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Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg HAW Fakultät Wirtschaft und Soziales Department Soziale Arbeit Der Einfluss von Müttern mit affektiven Störungen auf Kleinstkinder Depressive Störung: Der Einfluss von Depressionen auf das kindliche Bindungsverhalten Bachelor-Thesis Tag der Abgabe: 18.02.2010 Vorgelegt von: Kirsten Annecke Betreuender Prüfer: Dr. Peter Kastner Zweiter Prüfender: Dr. Georg Schürgers

Der Einfluss von Müttern mit affektiven Störungen auf ...edoc.sub.uni-hamburg.de/haw/volltexte/2010/1023/pdf/WS.Soz.BA.10.529.pdf · 0. Einleitung . Wie schon durch den Titel deutlich

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Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg HAW

Fakultät Wirtschaft und Soziales

Department Soziale Arbeit

Der Einfluss von Müttern mit affektiven Störungen auf Kleinstkinder

Depressive Störung:

Der Einfluss von Depressionen auf das kindliche Bindungsverhalten

Bachelor-Thesis

Tag der Abgabe: 18.02.2010

Vorgelegt von: Kirsten Annecke

Betreuender Prüfer: Dr. Peter Kastner

Zweiter Prüfender: Dr. Georg Schürgers

Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung ________________________________________________________ 3

1. Depression: Ein Überblick ___________________________________________ 4

2.1 Depression: Mehr als Trauer ______________________________________ 5

2.2 Verbreitung ____________________________________________________ 5

2.3 Bedingungsfaktoren _____________________________________________ 6

2.4 Symptome ____________________________________________________ 9

2.5 Klassifikation __________________________________________________ 11

3. Auswirkungen der Symptome _______________________________________ 13

3.1 Innensicht des Kindes __________________________________________ 14

3.2 Innensicht der Mutter ___________________________________________ 17

4. Bindungstheorie: Ein Überblick ______________________________________ 20

4.1 Bindung in vier Phasen __________________________________________ 22

4.2 Bindungsmuster _______________________________________________ 24

5. Bindungsverhalten unter dem Einfluss einer depressiven Mutter ____________ 26

5.1 Einwirkungen während der Schwangerschaft ________________________ 26

5.2 Gegenüberstellung _____________________________________________ 28

5.3 Fragen der Mutter ______________________________________________ 34

5.4 Misshandlung und Vernachlässigung _______________________________ 37

5.6 Fazit ________________________________________________________ 39

6. Was tun? _______________________________________________________ 41

7. Literaturverzeichnis _______________________________________________ 46

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0. Einleitung

Wie schon durch den Titel deutlich wird, geht es in dieser Bachelor-Thesis um die

Depressionserkrankung einer Mutter und die Auswirkungen dieser Depression auf

das kindliche Bindungsverhalten. Ob sich meine These eines negativen Einflusses

bestätigen wird, zeigt sich im Laufe der Abhandlung. Beginnen werde ich mit der De-

pression und ihrem Erscheinungsbild. Weiterführend werde ich eine Innensicht von

Mutter und Kind abhandeln, bei der es darum geht, aufzuzeigen, wie Mutter und Kind

die Depression in ihrem Alltag wahrnehmen. Daran anschließen wird die Bindungs-

theorie erläutert. Nach der Abhandlung der Theorien, werde ich durch Alltagssituati-

onen von Mutter und Kind herausstellen, welchen Einfluss die Depression der Mutter

auf die Interaktion und Kommunikation mit dem Kind hat. Anhand dessen wird sich

der Einfluss auf das Bindungsverhalten des Kindes abzeichnen. Abschliessend wer-

de ich darauf eingehen, durch welche Helfersysteme Mutter und Kind gestärkt und

geschützt werden könnten.

Auf diese Thematik bin ich während meines studienbegleitenden Praktikums gestos-

sen. Dort lebt ein Junge in einer Einrichtung, dessen Mutter an einer Depression er-

krankt ist. Die Mutter ist nicht dazu gewillt, sich mit ihrer Krankheit auseinander zu

setzen und somit auch zu keiner Behandlung bereit. Als der Junge in die Einrichtung

kam, war auffällig, dass sein Gesichtsausdruck versteinert wirkte. Erst im Laufe des

Heimaufenthaltes ist es dazu gekommen, dass er auch andere Facetten in seinem

Ausdruck zum Vorschein brachte. Aus diesem Grund stehen in dieser Bachelor-

Thesis Mutter und Kind im Fokus. Dabei stellt die Mutter die Depressionsbetroffene

sowie die primäre Bindungsperson des Kindes dar. Das ist kein Ausschluss dafür,

dass nicht auch andere Personen an einer Depression erkranken oder als primäre

Bindungsperson für ein Kind fungieren können. Weiterführend gehe ich im Rahmen

meiner Ausarbeitung davon aus, dass die Depression der Mutter mittel- bis

schwergradig ist und bisher unreflektiert sowie unbehandelt blieb. Außerdem vermu-

te ich, dass die Depression schon während der Schwangerschaft bestand. Somit ha-

be ich mich gegen die Ausarbeitung mit einer postnatalen Depression entschieden,

da ich davon ausgehe, dass die Depressionssymptomatik auch schon während der

Schwangerschaft Auswirkungen auf das Kind haben kann, welche sich dann indirekt

auf die Bindungsqualität auswirken können. Da der Fokus auf das kindliche Bin-

dungsverhalten gelegt ist, werden andere Auswirkungen auf die körperliche, geistige

und psychische Entwicklung des Kindes weitestgehend ausgelassen. Was allerdings

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nicht bedeutet, dass diese Auswirkungen sich nicht auch in enormem Masse zeigen

können.

Die Ausarbeitung soll keine Verallgemeinerung darstellen. Jede Erkrankung ist indi-

viduell, genauso auch die Interaktion zwischen Mutter und Kind. Dennoch denke ich,

dass es in den meisten Fällen viele Parallelen gibt. Genau diese Parallelen möchte

ich zur Verdeutlichung der Auswirkungen einer Depression auf die kindliche Bin-

dungsqualität nutzen.

1. Depression: Ein Überblick

Um auf alle wichtigen Faktoren einer Depressionserkrankung eingehen zu können,

ist zu Anfang eine Definition zur Klärung des Begriffs erforderlich. Nach Vergleich

einiger Definitionen hat sich herausgestellt, dass die Definition der Weltgesundheits-

organisation (WHO) am umfassendsten ist. Die WHO ist die lenkende und leitende

Stelle für Gesundheit im System der vereinten Nationen. Sich selbst erklärt die WHO

als „responsible for providing leadership on global health matters, shaping the health

research agenda, setting norms and standards, articulating evidence-based policy

options, providing technical support to countries and monitoring and assessing health

trends.” (www.who.int, 2009). Unter Depression versteht die WHO:

“Depression is a common mental disorder that presents with depressed mood, loss of interest or pleasure, feelings of guilt or low self-worth, disturbed sleep or appetite, low energy, and poor concentration. These problems can become chronic or recurrent and lead to substantial impairments in an individ-ual's ability to take care of his or her everyday responsibili-ties. At its worst, depression can lead to suicide […]” (www.who.int, 2009).

Allerdings ist eine Depression mehr als nur eine Reihe von beobachtbaren Sympto-

men. Auch das innere Empfinden spielt eine tragende Rolle bei Depressionsbetroffe-

nen. Der folgende Auszug aus dem Buch „Achterbahn der Gefühle“ von Thomas

Bock, einem psychologischen Psychotherapeuten und Leiter einer sozialpsychiatri-

schen Ambulanz, macht genau dieses innere Empfinden deutlich.

„Man kann sich zu nichts aufraffen, fühlt sich leer und ausge-brannt. „Warme“ Gefühle wie tiefe Traurigkeit (heisse Tränen) oder helle Freude sind nicht zugänglich. […] Man traut sich

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nichts mehr zu, hält sich und das eigene Leben für wertlos. Die Ermutigungen anderer erreichen einen nicht mehr, man hält sie für Hohn. […] Der depressive Mensch befindet sich in einem negativen Strudel von Selbst- und (vermeintlicher) Fremdeinschätzung, in den die Umgebung leicht hineingezo-gen wird.“ (Bock, 2009, S. 48)

2.1 Depression: Mehr als Trauer

Bock hat in seinem Zitat das Gefühl der tiefen Traurigkeit aufgegriffen. Einen Ver-

gleich zwischen Trauer und Melancholie (den Zustand der Depression) hat Freud

1917 gezogen. Dabei hat er vorerst darauf verwiesen, dass die beiden Zustände sich

zahlreich ähneln. Sie ähneln sich unter anderem im Bezug auf die „[…] schmerzliche

Verstimmung, Aufhebung des Interesses für die Aussenwelt, Verlust der Liebesfä-

higkeit, Hemmung jeder Leistung […]“ (Mentzos, 1996, S. 70). Freud mach den Un-

terschied daran fest, dass bei der Melancholie, ganz im Gegenteil zur Trauer, eine

Störung des Selbstwertgefühls auftritt (vgl Mentzos, 1996, S. 70). Zudem steigern

Melancholiker sich häufig wahnhaft in die Erwartung bestraft zu werden. Ausserdem

hat der Melancholiker einen Hang zu Selbstbeschimpfungen und Selbstvorwürfen

(vgl. Freud, 1917; zit.n. Mentzos, 1996, S. 70). Weitere intrapsychische Prozesse

einer Depression, im Gegensatz zur Trauer, sind „[…] Objektverlust, psychomotori-

sche Hemmung, Apathie, Aggression, Schuldgefühle, Selbstvorwürfe, Selbstbestra-

fung […]“ (Mentzos, 1996, S. 71).

2.2 Verbreitung

Die Erkrankung an einer Depression ist kein Einzelschicksal. Viele Menschen leiden

unter Depressionen und werden mittels Untersuchungen und Studien zahlenmäßig

erfasst. Laut Bock variieren die Untersuchungen zur Erfassung von Depressionen

von Studie zu Studie erheblich. Seinen Aussagen zu folge liegt die Wahrscheinlich-

keit einmal an einer Depression zu erkranken zwischen zehn und 20 Prozent. Ledig-

lich ein Prozent der Betroffenen erleidet eine so schwere Depression, dass sie in ei-

ner psychiatrischen Einrichtung behandelt werden muss (vgl. Bock, 2009, S 71).

Laut WHO erkranken etwa drei bis fünf Prozent der gesamten Bevölkerung an einem

depressiven Leiden. Das entspricht einer Gesamtpersonenzahl von 200 – 300 Millio-

nen Menschen (vgl. Bock, 2009, S. 71). Nach WHO Angaben haben weniger als 25

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Prozent dieser Betroffenen Zugang zu effektiven Behandlungen (www.who.int,

2009).

Von einer Erkrankung sollen Frauen häufiger betroffen sein als Männer. Die Ursa-

chen für den deutlichen Unterschied seien unter anderem darin begründet, dass

Frauen in ihrem Lebenslauf häufiger negativen Erfahrungen, wie körperlichen Miss-

handlungen und sexuellem Missbrauch, machen. Negative Erlebnisse dieser Art

können dann die Grundlage für eine Depression bieten (vgl. Zimbardo, 2004, S.

570). Das Lebenszeitrisiko einer Erkrankung ist bei Männern geringer als bei Frauen.

So erleiden etwa vier Prozent der Männer eine leichte Depression. Bei Frauen sind

es etwa acht Prozent. An einer schweren Depression erkranken etwa ein bis zwei

Prozent aller Männer. Das Risiko der Frauen ist mit zwei bis vier Prozent erheblich

höher (vgl. Bock, 2009, S 71).

2.3 Bedingungsfaktoren

Bei den Bedingungsfaktoren gibt es ein weit gefächertes Spektrum an Einflüssen, die

eine Depression auslösen bzw. verursachen können. Zu den Bedingungsfaktoren

zählen genetische Faktoren (wenn auch umstritten), biologische Faktoren, die Um-

welt, psychische Prozesse sowie psychosoziale Bedingungen während der Sozialisa-

tion und psychosoziale Bedingungen der Gegenwart.

Die Einflüsse der Umwelt lassen sich aufteilen in Bedingungsfaktoren der Umgebung

und die des Individuums. Familie, Jahreszeit und Partnerschaften gehören zu den

Bedingungsfaktoren der Umgebung. Zu denen des Individuums gehören Alter, Ge-

schlecht, Persönlichkeit, biologische Faktoren und frühere Krankheiten (vgl. Zerssen,

Möller, 1988, S.18). Alle genannten Einflüsse können von protektiver Natur sein.

Dies bedeutet, dass sie das Auftreten einer depressiven Verstimmung mindern kön-

nen. Allerdings können sie auch als Prädikatoren fungieren, also krankheitsfördernd

bzw. krankheitsauslösend sein (vgl. Zerssen, Möller, 1988, S. 17). Der Einfluss

scheint stark situationsabhängig zu sein. Zu den krankheitsauslösenden Faktoren

fügt Bock außerdem Alkohol, Schlafentzug und den Umzug in eine fremde Umge-

bung hinzu. Sogar Bücher, die emotional berühren, können eine Depression auslö-

sen (vgl. Bock, 2009, S. 96). Hier ist fraglich, warum Bock keine anderen Medien auf-

führt und Drogen anderer Art außer Acht lässt. Es ist davon auszugehen, dass auch

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Filme oder Musik emotional stark berühren können. Ebenfalls können auch andere

Rauschmittel und deren Missbrauch prädikativ in Hinsicht auf eine Depression wir-

ken.

Die These der direkten genetischen Vererbbarkeit einer Depression bestreitet Bock.

Nach seiner Auffassung sei die These eindeutig überholt und widerlegt. Als Aufhä-

nger für seine Behauptung nutzt er die Zwillingsforschung, bei der eineiige und zwei-

eiige Zwillingspaare auf eine genetische Vererbung von Depressionen untersucht

wurden. Bei den Untersuchungen litt mindestens ein Elternteil unter Depressionen.

Dabei hat sich herausgestellt, dass bei eineiigen Zwillingen häufiger beide an einer

Depression erkrankten als zweieiige Zwillinge. Doch das, so Bock, müsse keine ge-

netischen Einflüsse haben, sondern könne auch daran liegen, dass besondere Prob-

leme von Abgrenzung und Identitätsfindung während der Entwicklung der eineiigen

Zwillinge in die Depressionsproblematik einwirken. Des Weiteren stützt er seine The-

se mit den nicht berücksichtigten Erziehungsstilen und den dadurch entstehenden

Umgang mit den Kindern (vgl. Bock, 2009, S. 79). Allerdings erklärt sich mir daraus

nicht, aus welchem Grund nicht auch zweieiige Zwillinge dieser Problematik von Ab-

grenzung, Identitätsfindung und unterschiedlichen Erziehungsstilen unterliegen kön-

nen. Tienari und Canino, die sich ebenfalls mit Studien auf die Zwillingsforschung

beziehen, behaupten wiederum, dass genetische Faktoren bei der psychischen Er-

krankung von Kindern depressiver Eltern doch eine Rolle spielen können (vgl. Lenz,

2005, S. 14). Bock allerdings betont abschliessend zu seiner Behauptung der Wider-

legung der Erblichkeitstheorie noch, dass die Zahlen aus Untersuchung und For-

schung nicht aussagekräftig seien. Eine Abgrenzung von Übergängen der einzelnen

Depressionsformen sei sehr schwierig und werde wenig berücksichtigt. Eine Abgren-

zung sei seines Erachtens nach wichtig, da nur die schwere Depression in die Erhe-

bung der oben genannten Erblichkeitsthese einfliessen darf (vgl. Bock, 2009, S. 79).

Eine klare Aussage über die These der direkten genetischen Vererbung von Depres-

sionen, die es zulässt sich auf sie zu stützen, ist mir während der Literaturrecherchen

zu dieser Thematik nicht gestossen.

