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24. Heft Für alle Freunde und Wohltäter der „Gemeinschaft vom Heiligen Josef“ in Kleinhain Das Schweizer Dominikanerinnen- Kloster „Maria Zuflucht“ in Weesen am Walensee 2019/2020 24. Heft ST.JOSEF Für alle Freunde und Wohltäter der „Gemeinschaft vom heiligen Josef“ in Kleinhain

Das Schweizer Dominikanerinnen- Kloster am Walensee /2020 · das sie geboren hatte, liebe-voll zustimmte.“ Die nebenstehenden Gedanken aus einem Brief der hl. Caterina an die Nonnen

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Page 1: Das Schweizer Dominikanerinnen- Kloster am Walensee /2020 · das sie geboren hatte, liebe-voll zustimmte.“ Die nebenstehenden Gedanken aus einem Brief der hl. Caterina an die Nonnen

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Für alle Freunde und Wohltäter der „Gemeinschaft vom Heiligen Josef“ in Kleinhain

Das SchweizerDominikanerinnen-Kloster„Maria Zuflucht“in Weesenam Walensee

2019/2020

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ST.JOSEFFür alle Freunde und Wohltäter der „Gemeinschaft vom heiligen Josef“ in Kleinhain

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Krippe und Kreuz . . . . . . . . . . 3

Guadalupe . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Der Gemahl Mariens . . . . . 20

25 Jahre Gemeinschaft . . . . 30

St. Hippolyt . . . . . . . . . . . . . . 32

„Maria Zuflucht“ . . . . . . . . . 38

Ein Gespräch mit Gott . . . . 47

Sr. Immaculata (†) . . . . . . . 58

Inhalt

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir freuen uns, Ihnen die neue Ausgabe der Zeitschrift „St. Josef“präsentieren zu dürfen!In Kirche und Welt gibt es neben allem Hoffnungsvol len auch somanche Ent wicklungen, die uns verunsichern und auch gläubigeMenschen auf die Probe stellen können. Im Blick auf Josef vonNazareth nehmen wir wahr, dass dies alles nicht außergewöhnlichist. Wie sehr wurde doch dieser heilige und gerechte Mann vonGott geprüft, vielleicht gerade deshalb, weil ihm Gott seine größ-ten und liebsten Schätze anvertraut hatte: die Sorge für die jung-fräuliche Gottesmutter Ma ria und das Jesuskind!In allem aber war der heilige Josef bereit, auf Gott zu vertrauen.Er ging seinen Weg auch in Dunkelheiten mit der Selbst ver ständ -lich keit des Glaubens. Die Ge rechtigkeit des hl. Josef, auf welchedie Heilige Schrift verweist (vgl. Mt 1,19), war sein „Rechtsein“ vorGott. Allein dies zählte. Mochten andere Menschen die näherenZusammenhänge nicht kennen oder ihn und seine Familie ver-dächtigen; Gott selbst würde allezeit nach dem Rechten sehenund für die Heilige Familie Sorge tragen.Ungebrochen war das Ver trauen des heiligen Josef in die göttlicheVorsehung. Da bei war er selbst keineswegs nur passiv-ergeben,sondern sein Gehorsam gegenüber Gott war von aktiver Hin ga bean die konkreten Er for dernisse der Zeit und die Um stände seinesLebens geprägt, um gerade im Hier und Jetzt seiner Tage demWillen Gottes zu entsprechen und Gott zu dienen.Der heilige Josef ist kein abgehobener, weltfremder Pa tron, son-dern er stand mitten im Leben. Dies ist für uns ein Anlass, dasswir uns seiner Fürbitte neu anvertrauen. Sei es die Sorge für Ehenund Familien, um gute Priester- und Ordensberufe, sei es dieVerbundenheit mit Kranken, Armen und Leidenden, sei es dieFürbitte für die Lebenden und Sterbenden sowie für die bereits zuGott Heimgegangenen: beim heiligen Josef ist alles gut aufgeho-ben.Herzlich danken wir Ihnen für Ihre Verbundenheit mit der„Gemeinschaft vom heiligen Josef“ durch Ihr Gebet und alle son-stigen Formen der Unterstützung. Gott segne Sie allezeit auf dieFürbitte der Gottesmutter Maria und des hl. Josef!

Im Namen aller Mitbrüdergrüßt herzlichProf. Dr. Josef Spindelböck, Moderator

Informationsschrift für alleFreunde und Wohltäter der„Gemeinschaft vom heiligen Josef“ in Kleinhain

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„Ihre Vereinigung mit dem Sohnhielt sie in Treue bis zum Kreuz,wo sie nicht ohne göttlicheAbsicht stand, heftig mit ihremEingeborenen litt und sich mit seinem Opfer in mütterlichemGeist verband, indem sie derDarbringung des Schlachtopfers,das sie geboren hatte, liebe-voll zustimmte.“

Die nebenstehenden Gedanken aus einem Brief der hl. Caterina an dieNonnen von Santa Marta in Siena(Brief 30) finden sich wieder in denTexten des zweiten VatikanischenKonzils, Lumen Gentium 58:

Krippe und KreuzDie beiden Hauptfeste unseres christlichen Glaubens, Weih -nachten und Ostern, die Menschwerdung Gottes und Tod undAuferstehung Jesu Christi, sind untrennbar verbunden mit derallerseligsten Jungfrau Maria. Ihr Ja zum Willen Gottes, das beider Verkündigung ihren berühmtesten Ausdruck fand: „Ich bindie Magd des Herrn; mir geschehe wie du es gesagt hast“ (Lk1,38), setzt sich fort bis unter das Kreuz. „Der Leib des Sohneswurde durchbohrt, und so geschah es auch mit seiner Mutter,denn sein Fleisch war das ihrige. Darum war es ganz naturlich,daß sie seinen Schmerz als den ihren empfand, denn aus ihrhatte er ja sein Fleisch angenommen“, schrieb die hl. Caterinavon Siena an einen Schwesternkonvent (Brief 30). Und „sie be-kam dabei, gleich einem warmen Wachs, auch seine Sehn suchtund Liebe nach unserem Heil in sich eingeprägt durch dasSiegel des Heiligen Geistes. Denn durch dieses Siegel ist dasewige göttliche Wort Fleisch geworden.“ Die Sehnsucht nachunserer Erlösung (vgl. Lk 22,15) war so groß, daß er bereitwilligund aus Liebe den Tod auf sich nahm. Und weil dies der himm-lische Vater so wollte, wollte es auch die Mutter des Herrn:„Bereitwillig opfert sie die naturliche Liebe zu ihrem Sohn.Und zwar nicht nur, indem sie ihn nicht vom Tod abhält (wie esjede Mutter tun wurde), sondern sie ist sogar bereit, sich selbstzur Leiter zu machen; sie will, daß er stirbt. Das ist gar nichtuberraschend, und zwar deshalb, weil sie nämlich vom Pfeil derLiebe fur unser Heil verwundet worden ist.“

Pieta im Dominikanerinnen-Kloster „Maria Zuflucht“in Weesen, Schweiz, gegrün-det um 1250. Bild unten: Besuch beiElisabeth, um 1320, Kopie. (Das Original aus dem Klosterkam während des Exils auf Irrwegen ins MetropolitanMuseum New York).

Maria–

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Stern12. DEZEMBER –UNSERE LIEBE FRAU VON GUADALUPE

Im Dezember 1531 erschien dieGottesmutter im Hochland vonMexiko dem Indio Juan Diego undhinterließ auf seinem Mantel derNachwelt ihr heiliges Bild. Die Basilika von Guadalupe am Ortder Erscheinung im Nordteil vonMexico-City ist seither dasNationalheiligtum des Landes, dasmarianische Herz Amerikas und die größte Wallfahrtsstätte der Katholischen Kirche.

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DER NEUEN WELT

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Jedes Jahr kommen etwa 20 Millionen Pilger nachMexico-City zu Unserer Lieben Frau von Gua da -lupe. Gewiß, auch nach Lourdes pilgern Gläubigeaus aller Welt. Und auch nach Fatima. Aber den-noch ist es in Guadalupe anders: Alles ist noch viel größer, bunter, lauter und in-tensiver, auch die Aus drucksformen des Glaubens– und hier vor allem die Liebe zu ihrer „More ni -ta“, zu ihrer kleinen dunkelfarbenen Jung frau, wiedie Gottesmutter von vielen liebevoll genanntwird. Die Geschichte des Landes wäre ohne sienicht denkbar. Nur durch sie war es möglich ge-

worden, daß aus der indianischen Ur -be völ kerung und den spanischen Ero -be rern schließlich eine geeinte und ei-genständige Nation entstand. Bis heu-te ist daher ihr heiliges Bild das iden -titätstiftende Symbol des mexikani-schen Volkes. Um diese Bezie hung zuver stehen, müssen wir einen Blick zu -rückwerfen in die Ver gan gen heit. Be -reits 200 Jahre vor Christus entstandin Mittelamerika eine etwa 1000 Jah rewährende Kultur, deren riesige Tem -

guadalupe

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Teotihuacan

EINE PILGERREISE NACH

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pelanlagen wir zwar heute noch be-staunen, von der wir aber sonst nurwenig wissen und nicht einmal ihrenNamen kennen. Später kamen india-nische Nomaden aus dem Norden indieses Gebiet, unter ihnen auch dieAzteken. Als sie diesen Ort hier ent-deckten, nannten sie ihn Teotihuacan(Ge burtsort der Götter) und verehrtenihn fortan als heilige Stätte. Ihr eige-nes Macht zentrum errichteten die Az -teken 45 km entfernt auf einer Insel

im Tex coco-See. Diese Stadt Tenochtitlan-Mexicowar durch Dammwege mit dem Festland verbun-den. Als die spanischen Eroberer sie erstmals er-blickten und dann ihrem Herrscher Moctezumabegegneten, erschien ihnen die Stadt wie einWun der werk der Neuen Welt. Eine Bootsfahrtdurch die Reste ihrer „schwimmenden Gärten“gibt uns heute noch eine Vorstellung von den ein-stigen Wasser wegen und von der farbenprächti-gen Kul tur der Azteken. Ihre dunklen Seiten aberwaren die dämonischen Rituale, die Menschen -opfer und der Kannibalismus.

Teotihuacan Teotihuacan

Indianische Gruppenkommen nach Guadalupe vielfachin ihren traditionellenKostümen.

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Als Hernando Cortez die Stadt 1521 eroberte, berei-tete er dem ein jähes Ende, indem er ihre Götzen -tempel zerstören und die Kanäle zuschütten ließ.Auf den Trümmern des einstigen Tenochtitlansund dem die Stadt umgebenden See, entstand sodie heutige Metropole Mexico-City. Der erste Bi -schof, der hier eingesetzt wurde, der Fran ziskanerJuan de Zumar raga, nahm seinen Sitz im StadtteilTlatelolco, wo er später auch ein Seminar errich-ten ließ. Einem eroberten Land das Evange lium zu ver-künden, ist schwierig. Es verlangt Geduld undDemut und nicht Überheb lichkeit. Als Freund derIndios wandte sich der Bischof deshalb in einemgeheimen Brief an den spanischen Kö nig, um ge-

gen die menschenverachtende Regie -rung der spanischen Gouver neure zuprotestieren. Aber nicht Karl V. sollteHilfe bringen, sondern der Himmelselbst durch die Mutter des Herrn, diesich als Mutter aller Men schen zeigenwollte. Erwählter Zeuge dieser Bot -schaft war nicht ein Spanier, sondernder einfache Indio Cuauh tlatoatzin(„Sprechender Adler“), der bereits dreiJahre nach dem Fall Te nochtitlans dieTaufe empfangen und dabei den Na -men Juan Diego erhalten hatte. Wir haben seinen Geburtsort Cuau h -tit lan besucht, wo er mit seiner FrauLuzia Maria lebte und auch eine klei-ne Werkstatt besaß. Nach dem Todseiner Frau zog er von hier nach Tol -petlac zu seinem Onkel Bernardi no,bei dem er als Waisenkind aufgewach-sen war. Über dem Haus des Onkels, der dannim Zuge der Erscheinungen von einertödlichen Krankheit geheilt wurde,steht heute eine einfache Kirche di-rekt neben der Autobahn. Unter derAltarwand mit dem Bild seiner Hei -lung ist eine Gedenktafel angebrachtmit der Inschrift: „Hier wurde Bernar -dino am 12. Dezember 1531 von derGot tesmutter geheilt.“–Aber nun zumHergang der einzelnen Ereig nisse:

Cuauhtitlán, Geburtsort des hl. Juan Diego. Über den Restenseines Hauses stehen heute einealte und eine neue Kirche.

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Juan Diego Cuauhtlatoatzin wurde im Jahre 2002 heiliggesprochen.

juandiego

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Als Juan Diego am 9. Dezember frühmorgens nach Tlatelolco gehen woll-te, hörte er von dem kleinen HügelTepeyac herab, der vor dem Dammzur Stadt lag, einen wunderbaren Ge -sang und wie dann eine lieblicheStimme seinen Namen rief: „Juan, Diego, mein kleinstes Söhn -chen, wohin gehst du?“ Als er sichnäherte, sah er im hellen Lichtglanz

TLATELOLCO Bischofssitz und Seminar, dasFray Juan de Zumarraga in Tlatelolco, dem nördlichenStadtteil von Tenochtitlan-Mexico errichten ließ. Juan Diego Cuauhtlatoatzinwurde hier getauft.

