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16.12.2011 1 Dorothee Alfermann Universität Leipzig Sportwissenschaftliche Fakultät und Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung Geschlechterstereotype und Geschlechterunterschiede im Sport Überblick 1. Erklärungsansätze für Geschlechtsrollen- entwicklung und die Entstehung von Geschlechterunterschieden 2. Der Einfluss von Geschlechterstereotypen und Geschlechterrollen 3. Steckt in den Stereotypen ein Körnchen Wahrheit? Psychosoziale Geschlechterunterschiede 4. Körper und Sport

Gender Im Sport

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Dorothee Alfermann Universität Leipzig

Sportwissenschaftliche Fakultät

und

Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung

Geschlechterstereotype und

Geschlechterunterschiede im

Sport

Überblick

1. Erklärungsansätze für Geschlechtsrollen-entwicklung und die Entstehung von Geschlechterunterschieden

2. Der Einfluss von Geschlechterstereotypen und Geschlechterrollen

3. Steckt in den Stereotypen ein Körnchen Wahrheit? Psychosoziale Geschlechterunterschiede

4. Körper und Sport

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? Welche Erklärungsansätze für Geschlechtsrollenentwicklung?

Vier Ansätze, die sich ergänzen können:

- Kognitive Theorien - Sozialisationstheorien - Sozialpsychologische Ansätze - Evolutionsbiologische Ansätze

Kategorisierung in zwei Geschlechter

konstante Selbstklassifikation in biologisch männlich oder weiblich etwa ab 4-5 Jahren

Entwicklung eines Geschlechtsrollen- Selbstkonzepts, das geschlechtstypische (feminine oder maskuline) oder -untypische (maskuline oder feminine) Eigenschaften, Interessen oder Verhaltenspräferenzen aufweist

Kognitive Theorien (1/2)

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Theorie erklärt unter anderem Sportpartizipation und Wettkampforientierung auf Grund maskuliner und/oder femininer Selbstkonzeptanteile

Kognitive Theorien (2/2)

Geschlechterstereotype und Geschlechts- rollenerwartungen bilden ein System geschlechtsbezogener Überzeugungen

sie wirken in Form von Erwartungen an geschlechtsadäquates Verhalten

Geschlechterunterschiede ergeben sich auf Grund des chronischen Einflusses von Stereotypen und Rollenerwartungen

besonders bedeutsam für Körper und Sport

Sozialpsychologische Ansätze

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Allgemein geteilte Überzeugungen und Wissensbestände in einer Kultur über typische Eigenschaften und Verhaltensweisen, in denen sich männliche und weibliche Personen angeblich unterscheiden.

Geschlechterstereotype

sind Erwartungen, wie sich eine Frau als Frau bzw. ein Mann als Mann verhalten soll

haben normativen Charakter,

nach wie vor dominante Rollen:

- Mann Beruf/Ernährer

- Frau Familie/sich kümmern um andere

Geschlechtsrollenerwartungen

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Geschlechterstereotype liefern Hinweise auf mit größerer Wahrscheinlichkeit zu erwartendes Verhalten von männlichen bzw. weiblichen Personen.

Geschlechterstereotype

Welche Eigenschaften und Verhaltensweisen werden Männern typischerweise zugeschrieben?

Welche Eigenschaften und Verhaltensweisen werden Frauen typischerweise zugeschrieben?

Geschlechterstereotype

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Eigenschaften

maskulin feminin

abenteuerlustig

aggressiv

dominant

kühn

selbstherrlich

stark

unabhängig

unnachgiebig

ängstlich

einfühlsam

fürsorglich

hilfsbereit

liebevoll

nachgiebig

schwach

unterordnend

Verhaltensweisen

maskulin feminin

Wohnung streichen

Rasen mähen

am Auto basteln

Überstunden machen

Extremsportarten betreiben

Motorrad fahren

Heimwerken

Blumen pflegen

Wäsche waschen

Gesicht schminken

Babysitten

sich um andere kümmern

Aerobic betreiben

Knopf annähen

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? Wirken sich Stereotype aus?

- im Selbstbild - in der sozialen Wahrnehmung und Interaktion - in Interessen und Berufswahl - im subjektiven Körperbild - im Sport - und und und ...