Über die Vererbung von Persönlichkeitsmerkmalen gibt es allerdings eine Überein-

stimmung zwischen verschiedenen Meinungsträgern. Bock erklärt, dass die Genetik

der Eltern auf die Persönlichkeitsmerkmale des Kindes einen indirekten Einfluss ha-

ben kann. Das kann beispielsweise die „Vererbung“ von Temperament und seeli-

scher Verletzbarkeit sein (vgl. Bock, 2009, S. 80). Mentzos, Psychiater und Psycho-

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analytiker, teilt Bocks Ansicht von dieser Art genetischer Vererbung. Er bezieht sich

in seinen Aussagen auf die indirekten erblichen Faktoren wie Sensibilität und Ver-

letzbarkeit. Ein weiterer Aspekt der genetischen Prädisposition ist die des stressemp-

findlichen und ängstlichen Temperaments (vgl. Mentzos, 1996, S. 57). Das Gen, das

für diese Prädisposition verantwortlich sein kann, ist das Serotonintransporter-Gen

(5-HTT-Gen) (vgl. Brisch, Hellbrügge, 2009, S. 226). Serotonin steht in struktureller

Beziehung zu psychoaktiven Stoffen (vgl. Zedkin, Schaldach, 1999, S. 1842). Das

Gen weist ein polymorphes Vorkommen auf. Polymorph bedeutet in diesem Fall,

dass es in zwei Varianten vorkommen kann. Entweder in kurzer oder in langer Vari-

ante. Je nach Vorkommen ist es verantwortlich für die Herstellung von Serotonin-

transportern (vgl. Lesch et al., 1996; zit.n. Brisch, Hellbrügge, 2009, S. 226). Die län-

gere Variante kann schneller abgelesen werden. Durch die schnelle Ablesefähigkeit

kann es schützend vor Depressionen wirken. Im Umkehrschluss kann die kürzere

Variante weniger schnell abgelesen werden, was zur Folge hat, dass weniger

Transportermoleküle für Serotonin vom Körper des Depressionsbetroffenen herge-

stellt werden (vgl. Casper et al., 2006; zit.n. Brisch, Hellbrügge, 2009, S. 226). Bei

den Transportermolekülen spricht hier von Neurotransmittern, einer biochemischen

Substanz, die die Aufgabe haben, andere Neuronen zu stimulieren (vgl. Zimbardo,

2004, S. 80). Durch die Minderversorgung von Neurotransmittern, ist der Betroffene

weniger stressresistent (vgl. Canli et al., 2006; zit.n. Brisch, Hellbrügge, 2009, S.

226) und eventuell einem höheren Risiko ausgesetzt, an einer Depression zu erkran-

ken (vgl. Casper et al., 2006; zit.n. Brisch, Hellbrügge, 2009, S. 226). Anhand dieser

Thesen lässt sich annehmen, dass nicht die Depression direkt vererbt wird, sondern

es eher die niedrige Stressresistenz zu sein scheint, die genetisch festgelegt ist. So-

mit könnte bei hohem Stress und fehlenden Serotonin-Neurotransmittern die Mög-

lichkeit einer Erkrankung deutlich erhöht werden. Allerdings wurde anhand der Litera-

tur nicht deutlich, wie es zu einem unterschiedlichen Vorkommen von

Serotonintransportergenen kommt. Ist es direkte Vererbung durch nur ein Elternteil

oder müssen beide Elternteile in dieser Hinsicht das gleiche Erbgut haben oder aber

ist es ausreichend, wenn ein Elternteil eine niedrige Stressresistenz aufweist? Diese

Fragen bleiben an dieser Stelle offen. Allerdings ist durch den Einblick in die Thesen

der Vererbung von Depression deutlich geworden, dass die Thematik sehr komplex

ist. Es gibt viele Faktoren, die in die etwaige Nachweisbarkeit der Vererbungsthesen

einfliessen. Neben der Psychologie können dabei noch viele andere Forschungsge-

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biete und Wissenschaften, wie beispielsweise die Neurologie und Biologie, eine Rolle

spielen. Dass die Diskussion um die Vererbung hier Raum gefunden hat, soll kein

abschließender Beweis der Vererbung von Depression sein. Vielmehr soll ein Rund-

umblick entstehen, bei dem nicht nur Umwelteinflüsse eine Rolle spielen, sondern

auch körperliche Gegebenheiten, wie die Genetik, mit in den Fokus gezogen werden.

Ein weiterer Bedingungsfaktor sind die belastenden psychosozialen Bedingungsfak-

toren. Wenn Eltern unter einer psychischen Erkrankung leiden erhöht sich häufig für

das Kind das Risiko ebenfalls an einer psychischen Krankheit zu erkranken. Die Auf-

fälligkeiten, die diese Kinder zeigen, liegen zum Grossteil im sozial-emotionalen Be-

reich (vgl. Lenz, 2005, S. 13).

Biologische Faktoren, die eine schwere Depression begünstigen, können Störungen

in der Übertragung von Botenstoffen im Nervensystem sein (vgl. Bock, 2009, S. 81)

Auch Mentzos schließt sich der These an, dass Störungen hormoneller Natur als Be-

dingungsfaktor dienen können (vgl. Mentzos, 1996, S. 56). Ob die Reduktion der

Übertragung der Botenstoffe allerdings eine Ursache oder eine „körperliche Begleit-

erscheinung“ (Bock, 2009, S. 81) ist, scheint nicht erwiesen (vgl. Bock, 2009, S. 81).

Zu den psychischen Prozessen gehören das Selbstwertgefühl und der Objektverlust.

Das Selbstwertgefühl ist „[…] die strukturell verankerte und abgesicherte Ausstattung

des Selbst mit Eigenschaften, die es liebenswert, bewundernswert, achtenswert er-

scheinen lassen.“ (Mentzos, 2002, S. 72). Das Selbstwertgefühl spielt in Hinsicht auf

die Depression eine wichtige Rolle. Dessen Herabsetzung kann, wenn auch nicht

zwingend, depressionsauslösend oder -unterstützend wirken (vgl. Mentzos, 1996, S.

32). Auch der Objektverlust, die fehlende primäre Bindung an eine primäre Bin-

dungsperson, kann zu einer Depression führen bzw. sie verstärken (vgl. Mentzos,

1996, S. 32).

2.4 Symptome

Die Symptome einer Depression sind weit gefächert und umfassend. Sie beziehen

sich vor allem auf das innere Erleben und treten aufgrund von mangelnder Kommu-

nikation der Betroffenen wenig nach außen. Das erklärt sich dadurch, dass Depres-

sionsbetroffene Beziehungen und deren Aufbau häufig meiden (vgl. Bock, 2009, S

57). Obwohl sich die Symptomatik hauptsächlich im Inneren abspielt, kann es mög-

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lich sein, dass der Betroffene viele körperliche Leiden entwickelt, ohne das er diese

direkt als Symptomatik einer Depression deutet. Körperliche Symptome sind aller-

dings Ausdruck einer Depression. Von der Symptomatik kann demnach der ganze

Körper, einschließlich der inneren Organe, betroffen sein (vgl. Freyberger 1991, S.

26 f). Die somatischen Beschwerden müssen aber nicht zwangsläufig auch Auslöser

einer Depression sein. Häufig verselbstständigen sich die somatischen Symptome

und fungieren als eine Art Kreislauf, wodurch die Depression und deren Fortbestand

begünstigt wird (vgl. Mentzos, 1996, S. 56).

Der ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter

Gesundheitsprobleme) gibt klare Definitionen für die professionelle Erkennung von

Symptomen einer Krankheit vor. Diese Klassifikation wurde von der Weltgesund-

heitsorganisation erstellt und von dem Deutsches Institut für Medizinische Dokumen-

tation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen (www.dimdi.de, 2009).

Für die Depressionssymptomatik existiert folgende Definition:

„Bei den typischen leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) Episoden, leidet der betrof-fene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstren-gung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit ver-mindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast im-mer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag we-nig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so ge-nannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie In-teressenverlust oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitier-theit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust. Ab-hängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine de-pressive Episode als leicht, mittelgradig oder schwer zu be-zeichnen“. (www.dimdi.de, 2009).

In der Definition werden hauptsächlich Oberbegriffe in Bezug auf die Symptomatik

genannt. Es ist also notwendig genauer auf die einzelnen Oberbegriffe einzugehen

um deren Ausdruck im Alltag des Depressionsbetroffenen zu verdeutlichen.

Unter das Symptom der Niedergeschlagenheit fallen Hilflosigkeit, innere Leere, ge-

drückte Stimmung und Freudlosigkeit. Die zu dem Symptom gehörenden Antriebs-

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störungen äußern sich nicht nur in fehlender Willens- und Entscheidungskraft, son-

dern auch in der Verweigerung von Nahrungsaufnahme und geminderter bzw. ver-

weigerter Reaktionen. Motorische und innere Unruhe sowie das Problem des nicht

abschalten Könnens, sind neben der leichten Reizbarkeit, ebenfalls Ausdruck des

Symptoms der Niedergeschlagenheit.

Eine körperliche Symptomatik kann sich durch Druckempfinden in Brust, Herz und

Kopf, Appetitlosigkeit und Völlegefühl ausdrücken. Körperliche Lähmung und bleier-

ne Schwere der Glieder können ebenfalls im Krankheitsverlauf auftreten.

Weiterhin kann es zu einer Verminderung der sexuellen Bedürfnisse kommen. Das

Ausmaß ist abhängig vom Schweregrad der Depression. Der Betroffene hat bei

leichter Depression zwar sexuelle Wünsche, die Aktivität ist allerdings reduziert. Bei

einer schweren Depression kann bei Männern vorübergehend eine Impotenz auftre-

ten und bei Frauen kann es zu einem Ausbleiben der Regel kommen.

Tagesschwankungen und Schlafstörungen können das Ein- und Durchschlafen be-

einträchtigen. Auch das Morgentief kann aus diesem Symptom resultieren.

Neben Denkhemmungen, Grübeln und Zwangsgedanken kann der Betroffene auch

unter Ängsten und Befürchtungen, wie Sorgen um die Zukunft, sowie Vergangen-

heitszweifel und Angstattacken leiden.

Auch Konzentrationsstörungen gehören zum Krankheitsbild, die im schlimmsten Fall

bis hin zu einer depressiven Pseudodemenz führen können.

Wahrnehmungsstörungen in verändertem Zeitempfinden, blasseren Farben sowie

verminderter Geschmacksempfindungen gehören nicht selten zum Erscheinungsbild

einer Depressionserkrankung. Bei schweren Depressionen können sogar Wahnge-

danken und irreale Überzeugungen auftreten (vgl. Bock, 2009, S 54f).

2.5 Klassifikation

Die Klassifikation der Depression dient dazu, einzelne Depressionsformen zu unter-

scheiden. Bock führt in seiner Literatur an, dass es einen Wandel in dieser Klassifika-

tion gab. Es wird nicht mehr nach den Ursachen der psychischen Krankheiten unter-

schieden, sondern nach deren Schweregrad (vgl. Bock, 2009, S. 61), was eine Um-

benennung der einzelnen Depressionsformen zur Folge hatte. Anstelle von neuroti-

scher, exogener und endogener Depression, lauten die Klassifikationen jetzt wieder-

kehrende depressive Störung bzw. depressive Verstimmung, symptomatische oder

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organische Depression sowie mittel- bis schwergradige Depression. Der Begriff, die

reaktive Depression bleibt unverändert bestehen.

Die wiederkehrende depressive Störung (depressive Verstimmung) hat das Merkmal,

dass frühere belastende und unverarbeitete Ereignisse für die Depression verant-

wortlich sind, ohne dass der Betroffene dies bewusst wahrnimmt (vgl. Bock, 2009, S.

62). Den Merkmalen wurde durch die Umbenennung hinzugefügt, dass sie ein gerin-

ges bis mittleres Ausmaß annehmen und bei ausbleibender Bewältigung des unver-

arbeiteten Ereignisses einen anhaltenden oder wiederkehrenden Charakter anneh-

men können (vgl. Bock, 2009, S. 65). Durch eine Aufarbeitung der Ursachen ist diese

Form der Depression heilbar (vgl. Bock, 2009, S. 62). Laut ICD-10 weist der Betrof-

fene mindestens zwei oder drei der aufgeführten Symptome auf und ist zwar davon

beeinträchtigt, kann aber die meisten seiner Aktivitäten trotzdem fortführen (vgl.

www.dimdi.de, 2009).

Die symptomatische oder organische Depression kann durch den Missbrauch von

Alkohol und Drogen, einer schweren Vergiftung oder durch eine schwere Krankheit

hervorgerufen werden (vgl. Bock, 2009, S. 62). Von Bock gibt es keine weiteren

Klassifizierungsmerkmale zu dieser Depressionsform. Somit wurden auch keine Ver-

änderungen der Klassifikation erwähnt.

Die mittel- und schwergradige Depression hat keinen genau feststellbaren Auslöser.

Aus diesem Grund wurden fälschlicherweise häufig Annahmen gestellt, die Depres-

sion entstünde aus erblichen oder somatischen Ursachen, so Bock (vgl. Bock, 2009,

S. 62). Zu den Merkmalen dieser Depressionsform ergänzte der Wandel der Klassifi-

kation, dass eine schwere und ernste Depressionsform vorliegt, die „[…] ein- bis

mehrmals zwischen weinigen Wochen bis zu mehr als einem Jahr auftreten kann.“

(Bock, 2009, S. 65). Bei diesem Schweregrad weist der Betroffene vier oder mehr

Symptome auf. Alltägliche Abläufe bereiten dem Betroffenen deshalb in der Aus-

übung oft große Schwierigkeiten (vgl. www.dimdi.de, 2009).

Die reaktive Depression behält nicht nur ihren Namen, sondern auch die Merkmale

der Klassifizierung. Diese Form der Depression folgt unmittelbar auf ein belastendes

Ereignis, wie zum Beispiel auf einen Trauerfall (vgl. Bock, 2009, S. 62).

Eine weitere Form der Depression ist die Major Depression, was übersetzt so viel

heisst wie „Depression grösseren Ausmaßes“ (Bock, 2009, S. 63). Diese Depressi-

onsform hat kein klares Erscheinungsbild, welches symptomnah und eingegrenzt

auftritt. Die Major Depression beschränkt sich nicht, wie die „einfache“ Depression,

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auf einzelne Symptome. Um eine Major Depression festzustellen, muss der vorhan-

dene depressive Zustand über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben. In diesem

Zustand kann es auch zu Veränderungen von Realitätswahrnehmungen und deren

Verarbeitung kommen (vgl. Bock, 2009, S. 63).

Es ist deutlich geworden, wie die einzelnen Depressionsformen auftreten und klassi-

fiziert werden können. Doch die neue Klassifizierung erscheint fraglich. Was hat sich

für den Betroffenen verändert? Die exogene Depression lässt Bock völlig aus und die

reaktive Depression bleibt unverändert. Eine Veränderung findet nur in Teilen durch

die ergänzten Schweregrade statt. Es wird nicht ersichtlich, wie sich die Veränderung

der Klassifikation positiv in Erkennung und Einstufung für den Patienten auswirkt.

Wie sich der Wandel auf die Behandlung des Betroffenen auswirkt, bleibt ebenfalls

verborgen. Unklarheit ergibt sich auch daraus, dass ersichtlich wird, ob und warum

beispielsweise eine wiederkehrende depressive Störung nicht auch ein

schwergradiges Ausmaß annehmen kann. Eine Erklärung, was sich durch den Wan-

del für professionelle Helfer im Umgang mit den Betroffenen verändert, fehlt eben-

falls. Trotzdem hat offensichtlich eine Modifizierung durch die Ergänzung der Schwe-

regrade stattgefunden. Eine bahnbrechende Neuerung erklärt sich daraus allerdings

vorerst nicht. Ein Fortschritt scheint trotzdem gewonnen, da die stetige Modifizierung

schließlich auch bedeutet, dass Professionelle sich mit der Thematik befassen und

bestrebt sind, die Klassifizierung zu optimieren. Allerdings sollte der Blick nicht zu

einseitig sein und ein Zusammenspiel von Schweregrad und Ursache könnte weiter

beobachtet werden.

