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KARL MARX • FRIEDRICH ENGELS W E R K E • B A N D 23

Das Kapital Kritik Der Politischen Ökonomie MEW Band23

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Philosophie

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  • KARL MARX FRIEDRICH ENGELS

    W E R K E B A N D 23

  • INSTITUT FR M A R X I S M U S - L E N I N I S M U S B E I M ZK D E R SED

    KARL MARX

    FRIEDRICH ENGELS

    WERKE

    0 D IETZ V E R L A G B E R L I N

    1962

  • I N S T I T U T F R M A R X I S M U S - L E N I N I S M U S B E I M Z K D E R S E D

    KARL MARX

    FRIEDRICH ENGELS

    BAND 23

    0 D IETZ V E R L A G B E R L I N

    1962

  • Nach der vierten, von Friedrich Engels

    durchgesehenen und herausgegebenen Auflage,

    Hamburg 1890

    Fr diese Neuausgabe des ersten Bandes des Kapitals" wurde von den mit der Edition

    betrauten Arbeitsgruppen der Institute fr Marxismus-Leninismus in Moskau und Berlin

    eine neue vollstndige Revision des Textes, vor allem der Zitate und der entsprechenden

    Quellenverweise vorgenommen. Viele im Laufe von Jahrzehnten in Nachdrucken er-

    schienene Druckfehler wurden so bereinigt und an Hand der von Marx benutzten Original-

    werke zahlreiche Berichtigungen in den Quellenangaben vorgenommen. Fr die Recht-

    schreibung und Interpunktion sind die auch fr die brigen Bnde der Ausgabe geltenden

    Grundstze beachtet worden; fr den Lautstand einzelner Wrter wurde die in Marx'

    Originalfassung vorkommende modernste Schreibung gewhlt. Alle in eckigen Klammern

    stehenden Wrter und Wortteile stammen von der Redaktion. Die von Engels bei der Durch-

    sicht des Manuskripts fr den Druck der vierten Auflage eingefgten eckigen Klammern

    (siehe darber Engels' Vorwort) sind im vorliegenden Text durch geschweifte Klammern

    ersetzt worden.

    Der besseren Lesbarkeit wegen werden die in der von Engels besorgten vierten Auf-

    lage noch in der Originalsprache englisch, franzsisch, italienisch usw. wieder-

    gegebenen Zitate von uns in deutscher Sprache gebracht. Die schon in frheren Nach-

    drucken erschienenen Ubersetzungen wurden jedoch sorgsam berprft und, wenn

    notwendig, prziser gefat. Die von Marx fr das Original verwandten fremdsprachigen

    Zitate findet der Leser im Anhang des vorliegenden Bandes. Funoten der Redaktion

    sind durch eine durchgehende Linie vom Text getrennt und durch Ziffern mit Sternchen

    kenntlich gemacht.

  • KARL MARX

    Das Kapital Kritik der politischen konomie

    Ers te r Band Buch I:

    Der Produktionsproze des Kapitals

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    Marx' Brief an Engels vom 16. August 1867

  • Gewidmet

    meinem unvergelichen Freunde,

    dem khnen, treuen, edlen Vorkmpfer des Proletariats

    Wilhelm Wolff Geb. zu Tarnau, 21. Juni 1809. Gest. im Exil zu Manchester

    9. Mai 1864

  • Vorwort zur ersten Auflage

    Das Werk, dessen ersten Band ich dem Publikum bergebe, bildet die Fortsetzung meiner 1859 verffentlichten Schrift: Zur Kritik der Poli-tischen Oekonomie". Die lange Pause zwischen Anfang und Fortsetzung ist einer langjhrigen Krankheit geschuldet, die meine Arbeit wieder und wieder unterbrach.

    Der Inhalt jener frheren Schrift ist resmiert im ersten Kapitel dieses Bandes.121 Es geschah dies nicht nur des Zusammenhangs und der Voll-stndigkeit wegen. Die Darstellung ist verbessert. Soweit es der Sach-verhalt irgendwie erlaubte, sind viele frher nur angedeuteten Punkte hier weiter entwickelt, whrend umgekehrt dort ausfhrlich Entwickeltes hier nur angedeutet wird. Die Abschnitte ber die Geschichte der Wert- und Geldtheorie fallen jetzt natrlich ganz weg. Jedoch findet der Leser der frheren Schrift in den Noten zum ersten Kapitel neue Quellen zur Ge-schichte jener Theorie erffnet.

    Aller Anfang ist schwer, gilt in jeder Wissenschaft. Das Verstndnis des ersten Kapitels, namentlich des Abschnitts, der die Analyse der Ware enthlt, wird daher die meiste Schwierigkeit machen. Was nun nher die Analyse der Wertsubstanz und der Wertgre betrifft, so habe ich sie mg-lichst popularisiert.1 Die Wertform, deren fertige Gestalt die Geldform,

    1 Es schien dies um so ntiger, als selbst der Abschnitt von F. Lassalles Schrift gegen Schulze-Delitzsch, worin er die geistige Quintessenz" meiner Entwicklung ber jene Themata zu geben erklrt, bedeutende Miverstndnisse enthlt. En passant. Wenn F. Lassalle die smtlichen allgemeinen theoretischen Stze seiner konomischen Arbeiten, z.B. ber den historischen Charakter des Kapitals, ber den Zusammenhang zwischen Produktionsverhltnissen und Produktionsweise usw. usw. fast wrtlich, bis auf die von mir geschaffene Terminologie hinab, aus meinen Schriften entlehnt hat, und zwar ohne Quellenangabe, so war dies Verfahren wohl durch Propagandarcksich-ten bestimmt. Ich spreche natrlich nicht von seinen Detailausfhrungen und Nutz-anwendungen, mit denen ich nichts zu tun habe.

  • ist sehr inhaltslos und einfach. Dennoch hat der Menschengeist sie seit mehr als 2000 Jahren vergeblich zu ergrnden gesucht, whrend andrer-1

    seits die Analyse viel inhaltsvollerer und komplizierterer Formen wenig-stens annhernd gelang. Warum? Weil der ausgebildete Krper leichter zu studieren ist als die Krperzelle. Bei der Analyse der konomischen Formen kann auerdem weder das Mikroskop dienen noch chemische Reagentien, Die Abstraktionskraft mu beide ersetzen. Fr die brgerliche Gesell-schaft ist aber die Warenform des Arbeitsprodukts oder die Wertform der Ware die konomische Zellenform. Dem Ungebildeten scheint sich ihre Analyse in bloen Spitzfindigkeiten herumzutreiben. Es handelt sich dabei in der Tat um Spitzfindigkeiten, aber nur so, wie es sich in der mikrolo-gischen Anatomie darum handelt.

    Mit Ausnahme des Abschnitts ber die Wertform wird man daher dies Buch nicht wegen Schwerverstndlichkeit anklagen knnen. Ich unterstelle natrlich Leser, die etwas Neues lernen, also auch selbst denken wollen.

    Der Physiker beobachtet Naturprozesse entweder dort, wo sie in der prgnantesten Form und von strenden Einflssen mindest getrbt er-scheinen, oder, wo mglich, macht er Experimente unter Bedingungen, welche den reinen Vorgang des Prozesses sichern. Was ich in diesem Werk zu erforschen habe, ist die kapitalistische Produktionsweise und die ihr entsprechenden Produktions- und Verkehrsverhltnisse, Ihre klassische Sttte ist bis jetzt England. Dies der Grund, warum es zur Hauptillustra-tion meiner theoretischen Entwicklung dient. Sollte jedoch der deutsche Leser pharisisch die Achseln zucken ber die Zustnde der englischen Industrie- und ckerbauarbeiter oder sich optimistisch dabei beruhigen, da in Deutschland die Sachen noch lange nicht so schlimm stehn, so mu ich ihm zurufen: De te fabula narjfatur![3]

    An und fr sich handelt es sich nicht um den hheren oder niedrigeren Entwicklungsgrad der gesellschaftlichen Antagonismen, welche aus den Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion entspringen. Es handelt sich um diese Gesetze selbst, um diese mit eherner Notwendigkeit wirkenden und sich durchsetzenden Tendenzen. Das industriell entwickeltere Land zeigt dem minder entwickelten nur das Bild der eignen Zukunft.

    Aber abgesehn hiervon. Wo die kapitalistische Produktion vllig bei uns eingebrgert ist, z. B. in den eigentlichen Fabriken, sind die Zustnde viel schlechter als in England, weil das Gegengewicht der Fabrikgesetze fehlt. In allen andren Sphren qult uns, gleich dem ganzen brigen kon-tinentalen Westeuropa, nicht nur die Entwicklung der kapitalistischen Produktion, sondern auch der Mangel ihrer Entwicklung. Neben den

  • Kritik der politischen ekonomie.

    Voa

    Karl Marx,

    Erster Baad. Buch !: Der Produktionsprocess des Kepiiaft.

    Das BasJit du XTebersetanisisk voftehaBa.

    Hamburg Verlag von Otto Meissner.

    1867.

    Kgwr-Yatk: L. W. Schmidt. 24 Baidsr-Stree.

    Titelblatt der Erstausgabe

  • modernen Notstnden drckt uns eine ganze Reihe vererbter Notstnde, entspringend aus der Fortvegetation altertmlicher, berlebter Produk-tionsweisen, mit ihrem Gefolg von zeitwidrigen gesellschaftlichen und politischen Verhltnissen. Wir leiden nicht nur von den Lebenden, sondern auch von den Toten. Le mort saisit le vif!1*

    Im Vergleich zur englischen ist die soziale Statistik Deutschlands und des brigen kontinentalen Westeuropas elend. Dennoch lftet sie den Schleier grade genug, um hinter demselben ein Medusenhaupt ahnen zu lassen. Wir wrden vor unsren eignen Zustnden erschrecken, wenn unsre Regierungen und Parlamente, wie in England, periodische Untersuchungs-kommissionen ber die konomischen Verhltnisse bestallten, wenn diese Kommissionen mit derselben Machtvollkommenheit, wie in England, zur Erforschung der Wahrheit ausgerstet wrden, wenn es gelnge, zu diesem Behuf ebenso sachverstndige, unparteiische und rcksichtslose Mnner zu finden, wie die Fabrikinspektoren Englands sind, seine rztlichen Berichterstatter ber Public Health" (ffentliche Gesundheit), seine Untersuchungskommissre ber die Exploitation der Weiber und Kinder, ber Wohnungs- und Nahrungszustnde usw. Perseus brauchte eine Nebelkappe zur Verfolgung von Ungeheuern. Wir ziehen die Nebel-kappe tief ber Aug' und Ohr, um die Existenz der Ungeheuer wegleugnen zu knnen.

    Man mu sich nicht darber tuschen. Wie der amerikanische Un-abhngigkeitskrieg des 18. Jahrhunderts die Sturmglocke fr die euro-pische Mittelklasse lutete, so der amerikanische Brgerkrieg des 19. Jahr-hunderts fr die europische Arbeiterklasse. In England ist der Umwl-zungsproze mit Hnden greifbar. Auf einem gewissen Hhepunkt mu er auf den Kontinent rckschlagen. Dort wird er sich in brutaleren oder humaneren Formen bewegen, je nach dem Entwicklungsgrad der Arbeiter-klasse selbst. Von hheren Motiven abgesehn, gebietet also den jetzt herr-schenden Klassen ihr eigenstes Interesse die Wegrumung aller gesetzlich kontrollierbaren Hindernisse, welche die Entwicklung der Arbeiterklasse hemmen. Ich habe deswegen u.a. der Geschichte, dem Inhalt und den Resultaten der englischen Fabrikgesetzgebung einen so ausfhrlichen Platz in diesem Bande eingerumt. Eine Nation soll und kann von der andern lernen. Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist - und es ist der letzte Endzweck dieses Werks, das konomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu

    ** Der Tote packt den Lebenden!

  • enthllen-, kann sie naturgeme Entwicklungsphasen weder berspringen noch wegdekretieren. Aber sie kann die Geburtswehen abkrzen und mildern.

    Zur Vermeidung mglicher Miverstndnisse ein Wort. Die Gestalten von Kapitalist und Grundeigentmer zeichne ich keineswegs in rosigem Licht. Aber es handelt sich hier um die Personen nur, soweit sie die Personi-fikation konomischer Kategorien sind, Trger von bestimmten Klassen-verhltnissen und Interessen. Weniger als jeder andere kann mein Stand-punkt, der die Entwicklung der konomischen Gesellschaftsformation als einen naturgeschichtlichen Proze auffat, den einzelnen verantwortlich machen fr Verhltnisse, deren Geschpf er sozial bleibt, sosehr er sich auch subjektiv ber sie erheben mag.

