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Der MDK Bayern im Dialog mit der Alzheimer Gesellschaft Aschaffenburg e.V.Dr. med. Dr. phil. Reinhard Platzek
Demenz- Eine Herausforderung unserer Zeit• Medizinische Fakten zum Krankheitsbild der Demenz• Perspektiven zum Umgang mit den Betroffenen
Psychiater unter sich ...Psychiater unter sich ...
Alzheimer, Kraepelin, Gaupp und Nissl 1910 bei einer Bootsfahrt auf dem Starnberger See Alois Alzheimer lebte von 1874 bis 1883 in Aschaffenburgund absolvierte am hiesigen Kronberg-Gymnasium sein Abitur
Was ist ein „normaler“ Alterungsprozeß?Was ist ein „normaler“ Alterungsprozeß?• Normales Altern führt regelmäßig zu einerAbnahme der Aufnahme- und Merkfähigkeit.• Es kommt zu einer Erstarrung der Gedankengänge, einer Einengung der Gefühlsbeziehungen, zu einem Erlahmen der Tatkraft und der Ausbildung„störrischer Unlenksamkeit“.
Der Psychiater Emil Kraepelin (1856-1926)formulierte 1913:
Wenig problematische kognitive AlterungsprozesseWenig problematische kognitive Alterungsprozesse� Age-Associated Memory Impairment (AAMI): subjektive Gedächtnisbeschwerden bei ansonsten unauffälligen älteren Personen.� Mild Cognitive Impairment (MCI): Gedächtniseinschränkungen mit Leistungen unterhalb der Altersnorm, aber normale Alltagsaktivitäten sind möglich.
Was ist eine Demenz?Was ist eine Demenz?
Katja Brückner, HamburgIn: neuro aktuell 2. Mai 2013 Jahrg. 27 Nr. 217, S. 22
• Demenz ist ein Syndrom, das mit Störungen in verschiedenen kognitiven Domänen wie Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Sprache und Urteilsvermögen einhergehen kann.• Zudem kann es zu Veränderungen in der emotionalen Kontrolle,im Sozialverhalten sowie in Motivation und Antrieb kommen.
Alzheimer ErkrankungAlzheimer ErkrankungDie alzheimersche Erkrankung ist die häufigste Demenzform� chronische, langsam fortschreitende Erkrankung des Gehirns� Störung des Gedächtnisses, der Sprachverarbeitung sowie weiterer höherer geistiger („kognitiver“) FunktionenFolgen sind:� eingeschränkte Leistungsfähigkeit im täglichen Leben � gravierende Veränderungen im zwischenmenschlichen Kontakt� Belastung für das familiäre Umfeld
Das Gesicht einer Krankheit Das Gesicht einer Krankheit Auguste D.,die erste Alzheimer-Patientin(November 1902)
Aus der Akte Auguste D.,Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I, Universität Frankfurt am Main
Häufigkeit von Demenzerkrankungen� in Deutschland: ca.1,6 Mio. Erkrankte, davon 220.000 in Bayern� Zunahme der Erkrankungshäufigkeit mit steigendem Lebensalter:ca. 2 - 5% der 70jährigenca. 10 - 20% der 80jährigenüber 30% der 90jährigen� Jedes Jahr treten etwa 300 000 Neuerkrankungen auf.Sofern in Prävention und Therapie kein Durchbruch gelingt, wird sich nach Vorausberechnungen der Bevölkerungsentwicklung die Krankenzahl bis zum Jahr 2050 auf rund 3 Millionen erhöhen.
Quelle: Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.
Ca. 20.000 Betroffene sind weniger als 65 Jahre alt.