3. Auswirkungen der Symptome

Die Symptomatik einer depressiven Mutter hat auf die Interaktion und Kommunikati-

on mit ihrem Kind sehr wahrscheinlich großen Einfluss. Die Depression kann sich im

Miteinander von Mutter und Kind deutlich widerspiegeln. Wie Mutter und Kind die

Depression wahrnehmen, wird in diesem Kapitel durch die Innensicht beider Beteilig-

ten veranschaulicht.

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3.1 Innensicht des Kindes

Die Forschung in diesem Feld scheint nicht ausreichend. Eine genaue Beschreibung

darüber, wie ein Säugling und Kleinstkind eine Mutter, die unter Depressionen leidet,

mit den Augen und seinen anderen Sinnen wahrnimmt, ist mir bei meinen Recher-

chen nicht ausreichend begegnet. Dadurch bedingt werde ich versuchen, mich in die

Lage des Kindes zu versetzen, um herauszufinden, wie es die kranke Mutter wahr-

nimmt. An einigen Stellen ergibt sich die Möglichkeit, einzelne Aspekte fachlich zu

belegen.

Geht man davon aus, dass die Mutter vor, während sowie auch nach der Schwan-

gerschaft an einer Depression leidet, kann das auf den Säugling unter Umständen

schon während der Schwangerschaft Einfluss nehmen. Die tief getrübte Stimmung

der Mutter kann sich unter Umständen auf das Ungeborene niederschlagen. Ich

vermute, dass das Baby im Mutterleib Hormonen ausgesetzt ist, die aus der tiefen

Traurigkeit und dem negativen Stress der Mutter rühren. Das Kind hört wahrschein-

lich wenig vom sozialen Umfeld der Mutter, da sich diese häufig zurückzieht. Auch

die mütterliche Stimme wird es mit einem liebevollen Klang selten hören, da diese

sich in mitten der Melancholie befindet. Aufgrund dessen werden die Schwingungen

des mütterlichen Körpers, die durch ihre Stimme, aber auch durch andere Bewegun-

gen, verursacht werden, mit Wahrscheinlichkeit nicht stark ausgeprägt und von ge-

dämpfter Natur sein. Einen positiven Stimmklang sowie ausgelassene Bewegungen

werden eher selten der Fall sein. Das Kind ist somit schon während der Schwanger-

schaft den Symptomen der Mutter indirekt ausgesetzt. Außerdem stellt sich die Fra-

ge, ob sie sich während ihrer Schwangerschaft dem Kind positiv zuwendet, in dem

sie mit ihm spricht oder ihren Bauch liebevoll berührt. Der Säugling könnte eventuell

schon erste Ablehnung erfahren.

Nach der Geburt des Kindes ist nun abzuwarten, wie die Mutter den Säugling wahr-

nimmt und wie sie auf ihn reagiert. Bei Literaturrecherchen der Bindungsforschung

wurde immer wieder deutlich, dass der Säugling zeitlebens existenzielle Bedürfnisse

nach Nähe, Schutz und Versorgung hat. Ausgegangen davon, dass die Bedürfnisse

des Säuglings vorerst reflexartig geäussert werden und eher ein Ausdruck von Ins-

tinkt sind, bin ich der Ansicht, dass er die genaue Art und Weise der Befriedigung

dieser Bedürfnisse nicht bewusst in seiner Vorstellung hat, da er noch nicht in der

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Lage sein wird, seine Situation ausreichend reflektieren zu können. Welche Art von

Frustration stellt sich dann bei dem Kind ein, dessen depressive Mutter nicht in der

Lage ist, es adäquat zu versorgen? Ist es denn aus der Sicht des Kindes tatsächlich

eine Frustration? Ist die Frage nach der Frustration für den Säugling eine Frustration

in dem Sinne, wie man sie aus der Außenperspektive beurteilen würde? Möglich wä-

re es, dass der Säugling dieses Gefühl als „normal“ wahrnimmt. Die „normale“ Situa-

tion, in der sich der Säugling befindet, kann auch als „gegeben“ bezeichnet werden

und soll keinen Ausschluss dafür darstellen, dass der Säugling kein Leid erfährt. Er

hat keine Wahl und kann der Situation nicht entkommen. Somit ist sie für ihn alltäg-

lich. Der Säugling entwickelt vielleicht sogar im Laufe seines noch jungen Lebens

eine Ahnung dazu, dass er zuverlässig weiss, dass seine Mutter unzuverlässig, viel-

leicht sogar willkürlich, ist und nimmt das nicht als Anomalie wahr, sondern ebenfalls

als „normal“ weil alltäglich. Das könnte damit begründet werden, dass der Säugling

nur die Art der Mutter kennt, in der sie mit ihm umgeht. So kann es möglich sein,

dass für den Säugling ständig fortwährende Frustrationen normal sind und zu seiner

Mutter-Kind-Beziehung gehören.

Die gleiche Fragestellung wird in Hinsicht auf die Gefühlsentwicklung des Kindes

deutlich. Nimmt der Säugling die Entwicklung seiner Gefühle als minderentwickelt,

defizitär oder wünschenswert veränderbar wahr oder ist die Entwicklung aus seiner

Sicht hier ebenfalls „normal“ weil er nicht in der Lage ist, seine Situation zu reflektie-

ren? Gefühle, die der Säugling durch die Mutter vermittelt bekommt, werden sehr

wahrscheinlich Trauer und Angst sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutter häufig

weint, ist ebenfalls hoch. Es kann also passieren, dass die Mutter das Kind nutzt, um

sich selbst zu trösten. Weint aber das Kind und die Mutter nimmt es auf, um es an

sich zu halten, wird das Kind spüren können, dass die Mutter nicht fähig ist, beruhi-

gend auf es einzugehen. Das weinende Kind löst Aufregung in der Mutter aus. Durch

die Aufregung und den wahrscheinlich nicht bewussten Ausdruck ihrer Trauer im Akt

des Tröstens, wird es schwer gelingen, das Kind zu beruhigen. Dabei werden sich

Mutter und Kind gegenseitig hochschaukeln und sich erst durch die eintretende Er-

schöpfung beruhigen. Wie Eingangs schon erwähnt, gehe ich auch hier davon aus,

dass das Kind die Gefühle, die es bei diesen Interaktionen mit der Mutter erlebt, als

„normal“ empfindet, da es bisher keine oder wenn nur wenig andere Erfahrungen

machen konnte.

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Augenscheinlich findet eine Anomalie der Mutter-Kind-Beziehung erst wieder durch

eine Betrachtung von außen statt. Aus dieser Perspektive möchte ließe sich behaup-

ten, dass dem Kind durch die depressive Mutter eine gesunde emotionale und seeli-

sche Entwicklung im schlimmsten Fall verwehrt bleiben kann. Die krankheitsbeding-

ten Überforderungen der Mutter befähigen sie nicht, die Bedürfnisse des Kindes zeit-

nah und angemessen zu befriedigen. Die Bewältigungsstrategien, die sich ein Kind

dadurch aneignen muss, sind sicher vielfältig. So kann es der Fall sein, dass das

Kind lauter schreien muss, um von der Mutter gehört zu werden. Anschließend stellt

sich die Frage, ob die Mutter die Äußerungen der Bedürfnisse des Kindes richtig

deuten kann. Mögliche Reaktionen der Mutter könnten „Überhören“ des Kindes oder

die falsche Interpretation der Bedürfnisse sein, die dann zu Frustrationen führen. Das

Kind wird sich seiner Selbstwirksamkeit nicht im Klaren werden können. Bandura,

der Entwickler der Lerntheorie, erklärt diese Wirksamkeit mit den Worten: „Selbst-

wirksamkeit ist die Überzeugung, dass man in einer bestimmten Situation angemes-

sene Verhaltensresultate erzielen kann.“ (Zimbardo, 2004, S. 528). Die Selbstwirk-

samkeitserfahrungen stehen in enger Verbindung mit Motivation, Wahrnehmung und

den eigenen Leistungen. Selbstwirksamkeit ist also die Erfolgs- oder

Versagenserwartung des eigenen Handelns, die unter anderem ausschlaggebend

dafür ist, ob man einer Situation standhalten wird oder aufgibt. Zu der eigenen Wahr-

nehmung kommt noch der Faktor Umwelt hinzu. Die kann entweder hemmend oder

förderlich für die Erfolgs- oder Versagenserwartung sein (vgl. Zimbardo, 2004, S.

529). Hier schliesst sich der Kreis in Hinsicht auf die Mutter-Kind-Interaktion. Das

durch die Depression krankheitsbedingte Verhalten der Mutter, das in diesem Fall die

Umwelt des Kindes darstellt, kann auf das Kind sehr hemmend wirken. In diesem

Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die Mutter, durch ihre negative Sicht ihrer

Lebenssituation, nicht in der Lage sein wird, das Kind in angemessenem Masse zu

loben und positiv zu bestärken. Die fehlende positive Zuwendung kann sich ebenfalls

negativ auf die Gefühlsentwicklung des Kindes auswirken. Das erhöht die Wahr-

scheinlichkeit, dass das Kind ein negatives Selbstkonzept verinnerlicht. Das Selbst-

konzept besteht aus vielen einzelnen Komponenten. Zu den Komponenten gehören

Motive und Werte, Überzeugungen, Fähigkeiten, die Erinnerungen über das eigene

Selbst, die Gedanken darüber, was andere über das Selbst denken und positive wie

auch negative Selbstbewertungen. Die Selbstentwertungen entspringen aus dem

Selbstwertgefühl, dass in diesem Fall auch negativ ausgebildet sein könnte (vgl.

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Zimbardo, 2004, S. 531). Das Selbstkonzept stellt sich also dar als, „[…] dynamische

geistige Struktur, die intra- und interpersonale Verhaltensweisen und Prozesse moti-

viert, interpretiert, strukturiert, vermittelt und reguliert.“ (Zimbardo, 2004, S. 531).

Wie deutlich geworden ist, ist die Entwicklung des Kindes vorerst nur aus äußerer

Sicht und mit fachlicher Bewertung negativ durch die depressive Mutter beeinflusst.

Aus seiner Sicht, so nehme ich an, befindet sich das Kind in „normalen“ Verhältnis-

sen und entwickelt sich entsprechend seiner Umgebung mit allen Einwirkern und

Gegebenheiten. Was nicht heissen soll, dass das Kind kein Leiden verspürt. Viel-

mehr nehme ich an, dass das Leiden mit den einhergehenden Frustrationen für das

Kind alltäglich ist. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass das Kind sich entspre-

chend seiner Situation „normal“ entwickelt. Da ich zudem die Annahme treffe, dass

die Reflektionsfähigkeit erst mit heranwachsen des Kindes ausreichend vorhanden

ist, kann sich die „normale“ (aus der Außenperspektive negative) Entwicklung dauer-

haft verfestigen. Im Kontakt mit anderen Erwachsenen vermute ich, dass der Säug-

ling hier eher auf Erwachsene mit Verhaltensweisen reagiert, die den mütterlichen

Verhaltensweisen ähneln. Verhaltensweisen die entgegen denen der Mutter gehen,

können unter diesen Umständen verwirrend auf das Kind wirken.

3.2 Innensicht der Mutter

Betroffene definieren ihre Depression mit Aussagen wie: „Meine Depression bedeu-

tet in erster Linie unendliche Trauer. Ich schüttle mich dann in Weinkrämpfen und

empfinde eine tiefe Perspektivlosigkeit.“ (Bock, 2009, S. 22). Oder mit den Worten:

„Depressionen sind für mich der Ausdruck runtergeschluckter Aggressionen.“ (Bock,

2009, S. 23).

Durch die Zitate erschliesst sich mir, dass die Betroffenen wahrnehmen, an einer

Depression zu leiden. Sie können ihr Leiden in Worte fassen und es zum Ausdruck

bringen. Ich gehe auch davon aus, dass die Betroffenen, die diese Zitate geäußert

haben, sich in Behandlung befinden. Genauer möchte ich allerdings auf Betroffene

eingehen, die sich nicht in Behandlung befinden. Das hat den Grund, dass ich an-

nehme, dass Betroffene wenig bis gar nicht in der Lage sind, ihre Symptomatik zu

reflektieren. Das wiederum kann den Nachteil haben, dass sie sich den Symptomen

der Depression gänzlich hingeben und sich dies in ihrem Verhalten viel deutlicher

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widerspiegelt als bei Betroffenen, die sich in einer Behandlung befinden. Weiterge-

hend vermute ich, dass das Verhalten der nichtbehandelten Mütter sich somit auch

mit einem stärkeren Einfluss auf die Entwicklung der Kinder auswirkt.

Peter Halama, ein Hamburger Psychiater, hat die Denkmuster von Depressionsbe-

troffenen beschrieben (vgl. Halama, 1991, S. 14). Anhand derer möchte ich die In-

nensicht einer depressiven Mutter darstellen. Dabei werde ich mich auf Situationen

beschränken, die die Interaktion und Kommunikation von Mutter und Kind betreffen.

In seiner Beschreibung beginnt Halama mit den Gedanken der Betroffenen, die

überwiegend oder gar ausschließlich negativ sind. Außerdem neigen Depressionsbe-

troffene dazu, ihr negatives Denken zu übertreiben. Um das Denkmuster zu veran-

schaulichen, dient eine alltägliche Situation von Mutter und Kind. Das Kind weint und

die Mutter versucht es zu trösten. Es zeichnet sich schnell ab, dass das Kind sich

nicht beruhigt. Für die Mutter könnte sich die Situation als unerträglich gestalten, da

sie nur noch sieht, dass sie es nicht schafft, das Kind zu trösten. Sie kann sich hilflos

und ohnmächtig fühlen. In ihren negativen Gedanken erwartet sie von sich nicht,

dass sie das Kind beruhigen kann. Hier kann durchaus eine Endlosschleife entste-

hen, wenn sich die Mutter in ihren Erwartungen bestätigt sieht. Ferner besteht die

Möglichkeit, dass sie die Situation als eskalierend empfindet, obwohl dies der tat-

sächlichen Situation nicht entspricht. Die Mutter neigt offenbar dazu, Situationen über

zu bewerten. Da Betroffene das Positive als „normal“ empfinden und somit positive

Ereignisse häufig nicht wahrnehmen (können/wollen) (vgl. Halama, 1991, S. 14), wird

die Mutter der geschilderten Situation nichts Gutes entnehmen. Sie wird nicht wahr-

nehmen, dass sie eventuell sofort bemerkt hat, dass das Kind sie braucht. Es ist vor-

stellbar, dass sie auch übersehen wird, dass sie womöglich adäquat auf die Bedürf-

nisse des Kindes reagiert haben könnte. Auch im weiteren Alltag wird die Mutter viele

Dinge übersehen, wie zum Beispiel, dass das Baby die Mutter anlächelt. Das wird

die Mutter eher nicht als positive Zuwendung erleben. Sie wird es als „normal“ ab-

stempeln, dass Babys lächeln. Da sie das Lächeln als „normal“ betrachtet, wird sie

dem Kind keine positive Bestärkung zu kommen lassen und dessen Lächeln nicht

spiegeln.

Die „Niederlagen“, die die Mutter durch ihr Handeln erleben und empfinden kann,

verallgemeinert sie (vgl. Halama, 1991, S. 14). So wird die Mutter aufgrund des bis-

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her „ständigen Versagens“ davon ausgehen, dass sie auch in Zukunft immer wieder

versagen wird. Mit dieser Haltung wird sie wahrscheinlich dazu beitragen, dass sich

ihre Erwartungen an die Zukunft erfüllen. Die Mutter kann die Einstellung annehmen,

dass sie es sich nicht zutraut, dass Kind zu versorgen. Das wird das Kind im alltägli-

chen Umgang deutlich spüren können.

Durch die andauernden Selbstentwertungen der Mutter und deren Beitrag bzw. Pro-

vokation zur Erfüllung der Entwertungen, hat sie ihren Weitwinkel verloren. Sie sieht

nur noch eindimensional (vgl. Halama, 1991, S. 14) auf das Schlechte, was sie in

naher Zukunft erwarten wird.

