9
Über Denken und Sprache Die Sprache, mit der ein Mensch aufwächst, formt sein denken. Das Kind lernt zuerst einzelne Wörter für konkrete Gegenstände: Mama, Kuchen. Als nächstes lernt es, ein Verb und ein Objekt verbinden: Kuchen essen! Ein weiterer Schritt ist das Hinzufügen eines Subjekts: Peter will Kuchen essen – wobei es mit diesem Satz sich selbst meinen kann (vorausgesetzt, dass es Peter heißt)! Denn in diesem Stadium sagt das Kind noch nicht ich: Das Ich-Gefühl ist noch nicht geboren. Erst mit dem Erwachen dieses Ich-Gefühls um das 3. Lebensjahr lernt ein Mensch, denkerisch einen Unterschied zwischen sich und der Außenwelt zu machen. Frühestens in diesem Stadium kann man vom Beginn des Nachdenkens sprechen, denn in früheren Entwicklungsstadien fehlen dem Kind noch wichtige Elemente des Sprechens und Denkens. Lebt ein Kind in seinen ersten Lebensjahren in einer Umgebung ohne genügend sprachliche Reize (z.B. die sogenannten Wolfskinder), verkümmert seine Sprachfähigkeit und damit die Fähigkeit des Nachdenkens, die eigentliche Denkfähigkeit, die über will ich haben – will ich nicht haben, ist nützlich – ist gefährlich und dergleichen hinausweist. (Auch Stehen und Gehen lernen Kinder nicht instinktiv wie Tiere, sondern durch Nachahmung und ggf. Unterstützung.) Nicht nur die Sprache an sich formt das Denken, sondern auch Muttersprache und Umfeld formen es. Es gibt Sprachen, in denen nur bis drei gezählt wird; auf diese Art aufwachsenden Menschen sind unsere Vorstellungen darüber, wie gezählt, gemessen und gewogen werden soll, folglich ganz fremd. Unser naturwissenschaftliches Denken wäre dort nicht nachvollziehbar. – In anderen Sprachen fehlen einige bis hin zu den meisten unserer Farbnuancen. Eindrücke von Farben, die nicht bezeichnet werden, sind dort gar nicht wichtig, vielmehr werden an Gegenständen mit der betreffenden Farbe andere Eigenschaften als Buntheit wahrgenommen: Frische, Glanz, Saftigkeit – die Farbe war unwichtig. So kommen auch im Althebräischen im Wesentlichen nur schwarz, weiß und rot vor 1 ; 1 „Das hebräische Denken im Vergleich mit dem griechischen“, Thorleif Bomann, 1965. 1

Denken und Sprache

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Die Umgebung formt die Sprache, die Sprache formt das Denken. Wie sind wir von unserer materialistisch gesinnten Umwelt und von unserer auf diese Umwelt abgestimmten Sprache geprägt?Dieser Artikel behandelt insbesondere auch den Einfluss des neuzeitlichen Denkens auf Religion und Spiritualität. Reichen meine Begriffe an das Jenseits, den Himmel, die geistige Welt heran? Oder sind sie bloße Widerspiegelungen des Irdisch-Sinnlichen? Kann ich es mir mit nichts weiter als den durch meine Muttersprache erworbenen Begriffe ohne Weiteres gestatten, ein religiöses Dokument zu begreifen?

Citation preview

ber Denken und Sprache

Die Sprache, mit der ein Mensch aufwchst, formt sein denken. Das Kind lernt zuerst einzelne Wrter fr konkrete Gegenstnde: Mama, Kuchen. Als nchstes lernt es, ein Verb und ein Objekt verbinden: Kuchen essen! Ein weiterer Schritt ist das Hinzufgen eines Subjekts: Peter will Kuchen essen wobei es mit diesem Satz sich selbst meinen kann (vorausgesetzt, dass es Peter heit)! Denn in diesem Stadium sagt das Kind noch nicht ich: Das Ich-Gefhl ist noch nicht geboren. Erst mit dem Erwachen dieses Ich-Gefhls um das 3.Lebensjahr lernt ein Mensch, denkerisch einen Unterschied zwischen sich und der Auenwelt zu machen. Frhestens in diesem Stadium kann man vom Beginn des Nachdenkens sprechen, denn in frheren Entwicklungsstadien fehlen dem Kind noch wichtige Elemente des Sprechens und Denkens. Lebt ein Kind in seinen ersten Lebensjahren in einer Umgebung ohne gengend sprachliche Reize (z.B. die sogenannten Wolfskinder), verkmmert seine Sprachfhigkeit und damit die Fhigkeit des Nachdenkens, die eigentliche Denkfhigkeit, die ber will ich haben will ich nicht haben, ist ntzlich ist gefhrlich und dergleichen hinausweist. (Auch Stehen und Gehen lernen Kinder nicht instinktiv wie Tiere, sondern durch Nachahmung und ggf. Untersttzung.)

