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1 Generation Napster Der Pionier Napster hat wegen Verletzun- gen des Urheberrechts im Jahre 2002 Fi- nanzierungsprobleme bekommen und da- her Insolvenz angemeldet. Seitdem ist Napster von der Peer-to-Peer-Bildfla ¨che verschwunden. Dennoch geho ¨ ren der „Ge- neration Napster“ noch immer Millionen Nutzer an und stetig werden es mehr. Die Angebotsvielfalt und Menge der Da- ten, die u ¨ ber das Internet distribuiert wer- den, ist beeindruckend (Bild 1). So befan- den sich im Oktober 2002 allein im KaZaA-Netz 2,5 Millionen Nutzer und boten u ¨ ber 500 Millionen Dateien zum Tausch an. Die Generation Napster ist da- mit, trotz allem, noch mitten im Entfal- tungsprozess. Filesharing-Dienste wie KaZaA oder eDonkey stellen einem Nutzer im Wesent- lichen vier Services zur Verfu ¨ gung: & Server-Software und Netzwerk: Mit der Installation einer Filesharing-Soft- ware kann ein Nutzer seinen PC zu ei- nem Server innerhalb des Filesharing- Netzwerks definieren. Die Inhalte, die er anderen Netzwerkteilnehmern zum Download anbietet, befinden sich in ei- nem oder mehreren Upload-Verzeich- nissen. Dabei kann ein Nutzer 0 bis n Dateien bereitstellen. Zumeist werden die Daten, die ein Nutzer herunter la ¨dt, automatisch in diesem Verzeichnis abge- legt, so dass das Download- dem Up- load-Verzeichnis entspricht. & Indexierung: Inhalte, die ein Anbieter auf seiner Festplatte zum Upload bereit- stellt, werden indexiert und in einem In- dex abgelegt, der zentral oder dezentral gefu ¨ hrt wird. Damit stellen Filesharing- Dienste einen Vermittlungsservice be- reit, bei dem sich Angebot und Nachfra- ge treffen. Dieser Vermittlungsservice ist effizient, wenn es sich bei den gesuchten Dateien um Medien-Produkte handelt, da diese sehr einfach u ¨ ber die Metadaten (Ku ¨ nstler, Titel etc.) zu beschreiben sind. & Download: Filesharing-Netzwerke bie- ten eine Peer-to-Peer-Verbindung an, die einen Download der u ¨ ber den Index gefundenen Datei bei einem oder meh- reren Nutzern ermo ¨ glicht. Mittels „Multiple-Source-Download-Mechanis- men“ (auch „Intelligent Download“ ge- nannt) ko ¨ nnen Segmente einer Datei von unterschiedlichen Nutzern herunter geladen werden, die schließlich wieder zu einer Datei zusammengesetzt wer- den. & Verbunddienstleistungen: Neben dem Download von Dateien bieten die meis- ten Filesharing-Dienste zudem Commu- nity-Features wie z. B. Instant Message, Hotlists, einen Player und andere Ser- vices an. Die Attraktivita ¨t Dateien u ¨ ber Filesharing- Netze nachzufragen ist evident: Nirgend- wo im Internet kann ein Nutzer so einfach auf eine derartige (kostenlose) Content- Vielfalt zugreifen. Der Nutzer kann nahe- zu alle Kosten externalisieren, die bei alternativen Beschaffungsquellen fu ¨r Me- dienprodukte anfallen [ClNeRu02; Shirk01, 29; WaWi02]. Anstatt in den Handel zu gehen und sich eine DVD zu kaufen, kann so ein Nutzer z. B. bei WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 3, S. 261 271 Die Autoren Jan U. Becker Michel Clement Dipl.-Kfm. Jan U. Becker, Dr. Michel Clement, Christian-Albrechts-Universita ¨t zu Kiel, Institut fu ¨r betriebswirtschaftliche Innovationsforschung, Lehrstuhl fu ¨r Innovation, Neue Medien und Marketing, Westring 425, 24118 Kiel, E-Mail: [email protected], [email protected] Generation Napster Das o ¨konomische Kalku ¨l eines Anbieters von Mediendateien bei Filesharing-Diensten WI – Schwerpunktaufsatz

Das ökonomische kalkül eines anbieters von mediendateien bei filesharing-diensten; Generation Napster — Analysis of the economic rationale to share files in peer-to-peer-networks;

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1 Generation Napster

Der Pionier Napster hat wegen Verletzun-gen des Urheberrechts im Jahre 2002 Fi-nanzierungsprobleme bekommen und da-her Insolvenz angemeldet. Seitdem istNapster von der Peer-to-Peer-Bildflacheverschwunden. Dennoch gehoren der „Ge-neration Napster“ noch immer MillionenNutzer an und stetig werden es mehr.

Die Angebotsvielfalt und Menge der Da-ten, die uber das Internet distribuiert wer-den, ist beeindruckend (Bild 1). So befan-den sich im Oktober 2002 allein imKaZaA-Netz 2,5 Millionen Nutzer undboten uber 500 Millionen Dateien zumTausch an. Die Generation Napster ist da-mit, trotz allem, noch mitten im Entfal-tungsprozess.

Filesharing-Dienste wie KaZaA odereDonkey stellen einem Nutzer im Wesent-lichen vier Services zur Verfugung:

& Server-Software und Netzwerk: Mitder Installation einer Filesharing-Soft-ware kann ein Nutzer seinen PC zu ei-nem Server innerhalb des Filesharing-Netzwerks definieren. Die Inhalte, dieer anderen Netzwerkteilnehmern zumDownload anbietet, befinden sich in ei-nem oder mehreren Upload-Verzeich-nissen. Dabei kann ein Nutzer 0 bis nDateien bereitstellen. Zumeist werdendie Daten, die ein Nutzer herunter ladt,automatisch in diesem Verzeichnis abge-legt, so dass das Download- dem Up-load-Verzeichnis entspricht.

& Indexierung: Inhalte, die ein Anbieterauf seiner Festplatte zum Upload bereit-

stellt, werden indexiert und in einem In-dex abgelegt, der zentral oder dezentralgefuhrt wird. Damit stellen Filesharing-Dienste einen Vermittlungsservice be-reit, bei dem sich Angebot und Nachfra-ge treffen. Dieser Vermittlungsservice isteffizient, wenn es sich bei den gesuchtenDateien um Medien-Produkte handelt,da diese sehr einfach uber die Metadaten(Kunstler, Titel etc.) zu beschreibensind.

& Download: Filesharing-Netzwerke bie-ten eine Peer-to-Peer-Verbindung an,die einen Download der uber den Indexgefundenen Datei bei einem oder meh-reren Nutzern ermoglicht. Mittels„Multiple-Source-Download-Mechanis-men“ (auch „Intelligent Download“ ge-nannt) konnen Segmente einer Dateivon unterschiedlichen Nutzern heruntergeladen werden, die schließlich wiederzu einer Datei zusammengesetzt wer-den.

& Verbunddienstleistungen: Neben demDownload von Dateien bieten die meis-ten Filesharing-Dienste zudem Commu-nity-Features wie z. B. Instant Message,Hotlists, einen Player und andere Ser-vices an.