Des Weiteren denken Betroffene, in diesem Fall auch die depressive Mutter, nur

schwarz und weiß (vgl. Halama, 1991, S. 14). Das bedeutet, dass die Mutter nur gut

oder schlecht unterscheiden kann, nicht aber die Graustufen und Farbtöne dazwi-

schen wahrnimmt. So ist die Mutter gehindert, kleine Erfolge in der Mutter-Kind-

Kommunikation und –Beziehung zu erkennen. Ein Versagen an dieser Stelle kann

als vorprogrammiert bezeichnet werden.

Das ständige „Versagen“ wird nicht spurlos an der Mutter vorbei gehen. Ihr Selbst-

wertgefühl wird sehr zeitnah gänzlich entwertet sein. Dabei bestärkt sich im Laufe

der Zeit ihr Selbstbild immer wieder negativ. Sie fühlt sich als Versagerin (vgl.

Halama, 1991, S. 14).

Es ist anzunehmen, dass sich die bisher beschriebenen Denkmuster potenzieren

und sich immer stärker auf das Verhalten der Mutter auswirken. Wahrscheinlich

denkt sie nicht nur, dass sie nicht in der Lage ist, ihr Kind angemessen zu versorgen,

sondern wird es auch schließlich nicht mehr sein. Ihr verminderter Antrieb, der sich

aus der Depressionssymptomatik ergibt, und die Tatsache, dass sie sich selbst als

Versagerin erlebt, können Einwirker dafür sein, dass sie tatsächlich nicht mehr adä-

quat und zeitnah auf das Kind reagieren kann. Es könnte sich in der Mutter eine in-

nere Einstellung entwickeln, bei der sie sich fragt, warum sie sich um das Kind küm-

mern sollte, wenn sie sowieso nichts tun kann, um es zu trösten. Versucht sie dann

doch das Kind zu trösten und ihre Erwartungen erfüllen sich, nämlich dass sie das

Kind in der Tat nicht trösten kann (ganz unabhängig davon warum), wird sie sich be-

stätigt fühlen. Dabei kann in ihr der Eindruck entstehen, dass das Kind sie nicht lei-

den kann oder aber auch, dass das Kind sie ärgern oder gar fertig machen will (vgl.

Halama, 1991, S. 14). Auch das wird die Mutter als Schuldgefühl auf sich zurückzie-

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hen, indem sie denkt, sie sei Schuld daran, dass das Kind sie nicht mag (vgl.

Halama, 1991, S. 14).

Es erscheint mir, als befinde sich die Mutter in ständiger Frustration. All die Gefühle,

die mit der Frustration einhergehen, wie Trauer, Ohnmacht, Wut und Aggression,

finden im Alltag der Mutter sicher keinen Platz für Abbau. Die Mutter wird den Aus-

weg nehmen, die Aggressionen gegen sich zu richten und neue Aggressionen kom-

men auf. Nicht zuletzt ist das alles ein guter Nährboden für die Endlosschleife, in der

sich die Mutter befindet. Alle Schuld sucht sie weiterhin bei sich und macht sich in

höchstem Masse dafür verantwortlich (vgl. Halama, 1991, S. 14).

4. Bindungstheorie: Ein Überblick

In diesem Kapitel geht es darum, die Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung wäh-

rend der ersten Lebensjahre zu beschreiben. Der Begründer der Bindungstheorie ist

der Engländer John Bowlby. Er war Psychiater und Psychoanalytiker und erkannte

durch seine Beobachtungen im klinischen Bereich die entscheidende Bedeutung von

der Entstehung eines Bindungsprozesses in der frühen Kindheit. Der erste Bin-

dungsprozess, so fand Bowlby heraus, schließt sich zwischen primärer Bindungsper-

son und Kind bzw. Säugling (vgl. Brisch et. al 1999, S. 425). Um das Konzept der

Bindungstheorie zu verstehen, ist wichtig zu klären, was unter einer solchen Bindung

verstanden werden kann. Mary Ainsworth hat dies mit einem „imaginären Band“

(Ainsworth, 1979; zit.n. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 68) beschrieben, das sich

zwischen zwei Personen knüpft. Dieses Band ist fest in den Emotionen der Personen

verwurzelt und verbindet die Beiden raum- und zeitübergreifend (vgl. Ainsworth,

1979; zit.n. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 68). Bowlby ergänzt das noch mit den

Worten: „Die unangefochtene Beständigkeit einer Bindung nennt man Liebe. Sie ist

die Quelle psychischer Sicherheit.“ (Bowlby, 1995b; zit.n. Grossmann, Grossmann,

2005, S. 69). Sollte die geknüpfte Bindung allerdings gefährdet sein, wird von den

betroffenen Personen Angst empfunden. Bei Abbruch einer Bindung entstehen

Kummer und Trauer. Diese Emotionen erhöhen die Aufmerksamkeit und den Willen

der betroffenen Personen, sich für die Bindung und deren Erhalt einzusetzen (vgl.

Bowlby, 1995b; zit.n. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 69). Daraus erschliesst sich,

dass eine Bindung verstanden werden kann als dynamische Entwicklung, die auf die

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Bildung von intrapsychischen Strukturen sowie auch auf die Bildung der Persönlich-

keit wirkt (vgl. Brisch et al. 1999, S. 434).

Die Fähigkeit eine solche Bindung einzugehen, entwickelt sich nach der Geburt des

menschlichen Säuglings im Laufe des ersten Lebensjahres. Eine Bindung rührt aus

dem Verlangen des Säuglings nach Nähe und Kontakt, die zu einem Erwachsenen

hergestellt werden sollen (vgl. Ainsworth, 1973a – 2003a; zit.n. Grossmann, Gross-

mann, 2005, S. 69). Um eine Befriedigung dessen zu erreichen, bedient sich der

Säugling angeborenen Verhaltensweisen, die sicherstellen, dass er das bekommt,

was für ihn unabdingbar ist (vgl. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 69). Die Verhal-

tensweisen, derer sich der Säugling bedient, nennen sich Bindungsverhaltenswei-

sen. Dazu gehören die Bewegungen des Säuglings, die sich als Gestik und Mimik

ausdrücken, und die Laute, die er von sich gibt (vgl. Grossmann, Grossmann, 2005,

S. 69). Daraus ergeben sich folgende Bindungsverhaltensweisen, die ein Säugling

äußern kann: „[…] Weinen, Rufen, Anklammern, Nachfolgen sowie Protest beim

Verlassenwerden.“ (Grossmann, Grossmann, 2005, S. 70). Das Suchen nach der

Bindungsperson, wenn diese den Raum verlassen hat, gehört ebenfalls zu den Bin-

dungsverhaltensweisen (vgl. Grossmann, 2001, S. 33).

Das Bindungsverhalten eines Säuglings ist nicht permanent aktiv. Der Säugling nutzt

es als eine Art Schutzmechanismus, der in Situationen Alarm schlägt, in denen er

sich unwohl fühlt. Der Mechanismus ist das Bindungssystem, was also folglich dazu

dient, dass der Säugling sich allen in seiner Macht befindlichen Mitteln bedient (die je

nach Alter variieren können), um Nähe und Kontakt zur Mutter herzustellen. An sie

sind dann die Bindungsverhaltensweisen gerichtet. Im besten Fall reagiert die Mutter

fürsorglich und beseitigt beständig die Mängel, die der Säugling verspürt. Durch die

Fürsorge und die Beständigkeit entwickelt sich die Mutter zur primären Bindungsper-

son (vgl. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 70). Ein Kind kann im Laufe seines jun-

gen Lebens zu mehreren, nicht aber zu vielen Personen eine Bindung entwickeln

(vgl. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 68). Das beschriebene Bindungsverhalten

zeigt der Säugling nicht, wenn es ihm gut geht. Das ermöglicht es ihm, in Ruhe und

mit Neugier seine Umwelt zu erkunden. In dieser Explorationsphase kann sich der

Säugling, durch das nichtaktive Bindungsverhalten und trotz der zeitweiligen Rück-

versicherungen bei der Mutter, weitestgehend frei und ungestört bewegen. Erst wenn

er sich während der Exploration unwohl fühlt, wird sein Bindungssystem aktiv und

der Säugling wendet sich der Mutter zu (vgl. Grossmann, 2001, S. 33).

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4.1 Bindung in vier Phasen

Ein Kind kommt nicht ausgestattet mit ausgereifter Bindungsqualität auf die Welt.

Vielmehr durchläuft das Neugeborene einen Entwicklungsprozess, der in vier Pha-

sen eingeteilt werden kann. Die ersten drei Phasen sind im ersten Lebensjahr des

Säuglings zu finden. Es sind die reflexartige soziale Reaktionsweise, die zielorientier-

te Phase und das aktive und initiierte zielkorrigierende Bindungsverhalten. Die vierte

Phase zieht sich bis ins Vorschulalter und ist die zielkorrigierende Partnerschaft (vgl.

Grossmann, Grossmann, 2005, S. 73f).

Von Geburt bis zum 2. Lebensmonat ergeben sich die sozialen Reaktionsweisen des

Säuglings größtenteils reflexartig und werden in der Regel nicht direkt an eine ein-

zelne Person gerichtet, auch wenn die Mutter häufig glaubt, das Gegenteil sei der

Fall. Die Reaktionsweisen, um die es sich handelt, sind in dieser Lebensphase das

Anschmiegen, Festsaugen, Anschauen, Schreien oder Horchen. Sie werden unspe-

zifische soziale Reaktionen genannt (vgl. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 73).

Bis zum 6. Lebensmonat erstreckt sich die zweite, die zielorientierte Phase (Phase

der unterschiedlich sozialen Reaktionsbereitschaft). Der Säugling reagiert nun schon

etwas gezielter auf die Verhaltensweisen der Mutter, die sie in der Interaktion äußert.

Da sie dem Säugling mittlerweile eine vertraute Person ist, lässt er sich von ihr am

ehesten beruhigen und bevorzugt schafft sie es auch den Säugling zum Lachen zu

bringen. Die Mutter ist außerdem häufig eine der wenigen Personen, der der Säug-

ling in diesem Alter die Arme entgegen streckt (vgl. Grossmann, Grossmann, 2005,

S. 73). Die Mutter hat sich für den Säugling zur primären Bindungsperson entwickelt.

In der dritten Phase, die sich ab dem 6. Lebensmonat verdeutlicht, wird der Säugling

selbstständiger. Durch das Erlernen der selbstständigen Fortbewegung, kann der

Säugling nun deutlicher die schon aufgeführten Bindungsverhaltensweisen, wie An-

klammern oder Verfolgen, zeigen. In dieser Phase spricht man von aktivem und initi-

iertem zielkorrigiertem Bindungsverhalten. In dieser Phase bildet sich auch die Ob-

jektpermanenz des Säuglings (vgl. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 73). Die not-

wendige Voraussetzung für die Objektpermanenz ist „[…] ein überdauerndes geisti-

ges Bild oder Schema, oder eine überdauernde Repräsentation, der anderen Per-

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son.“ (Stern, 1994, S. 117). Der Säugling weiss jetzt, dass die Mutter der sichere An-

laufpunkt ist, in dessen Nähe er sich wohl, beschützt und geborgen fühlt. Das wird

auch während der Erkundungsphasen deutlich, in denen der Säugling sich bei der

Mutter über seine eigene Sicherheit immer wieder rückversichert und gegebenenfalls

zur Mutter zurückkehrt. Der Säugling empfindet in dieser Phase erstmals Trennungs-

schmerz, wenn die Mutter sich ohne sein Einverständnis von ihm entfernt. Bei Rück-

kehr der Mutter kann der Säugling Entspannung erfahren, die sich dann beispiels-

weise in einem Lächeln äußern kann (vgl. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 74).

In der letzten Phase der Entwicklung der ersten Bindung, die sich bis ins Vorschulal-

ter erstreckt, entsteht die zielkorrigierende Partnerschaft. Sie entwickelt sich dadurch,

dass das Kind nun Sprache als Medium nutzt und außerdem zu verstehen erfährt,

welche Interessen die Mutter gerade verfolgen will. Das Kind wird in diesem Alter in

der Lage sein, die Argumente der Mutter durch eigene Argumentationen zu verän-

dern oder zu beeinflussen. Im besten Fall kann sich der Interessenkonflikt des Kin-

des positiv auflösen. Das Kind ist nun ebenfalls in der Lage, das Denken und Han-

deln der Mutter in die eigenen Denkvorgänge aufzunehmen (vgl. Grossmann,

Grossmann, 2005, S. 75).

Die Entwicklung des Säuglings und auch die seines Bindungsverhaltens erzeugen

eine Veränderung in der Interaktion zwischen Mutter und Kind. So kann der Säugling

beispielsweise mit 9 Monaten langsam erkennen, wenn die Mutter ihre Aufmerksam-

keit auf etwas richtet. Er ist fähig, dieser Aufmerksamkeit zu folgen und kann seine

eigene Aufmerksamkeit ebenfalls dorthin zu richten. Mit 11 Monaten ist der Säugling

dann in der Lage, die emotionalen Bewertungen, die in der Aufmerksamkeit der Mut-

ter liegen, zu registrieren. Mit weiteren zwei bis vier Lebensmonaten ist es ihm mög-

lich, die Aufmerksamkeit der Mutter auf etwas zu lenken, was seine Aufmerksamkeit

erregt. Um das erreichen zu können, behilft er sich mit Lauten und Gesten (vgl.

Grossmann, Grossmann, 2005, S. 109). Das ist die Grundlage für das Verständnis

anderer Menschen und auch für das, des eigenen Selbsts (vgl. Lorenz, 1943; zit.n.

Grossmann, Grossmann, 2005, S. 111).

Zusammenfassend ist folgendes deutlich geworden: Mit zunehmendem Alter des

Säuglings entwickeln sich diese Bindungsverhaltensweisen weiter. Was im ersten

Bindungsabschnitt noch reflexartig herausgestossen wird, ist auf der nächsten Ebene

schon mit einem Erfahrungsschatz von Verhaltensmöglichkeiten ausgestattet, die

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Erwartungen an das mütterliche Verhalten stellen. Mit weiterem Verlauf und stetig

reifendem Säugling (kognitiv und sprachlich) entsteht ein deklaratives Verständnis

von Bindungen und Bindungsperson sowie sich derer bedienen zu können (vgl.

Gopnik, Metzoff, 1997; zit.n. Spangler, 2002, S. 161).

4.2 Bindungsmuster

Im Verlauf der Entwicklung des kindlichen Bindungsverhaltens können unterschiedli-

che Bindungsqualitäten entstehen. Jedoch sind diese nicht variabel, sondern ein

Kind verinnerlicht nur ein Bindungsmuster. Welches Bindungsmuster das Kind verin-

nerlicht, ist jedoch stark abhängig vom Umgang der primären Bindungsperson mit

dem Säugling. Ein inneres Arbeitsmodell ergibt sich somit aus den Handlungen des

Kindes und die darauf folgenden Konsequenzen durch die Bindungsperson (vgl.

Fremmer-Bombik, 2002, S. 111). Es wird zwischen vier verschiedenen Modellen der

Bindung differenziert, die sich in ihren Ausdrucksweisen unterscheiden und abhängig

vom Alter des Kindes sind. Alle verfolgen immer den Zweck der Herstellung von Nä-

he und dem Erhalt von Bindung (vgl. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 70).

Die vier Bindungsmuster, die entstehen können sind, die sichere Bindung, die unsi-

cher-ambivalente Bindung, die unsicher-vermeidende Bindung und die unsicher-

desorganisierte Bindung.

Ein Bindungsmuster ist das Modell der sicheren Bindung. Hierbei hat das Kind Ver-

trauen in die Mutter und deren Verfügbarkeit. Das Kind hat das Vorauswissen, dass

es bei vermeidlicher Gefahr, Angst und Trauer von der Mutter fürsorglich und feinfüh-

lig getröstet und beschützt wird (vgl. Bowlby, 2002, S. 24). Das Verhältnis zwischen

Explorationsverhalten und Bindungsverhalten ist ausgewogen (vgl. Grossmann,

2001, S. 36).