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eine junge Frau von überwältigenderSchön heit. Alles um sie herum wareingetaucht in helleuchtende Farben.Auf seine Antwort, daß er zur heiligenMes se gehen wolle, sagte sie: „Wisse,mein liebstes Söhnchen, daß ich diemakellose und immerwährende Jung -frau Maria bin, die Mutter des wahrenGot tes, durch den alles lebt, des Herrnaller Dinge, welcher der Herr überHim mel und Erde ist.“ Dann sprach sie weiter: „Es ist meininniger Wunsch, daß man mir hier einGotteshaus baue, wo ich meine ganzeLiebe, mein Mitleid und Erbarmen,meine Hilfe und meinen Schutz den

Menschen erweisen und schenkenwill. Ich bin eure erbarmungsreicheMutter, die Mutter aller Menschen, alljener, die mich lieben, die zu mir ru-fen, die Vertrauen zu mir haben. Hierwill ich auf ihr Weinen und ihre Sor -gen hören und will ihre Leiden, ihreNöte und ihr Unglück lindern undheilen.“Juan Diego überbringt die Botschaft.Doch der Bischof hat Zweifel. Ent -täuscht kehrt er zur Dame zurück undwird dort erneut von ihr aufgefordert: „Ich bitte dich dringend, morgen wie-der zum Bischof zu gehen ... lasse ihnganz genau meine Anordnung verste-

„Ich bin eure erbarmungsreiche Mutter, die Mutter aller Menschen“

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hen … und wiederhole ihm, daß ich persönlich esbin, die immerwährende Jungfrau Maria, dieMutter Gottes, die dich sendet.“Am nächsten Morgen, es ist Sonntag, spricht JuanDiego wieder beim Bischof vor. Doch nun ver-langt dieser ein Zeichen der Echtheit. Juan über-bringt der Dame die Nachricht und wird von ihrfür den nächsten Tag zu einem erneuten Treffenbestellt mit dem Ver sprechen: „Achte gut auf das,was ich dir sage, mein Söhnchen: Ich werde dichreich entschädigen für allen Verdruß und alleArbeit und Mühe, die du für mich hattest. Dukannst nun nach Hause gehen. Morgen werde ichhier auf dich warten.“

Juan Diego läßt den Montag, den 11.Dezember, verstreichen, da sein Onkelplötzlich erkrankt war. Erst tags dar-auf, am 12. Dezember, eilt er im Mor -gen grauen zur Stadt. Dabei möchte eran einer anderen Stelle am Hügel vor-bei, um nicht von der Dame aufgehal-ten zu werden. Aber da tritt sie ihm inden Weg und sagt: „Was ist geschehen, mein Söhnchen,wohin gehst du?“ Er habe es eilig, weil sein Onkel imSterben liege und einen Priester benö -tige. Und nun kommen die Worte, die

Bild links: Tolpetlac, über dem Haus des Onkels Juan Bernardino, in dem er von derGottesmutter geheilt wurde,steht heute eine Kirche.

„Was ist geschehen, mein Söhnchen, wohin gehst du?“

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Beuge meiner Arme? Brauchst dunoch mehr als das? … Laß dich wegender Krankheit deines Onkels nicht be-unruhigen, denn er wird an diesemÜbel nicht sterben. Gerade jetzt, indiesem Augenblick, ist er geheilt.“ Und nun befiehlt die Gottes mut ter, ermöge auf dem Hügel Tepeyac Ro senpflücken, sie in seinen Umhang sam-meln und zu ihr herunter bringen. Sieordnet die Rosen mit eigener Handund sagt dann: „Mein Söhnchen, diese verschiedenar-tigen Blumen sind das Zeichen, das du

durch die Jahrhunderte widerhallenbis zum heutigen Tag: „Hore und laß es in dein Herz drin-gen, mein liebstes, kleinstes Söhn -chen: Nichts soll dich erschrecken,nichts dich betrüben, nicht soll sichdein Antlitz, dein Herz verfinstern.Fürchte nicht diese Krankheit oder ei-nen Kummer, einen Schmerz. Bin ichdenn nicht hier, deine Mutter? Bist dudenn nicht in meinem Schatten, untermeinem Schutz? Bin ich nicht derBrunnen deiner Freude? Bist du nichtin den Falten meines Mantels, in der

„Gerade jetzt, in diesem Augenblick, ist er geheilt.“

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dem Bischof bringen sollst. Sage ihmin meinem Namen, daß er darausmeinen Willen erkennen soll und ihnerfüllen muß.“ Als Juan Diego dieRosen überbringt, entsteht auf sei-nem Mantel ihr heiliges Bild. Der Bischof läßt bereits 14 Tage spä-ter eine erste kleine Kapelle bauenund das Bild in einer feierlichen Pro -zes sion übertragen. Ein von einemPfeil tödlich getroffener Indi anerwird vor dem Bild der Jungfrau nie-dergelegt und daraufhin augenblick-lich geheilt. Nach der Heilung desOnkels war dies ein weiteres Wunder,

das die Herzen der Indios zutiefst berührte. Sie er-kannten zudem, daß ihnen durch die Mutter desHerrn auch eine Antwort gegeben wurde auf ihregrundlegenden religiösen Fragen. Alles an demBild – die Klei dung, die Farben, die Ornamente,die Sonne, der Mond, das geneigte Antlitz und diegefalteten Hände – waren für sie wie ein wortlosesEvange lium, wie eine Botschaft, die Gott selbst ei-nem der ihren geschenkt hat.Innerhalb weniger Jahre ließen sich daraufhinmehrere Millionen Indios taufen. – Ein einzigarti-ger Vorgang in der Geschichte. Die Kirche hat nach anfänglichem Zögern und so-gar Mißtrauen schließlich die Erscheinungen an-erkannt und die Ikone selbst als ein nicht von

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Menschenhand gefertigtes Bild bezeichnet. In einem eigenen Mu -seum neben der alten Basilika ist die Entwicklung der Verehrung derJungfrau von Gua dalupe anschaulich dargestellt. Ihr zu Ehren wurdeim Jahr 1960 von Johannes XXIII. ein Marianisches Jahr ausgerufen.Vor allem aber waren es die zahlreichen Be suche von JohannesPaul II. und jüngst von Papst Franziskus, die die Bedeutung desHeiligtums weiter hervorgehoben und unterstrichen haben.Wer heute nach Guadalupe pilgert, besucht in der Regel zu-erst die Basilika, in der sich nun das heilige Bild derJung frau befindet, um es wie Papst Franziskus ver-ehrend anzuschauen. Über 250 Jahre lang wardas Bild in jenem barocken Gotte s haus,das dem Wall fahrtsort bis heute seinunverkennbares Gesicht verliehenhat: nämlich in der alten Basilika

Das Gnadenbild in der Basilika

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mit den goldenen Kuppeln und Tür -men am Ende des ehemaligen Dam -mes, dem heutigen Hauptzugang insHeiligtum.Als sich aber dann der Bau allmählichzu senken begann, war die Errichtungeiner neuen Basilika unumgänglich.1976 wurde sie eingeweiht und dasGnadenbild feierlich übertragen. Mit dem riesigen Dach wirkt die neueBasilika gleichsam wie eine Mutter,die ihren weiten Mantel ausbreitet,um alle darunter zu bergen. Seitlich links und rechts hinter der

Altarwand befinden sich die Anbe -tungskapelle mit dem übergroßen Ta -bernakel und die Kapelle zu Ehrendes hl. Josef. Das zweite Ziel der Pil -ger ist der Er scheinungsort der heili-gen Jungfrau, der Hügel Tepeyac.Eine kunstvolle Treppe führt die Besu -cher nach oben und belohnt den Auf -stieg mit einem herrlichen Ausblick.Den ganzen Tag über herrscht hierein Kommen und Gehen, ein Schauenund Staunen – und auch ein Beten inder Erscheinungskapelle. Wer diesen Erscheinungsort ruhiger

Mexico Guadalupe – ein katholisches Land mit vielenjungen Familien und vielen Kindern

Bild oben: Der Hügel Tepeyac mit der Kirche der Erscheinung. Am Fuß des Hügels steht die alte Basilika und seit 1976 daneben die neue Basilika mit dem Gnadenbild.

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erleben möchte, der muß die Morgen -stunden wählen, wenn der Kustoslangsam die Tore öffnet und die er-sten Beter zur Kirche kommen. Jetztist auch der Hügel beschaulich undstill wie ein friedvoller Garten. Baldaber wird es wieder lebendig, und dieBesucher strömen die Treppen hinun-ter in jene herrliche Parkanlage, diewie ein ferner Ausblick auf das ver-heißene Paradies anmutet. Vor einer Felskulisse mit rauschendenWasserfällen erhebt sich die überle-bensgroße Gestalt der allerseligsten

Jungfrau, wie sie die Verehrung ihrerKinder entgegennimmt. Bischof Zu m -ar raga ist zu sehen und ganz nahe beiihr Juan Diego. Die anderen Figu rensind weitere Indianer, die der Mutter -gottes ihre Gaben brin gen und sichvor ihr verneigen. Damit berühren wir zugleich das Ge -heimnis des Katholischen Glau bens indiesem Land: nämlich die außerge-wöhnliche Verehrung und Liebe zurseligen Jungfrau, die tief im Volk ver-wurzelt ist. Die Art und Weise, wie die-se Vere h rung geschieht, mag für uns

„Nicht von Menschenhand gemacht.“

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manchmal fremd sein, doch die Gottesmutternimmt alles entgegen, was ihr zuliebe von ihrenKindern dargebracht wird: Die Stra pazen einerlangen Pilgerfahrt, die Blumen und Kränze, diegeschmückten Bilder und Sta tuen – und auch ihreTänze. Für die Pilger ist der Besuch im Heiligtum einGesamterlebnis für Leib und Seele. Einen Tag hierzu verbringen an diesem heiligen Ort der Mutterdes Herrn und der Königin des Landes, ist eineErinnerung, die lange bleibt. Die Menschen lassensich nieder bei ihr, so als wären sie daheim bei ih-rer Mutter und in der Geborgenheit einer Familie.Alle sind hier zu sehen: Die Jugend mit ihrenWünschen und Träumen, Ehepaare und jungeFamilien und auffallend viele kleine Kinder, diezu ihr gebracht werden, um sie ihrem Schutz an-zuvertrauen.Unverkennbar sind bei den Menschen die indiani-schen Ge sichts züge, vor allem bei den Frau en. Be -eindruckend ist auch der Glaube und wie er sichnach außen hin ganz offen zeigt. Und selbst wennda und dort noch heidnische Reste durchschei-

nen, so stehen die Pilger doch vor derMutter des Herrn, die sie aufgeforderthat, zu ihr zu kommen mit allen Nö -ten und Sorgen: „Bin ich nicht deineMutter? Bist du nicht in den Faltenmeines Mantels und in der Beugemeines Armes? Was brauchst du nochmehr?“ Diese Sätze sind es letztenEndes, die sich zutiefst eingegraben

Die neue Basilika wurde zwischen 1974–1976 erbautund bietet bis zu 40 000 Menschen Platz.

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haben in das Bewußtsein des mexika-nischen Volkes und die aber auch unsallen gelten: „Bin ich denn nicht hier,deine Mutter ...“ Sie tut das nicht, umuns für sich zu gewinnen, sondernnur, um uns hinzuführen zu ihremgöttlichen Sohn.

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Die Fastenzeit wird in ihrer Nüch ternheit und Strenge vonzwei großen Festen unterbrochen, am 25. März vom FestMaria Ver kün digung, an dem die allerseligste JungfrauMutter Gottes wurde und damit das Myste rium unseresHeiles seinen Anfang nahm, und am 19. März vom Hoch festdes hl. Josef, der hier miteinbezogen und dazu erwählt wur-de, das Geheimnis der Menschwer dung zu behüten und zubegleiten. So ehrt ihn die Kirche, und so ehren auch wir ihnheute hier in dieser Kirche und in diesem Klos ter, das sei-nem Namen geweiht ist. Der hl. Josef ist ganz bezogen aufdas Er lösungs werk Jesu Chri sti. Das heißt, er kann ohne dieGottes mutter und ohne das Jesus kind gar nicht gedacht wer-

1889 war das Drama von Mayerling, der Tod desKronprinzen Rudolf. Sein Vater, Kaiser Franz Joseph,ließ noch im selben Jahr an dieser Stelle ein Karmelitinnenenkloster errichten, das dem hl. Josefgeweiht ist. In eben diesem Jahr 1889 veröffentlichtePapst Leo XIII. seine berühmte Enzyklika Quamquam pluries

über den hl. Josef. Beim Hochfest des hl. Josef, am 19. März 2019, wurde bei der Predigt an diesesEreignis erinnert.

Liebe Gläubige!

