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1 Vorwort Durch den tragischen Suizid von Robert Enke im Spätjahr 2009, der wohl jeden Deutschen schockierte, wurde ich auf das Thema Depression im Sport aufmerksam und mein Interesse wurde geweckt. Auf der einen Seite, weil ich verstehen wollte, was in Enke vorging; auf der anderen Seite aber auch, weil mich die Frage nach sozialer Gerechtigkeit im Sport schon länger beschäftigte. Ich danke hiermit vor allem meiner Familie, die mich bei der Produktion meiner Dokumentation, tatkräftig wie moralisch, unterstützt hat. Einleitung Durch den auf Depressionen basierenden tragischen Suizid Robert Enkes am 10. November 2009, wurde europaweit eine Diskussion über den psychischen Druck, der im Leistungssport auf den Akteuren lastet, in Gang gesetzt. Ein psychischer Druck, der vor allem auch durch die Globalisierung und dem dadurch entstandenem internationalem Interesse auf eine neue Stufe gehoben wurde, nicht zuletzt durch den neuen Wirtschaftsfaktor “Sport”, der durch ebendieses internationale Interesse sehr gewachsen ist. Die zentrale Frage, die sich im Zusammenhang mit dem Leitthema “Soziale Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt” stellt, ist: Gibt es im Leistungssport überhaupt eine Art soziale Gerechtigkeit? Auf den folgenden Seiten werden diese und andere damit zusammenhängende Fragen erörtert und versucht zu beantworten. Ergänzend dazu wird auf die Krankheit der Depression näher eingegangen und untersucht, wie Depressionen behandelt werden und was sie überhaupt sind. Des weiteren werden die Ergebnisse einer Studie zu der Sportler-Psyche der Universität Tübingen in Bezug auf die Frage der (fehlenden) sozialen Gerechtigkeit analysiert und bewertet. Außerdem wird bearbeitet, inwiefern die

Depression Im Sport

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Dokumentation über das Thema "Depression im Sport" in Bezug auf das Rahmenthema "Soziale Gerechtigkeit in einer Globalisierten Welt"

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Page 1: Depression Im Sport

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Vorwort

Durch den tragischen Suizid von Robert Enke im Spätjahr 2009, der wohl jeden

Deutschen schockierte, wurde ich auf das Thema Depression im Sport aufmerksam und

mein Interesse wurde geweckt. Auf der einen Seite, weil ich verstehen wollte, was in

Enke vorging; auf der anderen Seite aber auch, weil mich die Frage nach sozialer

Gerechtigkeit im Sport schon länger beschäftigte.

Ich danke hiermit vor allem meiner Familie, die mich bei der Produktion meiner

Dokumentation, tatkräftig wie moralisch, unterstützt hat.

Einleitung

Durch den auf Depressionen basierenden tragischen Suizid Robert Enkes am 10.

November 2009, wurde europaweit eine Diskussion über den psychischen Druck, der im

Leistungssport auf den Akteuren lastet, in Gang gesetzt. Ein psychischer Druck, der vor

allem auch durch die Globalisierung und dem dadurch entstandenem internationalem

Interesse auf eine neue Stufe gehoben wurde, nicht zuletzt durch den neuen

Wirtschaftsfaktor “Sport”, der durch ebendieses internationale Interesse sehr gewachsen

ist.

Die zentrale Frage, die sich im Zusammenhang mit dem Leitthema “Soziale

Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt” stellt, ist: Gibt es im Leistungssport überhaupt

eine Art soziale Gerechtigkeit?

Auf den folgenden Seiten werden diese und andere damit zusammenhängende Fragen

erörtert und versucht zu beantworten. Ergänzend dazu wird auf die Krankheit der

Depression näher eingegangen und untersucht, wie Depressionen behandelt werden

und was sie überhaupt sind. Des weiteren werden die Ergebnisse einer Studie zu der

Sportler-Psyche der Universität Tübingen in Bezug auf die Frage der (fehlenden)

sozialen Gerechtigkeit analysiert und bewertet. Außerdem wird bearbeitet, inwiefern die

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Globalisierung Einfluss auf den psychischen Druck, der auf die Sportler ausgeübt wird,

nimmt. Unter anderem wird auch der Fall “Sebastian Deisler” behandelt und ein von ihm

gegebenes Interview mit der ‘Zeit’ genauer untersucht und auf den Druck der

Öffentlichkeit auf die menschliche Psyche hin bezogen.

Schließlich wird ein Projekt des österreichischen Bundeslandes Steiermark vorgestellt,

das vor allem Sportlern psychotherapeutische Maßnahmen anbietet.

Hauptteil

1. Der Fall “Robert Enke”

Am 10. November 2010, unweit von seinem Wohnort Empede, beging der damalige

Torhüter des Fußballvereins Hannover 96 und des deutschen Nationalteams im

niedersächsischen Eilvese Selbstmord, indem er sich vor einen Zug warf.

Robert Enke litt unter starken Depressionen, wie sein Psychologe, Dr. Valentin

Markser, öffentlich ausführte. Diese Depressionen waren auch ursächlich für seinen

Selbstmord.

Doch woher kamen diese Depressionen?

Um diese Frage zu beantworten, muss man zurück ins Jahr 2003. Laut seines

Therapeuten, traten hier seinerzeit die ersten Symptome auf. Damals bekam er seine

ersten Dämpfer in seiner Karriere:

Beim FC Barcelona wurde er nach einem desaströsen Spiel nicht übernommen und

nachdem er in Istanbul (Fenerbahce) nach seinem missratenem Debüt von den Fans

mit diversen Gegenständen, wie Flaschen und Feuerzeuge, beworfen wurde, löste er

seinen Vertrag auf.

Darauf begab sich Robert Enke in psychotherapeutische Behandlung bei Dr. Markser,

welcher später bestätigte, dass Enke unter “Versagensängsten” gelitten hatte.

