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IM BREGENZERWALD Unterwegs 26 DAV Panorama Nr. 5/2001 Nr. 5/2001 W as er denn einmal werden wolle, wurde ein Bregenzer- wälder Bauernbub einst ge- fragt, als der Tourismus noch „Fremdenverkehr“ hieß.„Ein Fremder!“ lau- tete die überraschende Antwort. Auf die Nachfrage, wie denn dieser eigenartige Be- rufswunsch zustande komme, meinte der Bub: „Ein Fremder hat es gut.“ Nun, letztere Aussage trifft auf das Tal hinter Bregenz,den Bregenzerwald, noch immer zu: Gäste sind willkommen,sie haben es gut.Junge Bregen- zerwälder allerdings haben sich inzwischen längst andere Berufsziele gesteckt. Einmal ist das Leben auf den Höfen im Wald, so die Heiteres Hügelland und blühende Alpwiesen, dichte Waldtobel und frische Wildbäche, langgezogene Bergkämme und weite Talkessel: Mit seinem Formenreichtum und uralter Kulturlandschaft bezaubert der Bregenzerwald Wanderer wie Radfahrer. Von ALFONS J. KOPF Dem Käse auf der Spur Vorarlberger Kurzbezeichnung für die Tal- schaft, längst nicht mehr so kräfteraubend wie dereinst. Mit neuen Ideen und dem Besinnen auf wertvolle Traditionen punkten die Wälder inzwischen weltweit. Ihre Leistungen bilden eine wesentliche Voraussetzung dafür,dass es den Gästen im Tal gut geht. Sie täuscht nämlich die Be- zeichnung „Bregenzerwald“,denn bewaldet sind nur jene Teile des Tales,die kaum anders zu bewirtschaften sind. Ansonsten bieten gepflegte Wiesen und Alpen bis hoch hinauf zu den Zweieinhalbtausendern im „Hinter- wald“ eine Vielzahl an Möglichkeiten für Wanderer und Bergfexe. Die Käsestraße So kann sich der Wanderer im Bregenzer- wald an den Stationen der neuen „Käsestra- ße“ nicht nur genau darüber informieren, wie denn ein echter Bergkäse entsteht, es gibt auch ausreichend Möglichkeiten, hei- mische Spezialitäten zu kosten. Käse ist in dieser von Jahrhunderte langer bäuerlicher Arbeit geprägten Landschaft ein echtes Kul- turgut, dem mit der Einrichtung der Käse- straße berechtigte Anerkennung gezollt wird. Da die Einheimischen längst WWW,also „World-Wide-Wälder“, sind, gibt es dank in- ternationaler Vernetzung inzwischen selbst den „Wälder Wein“,eine beliebte Ergänzung zu heimischen Getränken wie dem Selbst- gebrannten, dem Most, dem Molkegetränk oder natürlich der frischen Milch von der Kuh. Letztere ist übrigens, darauf verweist man im Wald, besonders stolz, vollständig „silo- frei“:Das Vieh im Tal bekommt nur Gras und Kräuter oder winters das daraus gewonnene Heu zu fressen.Würde Silage zugefüttert,wä- re die Produktion von Bergkäse unmöglich. Alles markiert, alles getestet Der Bregenzerwald ist in ganz besonderer Weise familientauglich; immerhin ist er die erste größere Region in Österreich, die das neue Wanderwegekonzept des Landes be- reits vollständig umgesetzt hat. Beim Land Vorarlberg, das gemeinsam mit Vorarlberg Tourismus das Konzept in Angriff genom- men hatte,verweist man erfreut darauf,dass deutsche und österreichische Alpenvereins- sektionen diesem Vorhaben ihre volle Unterstützung haben zuteil werden lassen. Deshalb sind natürlich auch Häuser wie die Biberacher Hütte und ihre Umgebung fixer Bestandteil der neuen Kartenwerke. Diese Zusammenarbeit funktionierte übrigens für das gesamte Land Vorarlberg. In alten Wanderkarten waren jeweils nur bestehende Wege eingetragen.Wanderlusti- ge hatten selbst herauszufinden, ob denn noch gangbar sei, was da jeweils übernom- men worden ist. Zudem gab es kaum Hin- weise auf den Schwierigkeitsgrad, weshalb Familien mit Kindern immer wieder zum Umkehren gezwungen waren, weil der Nachwuchs durch einen jähen Stich über- fordert war.Manche der Wanderwege hatten inzwischen auch ihren alten Charakter ver- loren, waren als Zufahrt zu Alpen oder zur Forstbewirtschaftung zu veritablen Straßen ausgebaut und die Wanderer deshalb längst auf neue Routen ausgewichen.Diese neuen Wege, oft von den Gemeinden mit großer Mühe angelegt und gepflegt, fanden sich höchstens im örtlichen Verzeichnis abge- druckt. Nun liegen druckfrisch (Mitte Juli 2001) drei neue Wanderkarten für den Bregenzer- wald vor, die vierte und letzte für den Teil Richtung Tannberg und Lech folgt zum Jahresende. Bereits die ersten drei handli- chen Blätter enthalten an die 200 Tipps vom größeren Spaziergang bis zum alpinen Steig, jeweils entsprechend markiert und vor al- lem in der Natur exakt beschildert.War es früher oft Glückssache, ob die Richtung wohl stimme, so gibt es jetzt klare Markie- rungen, einheitliche Schilder mit Angaben zur Gehzeit und die Verpflichtung der Links: Die Hohe Künzel ist der Hausberg der Biberacher Hütte und von dieser über einen AV-Steig von Süden her gut erreichbar. Oben: Das wuchtige Massiv der Braunarlspitze beherrscht die Landschaft in der Nähe des Hochtannbergpasses und bildet sozusagen den „Dachfirst“ des Hinterwalds; ihr Hauptgipfel bietet erfahrenen Bergwanderern einen der lohnendsten Aussichtspunkte der Region. Im „Käsehaus“ von Andelsbuch weiht Kaspar Ritter interessierte Besucher in die Kunst der Käseherstellung ein. Fotos: Peter Mathis Foto: Alfons Kopf

