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VON NIKOLAUS PIPER D ie Geschichte beginnt in Brooklyn am 18. Juni 2005. Rob Kalin, ein 23 Jahre alter New Yorker, der seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht mit selbst gebastelten Möbeln verdient, gründet zusammen mit drei Freunden eine digitale Handelsplattform für Selbstge- machtes und gibt ihr den Namen „Etsy“. Die 50 000 Dollar für den Start leiht er sich von Freunden. Heute ist „Etsy“ ein globaler Marktplatz, auf dem im vergangenen Jahr knapp 900 Millionen Dollar umgesetzt wurden. 400 Mitarbeiter im Brooklyner In- Viertel Dumbo, in San Francisco und in Ber- lin wickeln den Handel von 30 Millionen Mitgliedern ab. Hauptinvestor ist der Wag- nisfinanzierer Union Square Capital Ma- nagement, dessen Geld auch in Twitter steckt. Aus Deutschland gibt es eine ähnliche Geschichte zu berichten. Sie beginnt an- derthalb Jahre später: Am 6. Dezember 2006 gründen Claudia Helming und Micha- el Pütz in Berlin eine Konkurrenz zu Etsy – den elektronischen Bastel-Marktplatz Da- Wanda. Auch DaWanda hat Erfolg – aber es sind heute eben drei Millionen Mitglieder und nicht 30 Millionen wie bei Etsy. DaWan- da und Etsy sind Symbole für die Unter- schiede der Gründungskultur auf beiden Seiten des Atlantiks: Die Amerikaner ha- ben die verrückten Ideen und machen sie zu Geschäftsmodellen, die Deutschen imi- tieren die Ideen und bleiben auf dem zwei- ten Platz. So ähnlich war es auch mit CityDeal, ei- nem digitalen Händler von Einkaufsgut- scheinen. CityDeal imitierte die US-Platt- form Groupon und wurde von dieser schließlich 2010 übernommen. Es gibt vie- le Gründe, weshalb die Deutschen bei Neu- gründungen von internetbasierten Unter- nehmen nach den Amerikanern immer – bestenfalls – an zweiter Stelle stehen: Es ist viel schwerer, aus dem deutschen Sprach- raum heraus im Internet eine globale Prä- senz aufzubauen als aus dem englischen. Die Gründerkultur in Amerika war schon immer risikofreudiger als in Deutschland. Vor allem aber: Der Markt für Wagniskapi- tal ist in den Vereinigten Staaten ungleich ergiebiger und professioneller als in Euro- pa. Nach dem schweren Einbruch der Fi- nanzkrise kam das Geschäft mit dem Kapi- tal für Firmengründer 2011 in den USA „mit stürmischem Tempo“ zurück, sagt Lou Gerken, Chef einer kleinen Finanzfir- ma aus San Francisco und Autor eines neu- en Buches über Wagniskapital („The Little Book of Venture Capital Investing“). Da- mals sei die Summe des investierten Kapi- tals allein um 19 Prozent auf 7,5 Milliarden Dollar gestiegen. Das Risikokapital fließe derzeit vor allem in Unternehmen, die Lö- sungen aus dem Cloud Computing entwi- ckeln, die also mit Software arbeiten, die nicht beim Nutzer gespeichert ist, sondern maßgeschneidert aus Netzen bezogen wird. Cloud Computing habe die Kapital- kosten für den Start eines neuen Unterneh- mens dramatisch gesenkt. Außerdem in- vestierten Amerikas Venture Capitalists in das Gesundheitswesen, in die Biotech- Branche und in 3-D-Fertigung. „Das wäre auch für Deutschland ein hochinteressan- tes Feld“, sagt Gerken. Ein lehrreiches Beispiel ist MakerBot, ei- ne Brooklyner Firma, die 3-D-Drucker für jedermann herstellt. Der heute 40 Jahre al- te Bre Pattis hatte sie erst vor vier Jahren ge- gründet. Vor zwei Jahren investierte der Wagnisfinanzierer Foundry Group zehn Millionen Dollar in die Firma. Im vergange- nen Juni schließlich verkaufte Bre Pattis MakerBot für 403 Millionen Dollar an Stra- tasys, einen führenden Hersteller industri- eller 3-D-Roboter aus dem Bundesstaat Minnesota. Der Gewinn für die Foundry Group dürfte gewaltig sein. Lou Gerken sieht klare Gründe dafür, warum Venture Capital in den USA so viel leichter verfügbar ist als in Deutschland: „Die USA haben ein viel risikofreudigeres Investitionsklima und eine größere Kon- zentration von Serienunternehmern (Un- ternehmern, die eine Firma nach der ande- ren gründen). Deutschland dagegen ist ge- prägt vom Mittelstand.“ Die ganze Firmen- kultur ist konservativer. Was für Deutschland gilt, gilt auch für Europa insgesamt. Die Research-Firma Dow Jones Venture Source, ein Schwester- unternehmen des Wall Street Journals, ver- glich in einer Studie die Wagniskapital-Sze- ne in den USA und in der Europäischen Uni- on – mit ernüchternden Ergebnissen für die Europäer. Das fängt bei der schieren Größe an. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres investierten amerikanische Firmen 4,6 Milliarden Dollar in neue Technologien – das ist mehr, als ihre Konkurrenten in Eu- ropa im ganzen Jahr 2012 ausgaben. US- Wagnisfinanzierer schlossen in der Zeit 563 Deals ab, die Europäer 222. Eine andere Beobachtung lässt auf ei- nen Vorsprung an Professionalität seitens der Amerikaner schließen: Deren Investiti- onen gehen überwiegend in die zweite Run- de der Finanzierung, wenn das fragliche Un- ternehmen bereits bewiesen hat, dass es Er- träge generieren kann, der dauerhafte Er- folg aber noch aussteht. In dieser Phase sind die Gewinnaussichten am höchsten. Europäer dagegen investieren überwie- gend in der ersten, riskantesten Phase ei- ner Firmengründung – und in der letzten, wenn die Grundsatzentscheidungen be- reits gefallen sind. Das bedeutet: Europas Finanzierer begeben sich selbst in einen strukturellen Nachteil. Und über allem steht die unterschiedli- che Risikokultur in den USA. Risiken wer- den ebenso akzeptiert wie Scheitern und Verluste. Das kann zu Exzessen führen, wie an der Wall Street während der Finanzkri- se, es nützt aber in Zeiten rapiden techni- schen Wandels. Deshalb finden auch heute noch Innovationen zuerst in den USA ihren Markt. Ein Symbol für diese Risikobereitschaft kann man heute besichtigen: Es ist die Ga- rage in Palo Alto (Kalifornien), in der David Packard und William Hewlett 1939 ihr Un- ternehmen gründeten, den späteren Welt- konzern Hewlett-Packard. Andere Großun- ternehmen des IT-Zeitalters entstanden unter ähnlich bescheidenen Umständen: Apple, Microsoft, Google. Und vermutlich ist das Risikokapital für die nächste Genera- tion von Weltmarktführern bereits heute investiert. Es sind oft die engsten Familienmitglieder, die bei einer Unternehmensgründung die nötige Summe aufbringen oder etwas bei- steuern. Legendär ist etwa die Geschichte von Martin Herrenknecht. Der Schwanau- er Tunnelbohrmaschinenbauer und Welt- marktführer gründete einst seine Firma in einem Garagenbüro. Das Startkapital von 25 000 Mark lieh er sich von seiner Mutter, wie er der Presse einmal verriet. Doch vom Typ eines Herrenknechts, den selbst Kriti- ker wegen seiner Macherqualitäten bewun- dern, scheint es immer weniger Gründer zu geben. Die Zahl der Gründungen geht seit Jah- ren zurück. 2012 haben sich laut dem „KfW- Gründungsmonitor 2013“ nur 775 000 Per- sonen selbständig gemacht. Das sind sie- ben Prozent weniger als im Vorjahr, was 60 000 Gründungen entspricht. Es ist auch der tiefste Stand seit dem Jahr 2000, in dem die Umfrage erstmals erhoben wurde. Warum es im Land des Mittelstands den- noch keinen Aufschrei gibt, liegt wohl vor allem an der günstigen Arbeitsmarktlage. Eine gute Konjunktur wirkt sich meist ne- gativ auf das Gründergeschehen aus. Georg Licht, Gründungsforscher beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsfor- schung (ZEW), unterscheidet drei Motive, warum sich Menschen selbständig ma- chen. Die erste Gruppe der Gründer sieht für sich keine besseren Alternativen auf dem Arbeitsmarkt. Die zweite möchte lie- ber ohne Chef arbeiten. Und zu der dritten Gruppe zählen diejenigen, die eine innova- tive Idee haben und versuchen, mit etwas Neuem in den Markt einzutreten. Der muti- ge, clevere Gründertyp, der sich zum Unter- nehmertum geradezu berufen fühlt, eine Vielzahl von Arbeitsplätzen schafft und mit neuen Produkten für eine wettbewerbsfähi- ge Wirtschaft sorgt – trifft also nur auf ei- nen Bruchteil der Gründungen zu. Viele Un- ternehmen entstehen schlicht aus der Not heraus. „Die Arbeitslosigkeit ist noch im- mer eines der Hauptmotive für eine Unter- nehmensgründung“, sagt Licht. Der zweiten Gruppe von Gründern fehlt mittlerweile oft der Anreiz, sich selbstän- dig zu machen. Eine Arbeitswelt mit eher flachen Hierarchien beeinflusst die Zahl der Neugründungen negativ: „Unterneh- men sind heute keine reinen Kommandobe- triebe mehr, sondern bieten Mitarbeitern mehr Chancen, sich zu beweisen, und Mög- lichkeiten, sich weiterzuentwickeln“, sagt Licht. Zudem sei die Einkommenssituation für einen Großteil der Selbständigen schlechter als für abhängig Beschäftigte. Der soziale Status spiele eine entscheiden- de Rolle: „Viele sehen ein Risiko für ihre wei- tere Karriere, wenn sie aus dem System frei- willig herausgehen und danach möglicher- weise nur schwer wieder hineinfinden.“ Gründer zu werden, ist vielen zu risiko- reich. „Es ist schwieriger geworden, ein Unter- nehmen zu gründen“, urteilt Licht. Die Gründe sind jedoch nicht so klar zu benen- nen. Die Finanzierungsbedingungen in Deutschland sind besser als in vielen ande- ren Ländern. „Mit einer Ausnahme“, sagt Licht. Innovative Gründer, die lange inves- tieren müssten, ehe sie Gewinne machten, oder Gründer mit Branchen, die gleich von Beginn an sehr schnell wachsen würden, hätten es in Deutschland schwer, an eine entsprechende Finanzierung zu kommen. Auch ist das Vertrauen in Wagniskapital- geber wie Venture-Capital-Firmen hierzu- lande eher gering. „In Deutschland hat die Venture-Capital-Industrie immer noch dar- an zu knabbern, dass viele ihrer unterstütz- ten Firmen beim Platzen der Dotcom-Bla- se gescheitert sind“, sagt Dorothea Schä- fer, Forschungsdirektorin im Bereich Fi- nanzmärkte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW). Ge- rade bei wachstumsorientierten Gründun- gen seien Banken derzeit sehr vorsichtig, weil sie selbst Probleme hätten. Oftmals liegt es aber nicht an der Finan- zierung, warum eine Gründung scheitert. Der Anteil der Gründer, die gleich am An- fang eine Bankfinanzierung suchen, ist laut Schäfer eher gering. Wer sich auf die Suche macht, sollte zunächst prüfen, ob es nicht staatliche Förderungen gibt, die güns- tiger sind oder nicht zurückgezahlt werden müssen. Schäfer sieht hier jedoch auch Ver- besserungsbedarf: „Es gibt einen sehr gro- ßen Förderdschungel. Für manchen Selb- ständigen ist es schwer, sich da noch zu- recht zufinden.“ Und welche Eigenschaften braucht es, um erfolgreich zu sein? „Gründer sollten vorsichtig, aber dennoch mutig sein“, meint Schäfer. „Eine vernünftige Idee ha- ben, ein gesundes Finanzierungswissen und eine realistische Einschätzung der Fi- nanzierung besitzen.“ Licht ergänzt: „Man muss es wollen und eine Vision für eine Marktlücke haben.“ Eine Aufgabe für Träu- mer und Macher. KATHARINA WETZEL „Man muss es wollen und eine Vision für eine Marktlücke haben.“ Die Amerikaner haben die verrückten Ideen – die Deutschen imitieren sie. Wo sind die Träumer und Macher? Die Selbständigkeit hat an Reiz verloren. Ein Unternehmen zu gründen, ist vielen zu risikoreich Wagnis ohne Vorbehalt In den USA ist die Finanzierung junger Unternehmen viel einfacher als in Deutschland. Dies hat verschiedene Gründe. Die Geldgeber sind risikobereiter. Sie gehen bei ihrer Investition professioneller und strategischer vor. Und auch ein Scheitern wird eher akzeptiert Chefin über Nacht Als ihr Mann verunglückte, trat Waltraud Lenhart an die Spitze der Firma Leki V2/2 Starthilfe für Mutige Geld gibt es bei Banken und Förderinstituten. Bei wem was zu holen ist V2/3 Macht des Schwarms Wer im Internet Investoren sucht, braucht ein gutes Netzwerk V2/4 Auch heute finden Innovationen zuerst in den USA ihren Markt So manche Karriere begann in einer Garage. Dieses Exemplar kann man heute in Palo Alto (Kalifornien) besichtigen. David Packard und William Hewlett gründeten 1939 hier ihr Unternehmen, den späteren Weltkonzern Hewlett-Packard. FOTO: DAVID PAUL MORRIS/AFP INHALT DEFGH Nr. 204, Mittwoch, 4. September 2013 EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG FINANZIEREN IM MITTELSTAND Mittelstandsbank Mit hoher Beratungskompetenz, die neue Perspektiven öffnet. So erschließen wir für Sie die ganze Vielfalt an klassischen wie innovativen Finanzie- rungsformen, damit Ihnen für jedes Vorhaben die optimale Lösung zur Verfügung steht. Auch bei komplexen Herausforderungen und für Ihre Internationalisierung erarbeiten wir gemeinsam mit Ihnen passgenaue Strukturen, die zusätzliche Spielräume schaffen. Dies alles mit hoher Verlässlichkeit, umfangreichem Branchen-Know-how und schnellen Entscheidungen. Damit Sie jetzt besser finanzieren können. www.commerzbank.de/mittelstandsfinanzierung Jetzt besser finanzieren!