Grundlage der Stereotype und Rollen ist die Kategorisierung in zwei Gruppen:

männlich - weiblich

diese Kategorisierung führt dazu, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowie die Gemeinsamkeiten innerhalb der Geschlechter übertrieben werden

deshalb machen Stereotype glauben, es gebe zwei grundsätzlich unterschiedliche Geschlechter, nicht nur biologisch, auch psychosozial

Wie entstehen psychosoziale Geschlechterunterschiede? (1/4)

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in Wirklichkeit aber gibt es große Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern

und Unterschiede innerhalb der Geschlechter

empirische Ergebnisse Zu Geschlechter- Unterschieden stellen sich daher als überlappende Verteilungen dar

Wie entstehen psychosoziale Geschlechterunterschiede? (2/4)

empirische Studien zeigen, dass in den Stereotypen zwar ein Körnchen Wahrheit steckt, aber wie groß das Körnchen Wahrheit ist, hängt vom jeweiligen Merkmal ab

allerdings sind die Unterschiede größer, wenn es um biologische Merkmale und um die subjektive Wahrnehmung körperlicher Aspekte geht (Größe, Muskulatur, körperliche Fähigkeiten, Körperbild)

Wie entstehen psychosoziale Geschlechterunterschiede? (3/4)

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sie sind größer, wenn es um berufliche und soziale Merkmale geht (Einkommen, Berufs-wahl, Karriereleiter, Familienstand)

sie sind geringer, wenn es um psychologische Merkmale geht. Aber Ausnahmen! (s. nächste Folien)

Wie entstehen psychosoziale Geschlechterunterschiede? (4/4)

Motivation und Zielorientierung

Beweglichkeit und psychomotorische Geschicklichkeit

viele Persönlichkeitsmerkmale

Führungsverhalten und Führungserfolg

Konflikte in sozialen Beziehungen werden von Frauen eher angesprochen und diskutiert, Männer neigen zum Ausweichen und sich Ablenken

Leichte Geschlechterunterschiede

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nonverbale Kommunikation (Frauen eher auf andere zugehend, lächelnd, besseres Verstehen nonverbaler Signale; Männer eher distanzierend und raumgreifend, Status betonend)

verbale Kommunikationsstile in Gruppen (Frauen eher alle einbeziehend, andere nicht unterbrechend, halten Kommunikation am laufen; Männer Status betonende Kommunikation)

Mittlere bis hohe Geschlechterunterschiede (1/3)

Aggressivität und Gewaltverhalten (Männer)

soziale Hilfsbereitschaft im Alltag (Frauen)

Tapferkeit, Hilfsbereitschaft in Notsituationen (Männer)

Mittlere bis hohe Geschlechterunterschiede (2/3)

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Dominanz (Männer)

Fürsorglichkeit (Frauen)

Relevanz, Wertschätzung, Kriterien physischer Attraktivität

motorische Leistungsfähigkeit in Schnelligkeit und Kraft (Männer)

Mittlere bis hohe Geschlechterunterschiede (3/3)

Folgerungen Stereotype

Stereotype übertreiben, aber:

Erwartungen an/von Männern und Frauen sind unterschiedlich

Männer: Aggression, Dominanz, Risiko, Selbstbewusstsein

Frauen: Fürsorglichkeit, Gesundheitsstreben, physische Attraktivität, Bescheidenheit, Multitasking

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? Welche dieser Befunde für Sport besonders relevant?

Motivation

- Frauen – auch im Sport – haben einen hohen Anspruch an Leistungsgüte - ihre Motivation speist sich daher stärker daraus, Aufgaben zu meistern, etwas gut bis perfekt zu machen, als daraus, unbedingt besser zu sein als andere

Kommunikation und Interaktion Frauen bevorzugen in Gruppen

Statusgleichheit, betonen Nähe, nicht Distanz

Lächeln, Ansehen des Gesprächspartners, unterstützendes Gesprächsverhalten („hm, ja“ als Hinweis, dass sie zuhört; nicht, dass sie zustimmt)

hohe Bedeutung sozialer Beziehungen

Geschlechterunterschiede (1/2)

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daher sozialer Zusammenhalt im Team wichtig

Probleme werden angesprochen und diskutiert

ermutigendes und unterstützendes Trainerverhalten gefragt – mündige Athletin

Geschlechterunterschiede (2/2)

Wodurch entstehen geschlechtstypische Sportarten? Stereotype und Rollenerwartungen

Modelle (soziales Umfeld und Medien)

vorhandene Strukturen (Lehrplan, Vereinsangebote, Wettkampfsystem)

biologische Ausstattung

eigene Konstruktion (Mädchensport – Jungensport)

Geschlechterunterschiede im Sport – Wahl der Sportarten

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Wie erklärbar? Durch: biologische Unterschiede (Muskelmasse,

Körperbau)

Sozialisation: soziale Erwartungen/Einflüsse auf Verhalten und Training

(Leistungsanforderungen, Ermutigung, Modelle, Lerngelegenheiten usw.)

Akzeptanz der Erwartungen

Geschlechterunterschiede im Sport – Motorische Leistungen

Attraktivität und Körperbild

unterschiedliche Bewertungsstandards des Körpers je nach Geschlecht

- Beispiel Sport

- Beispiel Körperbild

Geschlechterunterschiede (1/5)

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männliche und weibliche Körper sind nicht nur genetisch/hormonell determiniert, sondern es hängt auch von kulturellen und sozial gelernten Regeln ab, in welcher Weise Männer und Frauen ihren Körper präsentieren, einsetzen, wahrnehmen und wahrgenommen werden.

