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KULTUR DK Nr. 158, Mittwoch, 12. Juli 2017 19 Am Abgrund „Draußen vor der Tür“: Beklemmende Aufführung im Metropoltheater Von Hannes S. Macher München (DK) Die Wellen haben ihn ans Ufer der Elbe ge- spült. Beckmann, der junge Kriegsheimkehrer, der ins Was- ser gegangen ist, da er mit sei- nem Leben nach all den grau- enhaften Erlebnissen „auf dem Schlachtfeld der Ehre“ nicht mehr zurechtgekommen ist. Zudem verzweifelte er an der Erkenntnis, dass die Nach- kriegsgesellschaft von der Kriegsschuld und den damit verbundenen Gräueltaten nichts mehr wissen will. Der die Wahrheit und ein Schuldbe- kenntnis einfordernde Moralist Beckmann bleibt Außenseiter. Ein Outcast in dem langsam wieder prosperierenden Nach- kriegsdeutschland. In dreifacher Gestalt steht dieser Beckmann als geschun- dene und restlos kaputte Figur nun im düsteren Licht auf der nur mit einer leeren Öltonne bestückten Bühne des Münch- ner Metropoltheaters. Ein an- klagendes Opfer als mahnen- des Sinnbild gegen Krieg, Völ- kermord und jegliche Art von staatlich verordneter Aggressi- on. In nur acht Tagen schrieb Wolfgang Borchert dieses Dra- ma „Draußen vor der Tür“, zu- nächst als Hörspiel. Am 21. No- vember 1947, einen Tag vor der Uraufführung in Hamburg, starb er, 26 Jahre alt, und hin- terließ ein aufwühlendes The- aterstück, das in den folgenden Jahren auf allen deutschspra- chigen Bühnen und darüber hi- naus auf vielen Bühnen in Eu- ropa und Übersee zur Auffüh- rung kam. Ein Schauspiel, das das Publikum der Kriegs- und Nachkriegsgeneration zum Nachdenken über Ursachen und Folgen von kriegerischen Auseinandersetzungen nach- drücklich animierte. „Ein Mann kommt nach Deutschland“, so lautet der ers- te Satz dieses Anti-Kriegsdra- mas, und dieser Mann ist Beck- mann, der die Verantwortung für den Tod von 20 ihm un- terstellten Soldaten dem Oberst, der ihm den Einsatzbefehl er- teilt hat, zurückgeben möchte. Doch dieser weist jegliche Schuld barsch von sich. Krieg ist Krieg, da sind Opfer zwangs- läufig einzukalkulieren. Dazu muss Beckmann auch noch reichlich frustriert und er- schüttert feststellen, dass seine Frau seit seiner Abwesenheit mit einem anderen Mann zu- sammenlebt, dass sein Kind verstorben ist und seine Eltern auch nicht mehr am Leben sind. Welchen Sinn hat für ihn da- her noch das Dasein in dieser Welt? Mit expressionistischem Fu- ror haben sich Nora Schulte, Philip Lemke und Philipp Ro- senthal, drei verheißungsvolle Studenten des Studienganges Schauspiel der Theaterakade- mie August Everding, sowohl als Regisseure als auch als Dar- steller auf dieses Drama ge- stürzt, das in dieser intensiven Aufführung ungemein berührt. Wenngleich es bisweilen etwas schwierig zu erkennen ist, wel- cher dieser drei Akteure ab- wechselnd in die Rolle des Beckmann und dessen Frau, des Oberst, des Theaterdirektors und all der anderen Figuren ge- schlüpft ist, so ist diese Neu- inszenierung doch höchst be- klemmend. Vor allem weil die aktuellen Bezüge zur Zerstö- rung der Seelen durch Krieg, Flucht, Vertreibung und Asyl nicht plakativ, sondern sehr be- hutsam eingebaut sind. Eine Aufführung, die den Bo- gen von den psychischen Nar- ben eines Soldaten im 2. Welt- krieg zu den gegenwärtigen Er- eignissen zwischen den mör- derischen