Dem Käse auf der Spur - alpenverein.de · fragt,als der Tourismus noch ... tete die überraschende Antwort. Auf die Nachfrage,wie denn dieser eigenartige Be-rufswunsch zustande komme,

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Page 1: Dem Käse auf der Spur - alpenverein.de · fragt,als der Tourismus noch ... tete die überraschende Antwort. Auf die Nachfrage,wie denn dieser eigenartige Be-rufswunsch zustande komme,

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26 DAV Panorama Nr. 5/2001 Nr. 5/2001

Was er denn einmal werdenwolle, wurde ein Bregenzer-wälder Bauernbub einst ge-fragt, als der Tourismus noch

„Fremdenverkehr“ hieß.„Ein Fremder!“ lau-tete die überraschende Antwort. Auf dieNachfrage, wie denn dieser eigenartige Be-rufswunsch zustande komme, meinte derBub:„Ein Fremder hat es gut.“ Nun, letztereAussage trifft auf das Tal hinter Bregenz,denBregenzerwald, noch immer zu: Gäste sindwillkommen,sie haben es gut.Junge Bregen-zerwälder allerdings haben sich inzwischenlängst andere Berufsziele gesteckt. Einmalist das Leben auf den Höfen im Wald, so die

Heiteres Hügelland und blühende Alpwiesen, dichte Waldtobel und frische Wildbäche,

langgezogene Bergkämme und weite Talkessel: Mit seinem Formenreichtum und uralter

Kulturlandschaft bezaubert der Bregenzerwald Wanderer wie Radfahrer.

Von ALF ONS J . KOPF

Dem Käse auf der Spur

Vorarlberger Kurzbezeichnung für die Tal-schaft, längst nicht mehr so kräfteraubendwie dereinst. Mit neuen Ideen und demBesinnen auf wertvolle Traditionen punktendie Wälder inzwischen weltweit.