Nicht nur die Sprache an sich formt das Denken, sondern auch Muttersprache und Umfeld formen es. Es gibt Sprachen, in denen nur bis drei gezhlt wird; auf diese Art aufwachsenden Menschen sind unsere Vorstellungen darber, wie gezhlt, gemessen und gewogen werden soll, folglich ganz fremd. Unser naturwissenschaftliches Denken wre dort nicht nachvollziehbar. In anderen Sprachen fehlen einige bis hin zu den meisten unserer Farbnuancen. Eindrcke von Farben, die nicht bezeichnet werden, sind dort gar nicht wichtig, vielmehr werden an Gegenstnden mit der betreffenden Farbe andere Eigenschaften als Buntheit wahrgenommen: Frische, Glanz, Saftigkeit die Farbe war unwichtig. So kommen auch im Althebrischen im Wesentlichen nur schwarz, wei und rot vor; hnlich im Griechischen Homers. Wiederum in anderen Sprachen (bsd. in der Sdsee) gibt es kein allgemeines Wort fr Gott; hier spiegelt die Sprache das Empfinden der betreffenden Vlker wieder, dass hinter den Sinnes-Eindrcken jedes Lebewesens und jedes Gegenstandes seelische Wesenheiten verborgen sind; das Konzept der Universalitt oder Allumfassendheit fehlt jedoch. Um wiederum zum Althebrischen zu kommen: Dort Fehlen auch Wrter wie Linie, Flche, (Um)kreis usw. Die alten Semiten haben noch nicht in die Welt geschaut und mit ihren Augen die Gegenstnde abgetastet. Kein Mensch hat jemals eine Linie gesehen; denn eine Linie ist eine blo hinzugedachte Grenze zwischen zwei Gegenstnden, man kann sie nicht anschauen oder darauf zeigen. Die alten Semiten hatten aber noch nicht die Fhigkeit entwickelt, Umrisse in einen Seh-Eindruck hineinzudenken; ihre Erfahrungen waren ganz anderer Natur als die von uns heutigen Menschen; dasjenige, was wir Form nennen, ist erst eine Errungenschaft der Griechen.

Durch das Fehlen von entsprechenden Wrtern und Begriffen werden Objekte mitunter ganz falsch wahrgenommen. Von den Indianern sollen die ersten Eisenbahnen als dampfende, feuerspeiende Schlangen oder Drachen wahrgenommen worden sein; die Erkenntnis, dass es sich nicht um ein Lebewesen, sondern um einen menschengemachten Gegenstand handelte, konnten sie nach Magabe ihres Denken nicht erreichen. Um Gegenstnde zu bezeichnen, fr die sie keine Wrter hatten, wurden Umschreibungen verwendet, wie in folgender Prophezeiung der Hopi-Indianer:

Das ist das erste Zeichen: Uns wurde berichtet vom Kommen weihutiger Menschen, Menschen, die das Land, was nicht ihres war, nahmen, die ihre Tiere mit Donner erschlugen. (Gewehre) Das ist das zweite Zeichen: Unsere Lnder werden das Kommen drehender Rder, gefllt mit Stimmen, sehen. (Wagen) ... Das ist das vierte Zeichen: Das Land wird durchzogen von Schlangen aus Eisen. (Eisenbahnen) Das ist das fnfte Zeichen: Das Land wird kreuz und quer durchzogen von einem riesenhaften Spinnennetz. (Strom- und Fernsprechleitungen)...