Ereignissen in Syrien und den geplatzten Hoffnun- gen vieler Flüchtlinge in den Asylbewerberheimen spannt und diese überzeitlichen Prob- leme von existenzieller Not ein- drucksvoll aufzeigt. Weitere Vorstellungen am 13. und 14. Juli sowie vom 8. bis 11. August. Kartentelefon (089) 32 19 55 33. „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“: Nora Schulte und Philip Lemke im Metropoltheater. Foto: Turmes Kulturpreis geht an Mark Andre Bonn (KNA) Der deutsch- französische Komponist Mark Andre erhält den mit 25 000 Eu- ro dotierten „Kunst- und Kul- turpreis der deutschen Katholi- ken“. Das haben der Vorsitzen- de der Deutschen Bischofskon- ferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Präsident des Zentral- komitees der deutschen Katho- liken (ZdK), Thomas Sternberg, in Bonn bekannt gegeben. Die höchste Auszeichnung der ka- tholischen Kirche auf dem Kul- tursektor wird am 27. November in der Propsteikirche in Leipzig verliehen. In ihrem Votum wür- digt die Jury, dass Mark Andres Kompositionen „motivisch aus einem explizit christlichen Be- kenntnis“ schöpfen. Ein Höhepunkt Die Honey Island Swamp Band in Ingolstadt Von Karl Leitner Ingolstadt (DK) New Orleans ist ein Schmelztiegel, ein Mel- ting Pot. In der Stadt treffen verschiedene Bevölkerungs- gruppen aufeinander, was als Konsequenz eine musikalische Vielfalt zur Folge hat, die bei- spiellos ist. Im Kleinen gilt dies auch für die Honey Island Swamp Band, wobei es bei dem Quintett, das an diesem Blues- festabend die Neue Welt im Sturm erobert, aber weniger um Ethnien als um Sounds und Spielformen geht. Ist „Gone“ gleich zu Beginn typischer Southern Rock nach Art von Lynyrd Skynyrd, erin- nert „Sophisticed Mana“ gleich darauf schon allein der ver- zwickten Rhythmik wegen nach Little Feat. „Look For Me Baby“ basiert auf einem Motiv von El- more James und ist somit reiner Blues, „Through Another Day“ klingt wie gerade eben aus dem Morast der Sümpfe Louisianas gezogen, der „Head High Water Blues“ thematisiert die Erfah- rungen der Stadt mit unkont- rollierbaren Wassermassen. „How Do You Feel“ wiederum hört sich an wie die Stones der Ära von „Exile On Main Street“ und ab und zu fühlt man sich als Zuhörer wie in einer Hän- gematte, das Laissez-Faire All- man Brothers Band im Ohr, die gerade mal wieder die Erdan- ziehung ignoriert und flirrend davonschwebt. Die Honey Island Swamp Band bedient sich bei vielen Bands, Stilrichtungen und Sounds, macht aber dennoch ihr eigenes Ding. Und das mit Bravour. Nachdem die ersten 20 Minuten des Konzerts eher ver- halten ablaufen, dreht sie enorm auf, schaltet um auf den Modus „Akustische Dampfwal- ze“, stampft, donnert und groovt durch ihr Programm, dass es einen an die Wand drückt. Vor allem nach der Pau- se kommen die Songs, die das Konzert so einzigartig – ja auch einzigartig sogar im Vergleich zum restlichen bisherigen Pro- gramm des Bluesfests 2017 – machen. „Devil’s Den“, „Cane Sugar“, das überragende „No Easy Way“ mit diesem unwi- derstehlichen Titelmotiv, „Go- ing Down The Road“ ganz zum Schluss. Diese Band gleicht einem Hochleistungsmotor, der wie perfekt geschmiert läuft und außerdem über einen Sound verfügt, der süchtig macht. Stellenweise hebt sie regelrecht ab, reißt einen unwillkürlich mit fort. Sam Price und Garland Paul