30
Delivered by Publishing Technology Bibliothekssystem Universitaet Hamburg 134.100.172.71 Sat, 11 Jul 2015 14:09:49 Copyright Mohr Siebeck Archiv des Völkerrechts, Bd. 52, S. 175–204 DOI 10.1628/000389214X684294 ISSN 0003-892X © Mohr Siebeck 2014 Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- ländischen Föderation aus der Warte des Selbstbestimmungsrechts der Völker Ao. Univ.-Prof. Dr. iur. Michael Geistlinger, Universität Salzburg I. Einleitende Bemerkungen Mit Verfassungsgesetz der Russländischen Föderation (RF) vom 21. März 2014 1 wurde die Republik Krim in die RF aufgenommen und zugleich wurden die Republik Krim und Sevastopol’ als Stadt von föderaler Be- deutung eingerichtet. Dieses Verfassungsgesetz gilt auch als Tag der ma- teriellen Änderung der Verfassung der RF (VfRF), die am 14. April 2014 unter Einschluss dieser Änderungen wiederverlautbart wurde. 2 Das Ver- fassungsgesetz vom 21. März 2014 stützt sich auf die Ergebnisse der Volks- abstimmung auf der Krim vom 16. März 2014, auf die Unabhängigkeits- erklärungen der Republik Krim und der Stadt mit Sonderstatus Sevasto- pol’ und die jeweiligen Beitrittsanträge. Das Verfassungsgesetz übernimmt weitgehend die Bestimmungen des Beitrittsvertrages der Republik Krim und der RF vom 18. März 2014 3 und ergänzt diese zur Erstreckung der russländischen Rechtsordnung auf die Krim. Dem Verfassungsgesetz und dem Beitrittsvertrag ging eine Prüfung des Vertragsentwurfs durch das Verfassungsgericht (VfG) auf Antrag des Präsidenten der RF voraus. Das VfG entschied mit Urteil vom 19.3.2014, N 6-P 4 auf Verfassungsmäßigkeit des Vertrages. Der Vorgang, der die Übertragung des Gebiets Krim zu Sowjetzeiten aus der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) in die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (Ukrainische SSR) vom 19. Februar 1954 unter dem damaligen Vorsitzenden des Präsidiums des 1 N 6-FKZ; Sobranie zakonodatel’stva Rossijskoj Federacii (SZRF) 2014/12/1201 idF Rossijskaja Gazeta (RG) vom 30.5.2014, N 121, S. 18. 2 SZRF 2014/15/1691. 3 Text in: RG vom 19.3.2014, N 62, S. 3. 4 RG vom 20.3.2014, N 63, S. 3 und SZRF 2014/13/1527.

Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 175

Archiv des Völkerrechts, Bd. 52, S. 175–204 DOI 10.1628/000389214X684294ISSN 0003-892X © Mohr Siebeck 2014

Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- ländischen Föderation aus der Warte

des Selbstbestimmungsrechts der Völker

Ao. Univ.-Prof. Dr. iur. Michael Geistlinger, Universität Salzburg

I. Einleitende Bemerkungen

Mit Verfassungsgesetz der Russländischen Föderation (RF) vom 21. März 20141 wurde die Republik Krim in die RF aufgenommen und zugleich wurden die Republik Krim und Sevastopol’ als Stadt von föderaler Be-deutung eingerichtet. Dieses Verfassungsgesetz gilt auch als Tag der ma-teriellen Änderung der Verfassung der RF (VfRF), die am 14. April 2014 unter Einschluss dieser Änderungen wiederverlautbart wurde.2 Das Ver-fassungsgesetz vom 21. März 2014 stützt sich auf die Ergebnisse der Volks-abstimmung auf der Krim vom 16. März 2014, auf die Unabhängigkeits-erklärungen der Republik Krim und der Stadt mit Sonderstatus Sevasto-pol’ und die jeweiligen Beitrittsanträge. Das Verfassungsgesetz übernimmt weitgehend die Bestimmungen des Beitrittsvertrages der Republik Krim und der RF vom 18. März 20143 und ergänzt diese zur Erstreckung der russländischen Rechtsordnung auf die Krim. Dem Verfassungsgesetz und dem Beitrittsvertrag ging eine Prüfung des Vertragsentwurfs durch das Verfassungsgericht (VfG) auf Antrag des Präsidenten der RF voraus. Das VfG entschied mit Urteil vom 19.3.2014, N 6-P4 auf Verfassungsmäßigkeit des Vertrages.

Der Vorgang, der die Übertragung des Gebiets Krim zu Sowjetzeiten aus der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) in die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (Ukrainische SSR) vom 19. Februar 1954 unter dem damaligen Vorsitzenden des Präsidiums des

1 N 6-FKZ; Sobranie zakonodatel’stva Rossijskoj Federacii (SZRF) 2014/12/1201 idF Rossijskaja Gazeta (RG) vom 30.5.2014, N 121, S. 18.

2 SZRF 2014/15/1691.3 Text in: RG vom 19.3.2014, N 62, S. 3.4 RG vom 20.3.2014, N 63, S. 3 und SZRF 2014/13/1527.

Page 2: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger176

Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) Nikita Chrus8ev rückabwickelte und daher aus russländischer Sicht „Wie-dervereinigung der Krim mit Russland“ genannt wird, steht im Konnex der sogenannten (Euro)Maidan-Ereignisse in der Ukraine. Während in der allgemeinen Wahrnehmung heute jedoch vielfach beim revolutionären Umsturz in Kiew und der Flucht des ukrainischen Präsidenten Viktor Ja-nukovi8 nach Russland angesetzt wird, sind die Vorgänge in der Ukraine mit einem für den Westen, den Zentralteil, den Süden und den Osten der Ukraine durchaus ähnlichen, allerdings zeitversetzten (im Westen früher – im Osten später ablaufenden) Escheinungsbild schon bis in das Jahr 2012 zurückzuverfolgen. Politisch motivierte Morde, Überfälle auf Polizeista-tionen, auf Wahl- und Parteibüros, die Machtübernahme in örtlichen und regionalen Staatsorganen durch Vertreter des Euro(Maidan) oder sons-tige lokale Akteure ohne verfassungsmäßige Legitimation begannen bei Dorf-, Siedlungs-, Kreis- und Bezirksräten in den westlichen Gebieten Transkarpatien, Lemberg, Tarnopol, Wolhynien und Iwano-Frankowsk und führten schließlich noch im Jahr 2013 zu der Verselbstständigung die-ser Gebiete gegenüber der (verfassungsmäßigen) ukrainischen Zentralge-walt. Ohne auf Geheimdienst- und Botschaftsberichte zurückgreifen zu können, muss eine eingehende Analyse des Ablaufes hier späteren Studien überlassen werden. Doch helfen im Internet zugängliche, in der westlichen Berichterstattung jedoch vernachlässigte, Quellen, sich ein Bild über den Ablauf im Großen und Ganzen und über die Dimensionen des Prozesses zu verschaffen.5

II. Einige Bemerkungen zum Charakter der Vorgänge in der Ukraine als Revolution

Unschwer ist allerdings der Schluss zu ziehen, dass es sich bei den Vor-gängen in der Ukraine um Revolution handelt und diese Revolution ist auch mit den Präsidentenwahlen, die am 25. Mai 2014 in den Gebieten der Ukraine durchgeführt wurden, in denen die revolutionär an die Macht ge-

5 Siehe insbesondere: http://zik.ua/tv/project/poglyad/23.02.2014/; http://erve.ua/focus/analytics/khronolog_ya_zakhoplennya_m_l_ts_c_people_on_zakh_dn_y_uk raine_video/; http://uk.wikipedia.org/wiki/Блокування_транспортного_сполучення_в_лютому_2014; http://www.pravda.com.ua/articles/2014/02/19/7014642/; http://tsn.ua/vy pusky/tsn_ranok/vipusk-tsn-ranok-za-19-lyutogo-2014-roku-335240.html; http://osp- ua.info/analitics/13280-.html; http://blogs.tvi.ua/2014/01/10/separatyzm_na_zak hidniy_ukrayini__ne_vyrok; http://galychyna.info/2013/12/09/chotyry-oblrady-zak hidnoyi-ukrayiny-khochut-vidibraty-vladu-v-oda.html; http://7days-ua.com/news/aza rov-pohrozhuje-zupynyty-byudzhetne-finansuvannya-zahidnoji-ukrajiny/; http://tyzhd en.ua/News/95689 (alle abgerufen Ende Mai 2014). Zu den Vorgängen siehe ausführlich auch den überaus gelungenen und gewohnt anregenden Beitrag von Otto Luchterhandt in diesem Heft.

Page 3: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 177

langte provisorische Regierung ihre Macht durchsetzen konnte, nicht zu einem Ende gekommen. Die Kriterien, die ich völkerrechtsdogmatisch aus universellem Widerstandsrecht, Selbstbestimmungsrecht der Völker, In-terventionsverbot und dem maßgeblichen Recht für nicht-international bewaffnete Konflikte (Bürgerkriege) für eine völkerrechtswissenschaftli-che Revolutionsdefinition herauszuarbeiten suchte,6 scheinen mir – bezo-gen auf die (Euro)Maidan-Bewegung als Ganzes – zwar nicht erfüllt zu sein. Revolution würde danach nämlich bedeuten „Widerstand einzelner Menschen oder einer mehr oder weniger großen Gruppe von Menschen gegen ein Herrschaftssystem, das keinen Rechtsstaat darstellt und das dadurch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufgezählte Menschenrechte missachtet.“7 Die Ukraine war unter Präsident Janukovič bei allen Vorwürfen, die man ihm berechtigterweise machen konnte, ins-gesamt, ohne dass dies einer näheren Begründung bedarf, als Rechtsstaat anzusehen, sonst hätte die Ukraine kein Mitglied des Europarats sein kön-nen. Meine im Hinblick auf die Rechtsfolgen, ein revolutionäres Wahlrecht hinsichtlich der vom Staat davor eingegangenen völkerrechtlichen Rechte und Pflichten zu begründen, eng gefasste Definition von Revolution trägt die (Euro)Maidan-Bewegung nicht.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht, aber auch auf dem Boden verschie-denster soziologischer und politologischer Revolutionstheorien,8 wird man jedoch die Vorgänge in der Ukraine zweifellos als revolutionär qua-lifizieren können und müssen. Vor allem erfüllen sie ein Erfordernis, das für die weitere (verfassungs)rechtliche Bewertung als ausschlaggebend an-zusehen ist. Sie haben dazu geführt, dass die ukrainische Verfassung vom 28. Juni 19969 in der Mehrzahl der Anwendungsfälle als nicht mehr be-folgt und damit als nicht mehr geltend angesehen werden muss.10 Dieser Schwebezustand wird entweder mit einer Annahme einer neuen Verfas-sung durch das ukrainische Volk oder aber mit der faktischen Durchset-zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der Mehrzahl der Anwendungs-fälle beendet sein.

6 Siehe M. Geistlinger, Revolution und Völkerrecht. 1991, S. 355 – 409. 7 M. Geistlinger, S. 434. 8 Dazu näher M. Geistlinger, S. 42 – 89. 9 Vidomosti Verchovnoi Radi Ukraïny (VVR U) 1996/30/141. Der offizielle Text, zu-

sammen mit einer auf der Internetseite des ukrainischen Parlaments erstellten englischen und einer deutschen Übersetzung findet sich unter http://www.verfassungen.net/ua/verf96-i.htm (abgerufen am 30.5.2014).Siehe dazu H. Scheu, Die Rechtsordnung, in J. Bes-ters-Dilger (Hrsg.), Die Ukraine in Europa. 2003, S. 95–120 (100–106) und zur internatio-nalen Bewertung der ukrainischen Rechtsordnung: S. 110–117.

10 Für viele und keineswegs nur auf die Wiener rechtstheoretische Schule beschränkt z.B. H. Kelsen, Reine Rechtslehre. 1960 (Nachdruck: 1967), S. 36 ff, 48, 51, 53, 59.

Page 4: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger178

Bis dahin stellt die ukrainische Verfassung von 1996 keine taugliche Grundlage zur rechtlichen Bewertung von Vorgängen dar, die sich in ei-nigen Teilen der Ukraine abspielten und immer noch abspielen. Vor allem aber können retrospektiv die Akte, die auf der Krim stattgefunden haben, nicht anhand der ukrainischen Verfassung bewertet werden. Letztere sind Ereignisse einer Revolution in einer Revolution und jede Revolution hat nun einmal ihre eigenen Gesetze.

III. Die Krimfrage im Kontext des Untergangs der Sowjetunion

Was die Krim anbelangt, so haben die Vorgänge, deren Zeugen wir wur-den, aber historisch deutlich weiter zurückliegende Wurzeln und eine an-dere rechtliche Qualität als der Kampf um die Macht in der Ukraine. Im Falle der Krim, in einem gewissen Maße aber auch der Volksrepubliken Doneck und Lugansk, wird die ukrainische Revolution von der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Völker überlagert. Im Falle der Krim, nicht aber im Falle der Volksrepubliken Doneck und Lugansk, besteht ein unmittelbarer geschichtlicher Zusammenhang mit der Auflösung der So-wjetunion. Eine völkerrechtliche Beurteilung hat daher dort anzusetzen.

Zum Zeitpunkt, als die ukrainische Unabhängigkeitserklärung ange-nommen wurde (16. Juli 1990),11 war die Ukraine noch Teil der UdSSR. Sie war dies bis zur Annahme des Aktes der Erklärung der Unabhängigkeit der Ukraine vom 24. August 1991, also entweder dem 11. Oktober 1991 oder dem 1. Dezember 1991. Völkerrechtlich kann jedenfalls maximal und gesichert das In-Kraft-Treten des am 8. Dezember 1991 abgeschlossenen sogenannten Minsker Abkommens über die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)12 als letztmögliches Datum der Unabhän-

11 Deklaracija pro deržavnyj suverenitet Ukraïny, VVR U 1990/31/429. Näher zu dieser Periode siehe z.B. S. V. Kivalov, Yu. N. Oborotov, V. A. Tulyakov (Hrsg.), Fundamentals of Ukrainian Law, 2010, S. 213.