Bei der unsicher-ambivalenten Bindung hingegen, ist sich das Kind unsicher, ob es

sich auf die Unterstützung und die Verfügbarkeit der Mutter verlassen kann. Die Un-

sicherheit kann unter anderem dadurch entstehen, wenn die Mutter bisher nicht zu-

verlässig verfügbar gewesen ist. Aber auch Aussagen der Mutter wie das Kind bei

Ungehorsam zu verlassen, kann Ursache für dieses Bindungsmuster sein (vgl.

Bowlby, 2002, S. 25). Durch diese Unzuverlässigkeit ist das Bindungssystem des

Kindes in fremden Situationen konstant aktiviert, sodass die Exploration stark einge-

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schränkt sein kann. Jede Trennung der Mutter wird als Bestätigung der Erwartung

empfunden, dass die Mutter nicht konstant verfügbar ist. Der dabei entstehende

Trennungsschmerz ist sehr belastend für das Kind und eine Entspannung des Kin-

des bei Rückkehr der Mutter tritt vorerst nicht ein, obwohl das Kind die Nähe der Mut-

ter sucht. Bedingt durch den Trennungsschmerz kann es allerdings auch vorkom-

men, dass das Kind sehr wütend auf die wiederkehrende Mutter reagiert (vgl.

Fremmer-Bombik, 2002, S. 115).

Ein Kind, welches das Bindungsmuster einer unsicher-vermeidenden Bindung entwi-

ckelt hat, erwartet in der fremden Situation keine Unterstützung von der Mutter. Im

Gegenteil, erwartet es Ablehnung und Zurückweisung (vgl. Bowlby, 2002, S.25). Das

Kind vermeidet es, seine Verunsicherung zu zeigen. Es wendet sich in einer fremden

Situation nicht an die Nähe der Mutter, da es keinen Schutz und keine Hilfe von ihr

erwartet. Außerdem verhält sich das Kind in Trennungssituationen gleichgültig, um

nicht Gefahr zu laufen, zurückgewiesen zu werden (vgl. Fremmer-Bombik, 2002, S.

115).

Die unsicher-desorganisierte Bindung wird von Bowlby, der neben Mary Ainsworth

Federführer der Bindungstheorie ist, nicht genannt. Bei Recherchen in anderer und

neuerer Literatur taucht dieses Bindungsmuster jedoch häufig auf. Diese Art von

Bindungsmuster kann unter anderem dadurch entstehen, dass die Mutter einen Ver-

lust einer Bindungsperson in der eigenen Kindheit nicht verarbeitet hat. In manchen

Verhaltensmustern taucht dann eine Rollenumkehr auf, in der das Kind die Verant-

wortlichkeit für das Wohlbefinden der Mutter übernimmt (vgl. Fremmer-Bombik, 2002,

S. 116). Das Kind mit diesem Bindungsmuster wirkt in seinem Verhalten sehr desori-

entiert und desorganisiert. Es zeigt Ruhe bei einer Trennung (also keinen Tren-

nungsschmerz), reagiert beim Wiedersehen mit außerordentlichem Stress und zeigt

dabei auch häufig Verärgerung. Die Bewegungen des Kindes können sehr desorien-

tiert sein. Das kann sich in Form von unvollendeten Bewegungen sowie anormalen

Gesten und Haltungen äußern. Ein desorganisiert gebundenes Kind kann weinen,

wenn ein Fremder geht, aber nicht dann, wenn die Mutter geht. Ein weiteres beo-

bachtetes Verhaltensmuster ist, dass das Kind sich bei Angst nicht zur Mutter hin,

sondern von ihr fort bewegt (vgl. Main, Hesse, 1990; zit.n. Grossmann, 2001, S. 38).

Um feststellen zu können, welches Bindungsmuster ein Kind verinnerlicht hat, dient

die „Fremde Situation“. Sie wird inszeniert durch ein für Mutter und Kind fremdes

Spielzimmer, in einer gänzlich fremden Umgebung. Hier wird das Kind dann zweimal

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von der Mutter für maximal drei Minuten getrennt. Nach der Trennung von der Mutter

sowie bei deren Wiederkehr werden die Bindungsverhaltensweisen, die das Kind

zeigt, beobachtet. Je nach Bindungsmuster zeigt das Kind dann die dazu gehörigen

charakteristischen Bindungsverhaltensweisen (vgl. Ainsworth, Wittig, 1969; zit.n.

Grossmann, 2001, S. 36).

5. Bindungsverhalten unter dem Einfluss einer depressiven Mutter

Wie auch bei der Innensicht des Kindes, bin ich während der Literaturrecherchen zu

dem Schluss gekommen, dass Literatur zu dieser Thematik nicht in besonderer Fülle

vorhanden ist. Die Thematik des Einflusses von depressiven Müttern auf das kindli-

che Bindungsverhalten scheint bisher in Deutschland wenig Beachtung durch Wis-

senschaft und Forschung gefunden zu haben. In einem Gespräch hat Frau Ortrud

Beckmann, eine Hamburger Kindertherapeutin, tätig in der Einrichtung PFIFF, er-

wähnt, dass Kinder depressiver Mütter eine unsicher-ambivalente Bindungsqualität

aufweisen. Wodurch sich die unsichere Bindungsqualität entwickeln kann und ob sie

tatsächlich mit der Depression der Mutter korreliert, werde ich während des folgen-

den Kapitels versuchen zu erläutern. Ich werde Thesen aufstellen, die es möglich

machen könnten, den (negativen) Einfluss erkennbar zu machen.

5.1 Einwirkungen während der Schwangerschaft

Wie schon angenommen, scheint es nicht nur einen Einfluss der Depression nach

der Geburt (postnatal), sondern auch während der Schwangerschaft auf das Kind zu

geben. Die Einflüsse wirken sich nicht direkt auf das Bindungsverhalten aus, sondern

eher auf die körperliche und psychische Entwicklung des Kindes. Der Umkehrschluss

ist, dass die Einflüsse während der Schwangerschaft sich indirekt auf das Bindungs-

verhalten des Kindes auswirken können.

In mehreren Studien der Säuglingsforschung wurde erwiesen, dass sich gerade in

der ersten Schwangerschaftshälfte Stressbelastungen besonders ungünstig auf den

Säugling auswirken. Das liegt daran, dass der Körper im Fall der depressiven Mutter,

aufgrund der psychischen Belastung, vermehrt Cortisol ausschüttet. Das Cortisol

kann die Schutzschranken der Plazenta leicht durchdringen. Der kindliche Organis-

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mus ist jedoch noch nicht in der Lage, ein cortisolabbauendes Enzym zu bilden. Das

Kind ist dem Cortisol schutzlos ausgeliefert. Sobald aber das Enzym zum Abbau

durch das Kind gebildet werden kann (ab der letzten Schwangerschaftshälfte), kann

es sich vor dem Cortisol besser schützen (vgl. Albrecht, Pepe, 1984, 1995; zit.n.

Wurmser, 2007, S. 138). Dass das Kind dem Cortisol ausgesetzt ist hat Folgen. Der

Säugling unterliegt einem vielfach erhöhtem Risiko, Fütter- und Gedeihstörungen

sowie Säuglingsschreien zu entwickeln (vgl. Wurmser, 2007, S. 137). Dabei stellen

Depressionen, mit dem einhergehenden subjektiv negativ empfundenen Schwanger-

schaftsverlauf, ein 3fach erhöhtes Risiko für das Kind dar, solche Störungen zu ent-

wickeln. (vgl. Soendergaard et al., 2003; zit.n. Wurmser, 2007, S. 138).

Aber nicht nur mögliche Verhaltensprobleme des Säuglings sind durch die schlechte

psychische Verfassung der Mutter bedingt. So kann eine Depression der Mutter wäh-

rend der Schwangerschaft auch auf die Entwicklung des kindlichen Temperaments

Einfluss haben. Dabei geht es um Merkmale wie negative Emotionalität, Rückzugs-

tendenzen, leichte Ablenkbarkeit und verminderte Anpassungsfähigkeit (vgl.

Huttunen, 1989; zit.n. Wurmser, 2007, S. 139). Außerdem haben betroffene Säuglin-

ge häufig eine unreife Schlaf-Wach-Organisation, Wachstumsverzögerungen (vgl.

Cohn et al., 1986; zit.n. Wurmser, 2007, S. 139) und eine verminderte Selbstregulati-

onsfähigkeit (vgl. Field et al., 1985; zit.n. Wurmser, 2007, S. 139). Hier wird eine Ne-

gativspirale erkennbar, die in engem Zusammenhang zur Bindungsqualität steht. Das

Baby, das unter Fütter- und Gedeihstörungen leidet (ohne hier auf diese Symptoma-

tik vertiefend einzugehen), stellt eine hohe zusätzliche Belastung für die Mutter dar.

Das Kind erregt durch das Säuglingsschreien in extremem Maße die Aufmerksamkeit

der Mutter. Diese fühlt sich auf Dauer der Belastung nicht gewachsen und kann nicht

konstant beruhigend auf das Kind einwirken. Eine Folge kann sein, dass die Mutter

Hilflosigkeit verspürt, in der sie das Baby beginnt abzulehnen. Im schlimmsten Fall

entwickelt sie erste Aggressionen gegen das Kind, von denen sie einen Teil, bedingt

durch ihre Depression, gegen sich selbst richten wird. Es ist davon auszugehen,

dass sie, anfänglich eher selten später immer häufiger, viele der entstehenden Ag-

gressionen gegen das Kind richtet. Diese werden nicht ausschließlich durch das Kind

ausgelöst, sondern auch aus Übertragungen aus der eigenen Kindheit der Mutter

rühren. Weitergehend gestalten sich die Essenssituationen besonders schwierig, da

der Säugling auch hier nicht „einfach“ zu händeln sein wird. Das frustriert die Mutter

und lässt sie verzweifeln, da sie es nicht schafft, die Bedürfnisse des Säuglings zu

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befriedigen. Die Gedeihstörungen, die das Kind aufweisen kann, machen der Mutter

ebenfalls zusätzliche Sorgen. Die Belastung der Mutter kann daraus resultieren, dass

sie sich durch die Gedeihstörungen in Selbstvorwürfe begibt und sich aufgrund des

„ungesunden“ Kindes als Versagerin fühlt. Auch hier wird ein Teil der mütterlichen

Aggressionen autoaggressiv sein. Die, die sie nicht schafft zu unterdrücken, wird sie

weitestgehend umgehemmt auf das Kind richten. Nicht zuletzt wird die Mutter das

Schreien und die Störungen des Kindes nicht mehr als Hilfebedürftigkeit erkennen

können, sondern als erneuten Angriff gegen sich werten. Die Negativspirale, die sich

aus dem sich ständig wiederholenden „mismatch“ ergibt, findet kein Ende. Mit die-

sem Szenario entsteht eine Vorstellung davon, wie schwierig es sich unter diesen

Umständen gestaltet, eine Basis für eine sichere Bindung zu bereiten.

Offenbart hat sich, dass die mütterliche Depression während der Schwangerschaft

keinen direkten Einfluss auf das Bindungsverhalten des Kindes hat. Der Einfluss ent-

steht durch Hormone, die die körperliche Entwicklung und die Temperamentsbildung

des Kindes negativ beeinflussen. Das zieht einen (negativen) Einfluss auf das kindli-

che Verhalten nach sich, welcher die Kommunikation und Interaktion von Mutter und

Kind sehr belastet. Dies kann sich nachhaltig negativ auf die Bindungsqualität des

Kindes auswirken. Somit kann das Kind eine unsichere Bindung entwickeln.

5.2 Gegenüberstellung

Anfänglich kommt die Frage auf, ob die Mutter ihrerseits denn überhaupt den tiefen

Wunsch nach einer sicheren und befriedigenden Mutter-Kind-Bindung hat. Die Frage

wird sich nicht klären lassen, da es sehr individuell sein wird. Allerdings weniger indi-

viduell vermute ich das Verhalten von depressiven Müttern. Dieses Verhalten möchte

ich anhand einer Gegenüberstellung von „Optimalverhalten“ der Mutter für eine si-

chere Bindung und „negativen“ Verhaltensweisen der Mutter sowie deren Einfluss

auf eine unsichere Bindung veranschaulichen.

Wie schon im bindungstheoretischen Teil aufgeführt, ist die Feinfühligkeit der Mutter

für den Säugling von besonderer Bedeutung. Mit ihr kann die Mutter die Bedürfnisse

des Säuglings nach Nahrung, Körperwärme, sowie seinen Wach- und Schlafrhyth-

mus regulieren. Die Feinfühligkeit drückt sich demnach durch das Handeln der Mut-

ter aus. Aber auch mit ihrem Körpergeruch, ihrem Herzschlag, ihrer Haut, den Bewe-

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gungsmustern und der mütterlichen Stimme wirkt sie auf den Säugling ein (vgl.

Grossmann, Grossmann, 2005, S. 115). Der Säugling wird durch sein Verhalten da-

zu beitragen, dass die Mutter aktiv wird. Die deutlichsten Verhaltensweisen des jun-

gen Säuglings sind vokaler und mimischer Ausdruck (vgl. Grossmann, Grossmann,

2005, S. 115). Wenn auch an dieser Stelle nicht durch die Literatur erwähnt, gehe ich

davon aus, dass auch die körpereigenen Geräusche des Säuglings als Signale von

der Mutter empfangen werden. Die nicht depressive Mutter wird nahezu auf jeden

Blick und jedes Geräusch des Säuglings reagieren. Wenn sie mit dem Säugling

spricht, vereinfacht sie ihre Sprache und verdeutlicht Mimik und Gestik. Das kann

sich zum Beispiel darin äußern, dass die Mutter das Kind übertrieben nachahmt oder

mit ganz sanfter Stimme zu dem Kind spricht, um es zu beruhigen (vgl. Grossmann,

Grossmann, 2005, S. 116). Die mütterliche Feinfühligkeit umfasst allerdings noch

mehr. Die Mutter sollte geistig anwesend sein und eine niedrige Wahrnehmungs-

schwelle aufweisen. Außerdem ist es von grosser Bedeutung, dass sie die Äußerun-

gen des Säuglings richtig interpretieren kann. Dabei wirkt es sich positiv auf den

Säugling aus, wenn die Mutter zeitnah auf ihn reagiert. So kann er eine positive Ver-

bindung zwischen seinem Verhalten und der mütterlichen Reaktion knüpfen. Es ist

die Aufgabe der Mutter, angemessen auf die Bedürfnisse des Säuglings zu reagieren

(vgl. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 120). In Verbindung mit der Kooperationsbe-

reitschaft der Mutter und dem Zustand der befriedigten Bedürfnisse, hat das Kind die

Möglichkeit, in Ruhe seine Umwelt erkunden zu können (vgl. Grossmann, Gross-

mann, 2005, S. 120). Feinfühligkeit und Kooperationsbereitschaft der Mutter bilden

dementsprechend die Grundlage für eine sichere Bindung (vgl. Grossmann, Gross-

mann, 2005, S. 116). Ist beides vorhanden, sind für das Kind optimale Bindungsvo-

raussetzungen gegeben. Wie aber schon durch die Innensicht von Mutter und Kind

deutlich geworden ist, sind die optimalen Bedingungen nicht immer gegeben. Dabei

möchte ich auf die Kooperation von Mutter und Kind eingehen. Kooperationsbereit-

schaft findet statt, wenn die Mutter die Botschaften des Kindes lernt zu entschlüs-

seln. Es ist beispielsweise von großer Wichtigkeit, dass die Mutter die Suche des

Kindes nach Nähe und Schutz versteht und akzeptiert, um anschließend mit entspre-

chender Fürsorglichkeit auf das Kind einzugehen (vgl. Fries, 1984; zit.n. Grossmann,

Grossmann, 2005, S. 122). Aufgrund ihrer schlechten psychischen Verfassung, kann

die depressive Mutter wenig in der Lage sein, die Signale des Kindes richtig zu deu-

ten, was eine ausbleibende Bedürfnisbefriedigung nach sich zieht. Dabei ist davon

