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E. von Cyon _Das Ohrlabyrinth als Organ der mathematischen Sinne fiir Raum mul Zeit. Vorrede: Das Ende der apriorischen Lehre von Kaut. Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1908

Das Ohrlabyrinth - Springer978-3-662-41251-0/1.pdf · samkeit auf diese rätselhaften Phänomene. Meine Neugier wurde durch die Kenntnisnahme der außerordentlichen Versuche von Flourens

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E. von Cyon

_Das Ohrlabyrinth als Organ der mathematischen Sinne

fiir Raum mul Zeit.

Vorrede: Das Ende der apriorischen Lehre

von Kaut.

Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1908

Das Ohrlabyrinth.

Physiologische Hauptwerke des Verfassers. De Choreae Indole, sede etc. Dissert. Inaug. Berlin 1864. (Deutsch

in den Wiener med. Jahrbüchern. 1865.)

Die Lehre von der Tabes dorsalis. Berlin 1867, S. Liebrecht. (Fort­setzung in Virchows Archiv. 1867.)

Princlpes d'Electrotherapie. (Von der Pariser Akademie d. Wissen­schaften gekrönte Preisschrift.) Paris 1873, J. B. Bailliere et fils.

Lehrbuch der Physiologie. (Russisch.) 2 Bde. Petersburg 1873-74, Karl Ricker.

Arbeiten aus dem Physiologischen Laboratorium der Med. Chirurg. Akademie. (Russisch.) St. Petersburg 1874, Karl Ricker.

Methodik der physiologischen Experimente und Vivisektionen. Mit Atlas. Petersburg und Gießen 1876, Karl Ricker.

Recherehes experimentales sur les fonctions des canaux semi-circn· Iaires et sur leur röle dans la formation de Ia Notion de l'Espace. These. Paris 1878.

Wissenschaftliche Unterhaltungen. (Russisch.) I. Bd. Petersbnrg 1880. Karl Ricker.

Gesammelte Physiologische Arbeiten. Berlin 1888, August Hirschwald.

Beiträge znr Physiologie der Schilddrüse und des Herzens. Bonn 1898, Martin Hager.

Les nerfs du coeur. Avec une pteface: Sur les rapports de Ia mildeeine avec la physiologie et la bacteriologie. Paris 1905, Felix Alcan.

Die Nerven des Herzens. Ihre Anatomie und Physiologie. Neue, vom Verfasser umgearbeitete und vervollständigte Ausgabe mit einer Vorrede für Kliniker und Ärzte. Berlin 1907, Julius Springer.

Das Ohrlabyrinth als Organ der mathematischen Sinne

für Raum und Zeit.

Von

E. von Cyon.

Mit 45 Textfiguren, 5 Tafeln

und dem Bildnis des Verfassers.

Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1908

Alle Rechte,

insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen,

vorbehalten.

ISBN 978-3-662-40767-7 ISBN 978-3-662-41251-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-41251-0

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Den Manen

v.on

J. P. M. Flourens, E. H. Weber und K. Vierordt

gewidmet.

Vorrede. Die Wissenschaft ist ewig in

ihrem Quell, nicht begrenzt in Zeit und Raum, unermeßlich in ihrem Umfange, endlos in ihrer Aufgabe, unerreichbar in ihrem Ziele.

Kar! Ernst von Baer.

Den Manen von J. P. 1\'I. Flourens, E. H. Weber und Karl Vier­ordt habe ich dieses Werk gewidmet. Diesen huldigenden Dank will ich jenen großen Physiologen darbringen, deren intensive, bahnbrechende Vorarbeit ermöglichte, daß das Raum- und Zeitproblem, an welchem seit Jahrtausenden fast alle Philosophen sich ergebnislos versucht hatten, endlich durch exakte physiologische Forschung gelöst ist. Das Unwahr­scheinliche oder richtiger das Unerwartete dieser Lösung wird bei den Philosophen, die der physiologischen Forschung fern stehen, durch den Hinweis gemildert werden, daß die ihr zugrunde liegenden wissenschaftlichen Entdeckungen nicht das Werk eines einzelnen Menschen, sondern die Frucht gemeinsamer, intensiver Arbeit voran­gegangener und zeitgenössischer Forscher sind. Die berühmten Ver­suche von Flourens an den Bogengängen der Tauben und die dabei von ihm beobachteten Phänomene, die während .Jahrzehnten als ein unent­wirrbares Rätsel dastanden, dienten als Ausgangspunkt für meine Studien über das Ohrlabyrinth. Bei Gelegenheit einer Demonstration der Wir­kung·sweise der unlängst entdeckten Herznerven, die ich auf Aufforde­rung von Longet im Frühling des Jahres 1869 im Amphitheater der Ecole de l\1edecine machte, lenkte Vulpian zuerst meine Aufmerk­samkeit auf diese rätselhaften Phänomene. Meine Neugier wurde durch die Kenntnisnahme der außerordentlichen Versuche von Flourens so ge­spannt, daß ich sofort mit Dr. Löwenberg in Paris mehrere der wich­tigsten von ihnen wiederholte und letzteren veranlaßte, sie weiter fort­zuführen. Erst im Wintersemester 1872-73 unternahm ich in meinem Laboratorium in Petersburg die Ausarbeitung exakter Versuchsmethoden und führte die Untersuchungen aus, die in Kap. I wiedergegeben sind. :B'lourens gebührt jedenfalls das große Verdienst, zuerst den direkten Einfluß der drei Bogengangspaare auf unsere Bewegungen in den drei Kardinalrichtungen beobachtet und genau beschrieben zu haben.

VIII Vorrede.