DEFGH EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN … · 2013-09-04 · muss es wollen und eine Vision für eine Marktlückehaben.“EineAufgabefürTräu- ... Als ihr Mann verunglückte, ... ein

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Page 1: DEFGH EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN … · 2013-09-04 · muss es wollen und eine Vision für eine Marktlückehaben.“EineAufgabefürTräu- ... Als ihr Mann verunglückte, ... ein

VON NIKOLAUS PIPER

D ie Geschichte beginnt in Brooklynam 18. Juni 2005. Rob Kalin, ein 23Jahre alter New Yorker, der seinen

Lebensunterhalt mehr schlecht als rechtmit selbst gebastelten Möbeln verdient,gründet zusammen mit drei Freunden einedigitale Handelsplattform für Selbstge-machtes und gibt ihr den Namen „Etsy“.Die 50 000 Dollar für den Start leiht er sichvon Freunden. Heute ist „Etsy“ ein globalerMarktplatz, auf dem im vergangenen Jahrknapp 900 Millionen Dollar umgesetztwurden. 400 Mitarbeiter im Brooklyner In-Viertel Dumbo, in San Francisco und in Ber-lin wickeln den Handel von 30 MillionenMitgliedern ab. Hauptinvestor ist der Wag-nisfinanzierer Union Square Capital Ma-nagement, dessen Geld auch in Twittersteckt.

Aus Deutschland gibt es eine ähnlicheGeschichte zu berichten. Sie beginnt an-derthalb Jahre später: Am 6. Dezember2006 gründen Claudia Helming und Micha-el Pütz in Berlin eine Konkurrenz zu Etsy –den elektronischen Bastel-Marktplatz Da-Wanda. Auch DaWanda hat Erfolg – aber essind heute eben drei Millionen Mitgliederund nicht 30 Millionen wie bei Etsy. DaWan-da und Etsy sind Symbole für die Unter-schiede der Gründungskultur auf beidenSeiten des Atlantiks: Die Amerikaner ha-ben die verrückten Ideen und machen siezu Geschäftsmodellen, die Deutschen imi-tieren die Ideen und bleiben auf dem zwei-ten Platz.

So ähnlich war es auch mit CityDeal, ei-nem digitalen Händler von Einkaufsgut-scheinen. CityDeal imitierte die US-Platt-form Groupon und wurde von dieserschließlich 2010 übernommen. Es gibt vie-le Gründe, weshalb die Deutschen bei Neu-gründungen von internetbasierten Unter-nehmen nach den Amerikanern immer –bestenfalls – an zweiter Stelle stehen: Es istviel schwerer, aus dem deutschen Sprach-raum heraus im Internet eine globale Prä-senz aufzubauen als aus dem englischen.Die Gründerkultur in Amerika war schonimmer risikofreudiger als in Deutschland.Vor allem aber: Der Markt für Wagniskapi-tal ist in den Vereinigten Staaten ungleichergiebiger und professioneller als in Euro-pa.

Nach dem schweren Einbruch der Fi-nanzkrise kam das Geschäft mit dem Kapi-tal für Firmengründer 2011 in den USA„mit stürmischem Tempo“ zurück, sagtLou Gerken, Chef einer kleinen Finanzfir-ma aus San Francisco und Autor eines neu-en Buches über Wagniskapital („The LittleBook of Venture Capital Investing“). Da-mals sei die Summe des investierten Kapi-tals allein um 19 Prozent auf 7,5 MilliardenDollar gestiegen. Das Risikokapital fließederzeit vor allem in Unternehmen, die Lö-sungen aus dem Cloud Computing entwi-

ckeln, die also mit Software arbeiten, dienicht beim Nutzer gespeichert ist, sondernmaßgeschneidert aus Netzen bezogenwird. Cloud Computing habe die Kapital-kosten für den Start eines neuen Unterneh-mens dramatisch gesenkt. Außerdem in-vestierten Amerikas Venture Capitalists indas Gesundheitswesen, in die Biotech-Branche und in 3-D-Fertigung. „Das wäreauch für Deutschland ein hochinteressan-tes Feld“, sagt Gerken.

Ein lehrreiches Beispiel ist MakerBot, ei-ne Brooklyner Firma, die 3-D-Drucker fürjedermann herstellt. Der heute 40 Jahre al-te Bre Pattis hatte sie erst vor vier Jahren ge-gründet. Vor zwei Jahren investierte derWagnisfinanzierer Foundry Group zehnMillionen Dollar in die Firma. Im vergange-nen Juni schließlich verkaufte Bre PattisMakerBot für 403 Millionen Dollar an Stra-

tasys, einen führenden Hersteller industri-eller 3-D-Roboter aus dem BundesstaatMinnesota. Der Gewinn für die FoundryGroup dürfte gewaltig sein.

Lou Gerken sieht klare Gründe dafür,warum Venture Capital in den USA so vielleichter verfügbar ist als in Deutschland:„Die USA haben ein viel risikofreudigeresInvestitionsklima und eine größere Kon-zentration von Serienunternehmern (Un-ternehmern, die eine Firma nach der ande-ren gründen). Deutschland dagegen ist ge-prägt vom Mittelstand.“ Die ganze Firmen-kultur ist konservativer.

Was für Deutschland gilt, gilt auch fürEuropa insgesamt. Die Research-FirmaDow Jones Venture Source, ein Schwester-unternehmen des Wall Street Journals, ver-glich in einer Studie die Wagniskapital-Sze-ne in den USA und in der Europäischen Uni-

on – mit ernüchternden Ergebnissen fürdie Europäer. Das fängt bei der schierenGröße an. Allein im zweiten Quartal diesesJahres investierten amerikanische Firmen4,6 Milliarden Dollar in neue Technologien– das ist mehr, als ihre Konkurrenten in Eu-ropa im ganzen Jahr 2012 ausgaben. US-Wagnisfinanzierer schlossen in der Zeit563 Deals ab, die Europäer 222.