Ihre Leistungen bilden eine wesentlicheVoraussetzung dafür, dass es den Gästen imTal gut geht. Sie täuscht nämlich die Be-zeichnung „Bregenzerwald“,denn bewaldetsind nur jene Teile des Tales,die kaum anderszu bewirtschaften sind. Ansonsten bietengepflegte Wiesen und Alpen bis hoch hinaufzu den Zweieinhalbtausendern im „Hinter-wald“ eine Vielzahl an Möglichkeiten fürWanderer und Bergfexe.

Die KäsestraßeSo kann sich der Wanderer im Bregenzer-wald an den Stationen der neuen „Käsestra-ße“ nicht nur genau darüber informieren,wie denn ein echter Bergkäse entsteht, esgibt auch ausreichend Möglichkeiten, hei-mische Spezialitäten zu kosten. Käse ist indieser von Jahrhunderte langer bäuerlicherArbeit geprägten Landschaft ein echtes Kul-turgut, dem mit der Einrichtung der Käse-straße berechtigte Anerkennung gezollt wird.

Da die Einheimischen längst WWW,also„World-Wide-Wälder“, sind, gibt es dank in-ternationaler Vernetzung inzwischen selbstden „Wälder Wein“,eine beliebte Ergänzungzu heimischen Getränken wie dem Selbst-gebrannten, dem Most, dem Molkegetränkoder natürlich der frischen Milch von der Kuh.Letztere ist übrigens, darauf verweist manim Wald, besonders stolz, vollständig „silo-frei“:Das Vieh im Tal bekommt nur Gras undKräuter oder winters das daraus gewonneneHeu zu fressen.Würde Silage zugefüttert,wä-re die Produktion von Bergkäse unmöglich.

Alles markiert, alles getestetDer Bregenzerwald ist in ganz besondererWeise familientauglich; immerhin ist er dieerste größere Region in Österreich, die dasneue Wanderwegekonzept des Landes be-reits vollständig umgesetzt hat. Beim LandVorarlberg, das gemeinsam mit VorarlbergTourismus das Konzept in Angriff genom-men hatte,verweist man erfreut darauf,dassdeutsche und österreichische Alpenvereins-

sektionen diesem Vorhaben ihre volleUnterstützung haben zuteil werden lassen.Deshalb sind natürlich auch Häuser wie dieBiberacher Hütte und ihre Umgebung fixerBestandteil der neuen Kartenwerke. DieseZusammenarbeit funktionierte übrigens fürdas gesamte Land Vorarlberg.

In alten Wanderkarten waren jeweils nurbestehende Wege eingetragen.Wanderlusti-ge hatten selbst herauszufinden, ob dennnoch gangbar sei, was da jeweils übernom-men worden ist. Zudem gab es kaum Hin-weise auf den Schwierigkeitsgrad, weshalbFamilien mit Kindern immer wieder zumUmkehren gezwungen waren, weil derNachwuchs durch einen jähen Stich über-fordert war.Manche der Wanderwege hatteninzwischen auch ihren alten Charakter ver-loren, waren als Zufahrt zu Alpen oder zurForstbewirtschaftung zu veritablen Straßenausgebaut und die Wanderer deshalb längstauf neue Routen ausgewichen.Diese neuenWege, oft von den Gemeinden mit großerMühe angelegt und gepflegt, fanden sichhöchstens im örtlichen Verzeichnis abge-druckt.

Nun liegen druckfrisch (Mitte Juli 2001)drei neue Wanderkarten für den Bregenzer-wald vor, die vierte und letzte für den TeilRichtung Tannberg und Lech folgt zumJahresende. Bereits die ersten drei handli-chen Blätter enthalten an die 200 Tipps vomgrößeren Spaziergang bis zum alpinen Steig,jeweils entsprechend markiert und vor al-lem in der Natur exakt beschildert.War esfrüher oft Glückssache, ob die Richtungwohl stimme, so gibt es jetzt klare Markie-rungen, einheitliche Schilder mit Angabenzur Gehzeit und die Verpflichtung der

Links: Die Hohe Künzel ist der Hausberg der Biberacher Hütte und von dieser über einen AV-Steig von Süden her gut erreichbar.Oben: Das wuchtige Massiv der Braunarlspitze beherrscht die Landschaft in der Nähe des Hochtannbergpasses und bildet sozusagen den „Dachfirst“ des Hinterwalds; ihr Hauptgipfel bietet erfahrenen Bergwanderern einen der lohnendsten Aussichtspunkteder Region.