Dem genialen Ernst Heinrich Weber verdankt die Physiologie des Raumsinns den ersten Nachweis der Möglichkeit, mit Hilfe des physiologischen Experiments die anatomischen Einrichtungen festzu­stellen, die uns die räumlichen Wahrnehmungen liefern. Gestützt auf die Erfahrungen seiner während Jahrzehnten verfolgten Unter­suchungen bewies Weber, daß den vermeintlichen Empfindungen des Muskelsinns keinerlei ernste Bedeutung bei der Bildung unserer Vor­stellungen eines dreidimensionalen Raumes zukommen könne (Kap. VI § 2). Viel wichtiger noch war seine Unterscheidung zwischen der physiologischen Bestimmung der fünf Spezialsinne und der des von ihm als Generalsinn bezeichneten Raumsinns (Kap. VII§ 2). Durch die sinnreiche Hypothese von den drei spezifischen Ausdehnungs­empfindungen der Netzhaut versuchte später sein eminenter Nachfolger E. Hering der Unzulänglichkeit der Webersehen Empfindungskreise der Tastorgane abzuhelfen.

Karl Vierordt endlich gebührt das große Verdienst, die grund­legenden Methoden für das Studium des Zeitsinns geschaffen und durch deren zahlreiche experimentelle Anwendungen die Bedeutung der ver­schiedenen Zeitwerte bestimmt zu haben. Der Auffassung von Weber sich anschließend, betrachtete er den Zeitsinn ebenfalls als einen ma­thematischen Generalsinn (Kap. VII 8 2). Er war auch der erste, der im Ohrlabyrinth das vorzüglichste Organ für Meßversuche an den Zeitwerten erkannte (Kap. VII § 4).

In der geschichtlichen Einleitung (Kap. I) wird gezeigt, daß schon gegen Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts mehrere Naturforscher, wie Spallanzani, Venturi und besonders Autenrieth, auf Grund experimenteller Forschungen dazu gelangt waren, dem Ohr­labyrinth eine gewisse Bedeutung für die Wahrnehmung der Rich­tungen bei der Orientierung im Raume zuzuschreiben. Leider be­herrschte noch zu jener Zeit die Kautsehe Lehre allzusehr den Geist der Naturforscher, als daß man an Beziehungen dieses Sinnesorgans zu unseren räumlichen Yorstellungen denken konnte. Einige Angaben über den Weg, auf dem ich dazu gelangte. die Funktionen der in den drei Ebenen des Raumes senkrecht zueinander gelegenen Bogengänge mit der Lösung des Raumproblems zu assoziieren, bieten ein gewisses psycholog·isches Interesse.

Im Jahre 1872-7:3, wo ich die experimentellen Untersuchungen über die Verrichtungen der Bogengänge begonnen hatte, hielt ich zum erstenmal Vorlesungen über physiologische Optik und behandelte dabei ausführlich die Theorien des binokulären Sehens. Um den Gegensatz zwischen der empiristischen und der nativistischen Lehre klarzulegen, mußte ich auch die betreffende Literatur nochmals genaner durch­arbeiten. :Mein Geist war also gleichzeitig von dem Raumproblem und

Vorrede. IX

den wunderbaren Ergebnissen der Versuche an den Bogengängen er­füllt. Der Gedanke, daß die Empfindungen der letzteren Rich­tungsempfindungen seien und demgemäß die Bildung unseres Begriffs eines dreifach ausgedehnten Raumes bewirken könnten, war also sehr naheliegend. An der Unmöglichkeit, den Ursprung des Ausdehnungsbegriffs anzugeben, scheiterten ja bis dahin sämtliche empiristischen Theorien. Die neue Ideen-Assoziation war so überzeugend, so einleuchtend in ihrer Einfachheit, daß mir im Augen­blick nur ein einziges Bedenken kam, nämlich die Unwahrschein­lichkeit, daß bis dahin noch niemand an eine so natürliche Lösung gedacht haben sollte. Glücklicherweise hatten eigene und fremde Er­fahrungen mich schon längst darüber belehrt, daß man durch Un­wahrscheinlichkeiten dieser Art sieh nicht abschrecken lassen darf. Bei vielen meiner wissenschaftlichen Forschungen gelangte ich zu Lösungen, die anfänglich immer den Eindruck von Unwahrscheinlichkeit machten, und zwar nur, weil sie mit den augenblicklich herrschenden An­sichten und Lehren in Widerspruch standen. Später staunte man im Gegen­teil darüber, daß die Riehtiglieit so augenscheinlicher, einfacher und auf der Hand liegender Lösungen jemals unwahrscheinlich erscheinen konnte. Wie dem auch sei: schon in der am 25. August 1873 an Pflüger abgesandten ausführ liehen B es chrei bun g der tatsächlichen Er­gebnisse meiner Untersuchungen an den Bogengängen zögerte ich nicht, in vorsichtiger aber dennoch klarer Weise die augenschein­liche Bedeutung ihrer Verrichtungen für unsere Vorstellungen des drei­dimensionalen Raumes hervorzuheben. Seitdem habe ich meine experi­mentellen Forschungen auf diesem Gebiete fortgesetzt, deren Ergebnisse in zahlreichen Abhandlungen veröffentlicht wurden. Jetzt erscheinen diese in systematischer Ordnung und definitiver Gestalt.

Die ersten fünf Kapitel dieses Werkes sind fast ausschließlich der Darlegung der experimentellen Forschungen und deren Ergebnissen, die seit dem Jahre 1873 an den verschiedensten Wirbeltieren, an Wirbel­losen und an Menschen angestellt wurden, gewidmet. Es soll nur er­wähnt werden, daß die Richtigkeit der von mir gefundenen Tatsachen von anderen Forschern nie bestritten, sondern im Gegenteil allseitig bestätigt worden ist. Die polemischen Auseinandersetzungen bezogen sich nur auf ihre Deutung und auch darin haben die meisten kompetenten Forscher sich allmählich meiner Ansicht angeRchlossen.

