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Maren Lemberger und Wallach Dancing Dream zeigen Sitzfehler fürs Titelthema – fast so schwierig wie eine Dressurprüfung Klasse M, in der sie sonst starten. S itzfehler kleben am Reiter wie Zucker- watte an den Fingern. Der Unterschied: Den Zucker kann man selber abschle- cken, die Sitzfehler wird man ohne Hilfe nicht wieder los. Was Reiter jahrelang falsch machen, fühlt sich irgendwann richtig an. Die wenigsten merken, dass sie schief sitzen. Sie spüren nur, dass ihr Pferd nicht läuſt. Aber nicht allein die Körperhaltung, sondern auch die innere Haltung – Gefühle, Charakter und Typ – schlägt sich auf den Sitz und das Pferd nieder. Ein Pferd spürt und spiegelt sofort, wenn sein Reiter traurig, wü- tend oder gut gelaunt ist. Und ein geschulter Trainer sieht dem Reiter seine Stimmung unmittelbar am Sitz an: „Wie sehr Körper- haltung und Psyche zusammenhängen, Ob mutig, ängstlich oder dominant: Ein Reiter sitzt, wie er ist. Gut, dass es für jede Marotte von Hohlkreuz bis Liegesitz Lösungen gibt. Welche passt Ihnen? TEXT Kristina Glaser FOTO Lisa Rädlein Das verrät der Sitz Titel 20 Dezember . 2009 | www.cavallo.de www.cavallo.de | Dezember . 2009 21 www.cavallo.de

Das verrät der Sitzverraet... · Reiter in einem Film spielen müsste.“ Antje Heimsoeths Schüler müssen haargenau den Ist-Zustand und den Idealfall beschreiben. „Dann geht

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Page 1: Das verrät der Sitzverraet... · Reiter in einem Film spielen müsste.“ Antje Heimsoeths Schüler müssen haargenau den Ist-Zustand und den Idealfall beschreiben. „Dann geht

Maren Lemberger und Wallach Dancing Dream zeigen Sitzfehler fürs Titelthema – fast so schwierig wie eine Dressurprüfung Klasse M, in der sie sonst starten.

Sitzfehler kleben am Reiter wie Zucker-watte an den Fingern. Der Unterschied: Den Zucker kann man selber abschle-

cken, die Sitzfehler wird man ohne Hilfe nicht wieder los. Was Reiter jahrelang falsch machen, fühlt sich irgendwann richtig an. Die wenigsten merken, dass sie schief sitzen. Sie spüren nur, dass ihr Pferd nicht läuft.

Aber nicht allein die Körperhaltung, sondern auch die innere Haltung – Gefühle, Charakter und Typ – schlägt sich auf den Sitz und das Pferd nieder. Ein Pferd spürt und spiegelt sofort, wenn sein Reiter traurig, wü-tend oder gut gelaunt ist. Und ein geschulter Trainer sieht dem Reiter seine Stimmung unmittelbar am Sitz an: „Wie sehr Körper-haltung und Psyche zusammenhängen,

Ob mutig, ängstlich oder dominant: Ein Reiter sitzt, wie er ist. Gut, dass es für jede Marotte von Hohlkreuz bis Liegesitz Lösungen gibt. Welche passt Ihnen?

TEXT Kristina Glaser

FOTO Lisa Rädlein

Das verrät der Sitz

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20 Dezember . 2009 | www.cavallo.de www.cavallo.de | Dezember . 2009 21

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Page 2: Das verrät der Sitzverraet... · Reiter in einem Film spielen müsste.“ Antje Heimsoeths Schüler müssen haargenau den Ist-Zustand und den Idealfall beschreiben. „Dann geht

Der Entenpo ist für Hohlkreuz-Reiter typisch. Dabei ist die Wirbelsäule im Lenden-bereich schon bis ins Extrem gebogen. Ein federnder Sitz wird so unmöglich.

sieht man beim Gehen. Hängende Schultern und ein gesenkter Kopf stehen für Unsicher-heit und wenig Selbstbewusstsein“, sagt Juli-ane Deppisch. Die Diplom-Motologin und Feldenkrais-Pädagogin leitet im bayerischen Günzach mit ihrer Tochter das Fortbildungs-zentrum „Bewegende Pferde“ für Reitthera-peuten mit Schwerpunkt Hippopädagogik.

Auf dem Pferd, so die Trainerin, wird jeder Reiter wie bei einem Screening durch-leuchtet. „Fehlhaltungen, die im Alltag kaum auffallen, verstärken sich beim Reiten“, sagt Juliane Deppisch. „Vor allem Ängste und Unsicherheiten spielen bei Sitzfehlern eine Rolle. Hinzu kommen Probleme, sich der Pferdebewegung anzupassen. Damit sind viele Reiter einfach überfordert.“

Reiter müssen deshalb erst ein Bewusstsein für ihren Körper entwickeln. Nur so spüren sie ihre Sitzfehler und Gefühle. Dann müs-sen sie verstehen, welchen Einfluss das aufs Reiten hat. Die beste Sitzkorrektur bringt nichts, wenn der Reiter seine Fehler zwar spürt, aber nicht weiß, wie es sich richtig anfühlt. Funken ihm dann noch Emotionen dazwischen, wird die Sitzkorrektur zur un-endlichen Geschichte. Dass Stimmung und Körperhaltung eng gekoppelt sind, ist bekannt: „Wer gerade geht und nach vorn schaut, ist wacher und präsenter. Das merkt auch das Pferd“, sagt Juliane Deppisch.