an Bass und Drums geben den Puls vor, Aaron Wilkinson schreibt diese wunderschönen, griffigen Songs, als exzellente Solisten brillieren Chris Mulé als legitimer Nachfahre von Duane Allman, den er auch ausgiebig zitiert, und Chris Spies an den Keyboards, dem man seine Herkunft vom Jazz angesichts seiner wieselflinken und herr- lich schrägen Soli anmerkt. War das nun der Höhepunkt des diesjährigen Bluesfests? Trotz der tollen Festivalauftritte von Delta Moon, Guitar Shorty und Big Daddy Wilson an glei- cher Stelle? – Man soll mit solch absoluten Aussagen ja vorsich- tig sein, aber es sieht doch ir- gendwie ganz danach aus. Einzigartig: Chris Spies (Piano) und Gitarrist Chris Mulé. Foto: lei Denkmal gegen Gewalt Das NS-Dokumentationszentrum München zeigt den Grafik-Zyklus „Wie ein Totentanz“ von Alfred Hrdlicka Von Annette Krauß München (DK) Den national- sozialistischen Todeskult stellt der Wiener Künstler Alfred Hrdlicka auf einer Grafik wie folgt dar: Rechts leuchten aus schwarzen Flächen der glän- zende Stahlhelm eines Soldaten und der weiße Rauch der Op- ferschalen auf dem Münchner Königsplatz. Und in der linken Bildhälfte werden Nackte in den schwarzen Schlund eines Ofens geschoben und rauchen schwarz die Schornsteine der Lager. „Aus den Statisten der Weihefestspiele waren Henker geworden“, kommentiert der Künstler seine Grafik aus dem Zyklus „Wie ein Totentanz – Die Ereignisse des 20. Juli 1944“. Winfried Nerdinger hat diese Grafiken jetzt für die Dauer ei- ner Ausstellung in das NS-Do- kumentationszentrum geholt. Er liest diesen Zyklus auch als „kritischen Kommentar zur deutschen Erinnerungspolitik“. Alle Exponate sind Leihgaben aus dem Museum Morsbroich in Leverkusen und erstmals komplett in München zu sehen. Der überzeugte Kommunist Hrdlicka, 1928 in Wien geboren, wo er Malerei, Druckgrafik und Bildhauerei studierte, setzt sich in diesen 53 Blättern mit den Wurzeln, den Auswüchsen und den Folgen des Militarismus auseinander. Und er tut es auf eine zugleich drastische und kunstvolle Art und Weise. Denn Hrdlicka ist ein Meister der Ra- dierkunst, seine Arbeiten gelten als Hommage an die Kunst eines Francisco Goya und Otto Dix. So dunkel wie die Thematik, die Hrdlicka auswählte, ist auch in vielen Fällen die Szene gestaltet. Das beginnt bereits mit dem ersten Blatt „Casanova am Hof Friedrichs des Großen“. Erzäh- lerisch breitet der Künstler aus, wie ein Bediensteter mit der Zahnbürste einen unvollständig gereinigten Nachttopf des Kö- nigs reinigen muss – und stellt damit den Kadavergehorsam bloß, der in Preußen begründet wurde und sich in der national- sozialistischen Ideologie fort- setzte. Somit gelingt es Hrdlicka, ein Gegenbild zu schaffen zu dem Flöte spielenden König bei Kerzenschein, wie ihn Adolf Menzel 1852 dargestellt hatte. Das Kernthema des Zyklus ist jedoch das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 durch die Ver- schwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und die Hin- richtung der Widerstands- kämpfer. Blätter wie „Alltag in Plötzensee“ und „Acht Zigaret- ten pro Hinrichtung“ zeigen die Fleischerhaken, an denen die Männer aufgehängt und lang- sam durch Stahlseile strangu- liert wurden. Das Grauen dieser Hinrichtung und die Würdelo- sigkeit, mit der man die entklei- deten Männer zusätzlich