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(Aus dem Institut Robert Koch Berlin, Chemotherapeutisehe Abteilung. Direktor: Geheimrat Prof. Dr. t~. K. Kleine.) Der Einflufl yon Kochsalz und Kalk auf die Malignit~itsdisposiiion des Kaninchenearcinoms. Von W. A. Collier und A. Cohn. (Eingegangen am 29. November 1932.) Der Brown,Pearcesche Kaninchentumor, ein echtes Epithe]iom, eignet sich ganz vorzfiglich ffir Untersuchungen fiber den Einflul~ ver- schiedener Agentien auf die Malignit~tsdisposition. Wird eine Serie Kaninehen gleiehmi~l~ig intraven5s infiziert, so entwiekelt sich der Tu- mor nicht) bei allen Tieren in gleicher Weise. Einzelne Tiere bleiben vSllig gesund. Bei anderen Tieren kommt es zu einer sehwachen Krebs- entwicklung in den •ieren und der Leber, so dab man in diesen Organen zahlreiche stecknadelkopfgroI~e bis hirsekorngroBe Tumoren finder. Bei anderen Tieren wieder beobachtet man eine so starke Ausdehnung des Krebswachstums, dab beispielsweise die 5~ieren bis auf die ffinffache Gr5Be anwaehsen, dab die Leber vSllig yon erbsen- bis bohnengroBen KnStehen durchsetzt ist, die Ovarien bis fiber Walnul~grSBe angeschwol- len sind und die Lungen mit zahlreiehen kleinen Metastasen durchsetzt sind. Ls man auf eine Serie gleichmi~Big infizierter Tiere irgendwelche ehemische oder physikalische Kr~fte einwirken und l~13t die gleiehe An- zahl Tiere als Kontrollen unbehandelt unter sonst genau den gleiehen Lebensbedingungen, so l~I~t sich aus dem Vergleieh der Intensits des Krebswaehstums bei den behandelten und unbehandelten Tieren unter Umsti~nden ein Urteil fiber den fSrdernden bzw. hemmenden EinfluB der Behandlung auf die Maligniti~tsdisposition bilden. Im folgenden sei fiber Versuehe berichtet, bei denen der EinfluB von Kochsalz und yon Kalk auf die Malignit~tsdisposition untersucht wurde. Hierbei wurde folgendermafien vorgegangen: Eine Serie Kaninchen wurde intraven6s mit einer feinen, dutch Gaze ffl- trierten Suspension yon Tumorzellcn (yon einem prim~ren Hodencarcinom) in- fiziert. Hierauf wurde die eine H~lfte der Tiere als Kontrollen gelassen, die andcre H~lfte wurdc anschliel~end regelm~l~ig t~glich (mit Ausnahme der Sonntage)

Der Einfluß von Kochsalz und Kalk auf die Malignitätsdisposition des Kaninchencarcinoms

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(Aus dem Institut Robert Koch Berlin, Chemotherapeutisehe Abteilung. Direktor: Geheimrat Prof. Dr. t~. K. Kleine.)

Der Einflufl yon Kochsalz und Kalk auf die Malignit~itsdisposiiion des Kaninchenearcinoms.

Von W. A. Collier und A. Cohn.

(Eingegangen am 29. November 1932.)

Der Brown,Pearcesche Kaninchentumor, ein echtes Epithe]iom, eignet sich ganz vorzfiglich ffir Untersuchungen fiber den Einflul~ ver- schiedener Agentien auf die Malignit~tsdisposition. Wird eine Serie Kaninehen gleiehmi~l~ig intraven5s infiziert, so entwiekelt sich der Tu- mor nicht) bei allen Tieren in gleicher Weise. Einzelne Tiere bleiben vSllig gesund. Bei anderen Tieren kommt es zu einer sehwachen Krebs- entwicklung in den •ieren und der Leber, so dab man in diesen Organen zahlreiche stecknadelkopfgroI~e bis hirsekorngroBe Tumoren finder. Bei anderen Tieren wieder beobachtet man eine so starke Ausdehnung des Krebswachstums, dab beispielsweise die 5~ieren bis auf die ffinffache Gr5Be anwaehsen, dab die Leber vSllig yon erbsen- bis bohnengroBen KnStehen durchsetzt ist, die Ovarien bis fiber Walnul~grSBe angeschwol- len sind und die Lungen mit zahlreiehen kleinen Metastasen durchsetzt sind.

Ls man auf eine Serie gleichmi~Big infizierter Tiere irgendwelche ehemische oder physikalische Kr~fte einwirken und l~13t die gleiehe An- zahl Tiere als Kontrollen unbehandelt unter sonst genau den gleiehen Lebensbedingungen, so l~I~t sich aus dem Vergleieh der Intensi ts des Krebswaehstums bei den behandelten und unbehandelten Tieren unter Umsti~nden ein Urteil fiber den fSrdernden bzw. hemmenden EinfluB der Behandlung auf die Maligniti~tsdisposition bilden.

