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„DDR Auto Kollektion“ von Atlas Rolf Stratemeyer 2006 „DDR Auto Kollektion“ von Atlas Neben den bekannten Auto Modell Firmen, die uns Monat für Monat mit Neuheiten auf einem inzwischen sagen- haften Niveau erfreuen, erreichen uns Sammler in letzter Zeit immer wieder Angebote für Modellautos im Maß- stab 1:43, die auf den ersten Blick verlockend erscheinen. Da wird in einer Art Abo-System für einen sehr günsti- gen Preis eine Serie von Modellen zu einem bestimmten Thema angeboten. Dazu gibt es Sammelkarten, Biogra- phien und alles Mögliche an Informationen zu den Fahrzeugen. Der Einstieg wird meist noch einmal superpreis- wert gestaltet und schließlich steht da ja, dass man jederzeit das Abonnement beenden könnte. Leider erfährt man am Anfang aber nicht, aus wie vielen Modelle die gesamte Serie am Ende bestehen wird, geschweige, was nach den ersten abgebildeten Modellen geplant ist. Vor einigen Jahren lieferte die spanische Firma Prado über den Zeitschriftenhandel eine Serie aus, die ähnlich opulent gestaltet war und viele Zusatzinformationen zu den Modellen lieferte. Bei dieser Serie handelte es sich tatsächlich um eigene Entwicklungen, da die meisten Modelle zu dieser Zeit bei anderen Herstellern überhaupt nicht angeboten wurden. Das da die fernöstlichen Produktionskosten den Preis für ein recht gut gestaltetes Mo- dell auf rund 10,00 € beschränkte hatte auch seinen Reiz. Natürlich konnten diese Modelle den hochwertigen Mi- niaturen von Firmen, wie Minichamps oder Schuco nicht das Wasser reichen, aber die Qualität war recht gut und bevor man das gesuchte Modell gar nicht in der Sammlung hatte, stellte man sich auch gerne diesen Ersatz in die Vitrine. Doch das ist wohl Vergangenheit. Inzwischen scheinen Firmen, die sich auf eine Distribution außerhalb der nor- malen Fachgeschäfte spezialisiert haben, andere Wege zu gehen, sich die Kassen zu füllen. Als erstes wird ein Sammelgebiet kreiert, das dafür sorgt, dass der Sammler angelockt wird. Dabei wird ihm suggeriert, dass es die- se Modelle nur exklusiv bei dieser Firma gibt. Kenner der Szene werden sich davon nicht verwirren lassen, aber für viele Gelegenheitssammler kann die Beilage in der Zeitschrift durchaus verlockend sein. Hier wird ihm für we- nig Geld, verteilt über einen unübersichtlichen Zeitraum eine Serie „hochwertiger“ Modelle versprochen. Sie werden sich jetzt fragen: „Warum regt sich der Kerl da auf? Ist doch ein normales Angebot, für das sich jeder frei entscheiden kann.“ Doch darum geht es mir gar nicht, es ist jedermanns Sache, ob er solche Modelle kaufen möchte oder nicht. Was mich persönlich ärgert, ist die Tatsache, dass sich hier Leute offensichtlich auf Kosten etablierter Hersteller, die große Summen in die Entwicklung dieser Modelle gesteckt haben, bereichern. Ich will das gerne an einem Beispiel festmachen, was Anlass für mich war diesen Artikel überhaupt zu schreiben. Eine Firma Atlas wirbt in einem bunten Prospekt für eine Kollektion von Fahrzeugen aus der ehemaligen DDR. So weit, so gut. Doch die ersten abgebildeten Modelle erregten sogleich meinen Argwohn. Seit 25 Jahren schreibe ich nun für das renommierte Fachblatt MODELL FAN, in dem ich die jeweiligen Neuheiten beschreibe. Seit Janu- ar 2006 tue ich das auch noch auf dieser Website. Somit glaube ich mir zutrauen zu können, eine gute Markt- übersicht über die Jahre gewonnen zu haben. Genau genommen hat der neue Boom ja erst vor knapp 15 Jahren wieder begonnen, als die Aachener Firma Minichamps diesen Maßstab wieder entdeckte und heute ein unglaub- liches Angebot aller nur denkbaren Fahrzeuge produziert hat. Da ich mich durch meine vielen Kontakte zur mo- dellbauenden Industrie auch gut mit den Sachzwängen der Produktion auskenne, glaube ich schon beurteilen zu können, was ein Modell wirklich ausmacht und wie es zu Stande gekommen ist. Daher war ich sehr erstaunt unter den angekündigten Neuheiten dieser Firma Atlas gleich drei Modelle zu sehen, deren Existenz mir schon bekannt war. Man mag einwenden, dass Doppel- und Dreifachentwicklungen interes- santer Vorbilder doch seit Jahren Gang und Gäbe sind, was ganz aktuell das Angebot an Volkswagen Transpor- tern der 1. und 2. Serie angeht. Dieser so kultige Bulli wird von Schuco, Premium ClassiXXs, Minichamps und seit dieser Woche sogar von Norev angeboten. Bereits seit einigen Jahren gibt es Modelle des T1 von Vitesse und noch früher gab es auch schon Realisierungen, z. B. von Corgi. Doch gerade die aktuellen Neuheiten zeigen sehr deutlich, wie jede dieser Firmen ihr technisches Knowhow und das Hirnschmalz ihrer Ingenieure eingesetzt hat, denn jedes dieser Modelle weist ganz typische Eigenheiten auf, obwohl man meinen sollte, dass beim heutigen Stand der elektronischen Datenbearbeitung aus ein und demselben Vorbild auch exakt das gleiche Modell he- rauskommen sollte. Doch weit gefehlt, jede Firma verfügt über eine sehr individuelle Handschrift. Da platzt einem als engagiertem Modellsammler einfach der Kragen, Modelle angeboten zu sehen, die eindeutig abgekupfert wurden. Natürlich kann ich nichts zur gesamten Serie sagen, da die Firma Atlas ja bisher nur das AUTO-MODELL-REPORT