be- strafte, hat Hrdlicka scho- nungslos und drastisch darge- stellt. Wie gründlich er für jede Szene recherchiert hat, belegen die ausführlichen Kommentare zu jedem Blatt, die sowohl in der Ausstellung aushängen als auch im Katalog zitiert werden. Bei- des zusammen bildet ein Denkmal aus Papier gegen Mi- litarismus und Gewalt. Alfred Hrdlicka starb 2009 in Wien. Bekannt wurde er als Bildhauer durch sein Mahnmal gegen Krieg und Faschismus auf dem Albertina-Platz in Wien sowie durch sein unvollendet gebliebenes „Gegendenkmal“ am Bahnhof Dammtor in Ham- burg. Bis 27. August im NS-Dokumentati- onszentrum München, Brienner Straße 34. Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr. Mit Papier gegen den Militarismus: In den drei Grafiken reflektiert Alfred Hrdlicka unter dem Titel „Wie ein Totentanz“ das Attentat auf Hitler 1944 und die Hinrichtung der Widerstandskämpfer. Foto: Hrdlicka-Archiv Bekenntnis auf der Bühne Augsburg (epd) Theater im Bürgerbüro: In Augsburg hat an diesem Freitag das Bürgerbüh- nenstück „Fromm und Frei – Augsburger Bekenntnisse“ Pre- miere. Darin berichten Bürger unterschiedlicher Konfessio- nen und Religionen über ihren Glauben. „Wir wollten im Lut- herjahr mit der Bürgerbühne ein Stück zum Thema Beken- nen aufführen“, sagte Regis- seurin Susanne Reng vom Jun- gen Theater Augsburg. Spielort ist das Bürgerbüro Stadtmitte in Augsburg. Dort zeigen die Laienschauspieler insgesamt neun Szenen, in de- nen sie darüber Auskunft ge- ben, welche Rolle Glaube und Religion in ihrem Leben spie- len. Die Zuschauer wandern bei der Aufführung durch das ge- samte Verwaltungsgebäude vom Erdgeschoss bis in den neuen Stock. Das Stück gehe dabei unter anderem der Frage nach, wie Menschen unterschiedlicher Religionen friedlich zusammen leben können, sagte Reng. So erörterten die Schauspieler et- wa in der letzten Szene ge- meinsam das Thema: „Kom- men wir alle in denselben Him- mel?“ Nürnberg sagt ab Gera/Chemnitz (dpa) Der Geraer Traum von der Kultur- hauptstadt Europas 2025 ist nach kurzer Zeit geplatzt. Die Städte Nürnberg und Chemnitz teilten auf Anfrage mit, dass sie kein Interesse an einer gemein- samen Bewerbung haben, die von Geras Oberbürgermeiste- rin Viola Hahn (parteilos) an- geregt worden war. „Eine Kul- turhauptstadt muss im wahrs- ten Sinne des Wortes eine Hauptstadt sein, in der sich die öffentliche Aufmerksamkeit fo- kussiert“, teilte eine Sprecherin der Stadt Chemnitz gestern mit. Aus Nürnberg hieß es, die Kri- terien der Kulturhauptstadtbe- werbung schlössen eine ge- meinsame Bewerbung zweier so weit voneinander entfernter Städte aus. Hahn hatte für die Bewerbung eine Kooperation mit Nürnberg und Chemnitz ins Gespräch gebracht beide Städte bewerben sich einzeln um den Titel. Leighs Nachlass wird versteigert London (dpa) „Vom Winde verweht“: Die private Samm- lung der Hollywood-Ikone Vi- vien Leigh (1913–1967) wird Ende September in London versteigert. Das Auktionshaus Sotheby’s bringt Gemälde, Schmuck, Roben, Bücher, Mö- bel, Porzellan und Kunsthand- werk aus dem einstigen Besitz des Filmstars unter den Ham- mer. Dazu gehört auch Leighs persönliches, in rotes Leder ge- bundenes Filmbuch des legen- dären Streifens „Gone with the Wind“ („Vom Winde verweht“). Mit dem Kultfilm aus dem Jahr 1939 wurde Leigh berühmt.