    Auf dem Gebiete der politischen konomie begegnet die freie wissen-schaftliche Forschung nicht nur demselben Feinde wie auf allen anderen Gebieten. Die eigentmliche Natur des Stoffes, den sie behandelt, ruft wider sie die heftigsten, kleinlichsten und gehssigsten Leidenschaften der menschlichen Brust, die Furien des Privatinteresses, auf den Kampfplatz. Die englische Hochkirche z. B. verzeiht eher den Angriff auf 38 von ihren 39 Glaubensartikeln als auf V39 ihres Geldeinkommens. Heutzutage ist der Atheismus selbst eine culpa levis1*, verglichen mit der Kritik berlieferter Eigentumsverhltnisse. Jedoch ist hier ein Fortschritt unverkennbar. Ich verweise z.B. auf das in den letzten Wochen verffentlichte Blaubuch14

    Correspondence with Her Majesty's Missions Abroad, regarding Indus-trial Questions and Trades Unions". Die auswrtigen Vertreter der eng-lischen Krone sprechen es hier mit drren Worten aus, da in Deutschland, Frankreich, kurz allen Kulturstaaten des europischen Kontinents, eine Umwandlung der bestehenden Verhltnisse von Kapital und Arbeit ebenso fhlbar und ebenso unvermeidlich ist als in England. Gleichzeitig erklrte jenseits des Atlantischen Ozeans Herr Wade, Vizeprsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika, in ffentlichen Meetings: Nach Beseitigung der Sklaverei trete die Umwandlung der Kapital- und Grundeigentumsver-hltnisse auf die Tagesordnung I Es sind dies Zeichen der Zeit, die sich nicht verstecken lassen durch Purpurmntel oder schwarze Kutten. Sie be-deuten nicht, da morgen Wunder geschehen werden. Sie zeigen, wie selbst in den herrschenden Klassen die Ahnung aufdmmert, da die jetzige Gesellschaft kein fester Kristall, sondern ein umwandlungsfhiger und bestndig im Proze der Umwandlung begriffener Organismus ist.

    v* kleine Snde

  • Der zweite Band dieser Schrift wird den Zirkulationsproze des Kapi-tals (Buch II) und die Gestaltungen des Gesamtprozesses (Buch III), der abschlieende dritte (Buch IV) die Geschichte der Theorie behandeln.

    Jedes Urteil wissenschaftlicher Kritik ist mir willkommen. Gegenber den Vorurteilen der sog. ffentlichen Meinung, der ich nie Konzessionen gemacht habe, gilt mir nach wie vor der Wahlspruch des groen Floren-tiners:

    Segui il tuo corso, e lascia dir le genti![5]

    London, 25. Juli 1867 Karl Marx

  • Nachwort zur zweiten Auflage161

    Den Lesern der ersten Ausgabe habe ich zunchst Ausweis zu geben ber die in der zweiten Ausgabe gemachten Vernderungen. Die bersicht-lichere Einteilung des Buchs springt ins Auge. Zustzliche Noten sind ber-all als Noten zur zweiten Ausgabe bezeichnet. Mit Bezug auf den Text selbst ist das Wichtigste:

    Kapitel I, 1 ist die Ableitung des Werts durch Analyse der Gleichungen, worin sich jeder Tauschwert ausdrckt, wissenschaftlich strenger durch-gefhrt, ebenso der in der ersten Ausgabe nur angedeutete Zusammenhang zwischen der Wertsubstanz und der Bestimmung der Wertgre durch gesellschaftlich-notwendige Arbeitszeit ausdrcklich hervorgehoben. Kapi-tel I, 3 (Die Wertform) ist gnzlich umgearbeitet, was schon die doppelte Darstellung der ersten Ausgabe gebot. - Im Vorbeigehn bemerke ich, da jene doppelte Darstellung durch meinen Freund, Dr. L. Kugelmann in Hannover, veranlat ward. Ich befand mich bei ihm zum Besuch im Frh-ling 1867, als die ersten Probebogen von Hamburg ankamen, und er ber-zeugte mich, da fr die meisten Leser eine nachtrgliche, mehr didak-tische Auseinandersetzung der Wertform ntig sei. - Der letzte Abschnitt des ersten Kapitels, Der Fetischcharakter der Ware etc.", ist groenteils verndert. Kapitel III, 1 (Ma der Werte) ist sorgfltig revidiert, weil dieser Abschnitt in der ersten Ausgabe, mit Hinweis auf die Zur Kritik der Polit. Oek.", Berlin 1859, bereits gegebne Auseinandersetzung, nachlssig behandelt war. Kapitel VII, besonders Teil 2, ist bedeutend umgearbeitet.

    Es wre nutzlos, auf die stellenweisen Textnderungen, oft nur sti-listisch, im einzelnen einzugehn. Sie erstrecken sich ber das ganze Buch. Dennoch finde ich jetzt bei Revision der zu Paris erscheinenden franzsi-schen bersetzung, da manche Teile des deutschen Originals hier mehr durchgreifende Umarbeitung, dort grere stilistische Korrektur oder auch sorgfltigere Beseitigung gelegentlicher Versehn erheischt htten. Es fehlte

  • dazu die Zeit, indem ich erst im Herbst 1871, mitten unter andren dringen-den Arbeiten die Nachricht erhielt, da das Buch vergriffen sei, der Druck der zweiten Ausgabe aber bereits im Januar 1872 beginnen sollte.

    Das Verstndnis, welches Das Kapital" rasch in weiten Kreisen der deutschen Arbeiterklasse fand, ist der beste Lohn meiner Arbeit. Ein Mann, konomisch auf dem Bourgeois Standpunkt, Herr Mayer, Wiener Fabrikant, tat in einer whrend des deutsch-franzsischen Kriegs verffent-lichten Broschre treffend dar, da der groe theoretische Sinn, der als deutsches Erbgut galt, den sog. gebildeten Klassen Deutschlands durchaus abhanden gekommen ist, dagegen in seiner Arbeiterklasse neu auflebt.

    Die politische konomie blieb in Deutschland bis zu dieser Stunde eine auslndische Wissenschaft. Gustav von Glich hat in Geschichtliche Dar-stellung des Handels, der Gewerbe usw.", namentlich in den 1830 heraus-gegebnen zwei ersten Bnden seines Werkes, groenteils schon die histo-rischen Umstnde errtert, welche die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise bei uns hemmten, daher auch den Aufbau der modernen brgerlichen Gesellschaft. Es fehlte also der lebendige Boden der politi-schen konomie. Sie ward als fertige Ware importiert aus England und Frankreich; ihre deutschen Professoren blieben Schler. Der theoretische Ausdruck einer fremden Wirklichkeit verwandelte sich unter ihrer Hand in eine Dogmensammlung, von ihnen gedeutet im Sinn der sie umgebenden kleinbrgerlichen Welt, also mideutet. Das nicht ganz unterdrckbare Gefhl wissenschaftlicher Ohnmacht und das unheimliche Gewissen, auf einem in der Tat fremdartigen Gebiet schulmeistern zu mssen, suchte man zu verstecken unter dem Prunk literarhistorischer Gelehrsamkeit oder durch Beimischung fremden Stoffes, entlehnt den sog. Kameralwissenschaften, einem Mischmasch von Kenntnissen, deren Fegfeuer der hoffnungsvolle1* Kandidat deutscher Brokratie zu bestehn hat.

    Seit 1848 hat sich die kapitalistische Produktion rasch in Deutschland entwickelt und treibt heutzutage bereits ihre Schwindelblte. Aber unsren Fachleuten blieb das Geschick gleich abhold. Solange sie politische ko-nomie unbefangen treiben konnten, fehlten die modernen konomischen Verhltnisse in der deutschen Wirklichkeit. Sobald diese Verhltnisse ins Leben traten, geschah es unter Umstnden, welche ihr unbefangenes Stu-dium innerhalb des brgerlichen Gesichtskreises nicht lnger zulassen. Soweit sie brgerlich ist, d. h. die kapitalistische Ordnung statt als geschicht-lich vorbergehende Entwicklungsstufe, umgekehrt als absolute und letzte

    ** 3. und 4. Auflage: hoffnungslose

  • Gestalt der gesellschaftlichen Produktion auffat, kann die politische ko-nomie nur Wissenschaft bleiben, solange der Klassenkampf latent bleibt oder sich in nur vereinzelten Erscheinungen offenbart.

    Nehmen wir England. Seine klassische politische konomie fllt in die Periode des unentwickelten Klassenkampfs. Ihr letzter groer Reprsen-tant, Ricardo, macht endlich bewut den Gegensatz der Klasseninteressen, des Arbeitslohns und des Profits, des Profits und der Grundrente, zum Springpunkt seiner Forschungen, indem er diesen Gegensatz naiv als ge-sellschaftliches Naturgesetz auffat. Damit war aber auch die brgerliche Wissenschaft der konomie bei ihrer unberschreitbaren Schranke an-gelangt. Noch bei Lebzeiten Ricardos und im Gegensatz zu ihm trat ihr in der Person Sismondis die Kritik gegenber.1

    Die nachfolgende Zeit von 1820-1830 zeichnet sich in England aus durch wissenschaftliche Lebendigkeit auf dem Gebiet der politischen ko-nomie. Es war die Periode wie der Vulgarisierung und Ausbreitung der Ricardoschen Theorie, so ihres Kampfes mit der alten Schule. Es wurden glnzende Turniere gefeiert. Was damals geleistet worden, ist dem euro-pischen Kontinent wenig bekannt, da die Polemik groenteils in Revue-artikeln, Gelegenheitsschriften und Pamphlets zerstreut ist. Der un-befangne Charakter dieser Polemik - obgleich die Ricardosche Theorie ausnahmsweise auch schon als Angriffswaffe wider die brgerliche Wirt-schaft dient - erklrt sich aus den Zeitumstnden. Einerseits trat die groe Industrie selbst nur aus ihrem Kindheitsalter heraus, wie schon dadurch bewiesen ist, da sie erst mit der Krise von 1825 den periodischen Kreislauf ihres modernen Lebens erffnet. Andrerseits blieb der Klassenkampf zwi-schen Kapital und Arbeit in den Hintergrund gedrngt, politisch durch den Zwist zwischen den um die Heilige Allianz geschalten Regierungen und Feudalen und der von der Bourgeoisie gefhrten Volksmasse, konomisch durch den Hader des industriellen Kapitals mit dem aristokratischen Grundeigentum, der sich in Frankreich hinter dem Gegensatz von Par-zelleneigentum und groem Grundbesitz verbarg, in England seit den Korngesetzen offen ausbrach. Die Literatur der politischen konomie in England erinnert whrend dieser Periode an die konomische Sturm- und Drangperiode in Frankreich nach Dr. Quesnays Tod, aber nur wie ein Altweibersommer an den Frhling erinnert. Mit dem Jahr 1830 trat die ein fr allemal entscheidende Krise ein.

    1 Siehe meine Schrift Zur Kritik etc.", p.39.1*

  • Die Bourgeoisie hatte in Frankreich und England politische Macht er-obert. Von da an gewann der Klassenkampf, praktisch und theoretisch, mehr und mehr ausgesprochne und drohende Formen. Er lutete die Toten-glocke der wissenschaftlichen brgerlichen konomie. Es handelte sich jetzt nicht mehr darum, ob dies oder jenes Theorem wahr sei, sondern ob es dem Kapital ntzlich oder schdlich, bequem oder unbequem, ob polizeiwidrig oder nicht. An die Stelle uneigenntziger Forschung trat bezahlte Klopffechterei, an die Stelle unbefangner wissenschaftlicher Unter-1

    suchung das bse Gewissen und die schlechte Absicht der Apologetik. Indes selbst die zudringlichen Trakttchen, welche die Anti-Corn-Law Leaguec?1, mit den Fabrikanten Cobden und Bright an der Spitze, in die Welt schleuderte, boten, wenn kein wissenschaftliches, doch ein histori-sches Interesse durch ihre Polemik gegen die grundeigentmliche Aristo-kratie. Auch diesen letzten Stachel zog die Freihandelsgesetzgebung seit Sir Robert Peel der Vulgr konomie aus.

    Die kontinentale Revolution von 1848 schlug auch auf England zurck. Mnner, die noch wissenschaftliche Bedeutung beanspruchten und mehr sein wollten als bloe Sophisten und Sykophanten der herrschenden Klas-sen, suchten die politische konomie des Kapitals in Einklang zu setzen mit den jetzt nicht lnger zu ignorierenden Ansprchen des Proletariats. Daher ein geistloser Synkretismus, wie ihn John Stuart Mill am besten reprsentiert. Es ist eine Bankrotterklrung der brgerlichen" konomie, welche der groe russische Gelehrte und Kritiker N.Tschernyschewski in seinem Werk Um-risse der politischen konomie nach Mill" bereits meisterhaft beleuchtet hat.