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auszugehen, dass auch der Säugling die Signale der Mutter nur schlecht oder gar

nicht entschlüsseln kann, da sie keine Antwort auf sein Verlangen darstellen und für

ihn verwirrend sind. Das Mutter und Kind die Botschaften des Anderen nicht verste-

hen und entschlüsseln können, kann überall im Alltag der Beiden auftauchen. So

auch, wenn der Säugling explorieren will. Die depressive Mutter kann das als eine

Abwendung von sich verstehen. Sie wird dem Säugling dann die Möglichkeit neh-

men, sich entspannt dem Erkunden seiner Umwelt hinzugeben, da sie den Säugling

unsanft aus seiner Exploration reißt, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Der

Säugling wird irritiert und erschrocken darüber sein, dass er sein Bedürfnis nach Er-

kundung nicht befriedigen kann. Durch den entstanden Schreck beginnt der Säugling

zu weinen. Das wird die Mutter erneut fehlinterpretieren und sich wieder gekränkt

fühlen. Die Kränkung kann aus der Depressionserkrankung der Mutter rühren, in de-

ren Symptombild sich verankert hat, dass sie nicht liebenswert ist und sie aufgrund

dessen keiner mag. Das wird sie auch in das Weinen des Babys interpretieren. Die

sich wiederholende Kränkung kann eine kurzzeitige Ablehnung in der Mutter hervor-

rufen, die ihr die Möglichkeit verwehrt, das Kind adäquat beruhigen zu können. Es

gibt immer wieder negative Ereignisketten in der Kommunikation von Mutter und

Kind. Die Signale beider Seiten werden fehlgedeutet und auf jede Kränkung folgen

neue Verunsicherungen und Kränkungen, die sich immer wieder neu bestätigen. Ei-

ne Situation, bei der Mutter und Kind im Stimulierungs- und Erregungsniveau nicht

zusammentreffen, nennt sich „mismatch“ (Bindt, 2003, S. 73). Durch den sich ständig

wiederholenden „mismatch“ können die Voraussetzungen für eine sichere Bindung

nicht erfüllt werden. Das heißt im Folgeschluss, dass das Kind, mit hoher Wahr-

scheinlichkeit eine unsichere Bindungsqualität verinnerlicht. Des Weiteren kann das

Kind sich über seine Selbstwirksamkeit nicht im Klaren werden, denn die Mutter rea-

giert nicht adäquat auf die Signale des Säuglings und somit bleiben seine Signale

wirkungslos. Bei genauer Überlegung kann das zur Folge haben, dass das Kind in

seinen Verhaltensweisen übertrieben reagiert, um auf Gehör und Aufmerksamkeit

der Mutter zu stossen.

Hier kann wieder an das Feinfühligkeitskonzept angeknüpft werden, welches auch

dazu dient, das Bindungssystem des Kindes zu beruhigen, wobei die Beruhigung

zum Erfolg führen sollte. Dabei ist wichtig, dass sich der Erfolg nicht durch Zufall

ergibt, sondern gezielt gewollt ist (vgl Ainsworth et al., 1974; zit.n. Grossmann,

Grossmann, 2005, S. 130). Von Bedeutung ist es deshalb, da eine unzureichende

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oder ausbleibende Beruhigung eine gemeinsame Aufmerksamkeit auf ein Ereignis

verwehrt. Eine konstruktive Interaktion kann somit nicht stattfinden. Folge der aus-

bleibenden Interaktion am Beispiel der Beruhigung ist häufig, dass das Kind bis zur

Erschöpfung weint oder sich abwendet. Im schlimmsten Fall kann es zu einer Ent-

fremdung kommen. Das Kind wird außerdem seine Bemühungen aufgeben, seine

Gefühle auszudrücken, was nicht zuletzt zu einer Ausdruckslosigkeit oder Depressi-

on bei ihm führen kann. Dies haben Untersuchungen gezeigt, bei denen Säuglinge

einer depressiven Mutter ausgesetzt waren (vgl. Field, 1987; zit.n. Grossmann,

Grossmann, 2005, S. 130).

Die Kriterien der Feinfühligkeit wird die depressive Mutter vermutlich in vielen Inter-

aktionsbereichen nicht erfüllen können. Unter diesem Aspekt möchte ich auf die Mi-

mik und Gestik anhand des intuitiven Verhaltens der Mutter eingehen. Hanus und

Mechthild Papousek haben dazu die „Intuitive Elternschaft“ (Papousek, Papousek,

1987; zit.n. Bindt, 2003, S. 74) beschrieben. Hanus Papousek war Kinderarzt und

Forscher. Mechthild Papousek ist Psychiaterin. Beide haben durch ihre Forschungen

einen großen Beitrag zur kognitiven Säuglingsentwicklung und der „Intuitiven Eltern-

schaft“ geleistet. Bei der „Intuitiven Elternschaft“ geht es um eine „[…] biologisch prä-

formierte Verhaltensbereitschaft, die sich beim Menschen über Kultur-, Alters-, und

Geschlechtsgrenzen hinweg im Umgang mit Säuglingen manifestiert.“ (Bindt, 2003,

S. 74). Zu diesem Verhalten gehört beispielsweise, dass Eltern intuitiv den Abstand

zum Kind einnehmen, der mit der optimalen Sehentfernung des Kindes überein-

stimmt. Auch die „Grußreaktion“ (Bindt, 2003, S. 74) ist dem intuitiven Verhalten zu-

gehörig. Bei der „Grußreaktion“ beantworten die Eltern den Blick des Babys mit ei-

nem leichten Kopfnicken, leicht geöffnetem Mund und hochgezogenen Augenbrauen.

Das hat zum Ziel, dass die Aufmerksamkeit des Kindes auf das Innere des Gesichts

gelenkt wird. Auch die Ammensprache erfolgt intuitiv. Bei ihr verlangsamt die Mutter

Sprechtempo und Rhythmus in der Kommunikation mit dem Kind. Ihre Sprachmelo-

die reduziert sie zudem auf eine Grundkontur. Durch die vereinfachte Sprechweise

ist es der Mutter möglich, dem Säugling Grundbotschaften zu vermittelt, noch lange

bevor dieser Worte verstehen kann (vgl. Bindt, 2003, S. 74). Vermittelbare Grundbot-

schaften sind unter anderen Warnung, Beruhigung sowie die Aufforderung zu

Lächelspielen. Der junge Säugling wird also anfänglich nicht durch verbale, sondern

durch vokale Botschaften der Mutter und deren körperlichen Ausdrucksformen er-

reicht (vgl. Bindt, 2003, S. 74).

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Zu dem intuitiven Verhalten wird die Mutter in diesem Fall aufgrund ihrer depressiven

Niedergeschlagenheit und des schwachen Antriebs vermutlich nicht in der Lage sein.

Es ist davon auszugehen, dass jede einzelne Tätigkeit, der die Mutter nachgeht und

nachgehen muss, sehr anstrengend für sie ist. Sie wird auch die Versorgung des

Säuglings als sehr anstrengend oder gar als Last empfinden. Daraus läßt sich

schliessen, dass die Mutter die Bedürfnisse des Säuglings nur beiläufig befriedigt.

Sie wird nicht in hohem Maße umsorgend und aufmerksam auf den Säugling einge-

hen und versäumt es dadurch, sich auf den Säugling einzustellen. Die Mutter wird

sich auch nicht der Ammensprache bedienen und versäumt diese Facette der Fein-

fühligkeit. Eine Spiegelung des Verhaltens vom Säugling mittels übertriebener Ges-

ten und Mimiken bleibt genauso aus, wie eine liebevolle Sprachmelodie. Eher wird

sie in Mimik und Gestik einen ausdrucklosen oder leidenden Ausdruck aufweisen

und eine gedämpfte oder sogar traurige Sprechmelodie anschlagen. Kinder gering

feinfühliger Mütter, so auch im Fall der depressiven Mutter, äußern im Alter von

sechs bis zehn Monate weniger Plapperlaute, als Kinder von feinfühligen Müttern.

Ebenfalls ist die Balance von Bindung und Exploration, bedingt durch die mangelnde

Feinfühligkeit, beeinträchtigt (vgl. Ahnert, 2008, S. 33). Hinzu kommen die Konzent-

rationsschwierigkeiten der Mutter, die oftmals eine adäquate Reaktion auf den Säug-

ling verhindern. Sie lässt ihn schreien und achtet nicht auf seine Blicke, Gesten und

Geräusche. Die Mutter antwortet nicht situationsgerecht auf die Signale des Säug-

lings, was es dem Säugling als fast unmöglich erweist, unter diesen Umständen zu

lernen, seine Signale adäquat und der Situation entsprechend zu nutzen (vgl. Ahnert,

2008, S. 32). Selbstwirksamkeit und die sich entwickelnde Bindungsqualität des Kin-

des leiden unter der Depression der Mutter. Im Weiteren gehe ich im Kontext der in-

tuitiven Elternschaft davon aus, dass die Mutter dazu neigt, ihr Kind zu überreizen.

Sie wird die Autonomie des Kindes nicht wahren können (vgl. Ainsworth, 1981; zit.n.

Grossmann, Grossmann, 2005, S. 121), sondern erwartet, dass die Angebote, die

sie dem Kind unterbreitet, auch angenommen werden. Sie drängt sich dem Säugling

auf, ohne auf dessen Bedürfnisse zu achten, was zu einer Überreizung führen kann.

Hier zeichnet sich erneut ein „mismatch“ ab, der zu einer Kettenreaktion von Fehlin-

terpretationen auf beiden Seiten führen kann. Es kann durchaus sein, dass die Mut-

ter das Kind durch ihr Handeln ängstigt. Laute Geräusche sind nach Bowlby (2006)

genauso angstauslösend, wie manche fremden Gegenstände. Versucht die depres-

sive Mutter nun doch mit ihrem Kind zu spielen und bedient sich dabei nicht wissent-

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lich dieser Angstauslöser, kann wieder ein „mismatch“ vorprogrammiert sein. Ge-

wöhnliche Verhaltensformen von Kindern, die sich fürchten, sind unter anderen wei-

nen und wimmern bis hin zu schreien (vgl. Bowlby, 2006, S. 112) was die Mutter als

erneuten Angriff werten kann. Aufgrund ihrer gefühlten Ablehnung ist sie nicht in der

Lage, den Bedürfnissen des Kindes nach Nähe, Schutz und Trost nachzukommen.

Die mangelnde Bedürfnisbefriedigung des Kindes durch die depressive Mutter zeigt

sich im Krabbelalter anhand des Bindungsverhaltens in Explorationssituationen. Da-

bei zeigt das Kind vorerst übertriebene Unabhängigkeit von der Mutter, auch wenn

sich das Kind in Gefahr, also Unwohlsein, befindet. In der fremden Situation, in der

die Mutter das Kind verlässt, zeigt das Kind bei deren Wiederkehr Ärger und gestei-

gerte Ängstlichkeit, die die Mutter nicht hinreichend beruhigen kann. Das Kind kann

sich anschließend kaum noch von der Mutter lösen, um erneut zu explorieren. Auf

ein Aufnehmen oder Absetzen des Kindes durch die Mutter reagiert dieses mit Miss-

stimmung (vgl. Ainsworth et al., 1978; zit.n. Grossmann, Grossmann, 2005, S. 124),

welche sich besonders heftig und nicht situationsgerecht zeigt. Die übertriebene

Lautstärke, mit der das Kind sich äußert und das intensive Bindungsverhalten zeu-

gen mehr von Angst, als von (sicherem) Bindungsverhalten (vgl. Grossmann,

Grossmann, 2005, S. 151). Das extrem aktive Bindungssystem und die dramatischen

Bindungsverhaltensweisen können darauf zurückzuführen sein, dass das Kind die

Mutter als willkürlich empfindet. Ihre Reaktionen sind für das Kind nicht vorherseh-

bar. Die depressive Mutter lässt sich mehr von ihren eigenen Gefühlen leiten, als von

denen des Kindes. Dabei bekommt das Kind dann Zuwendung, wenn es der Mutter

passend erscheint, nicht aber, wenn das Kind danach verlangt (vgl. Grossmann,

Grossmann, 2005, S. 164). Aufgrund dieser Willkür verhält sich das Kind wider-

sprüchlich. Es kann auf erste Anzeichen von Ambivalenz im Bindungsverhalten ge-

schlossen werden. In diesem Zusammenhang möchte ich Lieselotte Ahnert, eine

Professorin für Entwicklungsförderung, zitieren. In ihrer Aussage hat sie nicht nur die

Bindungsunsicherheit beschrieben, sondern auch die Folge dieser Unsicherheit tref-

fend formuliert: „Bindungsunsicherheit ist ein Muster zum Erkennen von psychischen

Einschränkungen und Unzulänglichkeiten, die – aufgrund der mangelnden Erfüllung

kindlicher Bindungsbedürfnisse – ein Leben über die üblichen Herausforderungen

hinaus belasten.“ (Ahnert, 2008, S. 41). Sie ist der Überzeugung, dass das Verhalten

der depressiven Mutter Auswirkungen über die erste Lebensspanne hinaus hat.

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Zusammenfassend ist durch die Gegenüberstellung deutlich geworden, dass das

Kind keine Basis für eine sichere Bindung findet.

5.3 Fragen der Mutter

Nach der Geburt beschäftigen sich viele Mütter mit den gleichen Fragen:

1. Kann sie ihr Kind am Leben erhalten?

2. Kann sie seine Botschaften und Bedürfnisse befriedigen?

3. Kann sie das Kind ausreichend lieben?

(vgl. Bindt, 2003, S. 71). Ich gehe davon aus, dass auch die depressive Mutter sich

mit diesen Fragen auseinander setzt. Selbst wenn sie das Baby ablehnt, wird sie sich

mit den Fragen beschäftigt haben, da die Ablehnung ein Resultat daraus sein kann,

dass sie sich der Verantwortung nicht gewachsen fühlt. Die Auseinandersetzung mit

der Fragestellung kann auch unbewusst stattfinden. Ich nehme an, dass sich der

Mutter das „Resultat“ als Gefühl, Einstellung oder Gedanke ersichtlich zeigt.

Die erste Frage wird die depressive Mutter höchstwahrscheinlich mit Nein beantwor-

ten. Meine Vermutung lässt sich anhand der Depressionssymptomatik begründen.

Bei der die hervorstechenden Merkmale wie das negative Selbstbild, der negative

Selbstwert und die damit einhergehenden Selbstentwertungen die Antwortung liefern

könnten. Auch bei der dritten Frage könnte die depressionsbetroffene Mutter davon

ausgehen, dass sie versagt, indem sie das Kind nicht ausreichend lieben kann. So

kann sie auch die Reize (Trigger), durch die das Baby Bindungsgefühle in ihr auszu-

lösen versucht, nicht erkennen. Trigger des Kindes können Orientierungsverhalten,

Anschmiegen und sich Annähern sein. Das Verhalten dient als Überträger von Bot-

schaften, die die Mutter psychisch erreichen sollen (vgl. Brunsweiler-Stern, 2007, S.

225). Die depressive Mutter kann allerdings nicht erkennen, dass das Kind ihr eine

enorme Aufmerksamkeit zukommen lässt und ihr so zu verstehen geben will, dass es

an ihr interessiert ist (und sie liebt). Zu dem scheint es häufig der Fall, dass depres-

sive Mütter sich in ihrer Mutterrolle als nicht kompetent werten, was eine Basis für

eine sichere Bindung zusätzlich erschwert (vgl. Brunsweiler-Stern, 2007, S. 226). So

kann die Mutter ihr Kind zwar lieben, wird sich aber aufgrund ihrer Symptomatik im-

mer wieder auch von ihm abgelehnt fühlen. Die schlechte psychische Verfassung der

Mutter sorgt dafür, dass sie in jeder Hinsicht nur das Negative erwartet, was daraus

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resultierend auch häufig eintreten wird. Die Mutter wird die Anschmiegversuche des

Kindes leicht als Angriff oder Ablehnung anstelle von Zuwendung interpretieren. Das

kann auf die wenig ausgeprägte Feinfühligkeit der Mutter zurückgeführt werden, die

die Berührungsversuche ihres Kindes als solche nicht entschlüsseln kann. Die Mutter

reagiert darauf mit Ablehnung auf das Kind. Das irritierte Kind kann zu weinen begin-

nen und die Mutter fühlt sich in ihrer Wahrnehmung gestärkt. Folglich äußert sie

neue Ablehnung. Ein „mismatch“ folgt dem Nächsten. Die Passung in der Kommuni-

kation zwischen Mutter und Kind ist nicht gegeben.