1889130 Jahre Josefs-Enzyklika Quamquam pluries

Der GemahlJUNGFRÄULICHE

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den. Alles was er ist, ist er durch seineVer mählung mit der hl. Jung frau Ma -ria und seine Aufgabe als Vater ge-genüber dem Jesuskind.Wenn wir die Gottesmutter ehren, istdies zugleich eine Freude des hl. Josef.Und umgekehrt ist jede Ehre und Ver -ehrung, die wir dem hl. Josef erwei-sen, immer auch eine große Freu deder allerseligsten Jungfrau, seiner Ge -mahlin und Braut.Heuer sind es genau 130 Jahre, daß

Papst Leo XIII. dem ganzen katholi-schen Erdkreis jene berühmte Enzyk -lika über den hl. Josef geschenkt hat,in der er gerade diese einzigartigeWür de Josefs besonders hervorhob:„Ohne Zweifel überragt die Gottes -mutter alle geschaffenen Naturen“ –also Menschen und Engel. „Niemandaber steht Maria so nahe, wie der hl.Josef.“ Das heißt: der hl. Josef ist nachder Gottesmutter der größte Heiligeim Himmel.

Gemahl MARIENS

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Und der Papst bringt in der Enzyklikadie Begründung dafür: „Daß der hl.Josef der Gemahl Mariens und der ge-setzmäßige Va ter Jesu ist, das ist derGrund all seiner Würde, Gnade, Hei -ligkeit und Glorie.“Generationen vor uns haben ihm da-her Län der und Städte geweiht undseinem Schutz unterstellt, und vielehaben mit Freude und Ehrfurcht sei-nen Namen getragen. Heute ist eseher selten geworden, daß ein Kind

auf diesen Namen getauft wird. Ge -wiß, der hl. Josef entspricht natürlichnicht dem Bild des Mannes, das unsheute von allen Seiten nahegelegtwird. Zudem haben viele Dar stel lun -gen in der Kunst – vor allem in derMalerei – aus ihm einen alten Manngemacht, von dem nicht mehr viel zuerwarten war, um damit seine keuscheund reine Ge sinnung verständlicherzu machen. Aber das ist ein Unding.Das wäre so, als ob man einen Mann

Im Juli 2010 weihteBenedikt XVI. in denVatikanischen Gärten einenJosefsbrunnen ein – ohnezu ahnen, daß er drei Jahrespäter, nach seinemRücktritt, ganz in der Nähewohnen würde.

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ohne Hände malen wollte, um zu zei-gen, daß er nie stehlen werde. Auchwaren es alte Männer, die Susannabeim Baden verführen wollten. Nein, die Vorsehung hat der Gottes -mutter keinen „alten Opa“ zur Seitegestellt, sondern einen jungen Mann,der auch imstande war, für die Mutterund das Kind zu sorgen und in derGefahr mutig und tatkräftig zu han-deln. Nicht das Alter ist Garantie füreine jungfräuliche Ehe, wie sie zwi-schen der Gottes mutter und dem hl.Josef bestanden hatte, sondern alleindie Gna de Gottes. „Ich vermag alles indem, der mich stärkt“, sagt der Apos -tel Paulus.Die Liebe einer Frau bestimmt immerdie Art, wie der Mann sie liebt. Sie istdie schweigsame Erzieherin und Ge -stalterin seiner Anlagen. Selbst derSohn Gottes ließ sich von einer jung-fräulichen Frau formen und bilden,von seiner heiligsten Mutter. Ist es so schwer vorstellbar, daß auchder hl. Josef an der Seite der Königinder Jungfrauen in seinem ganzenWesen mitgeformt und mitgeprägtwurde und daß dies seine Liebe nochviel mehr vermehrt, vertieft und er-höht hat? Und auch – und dies vor al-lem, daß letztlich das Gotteskind,Jesus Christus selbst, den hl. Josef ge-heiligt und dazu befähigt hatte?Josef war der erste neue Mann, demseine Gemahlin immer Braut blieb.

Und so ist er selbst eine Prophetie,daß die „Ehe-Not“ dieser Erde einmalein Ende haben wird, wenn nämlichdie Menschen einander erkennen wer-den im Heiligen Geist, wie dies Chri -stus für die Ewigkeit ja vorausgesagthat.

Den hl. Josef müssen wir uns als jun-gen Mann vorstellen, der dem Alterseiner blü hen den Braut entsprach. Erwar von königlicher Abstammung, er

Bei der Einweihung des Brunnens sagte damals Benedikt XVI.: „Josef stammte aus dem königlichen Geschlecht Davids, und kraft seinerVermählung mit Maria überträgt er dem Sohn der Jungfrau – dem Sohn Gottes – den rechtmäßigen Titel Sohn Davids und erfüllt so die Prophezeiungen. Die Vermählung von Josef und Maria ist daher ein menschliches Ereignis, das jedochfür die Heilsgeschichte der Menschheit, für die Umsetzung von Gottes Verheißungenentscheidend ist. Daher hat es auch übernatürlichen Charakter, den die beiden Hauptfiguren mit Demut und Vertrauen annehmen.“

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kam ja aus dem Ge schlecht Davidsund muß wohl eine beeindruckendeErscheinung gewesen sein. Gott hatgewiß für die „Schönste der Frauen“und den „Schönsten von allen Men -schen“ auch einen dazu passenden Ge -mahl und Vater gewählt. Josef warvon einer großen und tiefen Liebe zuGott erfüllt. Er hat im Augenblick derGefahr rasch und tatkräftig gehandeltund war so für die Familie eine unent-behrliche Stütze und ihr fester Halt

und gerade deshalb auserwählt, derNährvater des Jesus kindes zu sein.Es wird manchmal darauf verwiesen,daß er schweigsam gewesen sei, weiluns die Evan gelien kein einziges Wortvon ihm berichten. Aber das war auch nicht nötig, da ihmdas Wort selbst, das ewige Wort, anver-traut war. Dafür hat er sich abgemüht.Josefs Worte waren seine Taten für dasWort Gottes. Für dieses Wort hat er ge-sorgt, dieses Wort hat er behütet und

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in Schutz genommen. Dieses Worttrug er in seinen Händen – vor allemaber in seinem Herzen.Das ist letztlich auch damit gemeint,wenn die Heilige Schrift über ihnsagt: daß er gerecht war. Denn einGerechter ist vor allem einer, der dasWort Gottes in seinem Herzen trägt,der stets danach handelt und so zumvollkommenen Beobachter der Ge -bote Got tes wird.Gerecht sein heißt daher: Kein vor-

schnelles, ungerechtes Urteil fällen, weder mitWorten noch in Gedanken. – Wie oft haben wir daschon gefehlt, und es passiert uns immer wieder:Wie schnell sind wir mit einem Urteil zur Hand.Und wie oft mußten wir innerlich beschämt ein-gestehen, daß wir uns hier getäuscht und unrechtgeurteilt haben!Gerecht sein, das heißt, ganz wahr sein, ganz lau-ter und rein, ganz aufrichtig, ohne den leisestenTrug. Ge recht sein heißt, daß man sich auf seinWort verlassen kann, daß die Gesin nung klar istund bestimmt, fest und entschlossen, ohne sichvom Wind der herrschenden Tagesmeinung hin-und hertreiben zu lassen. Gerecht sein, das heißtsich der Wahrheit verbunden wissen, sich ganz ander Wahrheit orientieren und ihr vertrauensvollfolgen. Das alles heißt gerecht sein. Und Josef wargerecht.Der heilige Josef – gerecht und jungfräulich. DieKirche hat ihn immer so gesehen. Die bereits erwähnte Enzyklika Papst Leos XIII.aus dem Jahre 1889 – es war übrigens das Jahr der

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Tragödie hier in Mayerling, wo jetztder Altar steht – diese JosefsenzyklikaLeos XIII. hat der hl. Papst JohannesPaul II. 100 Jahre später, 1989, also vorgenau 30 Jahren, bestätigt und nochweiter vertieft mit den Worten: „DieKirche braucht ihn immer noch …“Ja, wir brauchen ihn immer noch –heute mehr denn je, so wie er in derihm gewidmeten Litanei angerufenwird: „Bräuti gam der Gottesmutter,

keuscher Be schützer der allerseligstenJungfrau, Haupt der Hei ligen Familie,Trost der Bedrängten, Hoffnung derKranken, Schrecken der bösen Gei ster,Schutzherr der hl. Kirche.“ Papst Leo XIII. fügte damals seinerEnzyk lika das berühmte Gebet bei:„Bei dir, heiliger Josef suchen wir Zu -flucht!“ Ein Gebet, das er allen Gläu -bigen, Gemeinschaften und Diö zesendringend empfahl. Und 100 Jahre spä-

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ter erinnerte Papst Johannes Paul II.in seinem Apostolischen Schreiben„Redemptoris custos“ erneut an dieseswichtige Gebet mit den Worten: „Noch heute haben wir zahlreicheGründe, in derselben Weise zu beten:Entferne von uns, geliebter Vater, die-se Seuche von Irr tum und Laster …und stehe uns bei in diesem Kampfgegen die Mächte der Finster nis.“ Under fügt dann an: „Dieses Gebet hat

eine erneuerte Aktualität für die Kir -che unserer Zeit.“ Ein wahrhaft pro-phetisches Wort des hl. Papstes! Wer denkt hier nicht an die bekann-ten innerkirchlichen Nöte und Be -drängnisse unserer Tage! Wir habenheute Grund genug, den hl. Josef indiesem Anliegen als Schutzpatron derKirche besonders anzurufen.Als voriges Jahr das Dach der ältestenJosefs kirche in Rom einstürzte (sie

Bild links und unten:San Giuseppe dei Falegnami, errichtet über dem Mamertinischen Kerker auf dem Forum Romanum (Rom)vor dem Einsturz des Daches.

Der Kirchenrektor im Gespräch mit einer Nonne im Innenraum der Josefskirche

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ben mich zu dem Wunsch ver anlaßt,die ganze Welt zur Andacht zu diesemHeiligen zu be we gen. Be son ders gütigerzeigte er sich an seinem Festtag. Ichbitte jeden um der Liebe Gottes wil-len, den Ver such zu machen, seinenBeistand zu erflehen.“Heute danken wir dem dreifaltigenGott, daß er uns diesen wunderbarenFürsprecher geschenkt hat.

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steht am Fo rum Romanum über dem Mamertini -schen Kerker, dem ehemaligen römischen Staats -ge fängnis und Gefängnis des hl. Petrus und Pau -lus), – als das Dach und die gesamte Decke ein-stürzte, wobei die Josefs statue am Hochaltar in-

takt blieb, da sahen manche Beobachter dies alsein Zeichen dafür, daß die Kirche entschiedenergegen die Sün den in ihren eigenen Reihen vorge-hen und auch wieder mehr um den Beistand deshl. Josef bitten müsse.

Die Kirchenlehrerin Teresa von Avila hat von den16 von ihr gegründeten Klöstern in Spanien 13 un-ter den besonderen Schutz des hl. Josef gestellt. Ineinem Brief schreibt sie am Ende ihres Lebens:„Ich erinnere mich nicht, den hl. Josef um irgend -etwas gebeten zu haben, ohne daß er es mir nichterlangt hätte. Wie zahlreich sind die Gna den, diemir Gott auf die Für bitte dieses Hei ligen erwiesenhat. Und wie viele Ge fahren des Leibes und derSeele waren es, aus denen er mich befreit und er-rettet hat! Meine vielfache Erfah rung hinsichtlichder großen Gna den, die er von Gott erlangt, ha-

Ein Bild der Kirche?

„Entferne von uns, geliebter Vater, diese Seuche von Irr tum und Laster … und stehe uns bei in diesemKampf gegen die Mächte der Finster nis.“Johannes Paul II.

Die Kirche „San Giuseppe dei Falegnami“ (Kirche des hl. Josef, Schutzpatron der Zimmerleute) ist seit 2012Titeldiakonie der römisch-katholischen Kirche. Am 30. August 2018 war ein Teildes Daches über dem Hauptschiffeingestürzt. Erst drei Jahre zuvor waren dasDach und die Fassade restauriert worden …

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San Giuseppe dei Falegnami

nach dem Einsturz des Daches

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Am 19. März 2020 werden es 25 Jahre,daß die Gemeinschaft vom hl. Josef inKleinhain durch den damaligen Diö -zesanbischof Kurt Krenn offiziell er-richtet wurde. Der für uns zuständigeProtektor war Bischofsvikar Prälat Dr.Alois Hörmer. Als Gäste besuchten uns in diesemGründungs jahr 1995 in Kleinhain ne-ben Diözesanbi schof Kurt Krenn undBi schof Jaworsky die Pro fessoren Fer -di nand Holböck und Anton Ziegen -aus, der Verleger Paul Pattloch unddie späteren Kardinäle Leo Scheffczykund Walter Brandmüller.Jeder Neubeginn muß sich in Mühenund Schwierigkeiten bewähren undan den Widerständen erprobt wer den.Das war hier nicht anders. Die Er rich -tung war aber auch mit einem Opfer

verbunden, mit dem niemand gerech-net hatte und das gleich zu Be ginn indas Fundamant eingefügt wurde, umden entstehenden „Bau“ geistig zu fe -stigen.Unser Mitglied Bernhard Groß war imSommer dieses Gründungsjahres inTschechien gewesen bei einem ihmbe kannten Pfarrer, um dort seineSprachkenntnisse weiter zu verfeinern(Bernhard war ein Sprachen talent undbeherrschte etwa zehn Fremd spra -chen fließend). Nach seiner Rück kehrim Sep tember klagte er plötzlich überkörperliche Be schwerden, die ihn inärztliche Behandlung und schließlichzu einem Spitalsaufent halt bei denEli sabethinen in Linz führten. Vondort erreichte uns dann im Okto berder nebenstehende Brief:

Die Statue des hl. Josef in unserer Hauskapelle wurde unsvor 31 Jahren von Sr. Chrysostoma (†) anvertraut.

