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KULTUR DK Nr. 58, Freitag, 9. März 2018 18 „Ich wollte das“ Der Ingolstädter Konstantinos Sarropoulos ist Domspatz – Gastspiel mit dem Chor im Festsaal Von Jesko Schulze-Reimpell Ingolstadt (DK) Es ist unge- wöhnlich, wenn ein neun- oder zehnjähriges Kind freiwillig ein Internat besuchen will. Wenn es die Eltern geradezu dazu drängt. Ein starker Schritt. Der Ingol- städter Konstantinos Sarro- poulos ist so ein Kind. Der heu- te Elfjährige besucht inzwi- schen das Internat der Regens- burger Domspatzen. Noch als Grundschüler erfuhr er erst- mals von diesem sehr speziellen Gymnasium und seiner rund tausendjährigen Geschichte. Von den legendären Knaben- chören, die zu den besten der Welt zählen. Aber auch von den Missbrauchsfällen, den Über- griffen einiger Lehrer an dieser Schule, die schon länger zu- rückliegen und gerade aufgear- beitet werden. Seine Mutter Ir- mengard hatte ihm davon er- zählt. Und auch von einem ih- rer Kommilitonen, der das Re- gensburger Gymnasium be- suchte hatte. Der Freund war sehr begeistert, erzählt Kons- tantinos. Aber niemand konnte sich so richtig vorstellen, dass sich Konstantinos für die Schule entscheiden würde. „Ich habe ihm gesagt: ,Das ist ein Internat, da gehst du bestimmt nicht hin!‘“, erzählt seine Mutter. Am Tag der offenen Tür vor zwei Jahren stattete die Familie dann den Domspatzen einen Besuch ab. Der Chor sang, die Familie wurde durch verschie- dene Säle geführt, man konnte den Lehrern Fragen stellen, „die Eltern wurden mit Infos vollge- stopft“, erzählt Konstantinos. Dann ging es ans Vorsingen, die entscheidende Bewährungs- probe. „Es war freiwillig, meine Mama hat mich gefragt“, sagt Konstantinos. „Ich wollte das.“ Er sang „Oh du Fröhliche“, musste Intervalle und Tonlei- tern produzieren und einen Rhythmus klatschen. Nach ei- ner Viertelstunde war alles vor- bei und aus Konstantinos wur- de ein Domspatz. Die Familie fuhr noch ein weiteres Mal zum Internat, diesmal auch mit Andreas Sarropoulos, dem Va- ter. „Der fand das toll. Er war nur traurig, dass ich dann weg bin“, erzählt sein Sohn. Die Phasen der Trennung sind für Konstantinos dann doch belastender als zunächst angenommen. „Es gibt viele Momente, da ist es sehr schwer“, gibt Konstantinos zu. Da hängt er abends am Telefon und sagt, dass die Entfernung so groß ist. Dass er lieber Ta- gesschüler sein wollte, um der Familie näher zu sein. Dieser Wunsch lässt sich allerdings kaum verwirklichen, und weil er dort letztlich gerne ist, bleibt er lieber Internatsschüler. Zum Chorgesang ist Kons- tantinos beinahe beiläufig ge- kommen. Vor den Domspatzen hatte er fast keine Erfahrung im Singen. Seit er fünf ist aller- dings, bekommt er Klavierun- terricht. So steht im Wohnzim- mer der Eltern auch ein schöner schwarzer Flügel. In der Familie wird viel musiziert und gesun- gen, erzählt die Mutter. Nun begeistert Konstantinos die Musik, auch wenn er selber seine Zukunft eher im Bereich der Naturwissenschaften sieht. Täglich gibt es Chorproben, nicht einmal am Wochenende hat er immer die Gelegenheit, nach Hause zu fahren. Denn abwechselnd haben die Knaben Domdienst, müssen also am Sonntag beim Gottesdienst sin- gen. Die Eltern, die noch zwei weitere jüngere Kinder haben, gleichen das aus und kommen dann wenigstens nach Regens- burg, um ihn zu besuchen. Höhepunkte des Internatsle- bens sind zweifellos die regel- mäßigen Konzertreisen. Kons- tantinos besuchte so Budapest und Prag sowie etliche deutsche Städte. Demnächst geht es nach Israel. Konstantinos sitzt am Esszimmertisch und