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In immer mehr Jagdbezirken werden von Jägern so genannte „Wild-kameras“ eingesetzt, um sich mit deren Hilfe einen umfassenden Überblick des aktuellen Wildbestandes zu verschaffen. Zeitrau-bende Beobachtungen vor Ort kann sich der Jäger dadurch ersparen. Allerdings stellt sich die Frage, ob das Anbringen von Kameras durch Privatpersonen, vornehmlich im Wald, mit dem geltenden Datenschutzrecht vereinbar ist. Es besteht immerhin die Gefahr, dass neben dem Wild auch erholungssuchende Waldbesucher auf-genommen und somit deren schutzwürdige Interessen verletzt wer-den. In dem nachfolgenden Beitrag werden die Zulässigkeitsvoraus-setzungen für einen „Wildkameraeinsatz“ näher untersucht und bewertet.
I. Einleitung
In dem Jahreskatalog eines führenden deutschen Jagdausrüstungsunternehmens wird mit folgenden Zeilen für Wildkameras geworben: „Eine Wildkamera ist der unsichtbare Jagdaufseher im Revier. Sie dokumentiert, welche Wildarten zu welcher Uhrzeit die Kirrungen aufsuchen und ob beispielsweise Trophäenträger dabei sind. Man wundert sich oft, welcher heim-liche Besucher beobachtet werden kann.“ Tatsächlich wunderte sich ein Jagdpächter im Taunus, als er bei der Auswertung der Videoaufnahmen seiner Wildkamera nicht nur Wildschweine (Schwarzwild) bemerkte, sondern auch den Jagdpächter vom Nachbarjagdbezirk, der offenbar seine Lockfütterung (Kirrung) inspizierte. 1 Als dem gefilmten Jäger zu Ohren kam, dass es Aufnahmen von ihm gibt, die ihn im fremden Jagdbezirk zeigen und die nun anderen Jägern präsentiert werden, forderte er von demjenigen, der die Kamera angebracht hatte, Unterlassung sowie die Herausgabe der Bilder und des Speichermediums. 2 Die Angelegenheit endete schließlich damit, dass die streitgegenständliche Wildkamera entfernt und die Bilddaten des abgelichteten Jägers vernichtet wurden. Mit dem vorgenannten Vorfall aus dem Jahr 2009 beschäftigte sich neben der Unteren und der Oberen Jagdbehörde auch das Regierungspräsidium Darmstadt als damalige hessische Datenschutzbehörde. 3 Eine spezialgesetzliche Regelung, die das Anbringen von Wildkameras rechtfertigen könnte, wurde von der Datenschutzbehörde nicht gefunden. Die Wildbeobachtung mittels Wildkamera im Wald soll demnach grundsätzlich unzulässig sein.
Diese Ansicht ist zu hinterfragen. Hierzu soll zunächst kurz auf die Funktionsweise und auf den Zweck einer Wildkamera eingegangen werden (II.), bevor im Schwerpunkt des Beitrags die Voraussetzungen der Videoüberwachung durch eine Wildkamera unter Berücksichtigung des BDSG zu beleuchten sind (III.). Es folgt ein Regelungsvorschlag, der den Einsatz von Wildkameras ermöglicht, gleichzeitig aber auch begrenzt und dadurch Rechtssicherheit schaffen soll (IV.). Der Beitrag endet mit einem Fazit (V.). Bezogen wird sich auf das hessische Landesrecht.
Rechtsanwalt Christian Dienstbühl, LL.M.; Brennecke & Partner Rechtsanwälte, Karlsruhe, Deutschland
II. Funktion und Zweck einer Wildkamera
Bei einer Wildkamera handelt es sich um eine Kameraeinheit, die mit einem elektronischen Sensor kombiniert wird, der in der Regel auf Wärme und Bewegung reagiert (Bewegungsmelder). 4 Kommt ein Tier oder ein Mensch in den Erfassungsbereich des Bewegungsmelders, wird nach einer kurzen Zeitverzögerung ein elektronischer Impuls erzeugt, der wiederum – je nach Modell und Einstellung – einzelne Fotos oder eine Videosequenz auslöst. 5 Eine Differenzierung des in den Erfassungsbereich eindringenden Objekts – Mensch oder Tier – kann das Gerät nicht vornehmen. 6 Infrarottechnik ermöglicht dafür Nachtaufnahmen ohne sichtbaren Blitz. Die digitalen Bilder und Videos, auf denen neben dem Datum auch die Uhrzeit der Aufnahme zu finden ist, werden auf einer herausnehmbaren Speicherkarte gespeichert und können auf dem PC gesichtet und bearbeitet werden. Das wetterfeste Gehäuse der Kamera, die etwa die Größe einer 0,5 lTetraPackung hat, ist grün, braun oder camouflage und somit farblich der Umgebung angepasst. Primärer Zweck der Wildkamera ist, dass der Jäger seine Ansitze gezielt planen kann. Daher finden sich solche Kameras für gewöhnlich direkt an Kirrungen, die mit einem Schirm (Erdsitz) oder Hochsitz ausgestattet sind, von dem aus das Wild erlegt werden kann. Mithilfe der Foto und Videodateien kann der Jäger bestimmen, wo mit welchem Wild zu welcher Zeit zu rechnen ist und in welcher Konstellation es auftritt.
III. Voraussetzungen der Videoüberwachung
Das Recht am eigenen Bild, das nicht auf bestimmte Örtlichkeiten beschränkt ist, wird durch § 22 KunstUrhG ausdrücklich geschützt. Zwar erstreckt sich der rechtliche Schutz der Norm nur auf die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Aufnahmen, 7 jedoch unterfällt bereits die Herstellung von Abbildungen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 8 Eine rechtswidrige Vi
DOI: 10.1007/s10357-012-2276-2
Der Einsatz von „Wildkameras“ durch Privatpersonen – Zur Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Videoüberwachung im WaldChristian Dienstbühl
© Springer-Verlag 2012
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1) Artikel „Wirbel um versteckte Wildkamera: Fall für das Datenschutzgesetz“, Wiesbadener Kurier v. 12. 8. 2009; Artikel „Versteckte Kameras im Wald“ v. 21. 8. 2009, abrufbar unter http://www.heise.de/tp/blogs/ 8/ 144 032 (abgerufen am 1. 4. 2012); Videobeobachtung an der „Wildschweinkirrung“, HessLTDrucks. 18/2942 v. 28. 9. 2010, S. 22, Ziff. 13.1.