Eine andere Beobachtung lässt auf ei-nen Vorsprung an Professionalität seitensder Amerikaner schließen: Deren Investiti-onen gehen überwiegend in die zweite Run-de der Finanzierung, wenn das fragliche Un-ternehmen bereits bewiesen hat, dass es Er-träge generieren kann, der dauerhafte Er-folg aber noch aussteht. In dieser Phasesind die Gewinnaussichten am höchsten.Europäer dagegen investieren überwie-gend in der ersten, riskantesten Phase ei-ner Firmengründung – und in der letzten,wenn die Grundsatzentscheidungen be-reits gefallen sind. Das bedeutet: EuropasFinanzierer begeben sich selbst in einenstrukturellen Nachteil.

Und über allem steht die unterschiedli-che Risikokultur in den USA. Risiken wer-den ebenso akzeptiert wie Scheitern undVerluste. Das kann zu Exzessen führen, wiean der Wall Street während der Finanzkri-se, es nützt aber in Zeiten rapiden techni-schen Wandels. Deshalb finden auch heutenoch Innovationen zuerst in den USA ihrenMarkt.

Ein Symbol für diese Risikobereitschaftkann man heute besichtigen: Es ist die Ga-rage in Palo Alto (Kalifornien), in der DavidPackard und William Hewlett 1939 ihr Un-ternehmen gründeten, den späteren Welt-konzern Hewlett-Packard. Andere Großun-ternehmen des IT-Zeitalters entstandenunter ähnlich bescheidenen Umständen:Apple, Microsoft, Google. Und vermutlichist das Risikokapital für die nächste Genera-tion von Weltmarktführern bereits heuteinvestiert.

Es sind oft die engsten Familienmitglieder,die bei einer Unternehmensgründung dienötige Summe aufbringen oder etwas bei-steuern. Legendär ist etwa die Geschichtevon Martin Herrenknecht. Der Schwanau-er Tunnelbohrmaschinenbauer und Welt-marktführer gründete einst seine Firma ineinem Garagenbüro. Das Startkapital von25 000 Mark lieh er sich von seiner Mutter,wie er der Presse einmal verriet. Doch vomTyp eines Herrenknechts, den selbst Kriti-ker wegen seiner Macherqualitäten bewun-dern, scheint es immer weniger Gründer zugeben.

Die Zahl der Gründungen geht seit Jah-ren zurück. 2012 haben sich laut dem „KfW-Gründungsmonitor 2013“ nur 775 000 Per-sonen selbständig gemacht. Das sind sie-ben Prozent weniger als im Vorjahr, was60 000 Gründungen entspricht. Es ist auchder tiefste Stand seit dem Jahr 2000, indem die Umfrage erstmals erhoben wurde.Warum es im Land des Mittelstands den-noch keinen Aufschrei gibt, liegt wohl vorallem an der günstigen Arbeitsmarktlage.Eine gute Konjunktur wirkt sich meist ne-

gativ auf das Gründergeschehen aus.Georg Licht, Gründungsforscher beim

Zentrum für Europäische Wirtschaftsfor-schung (ZEW), unterscheidet drei Motive,warum sich Menschen selbständig ma-chen. Die erste Gruppe der Gründer siehtfür sich keine besseren Alternativen aufdem Arbeitsmarkt. Die zweite möchte lie-ber ohne Chef arbeiten. Und zu der drittenGruppe zählen diejenigen, die eine innova-tive Idee haben und versuchen, mit etwasNeuem in den Markt einzutreten. Der muti-ge, clevere Gründertyp, der sich zum Unter-nehmertum geradezu berufen fühlt, eineVielzahl von Arbeitsplätzen schafft und mitneuen Produkten für eine wettbewerbsfähi-

ge Wirtschaft sorgt – trifft also nur auf ei-nen Bruchteil der Gründungen zu. Viele Un-ternehmen entstehen schlicht aus der Notheraus. „Die Arbeitslosigkeit ist noch im-mer eines der Hauptmotive für eine Unter-nehmensgründung“, sagt Licht.

Der zweiten Gruppe von Gründern fehltmittlerweile oft der Anreiz, sich selbstän-dig zu machen. Eine Arbeitswelt mit eherflachen Hierarchien beeinflusst die Zahlder Neugründungen negativ: „Unterneh-men sind heute keine reinen Kommandobe-triebe mehr, sondern bieten Mitarbeiternmehr Chancen, sich zu beweisen, und Mög-lichkeiten, sich weiterzuentwickeln“, sagtLicht. Zudem sei die Einkommenssituationfür einen Großteil der Selbständigenschlechter als für abhängig Beschäftigte.Der soziale Status spiele eine entscheiden-de Rolle: „Viele sehen ein Risiko für ihre wei-tere Karriere, wenn sie aus dem System frei-willig herausgehen und danach möglicher-weise nur schwer wieder hineinfinden.“Gründer zu werden, ist vielen zu risiko-reich.

„Es ist schwieriger geworden, ein Unter-nehmen zu gründen“, urteilt Licht. DieGründe sind jedoch nicht so klar zu benen-nen. Die Finanzierungsbedingungen inDeutschland sind besser als in vielen ande-ren Ländern. „Mit einer Ausnahme“, sagtLicht. Innovative Gründer, die lange inves-tieren müssten, ehe sie Gewinne machten,oder Gründer mit Branchen, die gleich vonBeginn an sehr schnell wachsen würden,hätten es in Deutschland schwer, an eineentsprechende Finanzierung zu kommen.

Auch ist das Vertrauen in Wagniskapital-geber wie Venture-Capital-Firmen hierzu-lande eher gering. „In Deutschland hat dieVenture-Capital-Industrie immer noch dar-an zu knabbern, dass viele ihrer unterstütz-ten Firmen beim Platzen der Dotcom-Bla-se gescheitert sind“, sagt Dorothea Schä-fer, Forschungsdirektorin im Bereich Fi-nanzmärkte beim Deutschen Institut fürWirtschaftsforschung in Berlin (DIW). Ge-rade bei wachstumsorientierten Gründun-

gen seien Banken derzeit sehr vorsichtig,weil sie selbst Probleme hätten.

Oftmals liegt es aber nicht an der Finan-zierung, warum eine Gründung scheitert.Der Anteil der Gründer, die gleich am An-fang eine Bankfinanzierung suchen, istlaut Schäfer eher gering. Wer sich auf dieSuche macht, sollte zunächst prüfen, ob esnicht staatliche Förderungen gibt, die güns-tiger sind oder nicht zurückgezahlt werdenmüssen. Schäfer sieht hier jedoch auch Ver-besserungsbedarf: „Es gibt einen sehr gro-ßen Förderdschungel. Für manchen Selb-ständigen ist es schwer, sich da noch zu-recht zufinden.“

Und welche Eigenschaften braucht es,um erfolgreich zu sein? „Gründer solltenvorsichtig, aber dennoch mutig sein“,meint Schäfer. „Eine vernünftige Idee ha-ben, ein gesundes Finanzierungswissenund eine realistische Einschätzung der Fi-nanzierung besitzen.“ Licht ergänzt: „Manmuss es wollen und eine Vision für eineMarktlücke haben.“ Eine Aufgabe für Träu-mer und Macher. KATHARINA WETZEL

„Man muss es wollenund eine Vision für eineMarktlücke haben.“

Die Amerikaner haben dieverrückten Ideen – dieDeutschen imitieren sie.

Wo sind die Träumer und Macher?Die Selbständigkeit hat an Reiz verloren. Ein Unternehmen zu gründen, ist vielen zu risikoreich

Wagnis ohne VorbehaltIn den USA ist die Finanzierung junger Unternehmen viel einfacher als in Deutschland. Dies hat verschiedene Gründe. Die Geldgeber sind risikobereiter.

Sie gehen bei ihrer Investition professioneller und strategischer vor. Und auch ein Scheitern wird eher akzeptiert

Chefin über NachtAls ihr Mann verunglückte,trat Waltraud Lenhart an dieSpitze der Firma Leki V2/2Starthilfe für MutigeGeld gibt es bei Banken undFörderinstituten. Bei wemwas zu holen ist V2/3Macht des SchwarmsWer im Internet Investorensucht, brauchtein gutes Netzwerk V2/4

Auch heute findenInnovationen zuerst in denUSA ihren Markt

So manche Karriere begann in einer Garage. Dieses Exemplar kann man heute in Palo Alto (Kalifornien) besichtigen. David Packard und William Hewlett gründeten 1939hier ihr Unternehmen, den späteren Weltkonzern Hewlett-Packard. FOTO: DAVID PAUL MORRIS/AFP

INHALT

DEFGH Nr. 204, Mittwoch, 4. September 2013 EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG

FINANZIEREN IM MITTELSTAND

Mittelstandsbank

Mit hoher Beratungskompetenz, die neue Perspektiven öffnet. So erschließen wir für Sie die ganze Vielfalt an klassischen wie innovativen Finanzie-rungsformen, damit Ihnen für jedes Vorhaben die optimale Lösung zur Verfügung steht. Auch bei komplexen Herausforderungen und für Ihre Internationalisierung erarbeiten wir gemeinsam mit Ihnen passgenaue Strukturen, die zusätzliche Spielräume schaffen. Dies alles mit hoher Verlässlichkeit, umfangreichem Branchen-Know-how und schnellen Entscheidungen. Damit Sie jetzt besser finanzieren können. www.commerzbank.de/mittelstandsfinanzierung

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VON DAGMAR DECKSTEIN

E s ist noch nicht lange her, da saß indiesem Besprechungsraum KlausLenhart und stellte sich den Fragen

der Journalistin. Der Gründersohn, Unter-nehmer aus Leidenschaft und unablässi-ger Tüftler, hatte vom Innovationspotenzi-al geschwärmt, das noch in einem ver-gleichsweise schnöden Produkt wie Ski-oder Wanderstock stecke. Und von seineninternationalen Expansionsplänen berich-tet, die er mit Leki hegte, der Firma ausKirchheim unter Teck, die er seit 1984 zu-sammen mit seiner Frau Waltraud zumWeltmarktführer gemacht hatte. Nur we-nige Wochen nach dem Interview starbKlaus Lenhart, mehrmaliger DeutscherMeister im Kunstflug. Am 30. April 2012,einen Tag vor seinem 57. Geburtstag, kamer durch einen tragischen Absturz aufdem Flugplatz Kirchheim-Hahnweideums Leben.