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“Problematisch an Depressionen ist, dass sie nicht geheilt werden können - sie können

nur kontrolliert werden.” (Dr. Markser). Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die

psychischen Probleme Robert Enkes erneut auftreten.

2009 als Enke an einem Virus erkrankte, deshalb ein viertel Jahr für seinen Verein nicht

spielen konnte und auch in der Nationalelf nicht mehr seine Position gesichert hatte,

erlitt er einen Rückschlag, aufgrund sportlicher sowie familiärer Probleme, und begab

sich erneut in Behandlung - lehnte jedoch eine Therapie ab.

Niemandem erzählte er von seinen erneuten Depressionen, nur seine Frau und sein

Therapeut wussten Bescheid. Jedoch hatte er auch seinen Therapeuten getäuscht,

indem er ihm glaubhaft klarmachte, dass er keinerlei Selbstmordgedanken habe.

Dass diese Versagensängste, die er aufgrund des enormen Drucks der Öffentlichkeit nie

publik machen konnte, sein Todesurteil waren, ist sehr wahrscheinlich, da er sich in

seinem Abschiedsbrief bei seiner Frau und seinem Therapeuten dafür entschuldigte, sie

im Stich gelassen und getäuscht zu haben.

Außerdem wird an der kurzen Zusammenfassung der negativ einschneidenden

Momente in der Karriere des Vorbilds für viele Kinder und Jugendliche deutlich, dass

diese Versagensängste ebenfalls durch die Reaktion der Öffentlichkeit auf sein

Versagen begründet sind.

Robert Enke wurde in den Momenten seines Versagens menschenunwürdig behandelt,

wie zum Beispiel als er in Istanbul von den eigenen Fans mit Gegenständen beworfen

wurde.

Hier schließt sich der Kreis, wenn man fragt: Wo ist das Sozialverhalten der

Öffentlichkeit?

Oder anders: Wo ist hier die soziale Gerechtigkeit?

2.1.Was ist eine Depression?

Um besser zu verstehen, was in Robert Enke vor seinem Tod vorging, wird nun

zunächst einmal ausgeführt, welche Erscheinungen als Depression bezeichnet werden

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und im Folgenden erläutert, welche Faktoren vor allem im Leistungssport auf die Psyche

der Sportler einwirken und wie sich diese in Form von Symptomen äußern.

Nach Definition von Werner Stangl, einem österreichischem Psychologen, ist eine

Depression “...eine psychische Störung, die durch die Hauptsymptome gedrückte

Stimmung, gehemmter Antrieb, Interessenlosigkeit und Freudlosigkeit, ein gestörtes

Selbstwertgefühl und eine Abschwächung der Fremdwertgefühle (Verlust von

Interesse/Zuneigung für früher wichtige Tätigkeiten oder Bezugspersonen, Schwund der

emotionalen Resonanzfähigkeit, wobei sich der Patient seiner fehlenden

Fremdwertgefühle schmerzhaft bewusst wird – von Betroffenen als Gefühl der

Gefühllosigkeit bezeichnet) gekennzeichnet ist.”

Da Depressionen eine vielseitige und komplexe Thematik darstellen, folgt, um ebendies

zu zeigen, eine weitere Definition für dieses Krankheitsbild:

“Bei normalen Menschen bezeichnet die Depression eine Stimmungslage, als deren

Gegenpol eine Heiterkeit anzusprechen ist. Depressiv veranlagte Naturen empfinden

und reagieren sensitiver, aber auch langsamer, ihre körperliche Aktivität nimmt ab. Ihre

Einstellung wird von den Gefühlen der Einsamkeit, Minderwertigkeit und

Hoffnungslosigkeit beherrscht. Darunter leiden alle seelische Funktionen.” (Großes

Lexikon in Wort und Bild, Gerd Seibert & Erhard Wendelberger, intermedia produktions-

medienservice GmbH, Tübingen, überarbeitete Auflage, 1979)

Neben diesen Hauptsymptomen treten meist auch noch andere Symptome, wie z. B.

Hilf- und Hoffnungslosigkeit, verringerte Denkfähigkeit und auch eingeschränktes

sexuelles Interesse. Jedoch wirkt sich die Erkrankung der Depression nicht nur auf die

Psyche aus, sondern drückt sich auch durch sichtbare Merkmale am und im Körper aus

(Vitalstörungen). Typische Beispiele dafür sind Appetitlosigkeit, Gewichtszunahme oder

- abnahme, Schlafstörungen oder Schmerzempfindungen am ganzen Körper. Im Bezug

auf den Fall Robert Enke ist auch die erhöhte Infektionsanfälligkeit, welche ebenfalls

eine mögliche Vitalstörung aufgrund von Depressionen darstellt, da der Torhüter, wie z.

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B. die “Welt” berichtete, “...wegen einer Erkrankung, die als Bakterien-Infektion des

Darmes angegeben wurde, neun Spiele in dieser Bundesliga-Spielzeit verpasst [hatte]”.

Man vermutet, dass der größte Anteil der in Deutschland verübten Selbstmorde auf

Depressionen zurückzuführen sind. Nach dem Statischen Bundesamt wurden 2002

insgesamt 11.163 Selbstmorde verzeichnet. Wenn man von dieser Zahl und der oben

genannten Vermutung ausgeht, würde dies bedeuten, dass pro Jahr mehr Tode auf

klinische Depressionen als auf Verkehrsunfälle (6.842 nach Statischem Bundesamt)

zurückzuführen sind.

2.1.1. Differenzierung

An dieser Stelle ist klarzustellen, dass nicht jede “Niedergeschlagenheitsphase”, etwa

bedingt durch Stress oder eine Verletzung im Sport, einer Depression entspricht. Um

eine klinische Depression auszulösen, müssen verschiedene Faktoren auf die Psyche

des Menschen einwirken. Der größte Unterschied einer Depression zu einem

psychischen Tief ist, dass das letztere von alleine ohne Rückstände vergeht,

wohingegen eine Depression ohne therapeutische Hilfe fast unmöglich zu überwinden

ist.