„DDR Auto Kollektion“ von Atlas - car-model-fan. · PDF fileden Scheibenrahmen als verchromte Linien geführt. Besonders merkwürdig ist, dass das geöffnete, zusammen-gefaltete

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„DDR Auto Kollektion“ von AtlasRolf Stratemeyer 2006

„DDR Auto Kollektion“ von Atlas

Neben den bekannten Auto Modell Firmen, die uns Monat für Monat mit Neuheiten auf einem inzwischen sagen-haften Niveau erfreuen, erreichen uns Sammler in letzter Zeit immer wieder Angebote für Modellautos im Maß-stab 1:43, die auf den ersten Blick verlockend erscheinen. Da wird in einer Art Abo-System für einen sehr günsti-gen Preis eine Serie von Modellen zu einem bestimmten Thema angeboten. Dazu gibt es Sammelkarten, Biogra-phien und alles Mögliche an Informationen zu den Fahrzeugen. Der Einstieg wird meist noch einmal superpreis-wert gestaltet und schließlich steht da ja, dass man jederzeit das Abonnement beenden könnte. Leider erfährt man am Anfang aber nicht, aus wie vielen Modelle die gesamte Serie am Ende bestehen wird, geschweige, was nach den ersten abgebildeten Modellen geplant ist.Vor einigen Jahren lieferte die spanische Firma Prado über den Zeitschriftenhandel eine Serie aus, die ähnlich opulent gestaltet war und viele Zusatzinformationen zu den Modellen lieferte. Bei dieser Serie handelte es sich tatsächlich um eigene Entwicklungen, da die meisten Modelle zu dieser Zeit bei anderen Herstellern überhaupt nicht angeboten wurden. Das da die fernöstlichen Produktionskosten den Preis für ein recht gut gestaltetes Mo-dell auf rund 10,00 € beschränkte hatte auch seinen Reiz. Natürlich konnten diese Modelle den hochwertigen Mi-niaturen von Firmen, wie Minichamps oder Schuco nicht das Wasser reichen, aber die Qualität war recht gut und bevor man das gesuchte Modell gar nicht in der Sammlung hatte, stellte man sich auch gerne diesen Ersatz in die Vitrine.Doch das ist wohl Vergangenheit. Inzwischen scheinen Firmen, die sich auf eine Distribution außerhalb der nor-malen Fachgeschäfte spezialisiert haben, andere Wege zu gehen, sich die Kassen zu füllen. Als erstes wird ein Sammelgebiet kreiert, das dafür sorgt, dass der Sammler angelockt wird. Dabei wird ihm suggeriert, dass es die-se Modelle nur exklusiv bei dieser Firma gibt. Kenner der Szene werden sich davon nicht verwirren lassen, aber für viele Gelegenheitssammler kann die Beilage in der Zeitschrift durchaus verlockend sein. Hier wird ihm für we-nig Geld, verteilt über einen unübersichtlichen Zeitraum eine Serie „hochwertiger“ Modelle versprochen.Sie werden sich jetzt fragen: „Warum regt sich der Kerl da auf? Ist doch ein normales Angebot, für das sich jeder frei entscheiden kann.“ Doch darum geht es mir gar nicht, es ist jedermanns Sache, ob er solche Modelle kaufen möchte oder nicht. Was mich persönlich ärgert, ist die Tatsache, dass sich hier Leute offensichtlich auf Kosten etablierter Hersteller, die große Summen in die Entwicklung dieser Modelle gesteckt haben, bereichern.Ich will das gerne an einem Beispiel festmachen, was Anlass für mich war diesen Artikel überhaupt zu schreiben.