Auf demselben Stuhl wie er damals imBesprechungszimmer sitzt nun WaltraudLenhart, 56 Jahre alt, schlank, sportlich,selbstbewusst. Aber auch immer wiederinnehaltend. Wie auch sonst, wenn es so-zusagen über Nacht galt, den Chef-Stuhleinzunehmen, „in einer Extremsituation,die man nicht anders bezeichnen kann alseine Katastrophe“.

Plötzlich alleinverantwortlich für 250Mitarbeiter, 40 Millionen Euro Umsatzund eine Weltmarke für Alpinski-, Trek-

king- und Nordic-Walking-Stöcke. Schonam 1. Mai, einen Tag nach dem Tod deslangjährigen Firmenchefs, habe sie die Le-ki-Mannschaft einberufen, um zu versi-chern, dass sie nun das Unternehmen oh-ne ihren Mann weiterführen werde.

Und ja, natürlich seien alsbald, wieauch früher schon regelmäßig, Angebotevon einschlägigen Outdoor-Herstellerneingegangen, die Leki gerne übernom-men hätten. „Das kam weder für meinenMann noch für mich je in Frage“, so Wal-traud Lenhart. Obwohl man es einer Mitt-fünfzigerin, ausgebildete Lehrerin fürSport und Werken und mit einem solchenUnglück konfrontiert, wohl durchausnachgesehen hätte. Zumal sich immer wie-der die Frage stellt, wie sehr das Schicksaleiner Firma vom Geist der Gründerpersön-lichkeit bestimmt wird und ob sie ohne die-sen Gründer-„Spirit“ weiterexistierenkann. Sie kann das durchaus, wie zum Bei-spiel die Verlegerwitwen Friede Springerund Liz Mohn, die Continental-Chefin Eli-sabeth Schaeffler oder auch die Erbin desMünchner Immobilien- und Biermagna-ten Schörghuber, Alexandra Schörghuber,bewiesen haben.

Da spielt Leki, an der Firmengröße ge-messen, in einer vergleichsweise kleinenLiga. Aber die Herausforderung ist die glei-che: „Ich wusste sofort, dass ich jetzt gefor-dert war. Es ging ja nicht nur um meine Fa-milie, sondern um das ganze Unterneh-men, die Beschäftigten und deren Fami-lien“, sagt Waltraud Lenhart. „Ich habemein Bekenntnis, die Firma fortzuführen,als wichtiges Signal für meine Mitarbeiterund für den Markt gesehen.“

Und Waltraud und Klaus Lenhart hat-ten sich ja beizeiten schon auf die Nachfol-gefrage vorbereitet, auf eine Art schlei-chenden Ausstieg der Altvorderen ausdem Unternehmen und sogar auf einenmöglichen, wenn auch in der Vorstellungimmer nur abstrakt anzunehmenden GAUwie den vom 30. April 2012 . Schon in denNeunzigerjahren haben Waltraud undKlaus Lenhart festgelegt, was dereinst ausdem gerade immer größer werdenden Un-ternehmen werden solle, auch im

schlimmsten Fall der Fälle. „Das betrifftnicht nur die Nachfolge der nächsten Gene-ration, sondern geht bis hin zur Frage, werim Zweifelsfall noch unterschriftberech-tigt sein soll, wenn ein dafür Alleinverant-wortlicher ausfällt“, erklärt Waltraud Len-hart. Das Geschäft muss ja weitergehen.Ein Geschäft, das zwar nicht Klaus Lenhartgegründet hat, sondern sein Vater Karl an-no 1948, eines für Plastik- und Metaller-zeugnisse. 1974 wanderte Karl Lenhart auf-grund familiärer Zerwürfnisse in dieSchweiz aus und überließ den Kirch-heimer Betrieb seinen Söhnen Klaus, da-mals 19, und dessen vier Jahre älterem Bru-der. Letzterer schied dann 1984 aus demUnternehmen aus, fortan führten Klausund seine Frau Waltraud das Regiment,bauten die Marke Leki – das Kürzel für Len-hart und Kirchheim – zur internationalagierenden Firma aus. Nicht nur Skistö-cke, sondern Alljahresprodukte wie Nordic-Walking-Stöcke kamen in die Kollektion,damit der Betrieb, der im tschechischenTachov produziert, das ganze Jahr ausge-

lastet sein würde. Insofern, könnte man sa-gen, war der tödlich verunglückte KlausLenhart der eigentliche Gründer des heuti-gen Weltmarktführers Leki. Frau Wal-traud stieg 1984 ebenfalls ins Unterneh-men ein, hat, wie sie sich erinnert, anfangs„mal nur die Ablage gemacht“, sich aberdann im Laufe der Jahre in die Rolle der Fi-nanzchefin hineingearbeitet. „Man kannalles lernen“, sagt die Lehrerin.

Dieses Lern-Vermögen haben Klausund Waltraud Lenhart auch ihren 250 Mit-arbeitern unterstellt. Der beizeiten schonund von jedem Mittelstandsexperten emp-fohlene „Plan X“ für die Nachfolge sahauch so aus, dass „wir unser Unterneh-men mit dem Wachstum auch neu struktu-rieren mussten,“ so Waltraud Lenhart.Dieser Prozess habe schon lang vor KlausLenharts Tod begonnen. „Man kann einUnternehmen nicht von einer einzigenFührungspersönlichkeit abhängig ma-chen, man muss früh, wenn mit demWachstum auch neue Abteilungen not-wendig werden, die Verantwortung auf

mehr Schultern verteilen.“ Diesen Pro-zess, so sagt die über Nacht Chefin gewor-dene Waltraud Lenhart, führe sie auf jedenFall weiter. „Eine Firma ist niemals etwasStatisches, sie ist immer in Bewegung. Wirhaben fürs Erste unser Ziel erreicht, näm-lich wieder Stabilität und Kontinuitätnach dem plötzlichen Tod meines Manneshineinzubringen."

Dafür sorgt auch nicht zuletzt Sohn Mar-kus, 28, der sich, nach einer Werkzeugma-cher- und Technikerausbildung, in die ver-schiedenen Unternehmensbereiche einar-beitet. Es deutet alles darauf hin, dass erdereinst die Firma übernehmen wird.

Waltraud Lenhart indes verrät, wie oftüblich im Mittelstand, außer Umsatz- kei-ne weiteren Geschäftszahlen. Nicht einmaldie Höhe der „sehr auskömmlichen Eigen-kapitalquote.“ Immerhin habe man die Be-triebsgewinne sämtlich im Betrieb belas-sen. So hätten die Banken, mit denen Lekiausschließlich auf klassischer Firmenkre-dit-Ebene seit vielen Jahren zusammenar-beite, das Nachfolgekonzept umstandslosakzeptiert.

Auch die Wachstumsstrategie, die KlausLenhart vor eineinhalb Jahren konzipierthat, verfolgt Waltraud Lenhart weiter: „Ge-rade in Asien und Lateinamerika sehen wirnoch lukrative Märkte.“ Eines allerdingsgesteht sie zu: „Ich bin nicht Techniker, wiees mein Mann war.“ Aber für Neuentwick-lungen gebe es das Forschungs- und Ent-wicklungsteam in Tschechien. „Aber eineder wichtigsten Führungsaufgaben in ei-nem Unternehmen ist die, ziehen zu kön-nen.“ Ziehen? Womit wohin? „Kraft eige-ner Persönlichkeit und mit Vision in die Zu-kunft des Unternehmens.“

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Chefin über NachtAls ihr Mann tödlich verunglückte, trat Waltraud Lenhartan die Spitze des Kirchheimer Stockherstellers Leki

Abwarten und Tee trinken, diesen Luxuskönnen sich nur wenige Start-ups leisten.Für Kai Lembke und Thorsten Stick gehörtdas Teetrinken zum Berufsalltag: Die Ham-burger sind Gründer der Firma Stick &Lembke, einem Großhandel für Tee aus bio-logischem Anbau. Seit Oktober 2011 bietendie beiden viele Sorten an, die sie unterdem Zusatz „Die mit ohne“ verkaufen – oh-ne Aromen, ohne künstliche Zusätze.

„Der Tee“ steht ebenso schlicht wie großauf den Verpackungen, die mittlerweileteils landesweit in den Filialen verschiede-ner Supermarkt- und Drogerieketten er-hältlich sind. Bei einer Million Packungenliegt ihre Jahresauflage derzeit, sagt KaiLembke. Im nächsten Jahr könnte sich dieZahl angesichts der guten Auftragslage ver-doppeln, meint er optimistisch.

Die Dinge laufen fast zwei Jahre nachder Gründung besser als erwartet. Schonim zweiten Geschäftsjahr, das sie im Juli ab-geschlossen haben, weist ihr Unternehmenbei einem „siebenstelligen Umsatz“ ein aus-geglichenes Ergebnis auf, keine Verluste,wie es der Businessplan vorsah. Sie hättenviel Glück gehabt, sagt Lembke, der sichum Einkauf und Marketing kümmert.Doch der 47-Jährige und sein zwei Jahrejüngerer Partner, der für Vertrieb und Fi-nanzen zuständig ist, haben dem Glückauch viel nachgeholfen. Außerdem hattensie ein gutes Gespür für den richtigen Zeit-punkt. „Wenn wir schneller gewesen wärenmit der Gründung, wäre es vielleicht zufrüh gewesen“, sagt Thorsten Stick. „Unddeutlich langsamer hätten wir auch nichtsein dürfen.“ Waren Bio-Produkte vor einpaar Jahren nur für eine überschaubareSchar an Konsumenten attraktiv, sind Le-bensmittel aus ökologischem Anbau heutegefragt, ein Wachstumsmarkt, auch fürTee. Eine Nische, die man erkennen und be-setzen muss, bevor es andere tun.