erzählt das mit strahlendem Lächeln, be- geistert. „Pass bloß auf, dass du nicht in den Stimmbruch kommst“, neckt ihn sein Vater. Natürlich leidet die Schule ein wenig unter den stressigen mu- sikalischen Spitzenleistungen. „Die schulischen Leistungen ließen etwas nach“, konstatiert der Domspatz. Aber dann habe er zu Hause viel mit den Eltern gelernt und so wieder aufgeholt. Ein besonderes Ereignis ist das Ingolstädter Benefizkonzert des ersten Chors unter Leitung von Domkapellmeister Roland Büchner am 22. April. Wichtig ist für Konstantinos, dass Ver- wandte und Freunde kommen. Lampenfieber wird er bei dem Konzert nicht haben. „Wenn ich wirklich einmal falsch singen würde im Chor, könnte das oh- nehin niemand hören“, sagt er. Und fügt hinzu: „Wir Domspat- zen singen aber sowieso nicht falsch.“ KARTEN Die Regensburger Domspat- zen geben unter der Leitung des Domkapellmeisters Ro- land Büchner ein Benefiz- konzert am Sonntag, 22. Ap- ril, 11 Uhr im Ingolstädter Festsaal. Veranstaltet wird das Konzert von allen drei Li- ons Clubs der Stadt. Karten für das Benefizkonzert gibt es im Vorverkauf in allen DK- Geschäftsstellen. DK Konstantinos Sarropoulos (11) freut sich besonders auf das Konzert der Regensburger Domspatzen in Ingolstadt. Foto: Schulze-Reimpell Das leise, schnelle Zeichnen Ausstellung in der Pinakothek der Moderne: Skizzenbücher sind bis heute wesentlicher Bestandteil künstlerischer Praxis Von Annette Krauß München (DK) Sein Skizzen- buch hat ein Künstler immer dabei. Je nach Format trägt er es unterm Arm, im Rucksack oder ganz diskret in der Man- teltasche, um es sogleich her- vor zu holen, wenn ein Motiv ihn lockt. Es ist das vielleicht privateste Werkzeug des Künst- lers, denn es schult seinen Blick, übt die Hand und hält fest, was seine Augen und seinen Geist fesselt. Ein besonderer Genuss ist deshalb, den Künstlern von einst und jetzt über die Schul- ter zu schauen und einen Blick in ihre Skizzenbücher zu wer- fen. Dies gelingt in einer klei- nen, feinen Schau der Staatli- chen Graphischen Sammlung in der Pinakothek der Moderne mit dem verheißungsvollen Ti- tel „SkizzenBuchGeschich- te(n)“. Christiane Schachtner hatte die Geduld und das Interesse, sich seit mehr als zwei Jahren in den Bestand von 260 Skiz- zenbüchern zu vertiefen. Als Einführung ins Thema zeigt sie im Vitrinen-Gang die unter- schiedlichen Arten von Bü- chern: mal mit Spiralbindung, mal als Block oder Heft, die Pa- piere von feiner Qualität, der Einband in Leder oder Leinen, eine Lasche für den Stift – der lesenswerte Katalog listet auf, welche Geschäfte für Künst- lerbedarf in München diese Dinge führten. Bekannt und bis heute bestehend ist das La- dengeschäft der Firma Scha- chinger, aber viele Geschäfte dieser Art sind in den letzten Jahrzehnten verschwunden, und Papierliebhaber müssen heutzutage in den Papeterien von Frankreich oder Italien auf die Suche gehen. Historische Fotografien be- weisen: Gezeichnet wurde überall – ob auf dem Berggip- fel stehend, unter Pinien fla- nierend oder im Zugabteil, wenn die Landschaft draußen vorüberzieht. Wie vertieft ein Zeichner arbeitet, zeigt ein Blatt von Johann Georg von Dillis: Am Schwabinger Tor schwankt eine Kutsche Richtung Thea- tinerkirche, aber der Künstler im blau aquarellierten Gewand mit der Pelzmütze auf dem Kopf nimmt keine Notiz davon, er ist am Straßenrand ganz ver- tieft in seine Skizze. Dem Gebrauch des Skizzen- buches in unterschiedlichen Lebenslagen geht die Ausstel- lung in acht Kapiteln nach. Für viele Künstler – vor allem im 19. Jahrhundert – war es ein treuer