Das sechste Kapitel ist dem synthetischen Aufbau der Euklidi­schen Geometrie auf der Grundlage der nachgewiesenen Verrichtungen des Bogengangsapparates als Sinnesorgans für die Wahrnehmung der drei Kardinalrichtungen des Raumes gewidmet. Der Richtungssinn wurde am Schluß als geometrischer Sinn bezeichnet. Um den Philosophen und Mathematikern die Orientierung in der Darlegung der

X Vorrede.

sehr komplizierten physiologischen Experimente zu erleichtern, wurden

in 8 2 dieses Kapitels die wichtigsten tatsächlichen Ergebnisse resumiert,

deren Kenntnis für das Verständnis der gefundenen wissenschaftlichen

Lösung des Raumproblems durchaus erforderlich ist. Das siebente Kapitel behandelt den Ursprung der Zeitwahrneh­

mungen und des Zahlenbewußtseins. Die gerrauere Analyse eigener

und fremuer Untersuchungen über uie Verrichtungen des Ohrlabyrinths

mit Berücksichtigung der Resultate zahlreicher ::\1eßversuche, die seit

Vierordt bis auf die neueste Zeit sowohl von Physiologen als von

Psychologen an den verschiedensten Zeitwerten ausgeführt worden sind,

führte zu der Schlußfolgerung, daß dieser Ursprung ebenfalls den Ver­

richtungen des Ohrlabyrinths zugeschrieben werden muß. Die Zahlen­

kenntnis, welche für die messenden Verrichtungen des Ohrlabyrinths,

die zeitlichen wie die räumlichen, sowohl für die Empfindungs- als für die

Bewegungssphäre durchaus erforderlich ist, konnte dabei ebenfalls auf

einen sinnlichen Ursprung zurückgeführt werden. Die physiologischen

Tatsachen, die darauf hinweisen, daß dieser Ursprung in den Schallerre­

gungen der Schnecke zu suchen sei, sind dort ausführlich auseinander­

gesetzt worden. Wir besitzen in der Schnecke ein peripheres Sinnes­

organ, welches den zugehörigen N ervenzentren, sensorischen und moto­

rischen, gestattet, sowohl die wahrgenommenen Empfindungen als auch

die den motorischen Nerven zu erteilenden Innervatiauen ihrer In­

tensität, Zeitdauer und Zeitfolge nach zu berechnen und abzumessen.

Das Ohrlabyrinth kann somit als der Sitz zweier Sinnesorgane gelten:

eines geometrischen, dank den drei Richtungsempfindungen

der Bogengänge, und eines arithmetischen, dank den Ton­

empfindungen. 1\Iit Hilfe dieser beiden 1nathematischen

Sinne gelangen wir zur Vorstellung eines dreidimensionalen

Raumes und bilden unsere Begriffe von Zeit und Zahl. In

mehreren Sätzen habe ich am Schluß die wichtigsten Ergebnisse der

in dem Kap. VII geschilderten und gedeuteten Tatsachen kurz resumiert.

Ich mußte auf die weitere Entwicklung der Verrichtungen des

arithmetischen Sinnes in der Richtung, wie difls für den geometrischen

Sinn in den vorhergehenden sechs Kapiteln geschehen, verzichten. Es

bedurfte mehrerer Jahrzehnte experimenteller Studien und Untersuchun­

gen zum Aufbau der Lehre von den Verrichtungen des Ohrlabyrinths

als Organs für den Raumsinn. Damit der Ursprung und der i\Iechanis­

nms der hier entwickelten Lehre vom Zeitsinn und vom Zahlenbewußt­

sein ebensolch breite und feste Grundlagen erhalte, sind noch jahrelange

Studien und experimentelle Untersuchungen erforderlich. Soviel kann

aber schon jetzt als feststehend behauptet werden: von einem aprio­

rischen Ursprung der Zeit und Zahl kann von nun an ebenso

"'enig die Rede sein, wie von dem des Raumes.

Vorrede. XI

Naturforscher und Mathematiker waren bei ihren Angriffen auf die K an t sehe Lehre bis jetzt außerstande, auch nur annähernd die Sin­nesorgane anzugeben, deren Wahrnehmungen uns durch Abstraktion die Bildung der betreffenden Begriffe ermög·lichen könnten. Sämtliche Bestrebungen, eine lebensfähige nativistische oder empiristische Lehre der K an t sehen apriorischen Hypothese entgegenzustellen, scheiterten daher an dieser Unmöglichkeit. "Es gibt eine Trägheit des Denkens -sagt Stumpf -, die alles, was ist, für ursprünglich zu nehmen geneigt ist"; sie führt zum "falschen Na ti vis m us ... " "Es gibt aber auch eine Geschäftigkeit des Erklärens. die den Gedanken ursprünglicher Elemente nicht ertragen kann." Bis zu den 70- er Jahren des vorigen Jahrhunderts vermochte diese "Geschäftigkeit" ebenfalls, was unsere Raumvorstellungen betrifft, nur zu einem "falschen Empirismu_s" zu gelangen. Auch die apriorische Hypothese von Kaut, zu der er übrigens erst gegriffen, nach­dem er Jahrzehnte lang sich vergeblich bemüht hatte , den Ursprung der Vorstellungen von Raum und Zeit durch die Erfahrungen unserer bekannten fünf Sinne zu erklären, war eigentlich nichts als ein Gemisch von einem falschen Nativismus und den Resten seiner früheren empiri­stischen Bestrebungen. Diese Hypothese hatte er freilich in meisterhafter Weise zum Ausgangspunkt der "Kritik der reinen Vernunft" verwendet. Ein so eklatanter Beweis ihrer Fruchtbarkeit für philosophische Er­örterungen mußte ihr bei den Metaphysikern eine unbestrittene Autorität verschaffen. Dem Naturforscher dagegen erschien eine derartige Hypo­these von Anfang an unannehmbar, weil sie ihrem Wesen nach den Weg zu weiterer wissenschaftlicher Forschung über die Entwicklung der Raum- und Zeitvorstellungen versperrte. In der ihr von Kant ge­gebenen Form hat sie daher bei den Physiologen meistens wenig An­klang gefunden.