Ein psychisches Tief kann jedoch auch zu einer Depression ausarten, wenn die oben

angesprochenen verschiedenen Faktoren, wie z. B. die Öffentlichkeit, dieses Tief zu

einem Dauerzustand geraten lassen.

2.2. Diagnose einer Depression

Ob eine Depression vorliegt oder nicht, kann meist nicht einfach so festgestellt werden,

da psychische Krankheiten sehr komplex sind. Aus diesem Grund ist es meist auch der

Fall, dass eine Diagnose erst von einem Experten festgestellt werden kann.

Um eine Diagnose aufzustellen gibt es einige Hilfsmittel, auf die im Folgenden näher

eingegangen wird.

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Als erstes zu nennen ist die sog. Hamilton-Depressionsskala (HAMD), welche eine

klinische Fremdbeurteilungsskala darstellt und die heute meistgebrauchte Skala für

Studien zu Depressionen ist.

Die 1960 von Max Hamilton eingeführte Skala besteht aus 21 Fragen, die der

psychologische Psychotherapeut zu gewissen Symptomen, wie Schlafstörungen,

Hypochondrie und auch Selbstmordgedanken, erheben muss. Hierzu wird jeweils die

Stärke der Ausprägung ebendieser auf einer Skala von 0 bis 4 bzw. 0 bis 2 bewerten.

Nachdem der Test ausgefüllt ist, werden die Bewertungspunkte addiert. Je höher die

Summe, desto schwerer ist die Depression. Schwer depressive Patienten erreichen

meist einen Wert von 25 oder höher.

Die deutsche Variante des HAMD (1995 veröffentlicht) besteht lediglich aus 14 Fragen,

was aber nicht bedeutet, dass diese Skala qualitativ schlechter ist, da diese nur eine

Einschätzung der Schwere der Depression ermöglichen soll.

Ähnliche Test zur Feststellung der Schwere der Depression sind das Beck-

Depressionsinventar (BDI) und das Inventar depressiver Symptome (IDS). Bei diesen

beiden genannten Tests wird ebenfalls wie beim HAMD durch Punktesysteme die

Schwere der Depression festgemacht.

2.3. Selbstmord und präsuizidales Syndrom

Wie nun eine Depression zum Selbstmord bzw. zu Selbstmordgedanken führen kann, ist

die Frage, mit der sich im Folgenden beschäftigt wird.

Durch den psychischen Vorgang der Depression, also die allgemeine Unlust und auch

das oben erwähnte gestörte Selbstwertgefühl, kann im Extremfall das Gefühl des

Lebensüberdrusses entstehen. Für das Umfeld des Depressiven ist es sehr schwer

einen Suizid vorherzusehen - siehe Robert Enke. Einige Anzeichen für einen

bevorstehenden Selbstmord gibt es jedoch. Diese Anzeichen werden auch allgemein als

“präsuizidale Syndrome” (Erwin Ringel) bezeichnet. Unter den Begriff des präsuizidalen

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Syndroms fallen Erscheinungen wie Sinn- und Hoffnungslosigkeit, das dadurch

resultierende Gefühl, mit der Realität nicht mehr umgehen zu können (Aufbau einer

Scheinwelt) und auch die Wertlosigkeit des Lebens an sich. Selbstmordgedanken sind

also bei Depressiven also keineswegs harmlose Gedanken wie bei gesunden

Menschen, sondern ernstzunehmende Warnsignale.

Dass also von der Gesellschaft hervorgerufene Depressionen lebensgefährlich sind,

sollte sowohl von den professionellen Arbeitgebern (meistens Profi-Vereine) der

Betroffenen als auch von der

Gesellschaft selbst erkannt und berücksichtigt werden. Dementsprechend kommt den

Arbeitgebern für ebendiese exponierten Berufe eine besonders große Verantwortung

gegenüber ihren “Arbeitnehmern” zu, da ein weitaus größeres Feld an Belastungen auf

diese einprasselt, als an einem “normalen” Arbeitsplatz.

2.4. Therapie von Depressionen

Man unterscheidet bei der Behandlung mit Depressionen umzugehen zwischen der

Methode der Psychotherapie und der Methode der Pharmakotherapie.

2.4.1. Psychotherapie

Wie der Name der erstgenannten Methode vermuten lässt, wird hier die Depression

durch verschiedene psychotherapeutische Vorgehensweisen behandelt. Die beiden

wichtigsten sollen nun näher betrachtet werden.

Heutzutage werden vor allem die die sog. Kognitive Verhaltenstherapie (Aaron T. Beck)

und die interpersonelle Therapie (Weissman/Klerman) angewandt, da bei diesen beiden

Formen der Behandlung durch klinische Studien eine überdurchschnittliche Erfolgsrate

festgestellt wurde.

Um zunächst auf eine der beiden Behandlungsarten näher einzugehen, wird im

Folgenden die Kognitive Verhaltenstherapie betrachtet. Bei dieser geht es vor allem um

die Selbsterkenntnis des Patienten und die damit verbundene Umstrukturierung der

Gedankengänge. Das Problem von depressiven Menschen ist vorwiegend, dass sie,

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selbst wenn sie möchten, nicht mehr positiv denken können. Ihre Gedankengänge sind

bleibend so ins Negative verschoben, dass er ohne das Erkennen dieses geistigen

Zustandes nicht in der Lage ist, etwas an ebendiesem zu ändern. Folglich steht bei der

Kognitiven Verhaltenstherapie die Selbsterkenntnis des Patienten im Mittelpunkt.

Der Patient wird dazu gebracht aktiv seine Gedanken, Gefühle und Reaktionen in

schwierigen Situationen festzuhalten und sich dementsprechend damit zu beschäftigen.

Durch den Therapeuten wird unterstützend die Erkennung der “Ist-Situation” gefördert,

indem er gezielte Fragen zu dieser stellt.

Wenn diese Erkenntnis abgeschlossen ist, hat der Patient gelernt mit seinen

Depressionen insofern umzugehen, indem er weiß, wo die Fehler in seinen Gedanken

liegen und wie er sie “berichtigen” kann.