Die Existenz von Visionen vorausgesetzt, wre daraus zu schlieen: Htte ein antiker Prophet eine Vorausschau auf unsere heutige Zeit erhalten, htte er groe Schwierigkeiten gehabt, diese Schau nicht ganz fehlzuinterpretieren; denn er konnte nach Magabe seines Denkens z.B. eine Eisenbahn genauso wenig denken wie ein Indianer. Und htte er sein Gesicht einer Eisenbahn in Worte fassen wollen, wren die Schwierigkeiten nur umso grer gewesen; die Hopi haben das Problem durch das Wort Eisenschlangen gelst.

Die heute gesprochenen Sprachen haben unser Denken geformt. Sprache wird seit langen Zeiten in erster Linie dazu verwendet, Dinge der alltglichen Umgebung auszudrcken: Welche Farbe und Form hat ein Gegenstand? Ist er gro oder klein? Erregt er Begierde oder stt er mich ab? Wie komme ich am schnellsten von A nach B? Was kostet das? Habe ich genug zu essen im Khlschrank? Wie schnell ist dieser Computer? Aber auch Wrter, von denen wir meinen, dass sie Geistiges abbilden, entpuppen sich bei nherer Betrachtung ganz am Sinnlichen orientiert. Das sollen die folgenden Ausfhrungen belegen.

Was ist der Inhalt unseres Tagesbewusstseins? Alles, dem wir unsere Aufmerksamkeit schenken. Unsere Augen sehen in jeder Sekunde unzhlige Farben, aber meistens ist es nur ein ganz begrenztes Gesichtsfeld, das uns auch bewusst wird: zum Beispiel die Frbung des Himmels, die Farbe eines Ampelsignals, die Haarfarbe eines Menschen, der sich die Haare gefrbt hat. Wenn wir hingegen auf die Uhr oder einen Text schauen, wird uns meistens nur der Inhalt des Wahrgenommenen bewusst: Es ist jetzt zehn Uhr; hier steht das und das. Die Form und Stellung der Zeiger, die Umrisse der schwarzen Buchstaben, alles das gelangt nur selten ins Bewusstsein, weil es uns unwichtig erscheint; wir sind auf Informationen (Uhrzeit, Textinhalt) aus, nicht auf die Sinneseindrcke des Mediums (Armbanduhr, Buchseite), das uns diese Informationen liefert.

Im Prinzip beinhaltet unser Tagesbewusstsein einerseits die Sinneseindrcke: Farben, Tne, Gerche, Geschmcker, Tasteindrcke, Wrme/Klte des Krpers (mir ist kalt), der Umgebung (es ist kalt) oder eines Gegenstandes; weniger offenbar sind die Empfindungen der brigen Sinne. All diese Eindrcke knnen berechtigterweise objektiv genannt werden, denn wenn wir zum Beispiel irgendwo etwas Rotes erblicken, knnen wir unsere Willenskraft noch so sehr anstrengen der Gegenstand wird niemals grn erscheinen; auch die Form des Roten knnen wir nicht willkrlich verndern: eine rote Rose erscheint von oben gesehen immer kreisfrmig; nur mit einem Bildbearbeitungs-programm lsst sich das Foto einer Rose verndern. Man kann sogar ein Beweisfoto machen, damit andere Menschen auch die Tatschlichkeit des Rot berprfen knnen. Dies soll hier die objektive Auenwelt genannt werden.

Andererseits beinhaltet das Bewusstsein unsere Innenwelt, also dasjenige, was hufig als subjektiv, persnlich, willkrlich, tuschend usw. bezeichnet wird. Diese Innenwelt beinhaltet das Ich-Gefhl: Ich bin es, der hier sitzt und liest und nachdenkt; ich kann mich selbst dabei beobachten; in einen spannenden Roman oder eine Fernsehsendung eingetaucht kann ich aber dieses Ich-Gefhl vllig aus dem Bewusstsein verlieren, mich z.B. als Romanfigur fhlen und allerlei Gefhlszustnde durchmachen, die mit der Realitt gar nichts zu tun haben. Ferner leben in mir Gedanken, Gefhle, Begierden, Wnsche und Impulse.

Die meisten unserer Gedanken dienen nur dazu, Auenwelt und Innenwelt begreiflich zu machen und miteinander zu kombinieren: Bus. (Wahrnehmung) Mein Bus. (Bezug) Er fhrt ohne mich! (Kombination aus Wahrnehmung und meinem Plan, den nchsten Bus zu nehmen.) Mist! (Ausdruck meines rgers) Viel zu frh! (Kombination aus der durch einen Blick auf die Uhr gewonnene Information ber die Uhrzeit und die erinnerte Information ber die offizielle Abfahrtszeit.)