Unterschiede von normalem Altern und DemenzVergessen: sporadisch häufigWiederfinden meist rasch, an den selten, an unüblichen Ortenvon Verlegtem: üblichen OrtenVergessene verschiedene Details ganze LebensereignisseInhalte:Wiedererinnern: häufig (roter Faden) seltenMerkhilfen: gleichbleibend nutzbar zunehmend nutzlos
Normales Altern Frühe Demenz
Die Demenz betrifft drei große Bereiche Die Demenz betrifft drei große Bereiche Alltags-kompetenzKognition
Verhalten
GedächtnisOrientierungAufmerksamkeitSpracheWahrnehmungKonzentrationsfähigkeitFähigkeit Problemezu lösenAngst, Apathie, ungewöhnliches, zurückweisendes, „aggressives“ Verhalten
Umgang mit GeldHaushaltsführungTelefonierenAnkleidenToilettengang
� kaum auffällige, vom Patienten und seiner Umgebung verdrängte Symptome � Aktivitäten im täglichen Leben reduziert, Vitalitätsverlust� Gedächtnisbildung, Sprachverarbeitung, örtliche und zeitliche Orientierung u.a. betroffen� Patienten anfänglich mit Leidensdruck
Erstes Stadium
� Gedächtnis, Sprachverarbeitung, Alltagsfunktionen, Wahrnehmung, örtliche / zeitliche Orientierung sind beeinträchtigt � Antriebsstörung� selbständige Lebensführung erheblich eingeschränkt� Unterstützung notwendig
Zweites Stadium deutlicher ausgeprägte Symptomatik
selbständige Lebensfähigkeit aufgehoben, völlige Abhängigkeit� hochgradige Störungen aller geistigen Funktionen� jetzt zusätzlich körperliche Symptome:Sturzgefahr, schleppender Gang, Verlust der Kontrolle über Blase und Darm, Schluckbeschwerden, Krampf-anfälle u. a.Endstadium:• Körperlicher Verfall, Bettlägerigkeit, Infektionen� häufigste Todesursache: Lungenentzündung
Drittes Stadium
Der KrankheitsverlaufDer Krankheitsverlaufleichtgradig mittelgradig schwergradig
• Kurzzeitgedächtnisgestört• Schweirigkeiten sichauszudrücken• Stimmungsschwankungen• Urteilsvermögen vermindert• Verhaltensänderungen• Unfähigkeit Neues zu erlernen• Beeinträchtigung desLangzeitgedächtnisses • Unruhe, Aggression, Verwirrtheit• Notwendigkeit der Unter-stützung bei den alltägl.Aktivitäten
• Inkontinenz• motorische Störungen• Bettlägerigkeit• vollständigePflegebedürftigkeit
Risikofaktoren für eine dementielle ErkrankungRisikofaktoren für eine dementielle Erkrankung• Lebensalter • Genetische Faktoren (0,5 % der Fälle von Alzheimer Erkrankungen)• Vaskuläre Risikofaktoren• Bluthochdruck, Schlaganfall, Mikroinfarkte • Körperliche, geistige und soziale Inaktivität • Starkes Rauchen und übermäßiger Alkoholgenuß• Schädel-Hirntrauma
Somatische Ursachen einer DemenzSomatische Ursachen einer Demenz• Hypothyreose (T3,T4,TSH)Schilddrüsenunterfunktion• Morbus Wilson (Cu) Kupferstoffwechselstörung• Normaldruckhydrocephalus• Zerebrale Raumforderung (CCT)Tumorerkrankung• Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (EEG) (Neurologe Alfons Maria Jakob 1884 in Aschaffenburg geboren)
DiagnosestellungDiagnosestellung• Körperliche Untersuchung durch den Hausarzt (Laboruntersuchung, EKG etc.)• Weitere Abklärung durch den Nervenarzt(EEG, CT, MRT, PET)• Standardisierte testpsychologische Untersuchungen
Ihr Hausarzt ist immer die erste Anlaufstelle!
Sichtbare Veränderungen des GehirnsSichtbare Veränderungen des Gehirns
Gehirnschwund Normales Gehirn
Testpsychologische UntersuchungenTestpsychologische Untersuchungen• DemTectEin sehr guter Test zur Früherkennung einer Demenz. Das Testverfahren besteht aus fünf Einzelaufgaben.• Mini-Mental Status TestEin häufig angewandtes Verfahren zur Diagnostik von Hirnleistungs-störungen. Er prüft Orientiertheit, Gedächtnis sowie visuell konstruktive Fähigkeiten.• UhrentestDie Aufgabe besteht darin, in einen leeren Kreis eine Uhr mit Ziffernund Zeigern einzutragen. Es soll die Uhrzeit 10 Minuten nach 11 angezeigt werden.