2) Siehe Fußn. 1.3) HessLTDrs. 18/2942 (Fn. 1). Die Zuständigkeit ist zwischenzeit
lich auf den Hessischen Datenschutzbeauftragten übergegangen, der als unabhängige Oberste Landesbehörde seinen Sitz in Wiesbaden hat.
4) http://www.vegaoptics.de/FunktionundAuf baueinerWildkamera_i29_x4.htm (abgerufen am 1. 4. 2012).
5) http://www.vegaoptics.de/FunktionundAuf baueinerWildkamera_i29_x4.htm (abgerufen am 1. 4. 2012).
6) Vgl. Gwozdek, Lexikon der Videoüberwachung, 3. Aufl., 2002, S. 32.
7) Vahle, DVP 2006, 365; Rehbock, Medien und Presserecht, 2. Aufl., 2011, § 1, Rdnr. 142.
8) BAG, Beschl. v. 26. 8. 2008 – 1 ABR 16/07, NZA 2008, 1187, 1189.
deoüberwachung stellt für den Gefilmten einen besonders schwerwiegenden Eingriff in sein durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistetes allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung dar. 9 Liegt eine rechtswidrige Videoüberwachung vor, können Abwehrrechte aus §§ 823, 1004 BGB geltend gemacht werden, wonach die Beobachtung zu unterlassen und die Videokamera zu beseitigen ist. 10 Ferner kann der Gefilmte gemäß §§ 6 b Abs. 5, 35 Abs. 2 BDSG die Löschung der betreffenden Aufnahmen verlangen. 11 Fraglich ist nun, ob der Einsatz von Wildkameras im Wald mit dem geltenden Datenschutzrecht vereinbar ist. Wäre das nicht der Fall, würde sich derjenige, der trotzdem eine Wildkamera im Wald einsetzt, gegenüber dem (zufällig) gefilmten Waldbesucher anspruchspflichtig machen.
1. Ausnahme nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG
Das BDSG findet auf nichtöffentliche Stellen keine Anwendung, wenn sie personenbezogene Daten ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erheben, verarbeiten oder nutzen, § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG. Gemäß § 2 Abs. 4 S. 1 BDSG sind nichtöffentliche Stellen alle natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts, sofern sie keine öffentlichen Aufgaben wahrnehmen. Bei Jägern handelt es sich um Privatpersonen. Allerdings können auch Private hoheitlich handeln, wenn und soweit ihnen hoheitliche Befugnisse verliehen sind. Solche so genannten Beliehenen sind Jagdaufseher i. S. von § 25 Abs. 2 BJagdG, 12 nicht die sonstigen Jäger. Sollten mit dem Wildkameraeinsatz hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden, sind diese Jagdaufseher öffentliche Stellen gemäß § 2 Abs. 4 S. 2 BDSG, sodass dann § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Anwendung findet. Personenbezogene Daten nach § 3 Abs. 1 BDSG sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. Bei der Videoüberwachung mittels Wildkamera handelt es sich um die Erhebung personenbezogener Daten i. S. des § 3 Abs. 1 BDSG. 13 Fraglich ist, ob der Einsatz von Wildkameras ausschließlich persönlichen oder familiären Tätigkeiten zuzuordnen ist. Die Regelung grenzt die persönliche Lebensführung ab von der beruflichen und geschäftlichen Sphäre. 14 Zu den typischen persönlichfamiliären Bereichen gehören beispielsweise Freizeit und Sport und die dazugehörige Datenverarbeitung von Adressen, Kontaktdaten, Bildern usw. Mit der Videoüberwachung im Jagdbezirk soll die Wildbeobachtung, die Dokumentation des Wildes und schließlich die Jagd erleichtert werden. Ob die Jagd und der damit verbundene Wildkameraeinsatz eine bloße Freizeitaktivität (Hobby) ist oder nach Form und Umfang geschäftliche Züge annimmt durch Vergabe entgeltlicher Jagderlaubnisscheine, Verkauf des Wildbrets oder entgeltliche Tätigkeit als Jagdführer, richtet sich nach der Verkehrsanschauung und dem jeweiligen Einzelfall. Da der betroffene Personenkreis – unbeabsichtigt gefilmter Erholungssuchender – einen persönlichen oder familiären Zweck in Gestalt der Jagdausübung nicht widerspiegelt, wird der privilegierte Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG mit dem Einsatz der Wildkamera augenscheinlich überschritten. Personenbezogene Daten bzw. Bildaufzeichnungen von Dritten, die mit der Jagd nichts zu tun haben, unterliegen dem Schutz des BDSG. Das BDSG ist somit vom Jäger als Kameraaufsteller zu beachten.
2. Einwilligung nach §§ 4, 4a BDSG
Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist auch ohne gesetzliche Regelung zulässig, wenn der Betroffene gemäß §§ 4 Abs. 1, 4a Abs. 1 S. 1 BDSG eingewilligt hat. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Erholungssuchende damit einverstanden ist, im Wald (heimlich) gefilmt zu werden. Selbst aus dem Umstand, dass der Betroffene in Kenntnis der Überwachung in
den Wald geht, lässt sich keine generelle Einwilligung ableiten. 15 Von daher bedarf es einer gesetzlichen Regelung, die den Einsatz der Wildkamera rechtfertigt.