25 Jahre Gemeinschaft vom hl. Josef

1995/2020

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Bilder oben:Bernhard Groß, von derKrankheit gezeichnet, in seinemSterbezimmer in Kleinhain.Heute ist hier eine Hauskapelle mit einemJosefsaltar.

Gelobt seien Jesus und Maria! 7. Oktober 95

Rosenkranzfest

Lieber Pater Werner, liebe Mitbrüder!

Nun bin ich schon fast drei Wochen hier. Am Anfang war’s schlimm.Vor allem die Ungewißheit, was es für eine Krankheit ist. Seit ich weiß,daß es eine lymphatische Leukämie ist, die gute Heilungschancen hat, binich sehr zuversichtlich. Am ersten Tag hab‘ ich Beichte, hl. Kommunionund Krankensalbung empfangen und darf seitdem mit Jesu und MariensHilfe die Krankheit aus Liebe zu Gott annehmen. Manchmal ist’s freilichauch nicht leicht. Aber der Heiland nimmt mich halt jetzt wie nie zuvor in die Kreuzesschule, die uns alle der P. Morscher immer gelehrthat. Ich kann eigentlich Gott nur für alles danken!Danken möchte ich Euch vor allem für Eure vielen Gebete. Sie geben mirviel Kraft zum immer neuen Ja-sagen zum hl.Willen Gottes, der uns oftso Angst macht.Ich opfere die Krankheit von ganzem Herzen vor allem für den P. Morscher, den P. Werner und für Euch auf, damit wir alle heiligePriester werden dürfen nach dem Herzen Jesu und Mariä. Aber auch füralle Eure Angehörigen und die ganze Kirche versuche ich es immer wiederneu Jesus und seiner heiligsten Mutter zu schenken. Helft mir bitte weiter, damit wieder alles gut wird. Bittet vor allem unserenSchutzpatron, den hl. Josef, daß er mich wieder ganz gesund macht, dennmehr denn je möchte ich Priester werden und Euer Mitbruder immerbleiben. Vergelt’s Gott für alles.

Euer Bernhard

In der Hoffnung auf ein Abklingen der Krankheit wurdeBernhard ein Jahr später zum Priester geweiht. Nach 11-monatigerKaplanszeit in Rupprechtshofenbrach die Krankheit erneut aus. Am Sonntag, den 2. August 1998starb Bernhard an Leukämie in sei-nem Zimmer in Kleinhain. Heute steht an dieser Stelle unser Josefsaltar.

1995/2020

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Der hl. Hippolyt lebte und wirkte um das Jahr 200in Rom. Er war Priester und ein brillanter Theo -loge, dem wir viel zu verdanken haben; aber erwar auch übermäßig von sich eingenommen.Dennoch wird er als Heiliger verehrt, weil er inder Ver bannung für Christus sein Leben gege-ben hat. Wie und warum aber kam er mit uns,mit Niederösterreich in Beziehung?Das hängt damit zusammen, daß etwa um dasJahr 800, zur Zeit Karls des Großen, hier imOsten seines Reiches an der Traisen ein Bene -diktiner-Kloster entstand und diesem Kloster

Gedanken über den Diözesanpatronvon St. Pölten

Mit der Errichtung der Gemeinschaft vom hl. Josef wurde der Schutzpatron der Kirche erstmals Namensgeber einer Priestergemeinschaft in der Diözese St. Pölten. In der Landeshauptstadt selbst, dieihren Namen von einem Heiligen der frühenKirche ableitet, war der hl. Josef bereits seit 1940präsent durch die Josefspfarre mit der eindrucks-vollen Darstellung über dem Hochaltar. Wer aber war St. Hippolyt?

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Reliquien des hl. Hippolyt anvertrautwurden. 280 Jahre später wurde darausein Chorherrenstift. Von diesem Klo -ster Sankt Hippolyt übernahm späterauch der heranwachsende Ort seinenNa men – St. Polyt bzw. St. Pölten. Mitder Errichtung einer eigenständigenDiö zese unter Kaiser Josef II. wurdeschließlich der Stadtheilige zugleichauch Diözesanpatron.Was uns heute noch aktuell mit demhl. Hippolyt verbindet, sind vor allemzwei Dinge: Das eine ist das 2. Hoch -ge bet der hl. Messe, das zu einemgroßen Teil auf ihn zurückgeht unddas wir seit der Liturgiereform infolgedes Zweiten Vatikani schen Kon zils bei

der Messe verwenden können. Dasandere aber – und das ist das eigent-liche Verdienst dieses Theologen –ist die von ihm verfaßte Traditio Apo -sto lica, die „Apo sto lische Überliefe -rung“, eine von ihm veröffentlichteKirchenordnung, die zu rück gehtund zurückgreift bis auf die Zeit derApostel.Was aber ist unter einer Kirchenord -nung zu verstehen? Viel leicht könn-te man das mit einem kleinen Um -weg so zu erklären ver suchen: AllesLebendige braucht eine Ordnung,braucht geordnete Ab läufe. Sonstkann nichts Bestand haben. Das giltfür unseren Orga nis mus, aber eben-

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so für jede menschliche Gemein schaft insgesamt.So gibt es eine Ge schäfts ord nung, eine Straßen -verkehrs ord nung, eine Haus ord nung und über al-lem liegend auch eine Schöpfungsordnung, dieetwa besagt, daß eine Ehe aus einem Mann und ei-ner Frau besteht und daß zu einer Familie Vater,Mutter, Kind ge hören. Eine Miß achtung dieserOrd nung wäre nicht nur ein An griff gegen denSchöpfer selbst, sondern würde sich letztlich ge-gen den Menschen richten. Was aber für die Schöpfung und für die Gesell -schaft gilt, das gilt auch für die Kirche hier aufErden. Als eine der ältesten Institutionen auf die-ser Welt braucht auch sie eine Ordnung, um beste-hen zu können. Diese Ord nung wurde grundge-legt von ihrem göttlichen Stifter; sie beruht aufWor ten und Weisungen unseres Herrn, und sie hatsich im Licht des Heiligen Geistes weiter entfaltetbis zum heutigen Tag. Um das Jahr 200 aber wurde dies erstmals schrift-lich niedergelegt. Und damit sind wir bei unseremDiözesan patron, beim heiligen Hippo lyt. Was ihnbis heute berühmt gemacht hat, ist die von ihmverfaßte erste derartige Kirchenordnung. Wennmanche Kritiker meinen, daß es die Ämter der

Kirche und die Auf teilung in Klerusund Laien ursprünglich gar nicht ge-geben hätte, sondern die Hierarchieeine Erfindung des Mittelalters gewe-sen sei, um die Macht position der Kir -che zu festigen, so ist das nicht nureine Unter stellung, sondern vor allemeine Unkennt nis der Tatsachen. Denndie Wahrheit ist, daß es bereits in derAnfangszeit der Kirche eine hierarchi-sche Ord nung gab, die auf die Apostelund letztlich auf Christus selbst zu -rückgeht. Dies aufzuzeigen, war dasgroße Verdienst unseres Diözesanpa -trons.In seinem Werk über die ApostolischeÜberlieferung schreibt er etwa: Diechristliche Ge meinde bildet das VolkGottes. Am Sonntag soll sich das VolkGottes mit den Priestern und demBischof zur Eucharistie versammeln.Ein Laie kann keiner Eucharistie vor-stehen, sondern nur ein Priester.Wenn ein Laie zum Priester geweihtwird, ist er kein Laie mehr, sondern

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ein Geweih ter, ein Kleriker. Er wirddeshalb geweiht, damit er den liturgi-schen Dienst verrichten kann.Und was die Hierarchie betrifft, so istbereits aus den verschiedenen Kapitel -überschriften seines Werkes abzule-sen, was im 2. und 3. Jahrhundert dieallgemeine Ordnung der Kirche war.So trägt etwa das 2. Kapitel die Über -schrift: „die Bischöfe“; ein weiteres Ka -pitel: „die Presbyter“, d.h. die Prie ster;das nächste Kapitel: „die Diakone“,dann weiter: „die Bekenner“; „die Wit-wen“; „der Lektor“; „die Jungfrauen“;„der Subdiakon“; „die Segnungen unddie Gaben der Heilung“ etc.Besonders ausführlich spricht Hippo -lyt in seinem Werk über die Aufgabenund Vollmachten eines Bischofs, wieer sich von den Aposteln herleitet, wieer geweiht wird und wie sein Lebens -wandel sein soll. Die Priester sindnach ihm Berater des Bischofs, dieDiakone dagegen haben die Aufgabe,dem Bischof zu dienen und das zutun, was er ihnen aufträgt.Hippolyt hatte aber nicht nur Wun -derbares geschrieben über die Hie -rarchie, sondern auch über den Schatzdes Glau bens, wie er uns in der Taufeüber mittelt wird. Wenn man dabeiliest, was Großes hier geschieht, mitwelchem Ernst die Entscheidung undVorbereitung für ein wirklich christli-ches Leben erwartet wurde, dann istman zutiefst berührt.

Ähnlich schreibt er übrigens auch über die Ord -nung der Feier der Eucharistie, über die Ordnungdes Gebetes oder auch einfach über das schlichteKreuzzeichen: „Wenn Du versucht wirst, so be-zeichne dich mit dem Zeichen des Kreuzes. Denndieses Zeichen des Leidens (Christi) ist einZeichen gegen den Teufel – sofern Du es gläubigtust und nicht, um von den Menschen gesehen zuwerden. Du sollst es überlegt tun. Dann wird der

Wider sacher (fliehen), weil er die Kraft sieht, dieaus dem Herzen kommt.“Über die hl. Kommunion heißt es: „Jeder Gläubigesoll bemüht sein, die Eucharistie zu empfangen,noch bevor er etwas anderes zu sich genommenhat.“ Und über den Empfang selbst schreibt er:„Jeder trage Sorge, daß kein Ungläubiger die Eu -charistie genießt, noch irgendein Tier, noch daßetwas auf den Boden herunterfällt und dort ver-dirbt. Denn der Leib Christi darf nur von den Gläu -bigen gegessen und darf nicht mißachtet werden.“

„Ein Laie kann keiner Eucharistie vorstehen,sondern nur ein Priester. Wenn ein Laie zum Priester geweiht wird, ist er kein Laiemehr, sondern ein Geweih ter, ein Kleriker.Er wird deshalb geweiht, damit er den liturgischen Dienst verrichten kann.“(Aus der „Traditio Apostolica“)

Bild links:Der hl. Josef mit dem Jesuskind,Hochaltarbildnis in der Kirche der Josefspfarrein St. Pölten

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Und zuletzt noch sehr schön über das Gebet:„Wenn die Gläu bigen, Männer wie Frauen, amMorgen vom Schlaf aufstehen, sollen sie noch vorBeginn der Arbeit zu Gott beten und sich erstdann an ihre Arbeit begeben. Bete auch, bevordein Körper sich zur Ruhe niederlegt. Und wenndeine Frau bei dir ist, betet zusammen. Jeder mö -ge sich be mühen, zur Kirche zu gehen, denn sieist der Ort, wo der Heilige Geist blüht.“Man sieht, es sind ganz einfache Wei sungen, aberes sind Grundord nun gen, die auch heute nochihre innere Kraft haben und die uns allen nichtnur guttun, sondern ohne die weder die Kirchenoch der einzelne Gläu bige bestehen kann. Unddeshalb sagen wir unserem Diözesanpatron vonHerzen Dank.Hippolyt war kein gebürtiger Römer, er stammtevermutlich aus Ale xan drien, aber er lebte undwirkte dann in Rom. Noch war die Zeit der Ver -folgung, in der die Christen immer mit staatli-chen Schikanen rechnen mußten und der Glaubeoftmals bis zum Äußersten geprüft wurde.Die Päpste, mit denen Hippolyt in Rom vor allemzu tun haben sollte, waren zunächst Zephyrinusund dann dessen Nachfolger Kallistus, nach demspäter die Katakomben an der Via Appia benanntwurden. Beide Päpste waren keine Intellektuellen,sondern Männer der Tat. Unter ihrem Pontifikathat die Kirche große Fort schritte gemacht. Diebeiden Päp ste haben den Menschen die Tore desEvangeliums, des Erbarmens und der Güte Gottesweit geöffnet. Und so kamen viele Gläubige neudazu; die Kirche ist zahlenmäßig mächtig ge-wachsen. Hippolyt, der das mit Skepsis betrachtet hat, warhier allerdings anderer Ansicht: Er träumte von

einer Kirche der Aus erwählten, von ei-ner Handvoll armer, besitzloser Hei -liger, die den Kampf mit der Welt auf-nehmen sollten. Aber Hippolyt hathier geirrt. Rigo rismus ist niemalszielführend. Er hat nicht erkannt, daßsich aus der Ent faltung des Gottes -volkes auch neue Situa tionen erge-ben, daß die Chris tenheit nicht eineSekte reiner Wesen ist, sondern eineGemein schaft, die sich aus Men schenzusammensetzt. Der Papst wollte eine Kirche, die Platzbieten sollte für alle: für Arme undReiche, für Gescheite und Einfache so-wie für Sünder und Heilige. In einemwunderbaren Bild vergleicht Kallistusdabei die Kirche mit der Arche Noe, inder es Tiere aller Art gibt, über dieerst das Jüngste Gericht die Ent schei -dung treffen wird.Hippolyt machte sich darüber lustigund suchte in Wort und Schrift dasAnsehen des Papstes zu untergraben.Dem Vorgänger, Papst Zephyrinus,kon nte er nicht verzeihen, daß er beiihm keine theologische Karriere ma-chen konnte, und seinem NachfolgerKalli stus warf er nun vor, daß er denSün dern gegenüber zu nachsichtigsei. Hippolyt hatte damals bei theologi-schen Auseinandersetzungen die An -sicht vertreten, daß der Sohn Gottesseine Gottheit erst bei der Erschaf -fung der Welt von seinem Vater ge-