Eine Firma Atlas wirbt in einem bunten Prospekt für eine Kollektion von Fahrzeugen aus der ehemaligen DDR. So weit, so gut. Doch die ersten abgebildeten Modelle erregten sogleich meinen Argwohn. Seit 25 Jahren schreibe ich nun für das renommierte Fachblatt MODELL FAN, in dem ich die jeweiligen Neuheiten beschreibe. Seit Janu-ar 2006 tue ich das auch noch auf dieser Website. Somit glaube ich mir zutrauen zu können, eine gute Markt-übersicht über die Jahre gewonnen zu haben. Genau genommen hat der neue Boom ja erst vor knapp 15 Jahren wieder begonnen, als die Aachener Firma Minichamps diesen Maßstab wieder entdeckte und heute ein unglaub-liches Angebot aller nur denkbaren Fahrzeuge produziert hat. Da ich mich durch meine vielen Kontakte zur mo-dellbauenden Industrie auch gut mit den Sachzwängen der Produktion auskenne, glaube ich schon beurteilen zu können, was ein Modell wirklich ausmacht und wie es zu Stande gekommen ist.Daher war ich sehr erstaunt unter den angekündigten Neuheiten dieser Firma Atlas gleich drei Modelle zu sehen, deren Existenz mir schon bekannt war. Man mag einwenden, dass Doppel- und Dreifachentwicklungen interes-santer Vorbilder doch seit Jahren Gang und Gäbe sind, was ganz aktuell das Angebot an Volkswagen Transpor-tern der 1. und 2. Serie angeht. Dieser so kultige Bulli wird von Schuco, Premium ClassiXXs, Minichamps und seit dieser Woche sogar von Norev angeboten. Bereits seit einigen Jahren gibt es Modelle des T1 von Vitesse und noch früher gab es auch schon Realisierungen, z. B. von Corgi. Doch gerade die aktuellen Neuheiten zeigen sehr deutlich, wie jede dieser Firmen ihr technisches Knowhow und das Hirnschmalz ihrer Ingenieure eingesetzt hat, denn jedes dieser Modelle weist ganz typische Eigenheiten auf, obwohl man meinen sollte, dass beim heutigen Stand der elektronischen Datenbearbeitung aus ein und demselben Vorbild auch exakt das gleiche Modell he-rauskommen sollte. Doch weit gefehlt, jede Firma verfügt über eine sehr individuelle Handschrift.

Da platzt einem als engagiertem Modellsammler einfach der Kragen, Modelle angeboten zu sehen, die eindeutig abgekupfert wurden. Natürlich kann ich nichts zur gesamten Serie sagen, da die Firma Atlas ja bisher nur das

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Einstiegsmodell ausliefert. Aber da fängt es schon an. Meiner Ansicht nach ist auf dem Werbebild die Trabant 601 Version abgebildet, die Vitesse vor vielen Jahren für den damaligen deutschen Importeur Kager fertigte. Man fei-erte schließlich die Wiedervereinigung, das war schon ein Exklusiv-Modell wert. Man kann dieses alte Modell dar-an erkennen, dass an der hinteren Dachstrebe die Lüftungsgitter vergessen wurden. Außerdem ist die Gestaltung der vorderen Dachkante ehe als „fliehend“ zu beschreiben, während das Dach im Original weiter vorspringt. Exakt diese Felgen des alten Vitesse Modells trägt auch das Fotomuster der Firma Atlas.

Das Trabant Modell aus der ersten Serie von Vitesse

Das Trabant Modell, wie es im Atlas Prospekt gezeigt wird.Man beachte auch die auf die Scheibe gravierten Scheibenwischer!

Dieses Trabant Modell dagegen liefert Atlas aus. Ein ganz anderes Modell!

Zu meiner Überraschung wurde einem Freund, der das Abo geordert hatte, als erstes Modell der Trabant in einer Ausführung geliefert, die ehe dem kürzlich überarbeitete Modelle der Firma Vitesse entspricht. Hier ist die Gestal-tung der vorderen Stoßstange mit zwei Stoßstangenhörner, die nun vorhanden Lüftungsschlitze, und völlig neue Felgen zu erwähnen.