Anhand des Denkens wird mir auch ein Teil dessen bewusst, was in meinem Innenleben als Unterbewusstsein unbemerkt vor sich geht: Schon wieder eine viertel Stunde herumstehen. (An diesem Gedanken wird mir bewusst, dass in mir kein Impuls vorhanden ist, die Wartezeit anders als unttig - vielleicht trotzig? - zuzubringen.) Ich habe hier gar nicht darber nachgedacht, was ich die 15 Minuten ber machen knnte. Sofort kommt dieser Gedanke aus unbewussten Tiefen emporgeschossen. Durch willentliches In-Mich-Gehen knnte ich vielleicht herausfinden, dass dieser Gedanke einem Trotz-Programm entspringt, das auf Fehlverhalten anderer Leute automatisch mit dem Zurckhalten sinnvoller Willensimpulse reagiert. Das Trotz-Gefhl kommt in diesem Fall nicht zu Bewusstsein, bleibt selbst unbewusst, und denkt nur in mir.

Die meisten Ausdrcke unserer Sprachen beziehen sich auf die Wahrnehmungen der Auenwelt sowie meine Reaktion und mein Verstndnis darauf:

1.Wahrnehmungsinhalte: rot, blau; hell, dunkel; schimmernd, glitzernd, matt, fahl, blass; metallisch, hlzern, elektronisch; s, sauer; rau, glatt, ruhig, glitschig, vibrierend; warm, hei usw.

2. Bezeichnung von geformten, festen Dingen, die ich wahrnehmen kann: Ding, Gegenstand; Lwe, Stier; Apfel, Rose; Stein...

3. Bezeichnung von formlosen Dingen: Wasser, Honig, Wein, Luft...

4. Abstrakte Kategorien und Ursachen: Raum, Zeit; Form, Umriss; Gre, Umfang, Gewicht; Ding, Flssigkeit; breit/schmal, gro/klein, niedrig/hoch, laut/leise...; Licht, Dunkelheit; Gerusch; Windwehen/Lufthauch...

5.Meine Einstellung dazu: grell, zu dunkel; Lrm, wohltnend; duftend, stinkend; lecker, fade; unangenehm, attraktiv, beglckend... ntzlich, schdlich...

Mit solcherlei Wrtern kommt man in unserer Welt schon einen Groteil des Tages aus. Im weiteren Verlauf werden wir nun auf das religise, spirituelle oder esoterische Vokabular schauen. In obiger Liste finden sich schon mehrere Wrter, die auch in solchen Sprachgebruchen verwendet werden: Licht, Wort, Form, Musik, Lufthauch. Was stellen wir uns aber unter diesen Wrtern vor? Wenn wir das Wort Licht hren, knnten wir beispielsweise an einen stockdunklen Raum denken, in dem mir pltzlich eine Taschenlampe ins Gesicht leuchtet; oder die leuchtende Sonne bei einem Sonnenuntergang. Unsere Vorstellung von Licht ist also der Sinneswelt entnommen. Ist es legitim, diese Vorstellungen auch im religisen Kontext stehen zu lassen, selbst als Metapher?

Wie ist es mit Worten? Zwei Menschen unterhalten sich in einer mir vllig unbekannten Sprache; trotzdem kann ich ihren Austausch als Worte, nicht als sinnloses Gerusch einordnen. Ich erinnere mich an Erlebnisse mit Worten. Worte knnen auch niedergeschrieben und gelesen werden. Ist so etwas wie Gottes Wort aber damit vergleichbar? Handelt es sich dabei nur um solche Worte, wie wir Menschen sie benutzen? Wenn dem so wre: Warum bezeichnet der Evangelist Johannes dann dasjenige im Universum, das alles gemacht hat, als Wort?

Ist mit Engelschren, Sphrenharmonie und dergleichen auch nichts anderes gemeint, als wenn der Organist sein Instrument traktiert? Warum wird das Nahen Gottes bei Elias als Lufthauch beschrieben? Wenn ein Visionsseher von einem Lwen berichtet, was hat er wirklich gesehen?