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wissermaßen „verliehen“ bekam, daßer also nicht von Ewigkeit dem Vaterwesensgleich war. Als er wegen dieserfalschen the ologischen Ansicht überJesus Chri stus deshalb vom Papst zu-recht getadelt wurde, war für ihn dasMaß voll. Eine solche Zurechtweisungvon einem Papst, der kein großerTheologe und noch dazu früher ein-mal ein Sklave war, konnte er nichtverwinden. Hippolyt ließ sich darauf-hin von seinen Anhängern zum Ge -gen papst aufstellen und provoziertedamit das erste Schisma der Papst -geschichte.Das ist der Schatten, der zunächst dasBild dieses großen Theologen derfrühen Kirche trübt, ein Schatten, derentstanden ist durch seinen übermä -ßigen Ehrgeiz, durch seine Eifer sucht(er wäre selbst gern Papst geworden),durch seine Streitsucht und letzt lichdurch seinen Wissen s stolz. So etwashat der Kirche zu allen Zeiten gescha-det. Alle Spal tungen haben hier ihreUrsache.Hippolyt hatte Wunderbares geschrie-ben über die Hierarchie und über diekirchliche Ordnung. Wir haben es ge -hört. Aber im Vertrauen auf seine In -telligenz und die eigene Gelehrsam -keit beachtete er nicht, daß die vonGott eingesetzte Hierachie letztlichihre alleinige Kraft und Wirksamkeitaus der Demut und dem GehorsamJesu Christi bezieht, der sich für uns

erniedrigt hat und gehorsam geworden ist bis zumTod am Kreuz.Vielleicht könnte man jetzt fragen: Ist dann derDiözesanpatron von St. Pölten tatsächlich einHeiliger? Die Antwort lautet: Ja, ganz bestimmt!Denn gerade das, was er zuerst dem Papst vorge-halten hat, daß er zu nachsichtig und zu entgegen-kommend mit den Sündern sei, ist ihm dann letzt-lich selbst zum Segen und zur großen Gnade ge-worden: Denn das Erbarmen und die Güte Gotteshaben es zugelassen und gefügt, daß der römischeKaiser beide in die Verban nung schickte, wo sie anden Folgen der Ent behrungen starben. Das nahen-de Ende und die Not haben Hippolyt geläutertund ihn wieder mit der Kirche versöhnt. Aus dem großen Gelehrten wurde ein demütigerDiener Christi und aus dem einstigen Papstgegnerein gehorsamer Priester. Als gelehrter Schrift -steller war ihm sein Ehrenplatz in der Geschichtevon Anfang an sicher; als Heiliger aber erwies ersich erst am Ende seines Lebens, in seiner Einsichtund in seinem Sterben für den Herrn. Dies kannfür uns Trost und auch Ermutigung sein. Denn esbesagt: die Gnade Gottes erwirkt auch unsere Hei -ligung, und sei es durch Leiden oder durch Not.Und so dürfen wir voll Zuversicht sprechen:

Heiliger Hippolyt, bitte für die Diözese St. Pöltenund bitte für uns!

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Die Dominikanerinnen in

am Walensee / SchweizWeesen

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Etwa 300 m vom Ufer des Walensees entfernt liegt hinter ei-ner schmalen Gasse versteckt das Dominikanerinnenklo ster„Maria Zuflucht“. Es ist mit seinen fast 750 Jahren älter alsdie Eidgenossenschaft, seine Gründung reicht zurück insJahr 1256. Ursprünglich war die Anlage frei gelegen amAbhang des Rebberges (Weinberg). Im Laufe der Zeit aberwurde sie mehr und mehr von der Siedlung umschlossen.Nach den Nöten und Wirren der Reformation, in derenVerlauf die Schwestern teils ausgetreten, teils geflohen wa-ren, konnte sich das Kloster allmählich wieder erholen. DieKirche war zunächst der heiligsten Dreifaltigkeit geweiht.Nach dem Wiederaufbau und der weitgehenden Neu er -richtung der Konventsgebäude wurde die Klosterkirche un-ter den Schutz Mariens gestellt.Im 19. Jahrhundert erlebte das Kloster unter dem Einflußder heiligmäßigen Novizenmeisterin Sr. Josefa Kümin einegroße innere Blüte. Heute bemühen sich die Schwesterntrotz geringerer Anzahl ihrer Mitglieder weiterhin um eine

Bild rechts:Die Schwestern beimRosenkrangebet vor dem Bildnisder schmerzhaftenGottesmutter „Maria Zuflucht“

„Den Rosenkranz beten ist tatsächlich nichts anderes, als mit Maria das AntlitzChristi zu betrachten.“

(Johannes Paul II.)

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Maria ZufluchtDas älteste Dominikanerinnen-Kloster in der Schweiz

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Zurückgezogenheit,Klausur undStillschweigen prägendas Leben im Kloster.Der feierliche Vollzug derLiturgie inEucharistiefeier undChorgebet bildet dabeiden Mittelpunkt desTages.

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würdige Feier der Liturgie, der eucharistischen Anbe -tung, des gesungenen Stundengebetes und des tägli-chen Ro sen kranzes. Die Sorge um geeigneten Nach -wuchs haben die Schwestern mit großer Zuversichtdem hl. Josef anvertraut.Weil die Schwestern als dominikanische Gemeinschaftdie hl. Ca terina von Siena in besonderer Weise vereh-ren, wurde auch heuer wieder – wie bereits im letztenJahr – ein klosterinter nes Triduum abgehalten, bei demdie Schwestern mit verschiedenen Aspekten aus demLeben und den Schriften der großen Kirchenlehrerinaus Siena konfrontiert wurden. Als der inzwischen hei-liggesprochene Papst Paul VI. im Jahre 1970 die hl.Caterina von Siena zusammen mit der hl. Teresa von

Bild rechts: Blick vom Rebberg (Weinberg) derSchwestern über das Kloster und den Ort Weesen auf den Walensee Richtung Osten

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„Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren: Lob ihn, o Seele, vereint mit denhimmlischen Chören. Kommet zuhauf,Psalter und Harfe, wacht auf, lasset denLobgesang hören.“ (Kirchenlied)

Bild oben:Das Psalterium, Psalter oderPsalterspiel, gilt als Urform vonZither und Hackbrett und bildet eine feine klanglicheUnterstützung beim gesunge-nen Chorgebet der Schwestern.

Bild unten: siehe Seite 3

Avila zur Kirchenlehrerin erhob, war diese Ernen -nung zugleich ein Zeichen für die zunehmende Be -deutung der Frau in der Kirche.Gerade an diesen beiden Persönlichkeiten wird al-lerdings deutlich, daß die Aufgabe der Frau in derKirche nicht darin besteht, die Rolle des Klerus imi-tieren zu wollen, wie dies von manchen Gruppen ge-fordert wird, sondern daß es vielmehr ihre Aufgabeist, durch ihr naturgegebenes Charisma das Ele -ment des Weiblich-Mütterlichen zu betonen und da-mit die „Mutter Kirche“ allen sichtbar zu machen.Caterina hat dies in einzigartiger Weise getan in derSorge um die Ehre Gottes und vor allem in ihremBemühen um das Heil des Nächsten, indem sie mitden Mitteln von Wort und Schrift die Herzen derMenschen mit Gott zu versöhnen suchte. Manchmalwar dies auch verbunden mit Mahnung und Tadel,

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Bild rechts: Die Visionen der hl. Caterina von Siena, Gemälde von Carl Stauder 1736,Ausschnitt

Bild rechts unten: Kapitelsaal

immer aber und zuallererst geschah es durch ihrMitlei den mit den Wunden der Kirche, durch ihrGebet und ihre heroischen Opfer, die sie auf sichnahm als Sühne für die Sünden der Welt und fürdie Erneuerung der heiligen Kirche.Caterina strebte nach keinem Amt. So etwas wäreihr nie in den Sinn gekommen. Die einzige Macht,nach der sie verlangte, war die Macht der Liebe inder Demut und Ähnlichkeit mit dem gekreuzig-ten Christus. Cate rina nannte sich daher in denBriefen stets nur „Dienerin“ (schiava –„Sklavin“)der Die ner Jesu Christi. In dieser Rolle wurde sienicht nur zur anerkannten Führerin einer geistli-chen Familie, zu der Gelehrte, Priester, Politikerund Künstler gehörten, sondern darüber hinauszum „Gewissen der Kirche“. Das von ihr oft ver-wendete und vielfach zitierte „ich will“ entsprang

keinem übersteigerten Selbst be wußt - sein, sondern war Ausdruck ihrer tie-fen Einheit mit Christus. In dem „ichwill“ erklang letztlich der Wille dessen,der sie erwählte. Gott sandte sie aus zuden Gro ßen der Welt und der Kirche,um durch ihr Leben, ihr Beispiel unddurch ihr Wort den Stolz der Mächti -gen zu beschämen und für die Demutder Liebe Zeug nis zu geben. Über 380 Briefe sind uns noch erhal-ten, zahlreiche Gebete und ein spiritu-elles Hauptwerk, in dem sie der Nach -welt hinterlassen hat, was Gott sie inden wenigen Jahren ihres Le bens ge-lehrt hat. Sie starb 1380 im Alter von 33Jahren in Rom.

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s gibt zwei grundlegende Einsichtenund Erkenntnisse. Die erste lautet: Ichhabe mich nicht selbst gemacht, meinSein habe ich nicht aus mir, denn ich

kann mir nicht selbst das Leben geben undmich, wenn ich gestorben bin, nicht wieder le-bendig machen. Und die zweite Einsicht: Esmuß also ein höchstes Wesen und Leben geben,ein ewiges göttliches Sein, das aus sich selbst ist,dem ich mein Sein verdanke und an dem ichAnteil haben darf. Diese beiden Einsichten, die„Selbsterkenntnis“ und die „Gottes er kenntnis“sind notwendig, um zu verstehen, was es bedeu-tet, daß Gott uns aus Liebe erschaffen hat, daß

E

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– Du sollst wissen, daß alles, was Ich dem Menschen gewähre, aus höch-ster Vorsehung geschieht, denn es war Meine Vorsehung, daß Ich euch er-schuf. Als Ich in Mich selbst blickte, verliebte Ich Mich in die SchönheitMeiner Geschöpfe, und in großer Vorsorge gefiel es Mir, euch nachMeinem Bild und Gleichnis zu erschaffen.

– Mit Meiner Weisheit habe Ich den ganzen Erdkreis eingerichtet und len-ke ihn in solcher Ordnung, daß nichts daran fehlt und nichts hinzugefugtwerden könnte. Fur Leib und Seele habe Ich gesorgt, nicht weil euer WilleMich dazu gedrängt hätte, da ihr noch gar nicht da wart, sondern nur auf-grund Meiner Gute. Durch Mich selbst gedrängt, habe Ich den Himmelund die Erde erschaffen, das Meer und das Firmament: den Himmel, dersich uber euch bewegt, die Luft, damit ihr atmen könnt, Feuer undWasser, damit die Gegensätze einander ausgleichen, und die Sonne, damitihr nicht im Dunkeln leben mußt. Alles ist den Bedurfnissen der Men -schen entsprechend gemacht und geordnet. Der Himmel ist mit Vögelnbelebt und geziert, die Erde bringt fur das Leben des Menschen ihreFruchte hervor und viele Tiere, und das Meer ist reich an Fischen – alleshabe Ich mit größter Ordnung und Vorsehung geschaffen.