Reisebegleiter, der auch gegen die Langeweile einer Schiffspassage half. Was dem Künstler damals Gebrauchsge- genstand war, ist heutzutage freilich kostbarer Besitz, der meist im Depot ruht und eben nicht durchgeblättert werden darf. Eine Ausnahme ist diese Ausstellung, die vor blaugrau- en Wänden in abgedunkelten Lesevitrinen die festgehaltenen Augenblicke vergangener Jahr- zehnte und Jahrhunderte zeigt. Es gibt aber auch heutzutage noch Skizzenbücher des All- tags: Bodo Rott etwa, Jahrgang 1971, zeichnet unter anderem Menschen in der U-Bahn. Der gebürtige Ingolstädter, inzwi- schen in Berlin zu Hause, hat erst vor wenigen Wochen in der Harderbastei in Ingolstadt ein breites Spektrum seiner Werke gezeigt. Auch architektonische Details, Maße und Formen wurden in diesen Büchlein no- tiert – heute werden solche Da- ten auf dem Handy gesam- melt. Carl Spitzweg betrieb kunsthistorische Studien in Feuchtwangen, wo er romani- sche Fresken analysierte. Eines der ältesten Objekte ist ein Skizzenbuch von François de Cuvilliés dem Jüngeren von 1770. Er war wie sein Vater Ar- chitekt und studierte sozusa- gen mit der Feder Details von Gebäuden. Dieses Büchlein ist, wie einige andere, als Faksi- mile ausgelegt das Durch- blättern der Seiten verschafft den Interessierten ein zusätz- liches Vergnügen. Zuweilen ist das Skizzen- buch auch sehr privat. Rudi Tröger und Heinz Butz übten sich im Aktstudium an der Münchner Kunstakademie. Und Franz Marcs „Skizzen- buch aus dem Felde“ von 1915 ist ein Zeugnis dafür, welch ge- schützter Raum ein solches Buch ist. In einem Brief an sei- ne Frau schrieb er: „Bei mir sta- pelt sich alles bis zur schmerz- haften Müdigkeit im Kopf; aber ich fang jetzt leise an, im Skiz- zenbuch zu zeichnen; das er- leichtert und erholt mich.“ Bis zum 21. Mai in der Pinakothek der Moderne, geöffnet täglich au- ßer montags von 10 bis 18 Uhr, don- nerstags bis 20 Uhr. Etwa 260 Skizzenbücher vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart bewahrt die Staatliche Graphi- sche Sammlung Mün- chen auf: von Malern, Zeichnern, Bildhauern und Architekten. Die ak- tuelle Ausstellung stellt erstmals Skizzenbücher in den Mittelpunkt einer umfassenden musealen Präsentation – etwa von Carl Spitzweg (oben) aus dem Jahr 1858 oder von Olaf Metzel von 2001. Fotos: Staatliche Graphische Sammlung München „Tatort“ über das Pflegesystem Von Volker Bergmeister Bremen (DK) Ein alter Mann sitzt in seiner Wohnung, er geht ins Schlafzimmer, beugt sich über seine schlafende Frau und erstickt sie mit einem Kissen. Danach schluckt er Tabletten, ruft die Polizei an und bittet, man möge sich um die Leichen und den Hund in der Wohnung kümmern: „Ich will nicht, dass sich Nachbarn belästigt fühlen, Tote riechen doch.“ Keine Mu- sik untermalt die Szene, die Ka- mera ist nah dran, der Tö- tungsprozess wird schonungs- los gezeigt. Nicht die einzige Szene in diesem Krimidrama, die unter die Haut geht. Der neue Bremen-„Tatort: Im toten Winkel“ zeigt einen toten Winkel in unserer Gesellschaft: Millionen Pflegebedürftige werden von ihren Angehörigen aufopferungs- voll zu Hause gepflegt. Wie es ihnen dabei geht, welche physischen und psychischen Belastungen sie dabei ausge- setzt sind, wie allein gelassen sie sich fühlen – das schildern Katrin Bühlig (Buch) und Philip Koch (Regie) sehr berührend. Als Inga Lürsen (Sabine Pos- tel) am Tatort eintrifft, ist für sie klar: „Sieht nach gemein- schaftlich begangenem Suizid aus.“ Gerichtsmediziner Dr. Katzmann entgegnet: „Oder ganz einfach Mord.