Doch nicht genug, dass Typ und Stim-mung dem Reiter Streiche spielen: Hinzu kommt, dass Reiten ein sehr komplexer Sport ist. Der ständige Wechsel der Bewe-gung verlangt Koordination und Gleich-gewichtssinn. Dafür braucht man ein gutes Körperbewusstsein, und das haben laut Antje Heimsoeth, Leiterin der SportNLP-Academy (NLP: neuro-linguistisches Pro-grammieren) im bayerischen Rosenheim, nur wenige. „Viele Reiter reduzieren ihren Sport auf die Reittechnik und spüren nicht, was sie falsch machen“, beobachtet sie. „Die wenigsten reflektieren sich mal selbst. Zum Körpergefühl gehört immer Emotion.“

Reiter lösen laut Heimsoeth auch Konflik-te eher auf der Inhaltsebene, weil das nicht so weh tut. „Und die wenigsten Reitlehrer fragen nach dem Gefühl“, ist ihre frustrie-rende Erfahrung mit Reitschulen.

Umso wichtiger, dass der Reiter sich zur Selbsterkenntnis aufrafft. Zwar kann man nicht jedem Sitzfehler ein bestimmtes Ge-müt zuordnen. Aber eine Ahnung, wie es drinnen im Reiter aussieht, erlaubt der Sitz allemal, zumal es dabei typische Tendenzen gibt. Häufig ist bei Reitern zum Beispiel der Hohlkreuz-Sitz. Der Blick in den Reithallen-spiegel zeigt: Das Gesäß ist weit nach hinten geschoben und erinnert an einen Enten-steiß. Das wirkt irgendwie gekünstelt.

Christine Huß-Doliana beobachtet unter solchen Hohlkreuzlern Kandidaten, die be-sonders fein und vorsichtig sein möchten. Sie ist systemische Körpertherapeutin, bietet im toskanischen Scansano und in Deutsch-land zusammen mit einem Klassik-Ausbilder Körpertherapie mit Pferden an (www.chris-tine-huss-doliana.com) und urteilt: „Reiter mit Hohlkreuz möchten das Pferd nicht stören und einfühlsam sein. Sie können sich schwer durchsetzen, im Sattel und auf den Sitzknochen ist kaum Gewicht.“ Die Kon trolle fehlt, weil sie das Kreuz nicht an-spannen können: Ihr Becken ist fixiert, sie

klemmen mit den Oberschenkeln. Rei-tern mit Hohlkreuz fällt es laut Christine Huß-Doliana daher schwer, die Schritte und Tritte des Pferds mitzumachen. Das führt beim Pferd un-weigerlich zu Verspannungen. Auch Juliane Deppisch sieht bei Hohlkreuz-Reitern den Knackpunkt im festen Becken. „Tief im Sat-tel zu sitzen, tut den Reitern weh. Der obere Rücken ist sehr weit hinten, die Leisten-freiheit fehlt, und der Kopf des Reiters kippt vor“, beschreibt sie. „Er kann nicht mit dem Pferd schwingen, weil jeder Wirbelbereich schon bis ins Extrem gebogen ist.“ Gut vorstellbar, wie sich das auf Sitz und Hilfen auswirkt: Alles wird steif und starr.

Das bestätigt auch Trainerin Elaine Butler aus dem britischen Oxfordshire. „Das Zwerchfell kann in dieser Position nicht arbeiten“, erklärt sie. „Die Reiter sind nicht nur schnell außer Atem, sondern auch

schnell durcheinander. Sie können sich Anweisungen oder eigene Überlegungen nur schlecht merken. Die Pferde unter solchen Reitern sind meist ganz kirre.“

Butler ([email protected]) gibt auch im deutschsprachigen Raum Kur-se, bei denen sie Sitzprobleme mit einer ganz besonderen Methode löst, die von der Britin Mary Wanless entwickelt wurde: „Ride with your mind“, eine Mischung aus Biodynamik, Körperarbeit und Psychologie. „Meist wol-len Hohlkreuz-Reiter sagen: ‚Schaut her, ich kann was‘. Vor allem bei Frauen, die impo-sant wirken wollen, fällt mir das auf. Sie betonen sehr stark Po und Brust“, sagt Elaine Butler. Solche Typen werden in der

„Die Reiter sollten bei der Fehlersuche aktiv mitarbeiten“

Marlies Fischer-Zillinger, Krankengymnastin aus München.

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Wer nach vorn schaut, ist fürs Pferd präsenter

22 Dezember . 2009 | www.cavallo.de

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Reitbahn oft mit bösen Blicken verfolgt, weil sie durch ihren Sitz – gewollt oder nicht – auch eine gewisse Hochnäsigkeit aus-drücken. Doch was imposant wirken soll, ist letztlich nur verspannt.

Weil Psyche und Sitz so eng gekoppelt sind, reicht es nicht, die Sitzfehler nur körperlich zu korrigieren. Der Ansatz muss tiefer gehen: „In unseren Kursen versuche ich, die Reiter bei der Fehlersuche mitarbei-ten zu lassen. So begreifen sie ihre Probleme viel besser“, sagt Marlies Fischer-Zillinger,

Krankengymnastin und Therapeutin für Körperpsychotherapie aus der Nähe von München. Zusammen mit Reitlehrerin Clau-dia Weissauer aus Glonn/Bayern entwickelte sie eine Bewegungsschule. Um Sitzfehler deutlich zu machen, filmen die beiden ihre Schüler auf Video und korrigieren dann den Sitz (siehe CAVALLO 2/2007). Im Umgang mit Reitschülern nutzt Marlies Fischer-Zil-linger auch ihr Wissen aus der Psychologie: „Bei dominanten Reitern darf ich zum Bei-spiel keine Bewertung einbringen, sondern

ich stelle provokative Fragen.“ Gerade in diesen Fällen sind Video-Beweise hilf-reich. „Das ist zwar sehr aufwändig, da ich die Reiter oft eine Stunde lang im Detail filme. Aber so kapiert

jeder, ohne dass er sich angegriffen fühlt, wann und wo zum Beispiel sein Hüftgelenk fest ist.“ Zur Korrektur stoppt sie das Video oder lässt es in Zeitlupe laufen. Der Reiter sieht so auf einen Blick, wie das Pferd auf seinen Sitz reagiert. Das prägt sich ins Ge-dächtnis ein.