Die Attraktivitat Dateien uber Filesharing-Netze nachzufragen ist evident: Nirgend-wo im Internet kann ein Nutzer so einfachauf eine derartige (kostenlose) Content-Vielfalt zugreifen. Der Nutzer kann nahe-zu alle Kosten externalisieren, die beialternativen Beschaffungsquellen fur Me-dienprodukte anfallen [ClNeRu02;Shirk01, 29; WaWi02]. Anstatt in denHandel zu gehen und sich eine DVD zukaufen, kann so ein Nutzer z. B. bei

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 3, S. 261–271

Die Autoren

Jan U. BeckerMichel Clement

Dipl.-Kfm. Jan U. Becker,Dr. Michel Clement,Christian-Albrechts-Universitat zu Kiel,Institut fur betriebswirtschaftlicheInnovationsforschung,Lehrstuhl fur Innovation,Neue Medien und Marketing,Westring 425,24118 Kiel,E-Mail: [email protected],[email protected]

Generation NapsterDas okonomische Kalkul einesAnbieters von Mediendateienbei Filesharing-Diensten

WI – Schwerpunktaufsatz

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KaZaA kostenlos den raubkopierten Filmherunterladen. Konkurrenzfahige und le-gale Download-Alternativen sind derzeitnoch nicht vorhanden, weder kostenlosnoch als Bezahldienst.

Das okonomische Kalkul, Dateien anzu-bieten, ist hingegen nicht ohne weiteres zuerklaren. So lauft z. B. ein Anbieter vonRaubkopien Gefahr, rechtlich belangt zuwerden. Trotzdem stellen Nutzer Millio-nen von Mediendateien zum Downloadbereit und ubernehmen die Kosten hierfur.Die Empirie zeigt allerdings, dass vieleTeilnehmer sich wie Trittbrettfahrer oderso genannte Freerider verhalten und keineDateien zum Netzwerk beisteuern – je-doch gerne bei anderen Dateien herunterladen. So zeigen Saroiu, Gummandi undGribble, dass 25% der Teilnehmer imGnutella-Netzwerk keine Dateien sharen,sondern nur herunter laden [SaGG02].Adar und Huberman weisen sogar eineNichtsharing-Quote von mehr als 70% beidemselben Netzwerk aus [AdHu00]. Inso-

fern ist es falsch anzunehmen, dass Nach-frager auch generell Anbieter von Files sind[Obri02].

Die fehlenden Erklarungsansatze bezuglichdes Angebotsverhaltens in den empirischenUntersuchungen zeigen den Mangel antheoretischen �berlegungen hierzu. Einetheoretische Analyse der Motive der Nut-zer, warum sie Daten preisgeben, ist jedochnotwendig, um Managementimplikationenzu generieren und geeignete empirischeForschungsfelder zu definieren. Denn bis-her bleibt offen, warum nicht alle NutzerFreeriding betreiben – schließlich ladt dasanonyme Netzwerk zur Kostenexternali-sierung ein.

Dieser Beitrag leistet eine theoretischeAnalyse des Angebotsverhaltens von Indi-viduen in Filesharing-Netzwerken und be-leuchtet die Dynamik der optimalen Ange-botsstrategie. Denn tatsachlich bietenNutzer Millionen von Dateien an und in-ternalisieren die Angebotskosten, weil sie –

wie im zweiten Abschnitt dieses Beitragserlautert wird – eine positive Konsumen-tenrente erzielen. Im dritten Abschnittwird verdeutlicht, dass die Motive zumAnbieten von Dateien durch individuelleErwartungen an das Netzwerk determi-niert sind und somit dynamischen Prozes-sen unterliegen. Auf der Basis der theoreti-schen Erkenntnisse werden im viertenAbschnitt Anreizmechanismen gezeigt, diesicherstellen sollen, dass Filesharing-Netz-werke auch in spateren Phasen ein hohesund qualitativ gutes Angebot der einzelnenIndividuen realisieren konnen und somitdie Attraktivitat des Netzwerks zu jederZeit gewahrleistet ist. Der Beitrag endetmit einer Zusammenfassung der Ergebnis-se.

2 Kosten des Anbietensvon Dateien

Das rationale Kalkul eines Nutzers, Datei-en (z. B. Filme) in Filesharing-Dienstenanzubieten, erfordert eine Analyse derAngebotskosten. Es ist zu unterscheiden,ob der Teilnehmer eine Datei anbietet, die(1) erstmalig in das Netzwerk eingefugtwird (Initialanbieter), (2) bislang kaum imNetzwerk enthalten ist (Diffusionsini-tiatoren) oder (3) bereits eine starke Ver-breitung im Netzwerk erfahren hat (Diffu-sionshelfer).

2.1 Initialangebot

Bevor ein Nutzer einen Film oder Songerstmals im Internet anbieten kann, musser die Mediendatei digitalisieren, ggf. ent-bundeln, komprimieren und die Datei mitMetainformationen labeln (Bild 2).

Nachdem die erste geeignete Kopie fur dieOnlinedistribution erstellt wurde, mussder Anbieter sie in das entsprechendeUpload-Verzeichnis des Filesharing-Ser-vices ablegen. Damit belegt er bei einemmit DivX;-) codierten 90 Minuten Film inder Regel 600 MB Speicherplatz. So tragtein Nutzer neben den Wertschopfungskos-ten zur Erstellung der Mastercopy fur dieOnline-Distribution auch die Opportuni-tatskosten der Speicherplatzbelegung aufseinem PC.

Nutzer, die eine Kopie erstmalig und wo-moglich vor dem offiziellen Verkaufsstart

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0 500.000 1.000.000 1.500.000 2.000.000 2.500.000 3.000.000

KaZaA

iMesh

Opennap

eDonkey

Gnutella

Direct Connect

Concurrent userQuelle: http://www.jiveplayer.com/p2pcommunity.asp

Bild 1 Angebote in Filesharing-Netzwerken

Physische Datenträger

Broadcast / Streaming

• Radio/TV(Aerial, Cable, Sat)

• Streaming (Internet, Cable)

Anbieter

CD DVD Digitali-sierung

Entbün-delung

Kompri-mierung Labeling

Distributionin P2P-Netzen

Vernetzung Indexierung DownloadVerbund-dienst-leistungen

Filesharing-Netzwerk

Bild 2 Wertschopfung eines Initial-Anbieters in einem Filesharing-Netzwerk[ClNeRu02]

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anbieten, werden zudem von der Medien-industrie als Schlusselfiguren angesehenund laufen erhohte Gefahr, juristischeKonsequenzen fur ihr Verhalten tragen zumussen. Diese psychologischen Kostensteigen noch zusatzlich, wenn die Nutzerein „ungutes Gefuhl“ beim Anbieten vonDateien verspuren, weil sie nicht genauwissen, was ein Nutzer bzw. Filesharing-Betreiber bei ihnen auf dem Rechner vor-nimmt.

Weiterhin muss ein Anbieter die Distribu-tionskosten in sein Kalkul mit einbezie-hen. Diese setzen sich aus den Online-und den Opportunitatskosten fur durchNachfrager beanspruchte Bandbreite zu-sammen [KoSmi96].

Die Kosten fur das erstmalige Anbieten ei-nes stark nachgefragten Films (z. B. Herrder Ringe) sind demnach hoch. Diese ho-hen Kosten mochte der Nutzer oftmalsnicht ohne Gegenleistung internalisierenund so kommt es haufig bei neuen Ange-boten zu Marktmechanismen: d. h. echtenTauschgeschaften. Wie Bild 3 verdeutlicht,bieten einige Nutzer ihre Quellen nur imTausch an – womit sie sicherstellen wollen,dass sie nicht ohne Gegenleistung auf ihrenKosten verharren.

