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| MEDIZIN TennisSport | 5_2011 | 4 D as Thema „Dehnen“ wurde in dieser Zeitschrift 2006 im Heft 1 unter dem Titel „Ist Dehnen Unsinn?“ behandelt. Dabei steht dieser Titel stellvertretend für eine Verunsicherung in diesem Themenbereich, die nach einer Phase in den 80er und frühen 90er Jahren zu beobachten ist und in der man glaubte, eine Vielzahl von Zielen durch Dehnen erreichen zu können. Wie der folgende Beitrag zeigen soll, ist weder eine unre- flektierte Euphorie noch eine vollstän- dige Ablehnung berechtigt, man muss jeweils nach Wirkung, nach Sportart und nach persönlichen Zielen entschei- den, ob man dehnt oder nicht. Tabelle 1 zeigt die Wirkungen, die Dehnen auslöst. Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen den Wirkun- gen, die man bei einem Kurzeitdehnen erzielt, und denen, die man mit einem regelmäßigen, mehrwöchigen Dehnen erreicht. Während man beim Krafttrai- ning unmittelbar einsieht, dass ein ein- maliges Training direkt im Anschluss zu einer Kraftabnahme und ein mehr- wöchiges Krafttraining zu einer Kraft- zunahme führt – also zu unterschiedli- chen Wirkungen – ging und geht man auch heute noch in vielen Veröffentli- chungen davon aus, dass beim kurzfris- tigen und beim mehrwöchigen Deh- nungstraining bei allen Kennwerten gleiche Wirkungen erreicht werden. Ein Denkfehler, wie Tabelle 1 z. B. beim dritten Kennwert zeigt. Bewegungsreichweite und max. Dehnungsspannung Meist werden Untersuchungen zur Wirkung des Dehnens an den hinteren Oberschenkelmuskeln durchgeführt. Dabei liegt die Versuchsperson in Rückenlage und ein Bein wird mit gestrecktem Kniegelenk von einem Versuchsleiter angehoben und maxi- mal gedehnt. Dabei werden der Hüft- winkel und die eingesetzte Dehnkraft aufgezeichnet (vgl. Abb. 1). Unbestritten ist, dass Dehnen die Dehnen beim Tennis: Sinnvoll oder Mythos? Viel wurde in den vergangenen Jahren über Sinn und Unsinn des Dehnens gestritten. Dr. Andreas Klee versucht, mit einigen Vorurteilen aufzuräumen.

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Das Thema „Dehnen“ wurde indieser Zeitschrift 2006 imHeft 1 unter dem Titel „IstDehnen Unsinn?“ behandelt.

Dabei steht dieser Titel stellvertretendfür eine Verunsicherung in diesemThemenbereich, die nach einer Phasein den 80er und frühen 90er Jahren zubeobachten ist und in der man glaubte,eine Vielzahl von Zielen durch Dehnenerreichen zu können. Wie der folgendeBeitrag zeigen soll, ist weder eine unre-flektierte Euphorie noch eine vollstän-dige Ablehnung berechtigt, man mussjeweils nach Wirkung, nach Sportartund nach persönlichen Zielen entschei-den, ob man dehnt oder nicht.

Tabelle 1 zeigt die Wirkungen, dieDehnen auslöst. Wichtig ist dabei dieUnterscheidung zwischen denWirkun-gen, die man bei einem Kurzeitdehnenerzielt, und denen, die man mit einemregelmäßigen, mehrwöchigen Dehnenerreicht. Während man beim Krafttrai-ning unmittelbar einsieht, dass ein ein-maliges Training direkt im Anschlusszu einer Kraftabnahme und ein mehr-wöchiges Krafttraining zu einer Kraft-zunahme führt – also zu unterschiedli-chen Wirkungen – ging und geht manauch heute noch in vielen Veröffentli-chungen davon aus, dass beim kurzfris-tigen und beim mehrwöchigen Deh-nungstraining bei allen Kennwerten

gleiche Wirkungen erreicht werden.Ein Denkfehler, wie Tabelle 1 z. B. beimdritten Kennwert zeigt.