Es muß aber zugegeben werden, daß, nachdem Helmholtz in den 70-er Jahren in der Polemik mit den Kantianern über den Ursprung der Euklidischen Geometrie nicht den Sieg davon getragen hatte, die Lehre vom apriorischen Ursprung des Raumes und der Zeit auch bei manchem Naturforscher von neuem Boden zu fassen begann. In der Tat aber ist Helmholtz in dieser Polemik gar nicht als Physiologe, sondern als Mathematiker aufgetreten, dem hauptsächlich daran gelegen war, für die imaginäre Geometrie die Gleichberechtigung mit der Euklidischen zu erringen. Er mußte dabei den apriorischen Ursprung der Axiome der letzteren Geometrie zu widerlegen suchen. Dabei zeigte sich nun, daß, wenn die Kantianer keinerlei tatsächliche Beweise für diesen Ursprung beibringen konnten, andererseits auch Helmholtz das Geständnis machen mußte, daß die Empiriker außer­stande seien, den Ursprung unserer Vorstellungen eines dreidimensio­nalen Raumes zu beweisen. In diesem Kampfe zwischen zwei transzen-

XII Vorrede.

dentalen Lehren, wie übrigens bei allen rein metaphysischen Kontro­versen, konnte es daher weder Sieger noch Besiegte geben.

Leider glaubte Helmholtz, in dem Wunsche eine Anknüpfung an K an t zu finden, mehrere Konzessionen machen zu dürfen, denen die Physiologie schon damals un9- noch weniger jetzt beipflichten kann. Namentlich stimmte er darin Kan t zu, daß die "Zeit als die gegebene not­wendige transzendentale Form der inneren, der Raum als die entsprechende Anschauung der äußeren Form bezeichnet werden muß." Hier hat Helmholt z den Kantianern sogar mehr zugestanden, als der Wort­laut und der Sinn der Erörterungen von Kant notwendig machten.

"Vermittelst des äußeren Sinnes (einer Eigenschaft unseres Gemütes) stellen wir uns Gegenstände als außer uns, und diese insgesamt im Raume vor. Darin ist ihre Gestalt, Größe und Verhältnis gegeneinander bestimmt, oder bestimm bar."

Mit diesen Worten leitet Kant den dem Raume gewidmeten Ab­schnitt ein. Weiter lesen wir unter den Schlüssen:

"Der Raum ist nichts anderes, als nur die Form aller Erscheinungen äußerer Sinne, d. h. die subjektive Bedingung der Sinnlichkeit, unter der allein uns äußere .Anschauung möglich ist. Weil nnn die Rezeptivität des Subjekts, von Gegenständen affiziert zu werden, notwendiger Weise vor allen Anschau­ungen dieser Objekte vorhergeht, so läßt sich verstehen, wie die Form aller Er­scheinungen vor allen wirklichen Wahrnehmungen, mithin a priori, im Ge­müte gegeben sein könne ... " 1)

.Jeder der hier angeführten Sätze zeigt auf das evidenteste, daß Kant an einen äußeren Sinn als Ursache unserer räumlichen An­schauungen gedacht hat. Nur die zu seiner Zeit selbstverständliche Unkenntnis der Funktionsweise der Sinnesorgane, der wahren Be­ziehungen zwischen Erregungen, Empfindungen und Wahrnehmungen veranlaßte ihn, den äußeren Sinn als "Erscheinung unseres Gemütes" zu betrachten und zur konditionell formulierten Annahme zu greifen, daß im Gemüte "die Form aller Erscheinungen a priori ge­geben sein könne." Auch die Zeit ist nach Kant "Form des inneren Sinnes, d. i. des Anschauens unserer selbst und unseres inneren Zustandes." Also auch hier Unkenntnis der physiologischen Bedeutung der Sinnesverrichtungen. Wie könnte jetzt von einer inneren Anschauung der Zeit die Rede sein, wenn wir die Geschwin­digkeit sehen und die Dauer und den Rhythmus der Töne hören'?

Kant leugnete auch nie die initiale Bedeutung der Erfah­rung. "Daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel", mit diesen Worten beginnt der erste Satz der

1) Sämtliche Zitate sind der 6. Auflage der "Kritik der reinen Vernunft", Leipzig 1818 bei Johann Friedr. Hartknoch, entnommen.