Diese Wrter kann man also von Sinneseindrcken ableiten oder zumindest auf solche beziehen. Wie sieht es aber mit den folgenden aus: Himmel, Kraft, Engel, Teufel, Gott? Ich will hier zeigen, dass unsere Vorstellungen von Himmel, Kraft usw. aus der Sinneswelt oder der materialistischen Sichtweise entnommen sind:

Unter dem Wort Himmel knnen wir die blaue Himmelskugel verstehen auch sinnlich. In der eingeschrnkten Bedeutung von englisch heaven denken wir uns einen Raum, in dem geistige Wesen beheimatet sind auch die Vorstellung von Raum ist unserer Erfahrung an der sinnlichen Auenwelt entnommen. Dabei sind Raum und Zeit vielleicht gar keine passenden Kategorien fr andere Welten. Die Vorstellung, neben dem Thron Gottes stnde eine pendelnde Standuhr wre weniger wegen ihres profanen Charakters abwegig als deswegen, weil im Himmel vielleicht gar keine von selbst sich abspulenden Zeiteinheiten existieren.

Kraft muss ich aufbringen, um eine Konservendose zu ffnen; was sind die Krfte, mit denen das Universum gestaltet wurde? Muskelkraft kann es nicht sein. Was gibt es noch fr Krfte?

Engel sind im Griechischen die Gesandten Gottes (ngelos); in frheren Zeiten dachte man sich Menschengestalten mit Flgeln auch sinnlich.

Der Teufel war frher ein Mann mit Pferdefu; heutzutage macht man sich gar keine besondere Vorstellung von ihm, auer dass er verderbliche Absichten unterstellt bekommt.

Gott war in lteren Zeiten ein Mann mit weiem Bart; heutzutage gibt es verschiedenste Vorstellungen; entweder mehr menschen-hnlich oder mehr mystisch. Im Gegensatz zum Teufel werden ihm meistens frderliche Absichten zugeschrieben. Gott hngt im Griechischen mit Onkel/Tante zusammen, im Germanischen mit Patenonkel (englisch godfather) auch sinnlich.

Nach der menschlich-hnlichen Vorstellungsweise ist Gott ein Jemand, der z.B. etwas will, etwas vorhat; der das eine gut heit und das andere bse; der beurteilt, belohnt oder bestraft; der Macht ausbt; der Kraft hat, etwas zu vollbringen. Alle diese Eigenschaften finden wir bei uns Menschen. Ein solcher Gott ist daher anthropo-morph (menschenfrmig); er lebt und denkt und handelt so, wie wir Menschen es aus unserem Tagesbewusstsein kennen.

Nach der mystischen Vorstellungsweise, hervorgerufen durch mit der Naturwissenschaft einhergehende Verfinsterung des Vorstellungslebens ist Gott wie eine der Naturkrfte: Farblos, tonlos, geruchlos; er wirkt einfach, aber man wei nicht, woher die Wirkung kommt, wie sie geschieht, noch zu welchem Zweck sie abluft. Ein solcher Gott ist so, wie wir uns das Unterbewusstsein vorstellen, nmlich unvorstellbar, unnahbar, dunkel, vielleicht bengstigend. Auf jeden Fall nicht-sprechend, nicht-antwortend, unnahbar, unerfahrbar. Fast gar nicht vorhanden.

Ist eine dieser beiden Sichtweisen aber eine berechtigte Vorstellung fr Gott?

Unsere alltgliche Sprache ist nicht dafr gemacht, jenseitige Verhltnisse zu beschreiben; und unsere ganze Umwelt, die ganz von materialistischen Vorstellungen durchtrnkt ist, gibt uns Vorstellungen fr die wenigen Dinge, die wir nicht sinnlich wahrnehmen knnen.

Unser Denken, das an unserer Sprache herangebildet ist, kann sich nicht in himmlische Verhltnisse hineindenken, weil unsere Sprache nichts Himmlisches enthlt. Wer zugesteht, dass es im Jenseits anders zugeht als auf der Erde oder in einem naturwissenschaftlichen Laboratorium, der muss auch zugeben, dass unsere Sprache und unser Denken gar nicht fhig sind, irgendetwas ber das Jenseits zu verstehen, wenn wir uns nicht in einer neuen Denkweise schulen mit soviel Mhe, wie ein alter Indianer Mut aufbringen msste, um in einen Eisenbahnzug einzusteigen.