Bewegungsreichweite undmax. DehnungsspannungMeist werden Untersuchungen zurWirkung des Dehnens an den hinterenOberschenkelmuskeln durchgeführt.Dabei liegt die Versuchsperson inRückenlage und ein Bein wird mitgestrecktem Kniegelenk von einemVersuchsleiter angehoben und maxi-mal gedehnt. Dabei werden der Hüft-winkel und die eingesetzte Dehnkraftaufgezeichnet (vgl. Abb. 1).

Unbestritten ist, dass Dehnen die

Dehnen beimTennis:Sinnvoll oderMythos?

Viel wurde in den vergangenenJahren über Sinn und Unsinn desDehnens gestritten. Dr. Andreas

Klee versucht, mit einigenVorurteilen aufzuräumen.

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Bewegungsreichweite vergrößert. Dasgilt sowohl für kurzfristige Dehnpro-gramme als auch für ein Langzeitdeh-nen über mehrere Wochen. Diese Wir-kung bleibt viele Minuten bis zu einerStunde bestehen, nach einem Langzeit-dehnprogramm sogar wochen- bismonatelang bestehen. Beides führtüber einen vergrößerten Beschleuni-gungsweg zu einer Erhöhung derSchlaggeschwindigkeit beim Tennis(Cohen et al., 1994).

Bei der langfristigen Verbesserungder Beweglichkeit des Schultergelenksist zu berücksichtigen, dass diese nichtallein durch Muskeln begrenzt wird,sondern auch durch die Gelenkkapselund durch knöcherne Strukturen (Klee& Wiemann, 2005). Deshalb muss mitdem Beweglichkeitstraining schonfrühzeitig im Kinder- und Jugendtrai-ning begonnen werden, denn dieseStrukturen lassen sich beim Erwachse-nen kaum noch verändern.

In gleicher Weise wie die Bewe-gungsreichweite steigt die maximaleDehnungsspannung, sodass die Steige-rung der Bewegungsreichweite durcheine gesteigerte Toleranz gegenübermaximalen Dehnungsspannungen zubegründen ist.

»Zur Vermeidung vonmuskulären Dysbalancenist ein ausgewogenesKrafttraining für dieAntagonisten wichtigerals ein Dehnungstrai-ning.« | ANDREAS KLEE

KennwerteKurzfristigeEffektenachKurzzeitdehnen

(10-20min)

LangfristigeEffektenachmehrwöchigem

Dehnen

1.Bewegungsreichweite +8% +15%

2.max.Dehnungsspannung +23% +30%

3.Ruhespannung -20% �bzw.+13%

4.Kontraktionskraft -7% �bzw.+13%

5.Schnellkraftleistung -5%,statischesDehnen Zunahme

�dynamischesDehnen

6.Verletzungsgefahr1. AlleVerletzungen:�2. Muskelverletzungen:Abnahme

1. AlleVerletzungen:�2. Muskelverletzungen:(vermutl.Abn.)

7.Muskelkater �Zunahme

Tabelle 1: Kurzfristige und langfristige Effekte von unterschiedlichen Dehnmaß-nahmen.� keine Veränderungen.

Abb. 1: Ruhespannungs-Dehnungskurve einer ersten und einer fünften Dehnung(Wiemann 1994).

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Ruhespannung (= Submaxi-male Dehnungsspannung)Im Verlauf der Dehnung nehmen dieDehnungsreflexe zu, d. h. der Muskelkontrahiert. Dies kann man selber dar-an merken, dass die hinteren Ober-schenkelmuskeln dann anfangen zuzittern. Da sich die Ruhespannung immaximalen Dehnbereich nicht von die-sen Kontraktionsspannungen trennenlässt, wird die Ruhespannung in einemmittleren Dehnbereich gemessen (Abb.1, 80 Grad).

Wie sich zeigt, sinkt die Ruhespan-

nung im Verlauf der ersten fünf Deh-nungen ab und bleibt dann aber etwanach der fünften Dehnprozedur kons-tant. Diesen Effekt, der zu einer Absen-kung der Ruhespannung um bis zu 20Prozent führt, kann man einer visko-elastischen Reaktion des Muskelgewe-bes zuschreiben (Aufwärmeffekt). Die-ser Effekt ist nach vierMinuten wiederumein Fünftel, nach 15Minuten bis aufdie Hälfte (Klee & Wiemann, 2002)und spätestens nach 60 Minuten völligabgeklungen (Magnusson et al., 1996).

