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Der Einfluss von Mandatstyp und Wahlkreiseigenschaften auf die inhaltlichen Positionen in Parlamentsreden: Eine Untersuchung anhand der parlamentarischen Debatten im Deutschen Bundestag von 1998 bis 2002 MARC DEBUS 1 UND HANNA B ACK 2 1 Fakultat fur Sozialwissenschaften, Universitat Mannheim, Mannheim, Deutschland 2 Department fur Politikwissenschaft, Universitat Lund, Schweden Zusammenfassung: Das Halten von Reden in Parlamenten ist eine zentrale Moglichkeit f ur gewahlte Repr asentanten, ihre inhaltlichen Standpunkte den Medien und damit einer breiten Offentlichkeit zu vermitteln. Dies kann insbesondere hilfreich sein, um Signale an die eigene Partei oder auch die Wahlerschaft im Wahlkreis zu senden, so dass ein Abgeordneter schlussendlich die Chancen erh oht, die Mehrheit der Stimmen im Wahlkreis (erneut) zu erzielen. In diesem Beitrag wird auf der Grundlage des Modells responsiven Handelns einerseits sowie des Prinzipal-Agenten- Ansatzes andererseits der Frage nachgegangen, inwiefern die in den Reden eingenommenen inhaltli- chen Standpunkte von den Wahlergebnissen und den sozio okonomischen Charakteristika in den Wahlkreisen, in denen die Abgeordneten kandidierten, sowie von den innerparteilichen Konfliktmu- stern und den pers onlichen Merkmalen der Abgeordneten beeinflusst werden. Die Ergebnisse, die auf einem alle in wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Debatten im Deutschen Bundestag zwis- chen 1998 und 2002 gehaltenen Reden, den strukturellen Merkmalen der Wahlkreise sowie den parteipolitischen und pers onlichen Eigenschaften der Abgeordneten umfassenden Datensatz beruhen, zeigen, dass Abgeordnete in ihren Reden programmatisch auf die Eigenschaften ihres Wahlkreises reagieren. Zudem spielen parteipolitische als auch institutionelle Faktoren wie die Mitgliedschaften in Aussch ussen oder in (fr uheren) Bundesregierungen eine ausschlaggebende Rolle. Schlagworter: Parlamentsreden; Deutscher Bundestag; Responsives Handeln; Prinzipal-Agenten- Theorie; Wahlkreiseigenschaften. 1 Einleitung 1 Nachdem im Februar 2009 Bundeskanzlerin Angela Merkel deutliche Kritik am Vatikan und hier insbesondere an Papst Benedikt XVI. aufgrund seines Umgangs mit Leugnern des 1 Wir bedanken uns bei den anonymen Gutachtern der Swiss Political Science Review fur die ausserst hilfreichen Kommentare und Anregungen sowie beim Mannheimer Zentrum fur Europaische Sozialforschung (MZES) der Universitat Mannheim und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) fur die Forderung des Projekts Intra- party Heterogeneity and its Political Consequences in Western Europe“ (DE 1667/2-1), in dessen Rahmen dieser Beitrag entstanden ist. Swiss Political Science Review 20(2): 330–353 doi:10.1111/spsr.12094 © 2014 Swiss Political Science Association

Der Einfluss von Mandatstyp und Wahlkreiseigenschaften auf die inhaltlichen Positionen in Parlamentsreden: Eine Untersuchung anhand der parlamentarischen Debatten im Deutschen Bundestag

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Page 1: Der Einfluss von Mandatstyp und Wahlkreiseigenschaften auf die inhaltlichen Positionen in Parlamentsreden: Eine Untersuchung anhand der parlamentarischen Debatten im Deutschen Bundestag

Der Einfluss von Mandatstyp undWahlkreiseigenschaften auf die inhaltlichen

Positionen in Parlamentsreden: Eine Untersuchunganhand der parlamentarischen Debatten im

Deutschen Bundestag von1998 bis 2002

MARC DEBUS1UND HANNA B€ACK

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1Fakult€at f€ur Sozialwissenschaften, Universit€at Mannheim, Mannheim, Deutschland2Department f€ur Politikwissenschaft, Universit€at Lund, Schweden

Zusammenfassung: Das Halten von Reden in Parlamenten ist eine zentrale M€oglichkeit f€urgew€ahlte Repr€asentanten, ihre inhaltlichen Standpunkte den Medien und damit einer breiten€Offentlichkeit zu vermitteln. Dies kann insbesondere hilfreich sein, um Signale an die eigene Parteioder auch die W€ahlerschaft im Wahlkreis zu senden, so dass ein Abgeordneter schlussendlich dieChancen erh€oht, die Mehrheit der Stimmen im Wahlkreis (erneut) zu erzielen. In diesem Beitragwird auf der Grundlage des Modells responsiven Handelns einerseits sowie des Prinzipal-Agenten-Ansatzes andererseits der Frage nachgegangen, inwiefern die in den Reden eingenommenen inhaltli-chen Standpunkte von den Wahlergebnissen und den sozio€okonomischen Charakteristika in denWahlkreisen, in denen die Abgeordneten kandidierten, sowie von den innerparteilichen Konfliktmu-stern und den pers€onlichen Merkmalen der Abgeordneten beeinflusst werden. Die Ergebnisse, dieauf einem alle in wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Debatten im Deutschen Bundestag zwis-chen 1998 und 2002 gehaltenen Reden, den strukturellen Merkmalen der Wahlkreise sowie denparteipolitischen und pers€onlichen Eigenschaften der Abgeordneten umfassenden Datensatzberuhen, zeigen, dass Abgeordnete in ihren Reden programmatisch auf die Eigenschaften ihresWahlkreises reagieren. Zudem spielen parteipolitische als auch institutionelle Faktoren wie dieMitgliedschaften in Aussch€ussen oder in (fr€uheren) Bundesregierungen eine ausschlaggebendeRolle.

Schlagw€orter: Parlamentsreden; Deutscher Bundestag; Responsives Handeln; Prinzipal-Agenten-Theorie; Wahlkreiseigenschaften.

1 Einleitung1

Nachdem im Februar 2009 Bundeskanzlerin Angela Merkel deutliche Kritik am Vatikanund hier insbesondere an Papst Benedikt XVI. aufgrund seines Umgangs mit Leugnern des

1 Wir bedanken uns bei den anonymen Gutachtern der Swiss Political Science Review f€ur die €ausserst hilfreichen

Kommentare und Anregungen sowie beim Mannheimer Zentrum f€ur Europ€aische Sozialforschung (MZES) der

Universit€at Mannheim und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) f€ur die F€orderung des Projekts „Intra-party Heterogeneity and its Political Consequences in Western Europe“ (DE 1667/2-1), in dessen Rahmen dieser

Beitrag entstanden ist.

Swiss Political Science Review 20(2): 330–353 doi:10.1111/spsr.12094

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Holocausts ge€aussert hatte, regte sich innerhalb von CDU und CSU deutlicher Unmut€uber das Vorgehen der CDU-Vorsitzenden (Die Welt 2009). €Offentlich €ausserten sich vorallem solche Parlamentsabgeordnete und weitere Repr€asentanten der Christdemokratenablehnend gegen€uber den €Ausserungen der Parteivorsitzenden Merkel, die aus prononciertr€omisch-katholisch gepr€agten Wahlkreisen und Regionen kamen. Vor dem Hintergrund,dass eine solch deutlich ge€ausserte €offentliche Kritik an der Parteivorsitzenden und Regie-rungschefin aus den eigenen Reihen eher selten vorkommt, stellt sich die Frage, was m€ogli-che Motivationen f€ur ein solches Verhalten sein k€onnen. Identifiziert man alsgrundlegendes Ziel politischer Akteure, bei den folgenden Wahlen ihren Stimmenanteil zumaximieren (Strøm und M€uller 1999), dann k€onnte ein Motiv dieser Unionspolitikergewesen sein, ihre Popularit€at unter den kirchengebundenen katholischen W€ahlern sowieCDU-Mitgliedern auf lokaler Ebene zu erh€ohen. Dies k€onnte die Chancen steigern, bei derkommenden Wahl (wieder-)gew€ahlt zu werden. Demnach k€onnte sich – gegeben eine ent-sprechende Interessenlage auf der Ebene des politischen Entscheidungsprozesses, auf der€uber die Nominierung als Kandidat entschieden wird – ein inhaltlich-programmatischesAbweichen von der Parteilinie durchaus lohnen.

Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob sich das legislative Verhalten von gew€ahltenAbgeordneten und hierbei insbesondere das inhaltliche Abweichen von der Position derPartei, der sie angeh€oren, von den strukturellen Merkmalen und Problemlagen sowie demvorhergehenden Wahlausgang in den entsprechenden Wahlkreisen beeinflusst wird. Wirargumentieren, dass – je nach kontextueller Situation auf regionaler Ebene in Form desvorigen Wahlergebnisses, des Typs des Abgeordnetenmandats und der sozio€okonomischenRahmenbedingungen – Abgeordnete inhaltlich dann von der Position der eigenen Parteiabweichen, wenn damit auf die Bed€urfnisse und Problemlagen des eigenen Wahlkreiseseingegangen werden kann. Dadurch dass die Fraktionsf€uhrungen als zentraler Akteur dieparlamentarische Agenda und Rednerliste bei Debatten entscheidend beeinflussen k€onnen,kann nicht nur der Nutzen f€ur die einzelnen Abgeordneten im Hinblick auf ihre Wie-derwahlchancen maximiert, sondern auch die Gewinnchancen der Partei insgesamt durchdie individuelle Anpassung der Policy-Positionen der Abgeordneten an die Bed€urfnisse inden einzelnen Wahlkreisen erh€oht werden. Wir testen unsere Erwartungen anhand einesDatensatzes, der Informationen zu den inhaltlichen Positionen umfasst, die die Abgeordne-ten des 14. Deutschen Bundestags in ihrem Parlamentsreden zum Politikfeld Wirtschaft,Finanzen und Soziales zwischen 1998 und 2002 eingenommen haben. Die Ergebnissezeigen, dass Abgeordnete auf die Eigenschaften ihrer W€ahlerschaft bzw. ihres Wahlkreisesreagieren, jedoch der Modus der Wahl eines Abgeordneten – Direktwahl im Wahlkreisoder €uber die Landesliste einer Partei – nur in Kombination mit den strukturellen Eigen-schaften der Wahlkreise und der letzten Ergebnisse auf Wahlkreisebene eine Rolle spielt.Zudem sind parteipolitische als auch institutionelle Faktoren wie die Mitgliedschaften inAussch€ussen oder in (fr€uheren) Bundesregierungen entscheidend daf€ur, in welchemAusmass ein Mitglied des Deutschen Bundestags von der inhaltlichen Position seiner Frak-tion zu wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Themen abweicht.