Im Normalfall dauert eine solche Behandlung zwischen 20 bis 45 Therapiesitzungen an.

Nachdem die Betrachtung der ersten psychotherapeutischen Methode abgeschlossen

ist, wird nun auf die andere oben angesprochene übergegangen: die interpersonelle

Therapie.

Diese Behandlungsmethode von Depressionen fokussiert sich, im Gegensatz zu der

ersten Vorgehensweise, auf das bessere Zurechtkommen des Depressiven mit seiner

Umwelt, vor allem mit den Menschen im Umfeld. Beschäftigt wird sich also hierbei mit

zwischenmenschlichen Beziehungen, Problemen, die infolgedessen auftreten, und

sozialen Beziehungen. Ziel dabei ist nicht die Veränderung der Persönlichkeit des

Patienten, sondern die, wie schon gesagt, positivere Bewältigung bestimmter

zwischenmenschlicher Situationen.

Wichtiger Bestandteil einer solchen Therapie sind die festgelegten Ziele des Patienten

und auch seine aktive Beteiligung, da diese nur erfolgreich abgeschlossen werden kann,

wenn die Motivation von ihm selbst kommt.

Wie schon festgestellt wurde (siehe 2.3.), fühlen sich Schwerdepressive ihrer Umwelt

meist nicht mehr gewachsen. An dieser wohl entscheidenden Stelle anzugreifen und

dem Depressiven Hilfe beim Erlernen, sich den Umgang mit der Umwelt zu erleichtern,

zukommen zu lassen, ist wohl der Grund für überdurchschnittliche Erfolgsquote dieser

Behandlungsform.

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2.4.2. Pharmakotherapie

Bei der Pharmakotherapie geht es, wie der Name schon sagt, um die Behandlung der

Depression mit Medikamenten - sog. Antidepressiva.

Durch Depressionen entsteht im Gehirn ein Mangel an Serotonin oder Noradrenalin (je

nach Art der Gehirnzellen). Serotonin spielt eine große Rolle in der Regulation des

Tonus’ (Spannung) der Blutgefäße und beeinflusst somit den Blutdruck; weiter wirkt es

auf die Magen-Darm-Aktivität und die Tätigkeit des Zentralen Nervensystems. Des

weiteren wirkt Serotonin als Neurotransmitter in den Nervenzellen. Noradrenalin hat

ebenfalls Einwirkung auf den Blutdruck und wirkt, wie Serotonin, als Neurotransmitter.

Durch ebendiesen Mangel dieser beiden Stoffe ist auch das zu Beginn (siehe 2.1.)

angesprochene Symptom der verringerten Denkfähigkeit zu erklären.

Wirkung der meisten der Antidepressiva ist, diesen Mangel auszugleichen, indem vor

allem Hemmstoffe verabreicht werden, die den Rücktransport der Stoffe in ihre Zellen

verhindern und so aktiv als Neurotransmitter im Gehirn wirken können. Andere

Antidepressiva hemmen den Abbau von diesen Neurotransmittern (Glückshormonen),

was ebenfalls bewirkt, dass kein Mangelzustand dieser Stoffe im Gehirn herrscht.

Robert Enke hatte sich jeglicher Therapie entzogen und war nicht bereit sich auf eine

der oben genannten Behandlungsmethoden einzulassen. Vermutlich, weil er sich selbst

nicht eingestehen wollte, stark depressiv zu sein und nach außen hin schwach zu

scheinen. Diese Angst nach außen hin erneut schwach zu erscheinen, wie schon 2003,

trieb ihn wahrscheinlich noch weiter in seine Depression und entwickelte sich zu einem

Teufelskreis, den er alleine nie durchbrechen hätte können. Ein Teufelskreis, der nur

entstehen konnte, weil Versagensängste durch eine menschenunwürdige Behandlung

der Öffentlichkeit, der Gesellschaft, entstanden. Ein Teufelskreis, der ihm letztendlich

nur noch einen Ausweg bot: den Tod.

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3. Die ‘Zeit’: “Jeder zweite Sportler kämpft mit psychischen Problemen”

Der Fall Robert Enke ist leider kein Einzelfall, wie das Institut für Sportwissenschaft in

Tübingen am 17. November 2009 bekannt gab. Im Zeitraum 2006 bis 2008 wurden ca.

700 Sportler, Trainer und Funktionäre aus den Bereichen Handball und Leichtathletik

biografisch befragt.

Das Ergebnis der Studie ist erschreckend: jeder zweite Leistungssportler fühlt sich

ausgebrannt und kraftlos; jeder dritte klagt über Schlafstörungen; jeder fünfte zeigt

Anzeichen gelegentlicher Depressionen.

Professor Angsar Thiel, einer der Leiter dieser Studie, sagte, dass diese Symptome,

aufgrund der Fokussierung einzig und allein auf die körperliche Leistung, meist

verdrängt werden würden. Weiter behauptete er, die Sportler würden, sobald die

gebrachte Leistung nicht mehr die gewünschte darstelle, in ein “tiefes Loch mit teilweise

regelrecht traumatischen Folgen [fielen]”.

Da die Studie nicht nur Athleten, sondern auch deren Trainer miteinbegriffen hat, kam

ein anderer Teil der Befragung zum Ergebnis, dass die Trainer für Probleme ihrer

Schützlinge prinzipiell offen wären, würden sich jedoch zu schnell damit zufrieden

geben, wenn der Sportler behauptet, es sei alles in Ordnung, obwohl er meist nicht

einen gesunden Anschein macht.

Die ‘Zeit’ schreibt, “die wesentliche Ursache sehen die Forscher im System des

Leistungssports”.

Wenn also alleine durch das System des Leistungssports jeder fünfte Leistungssportler

über gelegentliche Depressionen klagt, ist es kein Wunder, dass in Kombination mit

anderen Faktoren, wie zum Beispiel dem Erwartungsdruck der Medien, ernsthafte

psychische Erkrankungen, meinst in Form von klinischen Depressionen, entstehen.