2.2 Fruhe Anbieter –Diffusionsinitiatoren

Dennoch verhalten sich nicht alle Initialan-bieter nach der Regel „quid pro quo“. Ei-nige Teilnehmer sind nicht auf der Suchenach einer unmittelbaren Gegenleistungdes Downloaders und bieten den Film freian – koste es, was es wolle. Haufig reichtes aus, wenn ein oder zwei Initialanbieterdie Datei ohne Gegenleistung anbieten, umeine rasche Diffusion zu erreichen.

Bei einem Filmdownload, der oftmals uberNacht initiiert wird, kann es ebenfalls zudem Phanomen kommen, dass derDownload in der Nacht beendet wird undin den fruhen Morgenstunden ein andererNutzer den Film bereits wieder herunterladt. Das Angebot ist somit nicht wirklichbewusst geschehen.

Nutzer, die die hohen Kosten des Initial-angebotes externalisieren konnen, sind eherbereit, die Dateien auch wieder anzubieten,da sie ceteris paribus geringere Kosten ha-ben.

2.3 Spater Anbieter –Diffusionshelfer

Wenn ein Film stark nachgefragt wird unddie Kritische Masse der Diffusionsinitiato-ren erreicht wurde, konnen Nutzer vonFilesharing-Netzwerken, die ein „Intelli-gent Download“ von Segmenten einer Da-tei bei mehreren Anbietern zulassen, er-hebliche Kostenersparnisse realisieren. Eskommt so zu Netzeffekten auf der Kosten-seite [Weib92]. Dadurch, dass oftmals nurnoch Segmente einer Datei bei einem Nut-zer herunter geladen werden, reduzierensich die Distributionskosten. Bei zuneh-mender Anzahl von Anbietern verringertsich dann die Anzahl der Nachfrager proAnbieter.

Wahrend der Initialanbieter samtliche Kos-ten tragen muss und die Diffusionsinitiato-ren sehr haufig eine hohe Nachfrage aufsich vereinigen und somit nicht die Mecha-nismen des Intelligent Download fur sichnutzen konnen, internalisieren die Diffu-sionshelfer deutlich weniger Kosten. DieKosten des Anbietens reduzieren sich so-mit im Laufe des Diffusionsprozesses er-heblich. Modeguter wie Medienprodukte(Hits) unterliegen in der Regel einemschnellen Diffusionsprozess und erreichen

zugig das Kostenminimum [Deter01;Franz94].

Die Kosten des Angebots nehmen dannwieder zu, wenn der Lebenszyklus einesFilmes uber die Hitphase hinaus betrachtetwird. Nachdem viele Nutzer den Film ge-sehen haben, werden einige ihn aus demArchiv loschen und das Angebot vermin-dern. Dies ist bei Musik nicht so wahr-scheinlich, da dort die Kosten fur Speicher-platz geringer sind und Musik haufigerwiederholt konsumiert wird.

3 Nutzen des Anbietensvon Dateien

3.1 Darstellung des rationalenKalkuls

Legt man dem Angebot in Filesharing-Netzen die im Abschnitt 2 dargestelltenKosten zugrunde, fallt es schwer, die schie-re Menge an angebotenen Dateien in derRealitat rational zu erklaren. Wahrend so-zialpsychologische Phanomene wie altruis-tisches oder reziprokes Verhalten in denCommunities der Tauschborsen als Erkla-rungsansatze herangezogen werden kon-

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Kernpunkte fur das Management

Anstatt regular etwa uber den Handel eine DVD zu erwerben, konnen sich Konsumentenuber Filesharing-Netzwerke kostenlos Raubkopien besorgen. Obwohl dem Anbieter dabeiKosten und praktisch keine Einnahmen entstehen, stellt er Dateien zum Download bereit.Dieser Beitrag liefert Erklarungsansatze des unterschiedlichen Angebotsverhaltens von Teil-nehmern in Filesharing-Netzen uber die Zeit:

& Das individuelle Angebotsverhalten in Filesharing-Netzen hangt von der Phase des Le-benszyklus des Netzes ab.

& In der Einfuhrungsphase bieten die Teilnehmer noch Dateien an, da sie befurchten mus-sen, dass das Filesharing-Netz ansonsten zusammenbricht.

& In spateren Phasen bestehen weniger Anreize, Daten anzubieten, weil ein Anbieter nichtunmittelbar darauf vertrauen kann, ob sich sein Mitspieler kooperativ verhalt und auchDateien anbietet.

& Eine hohe Anzahl von Trittbrettfahrern in einem Netz verringert wiederum den Anreizzum Anbieten. Daher mussen Filesharing-Netzwerke Mechanismen implementieren, umdieser Gefahr entgegen zu wirken.

Stichworte: Filesharing, Peer-to-Peer, �ffentliche Guter, Freeriding, Spieltheorie, Lebens-zyklus

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nen, existieren auch okonomische Beweg-grunde, die zu einem Angebot fuhren[Andre90; Carma92; Olson98]. Um dasokonomische Kalkul der Anbieter zu ver-stehen, werden im vorliegenden Modellnur die Nutzenkomponenten eines Ange-bots berucksichtigt, die aus dem Netzwerkselbst entstehen, wahrend die Nutzen-komponenten vernachlassigt werden, diein der Veranlagung eines Nutzers begrun-det sind.

Weiterhin werden auch die Nutzenkom-ponenten von Kunstlern, die selbst erstellteInhalte bereitstellen, ausgeklammert. EinKunstler, der seine eigenen Werke uberFilesharing-Netzwerke vertreiben mochte,hat besondere Beweggrunde und Kalkuleeigene Inhalte anzubieten (z. B. Ruhm,Streben nach Plattenvertrag etc.). Genausokonnte dieser Kunstler aus Wettbewerbs-grunden auf das Anbieten fremder Dateienverzichten, da er nicht die Konkurrenz

starken will. Insofern liegt der Fokus desBeitrages auf dem Angebot von Inhalten,deren Urheber nicht der Anbieter ist. DieseEinschrankung bedeutet doch nichtzwangslaufig, dass es sich bei dem Angebotum eine Raubkopie handelt. So wurdenzum Beispiel Songs der erfolgreichen US-Gruppe Dave Matthew’s Band legal beiNapster angeboten – und zwar nicht nurvon Verantwortlichen der Band.

Ein Teilnehmer in einem Filesharing-Netz-werk ist wie ein normaler Wirtschafts-akteur i bestrebt, seine KonsumentenrenteCSi zu maximieren [CuMuS71; Tacke89,62ff.; Wils93]. Diese errechnet sich ausdem Nutzen Ui , der aus der Teilnahme aneinem Filesharing-Netzwerk entsteht, ab-zuglich der damit verbundenen Kosten Ki.

CSi ¼ Ui � Ki i 2 f1; . . . ;Ng : ð1ÞIn Anlehnung an Golle et al. setzt sich dieNutzenfunktion Ui aus der Summe einzel-

ner Teilnutzenfunktionen zusammen[GoLMi01]. Der in fiAD(AD) dargestellteNutzen ist der Nutzen, der einem Teilneh-mer entsteht, wenn er auf ein moglichstgroßes Angebot identischer Dateien trifft,aus dem er auswahlen kann. Da mit einemgroßen Angebot die Download-Moglich-keiten uber Multiple-Source-Download-Mechanismen steigen und zudem einschnellerer Download ermoglicht wird, istdavon auszugehen, dass der Nutzen umsohoher ist, je großer AD wird.

Die Funktion fiNV(NV) bestimmt die Nut-zenkomponente, die aus einer moglichstgroßen Auswahl verschiedener Dateienentsteht. Dabei steigt der Nutzen, wennDateien verschiedener Art und Inhalts an-geboten werden, also das Sortiment breiterist.