Ein Jahr lang haben Stick und Lembkegemeinsam mit einer Werbeagentur ihrKonzept „abgeklopft“, nach Feierabendund an den Wochenenden, bevor sie denSchritt in die Selbständigkeit wagten undihre Jobs als Geschäftsführer und Vertriebs-leiter kündigten. Die gewissenhafte Vorbe-reitung kommt nicht von ungefähr: DieKaufleute kennen die Stärken der Konkur-renz. Lembke hat schon seine Ausbildungin der Branche absolviert, hat fast drei Jahr-zehnte Erfahrung, und auch Stick ist seitmehreren Jahren in diesem Umfeld tätig.

„Optimale Voraussetzungen“ und ein„sehr hohes Niveau“ bescheinigt ihnenDirk Grah, Regionalleiter der GLS Bank inHamburg. „Die beiden hatten Erfahrungmit Tee, kannten sich im Handel aus undtraten sehr professionell auf.“ Das sei beiFirmengründern nicht die Regel. Mehr alsein Drittel des nötigen Kapitals, eine Sum-me „im mittleren sechsstelligen Bereich“,haben die Geschäftspartner selbst mitge-bracht, laut Grah „das Minimum in so ei-nem Handelsgewerbe“. Der Rest musste fi-nanziert werden. Überzeugt haben die

Bank dabei auch die verhaltenen Erwar-tungen der Gründer: „Sie sind relativ kon-servativ an die Entwicklung ihrer Firmaherangegangen“, sagt Grah.

Viele Unternehmer und Unternehmens-berater überschätzten sich zu Beginn undkalkulierten nicht den „Worst case“ samtPlan B oder C ein. „Aber gerade diese Pha-se, in der Sie noch kein Geld verdienen, soll-te sehr pessimistisch und sehr realistischgeplant sein“, sagt Grah. „Denn wenn diegeplanten Umsätze dann nicht erreichtwerden, ist es ganz schwierig für den Un-ternehmer, mit der Bank über weiterge-hende Maßnahmen zu sprechen.“

Der Bankexperte vergleicht diese kriti-sche Zeitspanne mit der Startphase einesFlugzeugs: Während es abhebt, kann mannicht anhalten oder umdrehen, „manmuss durchstarten“. Erst ab einer gewis-sen Höhe sei es möglich, zur Not auch ohneMotoren wieder nach unten zu gleiten.„Wenn in der Startphase etwas passiert, ha-ben Sie keine Möglichkeit zu reagieren, dakönnen Sie nur abstürzen“, sagt Grah.

„Gut, wenn man dann Eigenkapital als Fall-schirm dabei hat.“

Such Jürgen Mehnert vom Gründungs-service der Handelskammer Hamburgkennt das Problem: „Viele Gründer schei-tern daran, dass sie keine ausreichende Fi-nanzausstattung haben“, sagt er. „Manch-mal dauert es ein halbes, dreiviertel Jahr,bevor überhaupt die ersten Einnahmen zuverzeichnen sind, die Ausgaben laufenaber schon von Beginn an. Schon in dieserAnlaufphase ist es also wichtig, über einentsprechendes finanzielles Polster unddamit über genügend Liquidität im Unter-nehmen zu verfügen.“ Stick und Lembkemussten ein halbes Jahr überbrücken, bissie im April 2012 zum ersten Mal Tee aus-liefern konnten.

Die Entwicklung der Rezepturen, der Ver-packungen, die ausgelagerte Produktion,die Herstellung der Verpackungen, das Pa-cken in Marrakesch – „das hat alles viel län-ger gedauert, als wir dachten“, sagt Lemb-ke. Schwierigkeiten gab es immer wieder.Dass sie weitergemacht haben, schreibt erauch dem Verhältnis zu Stick zu, dem er„hundertprozentig vertrauen“ kann, ihrenAngestellten – zwei Teilzeitkräften und seitkurzem einer Auszubildenden, die „alle aneinem Strang ziehen“ – und dem Umgangmit ihren Geschäftspartnern.

„Wir haben immer sehr offen und ehr-lich mit allen gesprochen“, sagt Stick.„Und alle so behandelt, wie wir behandeltwerden wollen.“ Er könne Gründern nurraten, beispielsweise bei der Bank „keineShow“ zu machen, das würde ohnehindurchschaut: „Die Bank macht so was janicht zum ersten Mal – im Gegensatz zuden Neugründern.“ Transparent sein, soweit es geht. Kontakt halten. Fragen stel-len. Schwierigkeiten benennen, auch beiden Lieferanten. Nicht „wie ein harterHund“ auftreten. „Als Start-up kann mansich nicht wie ein Großkonzerneinkäuferbenehmen“, sagt Lembke. „Das funktio-niert nicht.“ EVA-MARIA TRÄGER

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Ein professionelles Team: Kai Lembke (links) und Thorsten Stick. FOTO: OH

„Man muss früh dieVerantwortung auf mehrSchultern verteilen.“

Gute Vorbereitung ist allesZwei Kaufleute haben den Schritt in die Selbständigkeit geschafft – mit Tee „ohne“

Plötzlich alleinverantwortlichfür 250 Mitarbeiter,

40 Millionen Euro Umsatzund eine Weltmarke für

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Waltraud Lenhart.FOTO: JEAN-LUC JACQUES

V2/2 FINANZIEREN IM MITTELSTAND EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Mittwoch, 4. September 2013, Nr. 204

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Das Engagement ist groß, die Erwartun-gen sind es auch. Trotzdem platzt der schö-ne Traum von der Selbständigkeit bei vie-len Existenzgründern bereits nach kurzerZeit. Konkret zeigt die Statistik des Grün-dungsmonitors der staatlichen Förder-bank KfW, dass ein Jahr nach der Grün-dung durchschnittlich nur noch 86 Pro-zent aller Unternehmer am Markt sind.Und drei Jahre nach dem Start sind schonrund ein Drittel (32 Prozent) aller Grün-dungsprojekte beendet.

Unrealistische Planungen, fehlende Fi-nanzmittel und unzureichende Markt-kenntnisse sind die Hauptgründe für dasScheitern der Gründungsvorhaben. Meistist nicht eine singuläre Ursache ausschlag-gebend für die Misere, sondern eine Kom-bination aus mehreren. Steckt erst einmalder Wurm drin, sind die Handlungsspiel-räume der Betroffenen begrenzt. Dahermüssen die angehenden Jungunterneh-mer bereits vor der Gründung entspre-chend vorsorgen. Es gilt, sich umfangreichvorzubereiten und auf mehrere Jahre hinprofessionell zu planen. „Die Planungmuss Liquiditätsrechnung, Investitions-plan und Ertragsvorausschau über mindes-tens drei Jahre beinhalten und auch unter-schiedliche Szenarien abbilden“, sagt Ger-hard Bach, Geschäftsführer der auf Grün-dungsberatung spezialisierten Gesell-schaft ChefCoach. So könnten sich die Fir-men die notwendige Flexibilität erhalten.

Wer nicht über das betriebswirtschaftlicheKnow-how für das Erstellen eines Busi-ness-Plans verfügt, kann Unterstützungbei öffentlichen Stellen finden. „Grün-dungswillige sollten sich vor dem Bankter-min bei den Industrie- und Handelskam-mern beraten lassen. Sie sind neutral unddie Profis auf diesem Gebiet“, rät Mohr. Hil-fe gibt es auch bei den Berufsverbänden,den Bürgschafts- und Förderbanken derLänder sowie über das Beraternetzwerk

der KfW. Die Wirksamkeit dieser Unter-stützung ist belegt. „Existenzgründer, dieihre Vorhaben mit öffentlichen Mitteln fi-nanzieren und Beratung in Anspruch neh-men, haben statistisch eine doppelt so ho-he Überlebenschance“, sagt Bach. Um dieChancen der Gründer zu erhöhen und dieNachhaltigkeit zu verbessern, unterstütztdie KfW Jungunternehmer noch bis zufünf Jahre nach dem Start mit dem Pro-gramm Gründercoaching Deutschland.

Ein tragfähiger Business-Plan ist Vor-aussetzung für eine Finanzierung durchFremdkapitalgeber. Doch zunächst berei-tet die Schätzung des notwendigen Kapital-bedarfes vielen Gründungswilligen Proble-me – ein Schlüsselfaktor für die Nachhal-tigkeit der Gründungen. Tatsächlich eröff-nen die Jungunternehmer ihr Geschäft mitzu geringen Finanzmitteln. Besonders dieAnlaufphase wird zu eng kalkuliert.

Kommt ein Unternehmen neu auf denMarkt, müssen neben Fixkosten und Sozi-alversicherungsbeiträgen vor allem Wer-bungs- und Marketingausgaben, Personal-kosten und Forderungsausfälle berück-sichtigt werden. Zudem sind die Umsatzan-nahmen meist zu optimistisch und die Ge-winnspannen zu gering, weil der Preis fürdie eigene Arbeitskraft zu niedrig ange-setzt wird. Als Folge der Unterfinanzierung

droht dann rasch die Insolvenz. Um ihr Risi-ko gering zu halten, verzichten viele Start-ups bei der Finanzierung gänzlich aufFremdkapital. „Unsere Untersuchungenzeigen, dass nur ein sehr kleiner Teil derGründer überhaupt Fremdkapital in An-spruch nimmt. Bevor sie zur Bank gehen,greifen sie zuerst auf verfügbare Eigenmit-tel sowie Mittel von Familie und Freundenzurück“, sagt Mohr. Die Hausbank kommtalso nur im Notfall mit möglichst kleinenBeträgen zum Zug. Liegen die Darlehen un-ter 15 000 Euro, winken die Finanzinstitu-te aber meist auch ab. Aufgrund unattrakti-ver Margen werden die Kreditanträge,auch für Förderkredite der KfW, nicht be-willigt. Der Zugang zu den zinsgünstigenund tilgungsfreien Darlehen von Bund undLändern bleibt vor allem vielen Kleingrün-dern somit häufig verwehrt.