Das letzte, was uns rigoros geformt hat, war die Muttersprache; man hat seit diesen Kindertagen keine wirklich neuartige Sprache gelernt; alle Wissens-Inhalte, die man mit der gewhnlichen Sprache aufnimmt (z.B. in Schule, Universitt, Lexikon etc.), fhren nicht ber die eigene Muttersprache hinaus, sie stellen keinen Beitrag zu wirklicher Bildung (also Formung) dar. Wenn im Himmel oder bei Gott aber irgendetwas Neuartiges erwartet werden kann, dann mssen wir eine neue Sprache lernen, sofern wir ein Verstndnis davon erlangen wollen.

In Wirklichkeit ist uns nichts verborgen. Unsere Aufmerksamkeit oder unser Begriffsvermgen erfassen es nur nicht.

Wenn die Aufmerksamkeit nicht auf einen bestimmten Punkt gerichtet ist, wird dort eben nichts wahrgenommen: Ich suche etwas und finde es nicht, aber schlielich taucht es doch direkt vor mir auf: Ach ja! Da ist es doch! Vor meiner Nase! Wenn ich in mich selbst versunken durch Gegend laufe, knnten links und rechts von mir die groartigsten oder seltsamsten Dinge ablaufen fr mich sind sie nicht da. Der Anfang aller Erkenntnis ist also das Bemerken, das Hinschauen, das Sich-Darauf-Einlassen. Oder, wie Salomo es ausgedrckt hat: Die Weisheit fngt damit an, dass man sie gerne hrt.

Wenn ich etwas erblicke, das ich nicht kenne, ordne ich es mitunter ganz falsch ein: Ein verschlungener kalligraphischer Schriftzug kann mir als ein bedeutungsloser Krakel vorkommen, wenn ich nicht gelernt habe, dass eine bestimmte Schrift nunmal so aussieht; der eine kann den Geschmack eines Weines lediglich in einer der Kategorien s, sauer, trocken, fruchtig unterbringen, whrend ein Weinkenner einen ganzen Vortrag aus seinem Geschmackserlebnis heraus entwickeln knnte. Der Weinkenner hat seinem Denkvermgen durch langes Training mehr Geschmacks-Kategorien hinzugefgt, sodass sie ihm nun wie selbstverstndlich zur Verfgung stehen.

Der Weinkenner hat zwar nicht eine vllig neue Sprache erworben, aber er hat immerhin seine eigene Sprache erweitert. Damit fngt es an. Wenn die neu erworbenen Begriffe umfassend genug geworden sind, wird sich aus ihnen mit der Zeit von selbst eine neue Sprache formen. Die Welt ist fr jeden Menschen nur so gro, umfangreich, erfllt und verstndlich, wie er sich Begriffe fr ihr Verstndnis erworben hat. Diese Begriffe werden mit nicht weniger Mhe errungen, als ein Kind zum Schreibenlernen aufbringen musste. Erkenntnis ohne Arbeit geht nicht. Knnte ich mir auch von Gott persnlich die Essenz der ganzen Welt in drei Worte gefasst anhren: Wenn mir diese drei Worte unbekannt sind, bliebe ich genauso klug wie zuvor.

Das hebrische Denken im Vergleich mit dem griechischen, Thorleif Bomann, 1965.

Vgl. etwa Die Lichtfnger: Die gemeinsame Geschichte von Licht und Bewusstsein, Artur Zajonc, 2015.

Siehe hierzu Funote 1. Form ist keineswegs etwas triviales. Man knnte sagen: Ich stelle mir eine Photographie vor, die unter anderem eine Katze enthlt. Ich schneide die Katze aus, lege den ausgeschnittenen Teil auf ein weies Blatt Papier und fahre mit einem Stift einmal drumherum. Aber dies ist auch noch nicht die Form der Katze, sondern nur ein schwarzer Wurm auf weiem Papier. Die Form selber ist etwas rein Abstrakt-Gedankliches, mit Hilfe dessen ich den schwarzen Wurm und das Bild der Katze in Beziehung setzen kann.

Aus den Prophezeiungen der Hopi, Weie Feder, HYPERLINK "http://www.schauungen.de/Sonstiges/Prophezeiungsindex/index8.html" http://www.schauungen.de/Sonstiges/Prophezeiungsindex/index8.html

PAGE

4