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Hans-Wolfgang Henn Origamics Gefaltete Mathematik Braunschweig, 28.5.2013

Origamics Gefaltete Mathematik - tu-braunschweig.de · Schwerpunkt in diesem Vortrag: GE 2 Origami in der Mathematik Konstruierbare und faltbare Zahlen Die „klassischen“ unlösbaren

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Hans-Wolfgang Henn

Origamics

Gefaltete Mathematik

Braunschweig, 28.5.2013

Winter‘sche Grunderfahrungen

(GE 1) Erscheinungen der Welt um uns, die uns alle angehen oder

angehen sollten, aus Natur, Gesellschaft und Kultur, in einer

spezifischen Art wahrzunehmen und zu verstehen,

(GE 2) mathematische Gegenstände und Sachverhalte, repräsentiert in

Sprache, Symbolen, Bildern und Formeln, als geistige Schöpfungen,

als eine deduktiv geordnete Welt eigener Art kennen zu lernen und zu

begreifen,

(GE 3) in der Auseinandersetzung mit Aufgaben Problemlöse-

fähigkeiten (heuristische Fähigkeiten), die über die Mathematik hinaus

gehen, zu erwerben.

Heinrich Winter (1995):

GE 3

GE 1

Schwerpunkt in diesem Vortrag:

GE 2

Origami in der Mathematik

Konstruierbare und faltbare Zahlen

Die „klassischen“ unlösbaren Probleme

Mit Zirkel und Lineal kann man quadratische

Gleichungen lösen (Satzgruppe des Pythagoras)

Konstruierbare Zahlen

Mit Zirkel und Lineal kann man quadratische

Gleichungen lösen (Satzgruppe des Pythagoras)

Konstruierbare Zahlen

Mit einer Zahl a kann man auch ihre

Quadratwurzel konstruieren

Höhensatz

2a 1 h , also h a

Damit kann man mit Zirkel und Lineal alle

rationale Zahlen und alle irrationale Zahlen, die

durch sukzessives Quadratwurzelziehen aus

rationalen Zahlen entstehen, konstruieren.

Beispiele:

Konstruierbare Zahlen

2 2 2 3 2 3 2 3

( 3 7 13) 11 5

Dies sind alle Zahlen aus algebraischen Körpererweiterungen K von Q mit

(K:Q) = 2n und

0 1 2 n2 2 2

K K K ... K K

Konstruierbare Zahlen

Von Schritt i zu Schritt i+1 kommen die Nullstellen

einer quadratischen Gleichung mit Koeffizienten

aus Ki hinzu.

Faltbare Zahlen

Nur wenn wir mehr Zahlen falten als mit

Zirkel und Lineal konstruieren können,

haben wir etwas gewonnen!!

Wir vergleichen „Falten“ mit den

ZuL-Konstruktionen. Dabei entsprechen

Geraden den Faltlinien und Punkte den

Schnitten von Faltlinien.

Die folgende Faltoperation hat aber kein

Äquivalent bei den Konstruktionen mit Zirkel und

Lineal.

Damit können wir, wie wir sehen werden, weitere

irrationale Zahlen konstruieren und die klassischen

Probleme der alten Griechen durch Falten lösen!

Genauer kann man alle Zahlen falten, die in

einer algebraischen Körpererweiterung K von

Q liegen mit

(K: Q) = 2n3m

und der entsprechenden Zwischenkörperkette

vom Relativgrad 2 bzw. 3.

Das Deli‘sche Problem der Würfelverdoppelung

Die Dreiteilung des Winkels

Die Konstruktion der regelmäßigen n-Ecke:

Unlösbar für n = 7

Die „klassischen“ unlösbare Probleme

Das Deli‘sche Problem der Würfelverdoppelung

3 2

Das Deli‘sche Problem der Würfelverdoppelung

Ausgangswürfel: Kantenlänge 1

Gesuchter Würfel hat Volumen 2, also gilt für seine

Kantenlänge z3 = 2. Damit müssten wir eine dritte

Wurzel z = konstruieren, was unmöglich ist.

Das Delische Problem ist also mit ZuL nicht lösbar!

3 2

3 2

Berühmter Hilfssatz: Der Satz von Haga:

Dritteln einer Strecke durch Papierfalten

Berühmter Hilfssatz: Der Satz von Haga:

Dritteln einer Strecke durch Papierfalten

Und wie kann man eine

Strecke in n gleiche

Teile falten?