    In Deutschland kam also die kapitalistische Produktionsweise zur Reife, nachdem ihr antagonistischer Charakter sich in Frankreich und England schon durch geschichtliche Kmpfe geruschvoll offenbart hatte, whrend das deutsche Proletariat bereits ein viel entschiedneres theoretisches Klassen- bewutsein besa als die deutsche Bourgeoisie. Sobald eine brgerliche Wissenschaft der politischen konomie hier mglich zu werden schien, war sie daher wieder unmglich geworden.

    Unter diesen Umstnden teilten sich ihre Wortfhrer in zwei Reihen. Die einen, kluge, erwerbslustige, praktische Leute, scharten sich um die Fahne Bastiats, des flachsten und daher gelungensten Vertreters vulgr-konomischer Apologetik; die andren, stolz auf die Professoralwrde ihrer Wissenschaft, folgten J. St. Mill in dem Versuch, Unvershnbares zu ver-shnen. Wie zur klassischen Zeit der brgerlichen konomie blieben die Deutschen auch zur Zeit ihres Verfalls bloe Schler, Nachbeter und Nach-treten Kleinhausierer des auslndischen Grogeschfts.

  • Die eigentmliche historische Entwicklung der deutschen Gesellschaft schlo hier also jede originelle Fortbildung der brgerlichen" konomie aus, aber nicht deren - Kritik. Soweit solche Kritik berhaupt eine Klasse vertritt, kann sie nur die Klasse vertreten, deren geschichtlicher Beruf die Umwlzung der kapitalistischen Produktionsweise und die schlieliche Abschaffung der Klassen ist - das Proletariat.

    Die gelehrten und ungelehrten Wortfhrer der deutschen Bourgeoisie haben Das Kapital" zunchst totzuschweigen versucht, wie ihnen das mit meinen frhem Schriften gelungen war. Sobald diese Taktik nicht lnger den Zeitverhltnissen entsprach, schrieben sie, unter dem Vorwand, mein Buch zu kritisieren, Anweise Zur Beruhigung des brgerlichen Bewut-seins", fanden aber in der Arbeiterpresse - sieh z. B. Joseph Dietzgens Auf-stze im Volksstaat"[8] - berlegene Kmpen, denen sie die Antwort bis heute schuldig.1

    Eine treffliche russische Ubersetzung des Kapitals" erschien im Frh-ling 1872 zu Petersburg. Die Auflage von 3000 Exemplaren ist jetzt schon beinahe vergriffen. Bereits 1871 hatte Herr N. Sieber (3n6epi>), Professor der politischen konomie an der Universitt zu Kiew, in seiner Schrift: Teopin u^hi iocth h K a m i T a j i a fl. P i i K a p o " (D.Ricardos Theorie des Werts und des Kapitals etc.") meine Theorie des Werts, des Geldes und des Kapitals in ihren Grundzgen als notwendige Fortbildung der Smith-Ricardoschen Lehre nachgewiesen. Was den Westeuroper beim Lesen seines gediegnen Buchs berrascht, ist das konsequente Festhalten des rein theoretischen Standpunkts.

    1 D ie breimuligen Faselhnse der deu t schen Vulgrkonomie schel ten Sti l u n d Dars te l lung meiner Schr i f t . N i e m a n d kann die l i terar ischen Mnge l des Kapi ta l" strenger beurtei len als ich selbst. D e n n o c h will ich, zu N u t z u n d F r e u d dieser H e r r e n u n d ihres Publ ikums, hier ein englisches u n d ein russisches Ur te i l z i t ieren. D i e meinen Ansichten durchaus feindliche Sa turday Review" sagte in ihrer Anzeige der ersten deutschen Ausgabe: Lhe Dars te l lung verleiht auch d e n t rockens ten konomischen Fragen einen eignen Reiz (charm)". D i e G.-.B'feHOMOCTH" (St . -Pe tersburger Zei tung) bemerkt in ihrer N u m m e r vom 20.Apr i l 1872 u . a . : Die Dars te l lung mi t A u s n a h m e weniger zu spezieller Tei le zeichnet sich aus du rch Allgemeinvers tndl ichkei t , K l a r -heit und , trotz der wissenschaft l ichen H h e des Gegens tands , ungewhnl iche L e b e n -digkeit. In dieser Hins icht gleicht der Verfasser . . . auch n icht von fern der Mehrzah l deutscher Gelehr ten , die . . . ihre Bcher in so verf ins ter ter u n d t rockner Sprache schreiben, da gewhnlichen Sterbl ichen de r Kopf davon kracht . " D e n Lese rn der zeitlufigen deutsch-national-l iberalen Professoral l i teratur kracht jedoch etwas ganz andres als der Kopf .

  • KPHTIIKA. HOIIIMECIOl 9K0H0III.

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    HAPJ1A M A P B Q J L

    f l E P E B O A ~ t i (Tb Ht>MEI4KArO.

    TOMS n E P B K t

    SEHTAI. DPOKECCLIIP0H3B0CXM 1MIITM.

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    C-nETEPETPFl. H3AHIE IL H. HOMKOB-

    S 7 S

    Titelblatt der ersten russischen Ausgabe des ersten Bandes des Kapitals"

  • Die im Kapital" angewandte Methode ist wenig verstanden worden, wie schon die einander widersprechenden Auffassungen derselben beweisen.

    So wirft mir die Pariser Revue Positiviste"t9] vor, einerseits, ich be-handle die konomie metaphysisch, andrerseits - man rate! ich be-schrnke mich auf blo kritische Zergliederung des Gegebnen, statt Rezepte (comtistische?) fr die Garkche der Zukunft zu verschreiben. Gegen den Vorwurf der Metaphysik bemerkt Prof. Sieber:

    Soweit es sich um die eigentliche Theorie handelt, ist die Methode von Marx die deduktive Methode der ganzen englischen Schule, deren Mngel und Vorzge den besten theoretischen konomisten gemein sind."^10^

    Herr M, Block - Les Theo.riciens du Socialisme en Allemagne. Extrait du Journal des liconomistes, juillet et aot 1872" - entdeckt, da meine Methode analytisch ist, und sagt u.a. :

    Par cet ovrage M. Marx se classe parmi les esprits analytiques les plus eminents

    Die deutschen Rezensenten schreien natrlich ber Hegeische Sophistik. Der Petersburger B^CTHHKI. Epo i ra" (Europischer Bote), in einem Artikel, der ausschlielich die Methode des Kapital" behandelt (Mai-nummer 1872, p. 427-436), findet meine Forschungsmethode streng reali-stisch, die Darstellungsmethode aber unglcklicherweise deutsch-dialek-tisch. Er sagt:

    Auf den ersten Blick, wenn man nach der uern Form der Darstellung urteilt, ist Marx der grte Idealphilosoph, und zwar im deutschen, d.h. schlechten Sinn des Wortes. In der Tat aber ist er unendlich mehr Realist als alle seine Vorgnger im Ge-schft der konomischen Kritik . . . Man kann ihn in keiner Weise einen Idealisten nennen."

    Ich kann dem Herrn Verfasser2* nicht besser antworten als durch einige Auszge aus seiner eignen Kritik, die zudem manchen meiner Leser, dem das russische Original unzugnglich ist, interessieren mgen.

    Nach einem Zitat aus meiner Vorrede zur Kritik der Pol. Oek.", Berlin 1859, p. IV-VII3*, wo ich die materialistische Grundlage meiner Methode errtert habe, fhrt der Herr Verfasser fort:

    Fr Marx ist nur eins wichtig: das Gesetz der Phnomene zu finden, mit deren Untersuchung er sich beschftigt. Und ihm ist nicht nur das Gesetz wichtig, das sie beherrscht, soweit sie eine fertige Form haben und in einem Zusammenhang stehn, wie er in einer gegebnen Zeitperiode beobachtet wird. Fr ihn ist noch vor allem wichtig

    x* Durch dieses Werk reiht sich Herr Marx unter die bedeutendsten analytischen Den-ker ein." - 8* I. I. Kaufman - 3* siehe Band 13 unserer Ausgabe, S.8-10

  • das Gesetz ihrer Vernderung, ihrer Entwicklung, d.h. der bergang aus einer Form in die andre, aus einer Ordnung des Zusammenhangs in eine andre. Sobald er einmal dies Gesetz entdeckt hat, untersucht er im Detail die Folgen, worin es sieh im gesellschaftlichen Leben kundgibt... Demzufolge bemht sich Marx nur um eins: durch genaue wissenschaftliche Untersuchung die Notwendigkeit bestimmter Ord-nungen der gesellschaftlichen Verhltnisse nachzuweisen und soviel als mglich un-tadelhaft die Tatsachen zu konstatieren, die ihm zu Ausgangs- und Sttzpunkten dienen. Hierzu ist vollstndig hinreichend, wenn er mit der Notwendigkeit der gegen-wrtigen Ordnung zugleich die Notwendigkeit einer andren Ordnung nachweist, worin die erste unvermeidlich bergehn mu, ganz gleichgltig, ob die Menschen das glauben oder nicht glauben, ob sie sich dessen bewut oder nicht bewut sind. Marx betrachtet die gesellschaftliche Bewegung als einen naturgeschichtlichen Proze, den Gesetze lenken, die nicht nur von dem Willen, dem Bewutsein und der Absicht der Menschen unabhngig sind, sondern vielmehr umgekehrt deren Wollen, Bewutsein und Absich-ten bestimmen... Wenn das bewute Element in der Kulturgeschichte eine so unter-geordnete Rolle spielt, dann versteht es sich von selbst, da die Kritik, deren Gegen-stand die Kultur selbst ist, weniger als irgend etwas andres, irgendeine Form oder irgendein Resultat des Bewutseins zur Grundlage haben kann. Das heit, nicht die Idee, sondern nur die uere Erscheinung kann ihr als Ausgangspunkt dienen. Die Kritik wird sich beschrnken auf die Vergleichung und Konfrontierung einer Tatsache, nicht mit der Idee, sondern mit der andren Tatsache. Fr sie ist es nur wichtig, da beide Tatsachen mglichst genau untersucht werden und wirklich die eine gegenber der andren verschiedne Entwicklungsmomente bilden, vor allem aber wichtig, da nicht minder genau die Serie der Ordnungen erforscht wird, die Aufeinanderfolge und Verbindung, worin die Entwicklungsstufen erscheinen. Aber, wird man sagen, die all-gemeinen Gesetze des konomischen Lebens sind ein und dieselben; ganz gleichgltig, ob man sie auf Gegenwart oder Vergangenheit anwendet. Grade das leugnet Marx. Nach ihm existieren solche abstrakte Gesetze nicht... Nach seiner Meinung besitzt im Gegenteil jede historische Periode ihre eignen Gesetze... Sobald das Leben eine ge-gebene Entwicklungsperiode berlebt hat, aus einem gegebnen Stadium in ein andres bertritt, beginnt es auch durch andre Gesetze gelenkt zu werden. Mit einem Wort, das konomische Leben bietet uns eine der Entwicklungsgeschichte auf andren Gebieten der Biologie analoge Erscheinung... Die alten konomen verkannten die Natur ko-nomischer Gesetze, als sie dieselben mit den Gesetzen der Physik und Chemie ver-glichen ... Eine tiefere Analyse der Erscheinungen bewies, da soziale Organismen sich voneinander ebenso grndlich unterscheiden als Pflanzen- und Tierorganismen... ja, eine und dieselbe Erscheinung unterliegt ganz und gar verschiednen Gesetzen infolge des verschiednen Gesamtbaus jener Organismen, der Abweichung ihrer einzelnen Organe, des Unterschieds der Bedingungen, worin sie funktionieren usw. Marx leugnet z.B., da das Bevlkerungsgesetz dasselbe ist zu allen Zeiten und an allen Orten. Er versichert im Gegenteil, da jede Entwicklungsstufe ihr eignes Bevlkerungsgesetz hat... Mit der verschiednen Entwicklung der Produktivkraft ndern sich die Verhlt-nisse und die sie regelnden Gesetze. Indem sich Marx das Ziel stellt, von diesem Ge-

  • sichtspunkt aus die kapitalistische Wirtschaftsordnung zu erforschen und zu erklren, formuliert er nur streng wissenschaftlich das Ziel, welches jede genaue Untersuchung des konomischen Lebens haben mu... Der wissenschaftliche Wert solcher Forschung liegt in der Aufklrung der besondren Gesetze, welche Entstehung, Existenz, Entwick-lung, Tod eines gegebenen gesellschaftlichen Organismus und seinen Ersatz durch einen andren, hheren regeln. Und diesen Wert hat in der Tat das Buch von Marx."

    Indem der Herr Verfasser das, was er meine wirkliche Methode nennt, so treffend und, soweit meine persnliche Anwendung derselben in Betracht kommt, so wohlwollend schildert, was andres hat er geschildert als die dialektische Methode?