Ein positiver Nutzen wird demnach in ers-ter Linie durch eine breite Auswahl und ei-

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Bild 3 Angebotene Filme nur im Tausch (hier bei KaZaA)

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ne hohe Verfugbarkeit von Mediendateiengeneriert. Annahmegemaß sind beideFunktionen streng monoton steigend undverfugen uber eine Sattigungsmenge.

Ui ¼ f ADi ðADÞ þ f NVi ðNVÞ i 2 f1; . . . ;Ng :

ð2Þ

Negativ wirken hingegen die mit einem ei-genen Angebot verbundenen Kosten Ki,die in der Funktion fiK (OD) zusammenge-fasst werden. Dabei steigen die Kosten beizunehmender Anzahl von angebotenenDateien OD.

Ki ¼ f Ki ðODÞ i 2 f1; . . . ;Ng : ð3Þ

Um das Anbieterverhalten in den existie-renden großen Filesharing-Netzwerkenwie KaZaA, Gnutella etc. zu erklaren, wirdbei dieser Analyse davon ausgegangen, dasssowohl der Zugang zu einem Filesharing-Netzwerk als auch die Nutzung nicht voneinem Serviceanbieter tarifiert wird. Jederkann also die Software frei nutzen, umz. B. Songs der Dave Matthew’s Band he-runterzuladen.

Ein Nutzer wird daher genau so viele Da-teien anbieten, dass die daraus erzielteKonsumentenrente maximal ist.

CSi ¼ f ADi ðADÞ þ f NVi ðNVÞ � f Ki ðODÞ

i 2 f1; . . . ;Ng : ð4Þ

Es wird deutlich, dass die Konsumenten-rente CSi somit sowohl von dem eigenenBeitrag als auch von den Beitragen aller an-deren Teilnehmer abhangt. Allerdings sinddie Kosten K der einzige Parameter, dender Nutzer selbst direkt beeinflussen kann.Der Nutzen, den er aus dem Downloadvon Mediendateien bei anderen Nutzernerzielen kann, ist abhangig von der Großeund der Auswahl des Angebots, das dierestlichen Teilnehmer bereitstellen. DiesesAngebot stellt ein Datum fur den einzelnenNutzer dar.

Das okonomische Kalkul sollte demnachleicht nachvollziehbar sein: Da ein Ange-bot den individuellen Nutzen nicht er-hoht, bei einem Teilnehmer jedoch Kos-ten verursacht, ergibt sich als dominanteStrategie eines jeden rationalen Nutzers,moglichst viele Dateien nachzufragen undselbst keine Dateien anzubieten. Dies giltumso mehr, da sich die mit einem Ange-bot verbundenen Kosten durch Free-riding externalisieren lassen. Dem indivi-

duellen rationalen Kalkul steht dannallerdings ein gesellschaftlich irrationalesErgebnis gegenuber. Da sich der Nutzenjedoch ebenfalls aus Große und Vielfal-tigkeit des Angebots zusammensetzt, er-gibt sich fur samtliche Spieler der jeweilsgroßte Nutzen in dem Fall, wenn alleBeteiligten die Strategie eines moglichstbreiten Angebots verfolgen. Der Nutzerfindet somit eine Situation vor, in der diemaximale Konsumentenrente nicht nurvon seiner eigenen Aktion, sondern auchvon den Aktionen anderer Teilnehmerbestimmt wird.

Eine Situation, in der eine Person einen ho-heren individuellen Nutzen aus einer sichsozial negativ auswirkenden Entscheidungzieht, stellt nach Dawes ein soziales Dilem-ma dar [Dawes80]. Da soziale Dilemmatainsbesondere bei der Bereitstellung vonoffentlichen Gutern auftreten, wird dieAnalogie von Dateien, die uber Filesharing-Systeme zum Tausch angeboten werden, zuoffentlichen Gutern deutlich: Zeichnen sichdiese doch ebenso durch die Eigenschaftender Freiheit von Konsumrivalitat sowie diefehlende Ausschließbarkeit vom Konsumaus [OsGW94]. Im Fall des Filesharing be-wirkt die einfache Replizierbarkeit der digi-talen Inhalte, dass Anbieter und Nachfragereiner Datei nicht rival sind: Nach einemDownload besitzen beide eine identischeVersion. Die Nichtausschließbarkeit vomKonsum liegt im Konzept der Tauschbor-sen begrundet. So gestatten insbesondereanarchische Systeme der ersten Generati-on wie Gnutella jeder Person die Teilnah-me – unabhangig von einem eigenen An-gebot. Da eine Person das offentliche Gutnutzen kann, ohne selbst einen Beitrag zuleisten, existiert somit ein latenter Anreizfur jeden Teilnehmer, seine eigene Aus-zahlung zu Lasten des Gemeinwohls zumaximieren [KoSmi96].

So kann die Situation als Entscheidungs-problem zweier Spieler modelliert werden,die simultan uber den Beitrag zu einem of-fentlichen Gut zu entscheiden haben. Dies

lasst sich anschaulich als Zwei-Personen-Spiel in der Form des Gefangenendilemmasdarstellen. Versehen mit den Notationen T(Temptation), R (Reward), S (Sucker) undP (Punishment), die fur die Nutzenwerteder Entscheidungsalternativen stehen, sinddie verschiedenen Strategiepaare in der Ta-belle 1 dargestellt.

Dabei wird im Fall des 2-Personen-Gefan-genendilemmas die Reihenfolge der Aus-zahlungen

T > R > P > S ð5Þunterstellt. Danach besitzt jeder Spielerdie dominante Strategie, das System zunutzen, ohne aber selbst Dateien anzubie-ten, um so die maximale Auszahlung Tzu internalisieren (das dominante Strate-giepaar g2i ist in der Tabelle grau schat-tiert). Die Tatsache, dass die Spielsituationin beidseitige Defektion resultiert, liegt ei-nerseits darin begrundet, dass bei P > Sein Opportunist eine hohere Auszahlungals bei Kooperation realisiert. Somit kannfur den Fall des Gefangenendilemmas ge-nerell ein Verhalten zur individuellen Mi-nimierung der Kosten (durch die Defekti-on) angenommen werden, das hoherenNutzen verspricht als Kooperation. An-dererseits konnen sich die Spieler der ko-operativen Strategie des Gegenspielersniemals sicher sein. Sie mussen sogar da-mit rechnen, dass sich dieser ebenfalls op-portunistisch verhalt und auch kein Ange-bot bereitstellt [Andre88, 293]. Wenn sichbeide so verhalten, dann entstehen ihnenzwar keine individuellen Kosten, jedochbewirken sie dadurch negative Externali-taten, die zu Lasten des Netzes gehen,das zusammenbricht, indem die KritischeMasse nicht erreicht bzw. unterschrittenwird [BiFer98, 83; DixNa95, 90].

Da sich das Angebot beim Filesharing mitdem Beitragsverhalten zu offentlichen Gu-tern vergleichen lasst, ist auch hier das An-gebotsverhalten von der Große des Sys-tems abhangig [Hard68; Dawes80]. Sowird aus der Gleichung (4) deutlich, dass

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Spieler 2Spieler 1

anbieteng2

1nicht anbieten

g22

anbieten11

RR

ST

nicht anbieteng1

2T

SP

P

g

Tabelle 1 Auszahlungsmatrix des Gefangenendilemmas

Generation Napster 265

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die Netzwerkgroße uber die Gesamtzahlder angebotenen Dateien Einfluss auf dieNutzenstruktur der Teilnehmer nimmt.