Die zweite Frage kann mit denselben Aspekten, wie die der Fragen eins und drei be-

antwortet werden. Hier spielt noch eine weitere Komponente eine Rolle, nämlich die

der Mutterschaftskonstellation nach Daniel Stern, einem Säuglingsforscher. Die Mut-

terschaftskonstellation stellt heraus, dass sich die Mutter nach der Geburt

intrapsychisch mit Themen auseinandersetzt, die ihre eigene Kindheit mit ihrer eige-

nen Mutter betreffen. Sie setzt sich ebenfalls intrapsychisch mit ihrem Selbstkonzept

als Mutter und mit der Beziehung zum Kind auseinander (vgl. Bindt, 2003, S. 71). Im

Umgang mit dem Kind werden dann ihre Erinnerungen von den eigenen Kindheitser-

fahrungen und den dort stattgefundenen Bemutterungen wach. Die Erinnerungen

und Phantasien sind unverzichtbar, da sie die Grundlage dafür sind, dass die Mutter

fähig ist, sich emphatisch in das Kind einzufühlen. Darüber stellt sich dar, dass die

Mutter ihre Funktion als Mutter von ihrer eigenen Mutter erlernt (vgl. Bindt, 2003, S.

72).

Durch die Forschung der Bindungstheorie hat sich außerdem herausgestellt, dass

die Art und Weise, wie eine Mutter von der eigenen Kindheit spricht, einer der besten

Prädikatoren für die Bindungsqualität des Kindes ist (vgl. Grossmann, Grossmann,

1991; zit.n. Bindt, 2003, S. 72). Dabei ist nicht entscheidend, ob die Erfahrungen gut

oder schlecht waren. Entscheidend für die Bindungsqualität zwischen Mutter und

Kind ist, inwieweit die Mutter, ihre Beziehung zur eigenen Mutter und die damit ver-

bundenen Erinnerungen in angemessener, gefühlvoller Distanz betrachten kann und

ob das Bild, dass sie davon hat, kohärent und emotional vielschichtig ist (vgl. Bindt,

2003, S. 72). Kann sie dies nicht, wirken die Gefühle, die sich offenbar aus der Ver-

strickung mit der eigenen Mutter und/oder deren unreflektierten Idealisierung, direkt

und ungehindert in die Beziehung zum Kind ein. Durch das verinnerlichte Bindungs-

muster der Mutter können schon während deren Schwangerschaft Vorhersagen ge-

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troffen werden, die die psychische, soziale und auch kognitive Entwicklung des Kin-

des bis ins Vorschulalter beinhalten (vgl. Fonagy et al., 1991; zit.n. Bindt, 2003, S.

73). Transportiert wird der intrapsychische Prozess der Mutter auf das Kind durch

Blicke, Berührungen sowie Vokalisation in der Interaktion der beiden (vgl. Bindt,

2003, S. 73). Wie zu erkennen ist, sind das auch die Transporter von Feinfühligkeit

und Bindungssicherheit. Im Zusammenhang mit den intrapsychischen Vorgängen

gehe ich davon aus, dass hier auch verstärkt die Introjektion, das In-Sich-Aufnehmen

des Objekts (die Mutter der Mutter), eine Rolle spielt. Bei massiven Introjektionen soll

der Verlust des Objekts und dessen Konsequenzen wettgemacht werden (vgl.

Mentzos, 1996, S. 55). Die Introjektion ist eine negative Form der Internalisierung

(der Aufnahme von Werten und Normen und diese sich zu Eigen machen bzw. ver-

innerlichen). Die Internalisierung erfolgt bei der Introjektion auf eine negative Weise,

nämlich ungefiltert, unreif und undifferenziert. Die Introjektion steht mit der Depressi-

on in engem Verbund. Die Sehnsucht nach dem Objekt wird zu stillen versucht, was

real aber nicht gelingen kann, da gleichzeitig die vorherrschenden Konflikte im Zu-

sammenhang mit dem Objekt, introjeziert werden. Diese Introjekte sind hoch ambiva-

lent. Sie können eine Depression auslösen bzw. verstärkend und oder vorantreibend

wirken (vgl. Mentzos, 1996, S. 55).

Die Problematik der Introjektion ist noch weitreichender. „Es geht um die Unterwer-

fung unter das Objekt beziehungsweise einen seiner wichtigsten Stellvertreter in uns,

nämlich das Über-Ich.“ (Mentzos, 1996, S. 55). Aufgrund der Unterwerfung kann sich

eine Hemmung der Frustrationsaggressionen ergeben. Dabei werden Aggressionen

als Autoaggressionen nach innen gerichtet. Das Objekt soll geschützt und versöhnt

werden, um eine Entladung von Aggressionen zu vermeiden (vgl. Mentzos, 1996, S.

56). Frustationsaggressionen können aber auch ersatzlos verdrängt werden (vgl.

Mentzos, 1996, S. 55).

Da diese intrapsychischen Vorgänge zur Depressionssymptomatik gehören bzw.

verstärkend wirken können oder aber auch Ursache sind, wird die Mutter sich damit

wahrscheinlich weitestgehend unbewusst beschäftigen. Die Auseinandersetzung

kann sich extrem durch die Schwangerschaft, die Geburt des Kindes und die damit

einhergehende Mutterschaftskonstellation verstärken. Ungelöste und unreflektierte

Konflikte können in die Mutterschaftskonstellation einwirken. Die vorangehend er-

wähnte Ambivalenz im mütterlichen Verhalten wird direkt und ungehindert auf das

Kind übertragen, da die Mutter aufgrund der unbewussten Auseinandersetzung nicht

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fähig sein kann, ihr Verhalten zu reflektieren. Für die Bindungsqualität des Kindes ist

in Bezug auf die Mutterschaftskonstellation wichtig zu erörtern, welche Kindheitser-

fahrungen die Mutter gesammelt hat. Hängt die Depression der Mutter mit einem Ob-

jektverlust und/oder einer Introjektion zusammen, wird sie gemäß ihren Erfahrungen

die Beziehung zu ihrem Kind genauso gestalten.

5.4 Misshandlung und Vernachlässigung

In diesem Kapitel soll die Vermutung aufgestellt werden, ob eine depressive Mutter,

die ihr Kind offensichtlich mangelversorgt, dazu neigt, es zu misshandeln oder zu

vernachlässigen. Im Allgemeinen sind Misshandlungen und Vernachlässigungen der

starke Kontrast zu den kindlichen Bedürfnissen und somit einer kindgerechten und

bindungssicheren Entwicklung (vgl. Egle et al., 2000, S. 45).

Studien mit Kleinkindern, die unter dem Einfluss depressiver Elternteile standen, ha-

ben ergeben, dass das betroffene Elternteil, in diesem Fall die Mutter, verringert

aufmerksam gegenüber dem Kind ist. Die Interaktionen gestalten sich weniger inten-

siv. Die Mutter ist unfähig, den Fokus auf dem Kind zu halten (vgl. Beardslee, Whee-

lock, 1994; zit.n. Cicchetti, Toth, 1999, S. 115). Außerdem sind depressive Mütter

weniger gefühlvoll im Umgang mit ihren Kindern und setzen weniger Grenzen (vgl.

Kochanska et al., 1987; zit.n. Cicchetti, Toth, 1999, S. 115). Feinfühlige Mütter for-

mulieren ihre Anforderungen an das Kind werbend, d.h. sie formulieren ihre Wün-

sche positiv, ohne Drohungen und körperliche Eingriffe. Das Kind befolgt die Anwei-

sung der nicht depressiven Mutter ohne Angst (vgl. Fries, 1984; zit.n. Grossmann,

Grossmann, 2005, S. 124). In der Kommunikation zwischen der depressiven Mutter

und dem Kind dagegen zeichnet sich ab, dass die Mutter hier ein überhöhtes Maß an

Kritik äußert und das Kind verbal misshandelt (vgl. Cox et al., 1987; zit.n. Cicchetti,

Toth, 1999, S. 115). Wie durch den Ausdruck der verbalen Misshandlung deutlich

wird, kann eine Misshandlung auch auf nicht körperlicher Ebene vollzogen werden.

Sie stellt eine psychische Form von Misshandlung dar, unter der man „[…] alle Hand-

lungen und Unterlassungen von Eltern oder Betreuungspersonen, die Kinder ängsti-

gen, überfordern, ihnen das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit vermitteln, und sie in

ihrer psychischen und oder körperlichen Entwicklung beeinträchtigen können.“ (Egle

et al., 2000, S. 26) versteht. Die verbale Misshandlung kann sich aus dem Aspekt

des Selbstbildes der Mutter heraus erklären. Die depressive Mutter hält sich, wie

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schon erwähnt, in ihrer Mutterrolle für inkompetent. Das verdeutlicht sich ihr auch

immer wieder durch die misslingenden Interaktionen mit dem Kind. Aber auch die

„Angriffe“ (die Zuwendungsversuche sind), des Kindes können in ihr Aggressionen

hervorrufen. Dass das Kind sie dabei nicht real angreift, die depressive Mutter durch

ihr negatives Selbstwertgefühl aber so wertet, wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit

nicht differenzieren können. Außerdem nehme ich an, dass die Mutter ihr Gefühl der

eigenen Unfähigkeit in all ihren Lebensbereichen auf das Kind überträgt. So kann es

möglich sein, dass sie dem Kind genauso wenig zutraut wie sich selbst. Entspricht

das Kind den negativen Erwartungen der depressiven Mutter, fühlt diese sich immer

wieder negativ in ihren Annahmen bestätigt. Sie sieht nicht nur sich als Versagerin,

sondern jetzt auch ihr Kind. Es ist davon auszugehen, dass die Mutter in solchen

Situationen das Kind zusätzlich negativ bestärkt, anstatt es zu ermutigen. Entspricht

das Kind nicht den Vorstellungen der Mutter indem es etwas gut macht, könnte das

die Mutter als Herabsetzung oder Kränkung fehlinterpretieren, indem sie annimmt,

das Kind wolle sie vorführen bzw. verletzen. So wird das Kind auch bei Erfolg immer

weiter negativ bestärkt. Die damit verbundenen Aggressionen wird die depressive

Mutter dem Kind gegenüber verbal äußern (was nicht ausschließen soll, dass sie das

Kind mit voranschreitender Überforderung nicht auch körperlich misshandeln könn-

te). Auch Stresssituationen können Brutstätten von psychischen Misshandlungen

sein. Depressive Eltern (und psychisch kranke Eltern allgemein) sind psychisch labi-

ler und leichter irritierbar, was ihnen erschwert, gelassen und geduldig auf die Kinder

zu reagieren (vgl. Egle et al., 2000, S. 29).

Des Weiteren ist fraglich, ob Kinder depressiver Mütter vernachlässigt werden. Dazu

ist es nötig zu verstehen, was Vernachlässigung bedeutet. Vernachlässigung findet

statt, wenn die Mutter das Kind in nicht ausreichendem Maß versorgt. Darunter fällt

nicht nur die Ernährung des Kindes, sondern auch dessen Pflege, die Gesundheits-

sorge, die angemessene Förderung sowie seine Beaufsichtigung und seinem Schutz

vor Gefahren (vgl. Egle et al., 2000, S. 25). Wie sich durch vorangehende Kapitel

gezeigt hat, kann eine depressive Mutter diese Aufgaben nicht genügend erfüllen.

Mütter, die ihre Kinder vernachlässigen, zeigen eine deutlich geringere Bereitschaft

ihr Kind zu stimulieren und auf es zu reagieren. Das Kind wirkt inaktiv, kraftlos und

apathisch. Dies kommt einer Depression gleich. Ein wesentlicher Faktor kann die

verringerte sprachliche Vermittlung von Affekten sein (vgl. Esser et al., 1993; zit.n.

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Egle et al., 2000, S. 76). Das Sprechverhalten der Mutter ist ein wichtiges Übertra-

gungsmedium für depressive Affekte (vgl. Bettes, 1988; zit.n. Egle et al., 2000, S.

75). Hier ist „die Interaktion geprägt von Passivität, verzögerter oder ausbleibender

Reaktion auf die kindlichen Signale seitens der Mutter, die von unterschiedlicher af-

fektiver Färbung sein kann, meist ohne affektive Beteiligung.“ (Deneke, 2004, S. 3).

Die Vernachlässigung an sich steht in engem Kontext zur Depression. Untersuchun-

gen belegen, dass Kinder von depressiven Eltern häufig vernachlässigt werden (vgl.

Egle et al., 2000, S. 25). In der Depressionsforschung zeichnete sich ab, dass de-

pressive Eltern sich deutlich weniger feinfühlig und bindungsloser in der Säuglings-

pflege verhalten, als nicht depressive Eltern (vgl. Gelfand, Teti, 1990; zit.n. Egle et

al., 2000, S. 46). Ein unsicher-ambivalentes Bindungsmuster kann sich durch die

Kombination von Depression und Vernachlässigung unter anderem auch dadurch

ergeben, dass die Antworten der Mutter auf die Signale des Kindes nicht eindeutig

und wenig vorhersehbar sind (vgl. Egle et al., 2000, S. 74). Das Kind weiss nicht, ob

es sich auf die Pflege der Mutter verlassen kann oder nicht.

5.6 Fazit

Bezogen auf die Eingangsfrage, hat die Depression einer Mutter (negativen) Einfluss

auf das kindliche Bindungsverhalten, stellt sich vor allem heraus, dass die depressive

Mutter nicht fähig ist, ihr Kind adäquat zu versorgen. „Werden die Grundbedürfnisse

eines Säuglings nicht in jeder Phase seiner psychosozialen Entwicklung angemes-

sen erfüllt, so erhält die Situation eine potentiell traumatisierende Qualität. Trauma ist

somit der Name für eine bestimmt Qualität der Beziehung zwischen einem Subjekt

und seinem Gegenüber.“ (Bürgin, Rost, 1997, S. 26). Das traumatische Erleben liegt

deshalb vor, da das Kind einen Erfahrungszustand aufweist, „[…] bei welchem die

Fähigkeit des Individuums (und damit seines Ich), seine Erlebnisse zu organisieren

und zu regulieren, überfordert wurde, sodass ein Zustand von Hilflosigkeit entstand.“

(vgl. Tyson, Tyson, 1990; zit.n. Bürgin, Rost, 1997, S. 26). Die Mutter, die das Kind in

Interaktion und Kommunikation entweder überreizt oder mangelversorgt, bietet dem

Kind keine zuverlässige Quelle für Nähe, Schutz und Bedürfnisbefriedigung. Er-

schwerend kommt hinzu, dass depressive Mütter in der Interaktion mit ihren Kindern

weniger aktiv sind als nicht-depressive Mütter und weniger liebevollen Kontakt zu

ihren Schützlingen halten. Außerdem zeigen sie im Vergleich weniger spielerische

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Qualitäten und haben einen schlechteren Umgang. Wechselseitiges Sprechen zwi-

schen Mutter und Kind findet ebenfalls weniger statt (vgl. Wüthrich et al., 1997; zit.n.

Essau, Petermann, 2000, S. 308). Nicht nur, dass die depressive Mutter vernachläs-

sigend dem Kind gegenüber ist, sie überträgt auch ihre Auffassung von einer inkom-

petenten und schlechten Mutter, mit allen ihren Überforderungen, direkt auf die Inter-

aktion und Kommunikation mit dem Kind. Wie benannt äußert sich das nicht nur in

der mangelnden Kommunikation, sondern darüber hinaus auch in „[…] Feindselig-

keit, Ablehnung und Zurückweisung, unsichere Bindung, Wut, Gleichgültigkeit oder

sogar in Misshandlung […].“ (Lewinsohn et al.; zit.n. Essau, Petermann, 2000, S.