Auf dem Pferd lässt sie danach die Reiter ihre Fehler durch Verstärkung spüren. „Schief sitzen ist für den Reiter normal. Ihm einfach nur zu sagen, dass er schief sitzt, bringt ihn nicht weiter. Ich muss es ihn bewusst falsch machen lassen“, so Fischer-Zillinger. Sitzkorrekturen sind aber auch ohne Video aufwändig, da nicht jeder Reiter sich am Ideal „Schulter-Hüfte-Absatz“ ori-entieren kann. „Die Bewegungen sind indi-viduell“, sagt Diplom-Motologin Juliane Deppisch. Und natürlich hängen die Bewe-gungen auch von der Körper-Konstitution ab, die bei jedem Reiter anders ist.

So geht‘s richtig: Sitzt der Reiter locker und balanciert in seinem persönlichen Idealsitz, lässt auch das Pferd los.

„Die wenigsten Reiter spüren wirklich, dass sie falsch sitzen“Antje Heimsoeth, Leiterin derNLPAcademy in Rosenheim/Bayern.

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ALLO

24 Dezember . 2009 | www.cavallo.de

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Ein Hohlkreuz durch starke Krümmung der Lendenwirbelsäule etwa wird der Reiter niemals los. „Wir müssen es ins Reiten integrieren“, so Deppisch. „Das Bewegungs-gefühl des Reiters muss sich verbessern, die innere Wahrnehmung sich verfeinern.“

Sie stellt dem Reiter dazu auf dem Pferd eine Menge Fragen – eine hoch konzentrier-te Arbeit für beide: „Was machst du mit deiner rechten Wade? Wo befindet sich deine linke Hand? Wie sitzt du und wo?“ Durch diesen persönlichen Fragenkatalog wird sich der Reiter seiner Fehlhaltung bewusst und findet Ansätze zur Verbesserung. „Diese Differenzierungs-, aber auch Dehnungs-übungen helfen dem Reiter, sein inneres Auge zu schulen. Das muss nicht immer auf dem Pferd stattfinden, man kann die Übun-gen auch mal in der Warteschlange im Supermarkt oder zwischendurch auf dem Bürostuhl machen“, sagt Juliane Deppisch.

Klappt die Sitzkorrektur, möbelt das so-fort die Stimmung auf: Die meisten Reiter fühlen sich danach besser. „Sie sind selbst-sicherer, stolzer, zufriedener. Sie zeigen Präsenz, und das Pferd weiß, dass es aufpas-sen muss“, sagt Juliane Deppisch. „Ob sich ein Pferd auf mich konzentriert, erkenne ich sehr gut am Ohrenspiel.“

Wer in die alte Fehlhaltung fällt, der wird vom Pferd sofort wieder ignoriert – die Oh-ren wandern vor, alles andere ist spannender als der Schiefling im Sattel. Spätestens wenn die Ohren anzeigen, dass das Pferd unauf-merksam ist, sollte der Reiter daher seinen Sitz korrigieren.

Wichtig ist, dass er erkennt, welche Fehler er macht. „In Ruhe in sich hineinspüren und

dann übertreiben“, rät Christine Huß-Doli-ana. Zum Beispiel: „Sich noch weiter nach vorne oder hinten lehnen, sodass der Reiter fast das Gleichgewicht verliert. Gut ist auch, wenn der Reitlehrer es vormacht und selbst spürt, wie sich sein Schüler fühlt.“

NLP-Trainerin Antje Heimsoeth lässt Rei-ter mit Sitzfehlern erst einmal bis ins Detail eine Art Drehbuch schreiben: „Sie sollen mir erklären, wie ich sein sollte, wenn ich diesen Reiter in einem Film spielen müsste.“ Antje Heimsoeths Schüler müssen haargenau den Ist-Zustand und den Idealfall beschreiben. „Dann geht es darum, die Unterschiede fest-zustellen und Strategien für die Bewegungs-änderung zu finden.“

Mit zwei hingekritzelten Sätzen ist es nicht getan: Der Reiter muss genau beschreiben, was er fühlt, was er sieht, welche Geräusche er hört, was er schmeckt und riecht. Durch dieses sorgfältige Notieren auf Karten

Typ 1: Der Zaghafteentschuldigt sich für alles beim Pferd. Er will auf keinen Fall das Tier stören, ihm in den Rücken plumpsen oder am Maul ziehen. Dieser Reiter hat ein hohes Maß an Einfühlungsbereitschaft mit der Tendenz, sich selbst nichts zuzutrauen. Seine Arme zeigen nach vorne, um fein im Maul zu sein. Dadurch fallen die Schultern vor und der Brustkorb ein. Der Rumpf ist instabil. Der Sitz ist eher in Vorlage, da der Reiter nach vorn nachgeben will. Er meidet die gefürch­tete Rücklage und findet nicht die Senkrechte. Die Beine sind einfühlsam am Pferd, aber undeutlich in den Hilfen. Der zaghafte Reiter verwechselt etwas: Er glaubt, Führen und Lenken seien gleichzusetzen mit Starre und Schmer­zen fürs Pferd. Mit sensiblen Pferden kommen solche Reiter recht gut zurecht, die fehlende Führung merkt man aber an der Instabilität des Pferds.