Um zu diesen Ergebnissen zu gelangen, geben wir zun€achst einen €Uberblick zum Standder Forschung hinsichtlich der R€uckkopplung des Verhaltens von Abgeordneten im Parla-ment und der Manifestierung innerparteilichen Konflikts im parlamentarischen Handelnund Entscheiden von Abgeordneten. Im Anschluss daran entwickeln wir auf der Grundlagedes Modells responsiven Regierens, des Prinzipal-Agenten-Ansatzes sowie institutionellerKomponenten wie insbesondere der Eigenschaften von Wahlsystemen Erwartungenhinsichtlich der Determinanten der in den Parlamentsreden vermittelten inhaltlichen

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Positionen. Abschnitt vier pr€asentiert die Ergebnisse der Analyse. Die Schlussbetrachtungfasst die gewonnenen Erkenntnisse zusammen und wirft Fragen f€ur an die Thematik ans-chliessende Forschungsvorhaben – etwa die Kultur von Parlamentsdebatten im Rahmendiskursanalytischer Theorien – auf.

2 Literatur€uberblick: Determinanten des legislativen Verhaltens von Abgeordneten

Parlamente stellen nicht nur die zentrale Kontrollinstanz f€ur die Exekutive sowie die Arenades legislativen Entscheidens €uber Politikinhalte dar, sondern bieten auch f€ur derenMitglieder die M€oglichkeit, sich durch die T€atigkeit in Aussch€ussen, die Initiierung vonGesetzesvorlagen und Anfragen sowie durch Redebeitr€age zu profilieren und Signale andie W€ahlerschaft, die Parteianh€anger und die Entscheidungstr€ager in der eigenen Partei zusenden (vgl. D€oring 1995; Saalfeld 2000; Becker und Saalfeld 2003; Proksch und Slapin2010, 2012). In diesem Zusammenhang und unter der Annahme, dass die gew€ahltenRepr€asentanten €ahnlich wie Parteien als kollektive Akteure versuchen, drei Ziele zu erfl€ulen– neben der Besetzung politischer €Amter, der Durchsetzung inhaltlicher Vorstellungen undder Maximierung der Stimmenanzahl bei der kommenden Wahl (Strøm and M€uller 1999)–, hat sich ein wesentlicher Teil der Forschung zum Verhalten von Parlamentsabgeordne-ten auf die Eigenschaften von Wahlsystemen und daraus ableitbaren Anreizen auf dasHandeln und Entscheiden von Parlamentskandidaten konzentriert. Dazu z€ahlen etwaFragen, Reden und Abstimmungen im Parlament (vgl. etwa Saalfeld 1995; Zittel undGschwend 2007; Sieberer 2008, 2010; Bernauer und Br€auninger 2009; Martin 2011; Hugund Martin 2012; Proksch und Slapin 2012), die den Mustern des Abstimmungsverhaltensin einem Parlament unterliegende Dimensionalit€at (etwa Poole und Rosenthal 1997; Hixet al. 2006; Hansen 2008; Shikano 2008; Debus und Hansen 2010; Alem�an und Saiegh2012) sowie die Determinanten der Mitgliedschaft von Abgeordneten in den Aussch€ussenvon Parlamenten (etwa Lancaster und Patterson 1990; Stratmann und Baur 2002; Manow2012). Zudem stellt das Einbringen von Gesetzesinitiativen eine M€oglichkeit dar, nicht nurals Fraktion Sichtbarkeit im politischen Prozess aufgrund neuer Policy-Vorschl€age zu zei-gen, sondern – aus der Perspektive eines eine Gesetzesvorlage initiierenden Abgeordneten –gegen€uber den W€ahlern im Wahlkreis und/oder der nominierenden Partei zu zeigen, wieh€aufig und in welcher Form sich im Parlament aktiv f€ur die Interessen des jeweiligenPrinzipals eingesetzt wurde (vgl. etwa Br€auninger et al. 2012; Brunner 2013).

Die individuellen Eigenschaften von Kandidaten und gew€ahlten Abgeordneten sowie dieKontextfaktoren, in denen sie in diesen Funktionen agieren, spielen eine zentrale Rolle,um das Verhalten der Repr€asentanten politischer Parteien im Wahlkampf und auch imParlament zu erkl€aren. So k€onnen Zittel and Gschwend (2007) auf der Grundlage einerUmfrage unter Kandidaten zum 15. Deutschen Bundestag zeigen, dass diese in ihremWahlkampfverhalten vor allem dann von den inhaltlichen Vorgaben ihrer Partei abweichen,wenn sie als Direktkandidaten im Wahlkreis antreten und zudem die Chancen hoch ein-sch€atzen, eine Mehrheit der Stimmen im entsprechenden Wahlkreis zu erringen. Auch dervon den Kandidaten subjektiv eingesch€atzten ideologisch-programmatischen Distanz vonder eigenen Partei kommt – den Ergebnissen von Zittel and Gschwend (2007) zufolge – einsignifikanter Effekt zu: Je mehr ein Kandidat inhaltlich von der ihn nominierenden Parteiabweicht, desto wahrscheinlicher ist es, dass er einen st€arker „individualisierten“ Wahl-kampf f€uhrt. Klingemann und Weßels (2001) konnten zudem zeigen, dass direkt gew€ahlteBundestagsabgeordnete die Interessen ihrer Wahlkreise st€arker in ihrem Handeln ber€uck-sichtigen als diejenigen, die €uber die Liste einer Partei ins Parlament gew€ahlt wurden.

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Sieberer (2010) untersucht – vor dem Hintergrund der sich aus dem deutschen Wahlsystemergebenden Anreize – das Abstimmungsverhalten von Abgeordneten im Deutschen Bun-destag auf der Grundlage von namentlichen Abstimmungen (vgl. auch Saalfeld 1995,2003). Auch unter Kontrolle weiterer theoretisch hergeleiteter Faktoren zeigt sich, dassdirekt in einem Wahlkreis gew€ahlte Abgeordnete sich mit signifikant h€ohererWahrscheinlichkeit der – im Deutschen Bundestag zudem starken (Sieberer 2006) –Fraktionsdisziplin bei namentlichen Abstimmungen entgegen stellen als Listenabgeordnete.Hug and Martin (2012) weisen anhand einer Analyse der namentlichen Abstimmungen imSchweizer Nationalrat nach, dass Abgeordnete, die in Kantonen mit Verh€altniswahlrechtgew€ahlt wurden, aufgrund ihres parlamentarischen Abstimmungsverhaltens inhaltlichn€aher an der ideologisch-programmatischen Position des Median-W€ahlers liegen als dieje-nigen, die in Kantonen mit Mehrheitswahl gew€ahlt wurden und aufgrund dessen in dasParlament in Bern eingezogen sind (vgl. auch Traber et al. 2013).

Bernauer und Br€auninger (2009) konzentrieren sich in ihrer Analyse weniger auf dasschlussendliche Abstimmungsverhalten als zu erkl€arende Variable, sondern vielmehr aufdie in den parlamentarischen Reden eingenommenen Positionen. Proksch and Slapin(2012) argumentieren auf der Basis eines theoretischen Modells, dass in Reden zu einemgeringeren Grad innerparteiliche programmatische Heterogenit€at sichtbar werden sollte, dadie jeweilige Fraktionsf€uhrung den Abgeordneten, die den inhaltlichen Kurs der Parteinicht mittragen, keine M€oglichkeit einr€aumen wird, in parlamentarischen Debatten zuWort zu kommen. F€ur dieses Argument finden die Autoren auf der Grundlage der Anzahlgehaltener Reden im britischen Unterhaus und Deutschen Bundestag empirische Evidenz.

Auch die Analyse legislativer Initiativt€atigkeit kann Informationen dar€uber liefern,inwiefern Wahlsysteme und sich daraus ergebende Anreize im Verhalten von Abgeordnetenwiderspiegeln. Bowler (2010) verdeutlicht nicht nur, dass Mitglieder des britischenUnterhauses vor allem dann legislative Vorlagen eigenst€andig in den Gesetzgebungsprozesseinbringen, je geringer ihr Abstand zum Zweitplatzierten im Wahlkreis bei der vorange-gangenen Unterhauswahl ausgefallen ist. Vielmehr wird ein solches Verhalten auch vonSeiten der W€ahler goutiert: W€ahler sch€atzen ihre Abgeordneten umso mehr, je h€aufigerdiese an legislativen Initiativen beteiligt waren. Br€auninger, Brunner und D€aubler (2012)k€onnen auf der Basis einer Untersuchung der legislativen Initiativt€atigkeit von Abgeordne-ten im belgischen Parlament zeigen, dass die Einf€uhrung von Vorzugsstimmen im Rahmenvon Verh€altniswahlsystemen Anreize daf€ur bietet, dass Abgeordnete in verst€arktem Massesich an der Initiierung von Gesetzesinitiativen beteiligen, um in der W€ahlerschaft aufAnerkennung zu stossen und somit die Chancen erh€ohen, aufgrund einer h€oheren Zahlvon Vorzugsstimmen bei der kommenden Parlamentswahl wiedergew€ahlt zu werden.