Lösung des Deli‘schen

Problems mit Origami

Die Winkeldrittelung

Pierre Laurent Wantzel (1814 – 1884):

Die Winkeldrittelung

Pierre Laurent Wantzel (1814 – 1884):

Die Winkeldrittelung

Die Konstruktion von regelmäßigen n-Ecken

Euklid

325 – 270 v. Chr.

Konstruktion des regelmäßigen

3-, 4-, 5-, 6-Eck und davon

„abgeleitete“ n-Ecke

gescheitert am 7-Eck

farbige

Euklid-Ausgabe

von

Oliver Byrne

London

1847

Casanova

Liebhaber der

Frauen

und

der Mathematik!

Carl Friedrich Gauß (1777 – 1855)

Disquisitiones Arithmeticae 1801

Theorie der Kreisteilungskörper

regelmäßiges n-Eck im Einheitskreis

o360

n

regelmäßiges n-Eck im Einheitskreis

o360

n

n-te Einheitswurzel n = cos() + isin()

(Q(n):Q) ?

n ist Nullstelle des Polynoms xn – 1.

Für 2 < n = p = Primzahl ist

das Minimalpolynom von p

pp 1 p 2x 1

f (x) x x ... x 1x 1

regelmäßiges n-Eck im Einheitskreis

o360

n

n-te Einheitswurzel n = cos() + isin()

(Q(n):Q) ?

n ist Nullstelle des Polynoms xn – 1.

Für 2 < n = p = Primzahl ist

das Minimalpolynom von p

pp 1 p 2x 1

f (x) x x ... x 1x 1

f hat den Grad p - 1

Aus dem Ergebnis über konstruierbare Zahlen und der Tatsache, dass der Kreisteilungskörper galois‘sch über Q ist, folgt:

p – 1 muss Zweierpotenz sein, also m2p 2 1 Fermat 'sche Pr imzahl

Aus dem Ergebnis über konstruierbare Zahlen und der Tatsache, dass der Kreisteilungskörper galois‘sch über Q ist, folgt:

p – 1 muss Zweierpotenz sein, also m2p 2 1 Fermat 'sche Pr imzahl

Fermat-Primzahlen 3, 5, 17, 257, 65.537

7-Eck ist das erste nicht mit Z&L konstruierbare n-Eck.

Aus dem Ergebnis über konstruierbare Zahlen und der Tatsache, dass der Kreisteilungskörper galois‘sch über Q ist, folgt:

p – 1 muss Zweierpotenz sein, also m2p 2 1 Fermat 'sche Pr imzahl

Fermat-Primzahlen 3, 5, 17, 257, 65.537

7-Eck ist das erste nicht mit Z&L konstruierbare n-Eck.

17-Eck: C. F. Gauß 1.6.1796

Intelligenzblatt der allgemeinen

Literaturzeitung (Leipzig)

Gauß-Denkmal in Braunschweig 30.4.1877

Aus dem Ergebnis über konstruierbare Zahlen und der Tatsache, dass der Kreisteilungskörper galois‘sch über Q ist, folgt:

p – 1 muss Zweierpotenz sein, also m2p 2 1 Fermat 'sche Pr imzahl

Fermat-Primzahlen 3, 5, 17, 257, 65.537

7-Eck ist das erste nicht mit Z&L konstruierbare n-Eck.

17-Eck: C. F. Gauß 1.6.1796

Intelligenzblatt der allgemeinen

Literaturzeitung (Leipzig)

257-Eck: F. J. Richelot 1830

65.537-Eck: J. G. Hermes 1889

Das 7-Eck war das erste nicht mit Z&L konstruierbare n-

Eck; sein Minimalpolynom hat den Grad 6.

Faltbar sind Zahlen aus Erweiterungskörpern von K mit

(K: Q) = 2n3m

Wegen 6 = 23 ist das 7-Eck faltbar!

Allerdings ist die Faltung etwas komplizierter:

Gleichseitiges Dreieck

Falten eines Quadrats

Der Fünfteck-Knoten

Der Fünfteck-Knoten

Eine exakte Faltkonstruktion des regelmäßigen Siebenecks

Es gibt noch viel zu falten ...

.... viel Spaß dabei!

Schlusswort