Denkmal gegen Gewalt auf der - annette-krauss.de2017-10-8 · LittleFeat.„LookFor Me Baby“ basiert aufeinem Motiv von El-moreJamesundistsomitreiner Blues, „Through Another

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Page 1: Denkmal gegen Gewalt auf der - annette-krauss.de2017-10-8 · LittleFeat.„LookFor Me Baby“ basiert aufeinem Motiv von El-moreJamesundistsomitreiner Blues, „Through Another

KULTUR DK Nr. 158, Mittwoch, 12. Juli 2017 19

Am Abgrund„Draußen vor der Tür“: Beklemmende Aufführung im Metropoltheater

Von Hannes S. Macher

München (DK) Die Wellenhaben ihn ans Ufer der Elbe ge-spült. Beckmann, der jungeKriegsheimkehrer, der ins Was-ser gegangen ist, da er mit sei-nem Leben nach all den grau-enhaften Erlebnissen „auf demSchlachtfeld der Ehre“ nichtmehr zurechtgekommen ist.Zudem verzweifelte er an derErkenntnis, dass die Nach-kriegsgesellschaft von derKriegsschuld und den damitverbundenen Gräueltatennichts mehr wissen will. Der dieWahrheit und ein Schuldbe-kenntnis einfordernde MoralistBeckmann bleibt Außenseiter.Ein Outcast in dem langsamwieder prosperierenden Nach-kriegsdeutschland.In dreifacher Gestalt steht

dieser Beckmann als geschun-dene und restlos kaputte Figurnun im düsteren Licht auf dernur mit einer leeren Öltonnebestückten Bühne des Münch-ner Metropoltheaters. Ein an-klagendes Opfer als mahnen-des Sinnbild gegen Krieg, Völ-

kermord und jegliche Art vonstaatlich verordneter Aggressi-on.In nur acht Tagen schrieb

Wolfgang Borchert dieses Dra-ma „Draußen vor der Tür“, zu-nächst als Hörspiel. Am 21. No-vember 1947, einen Tag vor derUraufführung in Hamburg,starb er, 26 Jahre alt, und hin-terließ ein aufwühlendes The-aterstück, das in den folgendenJahren auf allen deutschspra-chigen Bühnen und darüber hi-naus auf vielen Bühnen in Eu-ropa und Übersee zur Auffüh-rung kam. Ein Schauspiel, dasdas Publikum der Kriegs- undNachkriegsgeneration zumNachdenken über Ursachenund Folgen von kriegerischenAuseinandersetzungen nach-drücklich animierte.„Ein Mann kommt nach

Deutschland“, so lautet der ers-te Satz dieses Anti-Kriegsdra-mas, und dieser Mann ist Beck-mann, der die Verantwortungfür den Tod von 20 ihm un-terstelltenSoldatendemOberst,der ihm den Einsatzbefehl er-teilt hat, zurückgeben möchte.

Doch dieser weist jeglicheSchuld barsch von sich. Kriegist Krieg, da sind Opfer zwangs-läufig einzukalkulieren. Dazumuss Beckmann auch nochreichlich frustriert und er-schüttert feststellen, dass seineFrau seit seiner Abwesenheitmit einem anderen Mann zu-sammenlebt, dass sein Kindverstorben ist und seine Elternauchnichtmehr amLeben sind.Welchen Sinn hat für ihn da-her noch das Dasein in dieserWelt?Mit expressionistischem Fu-

ror haben sich Nora Schulte,Philip Lemke und Philipp Ro-senthal, drei verheißungsvolleStudenten des StudiengangesSchauspiel der Theaterakade-mie August Everding, sowohl alsRegisseure als auch als Dar-steller auf dieses Drama ge-stürzt, das in dieser intensivenAufführung ungemein berührt.Wenngleich es bisweilen etwasschwierig zu erkennen ist, wel-cher dieser drei Akteure ab-wechselnd in die Rolle desBeckmannunddessenFrau, desOberst, des Theaterdirektorsund all der anderen Figuren ge-schlüpft ist, so ist diese Neu-inszenierung doch höchst be-klemmend. Vor allem weil dieaktuellen Bezüge zur Zerstö-rung der Seelen durch Krieg,Flucht, Vertreibung und Asylnicht plakativ, sondern sehr be-hutsam eingebaut sind.Eine Aufführung, die den Bo-

gen von den psychischen Nar-ben eines Soldaten im 2. Welt-krieg zu den gegenwärtigen Er-eignissen zwischen den mör-derischen Ereignissen in Syrienund den geplatzten Hoffnun-gen vieler Flüchtlinge in denAsylbewerberheimen spanntund diese überzeitlichen Prob-leme von existenzieller Not ein-drucksvoll aufzeigt.