Zusammengefasst gibt es also Evidenz daf€ur, dass – je nach Ausgestaltung des Wahlsys-tems – Abgeordnete die Pr€aferenzen ihrer W€ahler in ihrem Handeln im Parlament ber€uck-sichtigen, selbst wenn dies den Interessen der eigenen Partei zu einem gewissen Gradzuwiderl€auft. Wenig ist jedoch dar€uber bekannt, ob Abgeordnete – im Anschluss an dieStudien von Bowler (2010) und Br€auninger et al. (2012) – die M€oglichkeit des Redens imParlament nutzen, um solche Positionen an die W€ahler weiterzugeben, die die lokalenInteressen und Problemlagen bedienen, auch wenn dies ein Abweichen von der Parteiliniemit sich bringen w€urde. Wir diskutieren daher im folgenden Abschnitt theoretischeAns€atze, die es erm€oglichen, spezifische Erwartungen im Hinblick auf die in Parlamentsre-den eingenommene inhaltliche Ausrichtung zu entwickeln.

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3 Theoretisches Argument und Hypothesen

Aus der Perspektive des Modells responsiven Regierens vertreten Abgeordnete in Parla-menten die Interessen ihrer W€ahlerschaft und versuchen, diese so weit wie m€oglich in poli-tische Ergebnisse umzuwandeln (Powell 2004; vgl. Ezrow et al. 2010). Letzteres sollte dieChancen erh€ohen, bei den n€achsten Wahlen wiedergew€ahlt zu werden. Diese Betrachtungs-weise, welche die W€ahlerschaft im Prozess des Regierens in modernen Demokratien alsultimativen Prinzipal identifiziert (vgl. auch M€uller 2000; Strøm 2000), ist in durch dasBestehen von Parteien strukturierten politischen Systemen nur bedingt politische Wirk-lichkeit. So wird innerhalb einer Partei, mitunter durch Einbeziehung aller Mitglieder odersogar der W€ahlerschaft insgesamt, entschieden, welche Bewerber als Kandidaten bei einerParlamentswahl aufgestellt werden, ob sie – je nach Ausgestaltung des Wahlsystems – ei-nen aussichtsreichen Platz auf der Parteiliste erhalten und/oder in einem Wahlkreis(erneut) als Direktkandidat nominiert werden. Demnach sind nicht nur die W€ahler undihre Pr€aferenzen f€ur das Handeln von Abgeordneten ausschlaggebend, sondern auch dieW€unsche der Partei, der ein Parlamentsmitglied angeh€ort und die damit in Form ihrer per-sonellen Spitze einen weiteren Prinzipal f€ur gew€ahlte Repr€asentanten darstellt. Aus diesemBlickwinkel des Bestehens mehrerer Prinzipale (Carey 2009), die voneinander abweichendePr€aferenzen einnehmen k€onnen, ergeben sich unterschiedliche Handlungsanreize f€ur dieAbgeordneten, die im hier diskutierten Fall die Agenten darstellen. Je nach Ausgestaltungdes Wahlsystems und der kontextuellen Faktoren in den Wahlkreisen, die die Abgeordne-ten betreuen und deren Strukturen dementsprechend auf das Handeln der gew€ahltenRepr€asentanten einwirken sollten, kann der aus Sicht eines einzelnen Abgeordneten domi-nierende Prinzipal variieren und sich damit das legislative Handeln des Abgeordneten€andern. Jedoch kann ein allzu grosses Mass an innerparteilichem programmatischen Kon-flikt den Erfolg der drei Ziele von parteipolitischen Akteuren – vote-, office- und policy-seeking – gef€ahrden, da ein inkongruentes Auftreten nicht nur auf Seiten der W€ahler zuIrritationen und einer sinkenden Bereitschaft zur Wahl der entsprechenden Partei f€uhren(vgl. Alvarez 1997; Snyder und Ting 2002), sondern auch die Stellung der Parteispitze sig-nifikant schw€achen kann, was wiederum den Einfluss einer Partei als kollektivem Akteurin Regierungsbildungsprozessen tendenziell mindert (vgl. Luebbert 1986; B€ack 2003).Sj€oblom (1968; vgl. Maor 1995) schlug daher vor, als viertes Ziel von Parteien die Her-beif€uhrung eines m€oglichst hohen Grades an programmatischer Koh€arenz zu identifizieren.

Es lassen sich allerdings auch Anreize, die zur Erf€ullung des Ziels der Stimmenmaximie-rung beitragen, f€ur Parteien und deren Spitze identifizieren, Abweichler von der Parteilinieeinen gewissen Spielraum im parlamentarischen Handeln wie etwa im Rahmen der aktivenTeilnahme an Debatten einzur€aumen. Diese Anreize k€onnen ihre Ursachen in derAusgestaltung des Wahlsystems haben und nicht nur zwischen verschiedenen politischenSystemen (Katz 1986; Carey und Shugart 1995; Mitchell 2000), sondern auch innerhalbeines Landes variieren (vgl. Norris 2004; Becher und Sieberer 2008). W€ahrend in reinenMehrheitswahlsystemen die Bedeutung der Pr€aferenzen der W€ahlerschaft und in reinenVerh€altniswahlsystemen die W€unsche der Partei f€ur das Handeln und Entscheiden einesAbgeordneten vor allem ausschlaggebend sein und die Interessen der Parteispitze in denHintergrund r€ucken sollten, so ist zu erwarten, dass in gemischten Wahlsystemen wie dem-jenigen zum Deutschen Bundestag die Kombination von Partei- und Wahlkreispr€aferenzenje nach Status als Direkt- oder Listenkandidat unterschiedlich wirken (vgl. auch Weßels1997; Sch€uttemeyer und Sturm 2005; Manow 2007, 2012). In einer vergleichenden Analyse,die sechs westeurop€aische Staaten umfasst, zeigen Shugart, Valdini und Suominen (2005),

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dass Abgeordnete in Verh€altniswahlsystemen vor allem dann ihre Verbundenheit zumWahlkreis betonen, wenn das Wahlsystem die Ver€anderung einer vorgegebenen Kandida-tenliste erm€oglicht und je kleiner die Anzahl der w€ahlbaren Kandidaten je Wahlkreis ist(vgl. auch Tavits 2010).

Gerade parlamentarische Debatten bieten sich zum Signalisieren von spezifischen ideo-logischen Positionen an die regionale und lokale W€ahlerschaft an. So ist das Abweichenbei (namentlichen) Abstimmungen zu kostenintensiv, da es den eigenen Fraktionen €offent-lich sichtbare Niederlagen im legislativen Prozess einbringen und zudem die eigene Karri-ere sch€adigen k€onnte (vgl. etwa Carrubba et al. 2008; Hug 2010). Stattdessen k€onnenAbgeordnete – um durch ihre parlamentarische Arbeit auf sich aufmerksam zu machen –neben der legislativen Initiativt€atigkeit Reden im Parlament halten und dort spezifische,gegebenenfalls von der Parteilinie abweichende Positionen formulieren, wobei sie jedochnat€urlich durch parteiinterne Hierarchien und die Gesch€aftsordnungen der Parlamente inAnzahl und L€ange der Reden beschr€ankt sind (vgl. M€uller et al. 2001; Sieberer et al.2011). Dennoch ist das Halten von Reden inklusive der dadurch transportierten program-matischen Botschaften eine M€oglichkeit, den eigenen Standpunkt zu verdeutlichen, in diemediale Berichterstattung zu gelangen und Signale an die eigene Partei sowie die W€ahler-schaft im eigenen Wahlkreis zu senden, ohne allzu grossen Schaden f€ur das Handeln derParteien und ihrer Fraktionen im Rahmen legislativer Entscheidungsverfahren her-beizuf€uhren (vgl. Hug 2010). So f€uhrt ein inhaltliches Abweichen beim Halten von Reden– im Gegensatz zum Wechsel der Lager bei Abstimmungen €uber legislative Vorlagen –nicht zu solchen Konsequenzen, die sich dann auch in den Ergebnissen des politischenProzesses in Form von Politikinhalten widerspiegeln. Aufbauend auf diesen €Uberlegungenund insbesondere den sich aus den Eigenschaften von gemischten Wahlsystemen ergeben-den Anreizen formulieren wir folgende erste Hypothese:

H1: Direkt €uber eine Mehrheit der Stimmen in einem Wahlkreis gew€ahlte Abgeordnete weichen

in ihren Parlamentsreden inhaltlich eher von der Position ihrer Fraktion ab als €uber die Listen

der Parteien gew€ahlte Abgeordnete.