    Allerdings mu sich die Darstellungsweise formell von der Forschungs-weise unterscheiden. Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueig-nen, seine verschiednen Entwicklungsformen zu analysieren und deren innres Band aufzuspren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden. Gelingt dies und spiegelt sich nun das Leben des Stoffs ideell wider, so mag es aussehn, als habe man es mit einer Konstruktion a priori zu tun.

    Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegeischen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil. Fr Hegel ist der Denkproze, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbstndiges Subjekt verwandelt, der Demiurg des Wirklichen, das nur seine uere Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und bersetzte Materielle.

    Die mystifizierende Seite der Hegeischen Dialektik habe ich vor bei-nah 30 Jahren, zu einer Zeit kritisiert, wo sie noch Tagesmode war. Aber grade als ich den ersten Band des Kapital" ausarbeitete, gefiel sich das verdrieliche, anmaliche und mittelmige Epigonentum[11], welches jetzt im gebildeten Deutschland das groe Wort fhrt, darin, Hegel zu behandeln, wie der brave Moses Mendelssohn zu Lessings Zeit den Spinoza behandelt hat, nmlich als toten Hund". Ich bekannte mich daher offen als Schler jenes groen Denkers und kokettierte sogar hier und da im Kapitel ber die Werttheorie mit der ihm eigentmlichen Ausdrucksweise. Die Mystifikation, welche die Dialektik in Hegels Hnden erleidet, ver-hindert in keiner Weise, da er ihre allgemeinen Bewegungsformen zuerst in umfassender und bewuter Weise dargestellt hat. Sie steht bei ihm auf dem Kopf. Man mu sie umstlpen, um den rationellen Kern in der mysti-schen Hlle zu entdecken.

    In ihrer mystifizierten Form ward die Dialektik deutsche Mode, weil sie das Bestehende zu verklren schien. In ihrer rationellen Gestalt ist sie

  • dem Brgertum und seinen doktrinren Wortfhrern ein rgernis und ein Greuel weil sie in dem positiven Verstndnis des Bestehenden zugleich auch das Verstndnis seiner Negation, seines notwendigen Untergangs einschliet, jede gewordne Form im Flusse der Bewegung, also auch nach ihrer vergnglichen Seite auffat, sich durch nichts imponieren lt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionr ist.

    Die widerspruchsvolle Bewegung der kapitalistischen Gesellschaft macht sich dem praktischen Bourgeois am schlagendsten fhlbar in den Wechselfllen des periodischen Zyklus, den die moderne Industrie durch-luft, und deren Gipfelpunkt - die allgemeine Krise. Sie ist wieder im An-marsch, obgleich noch begriffen in den Vorstadien, und wird durch die Allseitigkeit ihres Schauplatzes, wie die Intensitt ihrer Wirkung, selbst den Glckspilzen des neuen heiligen, preuisch-deutschen Reichs Dialektik einpauken.

    London, 24. Januar 1873 Karl Marx

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  • Vor- und Nachwort zur franzsischen Ausgabe

    London, 18. Mrz 1872 An den Brger Maurice La Chtre Werter Brger! Ich begre Ihre Idee, die Ubersetzung des Kapitals" in periodischen

    Lieferungen herauszubringen. In dieser Form wird das Werk der Arbeiter-klasse leichter zugnglich sein, und diese Erwgung ist fr mich wichtiger als alle anderen.

    Das ist die Vorderseite Ihrer Medaille, aber hier ist auch die Kehr-seite: Die Untersuchungsmethode, deren ich mich bedient habe und die auf konomische Probleme noch nicht angewandt wurde, macht die Lektre der ersten Kapitel ziemlich schwierig, und es ist zu befrchten, da das franzsische Publikum, stets ungeduldig nach dem Ergebnis und begierig, den Zusammenhang zwischen den allgemeinen Grundstzen und den Fragen zu erkennen, die es unmittelbar bewegen, sich abschrecken lt, weil es nicht sofort weiter vordringen kann.

    Das ist ein Nachteil, gegen den ich nichts weiter unternehmen kann, als die nach Wahrheit strebenden Leser von vornherein darauf hinzuweisen und gefat zu machen. Es gibt keine Landstrae fr die Wissenschaft, und nur diejenigen haben Aussicht, ihre lichten Hhen zu erreichen, die die Mhe nicht scheuen, ihre steilen Pfade zu erklimmen.

    Karl Marx

    An den Leser

    Herr J.Roy hat es unternommen, eine so genaue und selbst wrtliche bersetzung wie mglich zu geben; er hat seine Aufgabe peinlich genau erfllt. Aber gerade seine peinliche Genauigkeit hat mich gezwungen, die

  • Fassung zu ndern, um sie dem Leser zugnglicher zu machen. Diese nderungen, die von Tag zu Tag gemacht wurden, da das Buch in Liefe-rungen erschien, sind mit ungleicher Sorgfalt ausgefhrt worden und mu-ten Stilungleichheiten hervorrufen.

    Nachdem ich mich dieser Revisionsarbeit einmal unterzogen hatte, bin ich dazu gekommen, sie auch auf den zugrunde gelegten Originaltext an-zuwenden (die zweite deutsche Ausgabe), einige Errterungen zu ver-einfachen, andre zu vervollstndigen, ergnzendes historisches oder stati-stisches Material zu geben, kritische Bemerkungen hinzuzufgen etc. Wel-ches auch die literarischen Mngel dieser franzsischen Ausgabe sein mgen, sie besitzt einen wissenschaftlichen Wert unabhngig vom Original und sollte selbst von Lesern herangezogen werden, die der deutschen Sprache mchtig sind.

    Ich gebe weiter unten die Stellen des Nachworts zur zweiten deutschen Ausgabe, die sich mit der Entwicklung der politischen konomie in Deutschland und der in diesem Werk angewandten Methode befassen.1*

    London, 28. April 1875 Karl Marx

  • Zur dritten Auflage

    Es war Marx nicht vergnnt, diese dritte Auflage selbst druckfertig zu machen. Der gewaltige Denker, vor dessen Gre sieh jetzt auch die Gegner neigen, starb am 14. Mrz 1883.

    Auf mich, der ich in ihm den vierzigjhrigen, besten, unverbrchlich-sten Freund verlor, den Freund, dem ich mehr verdanke, als sich mit Wor-ten sagen lt, auf mich fiel nun die Pflicht, die Herausgabe sowohl dieser dritten Auflage wie des handschriftlich hinterlassenen zweiten Bandes zu besorgen. Wie ich den ersten Teil dieser Pflicht erfllt, darber bin ich dem Leser hier Rechenschaft schuldig.

    Marx hatte anfangs vor, den Text des ersten Bandes groenteils Um-zuarbeiten, manche theoretischen Punkte schrfer zu fassen, neue einzu-fgen, das geschichtliche und statistische Material bis auf die neueste Zeit zu ergnzen. Sein Krankheitszustand und der Drang, zur Schluredaktion des zweiten Bandes zu kommen, lieen ihn hierauf verzichten. Nur das Ntigste sollte gendert, nur die Zustze eingefgt werden, die die in-zwischen erschienene franzsische Ausgabe (Le Capital. Par Karl Marx", Paris, Lachatre I873[12]) schon enthielt.

    Im Nachla fand sich denn auch ein deutsches Exemplar, das voii ihm stellenweise korrigiert und mit Hinweisen auf die franzsische Ausgabe versehen war; ebenso ein franzsisches, worin er die zu benutzenden Stellen genau bezeichnet hatte. Diese nderungen und Zustze beschrnken sich, mit wenigen Ausnahmen, auf den letzten Teil des Buchs, den Abschnitt: Der Akkumulationsproze des Kapitals. Hier folgte der bisherige Text mehr als sonst dem ursprnglichen Entwurf, whrend die frheren Ab-schnitte grndlicher berarbeitet waren. Der Stil war daher lebendiger, mehr aus einem Gu, aber auch nachlssiger, mit Anglizismen versetzt, stellenweise undeutlich; der Entwicklungsgang bot hier und da Lcken* in-dem einzelne wichtige Momente nur angedeutet waren.

    3 Marx, Kapital I

  • Was den Stil betrifft, so hatte Marx mehrere Unterabschnitte selbst grndlich revidiert und mir darin, sowie in hufigen mndlichen Andeu-tungen, das Ma gegeben, wie weit ich gehn durfte in der Entfernung eng-lischer technischer Ausdrcke und sonstiger Anglizismen. Die Zustze und Ergnzungen htte Marx jedenfalls noch berarbeitet und das glatte Fran-zsisch durch sein eignes gedrungenes Deutsch ersetzt: ich mute mich begngen, sie unter mglichstem Anschlu an den ursprnglichen Text zu bertragen.

    Es ist also in dieser dritten Auflage kein Wort gendert, von dem ich nicht bestimmt wei, da der Verfasser selbst es gendert htte. Es konnte mir nicht in den Sinn kommen, in das Kapital" den landlufigen Jargon einzufhren, in Welchem deutsche konomen sich auszudrcken pflegen, jenes Kauderwelsch, worin z.B. derjenige, der sich fr bare Zahlung von andern ihre Arbeit geben lt, der Arbeitgeber heit, und Arbeit nehmer der-jenige, dessen Arbeit ihm fr Lohn abgenommen wird. Auch im Franz-sischen wird travail im gewhnlichen Leben im Sinn von Beschftigung" gebraucht. Mit Recht aber wrden die Franzosen den konomen fr ver-rckt halten, der den Kapitalisten donneur de travail, und den Arbeiter receveur de travail nennen wollte.

    Ebensowenig habe ich mir erlaubt, das im Text durchweg gebrauchte englische Geld, Ma und Gewicht auf seine neudeutschen quivalente zu reduzieren. Als die erste Auflage erschien, gab es in Deutschland so viel Arten von Ma und Gewicht wie Tage im Jahr, dazu zweierlei Mark (die Reichsmark galt damals nur im Kopf Setbeers, der sie Ende der dreiiger Jahre erfunden), zweierlei Gulden und mindestens dreierlei Taler, dar-unter einer, dessen Einheit das neue Zweidrittel"[13] war. In der Natur-wissenschaft herrschte metrisches, auf dem Weltmarkt englisches Ma und Gewicht. Unter solchen Umstnden waren englische Maeinheiten selbst-verstndlich fr ein Buch, das seine tatschlichen Belege fast ausschlielich aus englischen industriellen Verhltnissen zu nehmen gentigt war. Und dieser letzte Grund bleibt auch noch heute entscheidend, um so mehr, als die bezglichen Verhltnisse auf dem Weltmarkt sich kaum gendert haben und namentlich fr die ausschlaggebenden Industrien - Eisen und Baumwolle - englisches Ma und Gewicht noch heute fast ausschlielich herrscht.

    Schlielich noch ein Wort ber Marx' wenig verstandne Art zu zitieren. Bei rein tatschlichen Angaben und Schilderungen dienen die Zitate, z.B. aus den englischen Blaubchern, selbstredend als einfache Belegstellen. Anders aber da, wo theoretische Ansichten andrer konomen zitiert wer-

  • den. Hier soll das Zitat nur feststellen, wo, wann und von wem ein im Lauf der Entwicklung sich ergebender konomischer Gedanke zuerst klar aus-gesprochen ist. Wobei es nur darauf ankommt, da die fragliche kono-mische Vorstellung fr die Geschichte der Wissenschaft Bedeutung hat, da sie der mehr oder weniger adquate theoretische Ausdruck der kono-mischen Lage ihrer Zeit ist. Ob aber diese Vorstellung fr den Standpunkt des Verfassers noch absolute oder relative Geltung hat, oder ob sie bereits ganz der Geschichte verfallen, darauf kommt es ganz und gar nicht an. Diese Zitate bilden also nur einen der Geschichte der konomischen Wissenschaft entlehnten laufenden Kommentar zum Text und stellen die einzelnen wichtigeren Fortschritte der konomischen Theorie nach Datum und Ur-heber fest. Und das war sehr ntig in einer Wissenschaft, deren Geschicht-schreiber bisher nur durch tendenzise, fast streberhafte Unwissenheit sich auszeichnen. - Man wird es nun auch begreiflich finden, weshalb Marx, im Einklang mit dem Nachwort zur zweiten Ausgabe, nur ganz ausnahmsweis deutsche konomen anzufhren in den Fall kommt.

    Der zweite Band wird hoffentlich im Laufe des Jahres 1884 erscheinen knnen.

    London, 7. Novbr. 1883 Friedrich Engels

  • Vorwort zur englischen Ausgabe

    Die Verffentlichung einer englischen Ausgabe des Kapital" bedarf keiner Rechtfertigung. Im Gegenteil, es kann eine Erklrung darber er-wartet werden, warum diese englische Ausgabe bis jetzt verzgert worden ist, wenn man sieht, da seit einigen Jahren die in diesem Buch vertretenen Theorien in der periodischen Presse und Tagesliteratur sowohl Englands wie Amerikas stndig erwhnt, angegriffen und verteidigt, erklrt und mi-deutet wurden.