Bezugnehmend auf die Nutzenentwick-lung in Bild 4 wird im Folgenden gezeigt,dass die individuelle Nutzenwahrnehmungvon dem jeweiligen Entwicklungsstadiumeiner Online-Tauschborse abhangt und da-her insgesamt relativ instabil ist. Dafurwird fur die Nutzenfunktion des Angebotsder Verlauf UC unterstellt, wahrend derNutzen, den es den Teilnehmern bereitet,nicht anzubieten, also des Freeriding, dage-gen den Verlauf UD nimmt.

Unterteilt man die Teilnehmerentwicklungeines Filesharing-Netzes in eine Einfuh-rungsphase sowie eine Wachstums- bzw.Reifephase, werden die verschiedenenEinflusse auf die Nutzenstruktur erkenn-bar.

3.2 Angebotsverhaltenin der Einfuhrungsphase

Gemaß Bild 4 ist der absolute Nutzen einesAngebots UC in der Einfuhrungsphase re-lativ hoch und der Nutzen des FreeridingUD noch gering. Denn ausgehend von dergeringen Große des Netzwerks mussen dieTeilnehmer befurchten, dass das offentlicheGut Filesharing nicht zustande kommt,wenn nicht jeder einzelne seinen Beitragleistet und anbietet. Der Grund dafur liegt

in den negativen Externalitaten begrundet,die durch unkooperatives Verhalten entste-hen und die das schlechtest moglicheHandlungsergebnis darstellen.

Verfolgen die Teilnehmer eine langfristigeStrategie, in der ihnen an dem Erhalt desNetzes gelegen ist, werden sie ihre Strate-gie anpassen und unabhangig von der Ent-scheidung der anderen Spieler selbst an-bieten. �berfuhrt man die individuelleEntscheidungssituation in ein Zwei-Per-sonen-Spiel, nimmt dieses die Form einesChicken Games an [Esser00, 82ff.;HoIll96, 89f.]. Dabei haben sich die Nut-zenwerte des Chicken Games gegenuberdem Gefangenendilemma verandert. Danunmehr die Reihenfolge

T > R > S > P ð6Þ

gilt, ist wechselseitige Defektion nichtmehr die dominante Strategie. So bewirktdie Gefahr des Zusammenbruchs des Net-zes aufgrund mangelnder Angebote, dasseinseitige Kooperation (S) einen hoherenNutzenwert erhalt als beidseitige Defek-tion (P). Um die negativen Externalitatenzu vermeiden, sind die Spieler sogar bereit,sich ausnutzen zu lassen und werden dahereher kooperativ handeln als im Gefange-nendilemma [Bona95, 3; Hoff01, 6]. Sosind auch nach der Transaktionsnutzen-theorie Teilnehmer durchaus bereit, Ein-schrankungen im Nutzen durch die Inter-nalisierung von Kosten zu akzeptieren,sofern es ihrer langfristigen Orientierungdient [Thal85, 210].

Die oben beschriebene Situation des Chick-en Games setzt voraus, dass die Teilnehmerdas System des Filesharing verstanden ha-ben und ihnen auch durch den Erhalt desNetzes ein Nutzen erwachst [HagAr97, 23].So wissen die Teilnehmer des Filesharing-Netzes in der Einfuhrungsphase, dass derTausch von Dateien auf dem Konzept desbeiderseitigen Gebens und Nehmens derNutzer basiert (digitale Geschenkokono-mie) [Kollo00]. Demnach erfolgt ein Ange-bot in demVertrauen auf eine Gegenleistungund stellt eine Art sozialer Verhaltenskodexdar. Da Filesharing-Netze weitgehend ano-nym sind, richtet sich das Vertrauen auf Re-ziprozitat nicht an eine Person, sondern andas gesamte Netz [Offer97].

Aufgrund der wiederholten Interaktionender Teilnehmer muss die statische Betrach-tung des Gefangenendilemmas daher fursequentielle, iterative Spielsituationen er-weitert werden, um so die Erwartungshal-tung des Anbieters nachzuvollziehen.Zwar stellt jede Interaktion im Filesharing-Netz immer noch ein einzelnes Spiel dar,fur das noch die Bedingungen des Gefan-genendilemmas gelten. Jedoch bewirkt dieWiederholung des Spiels im Unterschiedzu One-Shot-Games, dass Defektion imi-tiert wird und zu den negativen Ergebnis-sen fuhrt. Nur eine „freundliche“ Strategie,bei der beide Spieler weitgehend auf Ko-operation vertrauen konnen, wie beispiels-weise Tit-for-Tat, kann zu langfristig maxi-malen Auszahlungen fur die beteiligtenSpieler fuhren [Axel84].

Wird das Anbieten als eine soziale Normangesehen, deren Einhaltung sich die Spie-ler versichert sein konnen, nimmt die Serievon Interaktionen die Form eines Assur-ance Games an, in dem ein Spieler dannkooperiert, wenn der andere Spieler sichebenfalls kooperativ zeigt [KiTa00, 413].Beim Verdacht, dass dieser jedoch defek-tiert, erlischt die Bereitschaft und der Spie-ler kooperiert nicht. Dies fuhrt zu dem inFilesharing-Netzwerken zu beobachtendenVerhalten des Abbrechens eines Downlo-ads durch den Anbieter, wenn dieser durchdie Abfrage der Hotlist des Nachfragersfeststellt, dass dieser keine Dateien anbie-tet. Gegenuber dem Gefangenendilemmaverandert sich auch hier die Reihenfolgeder Nutzenwerte:

R > T > P > S : ð7Þ

Daher fuhrt die einseitige Defektion (T)nicht mehr zur hochsten Auszahlung, da

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Anzahl derkooperierendenTeilnehmer N

Nutzen U

UD (N-1)

UC (N)

UD (0)

UC (1)

I I I I I I I I I I I I I I

Einführung Wachstum/Reife

Bild 4 Nutzenentwicklung von Angebot und Freeriding(in Anlehnung an [Franz94, 121; Mick00])

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dem Nutzen (psychologische) Kosten ge-genuber stehen – bspw. durch den wissent-lichen Verstoß gegen eine Gruppennorm.Die Spieler erfahren nunmehr durch dieKooperationsstrategie R den großten Nut-zen.

Fuhrt man die beiden Erklarungsansatzedes Chicken und Assurance Games zusam-men, lasst sich die breite Kooperation inder Einfuhrungsphase erklaren. Die resul-tierenden Nutzenwerte ergeben sich dannin folgender Reihenfolge:

R > T > S > P : ð8Þ

Wie aus der Auszahlungsmatrix in Tabel-le 2 deutlich wird, stellt sich somit in demStrategiepaar g1i ein pareto-optimalesGleichgewicht ein (grau schattiert).

Beide Erklarungsansatze, die Furcht vorden negativen Externalitaten sowie dieReziprozitatsnorm, belegen, dass bei rela-tiv geringer Netzwerkgroße das individuellund gesellschaftlich rationale Handelnkonvergiert. Insofern ist ein Anbieten vonDateien in einem Filesharing-Netzwerknicht irrational, da die Erwartungshaltungdes Anbieters das Angebotsverhalten deranderen Teilnehmer berucksichtigt. DieAuszahlungsmatrizen der einzelnen Spielezeigen die erwarteten Auszahlungen undfuhren zu einem ausgepragten Angebots-verhalten in der Einfuhrungsphase.