Studien zum Parteienwettbewerb und auch zum legislativen Verhalten, die die Effekteder f€oderalen Strukturen eines politischen Systems hervorheben, betonen h€aufig die sichergebenden Anreize f€ur die Repr€asentanten der sub-nationalen Einheiten in Parteien oderin Parlamenten, in ihrem Handeln und Entscheiden die regionalen Kontextfaktoren zu in-tegrieren. Carey (2009; vgl. auch Thorlakson 2009) kann in einer vergleichenden Analysenachweisen, dass in f€oderal strukturierten Staaten der Grad des Abweichens von der Partei-linie auf Ebene der parlamentarischen Abstimmungen signifikant h€oher ist als in politi-schen Systemen und deren Parteien, die stark zentralistisch organisiert sind. Aufbauend aufdiesen Ergebnissen argumentieren wir, dass das parlamentarische Verhalten vom regionalenKontext abh€angig sein sollte. Eine kontextuelle Eigenschaft, die insbesondere f€ur die Partei-en, ihre Fraktionen und deren F€uhrung von zentraler Relevanz ist, ist die Knappheit desWahlausgangs auf lokaler Ebene, die intervenierend auf andere erkl€arende Variablen desHandelns und Entscheidens von Abgeordneten in Parlamenten einwirken sollte.

Da ein programmatisch inkongruentes Auftreten die Chancen von Parteien zur Maxi-mierung ihres Stimmenanteils erschweren wie auch ihr Verhandlungspotential tendenziellschw€achen sollte (Sj€oblom 1968; vgl. Maor 1995; B€ack 2003), steht zu erwarten, dass dieF€uhrung einer Parlamentsfraktion verst€arkt Druck auf diejenigen Abgeordneten, die ausumk€ampften Wahlkreisen kommen, aus€uben sollte, so dass diese in ihren Parlamentsredeneher der programmatischen Linie der Fraktion folgen. Ansonsten k€onnte das Bild der

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Partei insgesamt gesch€adigt werden, was wiederum die Chancen auf den Wahlerfolg derKandidaten in umk€ampften Wahlkreisen wie auch das Abschneiden der Partei insgesamtbeeintr€achtigen k€onnte (Alvarez 1997). Im Hinblick auf den Grad der inhaltlichen Abwei-chung in Abh€angigkeit des letzten Wahlausgangs im Wahlkreis gehen wir daher von folg-endem Zusammenhang aus:

H2: Abgeordnete weichen umso weniger von der programmatischen Position ihrer Partei in den

im Parlament gehaltenen Reden ab, je knapper der Wahlausgang im jeweiligen Wahlkreis bei

der letzten Wahl war.

Auf der Grundlage der Eigenschaften gemischter Wahlsysteme, die sowohl Komponen-ten der Direktwahl von Abgeordneten als auch der Wahl von Parteilisten kombinieren, las-sen sich in Kombination mit den bisherigen Er€orterungen zum Effekt der Knappheit desWahlausgangs im Wahlkreis zudem Erwartungen ableiten, die differenzierte Effekte f€urverschiedene Gruppen von Abgeordneten zulassen. Studien von Zittel und Gschwend(2007) sowie von Sieberer (2010, 2013) zeigen, dass sich direkt gew€ahlte Abgeordnetem€oglicherweise aufgrund ihrer institutionell gest€arkten Position mehr „Freiheiten“ in ihremVerhalten, Handeln und Entscheiden im Parlament herausnehmen als Parlamentsmitglie-der, die €uber eine Parteiliste zu ihrem Mandat gelangt sind. Sollte dieses Direktmandat nurknapp errungen und damit – gleichzeitig mit dem Status als Wahlkreisabgeordneter – beider n€achsten Wahl gef€ahrdet sein, dann sollten gerade die betroffenen Abgeordneten versu-chen, durch ihr legislatives Verhalten aufzufallen, auch wenn dies eine inhaltliche Abwei-chung von der Parteiposition bedeutet. Dies sollte die Chance erh€ohen, auch bei denkommenden Wahlen einen Wahlkreis direkt zu gewinnen und damit den mit einem Direkt-mandat erworbenen Abgeordnetenstatus beizubehalten. So kann Bowler (2010) nachwei-sen, dass Abgeordnete des britischen Unterhauses umso mehr Gesetzesinititiaven („privatebills“) einbringen (und damit tendenziell eher von der Parteilinie abweichen), je knapperder Abstand im Wahlkreis zum zweitplatzierten Kandidaten war. Wir gehen – €ubertragenauf das Verhalten von Mitgliedern des Deutschen Bundestags – daher davon aus, dass sichder Effekt der Knappheit des Wahlausgangs auf den Grad des Abweichens von der Partei-linie in Abh€angigkeit des Mandatstyps verst€arkt: Vor allem mit einem Direktmandatausgestatte Abgeordnete sollten in ihren Reden umso mehr von der Parteilinie abweichen,je knapper ihr Vorsprung bei der letzten Wahl vor dem Zweitplatzierten war (H3).

Der Ausgang der letzten Wahl auf Ebene der Wahlkreise ist jedoch nicht der einzigekontextuelle Faktor auf regionaler Ebene, der das Verhalten von Abgeordneten in parla-mentarischen Debatten pr€agt. So sind letztere wie auch Parteien und deren Fraktionsf€uhrungim Parlament um die mitunter ungleich €uber die Regionen und Wahlkreise verteiltenPr€aferenzen der W€ahler und die spezifische sozio€okonomische Lage, dem sich eine Regiongegen€ubergestellt sieht (vgl. Giger et al. 2011; M€uller 2009, 2013), in der Regel informiert.Um das Ziel der Stimmenmaximierung zu erreichen, sollten die Abgeordneten versuchen,sich im Rahmen parlamentarischer Debatten insbesondere zu solchen Themen zu €aussern,die die regionale Problemlage und die davon beeinflussten Interessen der W€ahlerschaftbesonders gut treffen. Damit beispielsweise ein liberaler oder sozialdemokratischer Kandi-dat in l€andlichen Regionen eine bessere Chance auf die Maximierung der Stimmenzahloder auch auf Wiederwahl hat, sollte er – etwa in Fragen der Gesellschaftsordnung – eherkonservative Positionen einnehmen, um – gegeben dass W€ahler in l€andlichen Regionentendenziell traditionalistischer eingestellt sind – der Position des Median-W€ahlers m€oglichstnahe zu kommen. Umgekehrt sollten christdemokratische oder Abgeordnete einer konser-vativen Partei, die einen urban gepr€agten Wahlkreis vertreten, eher progressive Positionen

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vertreten, um sich in eine bessere Position im Kampf um die Stimmen im Wahlkreis zubringen. Ein solches Verhalten sollte die Chancen erh€ohen, das Mandat (erneut) zugewinnen. Studien zum Parteienwettbewerb in Mehrebenensystemen zeigen, dass sich diesub-nationalen Landesverb€ande einer Partei programmatisch an die sozialstrukturellenEigenschaften und Einstellungen der entsprechenden W€ahlerschaft sowie an densozio€okonomischen Problemdruck, dem sich eine Region innerhalb eines f€oderal organi-sierten Staates gegen€ubersteht, anpassen, um spezifische Interessen und Pr€aferenzen derregionalen W€ahlerschaft besser abbilden zu k€onnen (M€uller 2009, 2013; Giger et al. 2011;Br€auninger 2009; Br€auninger und Debus 2012; Baumann et al. 2013a; vgl. auch Vatterund Freitag 2005; Freitag und Vatter 2008, 2010). Wenn W€ahler ihre Wahlentscheidungauch retrospektiv treffen und damit nicht nur Parteien, sondern auch deren Kandidatenf€ur ihre Leistung in der vergangenen Legislaturperiode evaluieren (Lewis-Beck undStegmaier 2000; Bowler 2010; Rattinger und Steinbrecher 2011; Steinbrecher und Steiner2011; Debus et al. 2014), dann sollten Abgeordnete einen Anreiz haben, die lokaleProblemlage in ihrem parlamentarischen Handeln und Entscheiden zu ber€ucksichtigen, umihre Wiederwahlchancen zu erh€ohen. Unsere Erwartung ist daher:

H4: Je h€oher der €okonomische Problemdruck in einem Wahlkreis ist, desto st€arker weichen

Abgeordnete in Debatten zu wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Themen von der Position

ihrer Partei ab.

Analog zur ersten und dritten Hypothese sollte sich der in Hypothese 4 formulierte Zu-sammenhang verst€arken, wenn die Abgeordneten im institutionellen Setting eines gemisch-ten Wahlsystems €uber ein direkt gewonnenes Wahlkreis- und nicht €uber ein Listenmandatverf€ugen: Direkt gew€ahlte Abgeordnete sollten umso mehr von der Parteilinie abweichen,je h€oher der €okonomische Problemdruck – anders ausgedr€uckt: je schlechter die wirtschaft-liche Lage – in ihrem Wahlkreis ist (H5).

Abbildung 1 fasst unsere Argumente hinsichtlich des Einflusses des regionalen Kontextesauf das Halten von Reden in Parlamenten und den darin vertretenen Positionen zusam-men. Dabei wird auch verdeutlicht, dass die hier diskutierten Variablen bei weitem nichtdie einzigen Faktoren sind, die den Inhalt von Parlamentsreden beeinflussen, sondernnat€urlich auch von der Stellung eines Abgeordneten innerhalb der Fraktion, seiner eventu-ell gleichzeitig bestehenden Funktion im Kabinett sowie seiner Mitgliedschaft in einer dieThematik einer Debatte ber€uhrenden Parlamentsaussch€usse determiniert sein sollten (vgl.M€uller et al. 2001; B€achtiger und Hangartner 2010: 615f.). Auch die Mitgliedschaft in einerinhaltlich mit dem Debattenthema verwandten Interessengruppe – wie einer Gewerkschaftoder einem Arbeitgeberverband im Falle wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischer Diskus-sionen im Parlament – mag die L€ange einer Rede als auch die von einem Abgeordnetendarin vertretene programmatische Position beeinflussen.