    Als es, bald nach dem Tode des Verfassers im Jahre 1883, klar wurde, da eine englische Ausgabe des Werkes wirklich bentigt wurde, erklrte sich Herr Samuel Moore, ein langjhriger Freund Marx' und des Schrei-bers dieser Zeilen, und mit dem Buch selbst vertrauter vielleicht als irgend jemand, dazu bereit, die Ubersetzung zu bernehmen, die es die literari-schen Testamentsvollstrecker von Marx drngte, der ffentlichkeit vor-zulegen. Es wurde vereinbart, da ich das Manuskript mit dem Original vergleichen und solche nderungen vorschlagen sollte, die ich fr rat-' sam hielte. Als es sich nach und nach herausstellte, da seine beruflichen Beschftigungen Herrn Moore hinderten, die bersetzung so schnell fertigzustellen, wie wir alle wnschten, nahmen wir freudig das Angebot Dr.Avelings an, einen Teil der Arbeit zu bernehmen; gleichzeitig erbot sich Frau Aveling, Marx* jngste Tochter, die Zitate zu kontrollieren und den Originaltext der zahlreichen, englischen Autoren und Blaubchern entnommenen und von Marx ins Deutsche bersetzten Stellen wiederher-zustellen. Das ist durchgngig geschehen bis auf einige unvermeidbare Ausnahmen.

    Folgende Teile des Buches sind von Dr. Aveling bersetzt worden: 1. Die Kapitel X (Der Arbeitstag) und XI (Rate und Masse des Mehr-werts); 2. der Abschnitt VI (Der Arbeitslohn, umfassend die Kapitel XIX bis XXII); 3. von Kapitel XXIV, Abteilung 4 (Umstnde, welche usw.) bis

  • zum Ende des Buches, umfassend den letzten Teil von Kapitel XXIV, Ka-pitel XXVund den ganzen Abschnitt VIII (die Kapitel XXVI bis XXXIII); 4. die zwei Vorworte des Verfassers. Der brige Teil des Buches ist von Herrn Moore bersetzt worden.1141 Whrend so jeder der bersetzer fr seinen Anteil an der Arbeit allein verantwortlich ist, trage ich eine Gesamt-verantwortung fr das Ganze.

    Die dritte deutsche Ausgabe, die durchweg zur Grundlage unserer Arbeit genommen wurde, ist von mir 1883 vorbereitet worden unter Zu-hilfenahme der vom Verfasser ^unterlassenen Notizen, die jene Stellen der zweiten Ausgabe angeben, welche durch bezeichnete Stellen des 1873 ver-ffentlichten franzsischen Textes ersetzt werden sollten.1 Die so im Text der zweiten Ausgabe zustande gekommenen Vernderungen stimmten im allgemeinen mit den nderungen berein, die Marx in einer Reihe von handschriftlichen Anweisungen fr eine englische bersetzung vorge-schrieben hat, die vor zehn Jahren in Amerika geplant war, aber haupt-schlich aus Mangel an einem tchtigen und geeigneten bersetzer auf-* gegeben wurde. Dies Manuskript wurde uns von unserem alten Freund, Herrn F.A.Sorge in Hoboken, N[ew] Jfersey], zur Verfgung gestellt. Es bezeichnet noch einige weitere Einschaltungen aus der franzsischen Aus-gabe; aber da es so viele Jahre lter ist als die letzten Anweisungen fr die dritte Ausgabe, habe ich mich nicht fr befugt gehalten, anders davon Ge-brauch zu machen als ausnahmsweise und besonders in Fllen, in denen es uns ber Schwierigkeiten hinweghalf. Ebenso ist der franzsische Text bei den meisten schwierigen Stellen herangezogen worden als Anhaltspunkt dafr, was der Verfasser selbst zu opfern bereit war, wo immer etwas von der ganzen Bedeutung des Originals in der bersetzung geopfert werden mute.

    Eine Schwierigkeit besteht dennoch, die wir dem Leser nicht ersparen konnten: die Benutzung von gewissen Ausdrcken in einem nicht nur vom Sprachgebrauch des tglichen Lebens, sondern auch dem der gewhnlichen politischen konomie verschiednen Sinne. Doch dies war unvermeidlich. Jede neue Auffassung einer Wissenschaft schliet eine Revolution in den Fachausdrcken dieser Wissenschaft ein. Dies beweist am besten die Chemie, in der die gesamte Terminologie ungefhr alle zwanzig Jahre

    1 Le Capital. Par Karl Marx", bersetzung von M.J.Roy, vom Autor vllig durch-gesehen, Paris, Lachatre. Diese bersetzung enthlt besonders im letzten Teil des Buchs betrchtliche Vernderungen und Ergnzungen zum Text der zweiten deutschen Ausgabe.

  • radikal gendert wird und wo man kaum eine organische Verbindung finden wird, die nicht eine ganze Reihe von verschiednen Namen durchgemacht hat. Die politische konomie hat sich im allgemeinen damit zufriedenge-geben, die Ausdrcke des kommerziellen und industriellen Lebens, so wie sie waren, zu nehmen und mit ihnen zu operieren, wobei sie vollkommen bersehen hat, da sie sich dadurch auf den engen Kreis der durch diese Worte ausgedrckten Ideen beschrnkte. So ist selbst die klassische poli-tische konomie, obgleich sie sich vollkommen bewut war, da sowohl Profit wie Rente nur Unterabteilungen, Stcke jenes unbezahlten Teils des Produkts sind, das der Arbeiter seinem Unternehmer (dessen erstem An-eigner, obgleich nicht letztem, ausschlielichem Besitzer) liefern mu, doch niemals ber die blichen Begriffe von Profit und Rente hinausgegan-gen, hat sie niemals diesen unbezahlten Teil des Produkts (von Marx Mehr-produkt genannt) in seiner Gesamtheit als ein Ganzes untersucht und ist deshalb niemals zu einem klaren Verstndnis gekommen weder seines Ur-sprungs und seiner Natur noch auch der Gesetze, die die nachtrgliche Ver-teilung seines Werts regeln. hnlich wird alle Industrie, soweit nicht Land-wirtschaft oder Handwerk, unterschiedlos in dem Ausdruck Manufaktur zusammengefat und dadurcjj die Unterscheidung zwischen zwei groen und wesentlich verschiednen Perioden der konomischen Geschichte aus-gelscht : der Periode der eigentlichen Manufaktur, die auf der Teilung der Handarbeit, und der Periode der modernen Industrie, die auf der Maschi-nerie beruht. Es ist indessen selbstverstndlich, da eine Theorie, die die moderne kapitalistische Produktion als eine bloe Entwicklungsstufe der konomischen Geschichte der Menschheit ansieht, andre Ausdrcke ge-brauchen mu als die jenen Schriftstellern gewohnten, welche diese Pro-duktionsweise als unvergnglich und endgltig ansehn.

    Ein Wort ber die Methode des Verfassers zu zitieren, mag nicht un-angebracht sein. In der Mehrzahl der Flle dienen die Zitate in der blichen Weise als dokumentarische Belege fr im Text aufgestellte Behauptungen. Aber in vielen Fllen werden Stellen aus konomischen Schriftstellern an-gefhrt, um aufzuzeigen, wann, wo und von wem eine bestimmte Ansicht zum erstenmal klar ausgesprochen wurde. Das geschieht in solchen Fllen, wo die angefhrte Meinung von Wichtigkeit ist als mehr oder weniger adquater Ausdruck der zu einer gewissen Zeit vorherrschenden Bedin-gungen der gesellschaftlichen Produktion und des Austauschs, und ganz un-abhngig davon, ob sie Marx anerkennt oder ob sie allgemein gltig. Diese Zitate versehen daher den Text mit einem der Geschichte der Wissenschaft entlehnten laufenden Kommentar.

  • Unsere bersetzung umfat nur das erste Buch des Werkes. Aber dieses erste Buch ist in hohem Mae ein Ganzes in sich selbst und hat zwanzig Jahre lang fr ein selbstndiges Werk gegolten. Das zweite Buch, das ich 1885 in deutscher Sprache herausgegeben habe, ist entschieden un-vollstndig ohne das dritte, das nicht vor Ende 1887 verffentlicht werden kann. Wenn Buch III im deutschen Original herausgebracht ist, wird es frh genug sein, an die Vorbereitung einer englischen Ausgabe von beiden zu denken.

    Das Kapital" wird auf dem Kontinent oft die Bibel der Arbeiter-klasse" genannt. Da die in diesem Werk gewonnenen Schlufolgerungen tglich mehr und mehr zu den grundlegenden Prinzipien der groen Be-wegung der Arbeiterklasse werden, nicht nur in Deutschland und der Schweiz, sondern auch in Frankreich, in Holland und Belgien, in Amerika und selbst in Italien und Spanien; da berall die Arbeiterklasse in diesen Schlufolgerungen mehr und mehr den angemessensten Ausdruck ihrer Lage und ihrer Bestrebungen anerkennt, das wird niemand leugnen, der mit dieser Bewegung vertraut ist. Und auch in England ben die Theorien von Marx gerade in diesem Augenblick einen machtvollen Einflu auf die sozialistische Bewegung aus, die sich in den Reihen der Gebildeten" nicht weniger ausbreitet als in den Reihen der Arbeiterklasse. Aber das ist nicht alles. Die Zeit rckt schnell heran, wo eine grndliche Untersuchung der konomischen Lage Englands sich aufzwingen wird als eine unwidersteh-liche nationale Notwendigkeit. Der Gang des industriellen Systems Eng-lands, der unmglich ist ohne eine stndige und schnelle Ausdehnung der Produktion und daher der Mrkte, ist zum Stillstand gekommen. Der Frei-handel hat seine Hilfsquellen erschpft; selbst Manchester zweifelt an diesem seinem ehemaligen konomischen Evangelium.1 Die sich schnell entwickelnde auslndische Industrie starrt der englischen Produktion ber-all ins Gesicht, nicht nur auf zollgeschtzten, sondern auch auf neutralen Mrkten und sogar diesseits des Kanals. Whrend die Produktivkraft in

    1 Bei der Vierteljahrversammlung der Handelskammer von Manchester, die heute nachmittag abgehalten wurde, fand eine lebhafte Diskussion ber die Freihandelsfrage statt. Eine Resolution wurde eingebracht in dem Sinne, da man 40 Jahre vergebens darauf gewartet hat, da andre Nationen dem von England gegebenen Beispiel des Freihandels folgen, und die Kammer nun die Zeit fr gekommen hlt, diesen Stand-punkt zu ndern". Die Resolution wurde mit nur einer Stimme Mehrheit abgelehnt, bei dem Stimmenverhltnis von 21 fr und 22 dagegen. (Evening Standard", 1 .Nov. 1886.)

  • geometrischer Reihe wchst, schreitet die Ausdehnung der Mrkte besten-falls in einer arithmetischen Reihe fort. Der zehnjhrige Zyklus von Sta-gnation, Prosperitt, berproduktion und Krise, der von 1825 bis 1867 immer wiederkehrte, scheint allerdings abgelaufen zu sein; aber nur um uns im Sumpf der Verzweiflung einer dauernden und chronischen De-pression landen zu lassen. Die ersehnte Periode der Prosperitt will nicht kommen; sooft wir die sie ankndigenden Symptome zu erblicken glauben, sooft verschwinden sie wieder in der Luft. Inzwischen stellt jeder folgende Winter erneut die Frage: Was tun mit den Arbeitslosen?" Aber whrend die Zahl der Arbeitslosen von Jahr zu Jahr anschwillt, ist niemand da, um diese Frage zu beantworten; und wir knnen den Zeitpunkt beinahe be-rechnen, wo die Arbeitslosen die Geduld verlieren und ihr Schicksal in ihre eignen Hnde nehmen werden. In einem solchen Moment sollte sicherlich die Stimme eines Mannes gehrt werden, dessen ganze Theorie das Ergeb-nis eines lebenslangen Studiums der konomischen Geschichte und Lage Englands ist und den dieses Studium zu dem Schlu gefhrt hat, da, zumindest in Europa, England das einzige Land ist, wo die unvermeidliche soziale Revolution gnzlich mit friedlichen und gesetzlichen Mitteln durch-gefhrt werden knnte. Gewi hat er nie vergessen hinzuzufgen, da er kaum erwarte, die herrschenden Klassen Englands wrden sich ohne proslavery rebellion"115 ] dieser friedlichen und gesetzlichen Revolution unterwerfen.