Weitere Vorstellungen am 13. und14. Juli sowie vom 8. bis 11. August.Kartentelefon (089) 32 19 55 33.

„Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehenwill“: Nora Schulte und Philip Lemke im Metropoltheater. Foto: Turmes

Kulturpreis gehtan Mark AndreBonn (KNA) Der deutsch-

französische Komponist MarkAndre erhält den mit 25 000 Eu-ro dotierten „Kunst- und Kul-turpreis der deutschen Katholi-ken“. Das haben der Vorsitzen-de der Deutschen Bischofskon-ferenz, Kardinal ReinhardMarx,und der Präsident des Zentral-komitees der deutschen Katho-liken (ZdK), Thomas Sternberg,in Bonn bekannt gegeben. Diehöchste Auszeichnung der ka-tholischen Kirche auf dem Kul-tursektorwirdam27.Novemberin der Propsteikirche in Leipzigverliehen. In ihrem Votum wür-digt die Jury, dass Mark AndresKompositionen „motivisch auseinem explizit christlichen Be-kenntnis“ schöpfen.

Ein HöhepunktDie Honey Island Swamp Band in Ingolstadt

Von Karl Leitner

Ingolstadt (DK) New Orleansist ein Schmelztiegel, ein Mel-ting Pot. In der Stadt treffenverschiedene Bevölkerungs-gruppen aufeinander, was alsKonsequenz eine musikalischeVielfalt zur Folge hat, die bei-spiellos ist. Im Kleinen gilt diesauch für die Honey IslandSwamp Band, wobei es bei demQuintett, das an diesem Blues-festabend die Neue Welt imSturm erobert, aber weniger umEthnien als um Sounds undSpielformen geht.Ist „Gone“ gleich zu Beginn

typischer Southern Rock nachArt von Lynyrd Skynyrd, erin-nert „Sophisticed Mana“ gleichdarauf schon allein der ver-zwickten Rhythmik wegen nachLittle Feat. „Look For Me Baby“basiert auf einem Motiv von El-more James und ist somit reinerBlues, „Through Another Day“klingt wie gerade eben aus demMorast der Sümpfe Louisianasgezogen, der „Head High WaterBlues“ thematisiert die Erfah-rungen der Stadt mit unkont-rollierbaren Wassermassen.„How Do You Feel“ wiederumhört sich an wie die Stones derÄra von „Exile On Main Street“und ab und zu fühlt man sichals Zuhörer wie in einer Hän-gematte, das Laissez-Faire All-man Brothers Band im Ohr, diegerade mal wieder die Erdan-ziehung ignoriert und flirrenddavonschwebt.Die Honey Island Swamp

Band bedient sich bei vielenBands, Stilrichtungen undSounds, macht aber dennochihr eigenes Ding. Und das mitBravour. Nachdemdie ersten 20Minuten des Konzerts eher ver-halten ablaufen, dreht sieenorm auf, schaltet um auf denModus „Akustische Dampfwal-ze“, stampft, donnert undgroovt durch ihr Programm,dass es einen an die Wanddrückt. Vor allem nach der Pau-

se kommen die Songs, die dasKonzert so einzigartig – ja aucheinzigartig sogar im Vergleichzum restlichen bisherigen Pro-gramm des Bluesfests 2017 –machen. „Devil’s Den“, „CaneSugar“, das überragende „NoEasy Way“ mit diesem unwi-derstehlichen Titelmotiv, „Go-ing Down The Road“ ganz zumSchluss.Diese Band gleicht einem