Typ 3: Der Dominantesucht die Schuld grundsätzlich beim Pferd. Seine Hilfen gibt er fast nur mit Hand und kräftigem Schenkel. In der Brustwirbelsäule ist er oft übertrieben aufgerichtet, wenn die Hand rückwärts wirkt. Der Reiter zwickt sich mit zu viel Kraft aus dem Sattel, im Becken fehlt ihm die Feinmotorik. Kraft hat ein­deutig Vorrang vor feinen Bewegungs­mustern. Darüber hinaus zeigt er eine Tendenz zu Massenbewegungen: Fußgelenk, Knie, Hüftgelenk, Wirbel­säule, Schultern, Arme kann er nicht getrennt voneinander bewegen. Der Reiter lässt sich kaum mitnehmen, er fühlt sich nicht in die Bewegungen des Pferds hinein, sondern ist vorrangig der aktive Part. Er schiebt und drückt im Becken, statt mitzuschwingen. Zwischen Pferd und Reiter herrscht nur wenig Bewegungsdialog, entsprechend fest sind die Pferde.

Typ 2: Der Ängstlichedenkt ständig, dass gleich etwas Schlimmes geschieht, klemmt mit den Beinen und verliert oft die Steigbügel. Es beutelt ihn im Sattel, die Gelenke sind nicht durchlässig und locker. Seine starren Arme arbeiten tendenziell rückwärts. Zügeleinwirkung sowie Bewegungsmuster sind schnell, fast schon hektisch. Er sitzt nicht tief im Sattel, Becken und Wirbelsäule schwin­gen nicht mit. Im Leichttraben steht er oft zu weit auf. Die Beine zieht er häufig hoch, den Bauch ein. Der Blick ist starr auf die Pferdeohren gerichtet, das schränkt die Bewegungsfreiheit seines Kopfs ein. Der Schultergürtel ist fest, und er hat Gleichgewichtsprobleme, sobald er die hohe Körperspannung verringern will. Ein ruhiges, aus ­geglichenes Pferd kommt damit zurecht, unsichere oder unerfahrene Tiere werden hektisch und schreckhaft.

Typ 4: Der Überehrgeizigeist auf ein Ziel fixiert und vergisst, dass der Weg das Ziel ist. Er kennt die Bewegungsabläufe in seinem Körper kaum und ist nach außen orientiert. Seine Aufmerksamkeit ist schon beim nächsten Reitziel. Er reitet eher mit zu viel Kraft und sitzt oft schief, da er die Hilfen meist erzwingt. Der Reiter übt nicht die Feinheiten in den Grundgang­arten, sondern reitet höhere Lektionen. Schulterherein wird dann mit zu viel Hand geritten, statt die Sitz­Feinheiten erst in Wendungen zu perfektionieren. Eine Feinabstimmung im Bereich von Becken/Bein und Wirbelsäule fehlt. An den Bewegungsblockaden kann man selten unter erhöhten Anforderungen arbeiten, sondern muss eine Stufe auf der Lerntreppe nach unten. Überehrgei­zige Reiter überspringen diese Übungs­schritte gern. Sensible Pferde werden schnell den Dienst quittieren.

Bewegungslehrerin Marlies Fischer-Zillinger kennt Reiter-Typen und ihre Sitz-Marotten. Entdecken Sie sich hier?

Wie fühlen Sie?

Der Pferdehals dient als Stütze, der Blick klebt am Boden: Reiter, die nach vorne fallen, sind unsicher. Sie haben Angst, etwas falsch zu machen, klemmen mit Oberschenkeln und Knien. Sich mehr nach hinten zu lehnen, bedeutet für sie, Sicherheit aufzugeben.

Wer schief sitzt, sieht das sofort an den Pferdeohren

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Page 5: Das verrät der Sitzverraet... · Reiter in einem Film spielen müsste.“ Antje Heimsoeths Schüler müssen haargenau den Ist-Zustand und den Idealfall beschreiben. „Dann geht

werden sich viele Reiter ihrer Fehler be-wusst. Wer das Problem hat, dass er seine Hände beim Reiten ungleich trägt, schreibt auf, wohin Handgelenk und Fingernägel zeigen oder was der Daumen macht. „Dann muss er weiterdenken und die Konsequen-zen schildern: ‚Was passiert, wenn ich die Fäuste verdrehe?‘“, sagt die NLP-Trainerin. Nur so wird er sich seiner Bewegungen be-wusst – egal ob sie falsch oder richtig sind.

„Die meisten Reiter sind Kinästheten, Fühlmenschen“, sagt Heimsoeth. Das bedeu-tet, sie müssen Dinge spüren und sich bewe-gen, um sie zu begreifen. Dann lernen sie leichter. Deshalb schickt Antje Heimsoeth ihre Reiter im Gehen über die selbst ge-schriebenen Karten. „So entdecken sie Feh-ler und tauschen die richtige Karte gegen die falsche.“ Durch das bewusste Handeln ist

der Fehler leicht zu merken und zu ändern, was in eine ähnliche Richtung zielt wie die Video-Analyse von Reitern: Visualisierung verdeutlicht Fehler.