Vorrede. XIII

"Kritik der reinen Vernunft." ... "Der Zeit nach geht also keine Erkenntnis in uns vor der Erfahrung vorher, und mit dieser fängt alle an", schließt der betreffende Passus .... "Unsere Behaup­tungen lehren demnach empirische Realität der Zeit, d. i. objektive Gültigkeit in Ansehung aller Gegenstände, die jemals unsern Sinnen gegeben werden mögen. Und da unsere Anschauung jederzeit sinnlich ist, so kann uns in der Erfahrung niemals ein Gegenstand gegeben werden, der nicht unter die Bedingung der Zeit gehörte." In der "Er­läuterung" lesen wir: "diese Realität des Raumes und der Zeit läßt übrigens die Sicherheit der Erfahrungserkenntnis unan­getastet ... "

Nicht allein um die nicht unbedenklichen Folgen der Helmholtz­schen Konzessionen hervorzuheben, wurden die Zitate aus Kaut ange­führt; sie bezwecken auch an die von den Kantianern 1) immer im Dun­keln gelassene Tatsache zu erinnern, daß Kant selbst seine apriorische Lehre nur als eine notwendige Aushilfshypothese betrachtet hat, weil er bei der zu seiner Zeit noch in den Windeln liegenden Sinnt>s­physiologie nicht zu einer befriedigenden Erklärung der Zeit und des R;:mmes zu gelangen vermochte.

"Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung. Denn es könnte wohl sein, daß selbst unsere Erfahrungserkenntnis ein Zusammengesetztes aus dem sei, was wir durch Eindrücke empfangen, und dem, was unser eigenes Er­kenntnisvermögen (durch sinnliche Eindrücke bloß veranlaßt), aus sich selbst her­gibt, welchen Zusatz wir von jenem Grundstoffe nicht eher unterscheiden, als bis lange Übung uns darauf aufmerksam und zur Absonderung desselben geschickt

1) Noch neuestens rief R. Hönigswald den Empiristen zu: "Sie vergessen aber, uns die sinnlichen Erlebnisse anzugeben, von denen die Geometrie abstra­hiert sein sollte. Die Geometrie --~ so erkennen wir im Gegensatz zu ihnen -kann nicht das Produkt einer Abstraktion sein, weil es schlechterdings kein ent­sprechendes sinnliches Erlebnis gibt" (a. a. 0. S. 89). Diese im Jahre 1906 ge­schriebenen Zeilen beweisen, daß Hönigswald die physiologischen Untersuchun­gen der letzten Jahrzehnte entgangen sind. Der schon im Jahre 1901 gemachte Versuch, die physiologischen Grundlagen der Euklidischen Geometrie mit Hilfe der Wahrnehmungen des Bogengangsapparates zu erklären, besaß eine ganz andere Beweiskraft, als der mit Hilfe von bloßen Definitionen, Behauptungen und Erörterungen synthetische Aufbau der Geometrie von K an t.

Der scharfsinnige Kritiker der "Philosophie von Mach" hätte aus meinen Schriften auch ersehen können, welch heillose Verwirrung ein ~Ieta­

physiker bei rein erkenntnistheoretischen Erörterungen über tatsächliche Ergeb­nisse von Experimenten, die durch Wiederholung zu kontrollieren er nicht imstande ist, in der Wissenschaft zu schaffen vermag! (Siehe Kap. III und Anhang zu § 5 des Kap. VI.)

XIV Vorrede.

gemacht hat." 1) (Siehe auch die Worte Kants (S. 383) über die Vorzüge der Erkenntnis aus Erfahrung vor der "aus bloßem Verstand").

Es wäre ein leichtes, noch viele andere Zitate aus Ka n t anzugeben, welche beweisen, daß Kan t himmelweit davon entfernt war, seine "be­nötigte" Hypothese als unfehlbares Dogma hinzustellen, zu welchem seine fanatischen Anhänger sie gemacht haben. Wenn Kan t den gToßen Aufsch\\'tmg der Physiologie der Sinne erlebt oder wenn er auch nur hätte ahnen können, daß wir mathematische Sinne besitzen, die uns die Bildung der Begriffe von Raum, Zeit und Zahl ermöglichen, so hätte er sicherlich nicht gezögert, auf die Hypothese von deren aprio­rischem Ursprung zu verzichten. Statt die Axiome und Definitionen der Euklidischen Geometrie für apriorisch zu erklären, hätte er ge­wiß vorgezogen, sie direkt aus den Erfahrungen des Richtungssinnes abzuleiten. Dies wäre ihm um so erwünschter gewesen, als die apodik­tische Gewißheit dieser Axiome bei ihrem Ursprung aus den sinnlichen Erfahrungen sich viel präziser erklären läßt.

Ob Kants Lehre ohne den Apriorismus lebensfähig bleibt, haben kompetente Kantianer2), die, wie z. B. Hermann Cohen in seinem neuen "Kommentar", sich nicht scheuen, auch Schwächen und Wider­sprüche in der "Kritik der reinen Vernunft" hervorzuheben, zu ent­scheiden. "Das Werk K an t s ist über ein Jahrhundert alt, die Wissen­schaft ist seither nicht stehen geblieben, und so darf auch die Philo­sophie nicht bei Kan t stehen bleiben." Mit diesen Worten bezeichnet Riehl die Grenze, bis zu welcher die Philosophie bei der Wiederan-

1) Es ist vielleicht nicht überflüssig daran zu erinnern, daß in den "Träu­men eines Geistersehers", die kurze Zeit vor der "Kritik der reinen Vernunft" erschienen waren, Kaut erklärt hatte: "Die Verstandeswage ist doch nicht ganz unparteiisch" und ein .Arm derselben, der die Aufschrift führt "Hoffnung der Zukunft" hat einen mechanischen Vorteil, welcher macht, daß auch leichte Gründe, welche in die ihm angehörige Schale fallen, die Spekulationen von an sich größerem Gewichte auf der anderen Seite in die Höhe ziehen. "Dieses ist die einzige l:nrichtigkeit, die ich nicht wohl beben kann und die ich in der Tat auch niemals heben will." Die von mir gesperrten Zeilen sollen doch heißen, daß K an t nur im Interesse der Sittlichkeit und der Religion ausnahmsweise seinen Trieb zur Wahrheit zu opfern bereit war!