Um die Hypothesen auch unter Kontrolle der letztgenannten Faktoren zu testen, bedarfes einer F€ulle von Daten. Der n€achste Abschnitt legt daher dar, welche Datenquellen zur€Uberpr€ufung der aufgestellten Hypothesen herangezogen und welche Methoden angewandtwerden, um die in diesem Beitrag aufgeworfene Fragestellung zu beantworten.

4 Daten und Operationalisierung

Zur Analyse des Verhaltens, Handelns und Entscheidens von Parlamentsabgeordnetenbieten sich eine Reihe von M€oglichkeiten an, von denen jede €uber Vor- und Nachteileverf€ugt. W€ahrend bei der Verwendung namentlicher Abstimmungen zur Ermittlung der

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Idealpositionen von Abgeordneten das Problem besteht, aufgrund des Drucks der Frak-tionsf€uhrung auf die einzelnen Abgeordneten, gem€ass der Parteilinie abzustimmen, m€ogli-cherweise nicht ihre eigentliche ideologisch-programmatische Position ermittelt werdenkann (Carubba et al. 2008; Hug 2010)2, so ergibt sich bei Befragungen unter Abgeordnetenoder Parlamentskandidaten h€aufig das Problem der geringen R€ucklaufquote, was zu einerhohen Zahl von F€allen f€uhrt, die in den Analysen entweder nicht ber€ucksichtigt werdenk€onnen oder mit Hilfe von statistischen Imputationsverfahren ermittelt werden m€ussen(vgl. etwa Norris und Lovenduvsky 1995; Zittel and Gschwend 2007; Kam et al. 2010).Wir konzentrieren uns daher auf das tats€achliche Verhalten der Abgeordneten imParlament und analysieren die R€uckkopplung der parlamentarischen T€atigkeit vonAbgeordneten im Hinblick auf die Pr€aferenzen der beiden Prinzipale – die W€ahlerschaft imWahlkreis sowie die Partei, der ein Parlamentarier angeh€ort – auf der Grundlage desInhalts der im 14. Deutschen Bundestag von Oktober 1998 bis Oktober 2002 gehaltenenReden. Mit der Konzentration auf den Deutschen Bundestag ist es m€oglich, Effekte un-terschiedlicher Mandatstypen – Listenmandat und Direktmandat – zu analysieren.3 Der

Knappheit des Wahlkreises

Ökonomischer Problemdruck im Wahlkreis

Abweichung von der Parteilinie

Regionaler Kontext Reden im Parlament [+]

Im Wahlkreis direkt gewählt

[+]

Im Wahlkreis direkt gewählt

[+]

[–]

Kontrollgrößen

Fraktionsführung

„Hinterbänkler“

Kabinettsmitglied

Ausschussmitglied

Mitglied Interessengruppe

Abbildung 1: Zusammenfassung der Hypothesen

2 Ein Beispiel ist die Abstimmung €uber die Versch€arfung der Schwangerschaftsabbruchgesetzgebung im irischen

Parlament 2001, die unter Fraktionsdisziplin stattfand. Jedoch nutzten €uber 50 der 166 irischen Parlamentsabge-

ordnete die M€oglichkeit, €uber einen Debattenbeitrag ihre Position zur Schwangerschaftsabbruchregelung einer

breiten €Offentlichkeit mitzuteilen. Dabei wichen die Abgeordneten der Regierungsfraktionen deutlich von der

Haltung des von ihnen getragenen Kabinetts und damit ihrer Parteien ab, um dann in der namentlichen Abstim-

mung wieder der Fraktionslinie zu folgen (Baumann et al. 2013b). Eine reine Konzentration auf das Abstim-

mungsverhalten der irischen Parlamentsabgeordneten h€atte zu einer deutlichen Untersch€atzung der

innerparteilichen Heterogenit€at in dieser Sachfrage gef€uhrt.3 Wir differenzieren nicht zwischen Wahlkreiskandidaten, die gleichzeitig Listenkandidaten waren, und Direktkan-

didaten, die nicht €uber eine Parteiliste abgesichert waren (vgl. Manow 2012).

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Fokus liegt dabei auf allen Redebeitr€agen, die in Bundestagsdebatten mit einer explizitwirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen thematischen Ausrichtung gehalten wurden. Eswird dabei nicht zwischen verschiedenen Typen von Debatten unterschieden, da wir davonausgehen, dass Abgeordnete jede Redem€oglichkeit im Parlament nutzen, um „ideologischeSignale“ (Pappi und Shikano 2004) an ihre Prinzipale zu senden. Die Zuordnung der Par-lamentsdebatten zum sozio€okonomischen Politikfeld erfolgte auf der Grundlage einermanuellen Codierung der Themen einer Debatte. Der Orientierungsrahmen bei der Erstel-lung der Politikfelder stellte die Kabinettsstruktur der Bundesregierung einerseits sowie diethematische Gliederung der Bundestagsaussch€usse andererseits dar (siehe Tabelle 1).

Das sozio€okonomische Politikfeld spiegelt nicht nur die zentrale Konfliktdimension, an dersich Parteienwettbewerb und auch Wahlverhalten in Deutschland orientiert, wider (vgl. Pappiund Shikano 2002), sondern umfasste – zumindest in der untersuchten Zeitperiode – auch dasaus W€ahlersicht alle anderen Themenbereiche in seiner Bedeutung €uberragende Problem derArbeitslosigkeit (vgl. Feist und Hoffmann 1999; Emmert et al. 2001). Wenn Abgeordnete diePr€aferenzen ihrer lokalen W€ahlerschaft bzw. den Problemdruck, dem sich ein Wahlkreisgegen€ubergestellt sieht, im Rahmen ihres Handelns und Entscheidens im Parlament ber€uck-sichtigen, dann sollte dies vor allem bei einem Issue der Fall sein, dem eine hohe Bedeutungaus Sicht der W€ahlerschaft sowie auf Basis der medialen Berichterstattung zukam. Unsereabh€angige Variable stellt daher die inhaltliche Position dar, die Abgeordnete in Bundes-tagsdebatten, die dem Politikfeld Wirtschaft, Finanzen und Soziales zugeordnet werdenkonnten, in der 14. Legislaturperiode des Bundestags in ihren Redebeitr€agen ge€ausserthaben.4 W€ahrend deren Verlaufs von Oktober 1998 bis Oktober 2002 geh€orten demBundestag bis zu 700 Mitglieder an. Dieser Wert liegt h€oher als die Anzahl der 669 gew€ahltenAbgeordneten, da auch diejenigen Bundestagsmitglieder einbezogen werden, die ihr Mandatim Laufe der Legislaturperiode niederlegten oder als Abgeordnete nachr€uckten.

Um die in diesen Reden seitens der Abgeordneten eingenommene programmatische Posi-tion im Bereich Wirtschaft und Soziales zu bestimmen, bedienen wir uns dem zur Analysevon Parlamentsreden bereits erfolgreich angewandten Wordscores-Verfahren (Laver et al.2003).5 Die Grundannahme des Wordscores-Verfahrens ist, das politische Akteure wieParteien und Abgeordnete die W€orter in programmatischen Dokumenten oder Reden nichtzuf€allig ausw€ahlen, sondern mit dem Heranziehen bestimmter W€orter eine programmati-sche Botschaft aussenden wollen. Die M€oglichkeit des Redens im Parlament kann vonAbgeordneten genutzt werden, um ihrer lokalen W€ahlerschaft ihre spezifischen, ggf.von der Parteilinie abweichenden Positionen zu vermitteln. Zur Ermittlung der Positionenvon politischen Akteuren, deren inhaltliche Position auf einer Politikdimension unbekanntist, werden bei der Anwendung des Wordscores-Verfahrens Referenztexte (also Doku-mente, deren programmatische Position bekannt sind) und Referenzwerte, die den Referenz-texten und den darin enthaltenen W€ortern zugeordnet werden, ben€otigt. Um die

4 Folgt man der Argumentation von Stratmann and Baur (2002), dann dienen diese Politikfelder weniger gut zur

lokalen Profilierung. Allerdings k€onnen durch das Halten von Parlamentsreden Signale an die W€ahlerschaft im

Wahlkreis – vermittelt €uber die lokalen Medien oder anhand von Informationsmaterial der Partei vor Ort – gesen-

det werden, die aufzeigen, dass vom entsprechenden Bundestagsmitglied die lokale, spezifische €okonomische

Problemstruktur erkannt und im Rahmen seiner legislativen T€atigkeit aufgegriffen wurde. Letzteres sollte sich

positiv auf das Bild des jeweiligen Abgeordneten in der lokalen €Offentlichkeit und damit auf seine Wiederwahl-

chancen auswirken.5 Vgl. auch Laver und Benoit (2002), Bernauer und Br€auninger (2009) sowie Giannetti und Laver (2009) f€ur eine

auf dem Wordscores-Verfahren basierende Analyse der Reden von Abgeordneten im irischen, deutschen und

italienischen Parlament.

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sozio€okonomische Links-Rechts-Position der Abgeordneten, die eine Rede in einerwirtschaftspolitischen Debatte gehalten haben, zu ermitteln, ziehen wir als Referenztextesowohl alle Reden der w€ahrend der Legislaturperiode amtierenden Fraktionsvorsitzendenvon Union, SPD, FDP, B€undnis 90/Die Gr€unen und PDS zum sozio€okonomischenThemengebiet als auch – um die Anzahl der W€orter, die von den Referenztexten abgedecktwerden, zu erh€ohen – die Volltexte der Wahlprogramme der Bundestagsparteien zurBundestagswahl 2002 heran. Diesen werden die von Benoit und Laver (2006) im Rahmeneiner Expertenbefragung erhobenen Parteipositionen zur wirtschafts-, finanz- und sozialpo-litischen Politikdimension („high taxes vs. low spending“) zugeordnet. Insgesamt gehen indie Analyse die zum Politikfeld Wirtschaft und Soziales gehaltenen Reden von 395Abgeordneten ein. Die Reden eines Abgeordneten werden in einer Datei zusammengef€uhrt,so dass der Grad der Abweichung von der Parteiposition in wirtschafts-, finanz- undsozialpolitischen Fragen ermittelt und dessen Determinanten bestimmt werden k€onnen.