12 Vedomosti S‘‘ezda Narodnych Deputatov i Verchovnogo Soveta (VSNDiVS) RSFSR 1991/51/1798. Das Abkommen trat für die Ukraine am 10. Dezember 1991 in Kraft und er-klärte in Art 11 ab diesem Zeitpunkt die Anwendung des Rechts der Sowjetunion für die Ukraine für unzulässig. Freilich kam es dennoch zur Weiteranwendung des Löwenanteils sowjetischen Rechts, darunter der Verfassung der ukrainischen USSR 1978 über ukraini-schen Anwendungsbefehl. Als Reaktion auf den sogenannten Putsch vom 19. August 1991 erging schon davor am 24. August 1991 der Akt über die Verkündung der Unabhängigkeit der Ukraine, der sich gleichfalls auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker berief. Dieser Akt wurde mittels Verordnung der Obersten Rada der Ukraine am 11. Oktober 1991 bestä-tigt und am Tag der Wahl des ersten Präsidenten der unabhängigen Ukraine am 1. Dezember 1991 einer Volksabstimmung unterzogen. Nach dem Wortlaut dieses Aktes sollte der Tag seiner Annahme als Tag des Beginns der Unabhängigkeit der Ukraine gelten. Das konnte also der 11. Oktober oder der 1. Dezember 1991 sein, je nachdem, wie genau man sich an das maßgebliche sowjetische Recht hielt.

Page 5: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 179

gigkeit der Ukraine angenommen werden. Die Unabhängigkeitserklärung 1990 stützte sich auf das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Na-tion.13 Als ukrainische Nation war offensichtlich das Volk der ethnischen Ukrainer im Unterschied zum (Staats)Volk, das sich aus allen Staatsbür-gern aller Nationalitäten in den Grenzen der damaligen Ukrainischen SSR zusammensetzte (siehe Art II), zu verstehen. Wurde also den ethnischen Ukrainern das unveräußerliche Recht auf Selbstbestimmung zugespro-chen, so sollte es Aufgabe der unabhängigen Ukraine sein, den Schutz der Nationalstaatlichkeit des ukrainischen Staatsvolkes zu gewährleisten.

Diese Hervorhebung der ethnischen Ukrainer und Monopolisierung des Selbstbestimmungsrechts der Völker bei diesen, sodass gleichzeitig die „Nationalitäten“, die in der Ukraine lebten, nicht als Träger des Selbstbe-stimmungsrechts erfasst wurden, führte noch zu Zeiten der Zugehörigkeit der Ukraine zur UdSSR und damit vor deren eigentlicher Unabhängigkeit zu einer Gegenreaktion auf der Krim. Am 12. November 1990 wurde auf einer außerordentlichen Sitzung des Gebietssowjets der Volksdeputierten der Krim der Beschluss gefasst, für den 20. Januar 1991 ein Referendum zu folgender Frage durchzuführen: „Sind Sie für die Wiederbegründung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Krim als Subjekt der UdSSR und Teilnehmer des Unionsvertrages?“.14 Damals war auf die Be-mühungen des sowjetischen Präsidenten Gorbačevs abgestellt worden, doch noch zu einem neuen Unionsvertrag zu kommen und so die UdSSR zu retten.15

Der Oberste Sowjet der Ukrainischen SSR erkannte das Sprengpoten-tial dieser Abstimmungsfrage und der Zustimmung von über 90 % der Teilnehmenden an der Abstimmung und damit nicht nur der Russen auf der Krim und erhob das Gebiet Krim am 12. Februar 1991 zur Autono-men Sozialistischen Sowjetrepublik im Bestand der Ukrainischen SSR. So verhinderte er, dass die Krim außerhalb dieser zu einem selbstständigen und formell gleichrangigen Partner in den Unionsvertragsverhandlungen zum Weiterbestand der UdSSR werden konnte und eine Trennung von der Ukrai nischen SSR und eventuelle (Wieder)Vereinigung mit der RSFSR schon zu Zeiten der zu Ende gehenden Sowjetunion erfolgte. Die Aus-sagekraft des Referendums hatte damals zwar darunter gelitten, dass die nach Mittelasien vertriebenen Krimtataren noch nicht wieder hatten auf

13 Siehe den Gegensatz zwischen „Selbstregierung des Volkes“ im letzten Strich der Präambel und die Überschrift des Art I der Unabhängigkeitserklärung.

14 Siehe ausführlicher S. Vatkin, Krymskij referendum 20 janvarja 1991 goda o vossoz-danii Krymskoj ASSR (Das Krimreferendum vom 20. Januar 1991 über die Wiederbegrün-dung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Krim (ASSR Krim)). Abrufbar unter http://www.qrim.ru/about/history/Referendum_1991 (abgerufen am 31. Mai 2014).

15 Zu den Entwürfen und den Gründen ihres Scheiterns siehe für andere S. A. Avak’ jan, Konstitucija Rossii: priroda, ėvoljucija, sovremennost’ (Die Verfassung Russlands: Natur, Entwicklung, Gegenwart), 2000, S. 109.

Page 6: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger180

die Krim zurück kehren dürfen, dass ihnen in den Republiken der UdSSR, in denen sie damals lebten, die Beteiligung am Referendum verboten wor-den war, und dass dem Gebietssowjet, der das Referendum organisierte, kein Vertreter der Tataren angehört hatte. Die offiziellen Vertreter der Ta-taren hatten konsequenterweise zu einem Boykott des Referendums auf-gerufen. Doch konnte bereits damals kein Zweifel bestehen, dass weniger als 10 % der auf der Krim ansäßigen Bevölkerung mit dem zu jener Zeit gegebenen verfassungsrechtlichen Status in der ukrainischen USSR ein-verstanden waren.

Mit dem aus zwei Artikeln bestehenden Gesetz der Ukrainischen SSR über die Wiederherstellung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepu-blik der Krim (ASSR Krim) im Bestand der Ukrainischen SSR war aller-dings nicht viel gewonnen.16 In Art 1 wurden die Grenzen des früheren Gebietes für die ASSR Krim fortgeschrieben und in Art 2 wurde bis zur Annahme der Verfassung der ASSR Krim der Sowjet des Gebietes Krim zum höchsten Organ der Staatsgewalt der ASSR Krim erklärt und mit dem Status des Obersten Sowjets der ASSR Krim ausgestattet. Eine Einfüh-rungsverordnung zu diesem Gesetz schrieb Ergänzungswahlen zur Einbe-ziehung von Vertretern der Tataren und des Stadtsowjets von Sevastopol’ in den Obersten Sowjet der ASSR Krim vor.17 Ziffer 3 der Einführungs-verordnung beauftragte den Obersten Sowjet der ASSR Krim, eine Verfas-sung auszuarbeiten, und Ziffer 4 übertrug der Gesetzgebungskommission des Obersten Sowjets der Ukrainischen SSR die Aufgabe, entsprechende Änderungen und Ergänzungen der Verfassung vorzubereiten.

Anstatt also eine Lösung zu bieten, eröffnete das ASSR-Gesetz für beide Seiten eine Spielwiese, mit den gleich guten rechtlichen Argumenten mittels Gesetzen und Verfassungsentwürfen gegeneinander Krieg zu füh-ren. In die damals geltende Verfassung der Ukrainischen SSR 1978 wurde das Kapitel 7–1 bestehend aus dem einzigen Art 75–1 eingefügt. Dieser lautete: „Die ASSR Krim ist ein untrennbarer Bestandteil der Ukraini-schen SSR und entscheidet selbstständig die Fragen, die in ihre Zuständig-keit übertragen wurden.“18 Weitere die Krim betreffende Ergänzungen der Verfassung erfolgten damals in Art 97 Abs 3 Z 20 und insgesamt im Kapi-

16 Zakon „O vosstanovlenii Krymskoj Avtonomnoj Sovetskoj Respubliki“, VVS Ukrains koj SSR 1991/9/216.

17 „Postanovlenie Verchovnogo Soveta USSR o vvedeni v dejstvie Zakona Ukrainskoj SSR „O vosstanovlenii Krymskoj Avtonomnoj Sovetskoj Respubliki“, VVS Ukrainskoj SSR 1991/9/217, Ziffer 2.

18 Zakon URSR (= Ukrainische SSR) 1213a-12 vom 19. Juni 1991 „Pro vnesennja zmin i dopovnen‘ do Konstytuciï (Osnovnogo Zakoščnu) Ukraïns’koï RSR“ (Über die Einfügung von Änderungen und Ergänzungen in die Verfassung (das Grundgesetz) der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik), VVS Ukrainische SSR 1991/35/467. Eine Zusammenstel-lung der Texte (in ukrainischer Sprache) aller ukrainischer Verfassungen von 1710 an findet sich bei Ju. S. Šemšučenko (red), Konstytuciï i konstytucijni akty Ukraïny (Die Verfassun-gen und Verfassungsakte der Ukraine), 2001.

Page 7: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 181

tel 9 (System und Prinzipien der Tätigkeit der Räte der Volksdeputierten). Besondere Erwähnung verdienen Art 97 Abs 3 Z 21–1, der die vorzeitige Aufhebung der Vollmachten des Obersten Sowjets (= Verchovna Rada) der ASSR Krim und Ansetzung von Neuwahlen auf der Krim im Fall der Missachtung der Verfassung und der Gesetze der Ukraine vorsah, und Art 97 Abs 3 Z 31. Letztere Bestimmung sprach der Verchovna Rada der Uk-rainischen SSR das Recht zu, Rechtsakte der Verchovna Rada (des Obers-ten Sowjets) der ASSR Krim auszusetzen oder nach dem Verstreichen einer Anpassungsfrist aufzuheben, wenn sie der Verfassung oder den Gesetzen der Ukrainischen SSR widersprachen.

Das übrige historische Umfeld lenkte die Aufmerksamkeit der Weltöf-fentlichkeit bald auf andere essentielle Probleme, die der Zusammenbruch der Sowjetunion, der mit dem Scheitern des Augustputsches in Moskau unabwendbar wurde, für die Beziehungen der Russländischen Föderation (RF) mit der Ukraine mit sich brachte.

Das am 24. August 1991, also 5 Tage nach dem Versuch der Putschisten in Moskau, die Macht der Kommunistischen Partei der Sowjetunion wie-der zu errichten, ausgeschriebene all-ukrainische Referendum vom 1. De-zember 1991 sah eine knappe Mehrheit der Bevölkerung der zwischenzeit-lich wieder eingerichteten ASSR Krim mit der Ukraine in dem Wunsch verbunden, durch Unabhängigkeit der Ukraine einem Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten von Sowjetherrschaft zuvor zu kommen. Die Frage, die damals von etwas über 50 % der Bevölkerung, die sich an der Abstimmung beteiligt hatten, mit „ja“ beantwortet wurde, lautete: „Un-terstützen Sie den Akt der Verkündung der Unabhängigkeit der Ukraine?“

Das Ergebnis des Referendums deckte sich damals jedenfalls noch knapp mit der Deklaration über die staatliche Souveränität der Krim, die der Oberste Sowjet der ASSR Krim unter dem Eindruck des Augustput-sches in Moskau am 4. September 1991 angenommen hatte.19 Die Dekla-ration, die die Grundlage für die Ausarbeitung der Verfassung der Re-publik und der Vorbereitung eines Unionsvertrages sein wollte, bekannte sich ausdrücklich dazu, „Ausdruck des Willens des Volkes der Republik zu sein, sich der historischen Verantwortung für die Zukunft der Krim be-wusst zu sein, die souveränen Rechte aller Völker zu achten, die Krim als Teilnehmerin des Unionsvertrages anzusehen, die staatliche Souveränität der Ukraine zu achten, von der Priorität der allgemeinmenschlichen Werte, der Deklaration der Menschenrechte und der anderen allgemein anerkann-ten völkerrechtlichen Akte auszugehen und danach zu streben, einen de-mokratischen Rechtsstaat im Bestand der Ukraine zu gründen.“

19 Der Text ist abrufbar unter http://sevkrimrus.narod.ru/ZAKON/dekl.htm (abgeru-fen am 31. Mai 2014).

Page 8: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger182

Eine Möglichkeit zu einem friedlichen Ausgleich mit und innerhalb der Ukraine wäre also zum Zeitpunkt des (gleichzeitigen) Unabhängig-Wer-dens der Ukraine und der Krim zum Greifen nahe gewesen. Bald sollte sich aber zeigen, was unter dem in der Deklaration angesprochenen „Unions-vertrag“ zu verstehen war und wie weit die Ukraine und die Krim von Anbeginn der Unabhängigkeit von einem verfassungsrechtlichen Kompro-miss miteinander entfernt waren. Anstelle eines Ausgleiches mit der Krim rückten für die Ukraine Fragen der Staatennachfolge, des Aufbaus der GUS, der De-Nuklearisierung der Ukraine, der Aufteilung der Schwarz-meerflotte und der Regelung deren Status auf der Krim, sowie Gasliefe-rungsverträge und ihre näheren Modalitäten in den Mittelpunkt des Inter-esses. Den Beziehungen der Ukraine zu Russland insgesamt galt die welt-weite Aufmerksamkeit.20

IV. Wunsch und Realität auf der Krim in der Zeit einer unabhängigen Ukraine

Gleichzeitig spitzte sich jedoch ein Gesetzeskrieg zwischen der Krim und der Ukraine zu. Am 6. Mai 1992 nahm der Oberste Sowjet der Krim die Verfassung der „Republik Krim“ an, mit der sich die Krim auf die gleiche Stelle wie die Ukraine hob.21 Die Verfassung stellte ihrem ganzen Gehalt nach die Verfassung eines unabhängigen Staates dar, der zur Beziehung mit der Ukraine folgende Bestimmung in dem nur aus Art 9 bestehenden Kapi-tel 3 enthielt: „Die Republik Krim geht in den Bestand des Staates Ukraine ein und bestimmt die Beziehungen mit ihr auf der Grundlage eines Ver-trages und von Abkommen.“ Der Unionsvertrag in der Souveränitätser-klärung der Krim sollte also ein völkerrechtlicher Fusions- oder Beitritts-vertrag sein, die Krim beanspruchte für sich staatliche Souveränität und Völkerrechtssubjektivität, zumindest jedenfalls völkerrechtliche Vertrags-abschlusskompetenz.22

20 Siehe ausführlich dazu D. Wydra, Autonomie auf der Halbinsel Krim. Eine völker- und verfassungsrechtliche Analyse, 2008, S. 26–42.

