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rn Ln o_ m ö N N E Q) N Dermatologe Der Deutsche Organ des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen e.V. HANDREJUVENATION Leichte Filler überzeugen BK 5103 •: FLÜCHTLINGE WEICHTEILSARKOME Neue Formulare beschleunigen die Anerkennung Beeindruckende Leistungsschau der Dermatologie Hautärztin hilft bei den Refudocs Multimodales Therapieregime erforderlich Springer Medizin

Der Deutsche Dermatologe - Skin Concept München€¦ · ästhetische Dermatologie ausgerichtet ist. Hier in der Bayernkaserne behandelt sie Krankheiten, die sie in dieser Ausprä-gung

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Page 1: Der Deutsche Dermatologe - Skin Concept München€¦ · ästhetische Dermatologie ausgerichtet ist. Hier in der Bayernkaserne behandelt sie Krankheiten, die sie in dieser Ausprä-gung

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N

E

Q) N Dermatologe

Der Deutsche

Organ des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen e.V.

HANDREJUVENATION

Leichte Filler

überzeugen

BK 5103

•: FLÜCHTLINGE

WEICHTEILSARKOME

Neue Formulare beschleunigen die Anerkennung

Beeindruckende Leistungsschau der Dermatologie

Hautärztin hilft bei den Refudocs

Multimodales Therapieregime erforderlich

Springer Medizin

Page 2: Der Deutsche Dermatologe - Skin Concept München€¦ · ästhetische Dermatologie ausgerichtet ist. Hier in der Bayernkaserne behandelt sie Krankheiten, die sie in dieser Ausprä-gung

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Entscheidend für eine adäquate medizinische Versorgung ist eine gute Verständigung: Dr. Alexandra Ogilvie hat immer einen professionellen Dolmetscher an der Seite, wenn sie Flüchtlinge behandelt.

Berufspolitik

„Man nimmt Geschichten mit nach Hause, die einen sehr bedrücken" Die Refudocs in München sichern professionelle Flüchtlingsversorgung

WOLFGANG HARDT

MÜNCHEN - Hautärztin Dr. Alexandra Ogilvie gehört seit einem Jahr

zum Team der Refudocs und behandelt in der Erstaufnahme-

einrichtung Bayernkaserne einmal pro Woche Flüchtlinge. Das Konzept

ist längst aus der Ehrenamtlichkeit herausgewachsen und zum

Vorzeigeprojekt für die medizinische Versorgung von Asylsuchenden

geworden.

E in Container als Arztpraxis, die Einrichtung von Ikea, ein professi-oneller Dolmetscher immer mit an

der Seite: Wenn Hautärztin Dr. Alexan-dra Ogilvie am Mittwochmorgen ihre Sprechstunde bei den Refudocs in der Bayernkaserne beginnt, tritt sie ein in ihre „berufliche Paralleltätigkeit", wie sie es nennt. Von Parallelwelt möchte die 47-Jährige nicht sprechen. „Es ist ja un-sere Wirklichkeit", sagt sie. Allerdings sei ihre Arbeit in der Erstaufnahmeein-richtung „komplett entkoppelt" von der in ihrer Münchener Privatpraxis, die auf

ästhetische Dermatologie ausgerichtet ist.

Hier in der Bayernkaserne behandelt sie Krankheiten, die sie in dieser Ausprä-gung sonst nicht sieht. „Zwar bringen die Flüchtlinge generell das gesamte Spektrum an dermatologischen Erkran-kungen mit, das man auch von deut-schen Patienten kennt", berichtet Alex-andra Ogilvie. Bemerkenswert seien aber die deutlich heftigeren Verlaufsfor-men gerade bei bakteriellen Infektionen der Haut. „Das legt den Verdacht nahe, dass Patienten aus anderen Herkunfts-

ländern selektiv eine andere Abwehrlage gegenüber parasitären Infektionen ha-ben - eine bullöse Skabies sieht man bei uns kaum", erläutert die Hautärztin.