“ Schon sind die Ermittler mittendrin in ei- nem gesellschaftlichen Tabu- thema. Der beflissene Gutach- ter Carsten Kühne (Peter Hein- rich Brix) zeigt Frau Lürsen und Stefefreund (Oliver Mommsen) den Alltag von Pflegenden. Da ist Frau Jansen, die ihre de- menzkranke Mutter pflegt und dringend eine höhere Pflege- stufe benötigt, um mehr Geld zu erhalten. Da ist Herr Less- mann, der seine nach einem Hirnschaden völlig hilflose Frau betreut und sieht, dass die ihm zugewiesene Pflegekraft schlecht ausgebildet ist. Als die Kommissare den Fall abschlie- ßen wollen, gibt es noch eine Leiche. Zum einen ist „Im toten Win- kel“ ein klassischer Themen- „Tatort“, zum anderen wird er aber alles andere als klassisch erzählt. Zwar gibt es die übli- chen Spannungselemente ei- nes Krimis, doch in erster Linie porträtiert der Film nüchtern, fast dokumentarisch Menschen in extremen Lebenssituatio- nen. Man sieht, wie sie an Gren- zen stoßen, überfordert und al- lein gelassen sind, mit dieser Belastung nicht mehr zurecht kommen und zudem an miese Geschäftemacher geraten. Katrin Bühlig, die für ihre Projekte stets akribisch recher- chiert, zeigt gleich mehrere Schicksale. Nicht laut und an- klagend, Schlüsse kann jeder Zuschauer selbst ziehen. Wie das erzählt wird, ist zuweilen schmerzhaft, weil Regisseur Philip Koch nichts ausblendet, dabei die Menschen aber nicht vorführt. Er ist nah an den Fi- guren, macht ihre Einsamkeit spürbar, zeigt die aufopfe- rungsvolle Arbeit und findet die richtigen Bilder, mal sanft, mal krass. Ein Film zwischen Wut und Hilflosigkeit. Kein Krimi, ein intensives, sehr emotiona- les Drama über Altwerden in Deutschland, das einem ange- sichts unserer durchgetakteten und ökonomisch geprägten Welt Angst machen kann. Am Ende gibt es ein Ge- spräch zwischen Inga Lürsen und ihrer Tochter. Die nimmt ihrer Mutter die Angst: „Wir kommen von unseren Eltern und kehren zu ihnen zurück. Deshalb werde ich mich um dich und Papa kümmern. Wie das genau aussieht, das ist Ver- handlungssache.“ „Tatort: Im toten Winkel“ an die- sem Sonntag um 20.15 Uhr, ARD. SPEKTRUM Andreas Rebers (60) erhält den mit 10 000 Euro dotierten Die- ter-Hildebrandt-Preis der Stadt München. Mit dem Kabaret- tisten Rebers werde ein präzi- ser Analytiker ausgezeichnet, der es meisterhaft verstehe, die richtigen Fragen zum falschen Zeitpunkt zu stellen, hieß es zur Begründung. Der Preis wird am 23. April von Münchens OB Dieter Reiter (SPD) überreicht. Millionen kriegsbedingt aus Deutschland geschaffte Kultur- güter werden auf dem Gebiet der Russischen Föderation ver- mutet. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Frakti- on hervorgeht, geht die Regie- rung allein von rund 3,6 Milli- onen Büchern aus. Das russi- sche „Beutekunstgesetz“ von 1998, das kriegsbedingt ver- brachte Kulturgüter zu russi- schem Staatseigentum erkläre, erschwere den Prozess der Rückführung jedoch. Ausstellung und Lesung im Kap94 Ingolstadt (DK) „Konflikt Zweck des Gemetzels“ heißt die Ausstellung, die morgen um 19 Uhr im Kap94 in Ingolstadt er- öffnet wird. Sieben Künstler setzen sich mit Zerstörung aus- einander. Es geht um Kriege, Schlachten und destruktive Systeme wie Gewalt, Angst und Unterdrückung. Beteiligt sind Aleksandra Lung (Objektkunst und Installation), Tom Par- thum (Skulpturen), Reinhard Dorn (Fotografie), Beate Diao (Linolschnitt) und Karin Voit (Grafik). Bei der Vernissage wird Autor Jens Rohrer zusammen mit Schauspielern und Jürgen Schulze mit dessen Klangwel- ten das Thema in Szene setzen. Die Ausstellung ist danach von Sonntag, 11. März, bis Sonntag, 18. März, täglich außer am Frei- tag von 17 bis 20 Uhr geöffnet.