3. Regelung nach § 6 b BDSG
Nach § 6 b Abs. 1 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optischelektronischen Einrichtungen nur zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen (Nr. 1), zur Wahrnehmung des Hausrechts (Nr. 2) oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke (Nr. 3) erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Die genannten drei zulässigen Überwachungsgründe sind abschließend. 16 Da im hessischen Datenschutzgesetz keine Regelung zur Videoüberwachung aufgenommen wurde, 17 könnte im vorliegenden Fall § 6 b BDSG einschlägig sein.
a) Öffentlich zugänglicher Raum
§ 6 b Abs. 1 BDSG setzt zunächst voraus, dass die Beobachtung in einem „öffentlich zugänglichen Raum“ stattfindet. Mit „Raum“ ist ein Bereich gemeint, der weder baulich umschlossen noch überdacht sein muss. 18 Unerheblich sind auch die Eigentumsverhältnisse des Beobachtungsobjekts, relevant ist dagegen die durch den Berechtigten eröffnete tatsächliche Nutzungsmöglichkeit der Allgemeinheit, also eines unbestimmten Personenkreises. 19 Abgesperrte Bereiche, deren Betreten verboten ist, sind nicht Regelungsgegenstand. 20 Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 BWaldG, § 24 Abs. 1 S. 1 HessForstG ist das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung in der freien Natur gestattet. Voraussetzung für das Betreten des Waldes abseits der Wege ist das Vorliegen eines Erholungszwecks, der nicht zu einer systematischen Störung der Jagdausübung führen darf. 21 Bei einzelnen Spaziergängern, Pilzsammlern, Crossläufern etc. ist im Regelfall von deren Erholungsabsicht auszugehen. 22 Sofern nicht ausdrücklich erlaubt, ist dagegen das Reiten
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9) BGH, Urt. v. 16. 3. 2010 – VI ZR 176/09; NJW 2010, 1533 (Rdnr. 11 m. w. N.); bezogen auf Arbeitnehmer z. B. LAG Hessen, Urt. v. 25. 10. 2010 – 7 Sa 1586/09, BeckRS 2011, 68 499; Seifert, DuD 2011, 98, 108; bezogen auf Mieter z. B. Schaefer, SchAZtg 2008, 169, 170.
10) Etwa LG Berlin, Urt. v. 22. 8. 1986 – 8 O 197/85, NJW 1988, 346; Horst, NJW 2009, 1787 m. w. N.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 63. Erg.Lfg., 2011, Art. 2, Rdnr. 195 m. w. N.
11) Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 343.12) Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., 2010, § 40, Rdnr. 89.13) Vgl. VG Osnabrück, Urt. v. 1. 6. 2005 – 6 A 17/04, BeckRS 2006,
21 198.14) Dammann, in: Simitis, BDSG, 7. Aufl., 2011, § 1, Rdnr. 149.15) Vgl. Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus, BDSG, 10. Aufl.,
2010, § 6 b, Rdnr. 22.16) Byers, Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz unter besonderer
Berücksichtigung des neuen § 32 BDSG, 2011, S. 83 m. w. N.; vgl. Hilpert, RDV 2009, 160, 161.
17) Vgl. Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 34. Das LDSG gilt nur für öffentliche Stellen und nichtöffentliche Stellen, soweit sie hoheitliche Aufgaben wahrnehmen.
18) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 8; Scholz, in: Simitis (Fn. 14), § 6 b, Rdnr. 43.
19) Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, 36. Ergänzungslieferung, 2008, § 6 b, Rdnr. 22; Hilpert, RDV 2009, 160, 161.
20) Hilpert, RDV 2009, 160, 161.21) Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21. 10. 1987 – 9 U 59/87, NJWRR
1988, 526, 527.22) Eine darüber hinausgehende Benutzung des Waldes durch or
ganisierte, teilweise gewerbliche Veranstaltungen wie SurvivalGames oder eine GPSSchnitzeljagd (sog. GeoCatching) ist von dem allgemeinen Waldbetretungsrecht nicht mehr gedeckt. Hierfür bedarf es der Einwilligung des Waldbesitzers bzw. Jagdausübungsberechtigten, vgl. Orf, Berichte Freiburger Forstliche Forschung, Heft 67, 2005, S. 27.