21 Text der Verfassung abrufbar über http://sevkrimrus.narod.ru/ZAKON/1992konst.htm (abgerufen am 31.5.2014).

22 Art 10 der Krim Verfassung 1992 lautete folgendermaßen: „Die Republik Krim tritt selbstständig in Beziehungen mit anderen Staaten und Organisationen ein und verwirk-licht mit ihnen auf der Grundlage von Verträgen und Abkommen gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit in der Wirtschaft, Kultur, im Gesundheitswesen, in der Bildung, in der Wissenschaft und in anderen Gebieten, und sie gründet ihre gegenseitigen Beziehungen mit ihnen auf die Prinzipien der Gleichheit, der Achtung der Souveränität, der territorialen Unversehrtheit, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, der Entscheidung von Streitigkeiten ausschließlich mit friedlichen Mitteln und der Erfüllung der gegenseiti-gen Verpflichtungen nach Treu und Glauben.“ (Übersetzungen aller Texte in diesem Bei-trag aus dem Russischen, Ukrainischen und südslawischen Sprachen durch M. Geistlinger).

Page 9: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 183

Bedenkt man den in dieser Verfassung zum Ausdruck kommenden Geist, so muss man feststellen, dass die ukrainische Zentralregierung mit dem kurz vor Verabschiedung der Krimverfassung ergangenen Gesetz vom 29. April 1992 über den Status der Autonomen Republik Krim der Krim in keiner Weise angemessen entgegen gekommen ist.23 Was die Ukraine angeboten hatte, war Autonomie – bei näherem Besehen dazu noch nur auf dem Papier24 – und nicht einmal ein Ansatz von Bundesstaatlichkeit, geschweige denn die in die Krimverfassung auch hinein lesbare Vorstel-lung eines Staatenbundes. Art 2 des Gesetzes erklärte das Territorium der Krim für unabänderlich und verbot ihre Übertragung in den Bestand eines anderen Staates. Dem Autonomiegesetz folgte am 13. Mai 1992 eine Ver-ordnung der Verchovna Rada der Ukraine, mit der eine ganze Reihe von Verordnungen des Obersten Sowjets der Krim suspendiert wurde. Diese Verordnung enthielt auch das Verbot, die für den 2. August 1992 ange-setzte Volksabstimmung über die Krimverfassung abzuhalten.25 Ab die-sem Zeitpunkt bildete sich im offiziellen Sprachgebrauch der Krim die Be-zeichnung „Besatzungsregime“ in Bezug auf die Organe der Staatsgewalt der Ukraine heraus. Wenig überraschend reagierte auch der Oberste So-wjet der RF, der am 21. Mai 1992 prompt die Beschlüsse aus 1954 über die Übertragung der Krim an die Ukraine rückwirkend aufhob.26

Man mag diese Beschlüsse auf Seiten der Ukraine, der RF und der Krim für verwunderlich oder unerklärlich ansehen, sie machten jedoch allen Be-teiligten und dem internationalen Umfeld klar, dass es von nun an um Ei-

23 „Zakon o statuse Avtonomnoj Respubliki Krym“ in: Vedomosti Verchovnogo Rada Ukraïny (VVR U) 1992/30/419. Russischer Text auch abrufbar über http://sevkrimrus.ru/docs/12-ukraine/184-zakon-ukrainy-o-statuse-ark (abgerufen am 31.5.2014). Ausführlich dazu D. Wydra (Fn. 20), S. 75 f.

24 St. Simon, Autonomie im Völkerrecht. Ein Versuch zum Selbstbestimmungsrecht der Völker, 2000, S. 57–69, verlangt für Autonomie auf der Grundlage einer Interpretation der maßgeblichen Bestimmungen der UN Satzung und des Art 1 UN Paktes über bürgerliche und politische Rechte mit überzeugenden Gründen einen „körperschaftlichen Status“ oder aber auch einen geringeren Status, vorausgesetzt, er ist durch freie Wahl des betreffenden Volkes zustande gekommen (S. 59) und in prozeduraler Hinsicht abgesichert (S. 67). Die Chancen von Autonomie und innerer Selbstbestimmung zur Vermeidung des Rufs nach äußerer Selbstbestimmung unterbewertet bei J. Summers, Peoples and International Law, 2007, S. 341–343.

25 „Pro polityčnu sytuaciju, jaka sklalasja u zv’jazku z rišennjami, prijnjatimi Vercho-vnoju Radoju Respubliky Krym 5 travnja 1992 roku“ (Über die politische Lage, die sich in Zusammenhang mit den Beschlüssen ergeben hat, die die Verchovna Rada der Republik Krim am 5. Mai 1992 gefasst hat), VVR U 1992/31/445.

26 „O pravovoj ocenke rešenij vysšich organov gosudarstvennoj vlasti RSFSR po izme-neniju rešenij prinjatych v 1954 goda“ (Über die rechtliche Bewertung der Entscheidungen der obersten Organe der Staatsgewalt der RSFSR betreffend die Änderung der im Jahr 1954 gefassten Beschlüsse), abrufbar unter http://sevkrimrus.narod.ru/ZAKON/o1954.htm (ab-gerufen 31.5.2014). Zum historischen Umfeld 1954 siehe insbesondere V. Wendland, Die uk-rainischen Länder von 1945 bis 1993, in Frank Golczewski (Hrsg.), Geschichte der Ukraine, 1993, S. 269–311 (276 f).

Page 10: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger184

genstaatlichkeit oder um die Zugehörigkeit der Krim zur Ukraine oder zur RF ging und es nach dem Verständnis der Beteiligten keine historische wie verfassungs- oder völkerrechtliche Selbstverständlichkeit war, dass die Krim der Ukraine zugehörte. Anstatt die Zeichen der Zeit zu erkennen, heizte die Ukraine den Konflikt mit der Krim weiter an, indem sie am 30. Juni 1992 einseitig ein Kompetenzabgrenzungsgesetz27 erließ, das sich eng an das seinerzeitige sowjetische Gesetz über die Kompetenzabgren-zung zwischen der UdSSR und den Subjekten der Föderation aus dem Jahr 1990 anlehnte,28 das als solches aber schon den Zusammenbruch der So-wjetunion nicht hatte verhindern können. Zusätzlich wurden wohl auch die Krimtataren zur Schwächung des Gegners instrumentalisiert.

Die Republik Krim führte zwar das Referendum über die Verfassung 1992 nicht durch, sodass diese formell nicht in Kraft trat, nahm aber am 24. September 1992 das Gesetz über die Staatsflagge und jenes über das Staatswappen der Republik Krim an29 und beharrte mittels Verordnung des Obersten Sowjets der Krim am 18. Dezember 1992 unter Berufung auf das Staatsangehörigkeitsgesetz der Ukraine und die Verfassung der Repu-blik Krim auf dem Recht der Bewohner der Krim auf Doppelstaatsange-hörigkeit. Der Vollzug entgegenstehender Beschlüsse der Ukraine wurde für die Krim vorübergehend ausgesetzt.30

Die folgende Periode war von einem Richtungskampf zwischen dem Vorsitzenden des Obersten Sowjets der Republik Krim N. V. Bagrov und dem Gründer der Republikanischen Bewegung der Krim (Respublikans-koe dviženie Kryma) (RDK) und der späteren Republikanischen Partei der Krim (Partija RDK) Ju. A. Meškov geprägt. Der gegenüber der Ukraine eher mäßigendere Bagrov unterlag in den Präsidentenwahlen vom 30. Jän-ner 1994 Meškov, der davor Opfer einen Attentats geworden war, aber überlebte.

Die Durchführung der Präsidentenwahlen war von der Ukraine als ek-latanter Verstoß gegen die ukrainische Verfassung heftig bekämpft worden. Unmittelbar nach den Wahlen betonte die Verchovna Rada der Ukraine in einer Verordnung, dass sich die Geltung der Verfassung der Ukraine auf das ganze Territorium der Ukraine erstreckt, die Verfassung der Krim

27 „Zakon o razgraničenii polnomočij meždu organami gosudarstvennoj vlasti Ukrainy i Respubliki Krym“ (Gesetz über die Abgrenzung der Kompetenzen der Organe der Staats-gewalt der Ukraine und der Republik Krim). Russischer Text abrufbar unter http://sev krimrus.narod.ru/ZAKON/1992ukria.htm#1 (abgerufen 31.5.2014).

28 „Zakon o razgraničenii polnomočij meždu organami gosudarstvennoj vlasti Sojuza SSR i sub“ektami federacii“, VSNDiVS SSR 1990/19/329.

29 Beide abrufbar unter http://sevkrimrusnarod.ru/ZAKON/flaggerb.htm (abgerufen am 31.5.2014).

30 „O zakonodatel’noj iniciative po voprosu realizacii prava graždan Respubliki Krym na dvojnoe graždanstvo“ (Über eine Gesetzesinititiative zur Frage der Realisierung des Rechts der Staatsbürger der Republik Krim auf Doppelstaatsangehörigkeit). Abrufbar un-ter http://sevkrimrus.narod.ru/ZAKON/gragdans.htm (abgerufen am 31.5.2014).

Page 11: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 185

müsse ihr also entsprechen und eine von der ukrainischen Staatsangehö-rigkeit losgelöste Staatsangehörigkeit der Krim, territoriale Verteidigungs-kräfte und ein eigenes Finanz- und Währungssystem der Krim dürfe es nicht geben.31 Die Spannungen eskalierten zusehends. Am 20. Mai 1994 setzte die Krim die Verfassung 1992 in Kraft, die Ukraine reagierte mit der Aufhebung des Krimgesetzes und setzte eine Frist von 10 Tagen zur An-passung der Krimverfassung an die ukrainische Verfassung und Gesetz-gebung, die ungenützt verstrich. Die Ukraine wies daraufhin die Natio-nalbank an, Zahlungen an jene Krimbehörden einzustellen, die weiterhin Rechtsakte anwendeten, die gegen ukrainisches Recht verstießen.32

Angesichts einer ständig steigenden Gefahr offener militärischer Ausei-nandersetzungen beschloss die OSZE am 15. Juni 1994 die Errichtung ei-ner OSZE Mission für die Ukraine, deren Aufgabe es unter anderem war, die Situation auf der Krim zu beobachten und Lösungsvorschläge zu un-terbreiten. Die Mission blieb bis zum 30. April 1999 bestehen.33

Am 17. März 1995 hob die Verchovna Rada der Ukraine die Verfassung der Krim und eine Reihe weiterer Gesetze der Krim auf und enthob Prä-sident Meškov seines Amtes.34 Meškov ging nach Moskau. Als seine Frau tödlich verunglückte, kehrte er am 2. Juli 2011 in die Ukraine zurück, hielt eine Pressekonferenz ab und wurde daraufhin wegen Aufrufes zum Staatsumsturz am 13. Juli 2011 mit einem fünfjährigen Einreiseverbot in die Ukraine belegt.35

Ebenfalls am 17. März 1995 erging das Gesetz der Ukraine „Über die Autonome Republik Krim“.36 Dem Auftrag, eine neue Verfassung auszu-arbeiten und der Verchovna Rada der Ukraine zur Genehmigung vorzu-legen, kam die Verchovna Rada der Krim ein halbes Jahr nach der eigent-lich gesetzten Frist am 1. November 1995 nach.37 Die Verchovna Rada der Ukraine genehmigte die Verfassung am 4. April 1996, allerdings mit weit-reichenden Ausnahmen. Die Präambel, Art 1 Abs 2, Art 6, 7, 9, 15, 40, 43, 46, 55, 71, 98 Abs 1, Art 98 Abs 2 Z 8, 13, und 22, Art 98 Abs 3, Art 99, 102, 105, Art 107 Abs 3, Art 111, Art 113 Abs 2 Z 11–18 und 20, Art 116 Abs 2 Z 4, 5, 7 und 8, Art 118 Abs 1 Z 7 und 8, Art 120, das Kapitel 22 und die Art

31 „Pro status Avtonomnoï Respubliky Krym vidpovidno do dijučoï Konstytuciï ta za-konodavstva Ukraïny“ (Zum Status der Autonomen Republik Krim entsprechend der gel-tenden Verfassung und Gesetzgebung der Ukraine), VVR U 1994/22/148.

32 Dazu ausführlicher D. Wydra (Fn. 20), S. 79.33 Siehe „The OSCE Mission to Ukraine (Closed). Abrufbar unter http://www.osce.

org/node/43976 (abgerufen am 31. 5. 2014).34 Zakon Ukraïny „Pro skazuvannja Konstytuciï i dejakych zakoniv Avtonomnoï Res-

publiky Krym“ (Über die Aufhebung der Verfassung und anderer Gesetze der Autonomen Republik Krim), VVRU 1995/11/67.

35 Ukrainskaja pravda vom 13.7.2011.36 „Pro Avtonomnu Respubliku Krym“, VVR U 1995/11/69.37 Sobranie zakonodatel’stva Respubliki Krym 1995/12/976.

Page 12: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger186

128 und 133 wurden durch die Verchovna Rada der Ukraine gestrichen38 und der Verchovna Rada der Autonomen Republik Krim wurde aufgetra-gen, binnen Monatsfrist ihren ursprünglichen Entwurf entsprechend dem Genehmigungsgesetz abzuändern. In der Zwischenzeit (am 28. Juni 1996) wurde die geltende Verfassung der Ukraine verabschiedet.39

Die Überarbeitung der Verfassung der Autonomen Republik Krim er-folgte allerdings erst am 21. Oktober 1998, die Genehmigung durch Gesetz der Verchovna Rada der Ukraine am 23. Dezember 1998.40

Hinsichtlich der Details der bis zur Abspaltung der Krim im Frühjahr 2014 geltenden Rechtslage kann auf die Darstellung von Doris Wydra ver-wiesen werden.41 Insbesondere ist ihr in der Bewertung beizupflichten, dass von Autonomie der Krim allein schon deshalb nicht die Rede sein konnte, insofern die sogenannte Verfassung der Autonomen Republik Krim als Antrag der Verchovna Rada der Krim an die Verchovna Rada der Ukraine anzusehen war und sie als Gesetz der Ukraine unterhalb der Ver-fassung der Ukraine verabschiedet wurde und galt.42 Im Kern handelte es sich um ein Ausführungsgesetz zu Kapitel X (Art 134 – 139) der Verfas-sung der Ukraine. Für den Gesetzesbeschluss auf der Ebene der Ukraine verlangte Art 135 Abs 1 Verfassung der Ukraine die absolute Mehrheit des Verfassungsquorums.43

Bedenkt man die Diskrepanz zwischen Wunsch, wie er in den Krim-verfassungen 1992 und schon deutlich abgeschwächt 1995 zum Ausdruck kam, und der Realität, wie sie sich nach der Verfassung 1998 darstellte, so überrascht, warum es auf der Krim überhaupt so lange ruhig geblieben ist. Ausschlaggebend dürfte die politische Großwetterlage zwischen der RF und der Ukraine gewesen sein. Von allen Verträgen, die zwischen den beiden Staaten zu dieser Zeit abgeschlossen wurden, kommt dem Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft vom 31. Mai 1997 die größte Bedeutung zu.44 Der Vertrag findet sich nicht in der Liste der Verträge, die die RF am 2. April 2014 gekündigt hat.45

38 Zakon Ukraïny „Pro Konstytuciju Avtonomnoï Respubliky Krym“ (Über die Ver-fassung der Autonomen Republik Krim), VVR U 1996/24/90. Zum Inhalt dieser Bestim-mungen siehe ausführlich D. Wydra (Fn. 20), S. 82–84.