Dasleise,schnelle Zeichnen · Bremen (DK)Ein alter Mann sitztinseiner Wohnung, er geht ins Schlafzimmer, beugt sich über seine schlafende Frau und erstickt sie mit einem Kissen

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Page 1: Dasleise,schnelle Zeichnen · Bremen (DK)Ein alter Mann sitztinseiner Wohnung, er geht ins Schlafzimmer, beugt sich über seine schlafende Frau und erstickt sie mit einem Kissen

KULTUR DK Nr. 58, Freitag, 9. März 2018 18

„Ich wollte das“Der Ingolstädter Konstantinos Sarropoulos ist Domspatz – Gastspiel mit dem Chor im Festsaal

Von Jesko Schulze-Reimpell

Ingolstadt (DK) Es ist unge-wöhnlich, wenn ein neun- oderzehnjähriges Kind freiwillig einInternat besuchenwill.Wenn esdieElterngeradezudazudrängt.Ein starker Schritt. Der Ingol-städter Konstantinos Sarro-poulos ist so ein Kind. Der heu-te Elfjährige besucht inzwi-schen das Internat der Regens-burger Domspatzen. Noch alsGrundschüler erfuhr er erst-mals von diesem sehr speziellenGymnasium und seiner rundtausendjährigen Geschichte.Von den legendären Knaben-chören, die zu den besten derWelt zählen. Aber auch von denMissbrauchsfällen, den Über-griffen einiger Lehrer an dieserSchule, die schon länger zu-rückliegen und gerade aufgear-beitet werden. Seine Mutter Ir-mengard hatte ihm davon er-zählt. Und auch von einem ih-rer Kommilitonen, der das Re-gensburger Gymnasium be-suchte hatte. Der Freund warsehr begeistert, erzählt Kons-tantinos. Aber niemand konntesich so richtig vorstellen, dasssich Konstantinos für die Schuleentscheiden würde. „Ich habeihm gesagt: ,Das ist ein Internat,da gehst du bestimmt nichthin!‘“, erzählt seineMutter.Am Tag der offenen Tür vor

zwei Jahren stattete die Familiedann den Domspatzen einenBesuch ab. Der Chor sang, dieFamilie wurde durch verschie-dene Säle geführt, man konnteden Lehrern Fragen stellen, „dieEltern wurden mit Infos vollge-stopft“, erzählt Konstantinos.Dann ging es ans Vorsingen, dieentscheidende Bewährungs-probe. „Es war freiwillig, meineMama hat mich gefragt“, sagtKonstantinos. „Ich wollte das.“Er sang „Oh du Fröhliche“,musste Intervalle und Tonlei-

tern produzieren und einenRhythmus klatschen. Nach ei-ner Viertelstunde war alles vor-bei und aus Konstantinos wur-de ein Domspatz. Die Familiefuhr noch ein weiteres Mal zumInternat, diesmal auch mitAndreas Sarropoulos, dem Va-ter. „Der fand das toll. Er warnur traurig, dass ich dann wegbin“, erzählt sein Sohn.Die Phasen der Trennung

sind für Konstantinos danndoch belastender als zunächstangenommen. „Es gibt vieleMomente, da ist es sehrschwer“, gibt Konstantinos zu.

Da hängt er abends am Telefonund sagt, dass die Entfernungso groß ist. Dass er lieber Ta-gesschüler sein wollte, um derFamilie näher zu sein. DieserWunsch lässt sich allerdingskaumverwirklichen, undweil erdort letztlich gerne ist, bleibt erlieber Internatsschüler.Zum Chorgesang ist Kons-

tantinos beinahe beiläufig ge-kommen. Vor den Domspatzenhatte er fast keine Erfahrung imSingen. Seit er fünf ist aller-dings, bekommt er Klavierun-terricht. So steht im Wohnzim-mer der Eltern auch ein schöner

schwarzer Flügel. In der Familiewird viel musiziert und gesun-gen, erzählt dieMutter.Nun begeistert Konstantinos

die Musik, auch wenn er selberseine Zukunft eher im Bereichder Naturwissenschaften sieht.Täglich gibt es Chorproben,nicht einmal am Wochenendehat er immer die Gelegenheit,nach Hause zu fahren. Dennabwechselnd haben die KnabenDomdienst, müssen also amSonntag beim Gottesdienst sin-gen. Die Eltern, die noch zweiweitere jüngere Kinder haben,gleichen das aus und kommendann wenigstens nach Regens-burg, um ihn zu besuchen.Höhepunkte des Internatsle-

bens sind zweifellos die regel-mäßigen Konzertreisen. Kons-tantinos besuchte so Budapestund Prag sowie etliche deutscheStädte. Demnächst geht es nachIsrael. Konstantinos sitzt amEsszimmertisch und erzählt dasmit strahlendem Lächeln, be-geistert. „Pass bloß auf, dass dunicht in den Stimmbruchkommst“, neckt ihn sein Vater.Natürlich leidet die Schule ein