4. Der Druck der Öffentlichkeit auf die Psyche

Der Druck, der alleine durch das System des Leistungssports, also der alleinigen

Fokussierung auf körperliche Leistungen, ist, wie gezeigt, enorm. Doch stehen die

Athleten nicht nur unter diesem Druck. Der Erwartungsdruck der Öffentlichkeit, in Form

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von Medien und auch Fans, ist mindestens genau so hoch. Immer nach außen, für die

Öffentlichkeit, immer perfekt erscheinen zu müssen, weil es erwartet wird, ist für einen

Profisportler Alltag. Welche Auswirkungen der Druck der Öffentlichkeit auf die Psyche

der Sportler hat, soll im Folgenden erläutert werden.

Der Sportpsychologe des Bundesliga Vereins VfL Bochum, Thomas Graw, sagte den

‘Stern’: “Fußball-Profis bewegen sich in einem Umfeld, in dem nur absolute

Hochleistung zählt, und sie haben hohen Druck, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren,

wenn sie nicht mehr ans Limit gehen. Man muss immer Gewinner sein, nur so kann man

sich legitimieren.”

Dieser Druck, immer ein “Gewinner” zu sein, wird vor allem von der Öffentlichkeit

produziert.

Ein konkretes Beispiel hierfür ist der ehemalige Fußballprofi und Nationalspieler

Sebastian Deisler. Der Stern schreibt: “...er selber wollte nur spielen, am liebsten mit

Freunden unter Ausschluss der Öffentlichkeit.”

Deisler wurde von Anfang an seiner Karriere von den Medien als “Jahrhunderttalent”

(Zeit) gehandelt und es wurden Erwartungen in ihn gesteckt, denen er mental nicht

gewachsen war, wie er selbst in seinem Buch “Zurück ins Leben” schreibt.

In einem Interview mit der ‘Zeit’ spricht Deisler über seinen Leidensweg und schildert,

was in ihm seinerzeit vorging. Wie es für einen Menschen sein muss, der keinerlei

Privatsphäre von der Öffentlichkeit zugestanden bekommt, wird deutlich, wenn man

sieht, wie der ehemalige Fußballprofi beschreibt, wieso er nach langer Abwesenheit ein

letztes Mal mit der Veröffentlichung seines Buches in die Öffentlichkeit tritt: “Damit die

Menschen verstehen, was das für ein Wahnsinn war, den sie um mich veranstaltet

haben. Sie haben sich zwar Tag für Tag Gedanken über mich gemacht. Aber sie haben

mich nie gefragt, wie es mir damit ging.”

Das “Halligalli”, so Deisler, das um ihn veranstaltet wurde, überforderte ihn. Er konnte

schlicht nicht damit umgehen, wie man im weiteren Verlauf des Interviews deutlich

aufgezeigt bekommt. Zum Beispiel erzählt der “Held, der nicht zum Helden taugte”

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(Zeit): “Mein Leben wurde vereinnahmt. Ich habe manchmal im Bett gelegen und

gebetet: »Lieber Gott, ich schaff das nicht.«”

Wie auch bei Enke im Jahr 2003 spielen die Fans, und somit ein anderer, aber sehr

bedeutender, Teil der Öffentlichkeit, eine entscheidende Rolle. Als Deisler einen

Vertrag beim FC Bayern München angeboten bekommt, zögert er nicht allzu lange und

stimmt dem Wechsel nach Saisonende zu. Für die Zustimmung alleine erhielt der

damalige deutsche Hoffnungsträger 20 Millionen Mark. Durch ein Informationsloch bei

einer Bank erfährt die ‘Bild’-Zeitung von dem Wechsel Deislers und macht publik, was

noch monatelang geheim gehalten werden sollte, um laut Dieter Hoeneß, dem

damaligen Manager Herta BSC Berlins, “Unruhe im Verein zu verhindern” (Zeit).

Deisler verletzte sich in einem der folgenden Spiele schwer und musste außer Landes

operiert werden. Während seiner fünfmonatigen Abstinenz kochte bei den Fans der

Hass gegen ihn, weil von nun an von diesen als Verräter angesehen wurde. Bei seinem

Gespräch mit der ‘Zeit’ schildert der Interviewte die Dinge aus seiner Sicht: “Ich habe

Drohbriefe erhalten. »Wir kriegen Dich!«, »Wir killen Dich!«. Das ist es, was mir den

Fußball versaut hat. Das war mein Genickschuss.”

Ein Verhalten der Fans, einem großen Teil Deislers Umfelds, das als

menschenunwürdig bezeichnet werden kann. Er selbst bezeichnet diese Phase in seiner

Karriere als “Genickschuss”. Eine Beschreibung für einen Zustand, die nur vermuten

lässt, wie ein Mensch sich fühlt, wenn er Opfer einer Hetzkampagne wird.

Dass dieser Hass auf Deisler überhaupt entstehen konnte, ist vor allem den Medien

zuzuschreiben, wie zum Beispiel die ‘Bild’-Zeitung zu Deislers Wechsel titelte:

“Millionen-Deisler – werden ihm heute die Beine schwer?”.

Dieses Zusammenwirken von Faktoren, wie das System des Leistungssports an sich,

den Medien und auch den Fans, die die Denkweisen dieses Systems scheinbar

bedenkenlos übernehmen, im Umfeld Deislers trieb ihn letztendlich in die Depression.

Heute befindet sich Sebastian Deisler immer noch in Behandlung, um zu lernen mit

seinen Depressionen umzugehen, doch im Interview erwägt er nachdenklich: “Heute

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frage ich mich, ob das System, das ich verlassen habe, vielleicht kranker ist, als ich es

war.”