39 VVR U 1996/30/141. Dazu erschien eine dreisprachige Textausgabe (ukrainisch, eng-lisch und russisch): M. Orzikh (ed-in-chief), Konstytucija Ukraïny (Konstitucija Ukrainy, Constitution of Ukraine), 1999.

40 Die Verfassung der Republik Krim wurde bezeichnenderweise kundgemacht im VVR U 1999/5–6/43.

41 D. Wydra (Fn. 20), S. 84–125.42 D. Wydra (Fn. 20), S. 88.43 Das Verfassungsquorum legt Art 78 Abs 1 Verfassung der Ukraine mit 450 Abgeord-

neten fest.44 Dogovor o družbe, sotrudničestve i partnerstve meždu Rossijskoj Federaciej i Ukrai-

noj. Text in: Bjulleten‘ meždunarodnych dogovorov 1999/7/50 und abrufbar unter http://docs.cntd.ru/document/1902220 (abgerufen am 1.6.2014).

45 Durch Bundesgesetz der RF vom 2. April 2014, N 38–FZ, SZRF 2014/14/1530, wurden

Page 13: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 187

Dies verdient besondere Beachtung, insoweit sich die beiden Vertrags-partner in Art 2 gegenseitig die Achtung der territorialen Ganzheitlichkeit und Unversehrtheit der zwischen ihnen bestehenden Grenzen zusichern und in Art 3 diese und die anderen Prinzipien der Satzung der Vereinten Nationen und der Helsinki Schlussakte als Grundlage ihrer wechselseiti-gen Beziehungen erklären. Die Fortgeltung des Vertrages macht freilich auch Sinn, ist die Grenzänderung in Bezug auf die Krim einmal auch von ukrainischer Seite akzeptiert.

Das Gleiche gilt für den Vertrag über die russländische und ukraini-sche Staatsgrenze vom 28. Jänner 2003.46 Die Zeichnung des Grenzver-laufs in der Anlage 1 zu Art 1 des Vertrages wird zu überarbeiten sein. Doch könnte es weiterhin im Interesse beider Staaten gelegen sein, dass das Asovsche Meer und die Straße von Kerč als innere Gewässer der bei-den Staaten angesehen werden sollen (Art 5).

Die in den Vertragswerken von 1997 und 2010 zum Ausdruck gekom-mene gegenseitige Berücksichtigung der Interessenslage des Vertragspart-ners bei allen Disharmonien, die zu Zeiten aller ukrainischer Präsidenten – auch bei Präsident Janukovič – zwischen der RF und der Ukraine gege-ben waren, verschuf der ukrainischen Regierung den Freiraum, ohne Pro-teste der RF den Wunsch der Bevölkerung der Krim nach Selbstbestim-mung seit 1998 auf eine regionale Selbstverwaltung zurechtzustutzen. Die OSZE zog sich 1999 aus der Ukraine zurück. Auch das wäre ohne die Ver-träge aus 1997 nicht vorstellbar gewesen. Immerhin trat der Freundschafts-vertrag 1999 in Kraft.

folgende vier Verträge zwischen der RF und der Ukraine gekündigt: Das Abkommen über die Parameter der Teilung der Schwarzmeerflotte vom 28.5.1997 (Soglašenie o parametrach razdela Černomorskogo flota; Text in: Bjulleten‘ meždunarodnych dogovorov 1999/10/34 und abrufbar unter http://flot2017.com/item/file/577; abgerufen am 21. Mai 2014); das Ab-kommen über den Status und die Bedingungen des Aufenthalts der Schwarzmeerflotte der RF auf dem Territorium der Ukraine vom 28.5.1997 (Soglašenie o statuse i uslovijach pre-byvanija Černomorskogo flota Rossijskoj Federacii na territorii Ukrainy; Text in: Bjulleten‘ meždunarodnych dogovorov 1999/10/74 und abrufbar unter http://flot2017.com/file/show/normativeDocuments/579 (abgerufen am 21.5.2014); das Abkommen über die gegenseitigen Rechnungen, die mit der Teilung der Schwarzmeerflotte und dem Aufenthalt der Schwarz-meerflotte der RF auf dem Territorium der Ukraine verbunden sind, vom 28.5.1997; Text in: Bjulleten‘ meždunarodnych dogovorov 1999/10/80 und abrufbar unter http://www.law mix.ru/abrolaw/10128 (abgerufen am 21.5.2014) und das Abkommen zu Fragen des Aufent-halts der Schwarzmeerflotte der RF auf dem Territorium der Ukraine vom 21.4.2010 (So-glašenie po voprosam prebyvanija Černomorskogo flota Rossijskoj Federacii na territorii Ukrainy; Text in: Bjulleten‘ meždunarodnych dogovorov 2010/10/74 und abrufbar unter http://sevkrimrus.narod.ru/ZAKON/2010sogl.htm (abgerufen am 21.5.2014).

46 Dogovor o rossijskoj i ukrainskoj gosudarstvennoj granice. Text in: Bjulleten‘ meždunarodnych dogovorov 2004/7/47 und abrufbar unter http://docs.cntd.ru/docu ment/901898035 (abgerufen am 1.6.2014). Auch der Vertrag über die Zusammenarbeit bei der Nutzung des Asovschen Meeres und der Meerenge von Kerč (Dogovor o sotrudničestve v ispol’zovanii Azovskogo morja i Kerčenskogo proliva), Text in: Bjulleten‘ meždunarod-nych dogovorov 2004/7/46, ist zu beachten und steht nach wie vor in Kraft.

Page 14: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger188

V. Der Beitritt der Krim zur Russländischen Föderation als Akt der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts

der Völker

1. Vorbemerkungen

Die Auflösung der Sowjetunion und der Bundesrepublik Jugoslawien ha-ben sich nicht nur auf das Recht der Staatennachfolge, sondern auch auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker entscheidend ausgewirkt. War es zum Zeitpunkt, als meine Schrift „Revolution und Völkerrecht“ erschien, noch erforderlich, sich über den Normcharakter des Selbstbestimmungs-rechts ausführlich Gedanken zu machen und die These, dass das Selbstbe-stimmungsrecht als Norm im Völkergewohnheitsrecht verankert ist, ein-gehend zu begründen,47 so schufen diese beiden Fälle einer dismembratio 20 Staatenpraxisbeispiele von gelungenen Übergängen von Teilen früherer multiethnischer Staaten zu selbstständigen Staaten, jeweils auf dem Bo-den des Selbstbestimmungsrechts der Völker.48 Auch wenn die Motive und offiziellen Begründungen der anerkennenden Staaten von denjenigen der anerkannten Staaten abgewichen sein können, so ändert dies nichts an der Aussagekraft des Befundes, dass beispielweise Slowenien oder Kroatien ihr Recht auf Selbstbestimmung im völkerrechtlichen und nicht bloß verfas-sungsrechtlichen Verständnis49 mit der Gründung unabhängiger Staaten erfolgreich durchgesetzt haben.

47 Siehe M. Geistlinger (Fn. 6), S. 375–382.48 Eine diesbezügliche Analyse des Zerfallsprozesses Jugoslawiens leisteten z.B. A. Ku-

mer, Die Grundlagen des „nationalen Prinzips“ in Jugoslawien und seine Rolle im Prozess der Unabhängigkeitserlangung Sloweniens. Ein Analysemodell, 1991, S. 265 ff. Im Hinblick auf den Zerfall der Sowjetunion leistete C. Thiele am Beispiel Estlands die eingehendste Un-tersuchung vor dem Hintergrund des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Siehe C. Thiele, Selbstbestimmungsrecht und Minderheitenschutz in Estland, 1999, S. 32 ff.

49 In der diesbezüglichen Kontroverse ist D. Murswiek, Die Problematik eines Rechts auf Sezession –neu betrachtet. AVR 1993 (Bd 31), S. 307–332 (317 f) und St. Oeter, Selbstbe-stimmungsrecht im Wandel. ZaöRV 1992 (Bd 52), S. 741–777 (769–772) gegenüber M. Leder, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker – Recht oder Ziel?, 1997, 92 Recht zu geben. Für den Nachweis der allgemeinen Staatenpraxis für Völkergewohnheitsrecht und/oder ius co-gens kommt es auf die faktische Komponente, nicht auf die Motivation an. Im Übrigen hatte die jugoslawische Verfassung 1974 das Selbstbestimmungsrecht flankierend und vor dem Hintergrund des seinerzeitigen weltweiten Eintretens Jugoslawiens für ein univer-sell durchzusetzendes Selbstbestimmungsrecht der Völker verfassungsrechtlich verankert. Der Einführungsteil der Verfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) vom 21.2.1974 begann mit folgenden Worten: „Die Nationen Jugoslawiens haben sich, ausgehend von dem Recht eines jeden Volkes auf Selbstbestimmung, das Recht auf Loslösung eingeschlossen, aufgrund des … frei geäußerten Willens, … zu einer Bundesre-publik … vereinigt …“ (siehe die deutsche Übersetzung bei H. Roggemann (Hrsg.), Die Ge-setzgebung der Sozialistischen Staaten, 1971 – 1980, Bd 2: Jugoslawien 1.0.0, S. 2. Auch ist es nicht richtig, dass sich die anerkennenden Staaten nicht auf das Selbstbestimmungsrecht berufen haben. Österreich, beispielsweise, das hinsichtlich der Anerkennung der Unabhän-gigkeit Sloweniens und Kroatiens eine Vorreiterrolle innehatte, ließ sich, wie der damalige

Page 15: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 189

Die Auflösung der Sowjetunion und Jugoslawiens bewirkten zudem – ebenfalls auf dem Boden des Anspruchs auf Selbstbestimmung – die Ent-stehung von zeitweilig 8 de-facto Regimen, von denen drei durch das Day-ton-Abkommen zum Staat Bosnien-Herzegowina zusammengefasst wur-den, eines als Republik Kosovo von 107 Staaten,50 zwei als Republiken Abchasien und Südossetien von 4 (vorübergehend 6) Staaten51 anerkannt wurden und eines (Republik Serbische Krajina) durch die Republik Kroa-tien unter Bruch des ursprünglichen Waffenstillstandsabkommens von Sa-rajevo vom 2. Januar 1992,52 das zur Stationierung der UNPROFOR, und des Waffenstillstandsabkommens vom 29. März 1994, das zu deren Erset-zung in Kroatien durch UNCRO ab 31. März 1995 geführt hatte,53 einver-nahmt wurde. Der UN Sicherheitsrat hat in der Resolution 1009 (1995) am 10. August 1995, also sechs Tage nach Beginn und drei Tage nach Ende der kroatischen Operation „Sturm“ („Operacija Oluja“), über die UN Schutz-zone hinweg gegen die Republik Krajina klare Worte der Verurteilung des kroatischen Vorgehens als Völkerrechtsbruch gefunden.54

Die Republik Berg-Karabach und die Transnistrische Moldauische Re-publik verharren im Zustand von de-facto Regimen, ohne bislang von ei-nem anderen Staat als unabhängiger Staat anerkannt worden zu sein.

Das Anerkennungsverhalten und der Umgang mit diesen de-facto Re-gimen schreiben die frühere Spaltung der Erde in einen marxistisch-leni-nistisch-(maoistisch) dominierten Osten und einen bourgeoisen Westen weitgehend ideologieentleert, auf machtpolitische Interessensphären redu-ziert und geografisch nach Osten verschoben, weiter fort. Die Vereinigten Staaten und 24 von 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) be-mühen sich um die Eigenstaatlichkeit des Kosovo, ohne dies als Präjudiz

österreichische Außenminister dem Nationalrat am 8.7.1991 berichtete, ausdrücklich davon leiten „… dass es unseren südlichen Nachbarn, den Völkern Jugoslawiens ermöglicht wird, ihre Zukunft nach den Grundsätzen des Selbstbestimmungsrechtes, der Demokratie, des Rechtsstaates, der Menschenrechte und der Marktwirtschaft zu gestalten…“, zitiert nach H. Rogy, Der Weg Sloweniens in die Unabhängigkeit unter besonderer Berücksichtigung der österreichischen Außenpolitik. 1994, S. 137.

50 Stand: 11.2.2014 (http://en.wikipedia.org/wiki/International_recognition_of_Kosovo #Other_states_and_entities_2) (23. Mai 2014). Die offizielle website des Präsidenten der Re-publik des Kosovo listet nur 96 Staaten auf, endet allerdings zu Jahresende 2012, siehe http://www.president-ksgov.net/?page=2,54 (23. Mai 2014).

51 Stand 31.3.2014, http://en.wikipedia.org/wiki/Recognition_of_Abkhazia (23. Mai 2014). Die offiziellen websites der Präsidenten der Republik Abchasiens und Süd Ossetiens schweigen zu dieser Frage.

52 Sarajevski sporazum. Text in: Republika Hrvatska i Domovinski Rat 1992 – 1995. Dokumenti (knjiga 4). Dokumenti institucija pobunjenih Srba u Republici Hrvatskoj (si-ječanj-lipanj 1992). Zagreb 2008 (Accord at Sarajevo on 2 January 1992 concerning modali-ties for implementing the unconditional cease-fire agreed to by the parties at Geneva on 23 November 1991).