Das gilt für alle Sitz-Marotten. Neben dem leidigen Hohlkreuz werden Reiter auch gerne von einem Buckel geplagt, der ihnen hartnäckig am Rücken klebt. Der Blick in den Hallenspiegel entlarvt: Es handelt sich um einen typischen Rundrücken-Reiter, der die Schultern nach vorne hängen lässt. Auch dieser Sitz-Typ muss seine Fehlhaltung erst einmal als falsch spüren. Häufiger Grund für den Buckel: „Solche Reiter gehen automa-tisch in Schutzposition“, sagt Christine Huß-Doliana. „In dieser Haltung sind Gefühle, Stress und Frust gebunden.“

Und Wanless-Trainerin Elaine Butler fällt auf: „Warum jemand mit rundem Rücken

oder mit hängenden Schultern reitet, hängt vom Geschlecht ab. Viele Frauen schämen sich wegen ihrer Brüs-te und versuchen, sie zu verstecken. Große Männer wollen klei-ner sein und nicht so

auffallen. Außerdem haben Reiter mit run-den Schultern wenig Vertrauen zum eigenen Körper.“ Brust raus, Bauch rein wäre also für diesen Sitz-Typ das völlig falsche Komman-do, weil es noch mehr verunsichert.

Zwischen Männern und Frauen gibt es noch einen Unterschied: Männer machen beim Reiten meist einen Buckel, Frauen ein Hohlkreuz. „Unterrichten männliche Trai-ner, die im Dressurreiten Erfolge mit heraus-gestreckter Brust hatten, plötzlich Frauen, verstärken sie deren Hohlkreuzproblem. Die Frauen können gar nicht mehr sitzen, federn ist nicht mehr möglich“, sagt die britische Trainerin, der sogar Unterschiede zwischen Reitern aus bestimmten Ländern auffallen: „In den Staaten lehnen sich die Reiter eher zurück, in dressurgeprägten Ländern sitzen sie oft im Hohlkreuz.“

Christine Huß-Doliana vergleicht schiefe Reiter mit einem schiefen Baum; Körper, Geist und Seele bilden für sie eine Einheit. „Der Baum ist schief aufgrund des Klimas, in dem er aufgewachsen ist. Das wirkt sich auf seine Charakterstruktur aus“, erklärt sie. Von Rundrücken-Reitern erhält Christine Huß-Doliana auf die Frage, warum sie rei-ten, oft die Antwort: Weil ich mich tragen lassen will. „Für sie bedeutet das Geborgen-heit, die sich im Sitz so äußert: Sie knicken in der Brustregion ein, ziehen die Schultern vor und fallen in sich zusammen.“

Bei ihrer Arbeit als Körpertherapeutin stellte sie fest: Menschen mit gebeugtem Rü-cken sind oft langgliedrig und haben wenig Muskeln, oder sie sind massig und schwer. Sie besitzen keine Körperspannung, fühlen sich damit aber wohl. „Die Hände dieser Reiter sind gefühllos, sie haben wenig Gespür fürs Pferdemaul, und die Bewegung hin zum Maul ist unterbrochen. Feine Reak-tionen sind nicht möglich“, beschreibt Chris-tine Huß-Doliana. „Solche Reiter führen das Pferd nicht, sie sind unsicher. Ihnen fehlt die Energie im Becken, die dem Pferd eigentlich zeigt, dass es vorwärts und in eine bestimm-te Richtung gehen soll.“

Wie weit sich Fehlhaltungen auswirken, verblüfft Elaine Butler immer wieder, wenn sie mit Kursteilnehmern spricht: So sitzen etwa Reiter mit Rundrücken nicht nur in

NLP-Trainerin Antje Heimsoeth hilft Reitern mit Mentaltraining. Hier sagt sie, wie Sie von Ihrer Vorstellungskraft profitieren können.

Der Mensch denkt in Bildern. Das hilft zum Beispiel, wenn man im Trab besser aussitzen möchte. Nicht jedem gelingt das auf Anhieb. Probieren Sie es doch mal so:1. Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie die

gewünschte Bewegung optimal ausgeführt haben.2. Schließen Sie die Augen und lassen Sie einen exakten

inneren Film von dieser Bewegung ablaufen. Sehen Sie sich dabei zuerst von außen zu (Außenperspektive). Wechseln Sie dann den Blickwinkel, indem Sie durch Ihre eigenen Augen sehen, wie Sie die Bewegung ausführen (Innenperspektive).

3. Benennen Sie mit eigenen Worten die markanten Punkte der Bewegung, sogenannte Knotenpunkte.

4. Visualisieren Sie die Bewegung erneut und benennen Sie während des vorgestellten Ablaufs die Knotenpunkte.

5. Assoziieren Sie spontan eine Metapher (Symbol, Tier, Gegenstand, Bild) mit der Bewegung.

6. Welche Farbe und Größe hat das Symbol? Sind bestimmte Geräusche, Stimmen damit verbunden? Welches Gefühl verbinden Sie damit? Wo in Ihrem Körper spüren Sie es am deutlichsten? Gehen Sie diesem Gefühl nach. Fühlen Sie Wärme oder Kühle? Spüren Sie Bewegung, wie ein Fließen oder Pulsieren? Oder fühlen Sie es anders? Experimentieren Sie mit den Antworten, bis Sie für sich die optimale haben.

7. Nutzen Sie im Training die gefundene Metapher: zuerst intensiv vorstellen und dann real die Bewegung ausführen.

„Reiten Sie in Gedanken“

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Positive Gedankenübertragung: Stellen Sie sich vor, Sie traben mit Ihrem Pferd locker und entspannt über eine grüne Wiese.