Bei der Ruhespannung zeigt sichzwischen den kurzfristigen und den

langfristigen Effekten ein Unterschied,d. h., lässt man zwischen der letztenTrainingseinheit eines langfristigenDehnungstrainings und demMesszeit-punkt eine genügend lange Zeit zumAbklingen der kurzfristigen Effekteverstreichen (dies ist bei Langzeitun-tersuchungen immer notwendig), istdie Ruhespannung nicht reduziert. Jenach Intensität des Dehnungstrainingstritt sogar eine erhöhte Ruhespannungauf (Abb. 2, Klee, 1995; Wiemann,1994). Dies lässt sich dadurch erklären,dass die Dehnbelastung zu einerHypertrophie des Muskels geführthaben könnte, da die reflektorischenKontraktionen beim Dehnen einemKrafttraining gleichkommen.

Diese Erkenntnis hat auch Konse-quenzen für die Behandlung muskulä-rer Dysbalancen (Wiemann et al.,1998). Ein muskuläres Ungleichge-wicht kann bei Tennisspielern imSchultergelenk auftreten, da die Brust-muskeln im Vergleich zu ihren Antago-nisten stärker beansprucht werden,eine höhere Ruhespannung ent-wickeln, die dann zu einer Verände-rung der Haltung des Schultergürtelsführt. Da man früher annahm, mankönnte durch regelmäßiges Dehnendie Ruhespannung eines Muskels her-absetzen, empfahl man dann ein Deh-nungstraining für die Brustmuskeln.Die Erkenntnis, dass man die Ruhe-spannung einesMuskels durchDehnenlangfristig nicht herabsetzen kann, hatnun dazu geführt, dass man demKraft-training der Antagonisten einen höhe-ren Stellenwert zuspricht, der Tennis-spieler also ein Krafttraining für diehinteren Schultermuskeln (vor allemder Rotatorenmanschette) durch-führen sollte und dies auch vorbeugend(Niederbracht et al., 2008, Treiber etal., 1998). Dies und eine bewusste Kör-perhaltung (Schultern bewusst nachhinten nehmen) führen zu einer ver-besserten muskulären Balance und zuweniger Schulterbeschwerden.

Kontraktionskraft undSchnellkraftleistungIntensives statisches Dehnen führt zueiner kurzfristigenAbnahmederMaxi-malkraft und der Schnellkraft (Sprung-kraft, Sprintleistung). Insbesonderedieses Ergebnis hat dazu geführt, dassin den letzten Jahren vom Dehnenabgeraten wird. Dazu ist aber zu sagen,dass in den Studien sehr intensiv (20-60 Minuten) gedehnt wurde, so inten-siv wie es bei Aufwärmprogrammen

Abb. 2: Ruhespannungs-Dehnungskurven der 12 weiblichen Versuchspersonen vor(Vt) und nach (Nt) einem 10-wöchigen Dehnungstraining (Wiemann, 1994)

Abb. 3: Eine Kräftigungsübung für die hinteren Schultermuskeln (Klee, 2011)

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eher nicht üblich ist. Zudem erfolgtedirekt nach dem Dehnen dann z. B. derSprungtest – ohne Pause und ohne dieMuskeln zuvor durch entsprechendetonisierende Übungen (Hüpfen) wie-der „auf Spannung zu bringen“. Ursa-che ist, dass in diesen UntersuchungenEffekte herbeigeführt werden sollten,eine in der Wissenschaft verbreiteteVorgehensweise.

In den letzten Jahren gab es aberauch Untersuchungen, die dann zeig-ten, dass sich weder dynamisches Deh-nen (Bradley et al., 2007) noch ein sta-tisches Dehnen von 4 mal 15 Sekunden(Robbins & Scheuermann, 2008) leis-tungsmindernd auswirken und dassPausen und tonisierende Übungen dieLeistungseinbußen infolge von intensi-vem statischem Dehnen wieder aus-gleichen (Wiemeyer, 2007).