308). Die depressive Mutter neigt dazu, sich ihrem Kind gegenüber negativ und kri-

tisch zu äußern. Positive Bestärkung bleibt aus (vgl. Dadds et al., 1996; zit.n. Essau,

Petermann, 2000, S. 308). Dieses Verhalten der Mutter zeigt sich dem Kind nicht

zuletzt auch aufgrund der Introjektion, als höchst ambivalent. Die Reaktionen der

Mutter auf die Bedürfnisse des Kindes sind für dieses nicht vorhersehbar. Die Mutter

erfüllt also keine der Voraussetzungen, um dem Kind die Basis einer sichere Bindung

zu bieten. Eher ist es noch der Fall, dass ihr Verhalten einer partiellen Deprivation

(Mutterentbehrung), also einem Entzug der mütterlichen Zuwendung, gleichkommt

(vgl. Bowlby, 2005, S. 11). Dadurch kann die depressive Mutter nicht die Grundlage

für eine seelische Gesundheit und Charakterentwicklung von positiver Natur bieten.

Es lässt sich kein zufrieden stellendes Resultat einer sicher und befriedigenden pri-

mären Bindung zwischen Mutter und Kind herstellen (vgl. Bowlby, 2005, S. 11). Die

Folge sind Deprivationsschäden, wie kraftvolle Hassgefühle, Angst und auch exzes-

sive Liebesansprüche, die wiederum zu Schuld und Depressionen führen können

(vgl. Bowlby, 2005, S. 12). Die Deprivationsschäden können schon während der ers-

ten Lebenswochen des Säuglings entstehen (vgl. Bowlby, 2005, S. 18). Bei fortwäh-

render Depression der Mutter erlebt der Säugling schon sehr früh Traumatisierun-

gen, welche Faktoren einer unsicheren Bindung sind. Da dies vor dem Spracherwerb

erlebt wird, kann sich das Kind nur unbewusst und atmosphärisch in nicht

artikulierbaren Gedanken daran erinnern (vgl. Brisch, 2009, S. 225). Als Folge darauf

kann das Kind seinen Mangel ohne professionelle Hilfe später nicht artikulieren und

reflektieren. Die entstandene Bindungsunsicherheit stellt weitreichende Konsequen-

zen dar, denn sie ist ein Risikofaktor in Hinsicht auf psychische Erkrankungen. Dies

resultiert daraus, dass unsicher gebundene Personen häufig ängstlich und feindselig

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sind. Da sie den Hang dazu haben, psychosomatische Erkrankungen zu entwickeln

erleiden sie häufig Depressionen (vgl. Hédervári-Heller, 2000, S. 583).

Um noch einmal die Aussage von Frau Beckmann nach einer unsicher –

ambivalenten Bindung in den Fokus zu ziehen, schließe ich mich dieser Annahme

an. Es ist davon auszugehen, dass sich die Ambivalenz der Mutter, die sich dem

Säugling in der stetigen Überreizung oder Mangelversorgung zeigt, auf das Kind

überträgt. Da das Kind es nicht lernt, seine Signale adäquat und situationsgerecht zu

äußern, werden seine Handlungen und Signaläußerungen ebenfalls eine Ambivalenz

aufzeigen. Meine Annahme stütze ich darauf, dass Kinder von Natur aus eine Na-

chahmungstendenz haben. So ahmt ein Kind das Verhalten und die Sprache der

Mutter nach sowie auch deren affektive Funktionen (vgl. Resch, 2009, S. 160).

Mein Fazit ist, dass die Depression der Mutter einen erheblichen und negativen Ein-

fluss auf das Bindungsverhalten des Kindes hat. Dieser zeigt sich nicht nur in der

direkten Kommunikation und Interaktion, sondern auch indirekt durch die negativen

Einflüsse während der Schwangerschaft. Diese können sich negativ auf das Verhal-

ten des Säuglings und dessen Entwicklung auswirken. Die mütterliche Depression

begünstigt eine unsichere Bindungsqualität, die unter den gegebenen Umständen zu

einer unsicher-ambivalenten Bindung führen kann.

6. Was tun?

Was können Soziale Arbeiter für depressionsbetroffene Familien mit Kindern tun?

Als erster Gedanke zu dieser Fragestellung kommt mir die Befürchtung, dass eine

Komm-Struktur, bei der die depressiven Mütter mit den Kindern Einrichtungen oder

auch andere hilfeleistende Anlaufstellen aufsuchen müssen, sehr wahrscheinlich

keine Ideallösung ist. Aufgrund ihrer sozialen Zurückgezogenheit und der negativen

Einstellung kann es für die depressive Mutter eine sehr grosse Hürde sein, sich au-

ßerhalb ihrer alltäglich vertrauten Umgebung zu orientieren, um Hilfe aufzusuchen.

Deshalb kann es für die meisten Fälle von Depressionsbetroffenheit besser sein,

wenn die Hilfe sich den Betroffenen „anbietet“. Das könnte über Hilfesysteme erfol-

gen, die als Frühwarnsysteme fungieren, also schon vor der Geburt ein dichteres

Netz von Hilfeangeboten. Ich denke daran, dass Hebammen nicht nur eine wichtige

Rolle im Rahmen der Schwangerschaft, sondern darüber hinaus auch bezüglich auf

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das Gesamtwohl der Schwangeren spielen sollten. Soziale Arbeiter in Krankenhäu-

sern und gerade auf Geburtsstationen können einen wichtigen Part übernehmen.

Hier könnte eine ganz frühe Hilfe stattfinden, bei denen Mütter schon von der ersten

Minute an Unterstützung erfahren könnten. Und das nicht nur ausschließlich darauf

abzielend die generelle Gesundheit von Mutter und Kind zu überwachen. Es könnte

sich in diesem Rahmen die Möglichkeit ergeben, die Mutter in Gesprächen zu entlas-

ten und ihr im Umgang mit dem Kind Unterstützung zu bieten. Der Mutter könnte das

Gefühl vermittelt bekommen, einen Ansprechpartner zu haben. Ich gehe davon aus,

dass im hektischen Klinikalltag ausgiebige Gespräche dieser Art zu kurz kommen.

Die Soziale Arbeit könnte den Müttern, die den Umgang mit den Kindern erst erler-

nen, eine gute Stütze sein. Soziale Arbeit auf Geburtsstationen hätte zweierlei Vor-

teil. Zum einen den für die Mütter offensichtlichen Teil, nämlich den der Hilfestellung

im Umgang mit dem Kind und die Gespräche, in denen die Mütter Zeit und Raum

finden, über ihre Sorgen und Nöte zu sprechen. Diese müssen nicht ausschließlich

depressiver Natur sein, sondern können auch von „normalem“ Umfang sein. Diese

Seite hätte überwiegend eine vorbeugende Funktion. Zum anderen die weniger of-

fensichtliche Seite, die der Früherkennung, bei der es darum gehen könnte, Überfor-

derungen, psychische Leiden oder auch „Fehlverhalten“ der Mutter frühzeitig zu er-

kennen und entgegenzuwirken. Ein Beispiel zur Frühintervention der Sozialen Arbeit

in Krankenhäusern bei depressiven Müttern und ihren Kindern könnte die Känguruh-

Pflege sein. Dabei wird das Kind täglich eine bis eineinhalb Stunden, mit direktem

Hautkontakt in einem Tuch am Körper der Mutter getragen. Dabei kann die Mutter

eine sehr enge Bindung zu dem Kind aufbauen. Ausserdem haben Säuglinge weni-

ger Atemstillstände, wenn sie die Känguruh-Pflege erfahren (vgl. Whitelaw et al.,

1988; zit.n. Marshall, Klaus, 2007, S. 123). Diese Methode erscheint mir im Hinblick

auf eine sicherere Bindung sehr gut, da beide Seiten, die der Mutter und auch die

des Kindes, gefördert werden. Für den Säugling, der schon während der Schwan-

gerschaft enormem Stress ausgesetzt war, bietet sich hier die Möglichkeit, am Kör-

per der Mutter Mangelversorgung nachzuholen bzw. vorzubeugen. Ich gehe davon

aus, dass Mutter und Kind sich bei dieser Art von Babypflege besser kennen lernen

und somit weitreichende negative Folgen des Fehlverhaltens in Teilen abwehren

können. Allerdings stellt sich das Problem der wenig belastbaren depressiven Mutter.

Es kann sich so gestalten, dass sie die Känguruh-Pflege als außerordentlich belas-

tend empfindet und sich nicht in der Lage fühlt, ihr Kind für diesen Zeitraum eng am

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Körper zu tragen. Wird sie sich dennoch darauf einlassen, ist schwer einschätzbar,

ob sie die Kraft und Fähigkeit besitzt, sich und das Kind in Einklang zu bringen. Ein

Auftrag für die Soziale Arbeit kann darin bestehen, dass Mutter und Kind bei der

Känguruh-Pflege mittels Hausbesuchen unterstützend zu begleitet.

Als weitere protektive Maßnahme stelle ich mir die erweiterte Nachsorge vor, bei der

Mutter und Kind nicht nur durch die Hebamme besucht werden, sondern auch durch

eine Hilfe aus der Sozialen Arbeit, die sich, um das Gesamtwohl zu fördern, anhand

zusätzlicher Entlastung in die Familie installiert.

Weiterführend sollte durch die Betreuung in Kindertagesstätten gewährleistet sein,

dass auch hier Soziale Arbeiter, neben den ErzieherInnen, tätig werden. Das würde

den Langzeiterfolg erzielen, „Auffälligkeiten“ und/oder „Defiziten“ von Kindern de-

pressiver Eltern frühzeitig entgegen zu wirken. Je früher Prä- und Intervention statt-

finden, desto besser und erfolgreicher können die Hilfen sein. Aber nicht nur den

Kindern, sondern auch den Eltern ist es möglich, Entlastung und Unterstützung zu

erfahren. Wie schon deutlich wurde, zieht sich die Intervention und auch die Präven-

tion durch alle Bereiche, die ein Kind durchläuft. Somit folgt, dass auch die Schulso-

zialarbeit von großer Wichtigkeit ist. Die Schulsozialarbeit kann verschiedene Rollen

einnehmen. Einmal die Vermittelnde, aber auch die Rolle des „Bösen“, um so im

Sinne des Kindeswohles auch Druck auf die Eltern auszuüben. Wenn das Kind der

depressiven Mutter beispielsweise ein so auffälliges Verhalten zeigt, dass es nötig

wäre, das Kind in eine Tagesgruppe zu verweisen, in der es pädagogisch bei den

Hausaufgaben und der Freizeitgestaltung betreut wird. Aber auch eine Einzelbetreu-

ung, Familienhilfe oder stationäre Unterbringung kann in manchen Fällen von Nöten

sein. Nötigenfalls kann auch eine Therapie angeraten werden. Die betrifft zwar dann

nicht mehr den Rahmen der Sozialen Arbeit, kann aber trotzdem genauso wichtig

sein. Ein Teil der Therapie sollte idealerweise zusammen mit Mutter und Kind statt-

finden, um eine gemeinsame Aufmerksamkeit von Mutter und Kind zu entwickeln,

sodass eintretende positive Ereignisse miteinander erlebt werden.

Darüber hinaus ist es wichtig der depressiven Mutter und ihrem Kind immer wieder

Möglichkeiten zu bieten, sich in ein gut funktionierendes soziales Netz einzuflechten.

Das kann positive Erlebnisse schaffen und erreicht unter Umständen Entlastung.

Beides hat eine stärkende Wirkung. Das zeigten auch amerikanische Studien von

resilienten Jungerwachsen, die in Familien mit psychisch kranken Eltern(teilen) auf-

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wuchsen. Resilienz ist „[…] die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber biologi-

schen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungskrisen.“ (Wustmann, 2004,

S. 18; zit.n. Fröhlich-Gildhoff, Rönnau-Böse, 2009, S. 10). Die genannten Junger-

wachsenen waren während ihrer Kindheit gut in die Schule eingebunden und darüber

hinaus nahmen sie an Freizeitveranstaltungen teil und hatten ein gutes soziales Netz

mit festen Freundschaften. Außerdem hatten sie gelernt, mit der Krankheit der Eltern

umzugehen und auch begriffen, dass sie nicht der Grund für das Erkranken der El-

tern sind (vgl. Beardslee, Podorefsky, 1988; zit.n. Cicchetti, Toth, 1999, S. 115). Da-

bei scheint der Aspekt auf sich selbst zu hören und sich zu verstehen, für die Kinder

ein Schlüsselelement für die Resilienz zu sein. Diese setzt sich aus drei Komponen-

ten zusammen:

1. Ein gutes Einschätzungsvermögen der Stressoren mit denen das Kind umgehen

muss.

2. Eine realistische Einschätzung der eigenen Handlungskapazitäten, sowie der

Konsequenzen, die sich aus den Handlungen ergeben.

3. Deckungsgleichheit von Verhalten und Verstehen

(vgl. Beardslee, Podorefsky, 1988; zit.n. Cicchetti, Toth, 1999, S. 115).

Aber auch das beste Hilfesystem hat einen Nachteil. Wenn die Mutter nicht gewillt ist

Hilfeleistungen anzunehmen, müssen, wenn nötig, rechtliche Schritte eingeleitet

werden, wobei viel Zeit verstreichen wird. Die Zeit, in der sich eine unsicher-

ambivalente Bindung durch das fortschreitende Alter des Kindes immer weiter ver-

festigen kann. Der Widerstand der Mutter kann sich in mehrer Hinsicht deutlich ma-

chen. Ausgegangen davon, dass die Mutter den Hilfen zustimmt, kann sie sich trotz-

dem kontraproduktiv verhalten. Der Widerstand kann daher rühren, dass die Mutter

sich mit ihrer Krankheit „arrangiert“ hat, und Angst hat, ihren Lebensinhalt (Depressi-

on) aufzugeben. Außerdem wird sie aufgrund der Depressionssymptomatik wenig

Hoffnung für Erfolg der Hilfe haben. Im schlimmsten Fall sieht sie aufgrund von Ver-

leugnung der Depression gar keinen Hilfebedarf. Dann kann sich die Hilfeleistung

durch und mit Professionellen äußerst schwierig gestalten, da die Mutter nicht nur

sich diese Möglichkeit verwehrt, sich auf die Unterstützung einzulassen, sondern

auch ihrem Kind.

Abschließend bin ich der Auffassung, dass, unabhängig von der Einstellung der Mut-

ter, eine Vertrauensperson für das Kind in das Familiensystem installiert werden soll-

te. Die Person kann dann, als Hafen und sichere Anlaufstelle für das Kind dienen.

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Das Kind kann sich dort sicher fühlen und die Möglichkeit haben, einen Teil der ver-

säumten Zuneigung und Behütung aufzuholen. Aus welcher Profession (Psycholo-

gie, Soziale Arbeit, Erzieher…) die Vertrauensperson stammen sollte, müsste sicher

individuell von Fall zu Fall entschieden werden. Darüber hinaus wäre es von Nöten,

dass die Vertrauensperson sich weitestgehend auf die Kindesseite schlägt und dem

Kind als Reflexionshilfe zur Verfügung steht. Dabei kann durchaus vermittelnd zwi-

schen Mutter und Kind gearbeitet werden. Das soll dem Vertrauensverhältnis von

Vertrauensperson und Kind dienen, da so entstehende Loyalitätskonflikte des Kindes

gegenüber der Mutter so gering wie möglich gehalten werden sollen.

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Eidesstattliche Versicherung

Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benutzung

anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Alle Stellen, die wörtlich

oder sinngemäß aus Veröffentlichungen oder anderen Quellen entnommen sind, sind

als solche eindeutig kenntlich gemacht. Die Arbeit ist in gleicher oder ähnlicher Form

noch nicht veröffentlicht und noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegt worden.

Hamburg, 18. Februar 2010

Kirsten Annecke