I m folgenden sei fiber Versuehe berichtet, bei denen der EinfluB von Kochsalz und yon Kalk auf die Malignit~tsdisposition untersucht wurde. Hierbei wurde folgendermafien vorgegangen:

Eine Serie Kaninchen wurde intraven6s mit einer feinen, dutch Gaze ffl- trierten Suspension yon Tumorzellcn (yon einem prim~ren Hodencarcinom) in- fiziert. Hierauf wurde die eine H~lfte der Tiere als Kontrollen gelassen, die andcre H~lfte wurdc anschliel~end regelm~l~ig t~glich (mit Ausnahme der Sonntage)

292 W.A. Collier und A. Cohn: Der Einflu~ yon Kochsalz und Kalk

behandelt. Nach Verlauf yon etwa 4--6 Wochen wurden die noch nieht spontan eingegangenen Tiere getStet und seziert. Ffir jeden Versueh wurden in der Regel etwa 10 Kaninehen genommen, um in der gleiehen Serie nieht zu viele Tiere zu haben. Dafiir wurden aber die Versuehe stets mehrmals wiederholt, um indivi- duelle Fehler tunlichst auszuschalten.

Der Ein/lufi yon Kochsalz.

Der EinfluB yon Koehsalz auf das Krebswachstum wurde unseres Wissens bisher noch nicht experimentell untersucht. In frfiheren Zeiten kam allerdings J. Braithwaite auf Grund empirischer und statistischer Belege zu der Ansieht, dai~ ein UbermaI~ yon ~TaC1 die Krebsbfldung verursachen soIlte. Dieser Ansicht trat sofort Sticker entgegen, und Omega behauptete sogar das Gegentefl, da~ man n~mlich dureh NaC1 den Krebs gfinstig beeinflussen kSnne.

Bei unseren Versuehen wurde das NaC1 den K~ninchen nicht mitte]s Schlund- sonde gegeben, sondern tgglich als 10proz. LSsung subcutan injiziert. ~Neben ge- wShnlichem Kochsalz benutzten wir ein Speisesalz, dem Kalium, Calcium und Magnesium zugesetzt wurden. Das Ergebnis der im August~-November durch- gefiihrten Versuehe finder sieh in Tab. 1.

In der Tabelle bedeutet ,,sp." hinter dem Tag des Todes, dab das Tier spont~n gestorben ist, ,,get." bedeutet, dal3 es getStet wurde. Bei den Sektionsbefunden bedeutet ,,1" schwaches Careinomwachstum, ,,4" sehr starkes. , 3 " und , 2" liegen dazwischen.

Ube rb l i ck t m a n die Tabelle , so sieht man , dab durch die Behand lung mi t Kochsa lz eine deut l iche FSrde rung des Krebswac l i s tums erziel t wurde. W~hrend beispielsweise bei den Kon t ro l l en 33% der Tiere ne- ga t iv waren, war dies bei den m i t Xochsa lz behande l t en Tieren in nu r 16% der F a l l Bei der Koehsa l zbehand lung bl ieben somit ha lb soviel K a n i n c h e n nega t iv ~ls bei den Kon~rol l t ieren. Das gleiche Bi ld f inde t sich auch be im Vergleich des besonders s t a rken Carc inomwachs tums . Wi~hrend hier bei den Kon~rol l t ieren nur 13 % ein sehr s ta rkes Carcinom- wachs tum zeigten, war dies bei den mi t Kochsa lz behande l t en Tieren in 28 % der Fal l . Auch hier s ieht m a n deut l ich eine Ste igerung der Ma- l ign i t s infolge der Kochsa lzbehandlung .

Auffgll ig is t bei diesen Befunden die verhi~l~nism~13ig geringe Menge Kochsa lz , die berei ts die Mal igni t~t zu s teigern vermag. Die ti~gliche Dosis f iberst ieg nie 0,3 g pro Tier (d. h. 3,0 ccm der 10proz. LSsung), und die Gesamtdos is be t rug hSchstens 6,5 g pro Tier. Dal~ dera r t ig ge- r inge Mengen Kochsa lz bere i ts die beob~ehte te s t a rke Ste igerung der Mal igni t~t vernrsachten , dfirfte beachtenswer~ sein.