Die erkl€arenden Variablen entstammen sowohl der offiziellen Statistik als auch denKurzbiographien der Abgeordneten, wie sie im K€urschners Handbuch des Deutschen Bun-destages (K€urschners Volkshandbuch 1999) sowie auf deren Internetauftritten wiedergege-ben sind. Informationen €uber die Erststimmenanteile der Kandidaten und die daraufbasierende Berechnung der „Knappheit“ eines Wahlkreises aufgrund der Wahlergebnisseder Bundestagswahl 1998 sowie sozio€okonomischen Strukturdaten der Wahlkreise wie dieArbeitslosenquote zum Ende des Jahres 1997 entstammen dem Datenangebot des Bundes-wahlleiters. Auf der Grundlage dieser Daten konnte zudem identifiziert werden, welche Ab-geordnete aufgrund einer relativen Mehrheit der Erststimmen als Wahlkreiskandidatendirekt ein Bundestagsmandat errangen bzw. zwar als Wahlkreiskandidat antraten, abernicht direkt gew€ahlt wurden, sondern €uber die jeweiligen Landeslisten der Parteien in den14. Deutschen Bundestag eingezogen sind. Die Kurzbiographien der Abgeordneten inK€uurschners Volkshandbuch (K€urschners Volkshandbuch 1999) sowie auf der Webseite desBundestages zu seinen Mitgliedern der Legislaturperiode von 1998 bis 2002 erm€oglichen zu-dem die Erstellung von Erkl€argr€ossen, die Informationen dazu liefern, ob ein AbgeordneterTeil der zwischen 1998 und 2002 amtierenden Bundesregierung und somit Minister oderparlamentarischer Staatssekret€ar, Mitglied der Fraktionsspitze oder ein „Hinterb€ankler“ –definiert dar€uber, dass ein Abgeordneter nicht Teil der Fraktionsf€uhrung sowie kein Leitereines Ausschusses bzw. eines fraktionsinternen Arbeitskreises ist – war. Des Weiteren kannanhand der vom Deutschen Bundestag bereitgestellten Informationen eine Variable gebildetwerden, welche die Mitglieder in Aussch€ussen identifiziert.6 €Uber die Kurzbiographien der

Tabelle 1: Zuordnung von Parlamentsreden zu Politikfeldern einer sozio€okonomischen Makropolitik-

dimension

Makropolitikdimension Politikfelder

Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik Haushalt und Finanzen, Wirtschaft, Handel, Soziales,

Industrie, Arbeit und Besch€aftigung, Post undTelekommunikation

6 Folgende Aussch€usse des 14. Deutschen Bundestages wurden dem Makropolitikfeld Wirtschaft, Finanzen und

Soziales zugeordnet: Der Finanzausschuss, der Haushaltsausschuss, der Ausschuss f€ur Wirtschaft und Technologie

sowie der Ausschuss f€ur Arbeit und Sozialordnung.

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Abgeordneten ist zudem ermittelbar, ob sie Mitglieder von Gewerkschaften oder Arbeitge-berverb€anden waren bzw. dies in ihrer Kurzbiographie angaben.

Von den 395 Abgeordneten, die eine Rede zu einer wirtschafts-, finanz- oder sozialpoli-tischen Debatte gehalten haben, k€onnen die wirtschaftspolitischen Positionen von 366 Bun-destagsmitgliedern auf der Basis ihrer Reden mit Hilfe des „Wordscores“-Verfahrensbestimmt werden (vgl. Tabelle 1). Bei den verbleibenden 29 Abgeordneten waren dieReden – bemessen an ihrer aufsummierten Wortzahl – zu diesem Makropolitikfeld zukurz7, so dass es nicht opportun erschien, sie einer quantitativen computerisierten Inhalts-analyse zu unterziehen. Um die Determinanten des Grads der inhaltlichen Abweichungeines Abgeordneten von der Position der Partei zu analysieren, wird als abh€angige Variableder Betrag der einfachen Distanz zwischen der mit Wordscores ermittelten wirtschaftspoli-tischen Position eines Abgeordneten und seiner Partei, welche €uber den Mittelwert dersozio€okonomischer Positionen aller Fraktionsmitglieder bestimmt wird, herangezogen. Dadie Auspr€agung dieser Variable, die den Wert der Distanz zwischen wirtschafts- undsozialpolitischen Position eines Abgeordneten und seiner Fraktion widergibt, nicht kleinerals Null sein kein, bietet sich als Analyseverfahren ein Tobit-Regressionsmodell an. Diesesber€ucksichtigt, dass die Auspr€agungen der zu erkl€arenden Variable nach unten und/odernach oben begrenzt sein kann. Die Eigenschaften der abh€angigen wie der erkl€arendenVariablen, die in die Analyse eingehen, sowie die erwartete Richtung der Koeffizienten sindin Tabelle 2 zusammenfassend abgetragen.

5 Determinanten des Abweichens von der Position der eigenen Partei

Nehmen die Abgeordneten in ihren Reden Positionen ein, die verst€arkt die Struktur undProblemlagen der Wahlkreise ber€ucksichtigen? Im theoretischen Abschnitt hatten wir argumen-tiert, dass Abgeordnete die Redem€oglichkeit im Parlament nutzen k€onnen, um ideologischeSignale an ihre lokale W€ahlerschaft auszusenden, aber – aufgrund des Interesses der Partei-und Fraktionsf€uhrung an einem einheitlichen Auftreten und ihrer Sanktionierungsm€oglichkei-ten gegen€uber den Abgeordneten – Fraktionsmitglieder aus umk€ampften Wahlkreisenprogrammatisch in ihren Redebeitr€agen eher auf Parteilinie bleiben sollen. Abbildung 2 gibtzun€achst die Ergebnisse der Wordscores-Analyse der Reden von Abgeordneten aus Bundes-tagsdebatten zu einem sozio€okonomischen Themengebiet, ausdifferenziert nach Partei-zugeh€origkeit, in deskriptiver Form wieder. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anordnung derParteien auf einer zwischen „linken“, f€ur einen in sozio€okonomischen Fragen pl€adierenden„starken Staat“ und „rechten“, wirtschaftsliberale Positionen widerspiegelnden Dimensionmit dem g€angigen Bild vom ideologischen Parteienwettbewerb in der BundesrepublikDeutschland €ubereinstimmt: Die Mitglieder der PDS-Fraktion vertraten in ihren Parlaments-reden der 14. Wahlperiode eher „linke“ Positionen, Abgeordnete von SPD und vor allem derGr€unen waren moderat ausgerichtet, wohingegen die Redner aus den Reihen der CDU undinsbesondere von CSU und FDP eher wirtschaftsliberale Haltungen in ihren Reden einnah-men.8 Die in Abbildung 2 abgetragene Verteilung der von den Abgeordneten in ihren Redeneingenommenen Positionen macht allerdings auch deutlich, dass es durchaus Varianz in densozio€okonomischen Ausrichtungen der Abgeordneten innerhalb von Parteien und Fraktionen

7 Die Reden dieser 29 Abgeordneten zum sozio€okonomischen Makropolitikfeld umfassten in der 14. Legislatur-

periode des Deutschen Bundestages insgesamt nicht mehr als 500 W€orter pro MdB.8 CDU und CSU bilden zwar eine Fraktionsgemeinschaft im Deutschen Bundestag, werden aber in der Analyse

aufgrund mitunter divergierender parteiinterner Interessen getrennt behandelt.

Der Einfluss von Mandatstyp und Wahlkreiseigenschaften 341

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gibt, so dass eine Analyse der Bestimmungsfaktoren des Abweichens von der Parteilinie poli-tikwissenschaftlich relevant erscheint.

Die in Tabelle 3 wiedergegebenen Ergebnisse der Tobit-Regressionsanalysen zeigen, dasserwartungsgem€ass Kabinetts- und Ausschussmitglieder in statistisch signifikanter Weiseweniger von der wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Ausrichtung ihrer Fraktionabweichen. Kein signifikant von Null verschiedener Effekt liegt hingegen f€ur „Hin-terb€ankler“, Mitglieder der Fraktionsspitze und von wirtschafts- und sozialpolitischen

Tabelle 2: Auspr€agungen der abh€angigen und unabh€angigen Variablen und erwartete Wirkungsrich-

tung

Variable N MittelwertStandard-abweichung Min. Max.

ErwarteterEffekt – Distanz

zur Partei

Abh€angige Variable

Distanz zwischensozio€okonomischer Positiondes Abgeordnetenund seiner Partei

366 4,18 3,28 0,00 15,87

Haupterkl€arungsvariablenDirekt gew€ahlterWahlkreiskandidat

700 0,47 0,50 0 1 +

Knappheit des Wahlkreises(Kehrwert desAbstands zwischen

Erst- und Zweitplatziertemauf Grundlage desErststimmenanteils in

den Wahlkreisen 1998)

660 0,06 0,50 0 8,38 +

Arbeitslosenquoteim Wahlkreis (1997)

660 13,14 4,70 5,9 27 +

Kontrollvariablen

Mitglied derFraktionsf€uhrung

700 0,07 0,26 0 1 –

Kabinettsmitglied 700 0,05 0,22 0 1 –

Ausschussmitglied 700 0,22 0,41 0 1 –Hinterb€ankler 700 0,81 0,39 0 1 +Mitglied einer

Gewerkschaft

700 0,29 0,45 0 1 +

Mitglied einesArbeitgeberverbandes

700 0,02 0,15 0 1 +

Ostdeutschland 700 0,18 0,39 0 1CDU 700 0,30 0,46 0 1CSU 700 0,07 0,25 0 1SPD 700 0,44 0,50 0 1

FDP 700 0,06 0,25 0 1B€undnis 90/Die Gr€unen 700 0,07 0,26 0 1PDS 700 0,06 0,23 0 1

Quellen: K€urschners Volkshandbuch (K€urschners Volkshandbuch 1999) sowie Webseiten des Deut-schen Bundestages, des Bundeswahlleiters und der einzelnen Abgeordneten.