Hochleistungsmotor, der wieperfekt geschmiert läuft undaußerdem über einen Soundverfügt, der süchtig macht.Stellenweise hebt sie regelrechtab, reißt einenunwillkürlichmitfort. Sam Price und GarlandPaul an Bass und Drums gebenden Puls vor, Aaron Wilkinsonschreibt diese wunderschönen,griffigen Songs, als exzellenteSolistenbrillierenChrisMuléalslegitimer Nachfahre von DuaneAllman, den er auch ausgiebigzitiert, und Chris Spies an denKeyboards, dem man seineHerkunft vom Jazz angesichtsseiner wieselflinken und herr-lich schrägen Soli anmerkt.War das nun der Höhepunkt

des diesjährigen Bluesfests?Trotz der tollen Festivalauftrittevon Delta Moon, Guitar Shortyund Big Daddy Wilson an glei-cher Stelle? – Man soll mit solchabsoluten Aussagen ja vorsich-tig sein, aber es sieht doch ir-gendwie ganz danach aus.

Einzigartig: Chris Spies (Piano)und Gitarrist Chris Mulé. Foto: lei

Denkmal gegen GewaltDas NS-Dokumentationszentrum München zeigt den Grafik-Zyklus „Wie ein Totentanz“ von Alfred Hrdlicka

Von Annette Krauß

München (DK) Den national-sozialistischen Todeskult stelltder Wiener Künstler AlfredHrdlicka auf einer Grafik wiefolgt dar: Rechts leuchten ausschwarzen Flächen der glän-zende Stahlhelm eines Soldatenund der weiße Rauch der Op-ferschalen auf dem MünchnerKönigsplatz. Und in der linkenBildhälfte werdenNackte in denschwarzen Schlund eines Ofensgeschoben und rauchenschwarz die Schornsteine derLager. „Aus den Statisten derWeihefestspiele waren Henkergeworden“, kommentiert derKünstler seine Grafik aus demZyklus „Wie ein Totentanz – DieEreignisse des 20. Juli 1944“.Winfried Nerdinger hat dieseGrafiken jetzt für die Dauer ei-ner Ausstellung in das NS-Do-kumentationszentrum geholt.Er liest diesen Zyklus auch als„kritischen Kommentar zurdeutschen Erinnerungspolitik“.Alle Exponate sind Leihgabenaus dem Museum Morsbroichin Leverkusen und erstmalskomplett inMünchenzusehen.Der überzeugte Kommunist

Hrdlicka, 1928 inWien geboren,wo er Malerei, Druckgrafik undBildhauerei studierte, setzt sichin diesen 53 Blättern mit denWurzeln, den Auswüchsen undden Folgen des Militarismusauseinander. Und er tut es aufeine zugleich drastische undkunstvolle Art und Weise. DennHrdlicka ist ein Meister der Ra-dierkunst, seine Arbeiten geltenalsHommageandieKunst einesFranciscoGoyaundOttoDix. Sodunkel wie die Thematik, dieHrdlicka auswählte, ist auch invielen Fällen die Szene gestaltet.Das beginnt bereits mit demersten Blatt „Casanova am HofFriedrichs des Großen“. Erzäh-lerisch breitet der Künstler aus,

wie ein Bediensteter mit derZahnbürste einen unvollständiggereinigten Nachttopf des Kö-nigs reinigen muss – und stelltdamit den Kadavergehorsambloß, der in Preußen begründetwurde und sich in der national-sozialistischen Ideologie fort-setzte. Somit gelingt esHrdlicka,ein Gegenbild zu schaffen zudem Flöte spielenden König beiKerzenschein, wie ihn AdolfMenzel 1852dargestellt hatte.Das Kernthema des Zyklus ist

jedoch das Attentat auf Hitleram 20. Juli 1944 durch die Ver-schwörer um Claus Schenk Grafvon Stauffenberg und die Hin-richtung der Widerstands-kämpfer. Blätter wie „Alltag inPlötzensee“ und „Acht Zigaret-ten pro Hinrichtung“ zeigen dieFleischerhaken, an denen dieMänner aufgehängt und lang-sam durch Stahlseile strangu-liert wurden. Das Grauen dieserHinrichtung und die Würdelo-sigkeit, mit der man die entklei-deten Männer zusätzlich be-strafte, hat Hrdlicka scho-nungslos und drastisch darge-stellt. Wie gründlich er für jedeSzene recherchiert hat, belegendie ausführlichen Kommentarezu jedemBlatt, die sowohl inderAusstellung aushängen als auchim Katalog zitiert werden. Bei-des zusammen bildet einDenkmal aus Papier gegen Mi-litarismusundGewalt.Alfred Hrdlicka starb 2009 in

Wien. Bekannt wurde er alsBildhauer durch sein MahnmalgegenKrieg undFaschismus aufdem Albertina-Platz in Wiensowie durch sein unvollendetgebliebenes „Gegendenkmal“am Bahnhof Dammtor in Ham-burg.