Leider wurden diese Versuehe an nur 40 K a n i n e h e n durchgef i ihr t , und m a n muB mi t der MSglichkeit reehnen, dal3 diese P rozen tzah len bei Unte r suchung einer wesent l ieh hSheren Tierserie viel le icht eine ge- wisse Verschiebung naeh der einen oder anderen Seite e f fahren werden. Als s icher seheint uns aber t r o t z d e m aus unseren Versuchen hervorzu- gehen, dal3 dutch Kochsalz eine Steigerung der Malignitdtsdisposition zu erzielen ist.

auf dee Malignit~tsdisposition des Kanincheneareinoms. 2 9 3

Tabelle 1. E i n / l u / 3 d e s K o c h s a l z e s a u / d a s K a n i n c h e n c a r c i n o m .

Behan- Wie oft Total Tot nach Sektionsbefund delt g Tagen

NaCI

:7

Salz

16• 0,2 l l X 0,3 1 6 x 0,2 11• 0,3 16x 0,2 11• 0,3 16• 0,2 l l x 0,3

16x 0,2 2 • 0,3 22 • 0,2

9 • 0,2 10 x 0,2 21 • 0,2 22 • 0,2 22 x 0,2 22 x 0,2 22 • 0,2 22 • 0,2 21 x O,2

16x 0,2 l l x 0,3 16x 0,2 11• 0,3 16x 0,2 l l x 0,3 16x 0,2 l l x 0,3 16• 0,2 3 X 0 , 3

22 • 0,2

22 X 0,2 22 X O,2 22 • 0,2 22 • 0,2

6,5 6,5 6,5 6,5

3,8 4,4 1,8 2,0 4,2 4,4: 4,4 4,4 r 4,4 4,2 6,5 6,5 6,5 6,5 4,1

4,4

4,4 4,4 4,4 4,4

33 get. 33 ,, 34 ,, 34 ,,

2 3 ~

28 ,, 12 sp. 14 , ,

26 , ,

28 get. 31 ,,

31 ,, 31 , ,

31 26 33 46 33 34 23 s

28 g

28 28 2 8 28 ,, 23 ,, 33 sp. 33 get. 34 ,, 34 ,, 28 ,, 26 get. 28 ,, 28 ,, 28 ,, 29 ,, 31 ,,

Nieren 2, Ovarien 2 o. ]3. Nieren 2 Ovarien 2, Nieren 1, Nebennieren 1,

Netz 1 Ovarien 2 O. ]3 .

Leber 1 Leber 2, Lunge 2 Leber 2, Lunge 1 Nieren 2 Nieren 2, Lunge 1 o~176 o~176 Nieren 2 Leber 4, Nieren 4, Ovarien 3, Lunge 2 Nieren 1, reehtes Ovar 1 Nieren 2, Ovarien 2 Reehtes Ovar 1 Linkes Ovar 1 Leber 3, Lunge 3, Nieren 2, Ovarien 2,

Netz 1 Ovarien 2, Bauehmuskeln 2, Riieken-

muskeln 2 Nieren 3, Ovarien 3 Nieren 2 Nieren 3, Ovarien 2 Nieren 3, 0var ien 2, Per i toneum 1 o. ]3~ Nieren 3, reehtes 0 v a r 1 o. B. o. ]3. Nieren 2, reehtes Ovar 1 N{eren 2, Ovarien 1 Nieren 2, Lungen 2, Leber 1 Nieren 2 Nieren 2 Nieren 1, reehtes Ovar 1 O. ]3 ,

O~ ]3 .

3 1 7,

29 ,, 29 ,,

Nieren 2 Ovarien 1 Owr ien 1, Nieren 1

t I i e r m 6 c h t e n w i r k u r z b e m e r k e n , d a b w i r s t e t s d ie M o n a t e ~ n g e b e n ,

i n d e n e n die V e r s u c h e d u r c h g e f i i h r t w u r d e n , d~ Mlem A n s c h e i n n a c h

b i o l o g i s c h e V e r s u c h e d e r h i e r g e s c h i l d e r t e n A r t w e i t e s t g e h e n d d u r c h

d~s i n d e n b e t r e f f e n d e n M o n ~ t e n g e r e i c h t e F u t t e r bee in f lu i3 t w e r d e n .

294 W . A . Co]lier and A. Cohn: Der Einflu$ von Koehsalz und Kalk

Der Einf luf l yon Kal]c.

Der Einflul] des K~lkes uuf das Krebswachstum wurde bisher noch nicht experimentell untersucht. Einzelne Antoren glauben, d~l~ das Careinomwachstum dureh Kulk gehemmt wird. In der Zeit der Lymphtheorie des Krebses wurde Kalk in Form yon Kalkwasser sehon yon Boerhaave angewandt und galt einige Zeit hindureh ~ls spezifisehes I{eilmittel. Aueh sp~er noch empfahl Roerig dieses alte Medikament.