5. Leistungssport und die Globalisierung

Die enge Beziehung zwischen Leistungs- bzw. Profisport und der Globalisierung ist

heute überall zu sehen. Namen wie Claudio Pizarro (SV Werder Bremen; Geburtsland:

Peru) oder Edin Dzeko (VfL Wolfsburg; Geburtsland: Bosnien-Herzegowina) werden

heutzutage im Bezug auf den deutschen Fußball als normal angesehen. Vor 50 Jahren

waren solche Namen in einer deutschen Profiliga eine Besonderheit. Grund für diesen

Wandel im (Hoch-)Leistungssport ist vor allem die Globalisierung, die im letzten

Jahrhundert stattgefunden hat, und die damit verbundene internationale Talentsuche

großer Profivereine. Ein anderes Indiz für die enge Verbundenheit zwischen

Leistungssport und Globalisierung das Turnier um die Weltmeisterschaft, das seit 1930

jede 4 Jahre ausgetragen wird.

Dass die Globalisierung nicht nur auf die Qualität des Sports auswirkt, sondern auch

durch internationales Interesse der Medien, mehr Geld “mit ins Spiel bringt”, ist ein

beachtenswerter Punkt, der näher betrachtet werden sollte.

Durch das angesprochene Geld, das durch weltweites Interesse am Sport in die

Vereinskassen der Welt gespült wird, wurde auch logischerweise auch das

wirtschaftliche Interesse am Sport geweckt. Doch dieses rücksichtslose wirtschaftliche

Interesse hat auch sehr negative Seiten, die zu bemerken sind. Neben dem Glanz

größerer, beeindruckender Stadien und besserer Umstände den Sport auszuüben, wird

oft vergessen, dass durch das viele Geld auch der Druck auf die einzelnen Spieler

wächst. “Ausnahmeathleten, die täglich im Blickpunkt stehen und bei denen jede

Bewegung beobachtet wird, müssen mit der Berühmtheit und dem Geld, das sie

verdienen, den Preis bezahlen für gravierende Einschnitte im Privatleben und die immer

möglichen ‘Versager’-Schlagzeilen des Boulevards.”, schreibt der ‘Stern’ und trifft damit

die Problematik, die heutzutage immer häufiger bei Profisportlern auftritt.

Die Sportler sind dazu gezwungen, ihre psychischen Probleme, aufgrund des

öffentlichen Drucks, perfekt zu sein, zu verdrängen.. Denn wer diese Probleme zeigt, ist

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nicht der oben angesprochene “Gewinner”, sondern ein Schwächling. Hierzu sollte noch

einmal kurz das Fallbeispiel Sebastian Deisler aufgegriffen werden:

Deisler selbst wurde nach seinem Wechsel zum FC Bayern wegen seinen psychischen

Problemen, die seinen Mannschaftskollegen bekannt waren, von ebendiesen nicht als

gleichwertig angesehen, wie folgender Auszug aus dem Interview zeigt:

“Einige haben mich hinter vorgehaltener Hand »die Deislerin« genannt.”

Wie unmenschlich und mit welch wirtschaftlicher Rationalität mit Athleten umgegangen

wird, zeigt auch der an Menschenhandel grenzende Vertrieb mit Spielern, die weniger

als Personen angesehen werden, sondern eher als perfekt scheinende Maschinen, die

zum Handel bestimmt sind, wenn sie einen gewissen Wert erreicht haben. Ein weiteres

Beispiel für die schon fast abhanden gekommene Menschlichkeit im Leistungssport

zeigt ein Ausspruch des bekannten Politikers und Bayern-Verwaltungsbeirats Edmund

Stoiber im Jahr 2003, der Deisler, nach Bekanntgabe seines Rücktritts aufgrund von

Depression, als “eines der größten Verlustgeschäfte des FC Bayern” bezeichnete.

Eine wirtschaftliche Rationalität, die wohl durch die Globalisierung und den

internationalen wirtschaftlichen Wettkampf mit Vereinen, in der ganzen Welt erst

ermöglicht wurde, und eine menschliche Sicht der Dinge nicht mehr zulässt.

6. Prophylaktische Hilfsangebote

Durch die Globalisierung wurde, wie gerade behandelt, der psychische Druck auf die

Athleten durch das größere Interesse aller Kontinente unserer Erde am Sport stark

erhöht. Dass dem entgegengewirkt werden muss bzw. den Athleten die Möglichkeit

gegeben werden muss, mit ebendiesem Druck umgehen zu können, hat sich auch die

österreichische Regierung mit diesem Thema befasst.

Um aufzuzeigen, dass international die Problematik erkannt wurde, wird im Folgenden

ein Hilfsangebot für Spitzensportler des österreichischen Bundeslands Steiermark

vorgestellt.

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Die Landessportorganisation des Bundeslandes Steiermark hat sich zur Aufgabe

gemacht, in erster Linie Sportlern, aber auch Trainern, Funktionären und Eltern, eine

Anlaufstelle bei auf Leistungsdruck beruhenden psychischen Problemen bei sich selbst

bzw. bei Schützlingen oder Kindern zu bieten.

Angeboten wird vor allem mentales, auch psychomotorisch genanntes, Training und

Hilfestellung bei der Persönlichkeitsentwicklung bzw. Beratung der Eltern zur

Unterstützung ihrer Kinder bei dieser. Weiterhin wird Trainern der psychologische Weg

zur Teamentstehung und Sportlern ihren Umgang mit Emotionen zu kontrollieren

beigebracht.

Neben all diesen wichtigen, nicht zu vernachlässigenden Themen, sticht vor allem das

Angebot heraus, in Krisensituationen diese gemeinsam mit einem Therapeuten zu

intervenieren. Da diese nicht selten durch eine Verletzung entstehen, wird ebenfalls

angeboten, das Training nach einer solchen mit psychotherapeutischen Beistand zu

beginnen.

Jedoch bietet das Land nicht nur solche Hilfen an, sondern versucht auf seiner

Homepage, den Betroffenen Mut zu machen, über ihren Schatten zu springen und sich

der Angebote anzunehmen, indem es die zu erwartenden Resultate durch ebendiese

Behandlungen auflisten, wie zum Beispiel die “Erhöhung der Belastbarkeit in

Stresssituationen und der psychischen Stabilität” (Sportorganisation Steiermark).