Auf Sendung: Wenn der Reiter korrekt sitzt und damit fürs Pferd präsent ist, richten sich die Ohren wach nach hinten. Sitzt er falsch, ist die Aufmerksamkeit weg.

„Wer gerade geht und nach vorne schaut, ist wacher und präsenter“Juliane Deppisch, Westerntrainerin und Diplom-Motologin aus Günzach/Bayern.

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Dressurreiter sind fürs Hohlkreuz anfälliger

28 Dezember . 2009 | www.cavallo.de

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www.cavallo.de | Dezember . 2009 29

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der Fötusstellung auf dem Pferd, sie schlafen auch so. Kein Wunder, dass sie diese Haltung im Sattel nicht loswerden. „Das sind eher ängstliche Reiter mit wenig Selbstvertrauen. Sie neigen zum Buckeln, wenn sie sich etwas nicht zutrauen.“ So schützen sie unbewusst ihre Organe.

Vor allem Männer mit Buckel fallen Elaine Butler auf. Sie spekuliert: „Die wollen ihre Weichteile schützen.“ Zweite Variante des Buckelsitzes: schlaffe Reiter, deren Pferde auch schlaff sind. „Das ist kein emotionales Problem, sondern ein muskuläres“, sagt But-ler. Der Muskeltonus ist nicht groß genug, die Wirbelsäule macht lediglich eine C-Kur-ve statt einer doppelten S-Kurve.

Nicht die Wirbelsäule, sondern letztlich wieder die verletzte Psyche ist ein dritter Grund für den Rundrücken vieler Reiter. „Sie haben als Kind oft herbe Enttäuschun-gen erlebt oder sind gehänselt worden“, beschreibt Elaine Butler. „Viele haben das nicht überwunden und sitzen nach dem Motto auf dem Pferd: ‚Ich mach mich klein.‘ Wie ein Kind, das sich schämt.“ Legt man nun bei diesen Reitern die Hand auf den

Solarplexus, so spürt man dort nur ein Loch statt eines normal gewölbten Muskels.

Ähnlich ängstlich wie Reiter in Fötus-stellung sind jene, die nach vorne fallen und in Hab-Acht-Stellung auf dem Pferd sitzen – jederzeit bereit, ihm die Arme um den Hals zu schlingen. Das sieht man auch im Spiegel.

„Diese Reiter weichen der Bewegung aus“, sagt Juliane Deppisch. „Sie würden sich am liebsten auf dem Pferdehals abstützen. Nach hinten lehnen macht ihnen Angst.“ Dann wäre ja der Hals als sicherer Halt für sie weg. Körperlich gesehen, sind solche Vornüber-Kipper ähnlich verspannt wie Hohlkreuz-Reiter. „Sie sind fest im Knie und in den Fußgelenken, die Beine rutschen zum Aus-gleich nach hinten“, vergleicht Juliane Dep-pisch die beiden Sitz-Typen. „Die Einwir-kung aufs Pferd ist gleich null, erst recht, wenn man dann noch nach unten schaut.“

Elaine Butler setzt in ihren Kursen man-che Teilnehmer an der Longe aufs Pferd.

„Vor allem ängstliche Reiter können sich so besser auf ihren Sitz konzentrieren“, sagt sie. Auch auf der Mat-te oder einem Ball fällt es Reitern leich-ter, die neutrale Mit-telposition zu finden

(siehe Kasten Seite 33). Diese Haltung ist für viele so ungewohnt, dass sie das Gefühl haben, fast vom Pferd zu fallen.

Und was ist nun, wenn Ihr Spiegelbild Sie weder an Enten noch an Bücklinge erinnert, sondern eher an John Wayne? Dann sind Sie ein Liegereiter, der sich stark nach hinten lehnt. Dabei rutschen die Beine vor, der Rei-ter stützt sich in die Steigbügel, die Gelenke geben kaum nach, und die Leistenfreiheit ist eingeschränkt. „Diese Reiter haben oft einen hohen Muskeltonus“, sagt Westerntrainerin Juliane Deppisch. „Sie strahlen Dominanz aus, sind selbstbewusst, aber aggressiv.“

Das verstärkt sich auf dem Pferd der-maßen, dass das Tier versucht, vor seinem Reiter zu fliehen. Mit solchen Reitern arbei-tet Juliane Deppisch erst einmal am Boden. „Sie müssen lernen, das Pferd mit ihrer Körperhaltung zu bewegen.“

Dominante Reiter bekommen dann die Aufgabe, das Pferd auf dem Platz zu stoppen, es zum Mitgehen zu bewegen oder die Rich-tung wechseln zu lassen. „Solange der Reiter dem Pferd weiterhin seine aggressive Kör-perhaltung zeigt, wird es in die nächste Ecke flüchten“, prophezeit Juliane Deppisch. „Hat er später gelernt, in seiner Körpersprache weniger grimmig zu wirken, sieht man den Unterschied sofort: Der Reiter nimmt eine verbindlichere, entspanntere Körperhaltung ein. Dadurch vertraut ihm das Pferd und folgt ihm durch die Reitbahn.“

Ausbilderin Christine Huß-Doliana be-schreibt den typischen Reiter in Rücklage als

abwehrenden Menschen. „Manche wirken vom Boden aus extrem selbstbewusst. Auf dem Pferd bröckelt diese Haltung, das Pferd reagiert nicht auf sie.“ Dem kann NLP-Trai-nerin Antje Heimsoeth nur zustimmen: „Wer nach außen hin tough wirkt, ist inner-lich oft total verunsichert. Davon lasse ich mich nicht mehr beeindrucken.“ Liegesitz-