– Und doch läßt Meine Vorsehung es zu, daß die Welt fur die Menschenvielerlei Plagen bereithält, sowohl um sie in den Tugenden zu prufen alsauch um sie hernach fur ihre Leiden und Muhen und ihre Selbstuberwin-

der Mensch sich in tödliche Schuld verstrickte und Christus uns durchseinen Tod und seine Auferstehung daraus erlöst hat. Diese beiden Ein -sichten sind notwendig, um sowohl unsere Kleinheit und Ohnmacht zusehen als auch die Güte und Barmherzigkeit Gottes, der alles bereithältund lenkt, um uns dem ewigen Tod zu entreißen und uns an Ihn, unserLeben und unser Ziel zu binden.Auf diesem Hintergrund werden nun in Caterinas Hauptwerk die zentra-len Punkte entfaltet, in denen Gott Vater seine Vorsehung, das heißt seineFürsorge für den Menschen und die gesamte Schöpfung erklärt. Die fol-genden Textstellen sind Ausschnitte aus den Antworten, die Caterina vonGott auf ihre Fragen erhalten hat.

über Seine Vorsehung

Gespräch mit GottEin

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dung zu belohnen. So hat Meine Vorsehung alles geordnet und mitgroßer Weisheit fur alles gesorgt.

– In Meiner Vorsehung gebe Ich jedem einzelnen von euch die Art undWeise des Lebens und des Todes, die Ich wähle: Hunger, Durst, Verlustder Stellung in der Welt, Blöße, Kälte, Hitze, Schmähungen, Spott,Verleumdungen – das alles lasse Ich zu, daß euch dies durch Menschengesagt und angetan wird. Doch die Menschen … halten alles fur schlechtund hassenswert und denken, es geschehe zu ihrem Schaden undVerderben, was Ich ihnen aus Liebe und zu ihrem Besten tue, um sie vordem ewigen Tod zu bewahren und ihnen das ewige Leben zu schenken.

– Soll Ich dir zeigen, Meine Tochter, wie sehr sich die Welt uber MeineGeheimnisse täuscht? Dann öffne das Auge deines Geistes und blicke inMich. Da wirst du den besonderen Fall sehen, von dem Ich dir berichtenwollte … Du sollst wissen, daß Ich diesen Unglucksfall zugelassen habe,um ihn vor der ewigen Verdammnis zu retten, in der du ihn gesehen hast,damit er das Leben habe durch sein eigenes Blut im Blute MeinerWahrheit, Meines eingeborenen Sohnes. Denn Ich hatte die Verehrungund die Liebe nicht vergessen, die er Maria, der liebsten Mutter Meineseingeborenen Sohnes, entgegengebracht hatte. Aus Ehrfurcht gegenuberdem Wort hat Meine Gute ihr gewährt, daß jeder, wer immer es sei,Gerechter oder Sunder, der ihr die gebuhrende Verehrung entgegen-bringt, dem höllischen Dämon nicht zum Opfer fällt, noch von ihm ver-schlungen wird. Sie ist wie ein Köder, den Meine Gute ausgelegt hat, umMeine Geschöpfe zu fangen. Es geschah also aus Erbarmen, daß Ich das tat.

– Wie können die Menschen, die Ich nach Meinem Bild und Gleichnis ge-schaffen habe, nur glauben, Ich wurde nicht fur sie sorgen? Sie sehendoch, wie Ich den Wurm im trockenen Holz ernähre, wie Ich die wildenTiere auf den Feldern weide, wie Ich die Fische im Meer nähre, allesGetier auf der Erde und die Vögel am Himmel, und wie Ich der Sonne be-fehle, auf die Pflanzen zu scheinen, und dem Tau, damit er die Erde be-fruchte – alles das hat Meine Gute nur gemacht, um den Menschen zudienen. Wohin sie sich auch wenden, sie finden in allen Dingen, in dengeistigen und zeitlichen, nichts als das Feuer Meiner abgrundtiefen Liebeund Meine höchste, suße, wahre und vollkommene Vorsehung. Doch siesehen es nicht, weil ihnen das Licht (des Glaubens) fehlt und sie sich auchnicht bemuhen zu sehen.

– Öffne das Auge deines Geistes im Licht des Glaubens und sieh, mitwelch großer Liebe und Vorsehung Ich den Menschen geschaffen unddafur gesorgt habe, daß er sich Meiner höchsten und ewigen Gluckselig-

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keit erfreue. Fur alles habe Ich Vorsorge getroffen, fur Seele und Leib, furdie Unvollkommenen und die Vollkommenen, fur die Guten und Bösen,in geistlicher und zeitlicher Hinsicht, im Himmel und auf Erden, in die-sem sterblichen Leben und im unsterblichen.

– Von Anbeginn der Welt bis zum heutigen Tag hat Meine Vorsehung aufvielfältige Weise fur eure Bedurfnisse und euer Heil gesorgt – und sowird es sein bis zum Ende … Unendlich sind die Wege Meiner Vorsehung,um die Seelen der Sunder aus der Schuld der Todsunde zu befreien.

– Als durch den Ungehorsam Adams die „Straße“ zu Gott so sehr zerstörtwurde, daß niemand mehr das ewige Leben erreichen konnte, habe ichdas Wort, Meinen eingeborenen Sohn, zu einer Brücke gemacht, die vomHimmel bis zur Erde reicht. Ihm habe Ich den Gehorsam auferlegt, umdas Gift zu entfernen, das aufgrund des Ungehorsams in das Menschen -geschlecht eingedrungen war. So eilte Er als Liebender und wahrhaftGehorsamer zum schändlichen Tod am Kreuz und schenkte euch durchSeinen Tod das Leben – nicht kraft der Menschheit, sondern kraft MeinerGottheit … um die Sunden zu suhnen, die gegen Mich, die unendlicheGute, begangen wurden … Doch das allein reicht nicht aus, um das Lebenzu erlangen – ihr mußt diesem Weg uber die Brucke auch folgen. Anderskönnt ihr nicht zu Mir kommen.

– Ihr könnt Mich, so wie Ich bin, nicht sehen. Daher habe Ich die göttli-che Natur mit dem Schleier eurer Menschheit umhullt, damit ihr Mich

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sehen könnt. Ich, der Unsichtbare, habe Mich gewissermaßen sichtbar ge-macht, indem Ich euch das Wort, Meinen Sohn, gesandt habe, verhulltmit dem Schleier eurer Menschheit. Durch Ihn seht ihr Mich.

– Solange ihr in diesem sterblichen Leben als Pilger unterwegs seid, habeIch euch miteinander durch das Band der Liebe verbunden. Ob ihr wolltoder nicht, ihr seid so gebunden. Selbst wenn ihr euch lieblos von euremNächsten lösen wolltet, bleibt ihr doch aus Notwendigkeit mit ihm ver-bunden. Auf diese Weise – damit ihr die Liebe im Wollen und in der Tatauch ubt – habe Ich vorgesorgt und keinem Menschen fur sich allein dieFähigkeit gegeben, alles tun zu können, wessen er in seinem Leben be-darf, sondern der eine kann dies, der andere jenes, so daß jeder Grund hat,den anderen um Hilfe zu bitten. Denn wenn ihr den Willen zur Liebe durch eure Schuld auch verliert, soseid ihr wenigstens aufgrund eurer Bedurfnisse gezwungen, einen Akt derLiebe zu setzen. So siehst du, daß sich der Kunstler an den Arbeiter wendetund der Arbeiter an den Kunstler: Jeder braucht den anderen, weil dereine dies und der andere jenes nicht kann … Hätte ich denn nicht jedemalles geben können? Ganz gewiß. Doch Meine Vorsehung wollte, daß ei-ner vom anderen abhängig sei, damit ihr gezwungen seid, in Tat undGesinnung die Liebe zu uben.

– Wenn du deinen Blick nach oben richtest auf Mich, das ewige Leben,und in Mir die Natur der Engel schaust und die Bewohner des Himmels,die durch das Blut des Lammes das ewige Leben empfangen haben, sowirst du sehen, daß Ich ihre Liebe geordnet habe, das heißt, daß keinernur sein eigenes Gluck in dem seligen Leben, das er von Mir empfangenhat, genießt und die anderen nicht daran teilhätten. So habe Ich es nichtgewollt. Vielmehr habe Ich ihre Liebe so geordnet und vollkommen ge-macht, daß der Große am Gluck des Kleinen teilhat und der Kleine amGluck des Großen. Mit „klein“ meine Ich das Fassungsvermögen; nicht,daß der Kleine weniger glucklich wäre als der Große, doch jeder nach sei-nem Maß, wie Ich es dir an anderer Stelle schon gesagt habe.

– Die Engel sprechen mit den Menschen, das heißt mit den Seelen derSeligen, und die Seligen mit den Engeln. Jeder erfreut sich in diesergroßen Liebe am Gluck des anderen, jubelnd und fröhlich frohlocken siein Mir ohne Traurigkeit, ohne irgendeine Spur von Kummer, denn inihrem Leben wie in ihrem Tod haben sie Mich durch ihre Hingabe undihre Nächstenliebe verkostet. Wer hat das verfugt? Meine Weisheit durchdie wunderbare und liebevolle Vorsehung.

– Und wenn du dich dem Fegefeuer zuwendest, dann wirst du dort Meineliebevolle und unermeßliche Vorsehung fur jene armen Seelen finden,

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die törichterweise ihre Zeit vergeudet haben. Nun, da sie von ihrem Leibgelöst sind, haben sie keine Zeit mehr, sich Verdienste zu erwerben. Daherhabe Ich fur sie vorgesorgt durch euch, daß ihr, die ihr noch in diesemsterblichen Leben seid, fur sie Zeit habt: das heißt, daß ihr ihnen durchAlmosen, durch das Göttliche Offizium, das ihr durch Meine Diener ver-richten laßt, und durch Fasten und Gebete, die ihr im Stand der Gnadeverrichtet, die Zeit der Strafe aufgrund Meiner Barmherzigkeit verkurzt.O welch liebevolle Vorsehung!

Die Würde der Priester

– Meine Vorsehung und göttliche Liebe hat sie fur euch als Ausspendereingesetzt. Und das gilt nicht nur fur dieses Geheimnis, sondern fur allegeistlichen Gnaden – seien es Gebete oder etwas anderes –, die euch, vonwem auch immer, gespendet werden:

– Ihr [Meine Geschöpfe] seid von solcher Erhabenheit, aufgrund derEinheit zwischen Meiner Gottheit und der menschlichen Natur, daß eureWurde größer ist als die der Engel, denn Ich habe eure Natur angenom-men und nicht die der Engel. Ich, Gott, bin Mensch geworden, und derMensch wurde Gott – durch die Vereinigung Meiner göttlichen Natur miteurer menschlichen Natur. Diese Wurde ist allgemein den vernunftbegab-ten Geschöpfen verliehen. Doch aus diesen habe Ich zu eurem Heil MeineDiener [die Priester] erwählt, damit euch durch sie das Blut des demuti-gen und unbefleckten Lammes, Meines eingeborenen Sohnes, gespendetwerde. Ihnen habe Ich die Ausspendung der Sonne anvertraut … DieseSonne bin Ich, der ewige Gott, aus dem der Sohn und der Heilige Geisthervorgegangen sind.

– Ich habe dir gesagt, daß dieser Leib [Meines eingeborenen Sohnes] eineSonne ist, weil er eins ist mit Mir, der wahren Sonne – und zwar so sehreins, daß Wir nicht voneinander getrennt oder gelöst werden können, sowenig wie auch die Sonne geteilt werden kann … Daher kann euch wederder Leib ohne das Blut gereicht werden noch der Leib und das Blut ohnedie Seele des Wortes noch die Seele und der Leib ohne Meine, des ewigenGottes, Gottheit. Denn eins kann nicht vom anderen getrennt werden …Und wie die Sonne nicht geteilt werden kann, so kann Ich, Gott undMensch, in dieser weißen Hostie nicht geteilt werden.

– Nehmen wir an, die Hostie wurde geteilt: Wenn man sie in Aber tau -sende kleine Stuckchen zerteilen könnte, dann wäre in jedem davon Gottund Mensch ganz enthalten. So wie das Bild, das man in einem Spiegelsieht, nicht geteilt wird, wenn man den Spiegel teilt, so kann Ich, ganz

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Gott und ganz Mensch, in dieser Hostie nicht geteilt werden, sondern injedem Teil ist alles enthalten. Durch nichts wird das Licht dieser Sonnegeschwächt …, selbst wenn die ganze Welt ihr Licht und ihre Wärmeempfangen wollte. So ist diese Sonne, das Wort, Mein eingeborener Sohn,nicht von Mir, der Sonne, dem ewigen Vater, zu trennen. Im mystischenLeib der heiligen Kirche wird Er, das süße und herrliche Licht, das Icheuch als Nahrung gebe und durch Meine Diener [die Priester] ausspendenlasse, jedem gereicht, der Ihn empfangen möchte … Aber wenn auch je-der von euch das Licht empfängt, so bekommt dennoch jeder einzelnenur so viel, wie er Liebe und gluhendes Verlangen mitbringt … Ihr be-kommt in dem Maße Anteil an dem Licht, das heißt, an den Gnaden-gaben des Sakra mentes, wie ihr euch mit heiligem Verlangen bereitmacht, es zu empfangen.