53 Siehe insbesondere UN SR Resolutionen 727 (1992), 743 (1992) und 981 (1995).54 Siehe auch den Bericht des UN Generalsekretärs vom 23.8.1995, S/1995/730 zu die-

ser UN SR Resolution.

Page 16: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger190

für Abchasien und Südossetien gelten lassen zu wollen.55 Die Machthaber dieser beiden Territorien, aber auch jener in Berg-Karabach und Trans-nistrien und die RF ziehen ihre Schlüsse aus dem Beispiel Kosovo und wi-dersprechen der westlichen Behauptung, da werde nicht Gleiches mit Glei-chem verglichen.

Für den Völkerrechtler bedeuten diese mehr oder weniger offen aus-getragenen Bemühungen um (machtpolitische) Hegemonien, dass bei der Bewertung solcher Staatenpraxisbeispiele für Zwecke einer Bestandsauf-nahme im Kontext universellen Völkerrechts jedenfalls Vorsicht geboten ist. Die Zahl der Völkerrechtswissenschaftler, die die Auffassung vertre-ten, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch außerhalb eines ko-lonialen Kontextes zur Gründung eines eigenen Staates gegen den Wider-stand des multiethnischen Staates, dem Volk und Gebiet davor zugehört haben, berechtigt, ist deutlich im Zunehmen begriffen.56 Folgt man die-ser Auffassung und ich meine, sie hat gute und überzeugende Gründe für sich, so ergibt sich ferner konsequenterweise, dass Träger des Selbstbestim-mungsrechts auch eine Minderheit sein kann, denn sonst könnte es nicht zum Aufbrechen eines Staates entlang der Schiene des Selbstbestimmungs-rechts der Völker kommen.57 In allen Fällen der Nachfolge nach der So-

55 Auf eine Analyse des Kosovo in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker wird hier bewusst verzichtet, insofern der Kosovo eine markante Besonderheit aufweist. Zum Zeitpunkt, als die Unabhängigkeitserklärung erhoben wurde (17. Februar 2008), gab es keine serbische Hoheitsgewalt, sondern wurde diese entsprechend der Sicherheitsrats-resolution 1244 (1999) und dem Waffenstillstandsabkommen 1999 ausschließlich von den Vereinten Nationen ausgeübt. Die Unabhängigkeitserklärung richtete sich damit gegen die Herrschaft der Vereinten Nationen, sie konnte sich nicht gegen eine nicht existente serbische Hoheitsgewalt richten. Diesen Aspekt konnte die ansonsten sehr interessante Studie von K. Wodarz, Gewaltverbot, Menschenrechtsschutz und Selbstbestimmungsrecht im Ko sovo-Konflikt, S. 217 ff nicht vorhersehen. Zutreffend in dieser Hinsicht, aber auch hinsichtlich der Beurteilung der NATO-Intervention P. Hilpold, Die Sezession – zum Versuch der Ver-rechtlichung eines faktischen Phänomens, in ders. (Hrsg.), Das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Vom umstrittenen Prinzip zum vieldeutigen Recht?, 2009, S. 35–38.

56 So schon davor z.B. K. Rao, Right of Self-Determination in the post-colonial era: A survey of juristic opinion and state practice, in: Indian Journal of International Law vol 28, January – March 1988, No 1, S. 58–71. Wegweisend nunmehr M. Ott, Das Recht auf Sezes-sion als Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts der Völker, 2008, S. 101 f, wobei es vorgezo-gen wird, von einem „kollektiven Menschenrecht“ im Gegensatz zu einem „individuellen Menschenrecht“ anstatt von „Menschenrecht“ und „kollektivem Recht“ (S. 102) zu sprechen.

57 Zu den näheren Voraussetzungen siehe M. Ott (Fn. 56), S. 138 f mit einer Reihe älte-rer Belege aus dem Schrifttum. Versuche, aus Anlass des Jugoslawienfalles darauf abzustel-len, ob ein multiethnischer Staat aus ethnischen Gruppen von vergleichbarer Größe oder im Verhältnis von Mehrheit zu Minderheit steht, und in ersterer Konstellation einer ethnischen Gruppe ein Selbstbestimmungsrecht zuzugestehen, im zweiten Fall hingegen nicht, lassen sich aus den Materialien zu den Menschenrechtspakten nicht abstützen. So aber: V. Kara-kostanoglou, The Right to Self-Determination and the Case of Yugoslavia, in Balkan Studies 1991 (vol 32), S. 335–362 (S. 345). Überzeugend demgegenüber schon z.B. H. Gros Espiell, Das Selbstbestimmungsrecht des Volkes Südtirols aufgrund des Völkerrechts, 1987, S. 12 f und K. Doehring, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Grundsatz des Völkerrechts. Berichte DGVR 14 (1973). Karlsruhe 1974, S. 26 f. Der IGH erachtete es im Kosovo-Gut-

Page 17: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 191

wjetunion und nach Jugoslawien, mit Ausnahme Russlands und Serbiens selbst, befanden sich die Titularnationen der späteren Staaten davor im Ver-hältnis von Minderheit zu Mehrheit. Es liegt im Wesen des Selbstbestim-mungsrechts der Völker, dass es weder nach der Zahl noch nach dem ver-fassungsrechtlichen Status, der einem Volk vor der Unabhängig-Werdung zugesprochen wurde, eingrenzbar ist. Entscheidend ist, dass ein Volk gege-ben ist. Dieses kann sich als Staatsvolk definieren (so letztlich fast alle Fälle von Staatsgründungen aus der Sowjetunion und aus Jugoslawien) oder aber als Mehrheits- oder Minderheitsvolk.58

Ebenso unbegrenzt und – theoretisch wie praktisch auch unbegrenz-bar als positivierter Teil des universellen Widerstandsrechts – ist der In-halt des Selbstbestimmungsrechts. UN-Charta, Art 1 der UN-Menschen-rechtspakte und die Friendly Relations Declaration eröffnen in allen Fällen die Option der Gründung eines souveränen und unabhängigen Staates, den Zusammenschluss mit einem bestehenden Staat, aber auch Selbstregierung innerhalb eines Staates und jede andere vom jeweiligen Volk frei artiku-lierte Form eines politischen Status.59 Dabei ist vor dem Hintergrund der

achten nicht für notwendig, auf diese Frage einzugehen (siehe Accordance with Interna-tional Law of the Unilateral Declaration of Independence in Respect of Kosovo, Advisory Opinion, ICJ. Reports 2010, S. 403 ff at para 82, gegenüber dem Stand zur Entkoloniali-sierungsphase bei A. Cassese, The International Court of Justice and the right of peoples to self-determination, in V. Lowe/M. Fitzmaurice (Hrsg.), Fifty years of the International Court of Justice. Essays in honour of Sir Robert Jennings, 1996, S. 351–363.

58 Für eine ausführlichere Begründung siehe M. Geistlinger, Das Selbstbestimmungs-recht der Völker und multiethnische Staaten – praktische Erfahrungen und theoretische Rückschlüsse aus dem Kaukasus, in E. Reiter (Hrsg.), Grenzen des Selbstbestimmungs-rechts. Die Neuordnung Europas und das Selbstbestimmungsrecht der Völker, 1996, S. 269–312 (S. 274–287). Im Ergebnis übereinstimmend St. Oeter (Fn. 49), S. 761 f und D. Murswieck (Fn. 49), S. 314. Zur Berechtigung des Staatsvolkes zustimmend auch M. Ott (Fn. 56), S. 107–111; P. Hönig, Der Kaschmirkonflikt und das Recht der Völker auf Selbstbestimmung, 2000, S. 107–109; R. Müller, Der „2+4“-Vertrag und das Selbstbestimmungsrecht der Völker, 1997, S. 112–114 mit zahlreichen weiteren Belegen auf S. 114 Fn. 428 und K. Wodarz (Fn. 55), S. 171, die dem Selbstbestimmungsrecht der Völker zudem ius cogens Natur zuschreibt (S. 167 mit weiteren Literaturbelegen). Differenzierender zu dieser Problematik M. Ott (Fn. 56), S. 58 f.

59 Hinsichtlich einer eingehenden Begründung muss auf M. Geistlinger (Fn. 6), S. 383–386 verwiesen werden. Grundlegend dazu J. Fisch, Das Selbstbestimmungsrecht der Völ-ker. Die Domestizierung einer Illusion. München 2010, S. 53 und 231 und M. Ott (Fn. 56), S. 360–365, 454–466 sowie D. Murswieck (Fn. 49), S. 325–332, denen diesbezüglich der Vor-zug vor P. Hilpold (Fn. 55), S. 19 eingeräumt wird, dessen Verweis auf „ein Mindestmaß an Rationalität im Zustandekommen der Gewebestruktur des modernen Völkerrechts“ für die Ablehnung eines Rechts auf Sezession, zunächst eingeschränkt auf den Normalfall, eine po-litologische Kategorie in eine juristische Normanalyse einführt und dies noch dazu gegen den ausdrücklichen Wortlaut der Friendly Relations Declaration. Insofern Peter Hilpold auch kein Recht auf Sezession als Notwehrrecht erkennen kann (siehe S. 38 f), entfällt bei ihm letztlich auch die zuvor getroffene Einschränkung auf den Normalfall. Die Tragweite des uti possidetis Prinzips völlig überhöht bei J. Castellino, International Law and Self-De-termination, 2000, S. 141–144. Frau S. F. van den Driest, Remedial Secession. A Right to External Self-Determination as a Remedy to Serious Injustices?, 2013, erbringt auf den Sei-ten 223–296 gerade nicht den Nachweis für ihre These, dass kein gewohnheitsrechtliches Recht auf remedial secession besteht. Der einzige Staatenpraxisfall, den sie in diesem Kapi-

Page 18: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger192

sonstigen Prinzipien der UN-Charta und der Friendly Relations Decla-ration von einer stufenweise fortschreitenden Verwirklichung des Selbst-bestimmungsrechts bis zu seiner ultima ratio, der Bildung eines eigenen Staates oder dem Zusammenschluss mit einem anderen Staat auszugehen. Der ideale Zustand der gleichzeitigen Verwirklichung aller Prinzipien ist sicherlich gegeben, wenn es einen Interessensausgleich innerhalb eines ge-gebenen Staates gibt, eine Loslösung also vermieden werden kann. Schei-tert aber eine innere Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts, so ste-hen von seiner Idee und seiner Kodifizierung her im Ergebnis weder der Schutz der territorialen Souveränität und Integrität, noch die Unverletz-lichkeit der Grenzen entgegen.60

2. Der Vergleichsfall Slowenien und Anregungen aus dem Fall Estland

Aus der reichhaltigen Praxis, die die Sowjetunion und Jugoslawien zum Selbstbestimmungsrecht bieten, seien hier nur zwei Fälle herausgegriffen und einer davon in den entscheidenden Fragen soweit vertieft, wie es der Raum erlaubt und es für das Ziel des Vergleiches unumgänglich erscheint: Slowenien soll eingehender untersucht und Estland unterstützend herange-zogen werden. Beide waren zwar davor eine Unionsrepublik, bzw Republik. Dies ist aber für die Frage des Selbstbestimmungsrechts irrelevant, bedenkt man allein den Umstand, dass die Krim heute in der RF einen mit Slowenien nach seinerzeitigem jugoslawischen und Estland nach seinerzeitigem sowje-tischen Verfassungsrecht gleich zu haltenden Republikstatus hat, den ihr die Ukraine vorenthalten hat. Es wäre gerade vor dem Hintergrund des Selbst-bestimmungsrechts der Völker paradox, würde man den Rechtsanspruch vom mangelnden Erfolg einer repressiven Maßnahme nach innerstaatlichem Recht abhängig machen. Slowenien und Estland käme der Anspruch zu, weil sich die Sowjetunion und Jugoslawien im Großen und Ganzen als Bundes-staaten konstituierten, der Krim dagegen nicht, weil sie es nicht schaffte, die Ukraine von einem zentralistischen Staat zu einem Bundesstaat zu be-

tel prüft, ist Kosovo. Was aber ist mit all den Fällen, die hier erwähnt wurden und zu aner-kannten Staaten führten?

60 Dazu ausführlicher M. Geistlinger (Fn. 6), S. 284–302. Im Ergebnis trifft sich diese Position mit St. Oeter (Fn. 49), S. 764 der allerdings von einem ideengeschichtlichen Ansatz ausgeht. Siehe auch K. Wodarz (Fn. 55), S. 182 und 188 f. Grundlegend und überzeugend nunmehr M. Ott (Fn. 56), S. 216, 221, 360–365, 454–466. Beeindruckend der Paradigmen-wechsel, den Portugal diesbezüglich 1974 vornahm, dazu M. G. Teles, P. C. de Castro, Por-tugal and the Right of Peoples to Self-Determination: AVR 34 (1996), S. 2–46 (S. 32 f.). Auch wenn es richtig ist, wie J. Summers, Internal and External Aspects of Self-Determination, in D. French (Hrsg.), Statehood and Self-Determination, 2013, S. 229–249 (S. 248 f.) meint, dass die Grenze zwischen innerer und äußerer Selbstbestimmung etwa in einem Verhand-lungsprozess weit hinaus geschoben werden kann, ändert dies an der Unbegrenztheit des Selbstbestimmungsrechts selbst letztlich nichts.