Reiter, die besonders ruppig sein können, haben laut Christine Huß-Doliana häufig einen aufgeblasenen Oberkörper, ein schma-les Becken und dünne Beine. „Denen bleibt schier die Luft weg, weil sie nicht in den Bauch atmen, sondern die Luft anhalten“, beschreibt die Körpertherapeutin. „Solche Reiter sind im Einatmen fast erstarrt und

daher sehr verspannt. Das Pferd spürt Reiter mit aufgeblasenem Oberkörper im Sattel kaum, nur als eine Art schwebende Kugel über sich.“ Diese ruppigen Reiter muss man behutsam ändern.

Denn wer im Sattel nach hinten fällt, will den Anschein erwecken, er habe alles unter Kontrolle, bestätigt auch die Trainerin

Wer vornüber kippt, sucht den Halt am Pferdehals

Reiter in Rücklage wirken dominant und ablehnend, ihr Muskeltonus ist sehr hoch. Um Balance zu halten, rutschen die Beine automatisch vor, und der Reiter stützt sich extrem in die Steigbügel. Die Sitzknochen zeigen eher nach vorn als nach unten.

„Die Haltung eines Menschen verrät, was er bisher erlebt hat“Christine Huß-Doliana, Körpertherapeutin aus Scansano/Italien.

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Auch diese heimlichen Stress-Typen entlarvt der Sitz: „Sie beißen oft die Kiefer fest zusammen. Ein sanfter Fluss der Bewegung von der Hand hin zum Pferdemaul ist so nicht möglich, die Hand wird unruhig“, sagt Christine Huß-Doliana.

Bei einem dritten Typ äußert sich Stress in mangelnder Körperspannung: Das Gewe-be ist bei diesen Reitern weich, ein Muskel-tonus kaum zu spüren. Sie hängen schlaff im Sattel und können das Pferd nicht führen.

Egal, zu welchem Stress-Sitztyp der Reiter gehört: Wichtig ist, dass er von seinem Pegel runterkommt. Das geht am simpelsten und besten, indem er mehrmals tief durchatmet. „Konzentrieren Sie sich dabei aufs Aus-atmen. Atmen Sie in den Bauch aus, das entspannt die Lendenwirbelregion und löst Verkrampfungen“, rät Juliane Deppisch.

Wer stressfrei und locker wird, ein Be-wusstsein für seinen Körper entwickelt und immer mal wieder NLP-Karten auf den Boden legt, bewahrt sich seine neu gewon-nene, korrekte Haltung. Und klebt hoffent-lich künftig wie Zuckerwatte am Sattel.

Haben Sie Fragen zum Artikel oder Ideen zum Thema Sitz? Mailen Sie an [email protected]

Schutzhaltung: Reiter mit Rundrücken suchen in der Fötusstellung Geborgenheit. Sie knicken in der Brust ein, ziehen die Schultern vor und sacken im Sattel in sich zusammen. Sie besitzen keine Körperspannung und reiten mit gefühllosen Händen.

Der Blick des Reiters nach unten sagt: „Hoffentlich sieht mich keiner.“

1 Für Hohlkreuz-Reiter ist die erste Übung: Auf den Boden

legen, Knie anwinkeln, Füße flach aufstellen. Einatmen. Den unteren Teil des Beckens vom Boden wegkippen. Zwischen Becken und Bauchnabel entsteht so eine Kuhle. Dabei aus­atmen. 20 Mal am Tag wiederholen. Zweite Übung: Grundposition wie oben. Beide Beine abheben, Knie zur Brust ziehen. 30 Sekunden halten. Einen Fuß zum Boden senken, lang­sam ausstrecken, ohne dass die Ferse den Kontakt zum Boden verliert. Wieder anwinkeln. Das andere Knie angezogen lassen. Rücken immer flach auf den Boden drücken. Bein wech­seln. Acht Wiederholungen je Bein.

2 Für Rundrücken-Reiter heißt es: Setzen Sie sich aufrecht auf

einen Stuhl. Lehnen Sie sich nicht an, sondern sitzen Sie auf der vorderen Kante. Das kräftigt die Muskeln, die Sie für eine gute Körperhaltung brauchen. Stellen Sie sich nun vor, eine Krone auf Ihrem Kopf Richtung Himmel anzuheben. Achten Sie darauf, den Kopf nicht nach hinten zu kippen. Das Kinn sollte parallel zum Boden sein. Ohne den Kopf in eine Richtung zu kippen, ziehen Sie Kinn und Kopf aufrecht nach hinten. Sie spüren im Nacken einen Zug. Lenken Sie das Kinn wieder nach vorne in eine neutrale Position. Wiederholen Sie diese Übung 8 bis 12 Mal.

3 Für Vornüber-Reiter empfiehlt Elaine Butler folgende Übung im

Sattel: Heben Sie auf dem Pferd im Halten ein Knie so weit wie möglich in Richtung Brustkorb an. Dadurch rutscht der Sitzknochen nach vorne. Bleiben Sie im Schwerpunkt sitzen, aber auch auf den Sitzknochen. Ihr Steißbein wird sich dabei absenken, und Sie erreichen nun mehr Kontakt mit dem Gesäß im Sattel. Halten Sie Ihr Becken in dieser Position und lassen Sie das Knie langsam wieder hinunter. Das Becken darf hierbei nicht kippen. Wiederholen Sie diese Übung auf der anderen Seite und an der Longe im Schritt. Tipp: die Arme hinter dem Rücken verschränken.