]3ei unseren Versuchen ginger1 wir derart vor, da~] wir org~nisch gebundenen Kalk einem kleinen Tell der Nahrung zusetzten, und erst nach Feststellung, dub die Tiere die kalkhaltige Nahrung verzehrt hatten, das tibrige Futter g~ben. Ein Teil der Tiere erhielt 0,5 g Kalk t~glich, ein anderer Teil erhielt 2,5 g Kalk t~glieh.

Das Ergebnis der im Dezember bis M~trz durchgefiihrten Versuche ist in Tab. 2 zusammengestellt.

Tabelle 2. Ein/lu[3 yon Kal]~ au] das Kaninchencarcinom.

Behan- Dosis Total Tot nach Sektionsbefund delt g Tagen

Kalk

~y

12 x 0,5 12 X 0,5 12 X 0,5 12 X 0,5 12 x 0,5 10 X 0,5 17 x 2,5 23 X 2,5 23 x 2,5 23 X 2,5 21 X 0,5 21 x 0,5 21 x 0,5 21 X 0,5 .15 x 2,5

m

6,0 6,0 6,0 6,0 6,0 5,0

42,5 57,5 57,5 57,5 52,5 52,5 52,5 52,5 37,5

m

30 sp. 37 get. 34 sp. 26 ,, 38 get. 14 sp. 31 get. 27 sp. 30 get. 30 ,, 35 ,, 35 sp. 35 ,, 35 ,, 19 sp. 36 36 37 17 s 33

37 g 31 31 31 31

3 4 ,7

34 ,, 35 sp. 36 get.

3 6 ,~

Nieren 3, Ovarien 3, Lungen 1, Peritoneum 1 Nieren 1, rechtes Auge 2 Ovarien 1, Peritoneum 1 o. B. (t)neumonie) Ovarien 4, Nieren 2, Augen 2 o. B. (1)neumonie, iuterkurreut) o. ]3. Leber 3, Nieren 2, Ovarien 4 Nieren 2, Ovgrien 2 Rechtes Ovar 2 Nieren l , Ovarien 3 - 4 o. ]3. iNieren 2, linkes Ovar 2 o.]3. Leber 4, Lunge 1 Augen 2 Nieren 1 o. ]3. Linke Lunge 1 (Pneumonie) Nieren 4, Leber 4, Lunge 4, Nebennieren 4,

Ovarien 4, Pankreas 4, Bauehwand 4 o~ Linke Niere 1, rechtes O w r 2 Nieren 1, linkes Ovar 2, reehte Lunge 1 o. ]3. l~echte ~qiere 2, rechtes Ovar 2, rechtes

Ovidukt 1, rechte Nebenniere 3 Nieren 2, Lungen 1, Ovarien 2- -3 Nieren 4, Ovarien 3---4, Lunge l (?) Ovarien 4, lqieren 1 ~Nieren 1, reehtes Ovar 4, linkes Ovar 2,

Lunge 1, Thymus l, rechtes Auge 3 Nieren 1, Ovarien 2

auf die Malignit~tsdisposition des Kaninehencarcinoms. 295

Ube rb l i ck t m a n diese Tabelle , so zeigt sich, dal3 v0n den mi t K a l k gef f i t t e r ten Tieren 5, d . h . 33%, nega t iv waren, w~hrend dies bei den Kon t ro l l t i e r en in 3 F~llen, d. h. in 20%, der Fa l l war. Von den m i t K a l k behande l t en K a n i n c h e n h a t t e n 3 (20 % ) eine sehr s t a rke Carcinom- entwicklung, yon den Kon t ro l l t i e r en ebenfal ls 3 (20%).

~Tenn m a n yon der e twas h6heren Zahl der nega t iv gebl iebenen, mi t K a l k gef f i t te r ten K a n i n c h e n absieht , so k o m m t m a n aus diesen u zu dem Schlu]3, da~ K a l k auf die Mal igni t~ tsdispos i t ion ohne merk l i ehen Einflul3 ist.

Zusammen/assung.

Bei Versuchen mi t dem Brown.Pearcesehen Kaninchencarcinom zeigte es sich, dab perora le Kalkzufuhr ohne nennenswer ten Einflul3 auf die Malignit i~tsdisposit ion ist.

Demgegenf iber wurde die Malignit i~tsdisposit ion durch verh~ltnis- m~13ig geringe Mengen (t~gliche Dosis 0,2-=0,3; Gesamtdosis hSchs~ens 6,5 g) von Kochsalz gesteigert.

Literaturver zeichnis. Braithwaite, J., Lancet 1901 - - Excess of salt in the diet with three other

factors the probable causes of cancer. London 1902. - - Omega (Pseudonym), Cancer its probable c~use etc. London 1903. - - Roerig, Dtsch. reed. Presse l g l l , Nr 22. - - Sticker, A., Dtseh. Medizinalztg 1902.