wenig unter den stressigen mu-sikalischen Spitzenleistungen.„Die schulischen Leistungenließen etwas nach“, konstatiertder Domspatz. Aber dann habeer zu Hause viel mit den Elterngelernt und sowieder aufgeholt.Ein besonderes Ereignis ist

das Ingolstädter Benefizkonzertdes ersten Chors unter Leitungvon Domkapellmeister RolandBüchner am 22. April. Wichtigist für Konstantinos, dass Ver-wandte und Freunde kommen.Lampenfieber wird er bei demKonzert nicht haben. „Wenn ichwirklich einmal falsch singenwürde im Chor, könnte das oh-nehin niemand hören“, sagt er.Und fügt hinzu: „Wir Domspat-zen singen aber sowieso nichtfalsch.“

K A R T E N

Die Regensburger Domspat-zen geben unter der Leitungdes Domkapellmeisters Ro-land Büchner ein Benefiz-konzert am Sonntag, 22. Ap-ril, 11 Uhr im Ingolstädter

Festsaal. Veranstaltet wirddas Konzert von allen drei Li-ons Clubs der Stadt. Kartenfür das Benefizkonzert gibt esim Vorverkauf in allen DK-Geschäftsstellen. DK

Konstantinos Sarropoulos (11) freut sich besonders auf das Konzertder Regensburger Domspatzen in Ingolstadt. Foto: Schulze-Reimpell

Das leise, schnelle ZeichnenAusstellung in der Pinakothek der Moderne: Skizzenbücher sind bis heute wesentlicher Bestandteil künstlerischer Praxis

Von Annette Krauß

München (DK) Sein Skizzen-buch hat ein Künstler immerdabei. Je nach Format trägt eres unterm Arm, im Rucksackoder ganz diskret in der Man-teltasche, um es sogleich her-vor zu holen, wenn ein Motivihn lockt. Es ist das vielleichtprivateste Werkzeug des Künst-lers, denn es schult seinenBlick,übt die Hand und hält fest, wasseine Augen und seinen Geistfesselt. Ein besonderer Genussist deshalb, den Künstlern voneinst und jetzt über die Schul-ter zu schauen und einen Blickin ihre Skizzenbücher zu wer-fen. Dies gelingt in einer klei-nen, feinen Schau der Staatli-chenGraphischenSammlung inder Pinakothek der Modernemit dem verheißungsvollen Ti-tel „SkizzenBuchGeschich-te(n)“.Christiane Schachtner hatte

die Geduld und das Interesse,sich seit mehr als zwei Jahrenin den Bestand von 260 Skiz-zenbüchern zu vertiefen. AlsEinführung ins Thema zeigt sieim Vitrinen-Gang die unter-schiedlichen Arten von Bü-chern: mal mit Spiralbindung,mal als Block oder Heft, die Pa-piere von feiner Qualität, derEinband in Leder oder Leinen,eine Lasche für den Stift – derlesenswerte Katalog listet auf,welche Geschäfte für Künst-lerbedarf in München dieseDinge führten. Bekannt und bisheute bestehend ist das La-dengeschäft der Firma Scha-chinger, aber viele Geschäftedieser Art sind in den letztenJahrzehnten verschwunden,und Papierliebhaber müssenheutzutage in den Papeterienvon Frankreich oder Italien aufdie Suche gehen.Historische Fotografien be-

weisen: Gezeichnet wurdeüberall – ob auf dem Berggip-fel stehend, unter Pinien fla-nierend oder im Zugabteil,

wenn die Landschaft draußenvorüberzieht. Wie vertieft einZeichner arbeitet, zeigt ein Blattvon Johann Georg von Dillis:Am Schwabinger Tor schwankteine Kutsche Richtung Thea-tinerkirche, aber der Künstlerim blau aquarellierten Gewandmit der Pelzmütze auf demKopf

nimmt keine Notiz davon, erist am Straßenrand ganz ver-tieft in seine Skizze.Dem Gebrauch des Skizzen-

buches in unterschiedlichenLebenslagen geht die Ausstel-lung in acht Kapiteln nach. Fürviele Künstler – vor allem im19. Jahrhundert – war es ein

treuer Reisebegleiter, der auchgegen die Langeweile einerSchiffspassage half. Was demKünstler damals Gebrauchsge-genstand war, ist heutzutagefreilich kostbarer Besitz, dermeist im Depot ruht und ebennicht durchgeblättert werdendarf. Eine Ausnahme ist diese