4 Für Liege-Reiter gilt: Abstand Kinn zu Brustkorb vergrößern, da

das Kinn ja fast auf der Brust liegt. Eine Faust mit Daumen nach oben muss zwischen Kinn und Schlüssel­beinansatz passen. Das Becken ist nur in neutraler Position, wenn Schlüssel­ und Brustbein oder sogar Bauchnabel nach vorne zeigen. In der richtigen Position weisen die Sitzbeinhöcker gerade nach unten statt vorn. Kräfti­gen Sie die Sehnen Ihres Oberschen­kelstreckers: Bringen Sie Ihr Schlüssel­bein über das Brustbein sowie den Brustkorb über das Becken. Bauch­muskeln kräftigen Sie durch Drücken Ihrer Fäuste gegen einen Widerstand. Ein oder zwei Minuten halten.

Wanless-Trainerin Elaine Butler sieht in ihren Kursen vier typische Sitzfehler. Hier sind ihre Lösungen.

Das baut Sie auf

PLUS: So finden Sie Ihre neutrale Mittelposition Füße schulterbreit auf den Boden stellen, leicht in die Knie gehen. Augen schließen. Nun so weit es geht nach hinten, anschließend so weit wie möglich nach vorne lehnen. Langsam zwischen diesen beiden Extremen wechseln, bis Sie in senkrechter Position sind. Nun zwischen Hohlkreuz und Buckel wechseln. Halten Sie, wenn Sie die Mitte gefunden haben. Sie sind nun oberhalb der Sitzbeinknochen optimal ausbalanciert. Das ist die neutrale Mittelposition. Die Übung klappt auch im Sattel (Beine vornüber legen) oder auf einem Stuhl.

Elaine Butler: „Diese Reiter sind nach außen hin selbstbewusst, im Endeffekt ist es aber eine defensive Grundhaltung.“

Wie aber nähert sich der Reiter dem per-sönlichen Idealsitz, wenn er seinen Gemüts-zustand erst einmal kritisch durchleuchtet und erkannt hat? Die einfache Antwort: Er muss den für ihn richtigen Sitz häufig genug üben. Laut Elaine Butler braucht der Mensch 1000 Wiederholungen, bis neue Bewegungs-abläufe automatisch ablaufen.

Außerdem gibt es drei weitere Stufen, die Antje Heimsoeth aus Sicht der NLP-Methode zum Lösen von Sitzproblemen vorschlägt: „Zuerst sollte der Reiter seinen Körper über-prüfen. Es könnte ja anatomische Gründe geben, warum er im Becken schief ist. Und er sollte sich auch von einem Chiropraktiker oder Osteopathen untersuchen lassen.“

Im zweiten Schritt rät sie, ein Blutbild inklusive Gesamteiweiß machen zu lassen. „Schlechte Werte beim Gesamteiweiß und der Aminosäure Tryptophan können Ursa-che für Kraftlosigkeit sein“, so Heimsoeth.

Dritter und letzter Punkt: denken. Antje Heimsoeth bemängelt, dass Reiten zu tech-niklastig gelehrt und gelernt wird. „Spüren und Denken werden vernachlässigt. Das geht schon beim Putzen los.“

Wem das Pferd beim Aufsteigen zappelt, der hat es vielleicht zu hektisch geputzt. Diese Hektik kommt mal durch Stress zustande, mal durch Unsicherheit und mangelndes Selbstbewusstsein. Zu mehr Selbstsicherheit

kommen Reiter aber nicht nur im Stall. Antje Heimsoeth emp-fiehlt speziell Reitern, die auf dem Pferd kau-ern und sich klein ma-chen, vor eine Gruppe zu stehen, sich aufzu-richten, dabei größer

zu werden und den Kopf gerade zu halten. „So werden Sie in Ihrer Körperhaltung sym-metrisch und kommen auch innerlich ins Gleichgewicht“, sagt Antje Heimsoeth. Mit frisch gestärktem Selbstbewusstsein putzen und behandeln Reiter ihre Pferde wesentlich souveräner.

Körpertherapeutin Christine Huß-Doliana aus der Toskana hält ebenfalls nichts von Hektik am und auf dem Pferd. Sie legt großen Wert darauf, dass die Reiter auch auf das Umfeld achten, in dem sie reiten. Eine ihrer italienischen Schülerinnen fährt freitags 600 Kilometer bis nach Hause, abends geht sie noch in die Reitstunde. Zu viel Stress, findet Huß-Doliana. „Wer mit seinen Gedanken in die Ferne schweift, ist zappelig, hat unruhige Beine und Hände, reitet die Übergänge zu schnell und allgemein unkontrolliert“, sagt sie. Sitzfehler würden sich unter Stress verstärken, da ein verkrampfter Reiter der Pferdebewegung nicht folgen könne.

Nicht immer sind gestresste Reiter aber auf den ersten Blick zu erkennen. Manche erscheinen nach außen hin völlig ruhig, aber in ihnen brodelt es. Durch diese Unruhe ist ihr Muskeltonus hoch und setzt das Pferd unter Spannung – es fängt an zu spinnen.

„Frauen sitzen oft im Hohlkreuz, Männer machen einen Buckel“Elaine Butler, Trainerin nach der Methode „Ride with your mind“ von Mary Wanless.

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Bei heimlichem Stress wird die Hand hart und unruhig

32 Dezember . 2009 | www.cavallo.de

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