Im „Käsehaus“ von Andelsbuch weihtKaspar Ritter interessierte Besucher in dieKunst der Käseherstellung ein.

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Gemeinden,die Wege auch entsprechend zuwarten. Dabei haben die Vorarlberger eineweise Methode der Kontrolle entwickelt:Immer wieder werden die geschulten Weg-warte dazu eingeladen,bei einem Ausflug zusehen, wie denn die Kollegen in anderenLandesteilen ihre Arbeit tun. Verständlich,dass da niemand vor der „Konkurrenz“ etwaschlecht dastehen möchte...

Die in den Fremdenverkehrsämtern er-hältlichen Karten sind professionell gestal-tet und enthalten eine Reihe von Querver-weisen, die über das übliche Maß hinausge-hen.Da sind bei allen Tipps jeweils Einkehr-möglichkeiten angeführt, eine eigene Listeführt zur Telefonnummer auch Übernach-

tungsgelegenheiten auf. Und weil im LandVorarlberg die öffentlichen Verkehrsmittelim Rahmen des Verkehrsverbundes durch-gehend mit der selben Karte zu nutzen sind,gibt es natürlich auch Wandervorschläge mitBus oder Bergbahn.

Alles AussichtJeder der in die neuen Wanderkarten aufge-nommenen Wege wurde zuvor getestet –der Bregenzerwälder Dr. Rudolf Berchtelschaffte das innerhalb von immerhin fünfJahren. Er nahm sich diese Zeit, um bei je-dem Wandervorschlag einzutragen, ob Kul-turstätten, Alpen, ein Naturlehrpfad oderWasserläufe am Weg liegen. „Mein größtesProblem war jeweils das ‚A‘ für ‚Weg mitherrlicher Aussicht‘“, gesteht der Profi-Wan-

derer.„Solch herrliche Aussichten gibt es beibeinah jedem Steig, ich musste mich aufwirklich eindrucksvolle Standplätze be-schränken.“ Als Ausweg erfand er dazu nochdas ,G‘ für „Route enthält die Besteigung ei-nes Berggipfels mit wunderbarer Aussicht“.Die Karten waren erst wenige Wochen imUmlauf,da meldeten verschiedene Gemein-den bereits dringenden Nachschubbedarfan.Dabei stellte sich heraus,dass viele Gästekeineswegs nur rund um den Kirchturmwandern möchten, sondern sich selbstver-ständlich auch für Touren interessieren, dieneue Ein- und Ausblicke gewähren.Und wie-der bewährt sich der Verkehrsverbund: Daseigene Fahrzeug darf ruhig stehen bleiben,der Bus fährt interessante Ausgangspunktean.

Was erwandert nun,wer sich auf Schus-ters Rappen im Bregenzerwald auf den Wegmacht? Da liegen sanfte Bühel und steileSchrofen am Weg,es tost die Bregenzer Achein ihrem Bett und es gurgelt das Bächlein,aus dem meist unbesorgt der Durst gestilltwerden kann. Das gilt selbstverständlichauch für die zahlreichen Brunnen mit quell-frischem Wasser.

Ob eher geruhsam im Talgrund oderbergwärts auf Höhenwanderwegen – demaufmerksamen Wanderer erschließen sichunerschöpfliche Einblicke in eine Kultur-landschaft, in der historisch gewachsenerBestand sehr oft eine spannungsreiche Ver-bindung mit moderner Architektur und Le-bensweise eingeht. Wuchtige Wälder-Bau-ernhöfe stehen da und immer wieder auchBeispiele moderner Holzarchitektur, die esin Vorarlberg zu besonderer Blüte gebrachthat.Dabei dienten vielfach traditionelle For-men bäuerlicher Objekte als Vorbild.