Langfristiges Dehntraining führtnicht zu einer Abnahme der Maximal-kraft, wie angenommen wurde (Mus-keln „leiern“ nicht aus). Teilweise zeigtsich eine Zunahme der Maximalkraft(Wiemann, 1991; 1992). Dehnungstrai-ning kann demnach auch Entwick-lungsreize für die Muskulatur setzen.

Shrier (2004) kommt in seiner Analysevon neun Untersuchungen ebenfalls zudem Ergebnis, dass die Maximalkraftdurch Langzeitdehnen verbessert wird- darüber hinaus auch die Schnellkraft-leistung (Sprints, Sprunghöhe). Dieswird durch Kokkonen et al. (2007)bestätigt. Es gibt allerdings auchUnter-suchungen, die keine Verbesserungenfeststellten, hier ist die Datenlage alsonicht eindeutig. Vermutlich führt einLangzeitdehnen bei Untrainierten eherzu einem Leistungszuwachs als beiAustrainierten.

Verletzungsgefahr„... im Schnitt dauert es folglich 23 Jah-re, bis ein Sportler durchs Dehnen eineVerletzung vermeidet.“ Dieses Zitatund die entsprechende Zahl sind imInternet und in der Literatur oft anzu-treffen und hat auch dazu geführt, dassdasDehnen anBedeutung verloren hat,denn die Verletzungsprophylaxe wartraditionell eines der gewichtigstenArgumente für das Dehnen. Woherstammt dieser Satz?

In zwei Untersuchungen australi-scher Forscher (Herbert & Gabriel,

2002) wurden 2630 Militärrekrutenjeweils in zwei Gruppen eingeteilt.Während die erste Gruppe von 1284Probanden jeweils vor einem Körper-training zwei bis vier Minuten ihreBeinmuskeln dehnte, führten die 1346Kontrollpersonen keine Dehnungs-übungen durch. Im Verlauf von elfWochen und 40 Trainingseinheitentraten in der Dehngruppe 181 Verlet-zungen am Bein auf, in der Kontroll-gruppe 200. Das bedeutet, dass in der

Movement PreparationAuf deutsch: „Bewegungs Vorberei-tung“. Definition: „Movement Prepara-tion“ bereitet den Körper auf diefolgenden Bewegungen vor. Es bestehtaus einer Serie von innovativen unddynamischen Bewegungen, die denKörper „auf Temperatur bringen“, dasNervensystem auf physischeBelastungen vorbereiten und dieKörpermuskulatur stärken.

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ning reduziert werden können (Klee,2006a), so wie sich dies bei Herbert &Gabriel schon andeutet (14 Muskelzer-rungen in der Dehngruppe und 21 inder Kontrollgruppe). In zwei aktuellenUntersuchungen kommen die Autorenzu dem gleichen Resümee (Jamtvedt etal., 2009; Small et al., 2008)

Wertet man diese Zahlen aus, sokann man den Wert von Herbert &Gabriel (23 Jahre) dahingehend korri-gieren, dass man zwischen fünf undneun Jahren dehnen muss, um eineMuskelverletzung zu vermeiden. Aberdies ist abhängig vom Verletzungsrisi-ko, das abhängt vom Trainingszustand,von der Belastung, vom Alter, von derTrainingshäufigkeit...

MuskelkaterWiemeyer (2002) stellt in seinemÜberblick sechs Untersuchungen vor,bei denen geprüft wurde, ob sich Mus-kelkater durch Dehnen vor oder nacheiner Kraftbelastung vermeiden lässt.Zum Teil wurde kein Einfluss festge-stellt, zum Teil auch eine Verstärkungdes Muskelkaters. Nach einer Untersu-

chung von Smith et al. (1993) kanndurch Dehnungstraining allein Mus-kelkater ausgelöst werden.