und Radfahren nur auf Straßen und Wegen zulässig. Der Jagdpächter bzw. Jagdausübungsberechtigte ist zum Betreten aller bejagbaren Grundflächen des Jagdbezirks berechtigt. Sein Betretungsrecht umfasst im Rahmen der Jagdausübung jede einzelne Waldfläche und ist daher weitergehend als das allgemeine Betretungsrecht des Erholungssuchenden. 23 Beim Wald handelt es sich demzufolge regelmäßig um einen öffentlich zugänglichen Raum i. S. des § 6 b Abs. 1 BDSG. 24
Fraglich ist, ob selbst dann der Wald oder ein Bereich des Waldes als „öffentlich zugänglicher Raum“ zu qualifizieren ist, wenn für Erholungssuchende ein Betretungsverbot i. S. des § 14 Abs. 1 BWaldG i. V. m. § 24 Abs. 3 HessForstG besteht. Vom Betreten des Waldes ausgenommen sind beispielsweise gemäß § 24 Abs. 3 Nr. 3 HessForstG jagd(betrieb)liche Einrichtungen i. S. des § 22 Abs. 1 S. 1 HessJagdG, wozu neben Jagdhütten, Hochsitze, Wildfütterungseinrichtungen und plätze 25 insbesondere auch Salzlecken, (künstlich angelegte) Suhlen, Fallen und (fahrbare) Ansitze zählen. 26 Es handelt sich somit um künstlich geschaffene Reviereinrichtungen zur Verbesserung von Hege und Jagd. 27 Das Anbringen eines Hinweisschilds (z. B. „Jagdeinrichtung – Betreten verboten“) ist nicht notwendig. Keine jagd(betrieb)lichen Einrichtungen sind dagegen Pirschpfade oder Wildeinstandsgebiete; 28 jedoch unterliegen Wildruhezonen und Wildschutzgebiete nach §§ 24, 25 HessJagdG einem eingeschränkten Betretungsverbot. 29 Auch die Wildkamera ist keine künstlich geschaffene und folglich keine jagd(betrieb)liche Einrichtung, sondern ein Ausrüstungsgegenstand wie etwa ein Fernglas. Da die Wildkamera hauptsächlich an Kirrungen eingesetzt wird, könnte dort, im unmittelbaren Bereich der Kamera, ein Betretungsverbot für Erholungssuchende herrschen, wenn zumindest die Kirrung unter die jagd(betrieb)liche Einrichtung i. S. des § 22 Abs. 1 S. 1 HessJagdG fällt. Gemäß § 30 Abs. 8 S. 1 HessJagdG sind Kirrungen Fütterungen zur Bejagung des Schwarzwildes, die der Unteren Jagdbehörde anzuzeigen sind. Die Sorte und maximale Menge des Lockfutters ist vorgeschrieben. Das Futter ist außerhalb von Fütterungsanlagen auf dem Boden auszubringen und soll mit örtlich vorhandenen natürlichen Materialien abgedeckt werden. 30 Dies spricht an sich gegen eine künstlich geschaffene Reviereinrichtung. Schuck zählt zu den Revier und demnach zu den jagd(betrieb)lichen Einrichtungen neben Fütterungen und Hochsitzen auch Kirrungen. 31 Dem ist zuzustimmen, da für die Kirrung oftmals mittelschwere Holzklötze oder deckel oder Ähnliches angefertigt werden, um das Lockfutter ordnungsgemäß abdecken zu können. Schließlich darf dass Kirrgut nur dem Schwarzwild und keinem anderen Wild zugänglich sein. Örtlich vorhandene natürliche Materialien reichen hierfür nicht immer aus, sodass einfache bauliche Maßnahmen zu ergreifen sind. Die Fläche, auf der gekirrt wird, ist anhand der Klötze, dem aufgewühlten Boden (sog. Gebräch) und den vom Schwarzwild hinterlassenen Fährten selbst für den jagdlichen Laien als „Fütterungsstelle“ erkennbar. Da die Kirrung zur Bejagung des Schwarzwildes dient, ist in der Nähe regelmäßig ein Hoch oder Erdsitz, der dem Erholungssuchenden anzeigt, dass in diesem Bereich die Jagd ausgeübt wird. Von einem öffentlich zugänglichen Raum ist in diesem Bereich des Waldes daher nicht auszugehen. In Hessen ist nach § 23 Abs. 9 S. 1 HessJagdG untersagt, unberechtigt die befestigten Wege im Wald zur Nachtzeit zu verlassen. 32 Mit dieser im Jahr 2011 ins HessJagdG aufgenommenen Regelung soll sichergestellt werden, dass sich das Wild zur Nachtzeit insbesondere zur Nahrungsaufnahme in seinen Lebensräumen ungestört bewegen kann. 33 Da das unberechtigte Verlassen des befestigten Weges nachts den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 42 Abs. 1 Nr. 10 lit. h) HessJagdG erfüllt, kann der Wald in Hessen zur Nachtzeit insgesamt kein öffentlich zugänglicher Raum sein.
Jagd(betrieb)liche Einrichtungen, zu denen u. a. auch Hochsitze und Kirrungen zählen, sind vom Betretungsrecht gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 BWaldG, § 24 Abs. 1 S. 1 HessForstG ausgenommen und keine öffentlich zugängliche Räume i. S. des § 6 b Abs. 1 BDSG. Das gilt sogar für den gesamten hessischen Wald abseits der Wege zur Nachtzeit, sofern es keine örtliche Ausnahmeregelung gibt. Für nichtöffentlich zugängliche Räume ist § 6 b BDSG nicht anwendbar. In diesem Bereich finden Wildkameras aber vornehmlich ihren Einsatz. Fraglich ist, nach welchen Vorschriften der Einsatz von Kameras bei jagd(betrieb)lichen Einrichtungen, die auch nur auf diesen engen Bereich fokussiert sind, zu beurteilen ist (siehe unten Ziff. 4 f.). – Im Folgenden bleibt es bei der Anwendbarkeit des § 6 b BDSG, wenn nämlich die Wildkamera nicht nur den engen Bereich der Kirrung überwacht, sondern darüber hinausgehende Flächen, Wege und Pfade, 34 die von Waldbesuchern uneingeschränkt frequentiert werden dürfen.
b) Beobachtung mit optischelektronischer Einrichtung
Die Wildkamera ist ebenso wie die Webcam oder die Überwachungskamera im Kaufhaus eine „optischelektronische Einrichtung“. 35 Beobachtung i. S. des § 6 b Abs. 1 BDSG ist jede für eine gewisse Dauer vorgenommene optische Wahrnehmung, nicht aber die einmalige Bildaufnahme einer Örtlichkeit. 36 Die spezifische Qualität der Beobachtung mithilfe der Videotechnik besteht darin, dass die Aufnahmen aufgezeichnet oder zumindest ausgewertet werden können. 37 Eine Unterscheidung zwischen „Beobachtung“ und „Überwachung“ wird im BDSG nicht vorgenommen, vielmehr stellt die Beobachtung mit optischelektronischen Einrichtungen eine (Video)Überwachung dar. Auch der Zweck der Beobachtung – hier: Dokumentation des Wildes, dass die Kirrung aufsucht – ist nicht maßgeblich, wenn die Möglichkeit besteht, das Personen im Fokus stehen können. Das bedeutet, selbst wenn die Wildkamera so eingestellt ist, dass sie nur einzelne Bilder von dem sich im Erfassungsbereich aufhaltenden Objekt macht, handelt es sich hierbei um Aufzeichnungen, die vom Kameraaufsteller ( Jäger) gesichtet bzw. ausgewertet werden. Der Wildkameraeinsatz ist ferner von gewisser Dauer, da die Kamera mehrere Stunden oder gar Tage einen Bereich punktuell überwacht. Wenn die Bilder jedoch so gering aufgelöst werden,
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23) Schuck, in: Schuck (Hrsg.), BJagdG, 2010, § 1, Rdnr. 10, § 3 Rdnr. 19; vgl. Mitzschke/Schäfer, BJagdG, 4. Aufl., 1982, § 33, Rdnr. 1 f.