Männer und Frauen haben dabei unterschiedliche Standards zu erfüllen, um akzeptiert zu werden und erfolgreich zu sein

Geschlechterunterschiede (2/5)

- Und diese Standards sind das Resultat biologischer Prädispositionen und sozialer Normen, Erwartungen und Regeln, also von Stereotypen und Rollenerwartungen

- Sie werden von früher Kindheit an vermittelt

Geschlechterunterschiede (3/5)

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Beispiele für geschlechtstypische Körpernormen männlich sein heißt:

groß, muskulös, athletisch, rau, kräftig, stark und durchsetzungsfähig

weiblich sein heißt:

hübsch, zart, anmutig und schlank

Geschlechterunterschiede (4/5)

- Diese unterschiedlichen Standards finden sich in vielerlei Weise im öffentlichen Leben, im Selbstkonzept und im Verhalten

- Sie werden gerade auch im Sport und über die Medien vermittelt

Geschlechterunterschiede (5/5)

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Beispiel Sport (1/2)

das männliche Stereotyp entspricht sportlichen Anforderungen an Kraft, Schnelligkeit, Kampfeswille, Mut und Härte

Dazu passen:

Kampfsportarten,

Risikosportarten,

direkte körperliche Auseinandersetzung (Eishockey, Fußball)

sowie Wettkampf

Beispiel Sport (2/2)

das weibliche Stereotyp entspricht sportlichen Anforderungen an Ästhetik, Anmut und Grazie

Dazu passen:

ästhetisch-kompositorische Sportarten,

schlanke Sportarten,

„schöne“ Sportarten,

Individualsportarten

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Variante 1 Variante 2

Abwertung, z. B. durch Lächerlichmachen, Leistungsabwertung

und/oder offene Diskriminierung (z. B. Verbot)

Überbetonung des "Weiblichen", z. B. durch äußere Attribute (Kleidung, Körper)

Anpassen der Regeln an vermeintliche weibliche Schwächen, z. B. kürzere Strecken

Was passiert, wenn Frauen mit einem "Männersport" beginnen?

Beispiele für Verbote von Frauensport finden sich in der Geschichte jedes Landes

in Deutschland z. B.: - in Leichtathletik zu Beginn des 20 Jh. - Fußball bis 1970

die Begründungen: „Wesen“ der Frau

die Olympiade der Moderne startete 1896 gänzlich ohne Frauenwettbewerbe

Diskriminierung: Verbot

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bis heute erhalten Frauen geringere Bezahlung oder sind in den geringer bezahlten Sportarten aktiv

Beispiel Fußball: Das deutsche Frauenteam gewann die WM 2003 und erhielt pro Spielerin 15000 Euro Prämie vom DFB, die Männer hätten 250000 in 2006 erhalten

das Männerteam hätte in 2010 für einen Sieg 300000 Euro pro Spieler bekommen, das Frauenteam in 2011 als Prämie 60000 Euro, also ein Fünftel

Diskriminierung: Bezahlung (1/2)

Frauen verdienen in D mindestens 22% weniger als Männer. Aber verglichen mit Fußball ist das eine Kleinigkeit.

Denn bei 22% weniger Einkommen als die Männer hätte das Frauenteam 195000 anstatt nur 15000 Euro in 2003 verdienen müssen.

Diskriminierung: Bezahlung (2/2)

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richtet sich vorwiegend nach "männlichen" Kriterien der Leistung:

- Kraft

- Schnelligkeit

- Kampf

- Härte

richtet sich bei Frauen zusätzlich nach "weiblichen" Kriterien:

- Schönheit

- Charme usw.

deshalb wird Attraktivität betont

Soziale Anerkennung von Sportlern und Sportlerinnen

Stärkung der positiven Selbstbewertung des Körpers, auch durch soziale Bezugspersonen

ggfs. Justierung der Bewertungsmaßstäbe

Wichtig: Bezugsgruppeneffekte (mit wem vergleiche ich mich?), aber: jede/r ist anders

realistische Einschätzung der körperlichen Vor- und Nachteile des (Leistungs)Sports

Unterstützung, Ausbildung geben für Umgang mit Medien und der Öffentlichkeit

Folgerungen für TrainerIn/Lehrperson

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Alfermann, D. (2005). Geschlechterunterschiede. In H. Weber & T. Rammsayer (Hrsg.). Handbuch der Persönlichkeitspsychologie und der Differentiellen Psychologie (S. 305 – 317). Göttingen: Hogrefe.

Literatur

Alfermann, D. (2006). Psychosoziale Entwicklung und ihre Bedeutung für die Geschlechterordnung im Sport. In I. Hartmann-Tews & B. Rulofs (2006). Handbuch Sport und Geschlecht (S. 68-77). Schorndorf: Hofmann

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• Athenstaedt, U. & Alfermann, D. (2011). Geschlechterrollen und ihre Folgen. Stuttgart: Kohlhammer