Bis 27. August im NS-Dokumentati-onszentrum München, BriennerStraße 34. Geöffnet dienstags bissonntagsvon10bis 19Uhr.

Mit Papier gegen den Militarismus: In den drei Grafiken reflektiert Alfred Hrdlicka unter dem Titel „Wie einTotentanz“ das Attentat auf Hitler 1944 und die Hinrichtung der Widerstandskämpfer. Foto: Hrdlicka-Archiv

Bekenntnisauf derBühne

Augsburg (epd) Theater imBürgerbüro: In Augsburg hat andiesem Freitag das Bürgerbüh-nenstück „Fromm und Frei –Augsburger Bekenntnisse“ Pre-miere. Darin berichten Bürgerunterschiedlicher Konfessio-nen und Religionen über ihrenGlauben. „Wir wollten im Lut-herjahr mit der Bürgerbühneein Stück zum Thema Beken-nen aufführen“, sagte Regis-seurin Susanne Reng vom Jun-gen Theater Augsburg.Spielort ist das Bürgerbüro

Stadtmitte in Augsburg. Dortzeigen die Laienschauspielerinsgesamt neun Szenen, in de-nen sie darüber Auskunft ge-ben, welche Rolle Glaube undReligion in ihrem Leben spie-len. Die Zuschauer wandern beider Aufführung durch das ge-samte Verwaltungsgebäude –vom Erdgeschoss bis in denneuen Stock.Das Stück gehe dabei unter

anderem der Frage nach, wieMenschen unterschiedlicherReligionen friedlich zusammenleben können, sagte Reng. Soerörterten die Schauspieler et-wa in der letzten Szene ge-meinsam das Thema: „Kom-men wir alle in denselben Him-mel?“

Nürnbergsagt ab

Gera/Chemnitz (dpa) DerGeraer Traum von der Kultur-hauptstadt Europas 2025 istnach kurzer Zeit geplatzt. DieStädte Nürnberg und Chemnitzteilten auf Anfrage mit, dass siekein Interesse an einer gemein-samen Bewerbung haben, dievon Geras Oberbürgermeiste-rin Viola Hahn (parteilos) an-geregt worden war. „Eine Kul-turhauptstadt muss im wahrs-ten Sinne des Wortes eineHauptstadt sein, in der sich dieöffentliche Aufmerksamkeit fo-kussiert“, teilte eine Sprecherinder Stadt Chemnitz gestern mit.Aus Nürnberg hieß es, die Kri-terien der Kulturhauptstadtbe-werbung schlössen eine ge-meinsameBewerbungzweier soweit voneinander entfernterStädte aus. Hahn hatte für dieBewerbung eine Kooperationmit Nürnberg undChemnitz insGespräch gebracht – beideStädte bewerben sich einzelnum den Titel.

Leighs Nachlasswird versteigertLondon (dpa) „Vom Winde

verweht“: Die private Samm-lung der Hollywood-Ikone Vi-vien Leigh (1913–1967) wirdEnde September in Londonversteigert. Das AuktionshausSotheby’s bringt Gemälde,Schmuck, Roben, Bücher, Mö-bel, Porzellan und Kunsthand-werk aus dem einstigen Besitzdes Filmstars unter den Ham-mer. Dazu gehört auch Leighspersönliches, in rotes Leder ge-bundenes Filmbuch des legen-dären Streifens „Gone with theWind“ („Vom Winde verweht“).Mit dem Kultfilm aus dem Jahr1939 wurde Leigh berühmt.