3.3 Angebotsverhaltenin der Wachstumsphase

In der Wachstumsphase verandert sich diePerzeption der Teilnehmer, so dass siedurch defektives Verhalten das Netzwerkgefahrden. Denn die dem Chicken Gamezugrunde liegende Kooperationsbereit-schaft dient lediglich der Vermeidung dessozialen Dilemmas und geschieht nicht aus�berzeugung. Darin liegt auch das Pro-blem des Chicken Games, ubertragt man

es auf den N-Personen-Fall. So verandertsich die subjektive Wahrnehmung der Ver-antwortung fur das Netzwerk mit zuneh-mender Gruppengroße: Es besteht einenegative Beziehung zwischen der Grup-pengroße und der Wahrnehmung des eige-nen Beitrags, der zum Erhalt des Netz-werks beitragt [YaCoo93, 240; Esser00,185; Dawes80, 185ff.].

Wahrend ein defektierender Spieler in einerkleinen Gruppe droht, das „Tauschsystem“durch sein Verhalten zu zerstoren, und ge-gebenenfalls emotionale Kosten internali-siert, reduzieren sich in der Wahrnehmungder Spieler Gefahr und Kosten mit zuneh-mender Zahl kooperierender Spieler. Dassdies nur ein temporares Phanomen ist, be-legt die Steigung der Nutzenfunktionen inBild 4: Dort ist der Grenznutzen nicht-ko-operativer Spieler hoher als bei den koope-rativen. Wahrend in der Einfuhrungsphasenoch der Nutzen der Kooperation uber-wiegt, dominiert mit zunehmender Netz-große der Nutzen der Defektion.

Hiernach ist zu schließen, dass in Netzwer-ken mit wachsender Nutzerzahl die Furchtvor negativen Externalitaten nur bis zu ei-ner gewissen Netzwerkgroße fur Koope-ration verantwortlich sein kann. Fur großeNetzwerke hat die Rangfolge S > P dem-nach keine Gultigkeit mehr. Allerdings istmit der Umkehrung der Rangfolge derNutzenwerte die Voraussetzung fur dasChicken Game auch nicht mehr gegeben.Die Nutzenstruktur nimmt vielmehr dieReihenfolge analog zum Gefangenendilem-ma an und resultiert wiederum in demkonkreten Anreiz zur Defektion der Teil-nehmer.

3.4 Angebotsverhaltenin der Reifephase

Bild 4 verdeutlicht, dass mit der Entwick-lung der Teilnehmerzahlen von File-

sharing-Netzen der Nutzen anzubieten ab-solut nur maßig steigt, wahrend derNutzen des Freeriding zunimmt. In derReifephase verscharft sich dieser Trend.Jetzt drohen selbst die uberzeugten Teil-nehmer ihr Angebot einzustellen und dasNetz lauft theoretisch Gefahr zu kollabie-ren.

Unabhangig von der im vorangegangenenAbschnitt dargestellten Zunahme der Free-rider, wird allein im Zuge des Wachstumsder Teilnehmerzahlen ihr Anteil steigen.Denn wie im Abschnitt 3.2 festgestelltwurde, treten wiederholte Interaktionenund damit verbunden auch direkte Rezi-prozitat in Systemen mit einer Vielzahl vonSpielern eher stochastisch auf. Zudem istdas Gefuhl der Reziprozitat weitgehenddavon abhangig, inwieweit Spieler die Ak-tionen anderer beobachten und zwischenKooperatoren und Trittbrettfahrern unter-scheiden konnen [BoKaO01; NoSi98,575f.]. Je großer und anonymer ein Netz-werk ist, desto geringer sind die Moglich-keiten der Beobachtung und zugleich gro-ßer die Wahrscheinlichkeit, als Freeridernicht entlarvt zu werden. Daher sollte inSystemen mit indirektem Austausch fureinige Teilnehmer die Anreizstruktur dessozialen Dilemmas (vgl. Abschnitt 3.1)schon von vorneherein gegolten haben[YaCoo93, 236].

Bei den uberzeugten Nutzern von File-sharing-Netzen verandert sich die Spiel-situation nicht. Sie vertrauen weiterhin da-rauf, dass sich das Netz ihrem Angebotgegenuber reziprok verhalt. Betrachtetman die Auszahlungsmatrix des AssuranceGames in Tabelle 3, fallt auf, dass sich inder Entscheidungssituation keine eindeutigdominante Strategie identifizieren lasst.Vielmehr existieren die zwei Nash-Gleich-gewichte g1i und g2i nebeneinander (grauschattiert).

Jedoch ist nur die Strategie beiderseitigenAnbietens g1i pareto-optimal. Sie fuhrt zuden individuell hochsten Auszahlungenund sollte daher eigentlich von den Spie-lern bevorzugt werden [KiTa00, 413]. Wiein Abschnitt 3.2 ausgefuhrt, ist die Koope-rationsstrategie allerdings nur dann nut-zenmaximal, wenn die Spieler darauf ver-trauen konnen bzw. versichert waren, dasssich der Gegenuber ebenfalls kooperativverhalt.

Dessen versichert sein, konnen sich dieTeilnehmer angesichts des hoheren Nut-

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Spieler 2Spieler 1

anbieteng2

1nicht anbieten

g22

anbieteng1

1 RR

ST

nicht anbieteng1

2 TS

PP

Tabelle 2: Auszahlungsmatrix der Kombination von Chicken und Assurance Game

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zens des Freeridings nicht mehr. Dadurchsteigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieKonsumentenrente aus Angebot undNachfrage fur einen Teilnehmer mit zuneh-mender Große des Netzes negativ wird –und zwar dann wenn er sich ausgenutztfuhlt. So verhalten sich mit steigender An-zahl von Freeridern auch immer mehr An-bieter reziprok und sehen von einem An-gebot ab. Die Strategie Tit-for-Tat giltnicht nur fur dyadische Spiele, sondernauch innerhalb sozialer Netzwerke. Daherverbreitet sich Defektion im Fall vonN-Personen-Spielen rasch durch das Netz-werk und es stellt sich ebenso schnell eingesellschaftlich wie auch individuell un-gunstiges Ergebnis ein [BuWee00].

Wie gezeigt, lassen sich in Abhangigkeitvon dem Stadium, in dem sich das Netz-werk befindet, unterschiedliche rationaleKalkule fur das Angebotsverhalten identifi-zieren. Berucksichtigt man die variableKostenstruktur des Abschnitts 2, wird dieBesonderheit eines Angebots umso deutli-cher. Denn die Kosten wirken sich zudemdirekt auf das individuelle Beitragsniveauaus. Gelingt es einem Nutzer nicht – bspw.mithilfe geeigneter Tarifierungsmodelleoder �bertragungstechnologien, wie Flat-rate oder Full-Duplex-Verbindungen, dieKosten fur sein Angebot zu externalisieren,bleiben in der Reifephase relativ wenigeGrunde fur ein Angebot bestehen.

Dabei sind Angebot und Nachfrage instarkem Maße interdependent und bildenbeim Filesharing die Grundlage fur dieExistenz und Attraktivitat des Netzwerks.So fuhrt ein reduziertes Angebot zu ein-geschrankten Nachfragemoglichkeiten, dieals Konsequenz der gesunkenen Attrakti-vitat des Netzes die weitere Abwan-derung der Nutzer und Anbieter und eineStagnation auf einem qualitativ geringenNiveau haben. Da Filesharing-NetzwerkeKritische-Masse-Systeme sind, kann dasUnterschreiten der Kritischen Masse zu

einem Zusammenbruch des Tauschsys-tems fuhren.