    S.November 1886 Friedrich Engels

  • Zur vierten Auflage

    Die vierte Auflage forderte von mir eine mglichst endgltige Feststel-lung des Textes sowohl wie der Anmerkungen. Wie ich dieser Anforderung nachgekommen, darber kurz folgendes.

    Nach nochmaliger Vergleichung der franzsischen Ausgabe und der handschriftlichen Notizen von Marx habe ich aus jener noch einige Zustze in den deutschen Text aufgenommen. Sie finden sich auf S. 80 (dritte Auf-lage, S.88), S. 458-460 (dritte, S.509-510), S.547-551 (dritte, S.600), S.591-593 (dritte, S.644) und S.596 (dritte, S.648) in der Note 791*. Ebenso habe ich nach Vorgang der franzsischen und englischen Ausgabe die lange Anmerkung ber die Bergwerksarbeiter (dritte Aufl., S. 509-515) in den Text gesetzt (vierte Aufl., S.461-467)2*. Sonstige kleine nderungen sind rein technischer Natur.

    Ferner habe ich noch einige erluternde Zusatznoten gemacht, nament-lich da, wo vernderte geschichtliche Umstnde dies zu erfordern schienen. Alle diese Zusatznoten sind in eckige Klammern gesetzt und mit meinen Anfangsbuchstaben oder mit D.H." bezeichnet.3*

    Eine vollstndige Revision der zahlreichen Zitate war notwendig ge-worden durch die inzwischen erschienene englische Ausgabe. Fr diese hatte Marx' jngste Tochter Eleanor sich der Mhe unterzogen, smtliche angefhrte Stellen mit den Originalen zu vergleichen, so da in den bei weitem vorwiegenden Zitaten aus englischen Quellen dort keine Rck-bersetzung aus dem Deutschen, sondern der englische Originaltext selbst erscheint. Es lag mir also ob, diesen Text bei der vierten Auflage zu Rate zu ziehn. Es fanden sich dabei mancherlei kleine Ungenauigkeiten. Hin-weise auf unrichtige Seitenzahlen, teils beim Kopieren aus den Heften

    w Siehe vorl. Band, S.130, 517-519, 610 - 613, 655 - 657, 660 - 2* siehe vorl. Band, S.519-525 - 3* im vorl. Band in geschweiften Klammern {} und mit F. E. bezeichnet.

  • verschrieben, teils im Verlauf von drei Auflagen gehufte Druckfehler. Unrichtig gesetzte Anfhrungszeichen oder Lckenpunkte, wie dies bei massenhaftem Zitieren aus Auszugsheften unvermeidlich. Hier und da ein weniger glcklich gewhltes bersetzungswort. Einzelne Stellen zitiert aus den alten Pariser Heften 1843-1845, wo Marx noch kein Englisch ver-stand und englische konomen in franzsischer bersetzung las; wo denn der doppelten bersetzung eine leichte nderung der Klangfarbe entsprach, z. B. bei Steuart, Ure u. a. - wo jetzt der englische Text zu benutzen war. Und was dergleichen kleine Ungenauigkeiten und Nachlssigkeiten mehr sind. Wenn man nun die vierte Auflage mit den vorigen vergleicht, so wird man sich berzeugen, da dieser ganze mhsame Berichtigungsproze an dem Buch aber auch nicht das geringste gendert hat, das der Rede wert ist. Nur ein einziges Zitat hat nicht gefunden werden knnen, das aus Richard Jones (4.Aufl., S.562, Note 471*); Marx hat sich wahrscheinlich im Titel des Buches verschrieben. Alle andern behalten ihre volle Beweis-kraft oder verstrken sie in der jetzigen exakten Form.

    Hier aber bin ich gentigt, auf eine alte Geschichte zurckzukommen. Es ist mir nmlich nur ein Fall bekannt, wo die Richtigkeit eines Marx-

    sehen Zitats in Zweifel gezogen worden. Da dieser aber bis ber Marx' Tod hinaus gespielt hat, kann ich ihn hier nicht gut bergehn.[16]

    In der Berliner Concor dia", dem Organ des deutschen Fabrikanten-bundes, erschien am 7. Mrz 1872 ein anonymer Artikel: Wie Karl Marx citirt." Hier wurde mit berreichlichem Aufwand von sittlicher Entrstung und von unparlamentarischen Ausdrcken behauptet, das Zitat aus Glad-stones Budgetrede vom 16. April 1863 (in der Inauguraladresse der Inter-nationalen Arbeiterassoziation von 18642* und wiederholt im Kapital", I, S.617, vierte Aufl., Seite 670-671, dritte Aufl.3*) sei geflscht. Der Satz: Diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht . . . ist ganz und gar auf die besitzenden Klassen beschrnkt", stehe mit keinem Wort im (quasioffiziellen) stenographischen Bericht von Hansard. Dieser Satz befindet sich aber nirgends in der Gladstoneschen Rede. Gerade das Gegen-teil ist in derselben gesagt." (Mit fetter Schrift) Marx ha t den Satz f o r -mell und materiel l hinzugelogen!"

    Marx, dem diese Nr. der Concordia" im folgenden Mai zugesandt wurde, antwortete dem Anonymus im Volksstaat" vom 1 .Juni. Da er sich nicht mehr erinnerte, nach welchem Zeitungsreferat er zitierte, beschrnkte

    Siehe vorl. Band, S.625 - 2* siehe Band 16 unserer Ausgabe, S . 3 - 1 3 - 3* siehe vorl. Band, S . 680/681

  • er sich darauf, das gleichlautende Zitat zunchst in zwei englischen Schrif-ten nachzuweisen, und sodann das Referat der Times" zu zitieren, wonach Gladstone sagt:

    That is the State of the case as regards the wealth of this country. I must say for one, I should look almost with apprehension and with pain upon this intoxicating augmentation of wealth and power, if it were my belief that it was confined to classes who are in easy circumstances. This takes no cognizance at all of the condition of the labouring population. The augmentation I have described and which is founded, I think, upon accurate returns, is an augmentation entirely confined to classes of pro-perty."1*

    Also Gladstone sagt hier, es wrde ihm leid tun, wenn dem so wre, aber es sei so: Diese berauschende Vermehrung von Macht und Reichtum sei ganz und gar auf die besitzenden Klassen beschrnkt. Und was den quasi-offiziellen Hansard betrifft, so sagt Marx weiter: In seiner hier nachtrg-lich zurechtgestmperten Ausgabe war Herr Gladstone so gescheit, die im Munde eines englischen Schatzkanzle.rs allerdings kompromittierliche Stelle wegzupfuschen. Es ist dies brigens herkmmlicher englischer Parlamentsbrauch, und keineswegs eine Erfindung des Laskerchen contra Bebel[17]."

    Der Anonymus wird immer erboster. Die Quellen zweiter Hand in seiner Antwort, Concordia", 4. Juli, beiseite schiebend, deutet er schamhaft an, es sei Sitte", Parlamentsreden nach dem stenographischen Bericht zu zitieren; aber auch der Bericht der Times" (worin der hinzugelogene" Satz steht) und der von Hansard (worin er fehlt) stimmen materiell vllig berein", und ebenso enthalte der Times"-Bericht das direkte Gegenteil jener berchtigten Stelle der Inauguraladresse", wobei der Mann sorgsam verschweigt, da er neben diesem angeblichen Gegenteil" gerade jene berchtigte Stelle" ausdrcklich enthlt! Trotz alledem fhlt der Anony-mus, da er festsitzt und da nur ein neuer Winkelzug ihn retten kann. Whrend er also seinen, wie soeben nachgewiesen, von frecher Verlogen-heit" strotzenden Artikel mit erbaulichen Schimpfereien spickt, als da sind: mala fides", Unehrlichkeit", lgenhafte Angabe", jenes lgenhafte Zitat", freche Verlogenheit", ein Zitat, das vllig geflscht war", diese

    So steht's mit dem Reichtum dieses Landes. Ich fr meinen Teil wrde beinahe mit Besorgnis und mit Pein auf diese berauschende Vermehrung von Reichtum und Macht blicken, wenn ich sie auf die wohlhabenden Klassen beschrnkt glaubte. Es ist hier gar keine Notiz genommen von der arbeitenden Bevlkerung. Die Vermehrung, die ich beschrieben habe, ist ganz und gar beschrnkt auf Eigentumsklassen."

  • Flschung", einfach infam", usw., findet er es fr ntig, die Streitfrage auf ein andres Gebiet berzuspielen, und verspricht daher, in einem zweiten Artikel auseinanderzusetzen, welche Bedeutung wir" (der nicht lgen-hafte" Anonymus) dem Inhalt der Gladstoneschen Worte beilegen". Als ob diese seine unmagebliche Meinung das geringste mit der Sache zu tun habe! Dieser zweite Artikel steht in der Concordia" vom 11. Juli.

    Marx antwortete noch einmal im Volksstaat" vom 7. August, indem er nun auch die Referate der betreffenden Stelle aus dem Morning Star" und dem Morning Advertiser" vom 17. April 1863 brachte. Nach beiden sagt Gladstone, er wrde mit Besorgnis usw. auf diese berauschende Vermeh-rung von Reichtum und Macht blicken, wenn er sie auf die wirklich wohl-habenden Klassen (classes in easy circumstances) beschrnkt glaubte. Aber diese Vermehrung sei beschrnkt auf Klassen, die Eigentum besitzen (en-tirely confined to classes possessed of property). Also auch diese Referate bringen den angeblich hinzugelogenen" Satz wrtlich. Ferner stellte er nochmals fest, durch Vergleichung der Texte der Times" und Hansards, da der durch drei am nchsten Morgen erschienene, voneinander unab-hngige, gleichlautende Zeitungsreferate als wirklich gesprochen konsta-tierte Satz in dem nach bekannter Sitte" durchgesehenen Referat von Hansard fehlt, das Gladstone ihn in Marx* Worten nachtrglich weg-stipitzt hat", und erklrt schlielich, er habe keine Zeit, mit dem Anonymus weiter zu verkehren. Dieser scheint auch genug gehabt zu haben, wenigstens erhielt Marx keine ferneren Nummern der Concordia" zugeschickt.

    Damit schien die Sache tot und begraben. Allerdings kamen uns seitdem ein- oder zweimal von Leuten, die mit der Universitt Cambridge in Ver-kehr standen, geheimnisvolle Gerchte zu ber ein unsagbares literarisches Verbrechen, das Marx im Kapital" begangen haben sollte; aber trotz aller Nachforschungen war absolut nichts Bestimmteres zu erfahren. Da, am 29. November 1883, acht Monate nach Marx' Tod, erschien in der Times" ein Brief, datiert Trinity College, Cambridge, und unterzeichnet Sedley Taylor, worin bei einer vom Zaun gebrochnen Gelegenheit dies in zahm-ster Genossenschafterei machende Mnnlein uns endlich Aufklrung ver-schaffte, nicht nur ber die Munkeleien von Cambridge, sondern auch ber den Anonymus der Concordia".

    Was uerst sonderbar erscheint", sagt das Mnnlein von Trinity College, ist, da es dem Professor Brentano (damals in Breslau, jetzt in Straburg) vorbehalten war... die mala fides zu enthllen, welche augenscheinlich das Zitat aus Gladstones Rede in der" (Inaugural-)Adresse diktiert hatte. Herr Karl Marx, der ... das Zitat zu verteidi-gen suchte, hatte die Verwegenheit, in den Todeswindungen (deadly shifts), auf die

  • Brentanos meisterhaft gefhrte Angriffe ihn schleunigst herunterbrachten, zu behaup-ten, Herr Gladstone habe den Bericht seiner Rede in der .Times' vom 17. April 1863 zurechtgestmpert, ehe er in Hansard erschien, um eine Stelle wegzupfuschen, die allerdings fr einen englischen Schatzkanzler kompromittierlich sei. Als Brentano, durch eine ins einzelne gehende Textvergleichung, bewies, da die Berichte der Times* und von Hansard bereinstimmten in absolutem Ausschlu des Sinnes, den pfiffig-isolierte Zitierung den Gladstoneschen Worten untergeschoben hatte, da zog Marx sich zurck unter dem Vorwand des Zeitmangels!"

    Das also war des Pudels Kern! Und so glorios reflektierte sich in der produktivgenossenschaftlichen Phantasie von Cambridge die anonyme Kampagne Herrn Brentanos in der Concordia"! So lag er, und so fhrt ' er seine Klinge[18], in meisterhaft gefhrtem Angriff", dieser Sankt Georg des deutschen Fabrikantenbundes, whrend der Hllendrache Marx zu seinen Fen schleunigst in Todeswindungen" verrchelt!

    Jedennoch dient diese ganze ariostische Kampfschilderung nur dazu, die Winkelzge unsres Sankt Georg zu verdecken. Hier ist schon nicht mehr die Rede von Hinzulgen", von Flschung", sondern von pfiffig iso-lierter Zitierung" (craftily isolated quotation). Die ganze Frage war ver-schoben, und Sankt Georg und sein Cambridger Schildknappe wuten sehr genau weshalb.