2) Einige englische liieta-Mathematiker, wie neuestens B. Ru s s el, glaubten die mathematischen Grundlagen Kants mit Hilfe des Booleschen Versuchs, eine neue liiathematik zu begründen, wo von Größen und Quantitäten ganz ab­gesehen werden soll, zu widerlegen. Co u tura t ist überzeugt, dieser V ersuch sei gelungen! Auf Seite 339 ist über eine derartige liiathematik ein humoristisch­paradoxer Ausspruch zitiert worden, den nur Gouturat wiedergegeben, der aber Russe I selber gehört. Dieses vermeintliche Paradoxon charakterisiert in der Tat sowohl diese neue liiathematik wie auch die ganze Raumlehre von B. Russe!.

Vorrede. XV

knüpfung mit der Wissenschaft auf dem Wege "Zurück zu Kant!" gehen soll. Eine derartige Wiederanknüpfung an Kaut ist aber nur möglich, wenn mehrere Grundlagen der "Kritik" als hinfällig anerkannt werden. Man zerstört jedoch nur, was man ersetzen kann. Es sollte scheinen, daß der Ersatz längst verwitterter Hypothesen, die als Pfeiler des K an tischen Gebäudes dienten, durch ein festes, nach den experi­mentell erprobten Regeln der Wissenschaft, errichtetes Fundament die "Kritik der reinen Vernunft" nur konsolidieren könnte. Der apodik­tische Charakter der Axiome der Geometrie ist, wie schon hervorgehoben, jetzt auf sinnliche Erfahrungen zurückgeführt und dadurch bewiesen. Die Architektonik des Gebäudes war mit mathematischer Präzision ent­worfen und von meisterhafter Hand ausgeführt. Viele Bausteine sind auch heute noch von bewährter Solidität und Resistenz. Sie benötigen aber eines Ersatzes des Berkeleyschen Zementes, das für ein wissen­schaftliches \Verk unbrauchbar ist, von dem Kant leider nur zu aus­giebigen Gebrauch gemacht hat. Das "Ding an sich'· ist für ein Ge­bände, das, auf festem Fundament errichtet, für eine lange Dauer bestimmt ist, ebenfalls nicht mehr ausreichend. Die Wiederanknüpfnng der Philosophie an die Naturwissenschaft kann nur auf rlem festen Boden der Wirklichkeit geschehen. Die Anerkennung· der vollen Realität der Naturerscheinungen, deren Gesetze der Naturforscher zu ergründen sucht, ist das erste Gebot für ein fruchtbares Schaffen. Daher würde der Naturforscher williger dem andern Rufe der Philosophen "Zurück zu Leibnizl" entgegenkommen. Der geniale Erfinder der Differential­rechnung wird immer eine größere Anziehungskraft auf die Mathema­tiker ausüben, und der große Denker, der die Lehre von der prästabi­lierten Harmonie und von den Monaden geschaffen hat, steht dem Geiste des Zeitalters der Entropie von Cla usi us, der Zellenlehre von Sch wann und der Bakteriologie von Pasteur und Koeh näher, als Kant 1).

An der Spitze des letzten Paragraphen dieses Werkes werden mehrere Zeilen von Vier o r d t angeführt, die mit prophetischer Weit­sicht die Konsequenzen einer ~wissenschaftlichen Lösung des Zeit- und ;Raumproblems voraussagten "Dies würde zu nichts Geringerem führen, als zur Erkenntnis der Natur und Wesenheit der Seele und ihrer·\Vech­selbeziehungen zur Nerven- und Muskeltätigkeit; denn die allmähliche Entstehung der Zeit-Empfindungen und -Wahrnehmungen begreifen,

1J DieRufe"Zurück zuKant!" oder"ZurückzuLeibniz!" haben in der Tat aber eine viel weitergehende Bedeutung, als das bloße Bestreben der Philo­sophen zur ·wiederanknüpfung an die Wissenschaft. Sie zeigen eine Evolution des wissenschaftlichen Geistes im Beginne des 20. Jahrhunderts an und sollten eigentlich "Zurück zu Gott!" lauten. Wenn das Wort dabei nicht ausgesprochen wird, so geschieht dies nicht ans Rücksicht auf das zweite Gebot.

XVI Vorrede.

heißt nichts anderes, als die Psyche von ihren ersten Regungen an ge­netisch konstruieren".

Ob wir je zur Erkenntnis des Wesens der Seele gelangen werden, ist eine Frage der Zukunft. Solange das Wesen einfacher Emp­findungen und Wahrnehmungen, geschweige denn das der Denkprozesse, für uns ein unbegreifliches Rätsel bleibt, können die meisten Errungen­schaften der Hirnphysiologie hauptsächlich nur für anatomische Lokali­sierungen gewisser psychischer Vorgänge verwertet werden. Nur über die "Wechselbeziehungen der Seele zur Nerven- und Muskeltätigkeit" waren bis jetzt auch psychologisch wichtige Tatsachen gewonnen und erörtert worden. Die hier mitgeteilten Untersuchungen haben für die Aufklärung der funktionellen Natur dieser Beziehungen ausgedehnte Beiträge geliefert. Aber erst die Lösung des Raum- und Zeitproblems gestattet eine tiefe und direkte Einsicht in den Mechanismus gewisser seelischer Vorgänge, besonders derjenigen, die, um mit Vier o r d t zu sprechen, "zur Unterscheidung des bewußten Ichs und zur Kenntnis der räumlichen und zeitlichen Beziehungen eben der Dinge dieser Außenwelt" führen. Das mit Hilfe der drei Richtungsempfindungen der Bogengänge konstruierte ideale Koordinatensystem, dessen 0-Punkt dem bewußten Ich entspricht und auf welches wir sämtliche Wahr­nehmungen unserer fünf speziellen Sinne projizieren, gibt uns eine anschauliche Vorstellung von den wichtigsten psychischen Ge­schehnissen. So z. B. konnte endlich die so rätselhafte Verwertung der umgekehrten Netzhautbilder für die aufrechte Wahrnehmung der äußeren Gegenstände, die bei dieser Projektion geschieht, eine einfache und anschauliche Erklärung finden (Kap. V § 13, Kap. VII usw.).