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Interessengruppen vor. Im Hinblick auf die Variablen, die die in unseren Hypothesen auf-gestellten Zusammenh€ange reflektieren, geht vom Typus des Mandats alleine kein Effektauf den Grad des programmatischen Abweichens aus. Dies widerspricht somit unserer er-sten Hypothese: Direkt in einem Wahlkreis gew€ahlte Bundestagsabgeordnete weichen nichtin st€arkerem Ausmass von der Position ihrer Partei in sozio€okonomischen Fragen ab als€uber die Parteiliste in das Parlament gew€ahlte Repr€asentanten. Jedoch weist die Variable,die €uber die Knappheit der Wahlkreise Aufschluss gibt, einen statistisch signifikanten undnegativen Effekt auf: Wenn Abgeordnete in der 14. Legislaturperiode des DeutschenBundestages f€ur Wahlkreise mit einem knappen Erststimmenergebnis zust€andig waren,dann formulierten diese Bundestagsmitglieder in ihren Parlamentsreden eher wirtschafts-politische Positionen, die nahe an den Vorstellungen ihrer jeweiligen Partei lagen. Diesstimmt mit dem in Hypothese 2 formulierten Zusammenhang €uberein: Offenbar f€uhrt dersich aus den Sanktionierungsm€oglichkeiten einer Fraktion oder Partei ergebende Druckauf diejenigen Abgeordneten, die aus umk€ampften Wahlkreisen kommen, dazu, dass diesein ihren Parlamentsreden eher der programmatischen Linie der Fraktion folgen.

Ausschlaggebend und in €Ubereinstimmung mit unseren Erwartungen ist zudem derEffekt der Variable, der von der H€ohe der Arbeitslosigkeit im Wahlkreis ausgeht: Je h€oherder €uber die Arbeitslosenquote gemessene sozio€okonomische Problemdruck vor Ort ist,desto gr€osser ist – unter Kontrolle aller weiteren Faktoren – die Abweichung eines Ab-geordneten von der wirtschafts- und sozialpolitischen Position der Partei, der er angeh€ort.Dies kann als Unterst€utzung f€ur den Ansatz des responsiven Regierens in modernen,repr€asentativ organisierten Demokratien gewertet werden und unterst€utzt den inHypothese 4 formulierten Zusammenhang: Offenbar ber€ucksichtigen Parlamentarier die

–10 0 10 20 30Sozioökonomische Links-Rechts-Position

PDS

Grüne

FDP

SPD

CSU

CDU

Abbildung 2: Verteilung der Positionen der Bundestagsabgeordneten je Fraktion auf einer

sozio€okonomischen Links-Rechts-Dimension

Anmerkungen: „Wordscores“-Sch€atzungen auf der Grundlage der Reden von Bundestagsabgeordneten

in Debatten der 14. Legislaturperiode mit wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischem Hintergrund.

Der Einfluss von Mandatstyp und Wahlkreiseigenschaften 343

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Tabelle 3: Tobit-Regressionsanalyse der Determinanten der programmatischen Distanz zwischen der

sozio€okonomischen Position von Abgeordneten und Fraktion

Modell 1 Modell 2

Haupterkl€arungsvariablenDirektwahl im Wahlkreis 0.87 1.54

(1.12) (1.37)Arbeitslosenquote im Wahlkreis in% (1997) 0.15* 0.19+

(0.07) (0.10)Knappheit des Wahlkreises -0.54** -0.63**

(0.12) (0.17)

Direktwahl X Arbeitslosenquote im Wahlkreis -0.13 -0.19(0.09) (0.12)

Direktwahl X Knappheit des Wahlkreises 0.43** 0.50*

(0.15) (0.20)KontrollvariablenMitglied einer Gewerkschaft 0.31 0.07

(0.43) (0.45)

Mitglied eines Arbeitgeberverbandes -0.60 0.16(0.83) (0.72)

Ausschussmitglied -0.96** -1.00*

(0.35) (0.41)Ostdeutschland 0.55 0.93

(0.52) (0.70)

„Hinterb€ankler“ 0.70 0.71(0.51) (0.56)

Mitglied der Fraktionsspitze -0.51 -0.64(0.68) (0.81)

Kabinettsmitglied -1.23* -1.88**(0.53) (0.55)

CDU 1.79** 1.44**

(0.52) (0.54)CSU 0.08 -0.18

(0.61) (0.63)

FDP 1.54*(0.78)

B€undnis 90/Die Gr€unen -0.96

(0.64)PDS -2.27** -3.78**

(0.77) (1.16)Konstante 1.89* 1.64

(0.96) (1.23)sigma 2.94** 2.95**

(0.13) (0.15)

N 352 282pseudo R² 0.038 0.041AIC 1796.92 1445.02

Anmerkungen Nach Bundesl€andern geclusterte robuste Standardfehler in Klammern. + = p < 0,1; * =p < 0,05; ** = p < 0,01. Referenzgruppe sind Abgeordnete der SPD-Fraktion. Modell 2 ber€ucksichtigtnur die Abgeordneten von SPD, CDU/CSU sowie – mit der Begrenzung auf Ostdeutschland – der PDS.

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€okonomische Lage in ihrem lokalen Umfeld, wenn sie in Bundestagsdebatten ihrewirtschafts- und sozialpolitische Position formulieren. Allerdings verst€arkt sich dieserEffekt – im Gegensatz zu unseren Erwartungen – nicht, wenn zwischen direkt im

24

68

10V

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5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27Arbeitslosenanteil im Wahlkreis (1997)

Listenmandat Direktmandat

Abbildung 3: Marginaler Effekt des €okonomischen Problemdrucks innerhalb eines Wahlkreises auf

den Grad der programmatischen Abweichung eines Abgeordneten von der Fraktionslinie in Abh€an-gigkeit des Mandatstyps

Anmerkung: Berechnung auf Basis von Model 2 aus Tabelle 3.

–4–2

02

46

Vor

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tei

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10Knappheit des Wahlkreises (Kehrwert)

Listenmandat Direktmandat

Abbildung 4: Marginaler Effekt der Knappheit eines Wahlkreises auf den Grad der programma-tischen Abweichung eines Abgeordneten von der Fraktionslinie in Abh€angigkeit des Mandatstyps

Anmerkung: Berechnung auf Basis von Model 2 aus Tabelle 3.

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Wahlkreis und €uber Parteilisten gew€ahlte Abgeordnete unterschieden wird (vgl. Abbil-dung 3). Hypothese 5 kann somit nicht verifiziert werden.

Hingegen weist der Interaktionsterm zwischen dem Modus der Wahl eines Bundes-tagsabgeordneten und der Knappheit des entsprechenden Wahlkreises einen statistisch sig-nifikanten und positiven Effekt auf, der den negativen Einfluss des Abstandes zwischenErst- und Zweitplatziertem in einem Wahlkreis auf das Ausmass des Abweichens von derParteilinie f€ur die direkt gew€ahlten Abgeordneten aufhebt. Abbildung 4, die den margina-len Effekt des Interaktionsterms differenziert nach Mandatstyp aufzeigt, verdeutlicht, dasses vor allem die €uber die Parteiliste gew€ahlten Bundestagsabgeordneten und nicht diedirekt gew€ahlten MdBs sind, die mit anwachsender Knappheit des Wahlkreises in ihrenReden verst€arkt der Parteilinie folgen. Dieses Ergebnis stimmt mit Hypothese 3 €uberein.Offenbar sind direkt gew€ahlte Abgeordnete aus umk€ampften Wahlkreisen – wenn ihnendie M€oglichkeit des Redens in einer Debatte seitens der Fraktionsf€uhrung er€offnet wird –eher bereit, potentielle Disziplinierungs- und Sanktionierungsmassnahmen durch die Partei-und Fraktionsspitzen aufgrund ihrer institutionell durch das Erringen eines Direktmandatsgest€arkten Position und daraus abgeleiteten Rolle hinzunehmen als €uber die Listen derParteien gew€ahlte Bundestagsmitglieder. Insofern scheint der institutionelle Effekt desWahlsystems bei Wahlen zum Deutschen Bundestag eher indirekt und damit in Form vonKombinationen mit strukturellen Eigenschaften von Wahlkreisen auf das Verhalten vonAbgeordneten in Parlamentsdebatten zu wirken, was die Ergebnisse von Manow (2012) imHinblick auf die nicht voneinander verschiedenen Pr€aferenzen der Ausschussmitgliedschaftzwischen direkt im Wahlkreis und €uber die Parteilisten gew€ahlten Bundestagsabgeordnetenunterst€utzt (vgl. auch Cox und Schoppa 2002).