    Eleanor Marx antwortete, da die Times" die Aufnahme verweigerte, in der Monatsschrift To-Day", Februar 1884, indem sie die Debatte auf den einzigen Punkt zurckfhrte, um welchen es sich gehandelt hatte: Hat Marx jenen Satz hinzugelogen" oder nicht? Darauf erwidert Herr Sedley Taylor:

    Die Frage, ob ein gewisser Satz in Herrn Gladstones Rede vorgekommen sei oder nicht", sei nach seiner Ansicht von sehr untergeordneter Bedeutung gewesen" im Streit zwischen Marx und Brentano, verglichen mit der Frage, ob das Zitat gemacht worden sei in der Absicht, Gladstones Sinn wiederzugeben oder zu entstellen."

    Und dann gibt er zu, da der Times "-Bericht in der Tat einen Wider-spruch in den Worten enthlt"; aber, aber, der brige Zusammenhang richtig, d.h. im Iiberal-gladstoneschen Sinn erklrt, zeige an, was Herr Gladstone habe sagen wollen. (To-Day", Mrz 1884.) Das Komischste dabei ist, da unser Mnnlein von Cambridge nun darauf besteht, die Rede nicht nach Hansard zu zitieren, wie es nach dem anonymen Brentano Sitte" ist, sondern nach dem von demselben Brentano als notwendig stmperhaft" bezeichneten Bericht der Times". Natrlich, der fatale Satz fehlt ja im Hansard!

  • Eleanor Marx hatte es leicht, diese Argumentation in derselben Nummer von To-Day" in Dunst aufzulsen. Entweder hatte Herr Taylor die Kontroverse von 1872 gelesen. Dann hatte er jetzt gelogen", nicht nur hinzu", sondern auch hinweg". Oder er hatte sie nicht gelesen. Dann war er verpflichtet, den Mund zu halten, jedenfalls stand fest, da er die An-klage seines Freundes Brentano, Marx habe hinzugelogen", keinen Augen-blick aufrechtzuerhalten wagte. Im Gegenteil, Marx soll nun nicht hinzu-gelogen, sondern einen wichtigen Satz unterschlagen haben. Aber dieser selbe Satz ist zitiert auf S. 5 der Inauguraladresse, wenige Zeilen vor dem angeblich hinzugelogenen". Und was den Widerspruch" in Gladstones Rede angeht, ist es nicht gerade Marx, der im Kapital", S.618 (3. Aufl., S.672), Note 1051* von den fortlaufenden, schreienden Widersprchen in Gladstones Budgetreden von 1863 und 1864" spricht! Nur da er sich nicht a la Sedley Taylor unterfngt, sie in liberalem Wohlgefallen auf-zulsen. Und das Schluresume in E.Marx' Antwort lautet dann: Im Gegenteil, Marx hat weder etwas Anfhrens wertes unterdrckt noch das geringste hinzugelogen. Aber er hat wiederhergestellt und der Vergessenheit entzogen einen gewissen Satz einer Gladstoneschen Rede, der unzweifelhaft ausgesprochen worden, der aber, so oder so, seinen Weg gefunden hat -aus Hansard hinaus."

    Damit hatte Herr Sedley Taylor denn auch genug, und das Resultat des ganzen, durch zwei Jahrzehnte und ber zwei groe Lnder fort-gesponnenen Professorenklngels war, da man nicht mehr gewagt hat, Marx' literarische Gewissenhaftigkeit anzutasten, da aber seitdem Herr Sedley Taylor wohl ebensowenig Vertrauen setzen wird in die literarischen Schlachtbulletins des Herrn Brentano wie Herr Brentano in die ppstliche Unfehlbarkeit von Hansard.

    London, 25. Juni 1890 F. Engels

  • Erstes Buch

    Der Produktionsproze des Kapitals

  • Erster Abschnitt

    Ware und Geld

    E R S T E S K A P I T E L

    Die Ware

    1. Die zwei Faktoren der Ware: Gebrauchswert und Wert (Wertsubstanz, Wertgre)

    Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produk-tionsweise herrscht, erscheint als eine ungeheure Warensammlung"1, die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt da-her mit der Analyse der Ware.

    Die Ware ist zunchst ein uerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaften menschliche Bedrfnisse irgendeiner Art befriedigt. Die Natur dieser Bedrfnisse, ob sie z.B. dem Magen oder der Phantasie entspringen, ndert nichts an der Sache.2 Es handelt sich hier auch nicht darum, wie die Sache das menschliche Bedrfnis befriedigt, ob unmittelbar als Lebensmittel, d. h. als Gegenstand des Genusses, oder auf einem Um-weg, als Produktionsmittel.

    Jedes ntzliche Ding, wie Eisen, Papier usw., ist unter doppeltem Ge-sichtspunkt zu betrachten, nach Qualitt und Quantitt. Jedes solches Ding ist ein Ganzes vieler Eigenschaften und kann daher nach verschiedenen Seiten ntzlich sein. Diese verschiedenen Seiten und daher die mannigfachen

    1 Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Oekonomie", Berlin 1859, pag. 3.1* 2 Verlangen schliet Bedrfnis ein; es ist der Appetit des Geistes, und so natr-

    lich wie Hunger fr den Krper , . . die meisten (Dinge) haben ihren Wert daher, da sie die Bedrfnisse des Geistes befriedigen." (Nicholas Barbon, A Discourse on coining the new money lighter. In answer to Mr. Locke's Considerations etc.", London 1696, p.2, 3.)

    Siehe Band 13 unserer Ausgabe, S.15

    4 Mars, Kapital I

  • Gebrauchsweisen der Dinge zu entdecken ist geschichtliche Tat.8 So die Findung gesellschaftlicher Mae fr die Quantitt der ntzlichen Dinge. Die Verschiedenheit der Warenmae entspringt teils aus der verschiedenen Natur der zu messenden Gegenstnde, teils aus Konvention.

    Die Ntzlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert.4 Aber diese Ntzlichkeit schwebt nicht in der Luft. Durch die Eigenschaften des Warenkrpers bedingt, existiert sie nicht ohne denselben. Der Waren-krper selbst, wie Eisen, Weizen, Diamant usw., ist daher ein Gebrauchs-wert oder Gut. Dieser sein Charakter hngt nicht davon ab, ob die An-eignung seiner Gebrauchseigenschaften dem Menschen viel oder wenig Arbeit kostet. Bei Betrachtung der Gebrauchswerte wird stets ihre quanti-tative Bestimmtheit vorausgesetzt, wie Dutzend Uhren, Elle Leinwand, Tonne Eisen usw. Die Gebrauchswerte der Waren liefern das Material einer eignen Disziplin, der Warenkunde.5 Der Gebrauchswert verwirklicht sich nur im Gebrauch oder der Konsumtion. Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums, welches immer seine gesellschaftliche Form sei. In der von uns zu betrachtenden Gesellschaftsform bilden sie zugleich die stofflichen Trger des - Tauschwerts.

    Der Tauschwert erscheint zunchst als das quantitative Verhltnis, die Proportion, worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte anderer Art austauschen6, ein Verhltnis, das bestndig mit Zeit und Ort wechselt. Der Tauschwert scheint daher etwas Zuflliges und rein Rela-

    3 Dinge haben einen intrinsick vertue" (dies bei Barbon die spezifische Bezeichnung fr Gebrauchswert), der berall gleich ist, so wie der des Magnets, Eisen anzuziehen" (l.c.p.6). Die Eigenschaft des Magnets, Eisen anzuziehn, wurde erst ntzlich, sobald man vermittelst derselben die magnetische Polaritt entdeckt hatte.

    4 Der natrliche worth jedes Dinges besteht in seiner Eignung, die notwendigen Bedrfnisse zu befriedigen oder den Annehmlichkeiten des menschlichen Lebens zu dienen." (John Locke, Some Considerations on the Consequences of the Lowering of Interest". 169L in Works", edit. Lond. 1777, v .II , p.28.) Im 17. Jahrhundert fmden wir noch hufig bei englischen Schriftstellern Worth" fr Gebrauchswert und Value" fr Tauschwert, ganz im Geist einer Sprache, die es liebt, die unmittelbare Sache ger-manisch und die reflektierte Sache romanisch auszudrcken.

    5 In der brgerlichen Gesellschaft herrscht die fictio juris, da jeder Mensch als Warenkufer eine enzyklopdische Warenkenntnis besitzt.

    6 Der Wert besteht in dem Tausch V e r h l t n i s , das zwischen einem Ding und einem anderen, zwischen der Menge eines Erzeugnisses und der eines anderen be-steht." (Le Trosne, De l'Interet Social", [inj Physiocrates", ed. Daire, Paris 1846, p.889.)

  • tives, ein der Ware innerlicher, immanenter Tauschwert (valeur intrin-seque) also eine contradictio in adjecto.7 Betrachten wir die Sache nher.

    Eine gewisse Ware, ein Quarter Weizen z. B. tauscht, sich mit x Stiefel-wichse oder mit y Seide oder mit z Gold usw., kurz mit andern Waren in den verschiedensten Proportionen. Mannigfache Tauschwerte also hat der Weizen statt eines einzigen. Aber da x Stiefelwichse, ebenso y Seide, ebenso z Gold usw. der Tauschwert von einem Quarter Weizen ist, mssen x Stiefelwichse, y Seide, z Gold usw. durch einander ersetzbare oder ein-ander gleich groe Tauschwerte sein. Es folgt daher erstens: Die gltigen Tauschwerte derselben Ware drcken ein Gleiches aus. Zweitens aber: Der Tauschwert kann berhaupt nur die Ausdrucksweise, die Erschei-nungsform" eines von ihm unterscheidbaren Gehalts sein.

    Nehmen wir ferner zwei Waren, z. B. Weizen und Eisen. Welches immer ihr Austauschverhltnis, es ist stets darstellbar in einer Gleichung, worin ein gegebenes Quantum Weizen irgendeinem Quantum Eisen gleichgesetzt wird, z.B. 1 Quarter Weizen = a Ztr. Eisen. Was besagt diese Gleichung? Da ein Gemeinsames von derselben Gre in zwei verschiednen Dingen existiert, in 1 Quarter Weizen und ebenfalls in a Ztr. Eisen. Beide sind also gleich einem Dritten, das an und fr sich weder das eine noch das andere ist. Jedes der beiden, soweit es Tauschwert, mu also auf dies Dritte redu-zier bar sein.

    Ein einfaches geometrisches Beispiel veranschauliche dies. Um den Flcheninhalt aller gradlinigen Figuren zu bestimmen und zu vergleichen, lst man sie in Dreiecke auf. Das Dreieck selbst reduziert man auf einen von seiner sichtbaren Figur ganz verschiednen Ausdruck das halbe Pro-dukt seiner Grundlinie mit seiner Hhe. Ebenso sind die Tauschwerte der Waren zu reduzieren auf ein Gemeinsames, wovon sie ein Mehr oder Min-der darstellen.

    Dies Gemeinsame kann nicht eine geometrische, physikalische, che-mische oder sonstige natrliche Eigenschaft der Waren sein. Ihre krper-lichen Eigenschaften kommen berhaupt nur in Betracht, soweit selbe sie nutzbar machen, also zu Gebrauchswerten. Andererseits aber ist es grade die Abstraktion von ihren Gebrauchswerten, was das Austauschverhltnis

    7 Nichts kann einen inneren Tauschwert haben" {N.Barbon, I.e. p.6), oder wie Butler sagt:

    Der Wert eines Dings ist grade so viel, wie es einbringen wird."-19'

  • der Waren augenscheinlich charakterisiert. Innerhalb desselben gilt ein Gebrauchswert grade so viel wie jeder andre, wenn er nur in gehriger Proportion vorhanden ist. Oder, wie der alte Barbon sagt:

    Die eine Warensorte ist so gut wie die andre, wenn ihr Tauschwert gleich gro ist. Da existiert keine Verschiedenheit oder Unterscheidbarkeit zwischen Dingen von gleich groem Tauschwert."8

    Als Gebrauchswerte sind die Waren vor allem verschiedner Qualitt, als Tauschwerte knnen sie nur verschiedner Quantitt sein, enthalten also kein Atom Gebrauchswert.