Ausstellung, die vor blaugrau-en Wänden in abgedunkeltenLesevitrinen die festgehaltenenAugenblicke vergangener Jahr-zehnte und Jahrhunderte zeigt.Es gibt aber auch heutzutage

noch Skizzenbücher des All-tags: Bodo Rott etwa, Jahrgang1971, zeichnet unter anderemMenschen in der U-Bahn. Dergebürtige Ingolstädter, inzwi-schen in Berlin zu Hause, haterst vor wenigen Wochen in derHarderbastei in Ingolstadt einbreites Spektrum seiner Werkegezeigt. Auch architektonischeDetails, Maße und Formenwurden in diesen Büchlein no-tiert – heute werden solche Da-ten auf dem Handy gesam-melt. Carl Spitzweg betriebkunsthistorische Studien inFeuchtwangen, wo er romani-sche Fresken analysierte. Einesder ältesten Objekte ist einSkizzenbuch von François deCuvilliés dem Jüngeren von1770. Er war wie sein Vater Ar-chitekt und studierte sozusa-gen mit der Feder Details vonGebäuden. Dieses Büchlein ist,wie einige andere, als Faksi-mile ausgelegt – das Durch-blättern der Seiten verschafftden Interessierten ein zusätz-liches Vergnügen.Zuweilen ist das Skizzen-

buch auch sehr privat. RudiTröger und Heinz Butz übtensich im Aktstudium an derMünchner Kunstakademie.Und Franz Marcs „Skizzen-buch aus dem Felde“ von 1915ist ein Zeugnis dafür, welch ge-schützter Raum ein solchesBuch ist. In einem Brief an sei-ne Frau schrieb er: „Bei mir sta-pelt sich alles bis zur schmerz-haften Müdigkeit im Kopf; aberich fang jetzt leise an, im Skiz-zenbuch zu zeichnen; das er-leichtert und erholt mich.“

Bis zum 21. Mai in der Pinakothekder Moderne, geöffnet täglich au-ßer montags von 10 bis 18 Uhr, don-nerstags bis 20 Uhr.

Etwa 260 Skizzenbüchervom 18. Jahrhundert bisin die Gegenwart bewahrtdie Staatliche Graphi-sche Sammlung Mün-chen auf: von Malern,Zeichnern, Bildhauernund Architekten. Die ak-tuelle Ausstellung stellterstmals Skizzenbücherin den Mittelpunkt einerumfassenden musealenPräsentation – etwa vonCarl Spitzweg (oben) ausdem Jahr 1858 oder vonOlaf Metzel von 2001.Fotos: Staatliche GraphischeSammlung München

„Tatort“über das

PflegesystemVon Volker Bergmeister

Bremen (DK) Ein alter Mannsitzt in seiner Wohnung, er gehtins Schlafzimmer, beugt sichüber seine schlafende Frau understickt sie mit einem Kissen.Danach schluckt er Tabletten,ruft die Polizei an und bittet,man möge sich um die Leichenund den Hund in der Wohnungkümmern: „Ich will nicht, dasssich Nachbarn belästigt fühlen,Tote riechen doch.“ Keine Mu-sik untermalt die Szene, die Ka-mera ist nah dran, der Tö-tungsprozess wird schonungs-los gezeigt. Nicht die einzigeSzene in diesem Krimidrama,die unter die Haut geht.Der neue Bremen-„Tatort: Im

toten Winkel“ zeigt einen totenWinkel in unserer Gesellschaft:Millionen Pflegebedürftigewerden von ihren Angehörigenaufopferungs-voll zu Hausegepflegt. Wie esihnen dabeigeht, welchephysischen undpsychischenBelastungen siedabei ausge-setzt sind, wieallein gelassen sie sich fühlen –das schildern Katrin Bühlig(Buch) und Philip Koch (Regie)sehr berührend.Als Inga Lürsen (Sabine Pos-