Was, bitte, ist ein Vorsäß?Die Gemeinde Bizau ist einmal wegen ihrerSommerrodelbahn bei Familien mit Kindernsehr beliebt.Die Sesselbahn erschließt aberzudem einen Alpenlehrpfad und einen derWege zum Vorsäßdorf Schönenbach.Vorsäß?Was, bitte, ist ein Vorsäß? Da ist ein kleinerExkurs in die Drei-Stufen-Landwirtschaft imWald vonnöten.Vom Herbst bis zum Früh-jahr hält die Bauernfamilie ihr Vieh im Heim-gut im Tal. Danach geht es auf die in etwa1000 Meter Seehöhe gelegenen Vorsäße.Nach wie vor siedeln Familien mit Kind undKegel und Hauskatze Ende Mai,Anfang Junium in diesen „Zweitwohnsitz“, der deshalbauch „Maisäß“ genannt wird. Schönenbach

ist eines der Gemeinschaftsvorsäße, hierstehen etliche dieser Bauten beieinander.Schließlich wird dann der Sommer auf derHochalpe verbracht und vielfach gibt es vordem Alpabtrieb ins Tal noch einen Zwi-schenhalt im Vorsäß.

Nicht die schiere Lust am dauerndenWechsel ist es,die Wälder Bauern zu diesemTun bringt.Vielmehr würde das Gras im Talnicht ausreichen als Futter für ein ganzesJahr.Ist das Vieh aber im Vorsäß oder auf derAlpe, kann das Gras im Tal geschnitten undim Winter als Heu verfüttert werden. OhneVorsäß und Alpen wäre der Viehbestand imTal deutlich geringer als die 24.000 Rind-viecher,die dort gehalten werden können.

Da wandert man also vom Hirschbergbei Bizau gemütlich in drei Stunden nachSchönenbach. Dort kann sich mit Käsespe-zialitäten verwöhnen lassen,wem der Gustodanach steht.Zu kurz für Sie? Dann nehmenSie halt den Bus von Egg nach Schetteregg,wo die Bergwanderung auf die Winterstau-de (1877 m) und weiter über mehrere Alpenbis nach Schönenbach führt.Sechs Stundenmüssen hierfür eingeplant werden und werin Schönenbach noch rasten will, muss ein-kalkulieren, dass der letzte Bus dort kurznach 16 Uhr abfährt. Sonst geht es halt diezehn Kilometer bis Bizau auf der Straße zuFuß.

Aber zurück zu Vorsäß und Alpe – Almsollte man in Vorarlberg nicht sagen, dasregt manchen Landwirt aus unerfindlichenGründen auf. Während anderswo oft nurJungvieh gealpt wird, werden in Vorarlbergsehr viele Sennalpen betrieben,die die Milchder Kühe an Ort und Stelle verarbeiten.An die 90 solcher Sennalpen finden sich al-

Der Bregenzerwald ist ein Wanderparadies par excellence und die Palette der Möglichkeiten reicht von der alpinen Szenerie amHochtannbergpass bis zu den Mittelgebirgsgipfeln des Vorderwalds. Für sämtliche Ansprüche und Anforderungen und fast jede Jahreszeitexistiert ein gut markiertes Netz von Wanderwegen, neuerdings unterstützt von informativen Wanderkarten.

Rechts: Die Alpsiedlung Schönenbach be-steht aus einer Ansammlung von Vorsäßen.Auf den Vorsäßen spielt sich seit Alters her das Leben der Bergbauern im spätenFrühjahr ab, wenn das Vieh langsam auf die Hochweiden getrieben wird, und wieder am Herbstanfang, wenn Mensch und Tier ins Tal zurückkehren.

Die Mörzelspitze im Dornbirner First ist charakteristisch für die grüne Mittelgebirgsland-schaft des Vorderwalds. Wo ausgedehnte Viehweiden bis in die Gipfellagen hochziehenfinden Bergwanderer der gemäßigten Richtung eine Vielzahl von Ausflugsmöglichkeiten.

