ge orden, dasauch für andere, in Notgeratene Menschen da ist.So kann jeder E.ON-Mitar-beiter, der ein finan iellesProblem mit so ialemoder gesundheitlichemHintergrund hat, sich andas Hilfs erk endenund um Unterstüt ungbitten.

Ge ahlt ird, um einBeispiel u nennen, enndas Kind eines E.ON-Ange-hörigen eine medi ini-sche Therapie unbedingtbraucht, für die aber kei-ne Krankenkasse eintre-ten ill.

Über die Verteilung desGeldes, das E.ON ur Ver-fügung stellt, entscheidetein Kuratorium, in demGeschäftsleitung und Be-triebsrat sit en. Im let -ten Jahr urde ehn MalHilfe ge ährt, die Sum-men be egten sich i-schen 13 und 5Euro. (tho)

Geld fürdie Kinderder Opfer

Unser AutorOlaf Dellit (34), in Kassel gebo-

ren, arbeitetseit 2000 fürunsere Zeitung.Dellit ist verhei-ratet und hat ei-nen Sohn.

HINWEIS

Sieben SeitenzumDownloadenUnsere sieben Seiten zumGedenken an die Gruben-katastrophe vor 20 Jahrenkann auch als PDF-Dateiaus unserem HNA-online-Angebot heruntergeladenwerden. Sie finden die Sei-ten ab dem 26. Mai unterwww.hna.de/stolzenbach

ST ICHWORT

Gedenkfeierin StolzenbachEine Gedenkfeier zum20. Jahrestag des Gruben-unglücks findet am 1. Juniin Borken ab 15 Uhr imBürgerhaus statt.

Aus Tagebaugruben wurden Seen: An der Stockelache kann heute gebadet und Tretboot gefahren werden - ein Paradies auch für Kinder. Unser Bild mit Mika Peter ausBaunatal entstand 2007. Foto: Markiewicz

TippDasHessische Braunkohle-Bergbaumuseum befindet sichAm Rathaus 7 in 34582 Borken(Hessen). Vom ersten Sonntagvor Ostern bis zum 31. Oktoberist dasMuseumDienstag - Sams-tag, 14 - 17 Uhr, und sonntags,12 - 17 Uhr, geöffnet. Montagsist geschlossen.

Eine dokumentarische Sonder-ausstellung informiert anläss-lich des 20. Jahrestages über dasGrubenunglück. Sie wird am1. Juni um 18.30 Uhr imMuse-umsgebäude eröffnet und ist biszum 3. August während der Öff-nungszeiten des Museums zubesichtigen. Gruppen ab 15 Per-sonen können gesonderte Be-sichtigungszeiten vereinbaren.Die Gedenkstätte Stolzenbachist ständig öffentlich zugänglich.Kontakt: 0 56 82/ 8 08 - 271www.braunkohle-bergbaumu-seum.de

Rosen an der Gedenkstätte: In Stolzenbach sind die Namen allerimBorkener Braunkohlebergbau umgekommenenKumpel auf ei-nemMetallring eingraviert. Foto: dpa

Euro ermöglichen die Arbeitdes Museums.• Stadtentwicklung: Borkenset t darauf, den Ein elhandelin der Innenstadt u halten.Aus dem ForschungsprojektStadt 2 3 , gefördert omBund, entstand der Z eck er-band Sch alm-Eder-West, indem Borken mit Bad Z esten,Jesberg, Neuental und Wabernkooperiert.

Während längst eine Gene-ration herange achsen ist,die den Bergbau in Borkennicht mehr kennt, ersuchenneben dem Museum der Berg-manns erein und der Knap-penchor, die Tradition hoch-uhalten. Diejenigen, die den

1. Juni 1988 in Borken be ussterlebt haben, erden diesenWendepunkt für die Stadt

ohl nie ergessen. Heßlersagt: „Wir erden jeden Tagan das Unglück erinnert.“

14 Arbeitsplät en. Zum Ver-gleich: Die Preußen Elektrasorgte in Borken einst für22 Stellen. Heute set t Bor-ken unter anderem auf Logis-tik, Um elttechnologie undTeile für VW.• Tourismus: Borken hatte mitseinem Kraft erk und denrauchenden Schloten einmalden Ruf als „Dreckschleuder“.In ischen sind aus mehre-ren ehemaligen Tagebaugru-ben Seen ge orden. Der Bor-kener See dient dem Natur-schut , an der Stockelachekann man baden und Tretbootfahren, und am Singliser Seesind Surfer und Aqua-Golferunter egs.

Der Gombether See fülltsich ur eit mit Wasser, abschät ungs eise 2 12 soll erein Re ier für Wassersportlersein.• Braunkohle-Bergbaumu-seum: Zum Museum gehörteine klassische Ausstellung inder Innenstadt mit Besucher-stollen so ie der Themen-park, ein Freilichtbereich.Dort stehen unter anderemriesige Bagger und andere E -ponate aus der Bergbau- undEnergiegeschichte der Stadt.2 6 erhielt das Museum denMuseumspreis der SparkasseHessen-Thüringen.

Frei illige und ein Zu-schuss on ur eit 2

also eine Monostruktur, uset en. Seit dem Unglück sei-en in Borken 69 Betriebe ange-siedelt orden, sagt Bürger-meister Heßler, mit um die

Tisch mit ier Sch erpunk-ten:• Neue Arbeitsplätze: Wichtig

ar den Planern, nicht iederauf nur einen Industrie eig,

VON O L A F D E L L I T

A ls Bernd Heßler 1987Bürgermeister on Bor-ken urde, aren die

Kassen oll. In den besten Zei-ten sorgten Kraft erk undBergbau dafür, dass 2 Millio-nen Mark (1 ,2 Mio. Euro) Ge-

erbesteuern in der Kasseklingelten. Doch Heßler arnicht einmal ein Jahr im Amt,als sich die Borkener Welt miteinem Schlag eränderte.

Natürlich sei eine Schlie-ßung des Kraft erks schonor der Katastrophe im Ge-

spräch ge esen, sagt Heßler.Doch das hätte noch iele Jah-re dauern können. Durch dasUnglück ging nun alles ganschnell. 1991 ar endgültigSchluss mit dem Bergbau undmit dem Kraft erk.

Nach dem ersten Schock„In Borken gehen die Lich-

ter aus.“ Diese HNA-Schlag ei-le itiert Heßler immer iedergern und er ählt dann, ie erund die Ver altung die He-rausforderung annahmen, da-für u sorgen, dass genau dasnicht passierte. Nach dem ers-ten Schock der Stol enbach-Tragödie sei es bald um eineneue Strategie gegangen.

Im Jahr, als die Ära desKraft erks in Borken endete,lag der Borken-Plan auf dem

Die Chance nach der KatastropheAngesichts des Grubenunglücks musste die Stadt Borken eine Strategie für die Zukunft finden

Das Licht ging nicht aus: Borkens Bürgermeister Bernd Heßler miteiner alten Grubenlampe. Foto: Dellit

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