24) So auch Bergmann/Möhrle/Herb (Fn. 19), § 6 b, Rdnr. 25.25) Klose/Orf, Forstrecht, 2. Aufl., 1998, § 14 BWaldG, Rdnr. 83.26) Kopp/Tausch/Boettcher, Das Jagdrecht in Hessen, 9. Aufl., 2010,
§ 22 HessJagdG, Rdnr. 2; weitere Beispiele in Tausch, Jagdrecht Hessen, 1. Aufl., 2010, Rdnr. 211 und in Stinglewagner/Haseder, Das große Kosmos Jagdlexikon, 2010, S. 330 ff.
27) Stinglewagner/Haseder (Fn. 26), S. 330.28) Klose/Orf, Forstrecht (Fn. 25), § 14 BWaldG, Rdnr. 83.29) Das Betretungsrecht beschränkt sich auf die Wege. Zudem ist
das Beunruhigen und Aufsuchen von Wild in den Einstandsgebieten gemäß § 19 a BJagdG verboten. Die vorsätzliche Zuwiderhandlung ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 BJagdG.
30) Vgl. Rose, Jagdrecht in Niedersachsen, 31. Aufl., 2010, § 33 NJagdG, Ziff. 33.1.
31) Schuck, in: Schuck (Fn. 23), § 3, Rdnr. 19.32) Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 4 BJagdG gilt als Nachtzeit die Zeit von
eineinhalb Stunden nach Sonnenuntergang bis eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang.
33) Meixner, Das Jagdrecht in Hessen, 19. Nachlieferung, 2011, § 23 HessJagdG, Rdnr. 15.
34) Z. B. einen Wildwechsel.35) Zum Merkmal eines optischelektronischen Verfahrens siehe
Scholz, in: Simitis (Fn. 14), § 6 b, Rdnr. 38.36) Hilpert, RDV 2009, 160, 161.37) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 10.
dass die Personen nicht identifizierbar sind und lediglich zwischen Mensch, Schwarzwild, Rotwild usw. unterschieden werden kann, ist das Tatbestandsmerkmal der Beobachtung nicht erfüllt. 38 Die aufgenommene Person ist dann nicht erkennbar, wenn die Kamera aufgrund des Einstellungswinkels nur deren Beine aufnimmt oder die Person zwar noch im Erfassungsbereich der Kamera, aber für eine scharfe Aufnahme dennoch zu weit entfernt ist. Es dürfen jedenfalls keine Rückschlüsse auf deren Identität möglich sein. 39
c) Zweck der Beobachtung
Die Beobachtung in öffentlich zugänglichen Räumen ist nach § 6 b Abs. 1 Nr. 1–3 BDSG nur zulässig, soweit sie zur Erreichung der drei abschließend genannten Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte für überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen bestehen.
aa) Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen
Der Erlaubnisgrund nach § 6 b Abs. 1 Nr. 1 BDSG setzt zunächst eine öffentliche Stelle gemäß § 2 Abs. 1, 2 BDSG voraus. Im gegenständlichen Fall geht es um den Wildkameraeinsatz durch private Jäger, die nicht als Beliehene tätig werden und demnach nichtöffentliche Stellen i. S. von § 2 Abs. 4 S. 1 BDSG sind. § 6 b Abs. 1 Nr. 1 BDSG bleibt daher außer Betracht. 40
bb) Wahrnehmung des Hausrechts
Gemäß § 6 b Abs. 1 Nr. 2 BDSG ist die Beobachtung mit optischelektronischen Einrichtungen zur Wahrnehmung des Hausrechts zulässig. Ein solches Recht besitzt, wer über die Benutzung des geschützten befriedeten Raums verfügen darf wie etwa der Eigentümer oder der Pächter. 41 Fraglich ist, ob dem Jagdausübungsberechtigten in seinem Jagdbezirk ein solches Hausrecht zusteht, da der Wald als solcher keinen geschützten befriedeten Bereich darstellt. Vornehmlicher Zweck des Hausrechts ist außerdem der Besitzschutz und somit die Gefahrenvorbeugung sowie Gefahrenabwehr (Verteidigung des Hausfriedens). 42 Die Videoüberwachung zum Zwecke der Wilddokumentation wird demzufolge nicht vom Hausrechtsbegriff gedeckt.
cc) Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
Letztendlich kann nach § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG die Videoüberwachung zulässig sein, wenn im Einzelfall ein berechtigtes Interesse für konkret festgelegte Zwecke vorliegt. Das bedeutet, der Jäger hat nachzuweisen, welche berechtigten Interessen einen Wildkameraeinsatz erfordern. Als berechtigtes Interesse gilt jedes objektiv begründbares Interesse wirtschaftlicher, rechtlicher oder ideeller Natur. 43 Die Wahrnehmung berechtigter Interessen ist nur dann erfüllt, wenn die Videoüberwachung nicht selber den Haupt oder einen wesentlichen Nebengrund der Geschäftstätigkeit darstellt. 44 Angenommen wird ein berechtigtes Interesse beispielsweise hinsichtlich der Überwachung zum Zwecke der Gefahrenabwehr, zur Kontrolle von Betriebsmaschinen 45 oder im Rahmen eines Forschungsprojekts. 46 Darüber hinaus kann jedes von der Rechtsordnung gebilligte Interesse i. S. des § 6 b Abs. 1 bzw. § 28 Abs. 1 BDSG „berechtigt“ sein. 47 Manch ein Jäger möchte den Wildbestand in seinem Jagdbezirk auch abseits von jagd(betrieb)lichen Einrichtungen möglichst genau kennen und dokumentieren, wozu er Wildkameras an Wildwechseln oder Stellen platziert, die vom Wild regelmäßig aufgesucht werden. Die Suche nach krankem Wild kann ebenfalls mit der Videoüberwachung bezweckt werden. Zwar dient der Einsatz der Wildkamera durch den Jäger der Tierbeobachtung, nicht aber der Forschung. Die Videobeobachtung soll bei der Abschussplanung helfen. Ziel und wesentlicher Zweck des Wildkameraeinsatzes ist somit eine möglichst genaue Dokumentation des Wildbestandes sowie eine bessere, effektivere Abschuss
planung. Dieser konkrete Beobachtungszweck (berechtigtes Interesse) muss vor Beginn der Videoüberwachung festgelegt werden.