– Wer kostet, sieht und beruhrt dieses Sakrament? Die Seele. Mit welchenAugen sieht sie es? Mit den „Augen des Glaubens“. Diese Augen sehen imWeiß des Brotes den ganzen Gott und den ganzen Menschen: die göttlicheNatur mit der menschlichen Natur vereint, den Leib, die Seele und dasBlut Christi; die Seele vereint mit dem Leib, und den Leib und die Seelevereint mit Meiner göttlichen Natur und niemals getrennt von Mir.

– Das geistliche Schauen muß daher das erste und vorrangige sein, da esnicht getäuscht werden kann. Mit diesen „Augen des Glaubens“ mußt ihrdas Sakrament betrachten …Wie wird dieses Sakrament gekostet? Mit ei-nem heiligem Verlangen. Denn die leiblichen Sinne kosten nur den Ge -schmack des Brotes, die Seele aber kostet Mich, Gott und Mensch. Dusiehst also, daß die leiblichen Sinne getäuscht werden können, nicht aberdie Sinne der Seele.

– Betrachte nun, liebste Tochter, wie sehr die Seele erhoben wird, wennsie das Brot des Lebens, die Speise der Engel, auf geziemende Weise emp-fängt. Indem sie dieses Sakrament in sich aufnimmt, ist sie in Mir, undIch bin in ihr. Wie der Fisch im Meer und das Meer im Fisch, so bin Ich inder Seele und die Seele ist in Mir, dem Meer des Friedens. Die Gnadebleibt in dieser Seele, denn nachdem sie das Brot des Lebens in der Gnadeempfangen hat, bleibt die Gnade in ihr.

– Wenn die äußere Erscheinung des Brotes verzehrt ist, hinterlasse Ichden Abdruck Meiner Gnade gleich einem Siegel, das auf warmes Wachsgedruckt wird: Wenn das Siegel entfernt wird, bleibt die Prägung zuruck.Ebenso bleibt die Kraft dieses Sakraments in eurer Seele: die Glut Meinergöttlichen Barmherzigkeit, die Gnade des Heiligen Geistes; und es bleibtin ihr das Licht der Weisheit Meines eingeborenen Sohnes, der das Augedes Geistes mit Seiner Weisheit erleuchtet hat. Die Seele bleibt stark, weil

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sie teilhat an Meiner Macht und Stärke, die sie kräftigen im Kampf gegenihre selbstsuchtige Sinnlichkeit und gegen den Teufel und die Welt.

– Meine Diener [die Priester] sind Meine Gesalbten, und Ich nenne sie„Meine Christusse“, weil Ich ihnen aufgetragen habe, Mich euch darzurei-chen, und weil Ich sie als duftende Blumen eingesetzt habe in den mysti-schen Leib der heiligen Kirche. Kein Engel hat diese Wurde, aber Ichhabe sie jenen Menschen gegeben, die Ich zu Meinen Dienern erwählthabe. Ich habe sie wie Engel ausgesandt, und sie sollen in diesem Lebenwie irdische Engel sein.

– Ich habe sie euch als Wächter gegeben, damit sie euch schutzen und eu-ren Herzen gute Gedanken eingeben vermittels ihrer heiligen Gebete, ih-rer Lehre und ihres vorbildlichen Lebens. Sie sind da, damit sie euch die-nen, indem sie euch die heiligen Sakramente spenden.

– Wenn du Mich fragen wurdest, … warum Ich nicht will, daß MeinenDienern trotz ihrer Fehler weniger Ehrerbietung entgegengebracht wird,dann wurde Ich dir antworten: Weil jede Ehrerbietung, die man ihnenentgegenbringt, nicht ihnen, sondern Mir entgegengebracht wird, kraftdes Blutes, das zu spenden Ich ihnen anvertraut habe. Es ist dieses Amt,das euch gebietet, zu ihnen zu kommen, wenn ihr die heiligen Sakramen -te der Kirche empfangen wollt.

– Und da durch ihre Fehler das Geheimnis des Sakraments weder ge-schmälert noch geteilt werden kann, darf auch die Ehrerbietung ihnengegenuber nicht verringert werden – nicht ihretwegen, sondern wegendes Schatzes, den das Blut darstellt. Dieser Respekt darf niemals nachlas-sen, selbst wenn diese Diener es an Tugend fehlen lassen sollten. Er ge-bührt allen, den guten ebenso wie den schlechten.

– Ihr wißt wohl: Wenn ein schmutziger oder schlecht angezogenerMensch euch einen großen Schatz uberbrächte, aus dem ihr das Lebenempfangt, dann wurdet ihr aus Liebe zu dem Schatz und zu dem Herrn,der ihn euch schickte, den Überbringer nicht mißachten, selbst wenn erzerlumpt und schmutzig wäre. Er wurde euch zwar mißfallen, doch ausLiebe zu seinem Herrn wurdet ihr euch bemuhen, daß er sich aus demSchmutz erhebt und bessere Kleider anzieht. Dazu seid ihr dem Auftragder Barmher zigkeit nach verpflichtet; und so möchte Ich auch, daß ihreuch gegen uber denjenigen Meiner Diener verhaltet, die unordentlichund schmutzig sind, mit Lastern bekleidet und zerlumpt wegen ihrer feh-lenden Liebe, aber euch dennoch die großen Schätze der Sakramente derheiligen Kirche bringen.

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– Aus diesen Sakramenten – sofern ihr sie wurdig empfangt – bekommtihr das Leben der Gnade, auch wenn die Überbringer in Sunde leben: Ihrempfangt das Leben der Gnade aus Liebe zu Mir, dem ewigen Gott, der sieeuch gab, und aus Liebe zum Leben der Gnade, das ihr aus diesem großenSchatz erhaltet.

– Ihr sollt die Sunden der Diener verabscheuen und hassen, und ihr sollteuch bemuhen, sie mit barmherziger Liebe und frommem Gebet neu zubekleiden, und ihren Schmutz mit euren Tränen abwaschen. Das heißt,ihr sollt sie mit Tränen und großem Verlangen vor Mich bringen, auf daßIch sie in Meiner Gute neu bekleide mit dem Gewand der Liebe.

– Die Fehler derjenigen, die auf sundhafte Weise leben, sollt ihr hassen,aber ihr durft euch deshalb nicht zu ihren Richtern aufwerfen. Das möch-te Ich nicht, weil es Meine Gesalbten sind. Ich habe sie dazu eingesetztund euch gegeben, damit sie, wie schon gesagt, Engel auf Erden undSonnen seien. Wenn sie das nicht sind, dann musst ihr fur sie beten, aberihr durft sie nicht verurteilen. Das Urteil uberlasst Mir. Ich aber werde ih-nen aufgrund eurer Gebete Barmherzigkeit erweisen, wenn sie das wol-len. Und wenn sie ihr Leben nicht bessern, dann wird ihnen ihre Wurdezum Verderben gereichen.

– Von jeder Seele fordere Ich Reinheit und Liebe. Eine Liebe, die Michund den Nächsten liebt und ihm so weit wie möglich hilft, indem sie furihn betet und ihm in barmherziger Nächstenliebe begegnet, wie Ich diran anderer Stelle zu diesem Thema schon gesagt habe. Doch eine weitgrößere Reinheit verlange Ich von Meinen Priestern.

– So wie die Priester wollen, daß der Kelch rein ist, in dem dieses Opfervollzogen wird, so verlange Ich auch eine Reinheit und Lauterkeit ihresHerzens, ihrer Seele und ihrer Gedanken. Und Ich möchte, daß sie sichihren Leib als Werkzeug der Seele vollkommen rein bewahren.

– Ich möchte dich wissen lassen, liebste Tochter, daß Ich von euch undvon ihnen bei diesem Sakrament eine so große Reinheit verlange, wie eseinem Menschen in diesem Leben nur möglich ist: Ihr mußt euch ständigbemuhen, diese Reinheit zu erlangen.

– Willst du zu vollkommener Reinheit gelangen und von jedem Gefuhldes Ärgers befreit werden, sodaß dein Geist an nichts mehr Anstoßnimmt? Dann sorge dafur, daß du immer in liebender Hingabe mit Mirvereint bist, denn Ich bin die höchste und ewige Reinheit. Ich bin dasFeuer, das die Seele reinigt. Je mehr sie sich Mir nähert, desto reiner wirdsie, und je weiter sie sich von mit entfernt, desto unreiner wird sie. Die

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weltlichen Menschen werden deswegen so schlecht, weil sie von Mir ge-trennt sind. Doch die Seele, die sich unmittelbar mit Mir vereint, hat anMeiner Reinheit teil.

– Noch etwas mußt du tun, um zu dieser Einigung und zu dieser Reinheitzu gelangen: Beurteile niemals, wenn du andere etwas tun siehst oder sa-gen hörst – sei es dir oder anderen gegenuber –, den Willen der Men -schen, sondern nur Meinen Willen in ihnen und in dir. Und selbst wenndu eine offensichtliche Sunde oder einen ausdrucklichen Fehler sehensolltest, so pflucke aus diesen Dornen die Rose, das heißt, bringe sie Miraus heiligem Mitgefuhl dar. Wenn man dich persönlich angreift, dann er-kenne, daß Mein Wille das zuläßt, um deine Tugend und die Meiner ande-ren Diener zu prufen, daß der Beleidiger das tut, weil er von Mir alsWerkzeug verwendet wird, wobei es oftmals in guter Absicht geschieht;und daß niemand das verborgene Herz des Menschen beurteilen kann.

– Wenn du daher zu dieser Reinheit gelangen möchtest, um die du Michbittest, mußt du drei wesentliche Dinge tun: Du mußt dich in liebenderHingabe mit Mir vereinen und die Wohltaten, die du von Mir empfangenhast, in deinem Gedächtnis bewahren; mit dem Auge deines Geistes mußtdu die Größe Meiner unermeßlichen Liebe betrachten; und was dieAbsicht der Menschen betrifft, so mußt du eher Meinen Willen erwägenund nicht ihre Bosheit, denn Ich bin ihr Richter, Ich – und nicht ihr. Wenndu das tust, wirst du zur Vollkommenheit gelangen.

– Ich möchte, daß du niemals leichtfertig urteilst, sondern daß es in rech-ter Weise geschieht, und zwar folgendermaßen: Selbst wenn dir die Fehlerdeiner Nächsten nicht nur ein- oder zweimal, sondern öfter zu Bewußtseinkämen, solltest du sie damit nicht persönlich konfrontieren. Vielmehrsollst du die Sunden derer, die zu dir kommen, ganz allgemein tadeln undihnen liebevoll und sanft die Tugenden einpflanzen – wobei die Sanftmutauch mit Strenge zu ergänzen ist, wenn du siehst, daß das erforderlichsein sollte.

– Aber nicht nur, was das Gute betrifft –, auch uber das, was sie ausdruck-lich als Sunde erkennen, richten sie nicht, sondern beten vielmehr mitheiligem und aufrichtigem Mitgefuhl fur die Sunder zu Mir, indem siemit vollkommener Demut sagen: „Heute bist du an der Reihe; und mor-gen ich, wenn mich die göttliche Gnade nicht davor bewahrt”.

– Dein Mund soll also schweigen oder auf heiligmäßige Weise uber dieTugend reden, um die Sunde zu tadeln. Und wenn du bei anderen eineSunde zu erkennen glaubst, dann rechne sie ihnen und zugleich dir selbstan, und sei dabei immer demutig. Und wenn diese Sunde tatsächlich auf

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jene Menschen zutrifft, dann werden sie sich leichter bessern, wenn siesich auf so liebevolle Weise verstanden sehen … Du sollst also wissen, daßdu nicht allem, was du siehst, trauen darfst. Vielmehr sollst du dich davonabkehren und es gar nicht sehen wollen, sondern nur auf dich schauen,dich selbst erkennen und in dir Meine Größe und Gute wahrnehmen.

– Ich habe dir gesagt und Ich sage es noch einmal, daß nichts auf derWelt dich dazu berechtigt, uber die Absichten Meiner Diener zu richten,weder im allgemeinen noch im besonderen, ganz gleich ob sie dir wohl-wollend oder ubelwollend erscheinen. Ihr sollt vielmehr alle Mitleid fur-einander haben und das Richten Mir uberlassen.

– Ich verlange von euch, daß ihr Mich ebenso liebt, wie Ich euch geliebthabe. Das ist fur euch allerdings unmöglich, denn Ich habe euch schongeliebt, noch ehe ihr Mich lieben konntet. Somit ist jede Liebe, die ihr Mirentgegenbringt, geschuldet und nicht umsonst; sie ist eure Pflicht,während Ich euch aus Gnade liebe, und nicht, weil Ich es euch schuldigwäre. Ihr könnt Mir also die Liebe, die Ich von euch fordere, niemalsschenken. Daher habe Ich euch euren Nächsten gegeben, damit ihr anihm das tut, was ihr an Mir nicht tun könnt – nämlich ihn zu lieben, ohnedabei Dankbarkeit oder irgendeinen Vorteil zu erwarten. Und was immerihr dem Nächsten tut, will ich betrachten, als wäre es an Mir getan.

– Je mehr die Seele Mich liebt, umso mehr liebt sie auch ihren Nächsten,denn die Liebe zu ihm geht aus Mir hervor. Dies ist das Mittel, das Icheuch gegeben habe, damit ihr euch in der Tugend ubt und diese unterBeweis stellt, denn da ihr Mir selbst keine guten Werke erweisen könnt,musst ihr sie eurem Nächsten erweisen.