Page 19: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 193

wegen oder ihr wenigstens einen Autonomiestatus abzugewinnen, der den Namen Autonomie auch tatsächlich verdient. Auch der Umstand, dass letzt-endlich der jahrelange Schwebezustand hinsichtlich der Kategorie Jugosla-wiens im Rahmen der Staatennachfolge zugunsten von dismembratio ent-schieden wurde,61 Jugoslawien und die Sowjetunion damit Fälle einer gänz-lichen Auflösung eines Staates, die Ukraine hingegen – zumindest nach dem derzeitigen Stand – einen Fall der Separation eines Teiles bei gleichzeitigem Fortbestand des größeren Teiles bildet, ist für den Vergleich ohne Belang. Zu dem Zeitpunkt, als sich Slowenien und Estland loslösten, war das Schicksal der sonstigen UdSSR und des übrigen Jugoslawien noch nicht klar. Theo-retisch wäre ein Fortbestand der restlichen Staaten denkbar gewesen und in einem gewissen Sinne ist die offizielle russische Lesart, bei der RF handle es sich um den Fortsetzer-Staat der früheren Sowjetunion, der entsprechend einer Reihe von multi- und bilateralen Abkommen mit den übrigen ehema-ligen Unionsrepubliken die Rechte und Verpflichtungen der Sowjetunion nach deren Ende auf sich zieht und weiter fortführt,62 eine Konstruktion, die einer Gesamtnachfolge sehr nahe kommt. Aus primär ideologischen Grün-den wurde, wie seinerzeit beim Übergang vom Russischen Reich auf die Sowjetunion, die Identität des Staates mit dem Staat davor abgelehnt. Hin-sichtlich Serbiens hat man es letztlich mit einem Diktat der Staatengemein-schaft zu tun. Einem Vergleich mit den Lösungen, die der Staatsvertrag von St. Germain im Verhältnis Österreichs zur Österreichisch-Ungarischen Mo-narchie und der Vertrag von Trianon im Verhältnis von Ungarn zum ungari-schen Teil der Monarchie getroffen haben, würde die Vorgangsweise gegen-über Serbien nicht standhalten.

Beide Beispiele, Slowenien wie Estland, haben mit dem Fall der Krim ge-meinsam, dass es sich um kleine Teile der früheren Staaten handelt und dass der Prozess der Unabhängig-Werdung sehr schnell und mit vergleichsweise wenig Gegenwehr ablief.

Bei Slowenien war der historische Ausgangspunkt die Zugehörigkeit zu einem Staat, der angesichts der verfassungsrechtlichen Kompetenzvertei-lung zwischen Bund und Republiken nach der jugoslawischen Verfassung 1974 von Monika Beckmann-Petey zu Recht als „confoederatio jugosla-vica“ bezeichnet wurde, womit sie eine „Föderation mit einigen konföde-rativen Elementen“ meinte.63 Die Rechtsstellung der Republiken ging so weit,64 dass der Staat insgesamt Züge einer Konföderation aufwies. Dem-

61 Zu diesem Prozess siehe für andere E. McWhinney, Self-Determination of Peoples and Plural-ethnic States in Contemporary International Law, 2007, S. 44–49.

62 Eine knappe Zusammenstellung findet sich z.B. bei A.N. Vylegžanin, Meždunarod-noe pravo (Völkerrecht), 2010, S. 154 f und 159.

63 M. Beckmann-Petey, Der jugoslawische Föderalismus, 1990, S. 334 und 336 f.64 Siehe die Zusammenstellung bei A. Mlinar, Die Unabhängigwerdung Sloweniens,

1993, S. 16 f.

Page 20: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger194

entsprechend spät im Zuge des Zerfallsprozesses Jugoslawiens kam es überhaupt zur Artikulation eines Unabhängigkeitswunsches durch Slo-wenien. Tito starb im Jahr 1980. Seinem Tod folgten eine Wirtschaftskrise, die eine Kluft zwischen den wohlhabenden Republiken Kroatien, Slowe-nien und damals wegen seiner Bodenschätze auch Bosnien-Herzegowina, und den ärmeren übrigen Republiken deutlich machte, und Unruhen im Kosovo.65 Beides, zusammen mit einem veränderten internationalen Um-feld, führte zu einem Verlust der Zentralmacht und zur Spaltung des Bun-des der Kommunisten in Befürworter und Gegner eines politischen Plura-lismus. Diese Spaltung artikulierte sich am XIV. Kongress am 31.1.1990.66 Sloweniens Forderungen unter dem Titel „Demokratische Reform heute“ beschränkten sich auf fundamentale Änderungen des politischen Systems und auf zentrale Verfassungsänderungen. Es war jedoch keine Rede von Loslösung Sloweniens, bzw Auflösung Jugoslawiens.67 Es konnte zu die-sem Zeitpunkt auch nicht im Entferntesten von repressiven Maßnahmen der Zentralgewalt in Belgrad gegenüber dem Volk der Teilrepublik Slowe-nien gesprochen werden.68

Die Doppelstruktur der jugoslawischen Streitkräfte, die nach der Nie-derschlagung des Prager Frühlings in Jugoslawien eingeführt worden war und die den Republiken erlaubte, eigene Territorialverteidigungen aufzu-stellen, machte es Slowenien ungleich leichter als der Krim, sich auch militä-risch auf eigene Beine zu stellen. Pläne der Jugoslawischen Volksarmee, die Territorialverteidigung Sloweniens im Frühjahr 1990 in die Armee rück-einzugliedern, konnte Slowenien so abwehren und mittels Verfassungsän-derung zum Gegenschlag ausholen und die volle Kontrolle über die Territo-rialverteidigung und die geografische Dislozierung slowenischer Rekruten

65 Ausführlich H. Rogy (Fn. 49), S. 29–35 und 63–66.66 Der Sieg der Reformer über die Hardliner im Bund der Kommunisten Sloweniens

datiert auf die Jahreswende 1987/88 zurück. Siehe H. Rogy (Fn. 49), S. 51 f. Weitere Ände-rungen im politischen System gehen auf die Friedens- und Frauenbewegung, auf die slowe-nische Jugend und die Presse zurück, in der sich insbesondere die Zeitung „Mladina“ mit kritischen Berichten zur Jugoslawischen Volksarmee hervortat. Siehe ausführlicher H. Rogy (Fn. 49), S. 54–60. Die sogenannte Mladina-Affäre im Jahr 1988, die aufzeigte, dass Slowe-nien nur knapp an einem Militärputsch vorbeigegangen war, beflügelte die Auffassung in der slowenischen Öffentlichkeit, bei der Jugoslawischen Volksarmee handle es sich um eine Besatzungstruppe. Siehe dazu und zur gesamten Periode M. H. Šunjić, Woher der Hass?. Kroaten und Slowenen kämpfen um Selbstbestimmung, 1992, S. 181–217 (S. 189–192).

67 Siehe näher A. Mlinar (Fn. 64), S. 21 f.68 Die Frage, ob das slowenische Mitglied des Bundes der Kommunisten, Mužević, wie

von ihm behauptet, tatsächlich im September 1989 in Belgrad von der Polizei, die dem In-nenminister Serbiens unterstand, brutal zusammengeschlagen wurde, scheint nach wie vor nicht geklärt. Dazu H. Rogy (Fn. 49), S. 42. Eine auch aus wissenschaftlicher Sicht präzise Chronologie der Ereignisse in der Sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien und im Bund der Kommunisten im Jahr 1990 findet sich in serbischer Sprache unter http://sr.wikipedia.org/sr-el/%D0%A5%D1%80%D0%BE%D0%BD%D0%BE%D0%BB%D0%BE%D0%B3%D0%B8%D1%98%D0%B0_%D0%A1%D0%A4%D0%A0%D0%88_%D0%B8_%D0%A1%D0%9A%D0%88_1990 (abgerufen am 3.6.2014).

Page 21: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 195

übernehmen.69 Die Bestimmungen, mit denen in einer umfassenden Verfas-sungsreform im Herbst 1989 das Sezessionsrecht in die damalige Republik-verfassung aufgenommen wurde, und diejenigen zur Regelung des Ausnah-mezustandes wurden vom jugoslawischen Verfassungsgericht im Februar 1990 für verfassungswidrig erklärt.70 Ungeachtet dessen folgten weitere Verfassungsänderungen, wie die Bezeichnung „Republik Slowenien“, die Streichung des Wortes „sozialistisch“, der „sozialistischen Selbstverwal-tungsdemokratie als einer besonderen Form der Diktatur des Proletaria-tes“ und die Entmachtung des Bundes der Kommunisten.71

Die ersten Mehrparteienwahlen, die am 8. und 22. April 1990 in Slowe-nien stattfanden, brachten dem vereinigten Oppositionsblock „DEMOS“ 55 % der Stimmen für das Parlament und dem Reformkommunisten Mi-lan Kučan die Präsidentschaft.72 Alle Parteien und der Präsident selbst be-kannten sich zu diesem Zeitpunkt noch zur Konföderationslösung.73 Je-doch spitzten sich im Weiteren die Ereignisse zu. Am 2. Juli 1990 verab-schiedete das slowenische Parlament die Deklaration über die Souveränität des Staates Republik Slowenien.74 Das serbische Vorgehen im Kosovo führte unter anderem zu einer „Deklaration zu Kosovo“, mit der sich das slowenische Parlament am 19. Juli 1990 klar auf die Seite des Kosovo und gegen Serbien und das jugoslawische Staatspräsidium stellte.75 Am 11. Sep-tember 1990 legten Slowenien und Kroatien ihr Projekt einer Konfödera-tion mit dem Namen „Vereinigte jugoslawische Staaten“ oder „Vereinigte Staaten Südeuropas“ vor und scheiterten damit am Widerstand Serbiens.76 Am 5. Oktober 1990 misslang der Sturm der Jugoslawischen Volksarmee auf das vermeintliche Hauptquartier der slowenischen Territorialverteidi-gung, das in der Tat jedoch drei Tage vorher verlegt worden war.77 Slowe-nien hatte davor den Einsatz slowenischer Rekruten außerhalb Sloweniens für unzulässig erklärt.

69 Siehe H. Rogy (Fn. 49), S. 47 mit weiteren Nachweisen.70 Ustavni Amandmaji k Ustavi Socialističeske Republike Slovenije (Verfassungsän-

derungen zur Verfassung der Sozialistischen Republik Slowenien), Uradni List Repu blike Slovenije (ULRS) št. 32, 2.10.1989, Leto XLVI. Siehe insbesondere Amandma X. Dazu H. Rogy (Fn. 49), S. 76 mit weiteren Nachweisen.

71 Ustavni Amandmaji k Ustavi Socialističeske Republike Slovenije (Verfassungsände-rungen zur Verfassung der Sozialistischen Republik Slowenien), ULRS št. 8, 16.3.1990, Leto XLVII.

72 Näher H. Rogy (Fn. 49), S. 78.73 Siehe A. Mlinar (Fn. 64), S. 23–25, und H. Rogy (Fn. 49), S. 79.74 Deklaracija o suverenosti države Republike Slovenije, ULRS št. 26, 6.7.1990. Abruf-

bar unter http://pisrs.si/Pis.web/pregledPredpisa?id=DEKL5 (abgerufen am 4.6.2014).75 Siehe H. Rogy (Fn. 49), S. 60–66. Zur Kosovo-Politik des Milošević-Regimes im be-

treffenden Zeitraum siehe z.B. J. Marko, Die staatsrechtliche Entwicklung des Kosovo/a von 1913 – 1995, in ders. (Hrsg.), Gordischer Knoten Kosovo/a: Durchschlagen oder entwirren?, 1999, S. 15–25 (S. 19–23).

76 Dazu H. Rogy (Fn. 49), S. 70–73.77 Dazu M. H. Šunjić (Fn. 66), S. 201.

Page 22: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger196

Am 23. Dezember 1990 fand, begleitet von Drohungen der Jugoslawi-schen Volksarmee ein Referendum zur Frage „Soll die Republik Slowenien ein selbstständiger und unabhängiger Staat werden?“ statt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür gab sich Slowenien – unter Bruch der jugosla-wischen Verfassung – und ohne westlichen Einspruch mit dem Gesetz über das Plebiszit über die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Slowenien selbst.78 Bei einer angegebenen Wahlbeteiligung von 93 % der Abstimmungsberechtigten stimmten 88,5 % mit Ja.79 Das Gesetz über das Plebiszit stützte sich in Art 1 ausdrücklich auf das „Recht des slowenischen Volkes auf Selbstbestimmung“, das nach slowenischer Auffassung auch al-len anderen Völkern Jugoslawiens zukam.80 Am 26. Dezember 1990 er-klärte das slowenische Parlament die Republik Slowenien zu einem unab-hängigen Staat.81 Der slowenische Vorschlag einer friedlichen Auflösung Jugoslawiens auf vertraglichem Wege im Gefolge des Referendums82 war trotz eines Beistandspaktes mit Kroatien nicht durchsetzbar. Gegenseiti-ger Wirtschaftskrieg und Widersetzung gegen die vom Staatspräsidium Jugoslawiens zu Jahresbeginn 1991 angeordnete Entwaffnung der slowe-nischen Territorialverteidigung, die als „illegale Gruppierung“ nach jugo-slawischem Recht eingestuft wurde,83 sowie die Vorbereitung der Eigen-staatlichkeit Sloweniens durch die nötigen Verfassungsänderungen84 mar-kierten die erste Jahreshälfte 1991. Trotz eines markanten Umschwunges in der öffentlichen Meinung85 in Slowenien angesichts der sich ab Mai 1991 dramatisch zuspitzenden Lage hielt Slowenien im Gleichklang zu Kroatien am Unabhängigkeitskurs fest.

Am 25. Juni 1991 verabschiedete die Staatsversammlung der Republik Slowenien das Grundverfassungsdokument über die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Slowenien, das am gleichen Tag zu-sammen mit einer Verfassungsänderung und mit einem Verfassungsge-setz über die Durchführung der Deklaration im Gesetzblatt der Repu-

78 Zakon o plebiscitu o samostojnosti in neodvisnosti Republike Slovenije, ULRS št. 44, 8.12.1990, Leto XLVII. Zur demographischen Lage in Slowenien zur damaligen Periode siehe z.B. J. Marko, Minderheitenschutz im östlichen Europa, 1996, S. 123–126.

79 Siehe A. Mlinar (Fn. 64), S. 27.80 Siehe T. Koselj, Vprasanja pravice narodov do samoodlocbe v doktrini mednarod-

nega prava (Fragen des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung in der Völkerrechtslehre, 1992, S. 68.

81 Siehe H. Rogy (Fn. 49), S. 82.82 Siehe zu den Vorstellungen und Anordnungen des slowenischen Parlaments ULRS

št.3, 25.1.1991, Leto XLVIII.83 Zum gesamten Zeitraum näher H. Rogy (Fn. 49), S. 83–85 und M. H. Šunjić (Fn. 66),

S. 202–207. 84 Siehe Ustavni Amandmaji k Ustavi Republike Slovenije (Verfassungsänderungen zur

Verfassung der Republik Slowenien), ULRS št. 7, 22.2.1991, Leto XLVIII. Dort wurde auch der Vorschlag über eine vertragliche Auflösung Jugoslawiens kundgemacht.