d) Erforderlichkeit
Die Videoüberwachung und somit der Einsatz der Wildkamera muss abseits von jagd(betrieb)lichen Einrichtungen erforderlich sein. Das ist der Fall, wenn die Videoüberwachung geeignet ist, das festgelegte Ziel zu erreichen und es keine milderen, ebenfalls geeigneten Mittel gibt. 48 Durch eine InfrarotKamera kann tags wie nachts Wild aufgenommen werden, dass an der Kamera vorbeizieht. In aller Ruhe können die Bilder daheim ausgewertet und das Wild bestimmt werden, sodass der Zweck der Dokumentation und der Abschussplanung durch den Kameraeinsatz ohne Zweifel erreicht wird. Es gibt allerdings mildere Maßnahmen als den Einsatz von Wildkameras im allgemein frei zugänglichen Wald, wo die Gefahr besteht, dass arglose Pilzsammler etc. gefilmt werden. Gang und gäbe ist, dass der Jäger durch regulären Ansitz mithilfe eines Fernglases oder Nachtsichtgerätes selbst das Wild beobachtet und sich so einen Überblick über den Bestand verschafft. Im Einzelfall stellt der Ansitz aber keine objektiv zumutbare Alternative zur Videobeobachtung an einer Kirrung dar. Der Jäger erhält durch die digitalen Bildaufnahmen präzise Kenntnisse über den (Schwarz)Wildbestand in seinem Jagdbezirk, die er durch einzelne, zeitlich begrenzte persönliche Beobachtungen so nicht bekäme. Wie die Kirrung selbst, trägt auch die Wildkamera zur Abschusserfüllung und zur Senkung des Jagddrucks bei. Da es derzeit technisch nicht möglich ist, eine von der Wildkamera erfasste Person automatisch zu anonymisieren, ohne dass die Wildaufnahmen ebenfalls undeutlich werden, ist – abhängig vom konkreten Einzelfall – eine Alternative zur Videoüberwachung an Kirrungen nicht anzunehmen. Dennoch muss der Jäger ausreichend begründen, warum die Videoüberwachung eines frei zugänglichen Bereichs im Interesse der Jagd sein soll. Eine Wildkamera kann den Ansitz ergänzen, aber auch nur dort, wo ihr Einsatz nicht mit rechtmäßigen Interessen von Erholungssuchenden kollidiert. Insofern kann die Erforderlichkeit lediglich dann angenommen werden, wenn etwa der Tierschutz betroffen ist und es um das zeitnahe Aufsuchen von schwerkrankem Wild geht.
e) Interessenabwägung
Wird die Erforderlichkeit für den Kameraeinsatz tagsüber im frei zugänglichen Wald bejaht, ist die Videoüberwachung dennoch unzulässig, wenn das entgegenstehende schutzwürdige Interesse des Betroffenen (Gefilmten) überwiegt (§ 6 b Abs. 3 S. 1 BDSG). Gibt es bereits Anhaltspunkte, nach denen ein Überwiegen dieser Interessen nicht ausgeräumt werden kann, darf eine Überwachung nicht vorgenommen werden. 49 Wie anfangs erwähnt,
Dienstbühl, Der Einsatz von „Wildkameras“ durch Privatpersonen
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398 NuR (2012) 34: 395–400
38) HessLTDrs. 18/2942 (Fn. 1), S. 22, Ziff. 13.1 a. E.39) Vgl. LG Bonn, Urt. v. 16. 11. 2004 – 8 S 139/04, NJWRR 2005,
1067, 1068.40) In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass nach § 14 HSOG
die Polizei bzw. Gefahrenabwehrbehörden in einem genau definierten Raum die Videoüberwachung zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung vornehmen dürfen.
41) Fischer, StGB, 59. Aufl., 2012, § 123, Rdnr. 3.42) Vgl. Ziegler, DuD 2003, 337, 338 f.43) BTDrs. 14/5793, S. 61; Scholz, in: Simitis (Fn. 14), § 6 b, Rdnr. 78;
die zu § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG entwickelten Grundsätze können herangezogen werden.
44) Weichert, DuD 2000, 662, 667.45) Byers (Fn. 16), S. 86 m. w. N.46) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 18.47) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 28, Rdnr. 24.48) Hilpert, RDV 2009, 160, 163 m. w. N.49) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 19;
Scholz, in: Simitis (Fn. 14), § 6 b, Rdnr. 92; Bergmann/Möhrle/Herb (Fn. 19), § 6 b, Rdnr. 29.