Bis ein neu gegründetes Unternehmendie Gewinnschwelle erreicht, ziehen nichtselten zwei bis drei Jahre ins Land. Man-gels schnellen Geschäftserfolgs werdenviele Unternehmer ungeduldig und verwäs-sern ihr Geschäftskonzept. Ein unklarerMarktauftritt, neue Konkurrenten und einharter Preiskampf können die Folge sein.Der gut durchdachte Business-Plan istnicht mehr stimmig, und die Unternehmerverlieren rasch die Übersicht. Das Auskommt häufig völlig überraschend. Am En-de steht nicht nur der Traum, sondern imExtremfall die ganze Existenz auf demSpiel. CHRISTIANE KAISER-NEUBAUER

Warum der Traum platztUnrealistische Planung, zu wenig Geld und zu wenig Wissen sind Hauptgründe für das Scheitern

VON CHRISTIANE KAISER-NEUBAUER

E s klingt verlockend: Auf eigene Rech-nung arbeiten, Ideen verwirklichenund die Arbeitszeit frei wählen.

Kurz, der eigene Chef sein. 775 000 Perso-nen haben 2012 laut Gründungsmonitorder staatlichen Förderbank KfW im Voll-oder Nebenerwerb den Schritt in die Selb-ständigkeit gewagt. Der Staat unterstütztdie Gründer dabei. „Wer gründen will, fin-det ausreichend Finanzierungs- und Bera-tungsangebote bei den Förderinstitutendes Bundes und der Länder. Es mangelt beiden Gründern lediglich häufig am Wissendarüber“, sagt Manuela Mohr, Referentinder KfW. Ein Überblick über die wichtigs-ten Förderstellen.

Die KfW

Die KfW ist die zentrale Förderstelle desBundes in Deutschland. Ihre Gründungsfi-nanzierungsprogramme umfassen Kredi-te, Beteiligungen und Beratung. 2012 be-trug das Kreditvolumen 2,5 Milliarden Eu-ro. Die Antragstellung für die Angebote er-folgt generell über die Hausbank.

ERP-Gründerkredit-StartGeld: DasStartGeld ist der klassische Gründerkreditmit bis zu 100 000 Euro Kapital ohne Un-tergrenze. Günstige Zinsen (aktuell ab 2,95Prozent) und tilgungsfreie Anlaufzeit beifünf oder zehn Jahren Laufzeit. Die 80-pro-zentige Haftungsfreistellung macht denKredit besonders attraktiv. Nachteil: EineKombination mit anderen Förderproduk-ten ist nicht möglich.

ERP-Gründerkredit-Universell: DerKredithöchstbetrag von zehn Millionenkann wie das StartGeld noch bis zu drei Jah-re nach Gründung genützt werden. LangeLaufzeiten bis zu 20 Jahren mit niedrigemfesten Zinssatz (aktuell 1,21 Prozent) undtilgungsfreier Anlaufzeit. Kombinationmit anderen Fördermitteln möglich. Nach-teil: Die Hausbank muss das Haftungsrisi-ko zur Gänze tragen.

ERP-Kapital: Für Haupterwerbsgrün-der sind maximal 500 000 Euro Kreditmöglich bei 15 Jahren Laufzeit. Vorausset-zung: mindestens zehn Prozent Eigenkapi-tal müssen gestellt werden.

Gründercoaching Deutschland: DasProgramm erleichtert in den Anfangsjah-ren den Zugang zu qualifizierter Beratung.Ein Zuschuss zu Beratungskosten von biszu 4500 Euro wird anteilig aus Mitteln desEuropäischen Sozialfonds bezahlt. Als Part-ner sind die Industrie- und Handelskam-mern mit an Bord.

ERP-Startfonds: Für kleine Technolo-giefirmen ist eine langfristige Beteiligungbis zu fünf Millionen Euro möglich. Voraus-setzung: Ein weiterer Investor muss mit anBord sein. Informationen: www.kfw.de

Förderbanken

Die Förderbanken der Länder haben eigen-ständige Programme für Existenzgründer.So gibt es bei der LfA Bayern mit dem Start-kredit, Startkredit 100 und Universalkre-dit zinsgünstige Darlehen. Vorteil: Bis zu100-prozentige Finanzierung möglich, kur-ze Bearbeitungszeiten. Darüber hinaus bie-ten die Förderbanken Start-ups kosten-freie Beratung, Bürgschaften und Beteili-gungskapital. Informationen: www.lfa.de

Bürgschaftsbanken

Kommt bei der UnternehmensgründungFremdkapital zum Einsatz, verlangt dieBank vom Kreditnehmer Eigenmittel.

Auch bei der Beantragung eines KfW-Dar-lehens. Generell liegt die erwünschte Ei-genkapitalquote bei 20 Prozent. Wer überkeine ausreichenden Sicherheiten verfügt,kann über die Hausbank bei der Bürg-schaftsbank des jeweiligen Landes eineAusfallbürgschaft über maximal 80 Pro-zent beantragen. Welche Summe die Bürg-schaftsbanken absichern, unterscheidetsich je nach Bundesland. Voraussetzung:Ein tragfähiger Businessplan und die Quali-fikation des Gründers. Rasch und unbüro-kratisch kommen Existenzgründer mitdem Programm „Bürgschaft ohne Bank“zu Geld. Kreditsuchende beantragen zu-erst eine Bürgschaft, um sich anschlie-ßend mit der positiven Zusage einen Kre-dit bei der Hausbank zu besorgen. Der Kre-ditbedarf kann bei bis zu 300 000 Euro lie-gen. Neben Bayern bieten unter anderemHessen, Nordrhein-Westfalen, Berlin undThüringen diese Förderung. Kosten: Ne-ben den Kreditzinsen fallen eine Bearbei-tungsgebühr (1,5 Prozent des Bürgschafts-betrages) sowie eine jährliche Provision(ein Prozent des ausstehenden Kreditbetra-ges) an. Informationen: www.vdb-info.de

Fördergelder der Arbeitsagentur

Wer sich nach dem Verlust des Jobs für denSchritt in die Selbständigkeit entscheidet,kann um Unterstützung der Bundesan-

stalt für Arbeit ansuchen. Die Finanzhil-fen, für die der Rechtsanspruch im Jahr2011 entfallen ist, sind der Gründungszu-schuss für Bezieher des ArbeitslosengeldsI und das Einstiegsgeld für Arbeitslosen-geld-II-Empfänger. Voraussetzung: Dieselbständige Tätigkeit muss im Haupter-werb ausgeübt werden.

Gründungszuschuss: Das Arbeitslosen-geld I wird sechs Monate weitergezahltplus 300 Euro für die Sozialversicherun-gen. Eine Verlängerung der 300-Euro-Pau-schale um neun Monate ist möglich. Ein An-spruch besteht, wenn innerhalb der letzten24 Monate mindestens zwölf Monate Bei-träge in die Arbeitslosenversicherung ein-bezahlt wurden. Zudem müssen zum Zeit-punkt der Gründung noch mindestens 150Tage Anspruch auf das Arbeitslosengeldbestehen. Die Antragsteller müssen Fähig-keiten zur Ausübung der selbständigen Tä-tigkeit mittels positiver Beurteilung einerIHK, Handwerkskammer oder Gründungs-zentrums nachweisen. Kann die Agenturdem Gründungswilligen eine Festanstel-lung vermitteln, gibt es keinen Zuschuss.Antragstelle: Die Agentur für Arbeit.

Einstiegsgeld: Es wird maximal zweiJahre zusätzlich zum Arbeitslosengeld IIbezahlt. Die Höhe richtet sich nach der Dau-er der Arbeitslosigkeit sowie der Familien-größe des Gründers. Die Förderung be-trägt meist 50 Prozent des Regelsatzes. Zu-

sätzlich können Zuschüsse für Sachgüterbis zu 5000 Euro beantragt werden. Die Be-antragung läuft über die Jobcenter.

Gründercoaching: Einen Zuschuss zuBeratungskosten gibt es bis Ende des Jah-res auch für Gründer aus der Arbeitslosig-keit. Antragstellung bis 31.12.! Informatio-nen: http://www.arbeitsagentur.de

Mikrokreditfonds

Kleingründer mit geringem Kapitalbedarfhaben bei Banken wegen der geringen Mar-gen kaum Chancen auf Kredite. Für siesind Mikrofinanzinstitute die richtigen An-

sprechpartner. Die Kreditaufnahme er-folgt in kleinen Schritten über den Mikro-kreditfonds. Nach erfolgreicher Rückzah-lung von beispielsweise 5000 Euro in derersten Runde kann der Betrag auf bis zu20 000 Euro erhöht werden. Es gibt keineKredituntergrenze, und geringe Laufzei-ten bis zu drei Jahren. Die Kreditanfrage ge-schieht über ein Mikrofinanzinstitut, dasengen Kontakt zum Kreditnehmer hält.Die Vergabe läuft zentral über die GLS-Bank und ist gebührenfrei. Nachteil: Deut-lich höhere Zinsen (derzeit effektiv 8,9 Pro-zent) als die Darlehen der KfW. Informati-on: www.mein-mikrokredit.de