Diese Ergebnisse decken sich mitden Erkenntnissen über die Ursachendes Muskelkaters, denn mittlerweilesteht fest, dass Muskelkater durchMikroverletzungen innerhalb vonMuskelfasern vor allem bei exzentri-scherMuskelarbeit (Krafttraining, Nie-dersprünge, Bergabläufe) verursachtwird. Da dieDehnungsspannungen, diebeim Dehnungstraining an den Z-Scheiben entstehen, ähnlich hoch sindwie diejenigen Spannungen, die beimaximaler isometrischer Willkürkon-traktion auftreten, könnten somitdurch intensives Dehnen ähnlicheMikrotraumen verursacht werden wiedurch Krafttraining.

Von einem Langzeitdehnen ist eineReduktion von Muskelkater und derVerletzungshäufigkeit aufgrund desWachstumsreizes zu erwarten, ent-sprechendeUntersuchungen fehlen, daLangzeituntersuchungen sehr aufwän-dig sind (Klee, 2007).

nicht dehnenden Kontrollgruppe die1346x40 Trainingseinheiten in 0,37Prozent zu einer Verletzung führten, inder Dehngruppe die 1284 mal 40 Trai-ningseinheiten in 0,35 Prozent, einestatistisch unbedeutende Differenz, diedie Autoren dann zu dem zitierten Satzhochrechnen („23 Jahre“).

Dieses Ergebnis wird relativiert,wenn man schaut, welche Verletzun-gen erhoben wurden. Denn der über-wiegende Teil (> 90 Prozent) warenVerletzungen von Knochen, Gelenken,Bändern, Schleimbeuteln und nur 35der 381 Verletzungen Muskelzerrun-gen, von denen 14 in der Dehngruppeund 21 in der Kontrollgruppe auftraten.

Somit ist es zu früh zu resümieren,Dehnen hätte keine Bedeutung bei derVorbeugung von Verletzungen, es seidenn, man betont bei dieser Aussageausdrücklich, dass mit Verletzungenvor allem solche von Knochen, Gelen-ken, Bändern, Sehnen, und Schleim-beuteln gemeint sind und nicht Mus-kelverletzungen. Zwei neuere Untersu-chungen lassen eher den Schluss zu,dass Zerrungen durch Dehnungstrai-

Praktische Empfehlungen• Ein submaximales Dehnen im Rah-men des Aufwärmens ist beim Tenniswegen der Leistungssteigerung (Zu-nahme der Bewegungsreichweite =>Vergrößerung des Beschleunigungs-weges)undwegenderVerletzungspro-phylaxe (Vorbeugung von Muskelver-letzungen, insbesondere von Zerrun-gen) zu empfehlen (vgl. Seite 9). Hier-bei reichen zehn rhythmisch-federndeWiederholungen. Das in letzter Zeitpropagierte Movement-Preparationzeigt bei einigen Übungen eine großeNähe zum dynamischen Dehnen. Lei-stungseinbußen, die z. B. nach intensi-vem statischem Dehnen auftreten,werden durch Sprints, durch das Ein-spielenunddurcheinePausebehoben.Von einem umfangreichen maximalenDehnen beim Aufwärmen ist aberabzuraten, hierdurch kommt es zurLeistungsminderung und das Verlet-zungsrisikokönntesogar steigen (Wie-mann&Klee,2000).

• Bei anderen Bewegungsformen, beidenenes zukeinenmaximalenGelenk-ausschlägen und zu keinen schnell-kräftigenBewegungenkommt (Joggen…), sprechen kaum Argumente für einDehnenbeimAufwärmen.•Nach einer Belastung sollteman aus-laufen, sich lockern und submaximalstatisch dehnen (Schwerpunkt: Durch-saftungderBandscheiben,vgl.Seite10).• Ein Langzeitdehnen sollte in einereigenen Trainingseinheit absolviertwerden und dient der Leistungssteige-rung (Zunahme der Bewegungsreich-weite => Vergrößerung des Beschleuni-gungsweges) und vermutlich auch derVerletzungsprophylaxe. Hierbei soll-ten auch die Methoden des Anspan-nungs-Entspannungs-Dehnens unddes Antagonisten-Anspannungs-Deh-nens eingesetztwerden (vgl. Seite 11),da diese etwas effektiver als die ande-renDehnmetodensind(Klee,2003).•ZurVermeidungvonmuskulärenDys-

balancen (z. B. Schulterschmerzen) istein ausgewogenes Krafttraining fürdieAntagonisten (Rotatorenmanschet-te) wichtiger als ein Dehnungstraining(Brustmuskeln,PDF,S.20-21).