Des weiteren wird der direkte Kontakt mit Sportwissenschaftlern sowie

Sportpsychologen angeboten, was für den Stellenwert für psychologische Betreuung

schön aufzeigt.

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Zusammenfassung

Zu Beginn der Dokumentation werden die Umstände des Selbstmordes Robert Enkes

näher betrachtet, mit dem Fazit, dass dieser auf Depressionen basierte, die vor allem

durch Versagensängste hervorgerufen wurden, die auf ein Verhalten der Medien und

der Fans, welches nicht anders als unmenschlich zu bezeichnen ist, zurückzuführen

sind.

In diesem Zusammenhang tut sich die Frage auf: Gibt es im Leistungssport eine soziale

Gerechtigkeit?

Doch zunächst wird sich mit dem Thema Depression an sich beschäftigt, was insofern

von Nöten ist, dass eine Verständnisgrundlage für den weiteren Verlauf der

Dokumentation, in der immer wieder von Depression die Rede ist, geschaffen ist.

Als erstes werden zwei Definitionen, eine allgemein wissenschaftliche und eine

psychologische, genannt, wobei diese nicht stark voneinander abweichen. Im

Wesentlichen werden Hauptsymptome wie gedrückte Stimmung, gehemmter Antrieb,

Interessenlosigkeit und Freudlosigkeit, ein gestörtes Selbstwertgefühl und eine

Abschwächung der Fremdwertgefühle genannt. Des weiteren wird sich mit einigen

Nebensymptomen beschäftigt, wobei auffällig ist, dass Parallelen einiger mit dem

konkreten Fallbeispiel “Enke” bestehen, wie zum Beispiel einer Darminfektion, die den

Torhüter monatelang außer Gefecht setzten, und der allgemeinen köperlichen

Anfälligkeit für Infektionen oder Viren während der Depression. Weiterhin wird die These

aufgestellt, dass in Deutschland mehr Menschen an Suiziden auf Grund von

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Depressionen sterben, als bei Verkehrsunfällen. Belegt wurde diese durch Zahlen von

Verkehrsunfalltoten und begangenen Suiziden im Jahr 2002 des Statischen

Bundesamtes.

Darauf stellt sich die Frage in Bezug auf die Problematik der Depression, wie eine

solche diagnostiziert wird und wieso es, insbesondere bei Robert Enke, zum Suizid

kommen kann.

Genannt wurden bei der Diagnose die drei wichtigsten Test, um die schwere der

Depression festzustellen.

Indem der Therapeut gezielte Fragen, die auf einem Fragebogen, zum Beispiel der

Hamilton-Depressionsskala, zu diversen Symptomen, wie Schlaflosigkeit oder

Selbstmordgedanken, um nur wenige zu nennen, und aufgrund der Antwort des

Patienten die Stärke der Ausprägung skaliert werden.

Nachdem also festgehalten ist, wie man eine Depression diagnostiziert, stellt sich immer

noch die Frage: wieso kann eine Depression den Erkrankten in den Selbstmord treiben?

Man kommt zu dem Ergebnis, dass es vor allem an dem möglichen Syndrom der Sinn-

und Hoffnungslosigkeit liegt, welches zur Folge hat, dass der Depressive in eine Art

Lebensüberdruss verfallen kann und sich der Realität nicht mehr gewachsen fühlt.

Solche Anzeichen eines Depressiven nennt man auch präsuizidale Syndrome.

Wie nun aber Depressiven beigebracht wird, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen, und

wie ein solcher “Heilvorgang” mit Medikamenten unterstützt wird, ist noch nicht geklärt.

Infolgedessen werden die psychotherapeutischen Behandlungsmethoden, in Form von

der sog. Kognitiven Verhaltenstherapie und der sog. interpersonellen Therapie, und

auch die Pharmakotherapie näher betrachtet.

Nachdem die Thematik der Depression, deren Diagnose und Behandlung,

abgeschlossen ist, wird sich nun der konkreten Depression im Leistungssport gewidmet

und damit einer Studie des Instituts für Sportwissenschaft in Tübingen. Die

Sportwissenschaftler führten eine zwei Jahre lange biografische Befragung an ca. 700

Athleten, Trainern und Funktionären aus den Bereichen Handball und Leichtathletik

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durch und kamen zu dem Ergebnis, jeder fünfte Sportler hätte mit gelegentlichen

Depressionen zu kämpfen. Grund dafür sehen die Forscher vor allem in dem Systems

des Leistungssports.

Wenn also noch andere soziale Faktoren mit auf das System Leistungssport einwirken,

ist es kein Wunder, dass ernsthafte Depressionen im Sport bald nicht mehr zur

Ausnahme gehören.

Wie diese anderen sozialen Faktoren sich zusätzlich auf die Psyche auswirken, ist die

nächste Frage, die man sich stellt.

Vor allem die Öffentlichkeit, in Form von Medien und Fans, hat großen Einfluss auf die

Psyche der Sportler. Als “Paradebeispiel” hierzu wird der ehemalige Fußballprofi

Sebastian Deisler angeführt, der, ähnlich wie Robert Enke, unter Depressionen litt, die

durch den immensen Erwartungsdruck, der durch die Medien und den Fans entstand,

entstanden sind, wahrscheinlich auch deshalb, weil Presse, sowie Fans, das

angesprochene schädliche System des Leistungssports ohne Bedenken verinnerlicht

haben. Für sie zählt einzig und alleine die körperliche Leistung - eine ähnliche

Erwartungshaltung wie Maschinen gegenüber.

Der als “Wunderkind” angesehene Deisler, sprach mit der ‘Zeit’ über seine frühzeitig

beendete Fußballkarriere und den Problemen, mit denen er nach und nach zu kämpfen

hatte - wie die Öffentlichkeit ihn zu einem psychischen Wrack machte.