– Die Tugend der Geduld wird erprobt, wenn euer Nächster euchschmäht. Eure Demut erweist sich am Hochmutigen, euer Glaube amUngläu bigen, eure Hoffnung an dem, der nichts hofft. Eure Gerechtigkeiterprobt sich am Ungerechten, euer Mitleid am Grausamen und eure Guteund Freundlichkeit gegenuber dem Zornigen. Eure Nächsten sind sozusa-gen der Kanal, durch den alle eure Tugenden erprobt und lebendig wer-den. So wird eure Gerechtigkeit durch die Ungerechtigkeit anderer nichtvermindert, sondern erprobt. Das heißt, ihr zeigt gerade durch die Tu-gend der Geduld, daß ihr gerecht seid. In gleicher Weise wird eureFreundlichkeit und Sanftmut sichtbar durch suße Geduld in der Zeit desZorns. Und angesichts von Neid, Mißfallen und Haß erweist sich eureNächstenliebe durch das Verlangen nach dem Heil der Seelen. Und wenndu die Tugend des Starkmutes und der Beharrlichkeit betrachtest, so er-weist sie sich darin, daß sie viel erträgt. Sie wird erprobt durch Krän -kungen und Verleumdungen der Menschen, die euch, bald beleidigend,

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bald schmeichelnd, daran hindern wollen, dem Wegund der Lehre der Wahrheit zu folgen … Diese inne-ren Tugenden der Seele, die auf die eben beschriebe-nen Weisen erprobt werden, sind jene heiligen undsußen Werke, die Ich von meinen Dienern verlange.Sie gehen weit uber äußerliche Handlungen oderdie verschiedenen leiblichen Bußubungen hinaus.

– Je größer jetzt die Bedrängnis des mystischenLeibes der heiligen Kirche ist, desto größer wird ihreFreude und ihr Trost sein. Und ihre Freude wirdsein: Eine Erneuerung durch gute, heilige Hirten …

– Du siehst also, liebste Tochter, wie Ich bei jedemvernunftbegabten Geschöpf auf unendlich vielenWegen Meine Vor se hung walten lasse, auf wunder-bare Weisen, die von den Men schen, die in derFinsternis wandeln, nicht erkannt werden, da dieFinsternis das Licht nicht begreifen kann. MeineWege werden nur von denen erkannt, die das Licht[des Glaubens] besitzen.

Die Mystische Hochzeit der hl. Caterina von Siena. Gemälde von Carl Stauder (1736) im nördlichen Kreuzgangarm des Dominikanerinnen-Klosters „Maria Zuflucht“ in Weesen, Kanton St. Gallen

Sämtliche Texte wurden entnommen aus: Caterina von Siena: Der Dialog,Gespräch mit Gott über seineVorsehung, hg. von Werner Schmid,vollständige Übersetzung vonClaudia Reimüller, Kleinhain 2017, 576 Seiten

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enn wir uns heute betend vonSr. Immaculata verabschieden,so tragen wir mit ihr zugleich

ein Stück Mayerling zu Grabe, einen Teil der Ge -schichte dieses Klosters St. Josef. Über 65 Jahrehat Sr. Maria Immaculata hier in diesem Konventgelebt und Gott gedient: 9 Jahre davon als Priorinund in weiteren Abschnitten insgesamt 33 Jahrelang als Subpriorin. Nach einem Schlag anfall vor 10 Jahren war siezunächst an den Rollstuhl gebunden und dannspäter nach einem Sturz ans Krankenbett. Daseine wie das andere hat sie mit Geduld und Dank -barkeit aus Gottes Händen angenommen: „Mirfehlt nichts, ich bin zufrieden, ich kann beten,und das genügt“, waren ihre immer wiederkeh-renden Antworten, wenn man sie gefragt hat, wiees ihr geht. Bis zuletzt war sie geistig wach undnoch in der Lage, fünf Stunden vor ihrem Heim -gang den Leib des Herrn zu empfangen und ih -

ren heiligen Schutzengel um Hilfeanzurufen. Ich möchte bei dieser Ge -legen heit allen Schwes tern danken,die sich um sie gekümmert haben,ganz besonders Sr. Maria Bene dicta,der die unmittelbare Pflege anver-traut war und die sie fast rund um dieUhr mit großer Hingabe betreut hat.Danken möchte ich aber auch denzahlreichen Prie stern, die Sr. Im ma -culata täglich die heilige Kom munionreichten und sie geistlich mitbetreuthaben. Wem von den meisten Men -schen ist so etwas vergönnt, daß sieTag für Tag am Krankenbett die Seg -nungen der Kir che empfangen kön-nen?Sr. Immaculata wurde am 8. August1926 in Schönering, Ober öster reich,als Älteste von vier Kin dern geboren.

Liebe Mitbrüder, liebe ehrwürdige Schwestern, liebe Angehörige der Verstorbenen,liebe Gläubige!

Sr. Maria Immaculata vom göttlichen Wort OCD

W

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Sie hat die Schrecken des Krie ges erlebt und denBrand des Eltern hauses, aber auch das Beispielgläubiger El tern und eines tiefgläubigen Va ters,das sie zutiefst geprägt hat. Nach einer Ausbil -dung in der Stiftsgärt ne rei in Wilhering war siezunächst als Gärt nerin im Lin zer Prie sterseminarangestellt. Vielleicht war es hier, daß Gott sie deutlich er-kennbar in seine Nachfolge berief, daß in ihr ver-mehrt der Wunsch heranreifte, nicht nur für dasWachstum der Pflanzen zu sorgen, sondern vorallem für das Gedeihen geistlicher Berufe, unddaß sich dafür besonders der Karmel als die ent-sprechende Ordensge mein schaft angeboten hat.

Denn nach den Worten der hl. Teresavon Avila sollte gerade das Gebet fürdie Kirche und die Priester eine derwesentlichen Aufgaben der von ihrerneuerten Gemein schaft sein.Der Entschluß, Karmelitin zu wer-den, wurde von Sr. Immaculata ver-wirklicht im Heiligen Jahr 1950, demJahr der Verkündigung des Dogmasvon der leiblichen Aufnah me Mari -ens in den Himmel. Am Fest Kreuz -erhöhung trat sie in den Linzer Kar -mel ein. Nach ihrer Erstprofeß am 19.März (ein Datum, das ihr durch ihreVer ehrung des heiligen Josef beson-ders teuer war) kam bald darauf derWechsel nach Mayerling, und hierwar es dann, ebenfalls am Hochfestdes heiligen Josef, daß sie 1955 ihreEwige Profeß ablegen konnte.

Requiem für Sr. Maria Immaculata OCD vom göttlichen Wort, aus dem Karmel St. Josef in Mayerling, am Mittwoch, den 17. April 2019

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Mutter Immaculata war stets bedacht aufeine würdige Feier der Liturgie. Sie liebtedas Stundengebet und den Choral. Ich sehesie heute noch, wenn sie an Festtagen hieroben hinter dem Fenster über dem Altarmit ih ren Mitschwestern gesungen hat,feier lich und schön. Dabei war sie sich ihrereigenen Armut und Unzu läng lich keit stetstief bewußt.Christus hat uns heute im Evange lium daswunderbare Wort gesagt: „Lernt von mir,ich bin demütig und sanftmütig von Her -zen“, und: „Mein Joch ist sanft, und meineBürde ist leicht.“ Hier ist das wirkliche Zieldes Lebens benannt. Die Verbundenheit mitdem Herrn durch ein Joch, und zwar durchein Joch, das zu spü ren ist: das Joch derGemein schaft, das Joch der eigenen Gren -

zen, das Joch der nachlassenden Kräfte undder Müdig keit und vieles mehr – wer vonuns kennt das nicht! Es gab in ihrem Or -densleben dunkle Tage, in denen sie sichweit weg gewünscht hätte. Aber dies warennur Momente, kurze Au gen blicke, weil siedoch wußte, daß es sein Joch ist, die großeGnade, daß wir uns mit Ihm verschenkendürfen an den Vater und an die Menschen.Und so war es stets die Dank barkeit, die sieerfüllt hat für die Gabe der Ordens be ru -fung und besonders dafür, daß sie hier seindurfte, hier im Karmel von Mayerling.Karmel heißt Fruchtgarten. Und wer in denKarmel eintritt, weiß – oder sollte sich des-sen bewußt sein –, daß gerade diese äußer -lich verborgene und zutiefst marianischeLebens form für die Kirche unentbehrlich

„Kommt alle zu mir … Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhefinden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.“ Mt 11, 28–30

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ist. Mag heute auch die Welt ein Le -ben für Gott als Verschwendung be-trachten: Wenn jemand bereit ist, dasErdreich seines Herzens aufzubrechenund Furchen zu ziehen oder ziehen zulassen, damit Gottes Saat sich festwur-zeln kann, so entsteht daraus Segenund Frucht, und zwar für viele. Wo und wie so etwas geschieht undwann, dies zu erkennen bleibt uns hier

Der Zug zur Gruft imKlostergarten des Karmel,begleitete von zahlreichenPriestern undMitschwestern und vonden Gebeten undSegnungen der Heiligen Kirche.

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auf Erden meist verborgen. Eine Frucht aber istaus der Saat unserer lieben Verstorbenen bereitssichtbar und auch wirksam geworden – nämlichdie zahlreichen Priesterberufe, die seither entstan-den sind und für deren Ent faltung und Wachs tumSr. Immaculata auf ihre Weise beigetragen hat.Heuer sind es genau 30 Jahre, daß dies begann. Für Mayerling und für das Kloster war das Jahr1989 (es war zugleich die 100-Jahr-Feier der Tra -gödie) eine Zäsur, ein prägender Einschnitt. Alsnämlich der Erzbischof von Wien es damals er-möglichte, daß Studenten hier in Mayerling woh-nen und in Heili gen kreuz studieren konnten, under in diesem Zusammenhang auch den bisherigenHaus geistlichen, Herrn Pfarrer Ubel, abziehen

und durch mich zu ersetzen beabsich-tigte, war Sr. Immaculata sofort bereitdazu. Sie hat die liturgischen Zeitendes Konvents den Erfor dernissen derStudenten angepaßt, sie hat einenneuen Zugang zur Kirche über dasKloster grund stück ermöglicht, undsie hat auch den Gästetrakt geöffnetund ausgebaut. Wenn es um die För -derung der Prie sterstudenten ging,war sie groß zügig und zu jeder Kon -zession bereit. Ich höre noch, wie sieeinmal bei einer notwendigen Ver än - de rung in ih rem unverkennbarenober österreichischen Dia lekt sagte:

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„Do frogn ma net lang, des moch maafoch.“ Ohne Sr. Immaculata wäre vermutlichdie Entwicklung des Konvents undauch die Bio graphie so mancher Stu -den ten – und wohl auch meine – an-ders verlaufen. Ihr ist es letztlich auchzu verdanken, daß 1989, nach über 20Jah ren, erstmals wieder eine Kandida -tin hier im Konvent bleibend Fuß fas-sen konnte, daß die Verbindung mitHei ligenkreuz wieder enger wurde

und daß von hier ausgehend und inspiriert auchdie Entstehung der Ge mein schaft vom heiligenJosef in Klein hain möglich geworden ist.Das alles sind sichtbare Zeichen einer äußerenFruchtbarkeit, die Gottes Gna de durch uns Men -schen wirkt. Die innere Fruchtbarkeit eines Or -dens le bens aber, die für die Kirche, für die Weltund für uns selbst im „Garten unserer Seele“ reift,kennt nur der Herr. Aber sie war da. Sr. Imma -culata hat gerade in den Jahren im Roll stuhl undauch dann, als sie ans Bett gefesselt war, sehr vielgebetet, und zwar den Rosenkranz. Dieses Gebetwar ihr Lieblings gebet.Wir sind unmittelbar vor dem Grün donnerstag.Am Sonntag haben wir den Einzug des Herrn inJerusalem gefeiert. An diesem Beginn der Kar -woche hat der Heiland Sr. Imma cu lata heimge-holt. Oder sagen wir besser: Er hat sie mitgenom-men in seine Passion. Er hat sie mitgenommen,um mit seinem Leiden, seiner Angst und seinemSterben ihre Seele zu reinigen, zu läutern und zuheiligen mit seinem Kostbaren Blut. Er hat siemitgenommen in die letztmögliche NachfolgeChri sti, die es für uns Menschen gibt: in den Todund in sein Grab – um sie so (und wir erhoffendies letzten Endes einmal für uns alle) auch mit-zunehmen in den Oster mor gen des ewigen Le -bens. Amen.

P. Werner Schmid

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Damit ist die „Caterina von Siena – Gesamtausgabe“ (siehe Bild oben) abgeschlossen undim Verlag St. Josef als Ganzes oder in je einzelnen Teilbänden erhältlich.Die Gesamtausgabe besteht aus denWerken Caterinas: Briefe (6 Bände),Dialog, Gebete, und aus den vier histo-risch-biographischen Quellen:Legenda Maior, Supplementum,Prozeß von Castello, Legenda Minor.

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