Durch den Nachweis der Existenz besonderer Generalsinne für Raum und Zeit erscheint jetzt der kausale Zusammenhang zwischen unserem Bewußtsein und der Entstehung der Raum- und Zeitbegriffe in einem ganz anderen Lichte,· wie dies in der Philosophie seit Kan t angenommen war. Die Frage Kants "wie ist reine Mathematik mög­lich" kann beim Ursprung der Geometrie und der Arithmetik aus sinnlichen Erfahrungen ebenfalls nicht mehr in der von ihm angegebenen ' 'V eise beantwortet werden. Die Konsequenzen der weiteren Entwick­lung und Begründung der physiologischen Lösung des Raum- und Zeit­problems werden für die Philosophie und die Mathematik von noch nicht zu übersehender Tragweite sein. Der Philosophie ist jetzt die Rückkehr zur Welt der Wirklichkeit erleichtert. Früher oder später wird sie genötigt sein, sich von der nletaphysik endgültig loszusagen, wie seit langem die Astronomie der Astrologie den Laufpaß gegeben. Die Metamathematiker werden allmählich zu einer richtigeren Würdi­gung der Errungenschaften der experimentellen \Vissenschaft zurück­kehren und auf die Phantastereien Yerzichten, die das Ansehen der

Vorrede. XVII

Mathematik nicht erhöhen. Die unzähligen Triumphe der fruchtbaren Empirie über die ewig sterile Metaphysik haben den Glauben an die Möglichkeit mathematischer Weltformeln endgültig zerstört.

Der Geist von den Schranken befreit, die seiner Tätigkeit durch den Zwang der gegebenen Anschauungsformen und der Last der Wahr­nehmungsinhalte von Kant auferlegt waren, bietet jedenfalls ein un­erschöpfliches und ergiebiges Forschungsobjekt für den Physiologen und den Psychologen. Psychiater und Ohrenkliniker, Pädagogen, be­sonders Erzieher schwachsinniger Kinder, und Taubstummenlehrer ge­winnen durch die Feststellung der wirklichen Verrichtungen des Ohr­labyrinths ein neues Forschungsgebiet, das eine reiche Ernte auch für die Physiologie verspricht.

Prof. Rawitz, dem die Physiologie des Ohrlabyrinths als Organs für die Orientierung im Raume eine der schönsten Entdeekungen der letzten Jahrzehnte verdankt, hat aus Interesse für die in diesem Werke behandelten Fragen die große Güte gehabt, dessen Korrektur zu übernehmen. Mit welcher Sorgfalt er diese Aufgabe erfüllt hat, wird der Leser wohl am besten beurteilen. In erprobtem Vertrauen auf die Worte Kants "Durch Entwicklung der geistigen Kraft soll man das physische Übel besiegen", habe ich es unternommen, dieses Werk meist von meinem Krankenlager aus in die Maschine zu diktieren. Dafür, daß ich ohne Gefährdung meiner Gesundheit es zu Ende führen konnte, sage ich Ra wi tz öffentlich meinen freundschaftlichen Dank.

Paris, November 1907.

E. C.

Inhaltsverzeichnis.

Vorrede. Das Ende der apriorischen Lehre von Kaut. . . VII

I. Kapitel. Die experimentellen Grundlagen der Lehre vom Raumsinn. Seite

§ 1. Einleitung. Geschichtliches über den Raumsinn 1 § 2. Die Versuche von Flonrens an den Bogengängen 12 § 3. Meine ersten Versuche an den Bogengängen (1872-1878) 16 § 4. V ersuche an den einzelnen Bogengängen der Taube 20 § 5. Einseitige Zerstörungen der Bogengänge 25 § 6. Entfernung aller sechs Bogengänge bei 'l'auben. Operationsmethoden 27 § 7. Versuche an den Bogengängen von Fröschen. Operationsmetboden . 35 § 8. Meine erste Deutung der Verrichtungen der Bogengänge als Organ

des Raumsinns (1873) 37 § U. Die Entdeckung der physiologischen Beziehungen zwischen dem N.

acusticus und dem okulornotoriscben Apparat (1875) 39

II. Kapitel. Der Kampf gegen die Irrlehren über die Verrichtungen der Bogengänge.

Drehversuche an Menschen und verschiedenen Tieren.

§ 1. Einleitung . 47 § 2. Die experimentelle Widerlegung der Goltz-~lachschen Endolymph-

Hypothese 49 § 3. Die Beobachtungen Purkinjes über den Schwindel und die Dreh-

versuche von Mach . 52 § 4. Die Drehversuche von Yves Delage 6ß § 5. Meine Drehversuche an Tieren . 65 § 6. Meine Drehversuche an geblendeten Tieren . 75 § 7. Die Mach sehe Bestimmung der Vertikalen. Das Ende des stati-

schen Sinnes . 85 § 8. l\Ieine Drehversuche an Kindern, Affen, Schildkröten usw. 89 § U. Die Zwecklosigkeit eines Sinnesorganes fiir Drehempfindungen und

Drehschwindel . 95

§ 1. § 2. § 3.