85 Meinungsumfragen aus Juni 1991 ergaben nur mehr eine Zustimmung von 43 % zu einem abrupten Ausscheiden aus Jugoslawien. Siehe H. Rogy (Fn. 49), S. 85.

Page 23: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 197

blik Slowenien kundgemacht wurde und am gleichen Tag auch in Kraft trat.86 Am 27. Juni 1991 begann die Jugoslawische Volksarmee mit mi-litärischen Bewegungen zu den internationalen Grenzstationen Slowe-niens und zum Flughafen Ljubljana, sie stieß auf militärischen Wider-stand der slowenischen Territorialverteidigung und auf Blockaden der Bevölkerung, der sogenannte Juni- oder 10–Tage-Krieg begann. Er en-dete nach 64 (67) Toten und 305 (338) Verletzten mit einer vereinbarten Waffenruhe am 7. Juli 1991 und einem Waffenstillstand am 1. September 1991.87 Die Jugoslawische Volksarmee zog sich am 25. Oktober 1991 end-gültig aus der Republik Slowenien zurück. Dazu trugen die unter Ver-mittlung der sogenannten EG-Trojka entstandene Deklaration von Bri-oni vom 7. Juli 1991,88 die in der Folge von beiden Seiten schrittweise um-gesetzt wurde, das innerhalb der KSZE erzielte Memorandum über das Einvernehmen über die Entsendung einer Beobachtermission nach Jugo-slawien vom 13. Juli 1991,89 das am 1. September 1991 ausgedehnt wurde, und die Deklaration über Jugoslawien eines außerordentlichen Rats der EG vom 27. August 1991 entscheidend bei. Sie ebnete den Weg für die Ju-goslawienkonferenz in Den Haag am 7. September 1991 und die dort er-zielte vertragliche Einigung.90

Das slowenische Parlament ließ sich durch die Anerkennungsdiskus-sion in Bezug auf die Unabhängigkeit Sloweniens, die sich gegenüber und innerhalb der EG bis zum 15. Jänner 1992 und gegenüber Restjugoslawien bis zum 13. September 1992 hinzog, nicht davon abbringen, am 2. Oktober

86 Siehe Ustavni Amandma k Ustavi Republike Slovenije sowie Temeljno ustavno listino o samostojnosti in neodvisnosti Republike Slovenije und Ustavni zakon za izvedbo te meljne ustavne listine o samostojnosti in neodvisnosti Republike Slovenije sowie die Deklaracija ob neodvisnosti, alle in ULRS št. 1, 25.6.1991, Leto I., dazu A. Mlinar (Fn. 64), S. 29–31 und H. Rogy (Fn. 49), S. 86 f.

87 Die Opferzahlen weichen geringfügig voneinander ab, siehe M. H. Šunjić (Fn. 66), S. 212 und H. Rogy (Fn. 49), S. 92 sowie zum gesamten Kriegsverlauf ab S. 89 mit weiteren Nachweisen. Zu den Verletzungen des humanitären Konfliktsrechts siehe S. Jogan, The War in Slovenia 1991 by the Aspect of Law of Armed Conflict, in: Revue de Droit Militaire et de Droit de la Guerre 1995 (XXXIV), S. 283–286. Das Abkommen vom 1.9.1991 aus Belgrad heißt wörtlich „Sporazum o prekrinitvi ognja“ (Abkommen über eine Feuerpause). Text in: Međunarodna politika. Beograd XLII, S. 995–997.

88 Siehe den englisch-slowenischen Text in ULRS Mednarodne pogodbe št. 1, 16.8.1991, Leto I.

89 Siehe den englisch-slowenischen Text ebenda (Fn. 88).90 Zur Konferenz ausführlich A. Mlinar (Fn. 64), S. 69–92 und dazu und zur weite-

ren Entwicklung M. Fabry, Recognizing States, 2010, S. 190–209. Die dort erzielte Ver-einbarung und weitere bedeutsame Dokumente finden sich z.B. in Međunarodna politika. Beograd XLII (1.12.1991), S. 998–1000 zusammengestellt. Zur Konferenz und insgesamt zu internationalen Vermittlungsbemühungen in den Jugoslawienkonflikten in den Jahren 1991 – 1992 siehe A. Hansou, Croatian Independence from Yugoslavia 1991–1992, in M. C. Greenberg, J. H. Barton, M. E. McGuiness (Hrsg.), Words over War, Mediation and Arbit-ration to Prevent Deadly Conflict, Lanham et al 2000, S. 76–108 (S. 86–100).

Page 24: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger198

1991 die Verwirklichung seiner Unabhängigkeitserklärung ab dem 7. Ok-tober 1991 zu beschließen und in der Folge so auch umzusetzen.91

Auch in Estland dauerte der Prozess ab der ersten Artikulation eines auf staatliche Unabhängigkeit gerichteten Selbstbestimmungsrechts bis zum Referendum über die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Republik nur ungefähr ein Jahr.92 Genauso wenig wie sich Slowenien an die jugo-slawische Verfassung hielt, orientierte sich auch Estland nicht an der so-wjetischen Verfassung. Estland unterlief das Unionsreferendum über den Erhalt der Sowjetunion, das am 17. März 1991 stattfand, und boykottierte dieses Referendum.93 Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durch-führung des Referendums schuf sich Estland ebenfalls selbst unter Nicht-einhaltung des sowjetischen Rahmens und auch Estland stellte bei der Ab-stimmungsberechtigung auf das Staatsvolk in den Grenzen der Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik (ESSR) ab, an dem ethnische Esten nur ei-nen Anteil von ca 60 % hatten.94 Mit welcher Berechtigung damals be-stimmte Personengruppen aus der Abstimmung ausgeschlossen wurden (z.B. aktive sowjetische Angehörige der Streitkräfte, Truppen des Innen-ministeriums u.ä. mehr), wurde von denjenigen Staaten, die in der Folge Estland als unabhängigen Staat anerkannten – sieht man von der UdSSR selbst ab –, genauso wenig hinterfragt, wie dies in Bezug auf Slowenien er-folgt ist.

3. Schlussfolgerung für den Fall der Krim

In welchem Ausmaß die RF unmittelbar in die Vorgänge auf der Krim eingegriffen hat, wird man schwerlich jemals mit gerichtsfesten Beweisen erheben können. Ich bevorzuge daher, von Hypothesen auszugehen und nehme also an, die Vorgangsweisen des Machtwechsels auf der Krim Ende Februar 2014 wären minutiös zwischen der Staatsführung in Moskau und der Krim abgesprochen und entsprechend den Ereignissen adjustiert und re-adjustiert worden. Ich gehe ferner von der Hypothese aus, bei den nicht gekennzeichneten Truppen der territorialen Selbstverteidigungskräfte der Krim hat es sich tatsächlich um russländische Eliteeinheiten gehan-delt und diese haben auf die Geschehnisse auf der Krim eingewirkt. Den-noch verleitet mich der Vergleich mit einem einzigen Beispiel einer welt-weit akzeptierten Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, das

91 Näher dazu z.B. A Mlinar (Fn. 64), S. 86–92 und H. Rogy (Fn. 49), S. 100 f und 140 f.92 23.2.1990–3.3.1991, siehe ausführlich mit Quellenangaben C. Thiele (Fn. 48), S. 39–

44. Sieht man die Anerkennung der Unabhängigkeit Estlands durch die RSFSR als relevant an, was angesichts des Umstandes, dass die UdSSR damals noch Bestand hatte, allerdings problematisch ist, so wäre der Prozess schon am 12.1.1991 als beendet anzusehen gewesen. Die Anerkennung durch die UdSSR erfolgte am 6.9.1991. Siehe C. Thiele (Fn. 48), S. 46 f.

93 Siehe C. Thiele (Fn. 48), S. 43.94 Siehe C. Thiele (Fn. 48), S. 32 und 43 f.

Page 25: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 199

sich, stünde mehr Raum zur Verfügung, ebenso detailhaft an mindestens 15 Fällen der jüngsten Geschichte des Völkerrechts mehr nachvollziehen ließe, zu dem Schluss, dass in Bezug auf die Krim nicht von einem Bruch des Völkerrechts durch die RF gesprochen werden kann. Auch der Fall der Türkischen Republik Nordzypern widerspricht dem nicht.95 Estland kann das ausgewählte Beispiel und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen in entscheidenden Elementen zusätzlich abstützen.

Seit April 2014 sind wir Zeugen davon geworden, dass sich die düs-tersten Prognosen hinsichtlich der Unfähigkeit der revolutionären ukrai-nischen Regierung, einen friedlichen Ausgleich zwischen national-ukrai-nischen und russisch-ukrainischen politischen Kräften innerhalb der Ukraine herzustellen, als korrekt erwiesen haben.96 Selbst der am 20. Juni 2014 verkündete Friedensplan des neu gewählten ukrainischen Präsidenten Porošenko bietet den Volksrepubliken Lugansk und Doneck noch immer nicht mehr als „weitgehende De-Zentralisierung“.97 Immerhin gibt es An-zeichen, direkte Gespräche mit den Führern der Volksrepubliken aufzu-nehmen. Dies erweckt Hoffnungen, dass es gelingen könnte, gemeinsam mit ihnen die Ukraine neu verfassungsmäßig zu gestalten, eine wechselsei-tige Generalamnestie zu verkünden und untereinander die Macht im Staat angemessen zu verteilen. An einer Föderalisierung der Ukraine wird aller-dings kaum ein Weg vorbeiführen.

Zum Zeitpunkt der Machtübernahme der Euro-Maidan Bewegung in Kiev waren ihre Vertreter im politischen Leben der Ukraine keine Un-bekannten und hatten sich mehrere von ihnen prononciert gegen die im Jahr 2010 mit der RF getroffenen Verträge ausgesprochen. Die Krim und die RF konnten zum Zeitpunkt der Machtübernahme der Euro-Maidan Bewegung in Kiev überzeugter- und berechtigterweise davon ausgehen, dass der Status der Krim, der Status der russisch-sprachigen Bevölkerung der Ukraine und ihrer Sprache und die Vertragsregime der RF mit der Ukraine in Bezug auf die Krim in höchstem Maße gefährdet waren. Die Brutalität, mit der bislang versucht wurde, von national-ukrainischer Seite her die russisch-ukrainische Gegenbewegung im Osten und Südosten der Ukraine nieder zu kämpfen, anstelle mit ihnen zu verhandeln, hat nach

95 Im Falle der Türkischen Republik Nordzypern lag eindeutig zunächst eine militäri-sche Aktion, nämlich der Einmarsch der türkischen Truppen am 20.7.1974 vor, dem mehr als ein halbes Jahr später die Ausrufung des „Föderativen Türkischen Staates Zypern“ folgte. Siehe dazu näher M. Ott (Fn. 56), S. 245–249 mit weiteren Nachweisen. Die Republik Krim gibt es, wie aufgezeigt, hingegen fast so lange wie die Ukraine selbst. Ihre Ausrufung er-folgte ohne einen militärischen Kontext.

96 Die in 20 Jahren ukrainischer Unabhängigkeit nach wie vor ungelöste Aufgabenstel-lung für ein ukrainisches unabhängiges politisches System aus westlicher Sicht fasste A. J. Motyl, Dilemmas of Independence. Ukraine after Totalitarianism schon 1993 anschaulich zusammen.

97 Zu den Optionen von Föderalismus für eine interne Verwirklichung des Selbstbe-stimmungsrechts der Völker siehe zutreffend z.B. E. McWhinney (Fn. 61), S. 61–86.

Page 26: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger200

jüngsten UN-Angaben 275 Zivilisten und 86 ukrainischen Soldaten das Leben gekostet.98 Die Ausmaße der Zerstörung der Ostukraine übertref-fen die traurige Bilanz des Juni-Krieges in Slowenien um ein Vielfaches und beginnen die Dimensionen der serbisch-kroatischen Zerstörungen des Jahres 1992 anzunehmen.

Extrapoliert man, was mittlerweile traurige Realität in der Ost- und Südostukraine geworden ist, auf die Krim, auf Februar – Juni 2014 und eine Situation einer militärischen Zusammenballung der ukrainischen und russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim, so war ein Krieg zwischen der Ukraine und der RF auf engstem Raum das reale Szenario des histori-schen Umfeldes der fortgesetzten Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Republik Krim. Es wäre mehr als blauäugig gewesen, anzunehmen, dass der Einsatz der ukrainischen Armee gegen die Republik Krim, wie in der Ost- und Südostukraine reell durchgespielt, – eine Untätigkeit der russländischen Einheiten der Schwarzmeerflotte auf der Krim vorausge-setzt – ohne Kollateralschäden bei den russländischen Truppen und mi-litärischen Anlagen auf der Krim denkmöglich gewesen wäre. Der Gou-verneur des Gebietes Rostov am Don berichtete am 21. Juni 2014 von ei-nem durch die ukrainischen Truppen verletzten russischen Grenzbeamten. Russland hatte bereits zuvor gegen mehrfache Grenzverletzungen und be-waffnete Einsätze der ukrainischen Armee auf russländischem Territo-rium angrenzend zur Ukraine protestiert. In so einer Situation das Vorge-hen der – angenommen – Truppen der RF auf der Krim als „Besatzung“ zu qualifizieren, verkehrt ihr Wesen und Ursache und Wirkung und trägt dem Selbstbestimmungsrecht der Völker keine Rechnung. Geht man vom Wil-len der Bevölkerung der Krim seit Anbeginn einer unabhängigen Ukraine aus, so erfolgte die Vorgangsweise der – angenommen – Truppen der RF nicht gegen sie. Zum Zeitpunkt deren Einschreitens war die Unabhängig-keit erklärt und lagen mehr als zwanzig Jahre vergeblichen Versuches eines innerstaatlichen Ausgleiches mit der Ukraine hinter der Krim. Die Krim, bei 26.100 km2 und beinahe 2 Millionen Einwohnern hinsichtlich Fläche und Einwohnerzahl fast gleich groß wie Slowenien (20.253 km2 und eben-falls fast 2 Millionen Einwohner), hatte einen erheblich schmerzvolleren und in Bezug auf die Elemente des Selbstbestimmungsrechts der Völker exponierten Weg durchlaufen als Slowenien.99 Man kann, wie die Darstel-lung oben der Genese im Vergleich von Krim und Slowenien zeigt, durch-

98 Siehe den Beitrag von Nick Cumming Bruce in: The New York Times vom 18.6.2014. 99 E. L. Terić, The Legality of Croatia’s Right to Self-Determination, in Temple interna-

tional and comparative law 1992, S. 403–427 stützt den Anspruch Kroatiens, und dasselbe gilt letztlich für Slowenien, auf deren Ausgeschlossenheit von einer Beteiligung am poli-tischen Prozess im Gesamtstaat (S. 414), dessen Regierung serbisch-dominiert war (S. 420). Hinzu kamen unterschiedliche wirtschaftspolitische Vorstellungen zwischen den nördli-chen Republiken Kroatien und Slowenien und der Bundesregierung.