High-Tech Gründerfonds

Start-ups, die mit einer Innovation aufden Markt drängen, benötigen hohe Fi-nanzmittel zur Forschung und Entwick-lung. In der Startphase fallen meist hoheVerluste an, Umsätze sind schwer kalku-lierbar. Statt eines Darlehens kann Beteili-gungskapital sinnvoll sein. Der staatlicheHigh-Tech Gründerfonds investiert bis zu500 000 Euro in einer Kombination aus of-fener Beteiligung und Darlehen in jungeTechnologiefirmen. Der Fonds erwirbt inder Regel 15 Prozent Gesellschaftsanteile.Die Darlehenszinsen (derzeit zehn Pro-zent) werden für die Dauer von bis zu vierJahren gestundet bei durchschnittlich sie-ben Jahren Laufzeit. Für eine Anschlussfi-nanzierung sind weitere 1,5 Millionen Eu-ro möglich. Nach einem Erstgespräch er-folgt bei positiver Bewertung des BusinessPlans eine umfangreiche Due Diligence.Am Ende steht eine Präsentation vor Ver-tretern der Fondsinvestoren von KfW undIndustriepartnern. Kriterien: 20 ProzentFinanzierungsbeitrag, Sitz und eine Nie-derlassung in Deutschland, bis zu 50 Mit-arbeiter und maximal zehn Millionen Um-satz. Fazit: Beteiligungskapital ist zwarteurer als ein Kredit, verbessert aber dieKapitalausstattung und somit das Firmen-rating. Zudem bietet der Fonds auch Coa-chings. Bis zur Finanzierungszusage nachrund drei Monaten ist aber ein hohes Enga-gement der Gründer gefragt. In-formationen: www.high-tech-gruender-fonds.de

Exist Gründerstipendium

Das Programm Exist des Bundesministeri-ums für Wirtschaft und Technologie för-dert Unternehmensgründungen aus derWissenschaft. Zielgruppe sind Studieren-de, Absolventen und Wissenschaftler vonHochschulen und außeruniversitären For-schungseinrichtungen mit einem innovati-ven technologieorientierten Gründungs-vorhaben. Dabei werden ein Jahr lang derLebensunterhalt der Gründer sowie Sach-ausgaben von bis zu 17 000 Euro zur Um-setzung des Businessplans finanziert. In-kludiert sind Coachingleistungen bis zu5000 Euro. Der Antrag muss von der Hoch-schule beim Forschungszentrum Jülich ge-stellt werden. Eine Unternehmensgrün-dung darf bei der Bewerbung nicht vorlie-gen. Informationen: www.exist.de/exist-gruenderstipendium.

Informationen gibt das Existenzgründungsportaldes Bundesministeriums für Wirtschaft unterwww.existenzgruender.de. Von 18. Bis 24. Novem-ber findet die Gründerwoche Deutschland mit bun-desweiten Veranstaltungen zum Thema statt(www.gruenderwoche.de).

Starthilfe für MutigeWer sich selbständig machen will, braucht eine Geschäftsidee und

ausreichend Kapital. Das gibt es bei Banken, aber auch bei den Förderinstituten des Bundes und der Länder.Ein Überblick über die zahlreichen Finanzierungs- und Beratungsangebote

Bis eine Neugründung dieGewinnschwelle erreicht, dauertes oft zwei bis drei Jahre

Mittwoch, 4. September 2013, Nr. 204 EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG FINANZIEREN IM MITTELSTAND V2/3

Vor allem der Finanzbedarfin der Anlaufphasewird von vielen unterschätzt

Eine Firma zu gründen ist harte Arbeit.Viele schmeißen bald wieder hin. FOTO: DPA

Anschieben undzupacken: Die richtige Ausstattung

ist immer wichtig.FOTO: SCHELLNEGGER

Manche Finanzierungen erweisen sich als harte Nuss.

Wir haben die Eigenkapital-stärke, sie zu knacken.Auf Grund unserer Finanzstärke und mit unseren Spezialisten – etwa für Förder-mittel und Strukturierte Finanzierungen – sind wir in der Lage, Ihnen optimale Lösungen zu bieten.

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Existenzgründern stellt sich zu Beginn dieFrage: Sollen die Rechnungen mit oderohne Umsatzsteuer ausgewiesen wer-den?Dabei gilt: Solange der Umsatz im ers-ten Jahr voraussichtlich 17 500 Euro undim darauffolgenden Jahr 50 000 Euronicht übersteigt, kann gewählt werden.„Rechnungen mit Umsatzsteuer auszustel-len, ist vor allem dann sinnvoll, wenn manzunächst hohe Investitionskosten hat“, er-klärt Anita Käding vom Bund der Steuer-zahler. „Aus diesen Rechnungen kann mansich dann die Umsatzsteuer erstatten las-sen.“ Wichtig zu beachten: Beim Grenzbe-trag von 17 500 Euro handelt es sich um ei-nen Jahresbetrag. „Wird das Unternehmenbeispielsweise zum 1. Juli des Jahres ge-gründet, darf der Umsatz voraussichtlichnur 8750 Euro betragen, damit der Exis-tenzgründer eine Wahlmöglichkeit hat“,stellt Käding klar. Bei einer Gründung zum1. Dezember darf der voraussichtliche Um-satz sogar nur maximal rund 1458 Euro be-tragen. Beim Ausfüllen des Bogens für diesteuerliche Erfassung beim Finanzamtmuss das hinsichtlich der Umsatzprogno-se beachtet werden. DPA

München – Der wirtschaftliche Erfolg desdeutschen Mittelstandes stößt im Auslandauf großes Interesse, aktuell besonders inSüdkorea, Taiwan, Japan und China, wiedas Institut für Mittelstandsforschung(IfM) in Bonn berichtet. Die Besonderhei-ten des deutschen Mittelstands ließen sichjedoch weder einfach kopieren nochschnell auf kulturell und wirtschaftlich an-ders geprägte Länder übertragen. Das lie-ge unter anderem an der festen Veranke-rung der Betriebe in den jeweiligen Heimat-regionen, außerdem seien strategischeEntscheidungen langfristig angelegt. Posi-tiv wirke sich auch das Hausbankensystemaus, die starke Innovationsorientierungund der hohe Spezialisierungsgrad einzel-ner industrieller Mittelständler. SZ

VorbildDeutschland

VON THORSTEN RIEDL

D ie Zeit für Eric Migicovsky war ge-kommen. Der Produktdesignerwollte eine Smartwatch entwickeln,

eine Uhr also, die weit mehr konnte, als nurdie Zeit anzuzeigen. Die Idee war da – al-lein, es fehlte an Kapital. Prototypen zuvorwaren gefloppt, also wandte er sich ansNetz. Auf der Internetplattform Kickstar-ter schrieb er ein Exposé. „Das ist meinSmartphone – und das meine Pebble“, sobeginnt die Geschichte. Migicovsky wollte100 000 Dollar auf der Spenden-Plattformim Internet auftreiben. Es wurden am En-de mehr als zehn Millionen daraus. Ein un-glaublicher Erfolg – aber kein Einzelfall.Mehr und mehr Unternehmer mobilisierendie Masse auf der Suche nach frischem Ka-pital. Wenn sich Banken verschließen oderWagniskapitalgeber das Risiko scheuen,hat sich ein dritter Weg aufgetan: DasCrowdfunding.

Ein wenig holprig übersetzt bedeutetder Begriff so viel wie Schwarmfinanzie-rung. Es wird also das Kapital der Masse imNetz angezapft. Wenn viele Investoren einwenig spenden, lässt sich auch Großes er-reichen. Wie die meisten Trends im Inter-

net kommt Crowdfunding aus den USA.Nach Erhebungen des Web-Portals Crowd-investor 24 wächst das Segment sehr stark,allerdings auf niedrigem Niveau. Im erstenQuartal des vergangenen Jahres hat dieNetzgemeinde gerade mal 0,6 Millionen Eu-ro bereitgestellt. Bis zum vierten Quartalhat sich dieser Betrag verdreifacht. Überdas gesamte Jahr waren es 4,5 Millionen Eu-ro. Zum Vergleich: Allein die DeutscheBank, das größte Finanzinstitut hierzuland-de, hat im gleichen Zeitraum Kredite in Hö-he von 402 Milliarden Euro vergeben, da-von gut die Hälfte an Unternehmenskun-den. Auch wenn Crowdfunding gute Chan-cen hat, zeigt das: Die Volumina sind nochbeschaulich.

Der Trend aus den Staaten hat Deutsch-land erreicht. Es gibt eine ganze Reihe vonPlattformen für das Online-Sammeln vonSpenden, zum Teil differenziert nach ver-schiedenen Zielgruppen. So zeigt sich Fund-sters offen für alle Finanzierungsfragen.Power4Projects spezialisiert sich auf dieReisebranche. Bankless24 nimmt Mittel-ständler ins Visier. BerlinCrowd kümmertsich um Unternehmen speziell aus der deut-schen Hauptstadt. Es ist fraglich, ob allePlattformen überleben. So stark der Markt

wächst, wer im Netz investieren will oderGeld sucht, sollte einen der größeren Anbie-ter wählen. Insbesondere für Gründerspielt die Wahl der richtigen Anlaufstellebei der Suche nach Geldern eine entschei-dende Rolle. Die Plattform sorgt schließ-lich mit für die Öffentlichkeit, die nötig ist,um die Masse zu mobilisieren. Startnext be-zeichnet sich als die größte deutscheCrowdfundingplattform. Nach eigenen An-gaben hat die Seite seit Gründung vor dreiJahren für Startups in 1022 Projekten fastsieben Millionen Euro eingeworben.

Starten lässt sich eine Finanzierungsan-frage kostenlos, Beratung kostet. Von 100Projekten erreichen 54 ihr Ziel. Das bedeu-

tet folglich aber auch, 46 werben nicht soviele Geld ein wie gehofft. Über Erfolg oderMisserfolg entscheidet nicht selten dasNetzwerk des Gründers, das virtuelle wiedas reale. Investoren müssen gespanntsein auf das, was da kommt. Und sie krie-gen ja auch was für ihr Geld. Im Fall derSmartwatch Pebble etwa bestand die Rendi-te in der Lieferung einer der Uhren. Das gabes ab 99 Dollar. Zu den beliebtesten Vorha-ben auf Startnext gehört ein Quartett-Kar-tenspiel mit alten Computern. Das Ziel,400 Euro einzuwerben, wurde bereits ummehr als das sechsfache übertroffen. Auchdie Kreativität bei den Gegenleistungenspielt eine wichtige Rolle beim Erreichen

des Finanzierungsziels. Von Nerd Dreams,den Machern des Retro-Rechner-Quartett-spiels, gab es für die frühen Unterstützerfür zehn Euro ein Kartenset. Für 35 Eurohätte es ein Unterstützer-Shirt gegeben.