§ 4. § 5. § 6. § 7.

§ 8.

§ 9. § 10. § 11.

Inhaltsverzeichnis.

III. Kapitel. Entwicklung und Aufbau der Lehre vom Raumsinn.

Einleitung. Meine erste Darstellung der Lehre vom Raumsinn (1877) Nativistische und empiristische Theorien des binokularen Sehens. Der erste Versuch einer Versöhnung beider Theorien mit Hilfe der

Richtungsempfindungen der Bogengänge (1878) Meine Theorie des Gesichtsschwindels Versuche und Beobachtungen über den Schwindel bei Taubstummen Der Schwindel bei elektrischer Reizung des Ohrlabyrinths . Der Bogengangsapparat als Regulator der Intensität und der Dauer

von lnnervationen Der Reflextonus; die Regulierung und die Abmessung der Erregungen

durch den Bogengangsapparat Das Tonuslabyrinth von E w a 1 d Der Raumsinn und das Kleinhirn Die Rolle der Richtungsempfindungen bei der Bildung unserer

Raumvorstellung

IV. Kapitel. Versuche an Wirbeltieren mit zwei und einem Bogengangspaare

und an Wirbellosen.

XIX

100 102

109 110 120 124

128

134 146 155

160

§ 1. Einleitung. Versuche an den Bogengängen der Neunaugen 167 § 2. Die Beobachtungen von Rawitz an japanischen Tanzmäusen 171 § 3. Meine ersten Versuche und Beobachtungen an japanischen Tanzmäusen 173 § 4. Eine neue Reihe von Versuchen an Tanzmäusen 187 § 5. Die anatomischen Befunde von Rawitz und ihr Zusammenhang mit

den physiologischen Beobachtungen 191 § 6. Die Bedeutung der Beobachtungen an den Tanzmäusen für die Phy-

siologie des Raumsinnes 198 § 7. Die Orientierung in dem umgebenden Raume von Wirbeltieren und

von Wirbellosen; die Versuche von Yves Delage 203 § 8. Die Orientierung in die Ferne; Beobachtungen und V ersuche an

Brieftauben, Bienen und Ameisen 205 § 9. Die sogenannte geotropische Orientierung 221 § 10. Die Differenzierung der Funktionen der Labyrinthteile; deren Er-

regungen und Hemmungen . 233

V. Kapitel. Täuschungen in der Wahrnehmung der Richtungen durch das Ohrlabyrinth.

§ 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 248 § 2. Versuchsmethoden . . . . . . . . 253 § 3. Täuschungen in der Wahrnehmung der Richtungen im Dunkeln bei

aufrechter Kopf- und Körperhaltung . . . . . . . 258 § 4. Täuschungen in der Wahrnehmung der vertikalen und horizontalen

Richtungen bei Drehungen des Kopfe~ nm ~eine sagittale Arhse 260

XX

§ 5.

§ 6. § 7.

§ 8. § 9. § 10. § 11. § 12. § 13.

Inhaltsverzeichnis.

Täuschungen bei Drehungen des Kopfes um seine vertikale und horizontale Achse

Täuschungen in den sagittalen und transversalen Richtungen . J:<:influß der Augenstellungen auf die Täuschungen in der Wahrneh-

mung der Riebtungen Einfluß der Schallerregungen auf Täuschungen in den Richtungen Täuschungen in der W abrnebmung der Schallrichtungen Täuschungen über die Richtung der entotischen Geräusche Neue Versuche über die von Aubert beschriebene Täuschung Täuschungen in der W abrnehmung der Parallelrichtungen Deutung der in diesem Kapitel beschriebenen Täuschungen

VI. Kapitel. Die physiologischen Grundlagen der Geometrie von Eu k li d.

270 276

283 293 303 307 308 315 323

§ 1. Einleitung 337 § 2. Der Raumsinn und die Richtungsempfindungen. Die vermeintlichen

Innervationsempfindungen. Die Augenstellungen und ihre Abhängigkeit von den Bogengängen 340

§ 3. Der bisherige Stand des Raumproblems . 352 § 4. Die Nicht-Euklidischen Raumformen 360 § r,, Der physiologisc'he Ursprung der Definitionen und Axiome von

Euklid. Anhang 369 § 6. Die naturwissenschaftliche Lösung des Raumproblems 386

VII. Kapitel. Der Ztltstnn und das Zahlenbewußtsein.

§ 1. Einleitung . . . . . 389 § 2. Die Generalsinne von E. H. Weber und Karl Vierordt 391 § 3. Die Zeitfolge und die zeitliche Ausdehnung 395 § 4. Die Mesi!Ungen der Zeitdauer und der anderen Zeitwerte 399 § 5. Das Ohrlabyrinth als Sinnesorgan der Zeitwahrnehmung 404 § 6. Der Rhythmus und der Takt beim zeitlichen Ablauf von Sinnes-

empfindungen und Bewegungen . . . . . . 406 § 7. Die Tonempfindungen und der arithmetische Sinn. Schlußwort . 413

Literaturverzeichnis . Erklärung der Tafeln

Seite 7 Zeile 10 von

" 59 21

" 60 12

" 61 17

" 137 H

" H2l 29

oben

" " unten

" "

Berichtigung. lies: 1869 statt 1879.

" Beobachtung statt Baobachtung.

" hervorgehobenen statt hervorvorgehobenen.

" Visionen statt Visonen.

" Bayliss statt Bayliess.

" bezügliche statt beziehende.

426 428