Behebbare Ursachen einer Demenz� depressive Episode
� häufigste behebbare Ursache eines dementiellen Syndroms� Sprache, Handhabung, Erkennen von Objekten und räumliches Denken meist erhalten
� Mangelernährung / mangelnde Flüssigkeitszufuhr� Alkohol- und Medikamentenmißbrauch� Normaldruckhydrozephalus� Schilddrüsenstörungen
Ärztliche BehandlungMedikamenöse Therapie� Alzheimerspezifisch: z.B. Cholinesterase-Hemmer� unspezifisch: Nootropika (Piracetam), Ginkgo biloba:Hier gibt es neuerdings Hinweise auf die Wirksamkeit für den Extrakt EgB 761Behandlungsziele� Steigerung bzw. Stabilisierung von Gedächtnis, Konzentrationsvermögen und Aufmerksamkeit� Verzögerung der Progression der Symptome� Hinauszögerung einer Pflegebedürftigkeit� positive Beeinflussung von Begleitsymptomen, wie z. B. Apathie, Angst, Depression, Halluzinationen
Alzheimer-KrankheitEs kommt zu einem cholinergen Defizit� Plaques / Neurofibrillen � Schädigung von Nervenzellen� dadurch Mangel an Botenstoff Acetylcholinin bestimmten Gehirnstrukturen („cholinerge Neurone“)� cholinerges Defizit geht mit kognitiven Defiziten einher
ACETYLCHOLINESTERASE
ACETYLCHOLIN, vermindertVerminderte Signalübertragung
Alzheimer-KrankheitTherapie des cholinergen Defizits� Cholinesterase-Hemmstoffe können diesen Mangel bei geschädigten Nervenzellen teilweise ausgleichen� Verbesserung der Gedächtnisleistungen, der Sprachverarbeitung und der Konzentrationsfähigkeit� Alltagsfähigkeiten gehen weniger rasch verloren� längere Selbständigkeit möglich
Acetylcholinesterase-Hemmung:⇒ verbesserte Signalübertragung
Cholinesterase-Hemmstoff
Cholinesterase-Hemmstoff
Es besteht eine gestörte glutamaterge Neurotransmission2+
Ca
keine Signal-wahrnehmung2+
Ca
Pathologische Aktivierungvon NMDA Rezeptoren
DegenerierendeNeurone2+
Ca
Ruhe-zustand Lern-signalDAT-Symptomatik ChronischeNeurodegeneration
LernsignalErhöhtes Rauschen
Glutamat Magnesium NMDA-RezeptorN-Methyl-D-AspartatCalcium
Wirkmechanismus des NMDA-Rezeptorantagonisten: MemantineCa
2+Ca Signal-wahrnehmung
Pathologische Aktivierungvon NMDA-Rezeptoren2+
Ca
Ruhe-zustand Ruhe-zustand Lern-signalNeuroprotektive Effekte durch Memantine Memantine verbessertDAT-Symptomatik
LernsignalErhöhtes RauschenGrundrauschen
Glutamat Magnesium NMDA-RezeptorCalciumMemantine
Memantine
Nootropika:Ginkgo biloba z.B. Tebonin®Nimodipin z.B. Nimotop®Dihydroergotoxin z.B. Hydergin®Piracetam z.B. Nootrop®� Acetylcholin-Esterase-HemmerDonepezil Aricept®Rivastigmin Exelon®� Acetylcholin-Esterase-Hemmer& Nikotin-RezeptormodulatorGalantamin Reminyl®
Medikamentemit unklarer Studienlage1Medikamentemit klarer Studienlage1
1) Leitlinien der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Memantine NMDA-Rezeptor-Antagoist Axura®, Ebixa®
Antidementive Therapie
MDK im Dialog mit der Alzheimer Gesellschaft Aschaffenburg e.V.
Wirkstoff Wirkung auf ProgressionsverzögerungKognition Motorik Vigilanz ADL Pflegbarkeit klinischDonepezil ++ + ? + + ++Rivastigmin ++ + ? ++ ? +Galantamin +++ + ? ++ ? ?Memantine ++ +++ ++ ++ ++ ++Piracetam ++ 0 ++ + ? ?
Medikamentöse Therapie von Begleitsymptomen� Medikamente zur Stimmungsaufhellung (spezielle Antidepressiva)� Medikamente gegen Unruhe, Wahngedanken und Sinnestäuschungen (Neuroleptika)� angstlösende Präparate (Anxiolytika)� Substanzen zur Verbesserung der Beweglichkeit(Anti-Parkinson-Mittel)
Perspektiven zum Umgang mit BetroffenenPerspektiven zum Umgang mit BetroffenenPatienten - orientiert:� Stabilisierung und Erhaltung der häuslichen Versorgung � Strukturierung des Tagesablaufs� Aktivierung (Beschäftigung) � soziale Kontakte fördernz. B. gemeinsames Wandern � Betreuungsgruppen � Tagespflege, Biographiearbeit
Perspektiven zum Umgang mit BetroffenenPerspektiven zum Umgang mit BetroffenenAngehörigen - orientiert:• Selbsthilfegruppe „Leben mit Demenz“Treffen jeden ersten Mittwoch im Monat um 19.00 Uhr im Bernhard-Junker-Haus(außer im Januar und im August)• Aufklärung über das Krankheitsbild• Unterstützungsmöglichkeiten nutzen (Betreuungsgruppen, Tages-, Kurzzeit- oder Verhinderungspflege)• Persönliche Freiräume schaffen
Unsere DemenzstrategieUnsere DemenzstrategieAlltags-kompetenzmöglichst lange erhaltenKognitionverbessern
Verhaltenverstehen lernen
• Der Erkrankte soll sich wohl fühlen, und seine Lebens-qualität soll erhalten bleiben.• Die Angehörigen benötigen ein leicht zugängliches Angebot von Be-ratung, Schulung und Entlastungs-möglichkeiten.Die Bevölkerung soll informiert und für das Krankheitsbild sensiblisiert werden.Unser Ziel: Gesellschaftlicher Wandel durch Entstigmatisierung!
• Der Gesetzgeberist gefordert, die Rahmenbedingungen für ein Leben mit Demenz weiter zu verbessern.• Benötigt werden Stärkung und Ausbau der regionalen Betreuungsangebote und eine Intensivierung individueller Beratung.