Zudem muss beachtet werden, dass mit derquantitativen Dimension des Gesamtange-bots auch eine qualitative Komponenteverbunden ist. Es wurde bislang impliziert,dass die Nutzer ihre Dateien nicht selektivanbieten. Davon kann in der Realitat je-doch nicht ausgegangen werden, denn einNutzer kann seine psychischen und finan-ziellen Kosten auch dadurch externalisie-ren, indem er Dateien von nur geringemNachfragewert anbietet. Diese Dateien tra-gen dann zwar quantitativ zur Große desallgemeinen Angebots AD bei, treffen aller-dings auf keine Nachfrage und stiften da-her keinen Nutzen, weder fur den einzel-nen Teilnehmer noch fur das Netzwerk.Auch diese Art des „qualitativen“ Freerid-ings fuhrt langfristig dazu, dass Angebotund Nachfrage divergieren – mit der be-kannten Konsequenz.

Daher sollten beide Falle der Erosion desAngebots – quantitativ wie qualitativ –bereits in der Konzeption von Filesha-ring-Netzen berucksichtigt und geeigneteMaßnahmen gegen Freeriding ergriffenwerden. Die vorgestellten Maßnahmenzielen hierbei darauf ab, legalen Angebo-ten – wie zum Beispiel das legale undkostenlose Downloadangebot der DaveMatthew’s Band bei Napster – zu einerhohen Qualitat zu verhelfen. Die Maß-nahmen lassen sich auch umsetzen, wennDigital Rights Management-Systeme ein-gesetzt werden, die das Tauschen bzw.Abspielen illegaler Inhalte verhindern sol-len. Sie lassen sich aber auch bei KaZaAoder anderen Netzwerken einsetzen, diekeine illegale Nutzung unterbinden. Dieim Folgenden vorgeschlagenen Maßnah-men (insbesondere diejenigen, die dieAnonymitat des Netzwerks reduzieren)dienen dann auch dem Verstandnis derMechanismen von Filesharing-Netzwer-ken, um so Rechteinhabern ein gezieltes

Vorgehen gegen illegale Anbieter zu er-moglichen.

4 Maßnahmengegen Freeriding

Solange die Wachstumsraten bei den File-sharing-Netzwerken weiterhin so hochsind, werden die Netze kaum an einemAngebotsmangel leiden. Dies liegt zum ei-nen daran, dass die Netze sich noch nichtin der Reifephase befinden (und damit vieleNutzer bewusst anbieten), und zum ande-ren, dass immer wieder neue Nutzer hin-zukommen, die nicht bemerken, dass siedie herunter geladenen Inhalte auch wiederautomatisch anbieten. Wurden alle Nutzerdie herunter geladenen Inhalte wieder an-bieten, so wurde der hohe Grad der Re-dundanz sicherstellen, dass ein bestimmterContent zu jeder Zeit zum Download be-reitsteht.

Dennoch konnte eine zunehmende Ver-breitung von Freeriding negative Folgenauf das Filesharing-Netz haben: Da dieNachfrager versuchen, schnell an die Inhal-te zu kommen und sich vorzugsweise An-bieter mit hoher Upload-Bandbreite su-chen, kommt es bei einem wachsendenGrad an Freeriding zu einer immerschlechteren „Load Balance“, weil vieleNachfrager bei den wenigen, haufig glei-chen Anbietern herunter laden. Diese rea-gieren dann ihrerseits auf die hohe Nach-frage mit einem Nicht-Anbieten, sofern siees nicht schaffen, die erhohten Kosten zuexternalisieren.

Wahrend im Konzept des Filesharing-Pio-niers Napster zu Beginn kaum Vorkeh-rungen gegen Freeriding vorhanden wa-ren, tragen die neu entwickeltenFilesharing-Dienste dem Freeriding undder Heterogenitat der Nutzer teilweiseschon Rechnung. Grundsatzlich weisendie Nutzer einen hohen Grad an Hetero-genitat auf. So unterscheiden sie sich ins-besondere durch die Internet-Zugangs-geschwindigkeit, die Latenzzeiten, dieZeit, die sie online sind und schließlichdurch die Anzahl und Qualitat der ange-botenen Dateien [SaGG02]. Dieser Hete-rogenitat kann in drei Dimensionen Rech-nung getragen werden, wenn das Ziel diemaximale Angebotsmenge ist.

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Spieler 2Spieler 1

anbieteng2

1nicht anbieten

g22

anbieteng1

1 RR

ST

nicht anbieteng1

2 TS

PP

Tabelle 3 Auszahlungsmatrix des Assurance Games

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4.1 Technische Mechanismen

Eine Reihe von Servern im OpenNap-Netzwerk konnen nur dann angesteuertwerden, wenn der Nutzer eine Mindestzahlvon Dateien in seinem Angebots-Verzeich-nis aufweisen kann. Dieser Mechanismuskann auch auf die gesamte Datengroße(z. B. ein Gigabyte) bezogen werden.Ebenfalls konnen auch Quoten festgelegtwerden, die sicherstellen, dass ein Nutzeranbietet, da er sonst nichts herunter ladenkann. Quoten stellen hierbei eine intelli-gente Angebotssicherung dar, wenn sie da-von abhangig gemacht werden, ob das An-gebot auch nachgefragt wird. Nur wenntatsachlich Dateien angeboten und vonDritten herunter geladen wurden, sollteder Teilnehmer Zugang zu den Daten an-derer bekommen. So wird sichergestellt,dass attraktive Inhalte zur Verfugung ge-stellt werden und nicht nur „schlechte“oder unvollstandige Inhalte angebotenwerden.

Mindestangebotsmengen weisen stets einProblem auf: Der Nutzer muss ein Ange-bot bereitstellen konnen. Das geht jedochnur bei Inhalten, die der Nutzer selbst er-stellen kann. So kann ein neuer Teilneh-mer, der keine Mediendateien auf seinemPC hat, entweder nicht am System teilneh-men oder er muss sich die Dateien ander-weitig besorgen beziehungsweise selbst er-stellen.

Die meisten Filesharing-Netze nutzen einintelligentes Download-Management. DieAufteilung einer Datei in Einzelteile(Chunks) erlaubt, dass Teile einer Datei,die gerade herunter geladen wird, bereitswieder von Dritten nachgefragt werden.Da die Datei erst nach dem vollstandigenDownload aus dem Upload-Verzeichnisin ein anderes Verzeichnis geschoben wer-den kann, wird so von den meisten File-sharing-Softwareprodukten sichergestellt,dass Nachfrager auch zu Anbieter werden– auch wenn es nur Teile einer Datei sind.

Ebenfalls konnten technische Verzoge-rungen dazu fuhren, dass gegen Ende desDownloads die Downloadgeschwindigkeitbei dem Nutzer reguliert und verlang-samt wird: So konnte ein Nutzer mog-lichst lange online gehalten werden, sodass andere Nutzer bereits die erstenChunks wieder herunter geladen haben.Nutzer, die viele Daten anbieten, wurdendieser technischen Verlangsamung nicht

oder nur in geringerem Maße unterlie-gen.

4.2 Community-Mechanismen

Der Einsatz von Community-Mechanis-men vereinfacht es dem Anbieter fest-zustellen, in welcher Situation er sich be-findet und welche Strategie moglicherweiseoptimal fur ihn ist. Wie in Abschnitt 3 ver-deutlicht wurde, nimmt das Freeridingdann zu, wenn die Anonymitat des Netzesdas Wertgefuhl des eigenen Beitrags als ge-ring erscheinen lasst.