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lein im Bregenzerwald und wer zur rechtenZeit unterwegs ist,kann die Produktion desVorarlberger Alpkäse beobachten. Selbigerist EU-weit unter eben dieser Bezeichnungursprungsgeschützt.Aber Achtung:Kein Sennschätzt es, wenn Gäste gar zu nah an denSennkessel geraten,weil Hygiene bei der Kä-seproduktion ganz groß geschrieben wird!

Kaspar und sein BergkäsBergwanderer finden gewiss die eine oderandere hochalpine Produktionsstätte, werallerdings erst nach dem Alpabtrieb unter-wegs ist,dem sei ein Abstecher in das „Käse-haus“ in Andelsbuch angeraten. Dort werktin der Schaukäserei unmittelbar neben derDorfkirche Sonntag für Sonntag um 11 UhrKaspar Ritter und produziert edlen Berg-käse. Auf Wunsch und nach Voranmeldungvon Gruppen greift er auch zu anderenZeiten zur Käseharfe und erklärt währendder praktischen Vorführung haarklein, wasdenn alles erforderlich ist, damit aus zehnLitern Milch ein Kilo vom Bergkäs wird.

Der Kaspar bringt es rasch zuwege,dassauch Unkundige eine Beziehung zum Pro-dukt erhalten,zudem lässt sich natürlich imKäsehaus trefflich kosten, was heimischeLandwirtschaft alles zustande bringt. Fürmüde Wanderer mag besonders die Cremeauf der Basis von Molke – einem Nebenpro-dukt der Käseerzeugung – mit Alpenkräu-tern wohltuend wirken. Gegen den Durstgibt es Milchgetränke oder heimischenMost.

Der Kaspar Ritter ist aber auch immerwieder auf der Niedere oberhalb von An-delsbuch anzutreffen.Dort wird in der Alpeebenfalls Käse erzeugt, in knapp zwei Stun-

den ist der alpgeschichtliche Lehrweg zuumrunden, der Aufschluss gibt über dieAlpenflora.Sinnvoll ist,etwas mehr Zeit ein-zuplanen, weil sich die Niedere längst zumZentrum von Paragleitern und Drachenflie-gern entwickelt hat. Mutige ersparen sichdie zwei Stunden Fußmarsch ins Tal und las-sen sich im Tandemflug von erfahrenenGleitschirmpiloten sanft zur Talstation derBergbahn fliegen.

Wandern ohne GepäckDie Käsestraße hat eine erstaunliche Füllean Attraktionen aufzuweisen, die sich auchdem Wanderer erschließen, der nicht nurkurze Ausflüge plant. Für eine viertägigeWanderung mit drei Übernachtungen imHotel samt Halbpension wird in Dornbirngestartet. Das Gepäck liegt bei der Ankunftbereits bereit.Der Weg führt vom Bödele obDornbirn nach Schwarzenberg, wo ein Be-such im Wälder Heimatmuseum eingeplantist. Die Wälder Jause auf der Kanisalpe, derBesuch beim Holzschindelmacher in Au ge-hören ebenso dazu wie die Unterbringungbei Wälder Käsewirten. Weitere Station istMellau. Ja, und wer dreimal im Wald näch-tigt,der bekommt die „Bregenzerwald Card“gratis dazu. Die bietet Bus- und Seilbahn-fahrten zum Nulltarif,ebenso den Eintritt ineines der Schwimmbäder...

Alfons J. Kopf arbeitet als Lokaljournalist inder Region Bregenzerwald. Beiträge fürBildbände und Heimatbücher weisen ihn alsprofunden Kenner des Landes aus. Zum Vorarlberger Wanderwegenetz erhielt eraufschlussreiche Informationen von Dr. HelmutTiefenthaler und Dr. Rudolf Berchtel.

Als mächtiges Kalkriff überragt die Kanisfluh mit einer tausend Meter hohen Nordflanke den Talgrund der Bregenzer Ache zwischenMellau und Schnepfau. Vom Holenkegipfel aus hat der Bergwanderer eine prächtige Aussicht auf Mellau (rechts).Unten: Damüls, eine der höchstgelegenen Siedlungen des Bregenzerwaldes, wurde einst von zugewanderten Walsern gegründet.