    Sieht man nun vom Gebrauchswert der Warenkrper ab, so bleibt ihnen nur noch eine Eigenschaft, die von Arbeitsprodukten. Jedoch ist uns auch das Arbeitsprodukt bereits in der Hand verwandelt. Abstrahieren wir von seinem Gebrauchswert, so abstrahieren wir auch von den krperlichen Bestandteilen und Formen, die es zum Gebrauchswert machen. Es ist nicht lnger Tisch oder Haus oder Garn oder sonst ein ntzlich Ding. Alle seine sinnlichen Beschaffenheiten sind ausgelscht. Es ist auch nicht lnger das Produkt der Tischlerarbeit oder der Bauarbeit oder der Spinnarbeit oder sonst einer bestimmten produktiven Arbeit. Mit dem ntzlichen Charakter der Arbeitsprodukte verschwindet der ntzliche Charakter der in ihnen dargestellten Arbeiten, es verschwinden also auch die verschiedenen kon-kreten Formen dieser Arbeiten, sie unterscheiden sich nicht lnger, son-dern sind allzusamt reduziert auf gleiche menschliche Arbeit, abstrakt menschliche Arbeit.

    Betrachten wir nun das Residuum der Arbeitsprodukte. Es ist nichts von ihnen briggeblieben als dieselbe gespenstige Gegenstndlichkeit, eine bloe Gallerte unterschiedsloser menschlicher Arbeit, d.h. der Veraus-gabung menschlicher Arbeitskraft ohne Rcksicht auf die Form ihrer Ver-ausgabung. Diese Dinge stellen nur noch dar, da in ihrer Produktion menschliche Arbeitskraft verausgabt, menschliche Arbeit aufgehuft ist. Als Kristalle dieser ihnen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz sind sie Werte - Warenwerte.

    8 One sort of wares are as good as another, if the value be equal. There is no difference or distinction in things of equal value... One hundred pounds worth of lead or iron, is of as great a value as one hundred pounds worth of silver and gold."1* (N.Barbon, I.e. p.53 u. 7.)

    ...Blei oder Eisen im Werte von einhundert Pfund Sterling haben gleich groen Tauschwert wie Silber und Gold im Werte von einhundert Pfund Sterling."

  • Im Austauschverhltnis der Waren selbst erschien uns ihr Tauschwert als etwas von ihren Gebrauchswerten durchaus Unabhngiges. Abstra-hiert man nun wirklich vom Gebrauchswert der Arbeitsprodukte, so erhlt man ihren Wert, wie er eben bestimmt ward. Das Gemeinsame, was sich im Austauschverhltnis oder Tauschwert der Ware darstellt, ist also ihr Wert. Der Fortgang der Untersuchung wird uns zurckfhren zum Tauschwert als der notwendigen Ausdrucksweise oder Erscheinungsform des Werts, welcher zunchst jedoch unabhngig von dieser Form zu be-trachten ist.

    Ein Gebrauchswert oder Gut hat also nur einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenstndlicht oder materialisiert ist. Wie nun die Gre seines Werts messen? Durch das Quantum der in ihm ent-haltenen wertbildenden Substanz", der Arbeit. Die Quantitt der Arbeit selbst mit sich an ihrer Zeitdauer, und die Arbeitszeit besitzt wieder ihren Mastab an bestimmten Zeitteilen, wie Stunde, Tag usw.

    Es knnte scheinen, da, wenn der Wert einer Ware durch das whrend ihrer Produktion verausgabte Arbeitsquantum bestimmt ist, je fauler oder ungeschickter ein Mann, desto wertvoller seine Ware, weil er desto mehr Zeit zu ihrer Verfertigung braucht. Die Arbeit jedoch, welche die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung derselben menschlichen Arbeitskraft. Die gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft, die sich in den Werten der Warenwelt darstellt, gilt hier als eine und dieselbe menschliche Arbeitskraft, obgleich sie aus zahllosen individuellen Arbeits-krften besteht. Jede dieser individuellen Arbeitskrfte ist dieselbe mensch-liche Arbeitskraft wie die andere, soweit sie den Charakter einer gesell-schaftlichen Durchschnitts-Arbeitskraft besitzt und als solche gesellschaft-liche Durchschnitts-Arbeitskraft wirkt, also in der Produktion einer Ware auch nur die im Durchschnitt notwendige oder gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit braucht. Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist Arbeits-zeit, erheischt, um irgendeinen Gebrauchswert mit den vorhandenen gesell-schaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensitt der Arbeit darzustellen. Nach der Einfhrung des Dampfwebstuhls in England z.B. gengte viel-leicht halb so viel Arbeit als vorher, um ein gegebenes Quantum Garn in Gewebe zu verwandeln. Der englische Handweber brauchte zu dieser Ver-wandlung in der Tat nach wie vor dieselbe Arbeitszeit, aber das Produkt seiner individuellen Arbeitsstunde stellte jetzt nur noch eine halbe gesell-schaftliche Arbeitsstunde dar und fiel daher auf die Hlfte seines frhern Werts.

  • Es ist also nur das Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit oder die zur Herstellung eines Gebrauchswerts gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, welche seine Wertgre bestimmt.9 Die einzelne Ware gilt hier berhaupt als Durchschnittsexemplar ihrer Art.10 Waren, worin gleich groe Arbeitsquanta enthalten sind oder die in derselben Arbeitszeit her-gestellt werden knnen, haben daher dieselbe Wertgre. Der Wert einer Ware verhlt sich zum Wert jeder andren Ware wie die zur Produktion der einen notwendigen Arbeitszeit zu der fr die Produktion der andren notwendigen Arbeitszeit. Als Werte sind alle Waren nur bestimmte Mae festgeronnener Arbeitszeit."11

    Die Wertgre einer Ware bliebe daher konstant, wre die zu ihrer Produktion erheischte Arbeitszeit konstant. Letztere wechselt aber mit jedem Wechsel in der Produktivkraft der Arbeit. Die Produktivkraft der Arbeit ist durch mannigfache Umstnde bestimmt, unter anderen durch den Durchschnittsgrad des Geschickes der Arbeiter, die Entwicklungs-stufe der Wissenschaft und ihrer technologischen Anwendbarkeit, die ge-sellschaftliche Kombination des Produktionsprozesses, den Umfang und die Wirkungsfhigkeit der Produktionsmittel, und durch Naturverhltnisse. Dasselbe Quantum Arbeit stellt -sich z.B. mit gnstiger Jahreszeit in 8 Bushel Weizen dar, mit ungnstiger in nur 4. Dasselbe Quantum Arbeit liefert mehr Metalle in reichhaltigen als in armen Minen usw. Diamanten kommen selten in der Erdrinde vor, und ihre Findung kostet daher im Durchschnitt viel Arbeitszeit. Folglich stellen sie in wenig Volumen viel Arbeit dar. Jacob bezweifelt, da Gold jemals seinen vollen Wert bezahlt

    9 Note zur 2. Ausg. The value of them (the necessaries of life) when they are ex-changed the one for another, is regulated by the quantity of labour necessarily required, and commonly taken in producing them." Der Wert von Gebrauchsgegenstnden, sobald sie gegeneinander ausgetauscht werden, ist bestimmt durch das Quantum der zu ihrer Produktion notwendig erheischten und gewhnlich angewandten Arbeit." (Some Thoughts on the Interest of Money in general, and particularly in the Public Funds etc.", London, p.36,37.) Diese merkwrdige anonyme Schrift des vorigen Jahr-hunderts trgt kein Datum. Es geht jedoch aus ihrem Inhalt hervor, da sie unter Georg II., etwa 1739 oder 1740, erschienen ist.

    10 Alle Erzeugnisse der gleichen Art bilden eigentlich nur eine Masse, deren Preis allgemein und ohne Rcksicht auf die besonderen Umstnde bestimmt wird." (Le Trosne, I.e. p.893.)

    11 K.Marx, I.e. p.6.1*

  • hat.1201 Noch mehr gilt dies vom Diamant. Nach Eschwege hatte 1823 die achtzigjhrige Gesamtausbeute der brasilischen Diamantgruben noch nicht den Preis des IV2jhrigen Durchschnittsprodukts der brasilischen Zucker-oder Kaffeepflanzungen erreicht, obgleich sie viel mehr Arbeit darstellte, also mehr Wert. Mit reichhaltigeren Gruben wrde dasselbe Arbeits-quantum sich in mehr Diamanten darstellen und ihr Wert sinken. Gelingt es, mit wenig Arbeit Kohle in Diamant zu verwandeln, so kann sein Wert unter den von Ziegelsteinen fallen. Allgemein: je grer die Produktiv-kraft der Arbeit, desto kleiner die zur Herstellung eines Artikels erheischte Arbeitszeit, desto kleiner die in ihm kristallisierte Arbeitsmasse, desto klei-ner sein Wert. Umgekehrt, je kleiner die Produktivkraft der Arbeit, desto grer die zur Herstellung eines Artikels notwendige Arbeitszeit, desto grer sein Wert. Die Wertgre einer Ware wechselt also direkt wie das Quantum und umgekehrt wie die Produktivkraft der sich in ihr verwirk-lichenden Arbeit.1*

    Ein Ding kann Gebrauchswert sein, ohne Wert zu sein. Es ist dies der Fall, wenn sein Nutzen fr den Menschen nicht durch Arbeit vermittelt ist. So Luft, jungfrulicher Boden, natrliche Wiesen, wildwachsendes Holz usw. Ein Ding kann ntzlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein. Wer durch sein Produkt sein eigenes Bedrfnis befriedigt, schafft zwar Gebrauchswert, aber nicht Ware. Um Ware zu produzieren, mu er nicht nur Gebrauchswert produzieren, sondern Gebrauchswert fr andre, gesellschaftlichen Gebrauchswert. {Und nicht nur fr andre schlecht-hin. Der mittelalterliche Bauer produzierte das Zinskorn fr den Feudal-herrn, das Zehntkorn fr den Pfaffen. Aber weder Zinskorn noch Zehntkorn wurden dadurch Ware, da sie fr andre produziert waren. Um Ware zu werden, mu das Produkt dem andern, dem es als Gebrauchswert dient, durch den Austausch bertragen werden.}lla Endlich kann kein Ding Wert sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein. Ist es nutzlos, so ist auch die in ihm enthaltene Arbeit nutzlos, zhlt nicht als Arbeit und bildet daher keinen Wert.

    l l a Note zur 4. Aufl. - Ich schiebe das Eingeklammerte ein, weil durch dessen Weg-lassung sehr hufig das Miverstndnis entstanden, jedes Produkt, das von einem andern als dem Produzenten konsumiert wird, gelte bei Marx als Ware. - F.E.

    ** 1. Auflage folgt: Wir kennen jetzt die Substanz des Werts. Es ist die Arbeit. Wir kennen sein Grenma. Es ist die Arbeitszeit. Seine Form, die den Wert eben zum Tausch'Wert stempelt, bleibt zu analysieren. Vorher jedoch sind die bereits gefundenen Bestimmungen etwas nher zu entwickeln.

  • 2. Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit

    Ursprnglich erschien uns die Ware als ein Zwieschlchtiges, Ge-brauchswert und Tauschwert. Spter zeigte sich, da auch die Arbeit, so-weit sie im Wert ausgedrckt ist, nicht mehr dieselben Merkmale besitzt, die ihr als Erzeugerin von Gebrauchswerten zukommen. Diese zwie-schlchtige Natur der in der Ware enthaltenen Arbeit ist zuerst von mir kritisch nachgewiesen worden.12 Da dieser Punkt der Springpunkt ist, um den sich das Verstndnis der politischen konomie dreht, soll er hier nher beleuchtet werden.

    Nehmen wir zwei Waren, etwa einen Rock und 10 Ellen Leinwand. Der erstere habe den zweifachen Wert der letzteren, so da, wenn 10 Ellen wand = W, der Rock = 2 W.

    Der Rock ist ein Gebrauchswert, der ein besonderes Bedrfnis befrie-digt. Um ihn hervorzubringen, bedarf es einer bestimmten Art produktiver Ttigkeit. Sie ist bestimmt durch ihren Zweck, Operationsweise, Gegen-stand, Mittel und Resultat. Die Arbeit, deren Ntzlichkeit sich so im Gebrauchswert ihres Produkts oder darin darstellt, da ihr Produkt ein Gebrauchswert ist, nennen wir kurzweg ntzliche Arbeit. Unter diesem Gesichtspunkt wird sie stets betrachtet mit Bezug auf ihren Nutzeffekt.

    Wie Rock und Leinwand qualitativ verschiedne Gebrauchswerte, so sind die ihr Dasein vermittelnden Arbeiten qualitativ verschieden -Schneiderei und Weberei. Wren jene Dinge nicht qualitativ verschiedne Gebrauchswerte und daher Produkte qualitativ verschiedner ntzlicher Arbeiten, so knnten sie sich berhaupt nicht als Waren gegenbertreten. Rock tauscht sich nicht aus gegen Rock, derselbe Gebrauchswert nicht gegen denselben Gebrauchswert.

    In der Gesamtheit der verschiedenartigen Gebrauchswerte oder Waren-krper erscheint eine Gesamtheit ebenso mannigfaltiger, nach Gattung, Art. Familie; Unterart > Variet