Noch eklatanter werden die Parallelen bei den beiden nächsten Modellen. Hier hat offensichtlich die Entwick-lungsabteilung der Aachener Firma Minichamps den Lorbeer verdient, denn die im Katalog gezeigten Modelle entsprechen bis ins Detail den Aachener Modellen. Es ist schon auffällig, dass der Wartburg als Cabrio als Modell angeboten wird. Die Sammler hätten da doch mehr das Coupe oder einen Kombi gereizt, als ein Modell, das doch schon auf dem Markt ist. Doch die Gestaltung der Frontpartie ist beim Atlas Modell identisch zum Minichamps Wartburg. Details, wie Außenspiegel, Lampeneinfassungen, oder die Gestaltung des Frontscheibenrahmens las-sen wohl keinen Zweifel an der Urheberschaft. Das meine ich mit firmentypischen Kennzeichen der Umsetzung. Eine Firma Schuco hätte bei diesem Modell sicher die Scheibenwischer als Fotoätzteile gewählt, möglicherweise

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den Scheibenrahmen als verchromte Linien geführt. Besonders merkwürdig ist, dass das geöffnete, zusammen-gefaltete Verdeck beim von Atlas angebotenen Modell genauso durchbrochene Streben, wie das Minichamps Modell zeigt, aber deutlich flacher auf dem Wagenheck aufsitzt. Ist das ein Beweis der Eigenständigkeit. Wohl eher nicht, denn bei einer Rückansicht des Modells sitzt dieses Teil plötzlich beim Atlas Modell genauso hoch, wie beim Minichamps Modell. Hat da etwa der Retoucheur geschlampt?

Diesen Wartburg bietet Atlas im Prospekt an

So sieht der Minichamps Wartburg aus

Seltsam wird es, wenn das gleiche Dach bei der Rückansicht plötzlich so hoch wie das des Minichamps Modells liegt.

Ähnliches kann man beim Modell vom Melkus RS 1000 anführen. Zu typisch ist die Umsetzung des Modells für die Firma Minichamps. Auch hier gibt es derartig viele Übereinstimmungen, dass der Verdacht nahe liegt, das hier nichts weiter an Entwicklung geleistet wurde, als ein Minichamps Modell in China oder wer weiß schon wo, auf die Kopierfräse zu stellen. Einen Unterschied zeigt das Atlas Modell aber doch. Man hat leider die Tankfüllstutzen, bei Minichamps zwei verchromte, eingelassene Kappen auf den vorderen Kotflügeln, vergessen. Auch hier wieder die berechtigte Frage: war es nur ein Versehen des Fotoshop Arbeiters, oder will man sich aus Kostengründen diese Details sparen? Einfacher ist es sicher, die Stutzen einfach wegzulassen. Merkt ja doch keiner, oder?

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Genau wird man das sicher erst beurteilen können, wenn die Modelle geliefert sind und nebeneinander auf dem Tisch stehen. Da bin ich schon mal sehr gespannt.

So bietet Atlas den Melkus an, ohne jede Chance Benzin aufzufüllen.

Das Modell des Melkus von Minichamps zeigt die gleiche feine Struktur, man vergleiche nur mal die An-bauteile wie Scheibenwischer und Spiegel.

Ich kann abschließend nur sagen, dass es mich persönlich ärgert, wenn anderer Leute Arbeits- und damit ver-bunden auch Finanzkraft, derartig plump genutzt wird. Wenn schon eine Serie von DDR Fahrzeugen, die sicher auch mit all den Zusatzinformationen willkommen wäre, dann aber doch bitte mit eigenen Produktionen, für die es sicher noch genug Vorbilder gibt. Und dann die bekannten bereits vorhanden Modelle falls notwendig von den o-riginalen Herstellern übernehmen, aber gegen ein faires Angebot. Diese Art der Vorteilsnahme kann ich nur verur-teilen und werde persönlich ein solches Sammelwerk, weder für meine eigene Sammlung erwerben, noch neue Modelle dieser Serie auf meiner Website besprechen.Ach, übrigens, der Barkas ist von einem namhaften Hersteller für die nächste Zeit angekündigt worden. Es wäre interessant zu beobachten, wann Atlas seinen Barkas ausliefert.In diesem Sinne, achten Sie bei der Anlage Ihres Taschengeldes auf Qualität. Gut recherchierte Modelle kosten nun einmal Geld. Solche Angebote, wie sie Atlas hier lanciert, können angesichts der Preisgestaltung einfach nicht auf eigenen Entwicklungskosten basieren.

Bewertung Diesmal keine!

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