Anders als beim Finanzierungsgesprächmit dem freundlichen Angestellten derHausbank lebt Crowdfunding vom Dialogmit den Interessierten. Wer sich auf die Su-che nach Geld im Netz macht, sollte nichtdavor zurückscheuen, ein Projekt im Laufedes Crowdfunding gemäß den Wünschender Nutzer nachzubessern. Das schafftFreude und Freunde. So gelingt im Idealfallnoch etwas, was das Hinterzimmerge-spräch mit dem Banker nie gebracht hat:Publicity, und das schon vor dem Verkaufs-start. Der Smartwatch Pebble hat das Sam-meln von Spenden Berichte in Forbes, En-gagdet und vielen weiteren internationalenMedien eingebracht. Sogar die Großen derBranche sind auf das Thema aufmerksamgeworden. Sony, Samsung, Apple: Alle ar-beiten gerade an einer intelligenten Uhr.Und Pebble, das gleichnamige Unterneh-men hinter der Uhr, liefert inzwischen15 000 intelligente Zeitmesser – Woche fürWoche. Das Online-Experiment hat sichfür Unternehmer Migicovsky ausgezahlt.

Übrigens: Als eine der ersten Crowdfun-ding-Plattformen im Netz gilt artisha-re.com. Der Musiker Brian Camelio starte-te diese Internetseite bereits vor zehn Jah-ren. Er wollte Geld für die Produktion einesAlbums sammeln, bevor dieses im Studioaufgenommen wurde. Anders als bei Anla-gen in Aktien partizipieren Investoren imNetz nicht direkt am Unternehmen. Sie er-halten in der Regel auch keine Rendite inForm von Rückzahlungen ihres eingezahl-ten Betrages. Üblich sind dagegen mehroder weniger ausgefallene Produkte. Sokommt es, dass bei Vergabe der Schwarm-gelder noch immer technische Spielzeugeoder ausgefallene Designobjekte besteChancen haben.

Das Anpumpen der Netzgemeinde lohntsich für spannende Nischenthemen, die ei-ne Rendite in Form von greifbaren Dingenbietet, einer CD mit einem neuen Song et-wa, einem Vorserienprodukt oder auch lus-tigen Shirt. Das bisher erfolgreichsteCrowdfunding-Projekt war ein Online-Spiel: Star Citizen warb mehr als 15 Millio-nen Dollar ein, und damit noch einmalmehr als das zweiterfolgreichste Projekt,die Smartwatch Pebble, die es 2012 aufzehn Millionen Dollar gebracht hat.

Bei den mittelständischen Unternehmenin Deutschland stehen die Zeichen auf Soli-dität. Dieses Fazit zog Georg Fahrenschon,Präsident des Deutschen Sparkassen- undGiroverbandes (DSGV), anlässlich der kürz-lich ermittelten Kennzahlen des deut-schen Mittelstandes. Die Eigenkapitalquo-te der Mittelständler hat sich demzufolgeim Mittel auf 19,9 Prozent erhöht. In denvergangenen zehn Jahren hat sich dieEigenkapitalquote sogar fast verdreifacht,wie eine Trendauswertung der Bilanzda-tensammlung der Sparkassen-Finanz-gruppe ergab. SZ

Als sie mit ihrer Geschäftsidee starteten,hatten sie eine Vision, ein Konzept und ei-nen Business Plan, aber zu wenig Eigenka-pital, um ihre ehrgeizigen Ziele schnell um-setzen zu können. Doch Dominik Matyka,Christian Laase und Andreas Richter ha-ben es trotzdem geschafft: Aus ihrem Star-tup ist ein solide durchfinanziertes, profi-tables Unternehmen geworden. Die dreiGründer konnten mittlerweile mehr als100 Mitarbeiter einstellen und sind mit ih-rer Plista GmbH heute eine der erfolg-reichsten Empfehlungs- und Werbeplatt-formen im deutschsprachigen Raum. DieFinanzierungsschritte des Trios könntenanderen Gründern einen Weg zeigen.

Plista sieht sich als Pionier im Bereichder Online-Werbung, das Unternehmenbringt Werbetreibende und Webseitenbe-treiber zusammen. Dafür haben die Berli-ner eine spezielle Technologie entwickelt.Wie funktioniert die? Es werden zunächstdie „Fußabdrücke“ aufgespürt, die jederUser im Internet hinterlässt. Der Internet-nutzer bleibt aber anonym. Plista-Chef Do-minik Matyka: „So lassen sich die vorhan-denen Besucherströme und die Inhalte aufWebseiten optimieren.“ Im Klartext: Plis-ta sortiert Content und Werbung so, dassder Klassik-Liebhaber zwar Mozart-CDsund Eintrittskarten zu den Wagner-Fest-spielen angeboten bekommt und der Viel-reisende exklusive Koffer und Cluburlau-be, aber auch weitere Inhalte, die sein In-teresse wecken. „Wir liefern viele TausendEmpfehlungen pro Sekunde aus“, sagt Ma-tyka. Hinzu kommen Formate, die Werbe-treibende kreativ nutzen können und Pu-blishern neue Monetarisierungsansätzebieten. Und das nicht nur online, sondernauch im mobilen Internet: Plista Mobile-Ads werden in redaktionellen Inhalten aufSmartphones und Tablets platziert.

Die Jungunternehmer aus der Haupt-stadt sprachen schon vor der Gründung ih-rer Company mit Business Angels, dassind meist erfahrene Unternehmer, dieGeld und Rat geben. Das geschah nichtnur, um Kapital zu bekommen, sondernum Kontakte zu knüpfen, erinnert sich An-dreas Richter. Ein „Engel“, ChristopheMaire, einst selbst Gründer eines Startupsund erfahrener Investor, gab den Drei ne-ben Tipps auch gleich einen sechsstelligenGeldbetrag. Im Gegenzug bekam er Antei-le an dem Startup. Das ist typisch: Los gehtes mit Erspartem, mit Geld von Familieund Freunden. Dann kommen andere Fi-nanzquellen hinzu, hier eben von BusinessAngels. Parallel gab es Geld von der Dra-per Investment Company. William (Bill)Draper war einer der ersten Venture-Kapi-talisten Amerikas, die auch das Internet-Bildtelefonie-Projekt Skype begleitet hat-ten. „Ihr Einstieg war der Ritterschlag“,sagt Matyka. Denn wenn ein namhafterausländischer Investor Geld in ein jungesdeutsches Unternehmen steckt, schauenauch deutsche Kapitalgeber genauer hin.Mit dem High-Tech-Gründerfonds und

DuMont Ventures reihten sich Mitte 2009die nächsten Wagnisfinanzierer bei denBerliner Newcomern ein, in der Finanzie-rungsrunde 2010, die allein 2,5 MillionenEuro in die Firmenkassen spülte, kamendie Crédit Agricole Private Equity und derNWZ-Verlag hinzu.

Insgesamt ist Plista von seinen Anteils-eignern mit gut vier Millionen Euro ausge-stattet worden. Matyka: „Davon haben wiraber erst die Hälfte ausgegeben, weil wirlängst profitabel sind und einen sehr or-dentlichen Cashflow haben.“ Crédit Agri-cole Private Equity ist Leadinvestor, ver-tritt die Interessen aller VC-Gesellschaf-ten an Bord, die Business Angels habenebenfalls einen Sprecher. Matyka: „Dasmacht mir den Umgang mit allen Geldge-bern leichter.“

Wichtig ist nach Überzeugung des pro-movierten Plista-Geschäftsführers, dassInvestoren mehr einbringen als Kapital.Er will seine Finanziers beispielsweise alsSparringspartner bei der Expansion insAusland nutzen. In der Szene wird Geld inVerbindung mit Erfahrung und Kontakten„Smart Money“ genannt. Das Gegenteil ist„Dumb Money“ – nur Geld. „Das ist abernicht immer förderlich, denn für ein jun-ges Unternehmen ist ein funktionierendesNetzwerk ein Schlüssel zum Erfolg“, sagtFabian Heilemann. Er und sein Bruder Fer-ry hatten ihr Online-Coupon-Unterneh-men DailyDeal 2011 für 114 Millionen Euroan Google verkauft und etwa anderthalbJahre später zurückgekauft. Schon vorherwurden sie selbst mit der Firma Heile-mann Ventures zu Investoren. Fokussiertsind die Brüder auf die Frühphasenfinan-zierung (Seed und Early Stage Capital), beider es um Summen bis zu 250 000 Eurogeht. Vor allem im E-Commerce-Bereichkönnen sie ihre eigenen Erfahrungen ein-bringen.

„Unternehmen, die wir unterstützen,können unser persönliches Netzwerk nut-zen, aber auch Synergien, die sich aus derZusammenarbeit mit anderen Firmen un-seres Portfolios und mit unserer E-Busi-ness-Agentur Heilemann & Co ergeben“,sagt der Chef. „Wir helfen den von uns un-terstützten Unternehmen, die richtigenstrategischen und operativen Entschei-dungen zu treffen, schnell zu wachsen, insAusland zu expandieren und für spätere Fi-nanzierungsrunden die richtigen Investo-ren zu finden.“ JÜRGEN HOFFMANN

Mittelstandgut kapitalisiert

Die Machtdes Schwarms

Mit einer klugen Idee können Gründer auchGeldgeber über das Internet finden.

Dabei kommt es auf ein gutes Netzwerk an

Am besten hilft Kapital inVerbindung mit Erfahrung undKontakten: „Smart Money“

Mit oder ohneUmsatzsteuer?

Geld aus vielen TöpfenWie die Werbeplattform Plista Finanzinvestoren fand

V2/4 FINANZIEREN IM MITTELSTAND EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Mittwoch, 4. September 2013, Nr. 204

Schwer vernetzt: Mark Zuckerberg, hier auf einer Entwicklerkonferenz in San Francisco. Der Facebook-Gründer machte die Idee, Freunde im Internet zu finden, zum Geschäftsmodell. FOTO: KIMIHIRO HOSHINO/AFP

Finanzieren im MittelstandVerantwortlich: Werner SchmidtRedaktion: Marianne Körber, Katharina WetzelAnzeigen: Jürgen Maukner

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