Hotlist-Funktionalitaten, die die Einsichtin das Archiv eines Teilnehmers erlauben,stellen jedoch sicher, dass Freerider identi-fiziert werden und konnen so auch die An-bieter zum Abbruch der Peer-to-Peer-Ver-bindung veranlassen.

Ebenso bieten die meisten Filesharing-Dienste einen Instant-Message-Service an.Dieser Service erlaubt es den Nutzern, un-tereinander zu kommunizieren und aufdiese Weise die Community-Effekte zuverstarken. So beschreibt O’Brian die Re-aktion eines Anbieters, wenn ihm dasNachfragerverhalten als nicht fair er-scheint: “If someone gets greedy, I’ll shootthem a note and say, ‘Give someone else achance’.” [Obri02].

Die Community-Effekte lassen sich eben-falls verstarken, wenn fur die Teilnehmerahnlich wie bei Auktionen Ratings einge-fuhrt werden, die Aussagen bezuglich desAngebots zulassen. Alle Filesharing-Netz-werke bieten zwar stets die Informationuber die Bandbreite eines Nutzers, nichtaber uber die Menge und Qualitat der an-gebotenen Dateien an.

Alle Maßnahmen, die Freerider als solcheerkennen lassen, erweitern demnach dieAngebotsmenge, da Communities oppor-tunistisches Verhalten nur begrenzt dulden:So konnen Trittbrettfahrer beispielsweisemit Instant Messages uberflutet werdenund so entweder zur Flucht aus dem Netzoder zum Wohlverhalten gezwungen wer-den. Außerdem werden durch Commu-nity-Maßnahmen auch Subnetze wahr-scheinlicher, innerhalb derer sich Anbieterund Nachfrager mit ahnlichem Verhaltentreffen.

Naturlich kann auch ein Filesharing-Dienst Marketing betreiben und seine Teil-nehmer zum Sharen aufrufen. Wenn derDienst es schafft, die Teilnehmer mit einemgroßen Angebot als die „Stars“ hervor-zuheben, und das Anbieten zu einer nut-zenstiftenden Funktion wird, dann moch-ten moglichst viele diesen Status erreichen.

Saroiu et al. zeigen, dass Napster-Nutzerim Vergleich zu Gnutella-Nutzern signifi-kant langer online sind [SaGG02]. Die Au-toren fuhren dies auf die unterschiedlichenServices zuruck, die die Software beinhal-tet: So bietet Gnutella „nur“ das eigentlicheSharen an, wohingegen die Napster-Soft-ware ein MP3-Player und ein Chat-Servicebot. Es ist offensichtlich, dass z. B. KaZaAmit der Integration des Microsoft MediaPlayers in den Software-Client unter ande-rem das Ziel verfolgt, den Nutzern eineMoglichkeit zu bieten, die herunter gelade-nen Filme direkt anzusehen – um sie solanger online zu halten.

4.3 Marktmechanismen

Neben den technischen Maßnahmen, die inder Regel durch Community-Aktionenunterstutzt werden, konnen auch Markt-mechanismen zu einem verbesserten Ange-botsverhalten fuhren. Hierbei sind abernicht die Marktmechanismen gemeint, dieinsbesondere die Initialanbieter bereitsheute zum Teil einsetzen (Abschnitt 2.1).

Vielmehr sind zentrale Steuerungsmecha-nismen seitens des Filesharing-Netzwerk-betreibers fur die Schaffung von Marktengeeignet, um Freeriding zu vermeiden: Vir-tuelle Wahrungen (wie z. B. die Mojos desNetzes Mojo Nation) konnen zur Schaf-fung von Markten beitragen [Cave00]. DieWahrung gilt hierbei als Geldaquivalent,die entweder bei kommerziellen Anbieternerworben oder bei nicht-kommerziellenAnbietern durch Anbieten von Dateien„verdient“ werden kann.

Wenn nun der Zugang zu schnellenDownloads nur durch die Zahlung einerbestimmten Anzahl von Punkten bereit-gestellt wird, steigt der Anreiz fur die Teil-nehmer diese Punkte zu verdienen, indemsie Daten anbieten.

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5 Fazit

Trotz der Kosten, die ein Anbieter in Ab-hangigkeit des bereits realisierten Diffu-sionsgrades einer Mediendatei interna-lisiert, kommt es zu einem enormenAngebot von Dateien im Internet. Jedochkann ein Nutzer auch in den Genuss desGesamtangebotes kommen, wenn er selbstnicht zu dem System beitragt – also Free-riding betreibt.

Die Motive der Anbieter in Filesharing-Netzwerken sind vielfaltig. Es wurde ge-zeigt, dass das individuelle Angebotsver-halten davon abhangt, in welchemStadium sich das Netzwerk befindet. Inder Einfuhrungsphase befurchten dieTeilnehmer vor allem negative Externali-taten, die durch unkooperatives Verhaltenentstehen konnen, wohingegen in spate-ren Phasen zunehmend weniger Anreizebestehen, Daten anzubieten. Dies liegtvor allem darin begrundet, dass ein An-bieter nicht unmittelbar darauf vertrauenkann, ob sich sein Mitspieler kooperativverhalt. Entsprechend wird sich dieWahrnehmung uber die Art der vorlie-genden Entscheidungssituation und diedaraus resultierende optimale Strategieverandern.

Um die Zwangslaufigkeit zu verhindern,dass sich immer mehr Freerider in einemNetz tummeln und sich dadurch der An-reiz zum Anbieten stark verringert, mussenFilesharing-Netzwerke zunehmend Me-chanismen implementieren, um dieser Ge-fahr entgegen zu wirken. Dabei konnen dieNetzwerke weitere technische Maßnahmenergreifen, die Anonymitat im Netzwerkdurch geeignete Community-Features ver-ringern oder Marktmechanismen imple-mentieren.

Diese Features werden zunehmend rele-vant, wenn kommerzielle Filesharing-Netzwerke in den Markt drangen, da dieKonsumentenrente trotz der zu zahlendenGebuhren fur die Teilnahme an dem Netz-werk und der Kosten fur das Anbieten vonDateien positiv sein muss.

Zur Stutzung der theoretischen �berle-gungen sind empirische Langzeitstudienwunschenswert, die den Verlauf des Ange-botsverhaltens uber die Zeit analysierenoder die Effizienz der oben angefuhrtenMaßnahmen testen.

Danksagung

Die Autoren danken Prof. Dr. Sonke Al-bers, Prof. Dr. Bernd Skiera, Kerstin Rei-mer und den Gutachtern fur konstruktiveAnmerkungen zu fruheren Fassungen die-ses Beitrages.

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Abstract

Generation Napster – Analysis of the economic rationale to share files in peer-to-peer-networks

Filesharing has recently proved to be one of the most controversial applications in the Inter-net. Millions of users enjoy downloads of billions of media files such as songs or movies. Butwhere do these files come from? While the economic rationale to download files is obvious,the rationale of individuals to actually share and therefore internalize the costs (i.e. the riskof being sued for copyright infringement) is not obvious. Consequently empirical studieshave shown a large proportion of users not offering any but demanding files and thereforefreeride on their peers.Nevertheless sharing can be rational. This article offers a theoretical base to explain sharingand proves that the users’ utility considerations depend heavily on the networks life cycle.The user’s utility of sharing decreases over time. In order to prevent the (theoretically) inevita-ble break-down of the filesharing network, the authors present strategies for filesharing net-works to enhance the user’s willingness to share.

Keywords: filesharing, peer-to-peer, public goods, freeriding, game theory, life cycle

Generation Napster 271