6. Schlussbetrachtung

In diesem Beitrag sind wir der Frage nachgegangen, wovon sich das Ausmass der in denRedebeitr€agen eines Abgeordneten eingenommenen programmatischen Abweichung vonder Position der eigenen Partei erkl€aren l€asst. Dabei haben wir sowohl auf bisherigeErgebnisse der Forschung zum legislativen Handeln und insbesondere Abstimmungsverhaltenvon Abgeordneten in Parlamenten als auch auf den Prinzipal-Agenten-Ansatz sowie aufTheorien zum responsiven Handeln von politischen Akteuren in modernen Demokratienzur€uckgegriffen. Zudem haben wir zur Herleitung unserer Erwartungen nicht nur dieM€oglichkeiten, die Parteien und Fraktionen zur Disziplinierung ihrer Mitglieder haben,ber€ucksichtigt, sondern auch Effekte unterschiedlicher Mandatstypen, wie sie in gemischtenWahlsystemen wie dem zum Deutschen Bundestag bestehen, diskutiert. Die Ergebnissehaben gezeigt, dass Bundestagsabgeordnete – zumindest in der 14. Legislaturperiode von1998 bis 2002 – die regionalen, in den von ihnen betreuten Wahlkreisen vorherrschendenKontextfaktoren ber€ucksichtigen, wenn es um die in den Reden bezogenen inhaltlichenStandpunkte geht. Aus einer normativen Perspektive, die von Modellen responsiven Regie-rens hervorgehoben wird, ist dies ein durchaus positiver Befund: Offenbar beziehen Abge-ordnete, insbesondere direkt gew€ahlte aus umk€ampften Wahlkreisen, in ihrem Handelnw€ahrend der Legislaturperiode – und damit nicht nur im Rahmen von Wahlk€ampfen (vgl.Zittel und Gschwend 2007) – die lokale Situation und damit die Problemlage ihrerW€ahlerschaft mit ein. Dies mag die Wiederwahlchancen der Abgeordneten erh€ohen, sollteaber auch zu einem h€oheren Niveau an Zufriedenheit mit dem politischen System als auchdem Vertrauen in politische Institutionen seitens der W€ahler – vor allem in den Wahlkrei-sen, deren Vertreter im Bundestag responsiv handeln – f€uhren.

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Diese Ergebnisse bieten Anreize f€ur weitere Studien. So k€onnte mit auf Wahlkreisebenedisaggregierbaren Umfragedaten wie dem der German Longitudinal Election Study undneueren Methoden zur Wahlgeographie (Selb und Munzert 2012) untersucht werden, obdie Bev€olkerung in Wahlkreisen, deren Abgeordnete verst€arkt auf die lokale Problemlageeingehen, eher mit dem politischen System und seinen Repr€asentanten zufrieden sind alsdie W€ahlerschaft in Wahlkreisen, deren Abgeordnete in ihrem legislativen Handeln wenigerauf lokale Bed€urfnisse reagieren. Ebenfalls von politikwissenschaftlichem Interesse sind dieEffekte, die sich auf die Karriereverl€aufe von Abgeordneten bei einem Abweichen von derParteilinie ergeben. Wenn das €offentliche, in parlamentarischen Debatten ge€ausserte inhalt-liche Abweichen von der Position der eigenen Partei f€ur die Abgeordneten sch€adlich ist,dann sollte mit Anzahl und Intensit€at des Konflikts zwischen dem Bundestagsmitglied undseiner Partei die Chancen sinken, dass er f€uhrende Positionen in Fraktion oder Kabinett inZukunft einnimmt oder gar erneut f€ur ein Mandat nominiert wird. Schliesslich besteht derAnreiz, in einem vergleichenden Untersuchungsdesign die Effekte unterschiedlicher Wahl-systeme und daraus ableitbarer Mandatstypen sowie Kandidatennominierungsverfahren zuuntersuchen (vgl. Hazan und Rahat 2010). So ist zu erwarten, dass der Druck auf dieAnnahme einer einheitlichen programmatischen Linie in parlamentarischen Debatten aufalle Fraktionsmitglieder gleich gross ist, wenn es – wie etwa bei Wahlsystemen mitgeschlossenen Listen – keinen Anreiz gibt, durch eine besondere R€uckkopplung an diePr€aferenzen und Problemlagen im Wahlkreis einen h€oheren Stimmenanteil zu erzielen.Hingegen sollten sich Abgeordnete, die €uber Mehrheitswahlsysteme angloamerikanischenStils gew€ahlt werden, haupts€achlich an den W€unschen der W€ahler und Parteianh€anger vorOrt orientieren. Das gleiche Argument gilt f€ur Unterschiede in den Nominierungsverfahrenf€ur Parlamentskandidaten: Je st€arker der Einfluss der Parteibasis und der lokalen W€ahler-schaft – wie etwa in den Vorwahlen mancher US-amerikanischer Bundesstaaten – ist, umsomehr sollte sich das legislative Verhalten bereits gew€ahlter Abgeordneter an den W€unschendes lokalen Elektorats und umso weniger an denjenigen ihrer Partei orientieren.

Schlussendlich stellt die hier verwendete Datenbasis eine M€oglichkeit dar, Theorien derdeliberativen Demokratie und der Diskursanalyse €uber alle Debatten einer Legislaturperi-ode hinweg empirisch zu €uberpr€ufen und dabei der Frage nachzugehen, inwiefernbestimmte Teilaspekte der „Diskursqualit€at“ (Steenbergen et al. 2003; Steiner et al. 2004;Hangartner et al. 2007) wie etwa der respektvolle Umgang der Abgeordneten miteinander,nicht nur von den Eigenschaften der Abgeordneten, der Thematik der Debatte und derinstitutionellen Rahmenbedingungen abh€angt (vgl. f€ur eine Analyse der Debattenkultur imDeutschen Bundestag sowie Schweizer Nationalrat B€achtiger et al. 2008; B€achtiger andHangartner 2010; Pedrini et al. 2013), sondern auch vom Wahlzyklus beeinflusst wird. InMehrebenensystemen wie dem der Bundesrepublik, wo das Handeln der Bundes-tagsabgeordneten durch mehrere „second order elections“ (Reif und Schmitt 1980) in Formvon Wahlen zu Landesparlamenten oder auch zum Europaparlament im Laufe einer Legis-laturperiode beeinflusst wird, sollte es in Abh€angigkeit der Relevanz der Zwischenwahlenzu einer h€oheren Polarisierung und damit zu einer geringeren Diskursqualit€at im Bundes-tag kommen. In diesem Zusammenhang bietet es sich auch an, die Auswirkungen derDynamiken von Parlamentsdebatten auf die Inhalte von Reden zu untersuchen. So kannder Frage nachgegangen werden, wie und in welcher Form Abgeordnete auf die vorherigenRednerinnen und Redner inhaltlich wie auch stilistisch reagieren. Diese Betrachtungsweise– die Betonung sequentieller Abl€aufe in Parlamentsdebatten und ihre Auswirkungen –w€urde auch institutionalistische Kritikpunkte am hier gew€ahlten empirischen Vorgehenaufgreifen, indem die formale Struktur von Parlamentsdebatten und die Effekte, die von

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parlamentarischen Gesch€aftsordnungen ausgehen, zu einem gewissen Grad in der Tren-nung: empiri-schen Analyse ber€ucksichtigt werden k€onnten (vgl. etwa Sieberer et al.2011). Auch eine Tiefenanalyse einzelner Parlamentsdebatten und die Nachzeichnung desgesamten legislativen Prozesses – vom Einbringen einer Gesetzesinitiative €uber deren Deb-atte im Parlament hin zur (namentlichen) Abstimmung – scheint vor diesem Hintergrundvielversprechend (Schonhardt-Bailey 2008). Auf diese Weise k€onnen Anreize der Ab-geordneten f€ur ihr legislatives Handeln und die Muster der Interessenrepr€asentation her-ausgearbeitet werden, die sich nicht nur auf Institutionen und inhaltliche Pr€aferenzenbeziehen, sondern auch die Effekte sozialstruktureller Merkmale von Abgeordneten und –teilweise dadurch beeinflusster – sozialer Rollen und Identit€aten betonen (Mead 1934; Sear-ing 1991; W€angnerud 2009; Saalfeld 2011; Baumann et al. 2013a; B€ack et al. 2014). Diesw€urde es erm€oglichen, Ans€atze der politisch-€okonomischen Institutionenanalyse und derPolitischen Psychologie zu kombinieren, was zu einer tiefgreifenderen Erkl€arung der legis-lativen Handlungsmuster von Abgeordneten f€uhren sollte.

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352 Marc Debus and Hanna Back

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Page 24: Der Einfluss von Mandatstyp und Wahlkreiseigenschaften auf die inhaltlichen Positionen in Parlamentsreden: Eine Untersuchung anhand der parlamentarischen Debatten im Deutschen Bundestag

Marc Debus ist Professor f€ur Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Vergleichende Regierungslehre an der Fak-

ult€at f€ur Sozialwissenschaften der Universit€at Mannheim. Seine Forschung konzentriert sich auf Politische Institutio-

nen und deren Einfluss auf Wahlverhalten, Parteienwettbewerb, Regierungsbildung und den legislativen Prozess in

modernen Demokratien. Address of correspondence: Fakult€at f€ur Sozialwissenschaften, Universit€at Mannheim, A5,

6, 68131 Mannheim, Deutschland. Tel: +0049 621 1812082; E-mail: [email protected]

Hanna B€ack ist Associate Professor am Department f€ur Politikwissenschaft der Universit€at Lund, Schweden. Ihre

Forschung konzentriert sich vor allem auf politische Parteien und Koalitionspolitik in den parlamentarischen

Demokratien Westeuropas, wobei Themen wie parlamentarische Reden, Koalitionsbildung, Portfolioverteilung

und Policy-Making im Mittelpunkt stehen.

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