greift eine Videoüberwachung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein. 50 Dieses verfassungsmäßige Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbürgt das Recht des Einzelnen, sich in der Öffentlichkeit frei und ungezwungen zu bewegen, ohne dabei befürchten zu müssen, ungewollt zum Gegenstand einer Videoüberwachung gemacht zu werden. 51 Der Wald wird von vielen Menschen als eine Erholungsstätte abseits der technischen Zivilisation geschätzt. Er dient dem Erholungssuchenden zur Entfaltung seiner Persönlichkeit und zugleich als Rückzugsgebiet, wo er sich unbeobachtet entspannen möchte. Somit rechnet der Erholungssuchende nicht damit, dass er während des Durchstreifens des Waldes gefilmt wird. Zwar ist die Intensität der Videoüberwachung mittels Wildkamera nicht vergleichbar mit der Dauerüberwachung in Geschäften, Banken oder von öffentlichen Plätzen. Dennoch besteht ein Risiko, in das Blickfeld einer Wildkamera zu gelangen, die inmitten des frei begehbaren Waldes aufgestellt wurde. Wenn das schutzwürdige Interesses des betretungsberechtigten Waldbesuchers schon gegenüber dem Interesse am offenen Kameraeinsatz überwiegt, ist der heimliche Kameraeinsatz erst recht unzulässig (argumentum a fortiori). 52 Selbst unter dem Deckmantel des Tierschutzes kann der Wildkameraeinsatz das Persönlichkeitsrecht des Erholungssuchenden nicht aushebeln, solange ihm ein Betretungsrecht der videoüberwachten Fläche zusteht. In solchen Fällen kann die Interessenabwägung nur zu Gunsten des Betroffenen ausfallen.
4. Regelung nach § 6 b BDSG analog
Zu prüfen ist, ob der Einsatz der Wildkamera im unmittelbaren Bereich von jagdlichen Einrichtungen, also dort, wo ein Betretungsverbot für Erholungssuchende gilt, zulässig ist. Eine analoge Anwendung des § 6 b BDSG für nichtöffentlich zugängliche Räume kommt nicht in Betracht, da der Gesetzgeber solche Räume bewusst nicht in § 6 b BDSG aufgenommen hat. 53 Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke.
5. Regelung nach § 28 BDSG
Nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG ist eine Erhebung, Speicherung, Veränderung oder Übermittlung personenbezogener Daten zur Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist. Es darf kein Grund zur Annahme bestehen, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Wie schon dargetan, handelt es sich bei der Videoüberwachung um die Erhebung personenbezogener Daten (siehe oben Ziff. 1).
a) Erfüllung eigener Geschäftszwecke
§ 28 Abs. 1 BDSG bezieht sich auf Daten für eigene Geschäftszwecke. Gemeint sind hiermit Datenverarbeitungen, die als Hilfsmittel zur Erfüllung bestimmter anderer, eigener Zwecke erfolgen. 54 Die Datenverarbeitung dient folglich als Mittel zum Zweck, also zur Erreichung eines (Geschäfts)Zwecks. Demnach ist der Begriff „Geschäftszwecke“ weit auszulegen und beinhaltet auch Sachverhalte, die keine vertraglichen Beziehungen, sondern die eine Datenverarbeitung in der Privatsphäre betreffen können. Hier geht es um private Wildaufnahmen aus dem eigenen Jagdbezirk für die Jagdplanung, mithin um die Erreichung eines (Geschäfts)Zwecks.
b) Berechtigtes Interesse und Erforderlichkeit
Wie bereits unter Ziff. 3 c cc) festgestellt, ist das berechtigte Interesse des Jägers am Wildkameraeinsatz im Wald
anzunehmen. Wurde die Erforderlichkeit der Wildkamera im frei zugänglichen Wald unter Ziff. 3 d lediglich für den Einzel bzw. Ausnahmefall bejaht (z. B. aus Gründen des Tierschutzes), ist bei einem für Dritte nicht zugänglichen Waldbereich ein großzügigerer Beurteilungsmaßstab heranzuziehen. So kann für die Senkung des Jagddrucks der Wildkameraeinsatz an einer Kirrung erforderlich sein.
c) Schutzwürdige Interessen des Betroffenen
Im Rahmen einer Abwägung ist zu prüfen, ob schutzwürdige Interessen des Betroffen überwiegen und dem Kameraeinsatz somit entgegenstehen. Die Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte beeinträchtigt das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten. Generell ist allerdings nicht schutzwürdig, wer gegen öffentlichrechtliche Pflichten verstößt oder mit seinem Verhalten einen Bußgeldtatbestand verwirklicht. 55 Eine Bußgeldfolge für die unberechtigte Nutzung einer jagd(betrieb)lichen Einrichtung ist dem BJagdG oder dem HessJagdG nicht zu entnehmen. Wenn der betroffene Erholungssuchende eine für ihn erkennbare jagd(betrieb)liche Einrichtung wie etwa einen Hochsitz unerlaubt benutzt oder eine Kirrung unerlaubt betritt, ist jedoch das Verhalten zivilrechtlich als Besitzstörung zu werten und somit rechtswidrig. Dem Jagdausübungsberechtigten stehen insoweit die Abwehrrechte des § 1004 BGB und das Selbsthilferecht nach § 859 BGB zu. Die Betretung jagd(betrieb)licher Einrichtungen wie auch das gezielte Aufsuchen von Brunftplätzen kann allerdings zu einer rechtswidrigen Störung der Jagdausübung führen. 56 Die unzulässige und vermeidbare Störung der Jagdausübung wird nach §§ 18 Abs. 3, 42 Abs. 1 Nr. 7, 2 HessJagdG mit einer Geldbuße bis 25 000 € geahndet. Ebenso ist das Betreten des Waldes zur Nachtzeit gemäß §§ 23 Abs. 9, 42 Abs. 1 Nr. 10 lit. h), 2 HessJagdG eine Ordnungswidrigkeit. Somit kann im Einzelfall durch das Aufsuchen der Kirrung ein Bußgeldtatbestand verwirklicht werden. Das unberechtigte Betreten bzw. Aufsuchen von jagd(betrieb)lichen Einrichtungen ist dagegen stets rechtswidrig, sodass das Verhalten des Erholungssuchenden nicht schutzwürdig sein kann. Jagd(betrieb)liche Einrichtungen können mit einem Privatgrundstück verglichen werden, auf dem der Eigentümer generell nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann (vgl. § 903 BGB).