Page 27: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 201

aus den Standpunkt vertreten, dass zum Zeitpunkt, als die Truppen aktiv wurden, die Krim nicht mehr zur Ukraine gehörte. Aus der Warte der Be-völkerung der Krim waren spätestens seit 1992, wie aufgezeigt, die ukrai-nischen Truppen und Staatsorgane die eigentlichen Besatzungskräfte. Da-her trifft auch das von Alain Pellet im Zusammenhang mit der advokato-risch geführten Debatte um das Sezessionsrecht der kanadischen Provinz Quebec erwähnte Beispiel der Bantustaaten in Süd Afrika als Sperre für eine ausländische Intervention zugunsten einer Sezessionsbewegung nicht auf die Krim zu.100

Auch hätte es die Volksabstimmung des Jahres 2014 auf der Krim nicht gegeben, konnte schon lange kein Zweifel bestehen, dass es der Wille der Bevölkerung der Krim war, von der Ukraine unter ukrainisch-nationaler und betont anti-russischer Führung unabhängig und mit der RF (wieder)vereinigt zu werden. Die – angenommen – Truppen der RF haben daher einen friedlichen Verlauf der Volksabstimmung auf der Krim erst möglich gemacht, sie haben diese nicht beeinflusst und ihre Ergebnisse auch nicht verzerrt. Soweit die Drohung der Anwendung von Gewalt durch – ange-nommen – Truppen der RF ins Spiel kam, fügen sich die Umstände in das allgemeine Bild revolutionärer Machtergreifung überall in der Ukraine, auf der Krim aber eben durch pro-russische, in Kiev durch anti-russische Ak-teure. Alle Beispiele von Volksabstimmungen zur Bekräftigung des Selbst-bestimmungsrechts der Völker aus der Sowjetunion und aus Jugoslawien, inklusive der seinerzeitigen der Ukraine selbst, kamen unter Bruch des je-weilig geltenden nationalen Rechts und nach Bedingungen zustande, die sich die Abtrünnigkeits-Willigen selbst verordnet haben. Aus völkerrecht-licher Sicht gibt es keine anderen Vorgaben für Volksabstimmungen zur Artikulation des Selbstbestimmungsrechts der Völker, als dass der Wille der Mehrheit authentisch und unverfälscht zum Ausdruck gebracht wor-den ist.101 Die Anwesenheit der – angenommen – Truppen der RF hat die Abstimmenden weder bedroht, noch beeinträchtigt. Selbst wenn man an-nimmt, dass es Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Stimmausübung gege-ben hat, was die Verzeichnisse der Abstimmungsberechtigten, die Vertrau-

100 Siehe Report von Alain Pellet „Legal Opinion on Certain Questions of International Law Raised by the Reference, in Anne F. Bayefsky (Hrsg.), Self-Determination in Interna-tional Law. Quebec and Lessons Learned, 2000, S. 85–123, dem in seinen Grundthesen mit Ausnahme zur Bewertung der baltischen Staaten (S. 103) gegenüber J. Crawford’s Report „State Practice and International Law in Relation to Unilateral Secession“, ebenda, S. 31–61, der Vorzug einzuräumen ist.

101 Mehr ist der Praxis zur Artikulation des Selbstbestimmungsrechts auf universeller Ebene nicht abzugewinnen. Siehe z.B. die Analyse der UN-Praxis bei B. C. Nirmal, The Right to Self-Determination in International Law. New Delhi 1999, S. 192–212 (S. 204 f.). Zur Problematik von Plebisziten im Kontext des Selbstbestimmungsrechts der Völker und des Demokratiearguments in diesem Zusammenhang grundlegend J. Fisch (Fn. 59), S. 63–67, 245, 259–261. Zum Fall Deutschland siehe R. Müller (Fn. 58), S. 123 f und zur Arbitra-tion Commission in Bezug auf Jugoslawien ders., S. 206 f und A. Mlinar (Fn. 64), S. 86–92.

Page 28: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger202

lichkeit der Abstimmung und die Modalitäten des Abstimmungsvorgan-ges verglichen zu Volksabstimmungen im regulären Verfassungsgeschehen von Rechtsstaaten jenseits der Sondersituation eines Abspaltungsreferen-dums anbelangt, und nimmt so 10 Prozentpunkte des Abstimmungser-gebnisses zugunsten einer Unabhängigkeit von der Ukraine und Vereini-gung mit der RF vom offiziellen Gesamtergebnis weg, ist das Votum im-mer noch eindeutig und klar.

Ich bin der Auffassung, dass die Schutzwirkung der territorialen Inte-grität und Souveränität der Ukraine und der Unverletzlichkeit ihrer Gren-zen de facto und de jure, wie man aus dem Beispiel Sloweniens ableiten und an allen anderen Fällen, die hier aus Raumgründen nicht nachgezeichnet werden konnten, nachweisen kann, spätestens mit der Unabhängigkeits-erklärung der Republik Krim am 11. März 2014 und der Durchführung des Referendums am 16. März 2014 erloschen sind. Orientiert man sich am Schlüsseldatum, das der 26. Juni 1991 für das Staats- und Verfassungs-leben der unabhängigen Republik Slowenien bedeutet, so könnte auch der 20. Mai 1994, der Tag der In-Kraft-Setzung der Verfassung der Republik Krim 1992 einmal in die Verfassungsgeschichte der Krim als maßgebliches Datum Eingang finden.102 Alle darauf folgenden Maßnahmen der ukraini-schen Zentralgewalt mit Ausnahme des von den – angenommen – Truppen der RF vereitelten Parallelfalles eines Juni-Krieges selbst sind dem Versuch der Bundesgewalt Jugoslawiens gleichzuhalten, die Realisierung der slo-wenischen Unabhängigkeitserklärung zu verhindern. Im Fall der Ukraine und der Krim hat sich dieser Prozess nur viel länger und für die Krim schwieriger gestaltet.

Der Beitritt der Republik Krim zur RF erfolgte über die Stufen Beitritts-antrag vom 17. März 2014, Unterzeichnung des Beitrittsvertrages durch die zuständigen Staatsrepräsentanten am 18. März 2014, Beurteilung des Verfassungsmäßigkeit durch das Verfassungsgericht der RF am 19. März 2014 und Genehmigung des Beitrittsvertrages durch die beiden Kammern des Parlaments der RF sowie Erlassung eines Bundes-Verfassungsgesetzes über die Aufnahme der beiden neuen Subjekte der RF am 20./21. März 2014 (verlautbart am 24. März 2014), in einem nicht zu überbietenden Tempo und mit einer juristischen Präzision ohne Gleichen. Bei aller Raffinesse und Eile, die dem russländischen Vorgehen zuzusprechen ist, kann ich ihn aber aus dem Blickwinkel des Selbstbestimmungsrechts des Volkes der Krim und der Geschichte dessen Ausübung nicht als Annexion bezeich-

102 Die Präambel der geltenden Verfassung der Republik Slowenien (ULRS 33/91-I, 42/97, 66/2000, 24/03, 69/04, 68/06, und 47/13; englischer Text abrufbar unter http://www.us-rs.si/en/about-the-court/legal-basis/constitution/(abgerufen am 19.6.2014), nennt das am 25.6.1991 angenommene Grundverfassungsdokument über die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Slowenien als ihren verfassungsgeschichtlichen Ausgangs-punkt.

Page 29: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckDer Beitritt der Republik Krim zur Russländischen Föderation 203

nen. Zum fraglichen Zeitpunkt bestand eine Republik Krim als ein Fac-tum, die das von ihr ausgeübte Recht auf Selbstbestimmung durch Beitritt zur RF realisierte. Sie bestand mit eben derselben revolutionären Legiti-mation wie die Ukraine insgesamt revolutionär bestand oder aber beide be-standen sie nicht. Genauso wie der Republik Slowenien und der Republik Estland zugestanden wurde, das Selbstbestimmungsrecht ihres (Staats)vol-kes durch Gründung eines unabhängigen Staates zu realisieren, stand es der Republik Krim zu, das Selbstbestimmungsrecht ihres (Staats)volkes in der Zusammenschau von Art 1 Abs 1 UN Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte, Art 1 Z 2 und Art 55 UN Charta und Abs 4 des ein-schlägigen Prinzips der Friendly Relations Declaration durch „… die freie Assoziation mit einem unabhängigen Staat, die freie Eingliederung in ei-nen solchen Staat …“ zu verwirklichen. Der Staat, der einer solchen As-soziation auf der anderen Seite gegenüber steht, annektiert nicht, handelt nicht gegen den Willen des Beitrittswilligen, sondern ist als logisch not-wendiger Partner des Beitrittsprozesses an der Verwirklichung des Selbst-bestimmungsrechts der Völker durch letzteres beteiligt, sonst wäre der zi-tierte Satzteil in der Friendly Relations Declaration eine bloße Fiktion. Es könnte dann nie zur Vereinigung mit einem anderen Staat in einer Konstel-lation der Unabhängig-Werdung gestützt auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker kommen. Der aufnehmende Staat bricht nicht das Völkerrecht, sondern ist logisch an der Realisierung eines Grundprinzips des Völker-rechts, das zugleich ein Prinzip des Rechts der Vereinten Nationen und ein kollektives Menschenrecht darstellt, beteiligt.

Man mag meiner rechtlichen Bewertung und dem russländischen Vor-gehen Legalistik vorwerfen. Man mag argumentieren, dass die Republik Krim eine gewisse längere Zeitstrecke unabhängig existieren und sich ei-nem faktischen und wohl auch militärischen Kräftemessen mit der Ukraine hätte aussetzen müssen, bevor sie von einem de-facto Regime zu einem Staat kippt. Die Schicksale Estlands und Sloweniens zeigen, dass Monate genügten, um international anerkannt von einem Zustand zum anderen gelangen zu dürfen. In beiden Fällen gab es das Stadium eines de facto Re-gimes völkerrechtlich gesehen nicht, sondern erfolgte der Übergang von einem innerstaatlichen Rechtssubjekt zu einem völkerrechtlichen unmit-telbar und letztendlich wesentlich rascher, als dies auf der Krim der Fall war, berücksichtigt man den ganzen Zeitraum, ab wann ihr Unabhängig-keitsstreben einsetzte.

In der Frage der Krim haben die RF und die Ukraine gemeinsam – der eine Staat durch aktive Schutzmaßnahmen, der andere durch Verzicht auf Gegenwehr – dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und damit dem in-ternationalen Menschenrechtsschutz ohne Tote, Verletzte und Vernichtung oder Zerstörung von Eigentum zum Durchbruch verholfen. Dass die ei-gentlichen Motive auf Seiten der RF geopolitische und militärisch-strategi-

Page 30: Der Beitritt der Republik Krim zur Russ- …...zung des – letztlich ebenfalls verfassungswidrig – gewählten neuen Präsi-denten und seines Herrschaftssystems in der

Del

iver

ed b

y P

ublis

hing

Tec

hnol

ogy

Bib

lioth

ekss

yste

m U

nive

rsita

et H

ambu

rg 1

34.1

00.1

72.7

1 S

at, 1

1 Ju

l 201

5 14

:09:

49C

opyr

ight

Moh

r S

iebe

ckMichael Geistlinger204

sche gewesen sein mögen, ändert am Ergebnis nichts. Es wäre wünschens-wert, würde eine ebensolche ko-geniale Vernunft zwischen der Ukraine und der RF zur Wiederfindung eines friedlichen Umgangs der ukraini-schen Staatsführung mit ihren ostukrainischen Gegenspielern mit dem Er-gebnis eines Konsenses für eine neue ukrainische Verfassung führen. Eine bundesstaatlich umgestaltete Ukraine – unter Einbezug der Ostukraine – scheint immer noch eine realistische Alternative zu Krieg und Zerstörung mit ungewissem Ausgang. Voraussetzung ist ein Umdenken in der ukrai-nischen Staatsführung auf der einen Seite. Auf der anderen Seite gilt es, auf die Führung der beiden Volksrepubliken Doneck und Lugansk einen kor-respondierenden Einfluss zu entfalten. Dies ist ein Desiderat an die RF. Die RF bleibt auch gefordert, ihre vertraglichen Beziehungen gegenüber der Ukraine mit den entstandenen Realitäten in Einklang zu bringen.

Summary

The proclamation of the Republic of Crimea as independent and the subsequent acces-sion to the Russian Federation (RF) is considered to be a legitimate realization of the Crimea people’s right to self-determination. The adoption of the Republic of Crimea and the City of Sevastopol as new subjects of the Russian Federation is a process which has not started in February 2014 but which dates back to the end of the former Soviet Union and is roughly as old as the history of the independent Ukraine. It is part of the revolutionary events having taken place all over the Ukraine and answers anti-Russian movements in the Western part of the Ukraine and in the capital Kiev by pro-Russian forces, both of them acting on a revolutionary ground. Even assumed, the unidentified armed forces who appeared during the hasty final stage of the process (end of February until end of March 2014), were to be attributed to the RF, no annexation took place. The RF acted within the framework of a state answering to the request of a people exercising its right to self-deter-mination by “free association or integration with an independent state” according to the terms of the Friendly Relations Declaration read in the context of the UN Charter and Article 1 of the UN Covenants 1966. Neither was Crimea’s freedom to expression of its will limited or influenced, nor could Crimea be called a Ukrainian territory, when these events took place. Events to be considered part of revolution were superimposed by events as part of exercise of the Crimea people’s right to self-determination. These conclusions are supported by taking evidence from a detailed analysis of the historical example of Slo-venia and to a small degree also of Estonia and comparing this analysis to the relationship between the Ukraine and Crimea in the period 1990–2014.