Wie nun aber die soziale Gerechtigkeit mit der Globalisierung in Verbindung tritt, ist die

entscheidende Frage, auf die hingearbeitet wurde.

Durch die Globalisierung wurde wegen des ermöglichten internationalen Interesses,

immer mehr Geld mit ins Spiel gebracht. Wegen der enormen Summen, die die Spieler

für ihre Leistung bekommen, stehen sie im Blickpunkt der ganzen Welt. Dass der

psychische Druck, erfolgreich zu sein, ins Unermessliche steigt, ist zwangsläufig. Dass

dem aber so wenig Beachtung und deshalb auch Rücksicht gezollt wird, liegt wohl auch

an dem immer größer werdenden Einfluss der Wirtschaft, denn der Sport wurde durch

die Globalisierung ein starker Wirtschaftsfaktor. Die Denkensweise, vor allem von den

Medien und den Vereinen, wurde so rationalisiert, dass Spitzensportlern keinerlei Fehler

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mehr erlaubt sind und sie als Gegenstände, mit denen Handel getrieben wird,

angesehen werden, wie ein Ausspruch von Edmund Stoiber zeigt: er bezeichnete

Sebastian Deisler als “eines der größten Verlustgeschäfte des FC Bayern”.

Zuletzt wurde eine vom Staat geförderte österreichische Hilfsmaßnahme genauer

betrachtet, um zu zeigen, dass international gegen den psychischen Druck, der im

Leistungssport herrscht, vorgegangen wird.

Fazit

Durch die Dokumentation über “Depression im Sport” in Bezug auf die soziale

Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt wird vor allem deutlich, dass in einer

kommerzorientierten,

globalisierten Gesellschaft, wie die heutige, ist es schwer soziale Gerechtigkeit zu

erwarten, wenn die Wirtschaft im Vordergrund steht.

Aus diesem Grund kann man behaupten, dass im Leistungssport generell keine soziale

Gerechtigkeit herrscht - zumindest wenn in erster Linie das Kommerzielle im Fokus

steht, was fast überall, wo professionell Sport betrieben wird, der Fall ist.

Dass daraus ein rationales, unmenschliches Geschäft mit menschlichen Protagonisten

gemacht wird resultiert, ist deshalb leider zwingend.

Darauf aufbauend sieht man, anhand tragischer Beispiele, was diese

kommerzorientierte Gesellschaft aus den Menschen macht, die sie überhaupt erst

entstehen ließ - psychische Wracks.

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Menschen, die mehr sein müssen als nur herausragende Sportler, wie man anhand des

Beispiels Robert Enke oder Sebastian Deisler gesehen hat. Menschen, deren Traum, für

ihre Liebe zum Sport zum Beruf zu machen, zum Albtraum wurde, indem sie dem

psychischen Druck, der auf ihnen lastete, nicht mehr standhalten konnten und

infolgedessen starke Depressionen bekamen.

Persönliche Stellungnahme

Ich selbst finde, dass heute im Leistungssport das Hauptsächliche nicht mehr im

Mittelpunkt steht: der Sport an sich. Durch das internationale Interesse am Sport

entwickelte sich dieser zu einem großen Wirtschaftsfaktor, der jedoch dafür sorgte, dass

die Menschlichkeit, die meines Erachtens nach sehr wichtig ist, verloren geht.

An diesem Punkt muss man auch die Verantwortlichkeit der Vereine bzw. der

Arbeitgeber der Hochleistungssportler für ebendiese kritisieren, da durch das

vorwiegend wirtschaftliche Interesse die Sportler, meiner Meinung nach, nicht als

Menschen angesehen werden, sondern vielmehr als perfekte Maschinen, die ihre Arbeit

verrichten, für den Verein Geld verdienen und irgendwann weiterverkauft werden. Sie

geben einen großen Teil der Verantwortung für das gesundheitliche Wohl, somit auch

dem psychischem, ab, indem sie die Athleten als eine Art Handelsgut ansehen, um das

man sich nicht kümmern braucht.

Schockierend für mich sind vor allem die Folgen der fehlenden sozialen Gerechtigkeit.

Dass das Fehlen einer solchen zu Depressionen führen kann, die wiederum im

schlimmsten Fall einen Suizid hervorrufen können, ist schon sehr eindrucksvoll im

negativen Sinne.

Während ich mich mit dem Thema Depression (Diagnose, ...) befasste, wurde mir

überhaupt erst bewusst, dass Depressionen als eine wirkliche Krankheit angesehen

werden müssen. Vorher dachte ich, wenn ich das Wort “Depression” hatte, an einen

traurigen Menschen, der mit seinen Problem nicht richtig klar kommt. Welchen

Hintergrund dieses Nicht-Klarkommen hat, war mir nicht bewusst, was wahrscheinlich

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auch der Grund für mein Erstaunen war, wie schlimm Depressionen überhaupt sind. Vor

allem an dem Beispiel Sebastian Deisler wurde mir bewusst, wie die Psyche unter dem

System des Leistungssports leidet.

Letztendlich muss ich sagen, dass diese Dokumentation mir sehr die Augen geöffnet

hat, was das Sozialverhalten der Gesellschaft im Sport für eine Rolle spielt. Mir selbst ist

es nämlich auch schon passiert, dass ich ohne nachzudenken, was hinter einem

Versagen eines Sportlers steckt, über ihn geurteilt habe, als wäre er eine perfekte

Maschine, die immer ihre komplette Leistung bringen kann und somit auch ihre beste.

Da ich aus eigener Erfahrung spreche und mein Verhalten gegenüber

Hochleistungssportlern aufgrund dieser Dokumentation auch verändert habe, appelliere

ich an jeden, der von Athleten immer das Leistungsmaximum erwartet, sich zunächst

einmal mit den Hintergründen, die die Leistung bestimmen, wo auch nicht zuletzt die

Psyche eine große Rolle spielt, zu befassen, bevor er unwissend richtet.

Philipp Deuchler