Neben den Infektionen sind Erkran-kungen wie Varizellen wegen der schlechteren Durchimpfung der Asylsu-chenden häufiger als bei uns anzutreffen. Viele der Ankommenden sind zudem ausgezehrt und immungeschwächt durch die Strapazen der Flucht. Darüber hinaus behandelt Alexandra Ogilvie Patienten mit Akne, Ekzemen, Psoriasis und Basa-liomen. Allerdings habe sie hier noch kein einziges Melanom gesehen, betont die Dermatologin, die seit einem Jahr bei den Refudocs mitarbeitet.

Damals konnte man in München gar nicht mehr anders als zu erkennen, dass Handlungsbedarf besteht, erzählt sie. Bei der Suche nach Möglichkeiten, um mit ihrem dermatologischen Wissen zu helfen, stieß sie im Internet schnell auf die interdisziplinäre Bereitschaftspraxis der Refudocs. Da sie niemanden am Te-lefon erreichen konnte, fuhr sie kurzer-hand zur Bayernkaserne - für alle Fälle eine Kopie ihrer Approbationsurkunde mit im Gepäck. „Ich kam zur Tür rein und saß eine halbe Stunde später am Schreibtisch und hatte die ersten Patien-ten", erinnert sie sich.

Zu diesem Zeitpunkt gab es viele Ver-letzungen durch die Flucht, die behan-delt werden mussten. „Man hat genau gemerkt, als der Zaun in Ungarn hoch-gezogen wurde", berichtet Alexandra Ogilvie. „Danach haben wir grauenvolle Verletzungen gesehen: kleine Kinder, de-nen die halbe Ferse vom NATO-Stachel-draht abgeschnitten worden war." Im Winter kamen Erfrierungen hinzu, „weil die Menschen die Kälte bei uns einfach unterschätzt haben."

624 Der Deutsche Dermatologe 2016;64(9)

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Unfassbare Schicksale

Die Arbeit bei den Refudocs bringt Be-lastungen mit sich: „Man erfährt viele Geschichten, die einen nicht kalt lassen", sagt Alexandra Ogilvie. Beispielsweise von einer jungen Frau, die als einzige von 20 Frauen die Explosion einer Gas-flasche in einer Schlepperunterkunft in Libyen mit schwersten Verbrennungen überlebt hat, oder von einem 16-jährigen Afghanen, dem Schlepper versucht hat-ten, die Fingernägel zu ziehen, um Geld zu erpressen. „Das war ein großes Prob-lem in der Anfangszeit, dass man Ge-schichten mit nach Hause genommen hat, die einen sehr bedrückt haben - mehr als ich mir das vorgestellt hatte", räumt die Dermatologin ein.

Vielen der rund 90 Ärzte, die in der Bayernkaserne arbeiten, geht es ähnlich.

Folgen der Flucht: Im Winter kamen Flüchtlinge mit Erfrierungen in der Erst-aufnahmeeinrichtung an. Sie hatten die Kälte in Mitteleuropa einfach unter-schätzt.

Auf den ersten Blick eine banale distale Onycholyse mit kleinem Hämatom, tatsächlich aber die Folgen von Folter: Schlepper hatten versucht, einem 16-jährigen Afghanen die Nägel zu ziehen, um Geld zu erpressen.

„Gerade Gynäkologen un1 Kinderärzte erfahren von furchtbaren Schicksalen«, weiß die Hautärztin. Um besser mit den seelischen Belastungen umgehen zu kön-nen, treffen sie sich regelmäßig und tau-schen sich aus. Auch sonst wird Kollegi-alität bei den Refudocs groß geschrieben. „Eine der schönsten Erfahrungen, die ich in dem Jahr gemacht habe, ist die un-glaublich tolle Zusammenarbeit mit den Kollegen auch der anderen Fachrichtun-gen", sagt Alexandra Ogilvie und lobt den „inspirierenden interdisziplinären Austausch, fernab von jeglichem Kon-kurrenzdenken." Hier sei sich niemand zu schade, zu sagen, dass er jetzt nicht weiter weiß und Hilfe braucht.