ZusammenfassungWurde das Dehnungstraining früherallzu oft unkritisch angewendet, so istes in den letzten Jahren übertriebenkritisch gesehen worden. Vor allemMeldungen über eine fehlende Verlet-zungsprophylaxe und über Kraft- undSchnellkrafteinbußen haben dazu bei-getragen. Wie gezeigt werden sollte,sind beide Bewertungen etwas übe-reilt abgegebenworden.Muskelverlet-zungen können vermieden werden,Leistungseinbußen treten beim durch-dachten Dehnen nicht auf. Somit istdem Tennisspieler sowohl ein Dehnenbeim Aufwärmen als auch ein regel-mäßiges Dehnungstraining zu emp-fehlen.

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III. Dehnen:Beim Aufwärmen nichtmaximal dehnen!• Bei diesen 5 Übungen10 mal rhythmisch-federnd dehnen.

I. Allgemeines Aufwärmen• Laufen um den Platz (3 bis 5 Runden).• Seitgalopp um den Platz, eine Runde nach innenblicken, eine Runde nach außen blicken.• Eine Runde Laufen mit Anfersen.

II. Aufwärmen des Schultergelenks• Hampelmann seitwärts, ca. 30 mal (Bild 1).• Hampelmann vorwärts, ca. 30 mal (Bild 2).• Schulter- und Armkreisen, ca. 30 mal(Bilder 3, 4, 5).

Bei dieser Übung 10mal schwingen;vorsichtig beginnen,langsam steigern,nicht maximal.

1. Aufwärm- und Dehnprogramm vor dem Tennis

Fotos:Jochen

Schw

ingham

mer

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Bei diesen 2 Übungen 30 SekundenBeine ausschütteln

Bei diesen 3 Übungen 15 - 20 Sekundenhängen lassen

Für 10 s.ablegen

IV. 3 Beschleunigungsläufe:• Über die gesamte Länge des Platzes• 5 m langsam beginnen, 5 m steigern, 5 - 8 m schnell• 1. Lauf: 90%, 2. Lauf: 95%, 3. Lauf: 99%

V. Einspielen

Bei diesen 3 Übungen 10 Sekunden statisch dehnen, nicht maximal.

2. Lockerungs- und Dehnprogramm zurEntspannung nach einer sportlichen Belastung

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Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassungder Beiträge von Dr. Andreas Klee anläss-lich der A-Trainer-Fortbildungen 2009 und2010 in Göttingen. Diese Vorträge stehenals pdf-Dateien unter www.biowiss-sport.de zum Download bereit. Diese undweitere Dehnübungen finden Sie in demBuch „Beweglichkeit &Dehnfähigkeit“, erschie-nen im Verlag K. Hofmann(Schorndorf). Autoren:Klee & Wiemann (2005).

Der Autor: Dr. AndreasKlee arbeitet als Privatdo-zent an der UniversitätWuppertal.

Bei diesen 9 Übungen 15 Sekunden statischdehnen

Bei diesen 7 Übungen 10 Sekunden statischdehnen, nicht maximal.

Maximal dehnen,aber ohne Schmerzen!

Bei dieser Übunglangsam kreisen(vor- und rückwärts)

Rhythmisch-federnddehnen

5 s anspannen2 mal CR-Stretching

15 s dehnenAuskugeln

DasHandtuchmit großemAbstandder Hände vor demKörper ergrei-fen undmit gestreckten Armen bishinter denKörper undwiederzurückführen.Den Abstandzwischen denHänden nachund nach ver-kleinern. Bei Schulterbeschwerdennicht geeignet.

2 mal im Wechsel„Katzenbuckel“ und „Pferderücken“

3. Umfangreiches Dehnprogramm zur langfristigenVerbesserung der Beweglichkeit des Schultergelenks