Auch die Gleitschirmflieger haben den Bregenzerwald als ideales Revier entdeckt.

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Sie würde wohl voller Entsetzen ihreHände über dem Kopf zusammen-schlagen,könnte sie noch sehen,wie

heute Radler tollkühn durch steile Hohl-wege und über extreme Hänge zu Talestürzen,die alte Anna Hermann aus Hardam Bodensee. „Natürlich muss man Radfahren können“ meinte die beinah 90-jähri-ge damals zu uns Kindern; sie selbst habedas ja auch gemacht, einst im vorigen,nein,inzwischen im vorvorigen Jahrhundert.

Immerhin stand sie als Schülerin anno1884 ganz vorn in der ersten Reihe, als seine Apostolische Majestät Kaiser FranzJoseph I. geruhte,die Eisenbahn im LandeVorarlberg zu eröffnen. Just im selben Jahrkam auch das erste Fahrrad mit Pedalenund Kettenübertragung auf den Markt.Eine Fahrradtour durch den Bregenzerwaldwar zu Zeiten der k. k.Monarchie wohlnicht sinnvoll, längst aber sind Radler auchauf Strecken unterwegs,die einst derschmalspurigen Wälderbahn oder landwirt-schaftlichen Fahrzeugen vorbehalten waren.Dabei muss kein Extremsportlersein,wer sich hierorts auf seinen Drahteselschwingt, es lässt sich das Tal auch gemäch-lich erradeln.Und weil die Bregenzerwäl-der alles andere als Hinterwäldler sind,wissen sie den Spaß am Radeln mit beson-deren Angeboten zu verquicken.

Den Bodensee zu FüßenUm den Wald zu erreichen gibt es mehrereMöglichkeiten:Das Bodenseeufer entlangund dann durchs Rheintal oder gleich vonBregenz aus über den Vorderwald radeltlos,wer die Entfernung nicht scheut undnicht im Tal der Bregenzer Ache selbst sta-tioniert ist.Welche Strecke auch immer essein soll:Das Radwegekonzept im Ländlevor dem Arlberg ist ausgeklügelt. In jedemGemeindeamt und jeder Tourismusinfor-mation finden sich detaillierte Karten,dieStrecken sind bestens ausgeschildert.

Wer den Bregenzerwald per Fahrrad erobern will,muss zu Beginn heftig in diePedale treten.Von der LandeshauptstadtBregenz aus führt die Langener Straße inden Vorderwald.Sie erschließt dem Straßen-sport-Radfahrer die Vorderwald-Rundfahrtmit einer Streckenlänge von 55 Kilometerund 500 Meter Höhenunterschied.In Müselbach fällt dann die Entscheidung:wieder zurück nach Bregenz über Alber-schwende und den Schwarzachtobel odertaleinwärts auf der Strecke der „GroßenVorarlberg-Rundfahrt“.

Wer dagegen den ungehinderten Blicküber Rheintal und Bodensee genießenmöchte,der wählt die Messestadt Dornbirnals Ausgangspunkt und sticht dort berg-wärts über das Bödele Richtung Schwarzen-berg oder über den Achrain nach Alber-schwende.Da tun sich immer wieder Pano-ramen auf, die eine Rast nahe legen für den

ungehinderten Blick weit über die gleißen-de Fläche des Bodensees.

Besonders eindrucksvoll liegen Rhein-tal und Bodensee zu Füßen,wenn nach einem heißen Tag eines der Sommergewit-ter dräut.Da wuchten sich unheimlicheWolkengebirge auf,Blitze zerreißen dietiefschwarzen Gebilde und gewaltige Don-nerschläge werden zum unheimlichenKonzert. In solcher Situation scheuchendie Blinklichter der Sturmwarnung um denSee die Bootsfahrer in die sicheren Häfenund auch der Radler ist gut beraten, rascheinen trockenen Unterstand zu suchen,weil ihn sonst wahre Regenfluten vomFahrrad schwemmen könnten.Ein gast-liches Lokal oder auch ein weit vorkragen-des Stadeldach finden sich gewiss in derNähe,wo das Donnerwetter ausgesessenwerden kann.