Fehl am Platz bei der Versorgung von Flüchtlingen ist ihrer Meinung nach al-lerdings ein zu hohes Maß an Altruismus als Motivation. „Es ist eine sehr konkre-te, unmittelbare humanitäre Hilfe, die man da leistet", ist sich Alexandra Ogil-vie bewusst. Man sollte aber nicht vor Mitleid zerfließen, warnt sie. „Wir muss-ten gerade am Anfang mit der Flut an Spenden aufpassen, dass den Flüchtlin-gen nicht ein falsches Bild von den Mög-lichkeiten unserer medizinischen Basis-versorgung vermittelt wurde." So werde bei den Refudocs kein Flüchtling besser oder bevorzugt behandelt im Vergleich zu einem gesetzlich Versicherten. „Aber der Anspruch ist, sie durch sprachliche und organisatorische Unterstützung zu-mindest gleichzustellen", sagt sie.

Unbürokratische Hilfe Um das zu gewährleisten, ist das Angebot niederschwellig gehalten, das heißt Asyl-bewerber können in der Erstaufnahme-einrichtung ohne Behandlungsschein in die Sprechstunde kommen. Entscheidend ist eine gute Verständigung. Deshalb kön-nen die Refudocs auf den Dolmetscher-Pool der Stadt München zurückgreifen, die die Übersetzer auch bezahlt.

Bürokratische Erleichterung bringt eine Genehmigung der bayerischen Lan-desregierung, die das Dispensierrecht der Apotheken einschränkt. Auf diese Weise haben die Ärzte vor Ort die Möglichkeit, OTC-Medikamente in geringen Men-gen den Patienten mitzugeben, ohne dass diese in die Apotheke müssen. Außer-dem werden auch Flüchtlinge, die woan-ders untergebracht sind, in der Bayern-

Ein Angebot von Menschen für Menschen

Die Refudocs wurden als „Verein zur medizinischen Versorgung von Flücht-lingen, Asylsuchenden und deren Kindern" auf Initiative von Dr. Mathias Wendeborn 2014 gegründet und ver-sorgen in Form einer fachübergreifen-den Bereitschaftspraxis Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung Bayern-kaserne. Der Verein hat einen Vertrag mit der Regierung Oberbayern und dem Staatsministerium für Soziales geschlossen. Dieser regelt unter ande-rem die Bezahlung der Ärzte und aller anderen Freiwilligen auf Stundenbasis.

Im Schichtsystem werden bis zu 120 Patienten pro Tag ambulant/kurativ behandelt. Einen Behandlungsschein vom Sozialamt, wie sonst zumeist nötig, brauchen Asylsuchende bei den Refudocs nicht. Der Bewohnerausweis der Erstaufnahmeeinrichtung oder der Registrierungsschein mit Nummer, die bei der Regierung von Oberbayern hinterlegt ist, reicht aus. Medikamente werden auf Privatrezept verordnet, sind aber wegen einer gesonderten Kosten-stelle teilweise von der Zuzahlung befreit.

Mehr Informationen unter www.refudocs.de .

kaserne behandelt. Obwohl die Zahl der Asylsuchenden zurzeit deutlich gesun-ken ist, bleibt doch ein kontinuierlicher Zustrom, der versorgt werden muss.

Alexandra Ogilvie hatte sich die Ver-sorgung der Flüchtlinge vor ihrer spon-tanen Fahrt zu den Refudocs viel chao-tischer vorgestellt. „Ich war unglaublich positiv überrascht, mit was für einfachen und teilweise improvisierten Mitteln eine vernünftige und gut strukturierte Versorgung auf die Beine gestellt wird", betont sie heute. „Das funktioniert rich-tig gut!«

Allerdings ist die Zukunft der Bayern-kaserne begrenzt: Der Mietvertrag, den die Regierung von Oberbayern mit der Stadt München für die Erstaufnahme-einrichtung geschlossen hat, läuft spä-testens im Juni 2017 aus. Noch ist unklar, wo die Flüchtlinge und die Einrichtun-gen dann untergebracht werden sollen. Für Alexandra Ogilvie steht auf jeden Fall fest: „Ich mache weiter, solange ich gebraucht werde." •

Der Deutsche Dermatologe 2016;64(9) 625