tel) am Tatort eintrifft, ist fürsie klar: „Sieht nach gemein-schaftlich begangenem Suizidaus.“ Gerichtsmediziner Dr.Katzmann entgegnet: „Oderganz einfachMord.“ Schon sinddie Ermittler mittendrin in ei-nem gesellschaftlichen Tabu-thema. Der beflissene Gutach-ter Carsten Kühne (Peter Hein-rich Brix) zeigt Frau Lürsen undStefefreund (Oliver Mommsen)den Alltag von Pflegenden. Daist Frau Jansen, die ihre de-menzkranke Mutter pflegt unddringend eine höhere Pflege-stufe benötigt, um mehr Geldzu erhalten. Da ist Herr Less-mann, der seine nach einemHirnschaden völlig hilflose Fraubetreut und sieht, dass die ihmzugewiesene Pflegekraftschlecht ausgebildet ist. Als dieKommissare den Fall abschlie-ßen wollen, gibt es noch eineLeiche.Zum einen ist „Im toten Win-

kel“ ein klassischer Themen-„Tatort“, zum anderen wird eraber alles andere als klassischerzählt. Zwar gibt es die übli-chen Spannungselemente ei-nes Krimis, doch in erster Linieporträtiert der Film nüchtern,fast dokumentarisch Menschenin extremen Lebenssituatio-nen.Man sieht, wie sie an Gren-zen stoßen, überfordert und al-lein gelassen sind, mit dieserBelastung nicht mehr zurechtkommen und zudem an mieseGeschäftemacher geraten.Katrin Bühlig, die für ihre

Projekte stets akribisch recher-chiert, zeigt gleich mehrereSchicksale. Nicht laut und an-klagend, Schlüsse kann jederZuschauer selbst ziehen. Wiedas erzählt wird, ist zuweilenschmerzhaft, weil RegisseurPhilip Koch nichts ausblendet,dabei die Menschen aber nichtvorführt. Er ist nah an den Fi-guren, macht ihre Einsamkeitspürbar, zeigt die aufopfe-rungsvolle Arbeit und findet dierichtigen Bilder, mal sanft, malkrass. Ein Film zwischen Wutund Hilflosigkeit. Kein Krimi,ein intensives, sehr emotiona-les Drama über Altwerden inDeutschland, das einem ange-sichts unserer durchgetaktetenund ökonomisch geprägtenWelt Angst machen kann.Am Ende gibt es ein Ge-

spräch zwischen Inga Lürsenund ihrer Tochter. Die nimmtihrer Mutter die Angst: „Wirkommen von unseren Elternund kehren zu ihnen zurück.Deshalb werde ich mich umdich und Papa kümmern. Wiedas genau aussieht, das ist Ver-handlungssache.“

„Tatort: Im toten Winkel“ an die-sem Sonntag um 20.15 Uhr, ARD.

S P E K T R U M

Andreas Rebers (60) erhält denmit 10 000 Euro dotierten Die-ter-Hildebrandt-Preis der StadtMünchen. Mit dem Kabaret-tisten Rebers werde ein präzi-ser Analytiker ausgezeichnet,der es meisterhaft verstehe, dierichtigen Fragen zum falschenZeitpunkt zu stellen, hieß es zurBegründung. Der Preis wird am23. April von Münchens OBDieter Reiter (SPD) überreicht.Millionen kriegsbedingt ausDeutschland geschaffte Kultur-güter werden auf dem Gebietder Russischen Föderation ver-mutet. Wie aus einer Antwortder Bundesregierung auf eineKleine Anfrage der AfD-Frakti-on hervorgeht, geht die Regie-rung allein von rund 3,6 Milli-onen Büchern aus. Das russi-sche „Beutekunstgesetz“ von1998, das kriegsbedingt ver-brachte Kulturgüter zu russi-schem Staatseigentum erkläre,erschwere den Prozess derRückführung jedoch.

Ausstellung undLesung im Kap94

Ingolstadt (DK) „Konflikt –Zweck des Gemetzels“ heißt dieAusstellung, die morgen um 19Uhr im Kap94 in Ingolstadt er-öffnet wird. Sieben Künstlersetzen sich mit Zerstörung aus-einander. Es geht um Kriege,Schlachten und destruktiveSysteme wie Gewalt, Angst undUnterdrückung. Beteiligt sindAleksandra Lung (Objektkunstund Installation), Tom Par-thum (Skulpturen), ReinhardDorn (Fotografie), Beate Diao(Linolschnitt) und Karin Voit(Grafik). Bei der VernissagewirdAutor Jens Rohrer zusammenmit Schauspielern und JürgenSchulze mit dessen Klangwel-ten das Thema in Szene setzen.Die Ausstellung ist danach vonSonntag, 11. März, bis Sonntag,18. März, täglich außer am Frei-tag von 17 bis 20 Uhr geöffnet.