FamilienausflugBestens geeignet für den gemütlichen Fami-lienausflug ist der Radwanderweg Bregen-zerwald zwischen Egg und Schoppernau.Da dampfte einst bis Bezau die Schmal-spurbahn und ein Teil dieser alten Bahn-trasse ist jetzt Wanderern und Radlern vor-behalten.Kurz muss auf die Bundesstraßegewechselt werden,dann geht es wiederauf schattigen Wegen nach Bezau,demHauptort des Tales.Dorthin gelangen be-quemere Zeitgenossen auch mit der Muse-umsdampfbahn,die auch das Rad mit-nimmt.Bei einer Gesamtlänge von 30 Kilo-meter und einer Höhendifferenz von 350Metern ist das ein gemütlicher Ausflug,derausreichend Rastmöglichkeiten bietet.DenRadlern erschließen sich dabei die ver-schiedenen Landschaftsformen des Bregen-zerwaldes in besonderer Weise.Wo einstder Gletscher breite Bahn gebrochen hat,ist ein behäbiges Tal mit weiten Wiesen-flächen zu bewundern,wildromantisch dagegen der Streckenabschnitt zwischenSchnepfau und Au direkt entlang derBregenzer Ache.

Steil in die HöheGemütlich ist ja gut und schön,geübteBiker aber suchen die Herausforderung.Die bieten Hänge und Schrofen imBregenzerwald zuhauf,und zwar in allen

Schwierigkeitsgraden.Das kostet Muskel-kraft und Schweiß, eröffnet aber auch herr-liche Rundblicke und führt zu einer Reihevon Alphütten und Vorsäßen,wo bäuerli-che Tradition noch Alltag ist.Da führt eineStrecke mittlerer Schwierigkeit über dieBezegg,wo einst das Parlament der Bre-genzerwälder stand,ein Holzbau auf hohenPfählen.Waren die Abgeordneten versam-melt, so wurde die Leiter entfernt und erstwieder aufgestellt,wenn sich die Männeroben geeinigt hatten.Dem Vernehmennach sollen die Beratungen auf der Bezeggmeist in kurzer Zeit abgeschlossen gewe-sen sein...

Echte Bikerabenteuer versprechen auchgeführte Touren,die geübte Führer in jederdenkbaren Variante samt Übernachtungauf einer Hütte ausarbeiten.Aber auchsonst sind Bikertouren jeder Länge zu fin-den, zudem haben inzwischen die meistenGemeinden die steilen Routen in die ge-meindeeigene Haftpflichtversicherung aufgenommen.

Allerorten finden sich Tipps für kombi-nierte Radausflüge.Ein, zwei Stunden radeln,dann etwa zur längsten Sommerro-delbahn oder zum Tandemflug mit demParagleiter auf die Niedere in Andelsbuchbzw.schlicht zum Faulenzen in ein Freibad.Und wer sich verfransen sollte bei derRadtour durch den Bregenzerwald,be-kommt Rat von Weggenossen,weil dieVorarlbergerinnen und Vorarlberger selbstdas Fahrrad längst als beliebtes Freizeit-instrument entdeckt haben.Mag sein,dassdie Auskunft zuerst etwas kryptisch klingt,immerhin ist der alemannische DialektUmgangssprache und man muss schon gutzuhören,wenn der Weg mit „Do fehscht do ue!“ beschrieben wird,will heißen „Da geht der Weg hoch.“

Linke Seite:Das beinahe endloseNetz von Alp- undForstwirtschaftswe-gen bildet ein Doradofür Radsportler jeglicher Couleur.

Schwarzenberg ist eintraditionelles Domizilder Viehwirtschaft imBregenzerwald. Diealljährliche Viehscheidim September bietetein folkloristischesEreignis, das zahl-reiche Besucher anzieht.Schwarzenberg ist der Geburtsort derMalerin AngelikaKauffmann (1741–1807), der berühmtes-ten Tochter desLandes, an die einDenkmal in der örtli-chen Kirche erinnert.

Gemütlich bis extrem: per Fahrrad durch den WaldVon Alfons J. Kopf

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