Der Kameraeinsatz in nichtöffentlich zugänglichen Räumen ist Betätigung grundrechtlicher Freiheit. 57 Bei der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück muss der Eigentümer, Pächter oder Mieter jedoch sicherstellen, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von der Kamera erfasst wird. 58 Entsprechend kann der Jagdpächter mit seinen jagd(betrieb)lichen Einrichtungen verfahren. Die dort angebrachte Wildkamera darf ebenfalls keine Aufzeichnungen außerhalb der Grenzen des Kirrplatzes machen. Die private Le
NuR (2012) 34: 395–400 399Dienstbühl, Der Einsatz von „Wildkameras“ durch Privatpersonen
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50) BGH, Urt. v. 16. 3. 2010 – VI ZR 176/09; NJW 2010, 1533 (Tz. 11 m. w. N.); vgl. Fn. 9.
51) AG Hamburg, Urt. v. 22. 4. 2008 – 4 C 134/08; BeckRS 2008, 24 175.
52) Unabhängig von der Hinweispflicht nach § 6 b Abs. 2 BDSG.53) Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 336.54) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 28, Rdnr. 4.55) Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, 41. Erg.Lfg., 2010, § 28,
Rdnr. 237. 56) Vgl. Schuck, in: Schuck (Hrsg.) (Fn. 23), § 1, Rdnr. 10; Mitzschke/
Schäfer (Fn. 23), § 1, Rdnr. 43.57) Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 336.58) BGH, Urt. v. 16. 3. 2010 – VI ZR 176/09; NJW 2010, 1533
(Rdnr. 11).
bensgestaltung des Erholungssuchenden wird durch den punktuellen Einsatz einer Wildkamera nicht beschnitten, da er im Wald weiterhin nicht mit einer Videoüberwachung zu rechnen braucht. Ausnahme sind lediglich die für ihn erkennbaren jagd(betrieb)lichen Einrichtungen, Wildruhezonen und Wildschutzgebiete, für deren Betretung es im Regelfall keinen rechtfertigenden Grund gibt. Der BGH hat festgestellt, dass allein die hypothetische Möglichkeit einer Videoüberwachung das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, nicht beeinträchtigt. 59 Schließlich dienen dem Jäger die aus der Videoüberwachung erhaltenen Daten bzw. Aufnahmen nicht der Beobachtung von Personen, sondern von Wild. Aufnahmen von zufällig aufgenommenen Pilzsammlern sind vom Zweck der Datenerhebung nicht gedeckt und müssen daher vom Jäger unverzüglich gelöscht werden. 60 Infolgedessen besteht kein Grund zu der Annahme, dass die schutzwürdigen Interessen des betroffenen Erholungssuchenden, der sich rechtswidrig im unmittelbaren Bereich von jagd(betrieb)lichen Einrichtungen oder in Wildruhezonen aufhält, überwiegen. Zu einer anderen Bewertung gelangt man, wenn die Gefahr besteht, dass betretungsbefugte Waldarbeiter, Forstbeamten oder Jagdgäste ohne ihr Wissen und Wollen gefilmt werden. Gibt es hierfür Anhaltspunkte, ist ein Überwiegen des Überwachungsinteresses abzulehnen; der Wildkameraeinsatz wäre dann auch an Kirrungen – also nichtöffentlich zugänglichen Räumen – unzulässig.
d) Festlegung des Zwecks
Vergleichbar mit § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG müssen nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG die Zwecke, für die die Daten verarbeitet oder genutzt werden, vor der Speicherung konkret festgelegt werden. Die vorgesehene Zweckbestimmung ist aus Beweissicherungsgründen schriftlich zu dokumentieren. § 4 e BDSG zeigt auf, welche Angaben die Dokumentation enthalten muss. 61 Es empfiehlt sich, die Dokumentation in Form eines Kontrollbuchs zu führen, in dem jede Wildkamera mit aktuellen Angaben hinsichtlich Beobachtungsort, Beobachtungszeit, Zeitpunkt der Datenauswertung usw. eingetragen wird. In einer Revierkarte kann der Einsatz der Wildkamera zusätzlich optisch veranschaulicht werden.
e) Kenntlichmachung der Beobachtung
Fraglich ist, ob die verdeckte Videoüberwachung im unmittelbaren Bereich jagd(betrieb)licher Einrichtungen gemäß § 28 BDSG rechtmäßig ist, oder ob der Jäger auf die Wildkamera hinweisen muss. Während bei der Beobachtung in öffentlich zugänglichen Räumen die verantwortliche Stelle nach § 6 b Abs. 2 BDSG auf den Umstand der Beobachtung hinweisen muss, gibt es im § 28 BDSG keine entsprechende Regelung. Der Gesetzgeber hat nichtöffentlich zugängliche Räume bewusst aus dem Anwendungsbereich des § 6 b BDSG herausgenommen. 62 Ein Verstoß gegen § 6 b Abs. 2 BDSG wird nicht mit Bußgeld sanktioniert (vgl. § 43 BDSG), sodass bereits fraglich ist, ob die Kenntlichmachung überhaupt eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung darstellt. 63 Ein striktes Verbot der heimlichen Videoüberwachung an nichtöffentlich zugänglichen Plätzen, wo zudem ein Betretungsverbot herrscht, gibt es schließlich nicht. Die Kenntlichmachung einer Wildkamera inmitten des Waldes könnte dazu führen, dass sie von zufällig vorbeikommenden Personen entdeckt und weggenommen wird. Eine Sicherung der Kamera vor Diebstahl oder Beschädigung dürfte nur schwer möglich sein. Hingegen müssen jagd(betrieb)liche Einrichtungen, in deren Bereich die Wildkamera eingesetzt werden soll, auch für jagdunkundige Personen erkennbar sein. Entsprechende Hinweisschilder zum Betretungsverbot sind im Zweifel anzubringen.
IV. Regelungsvorschlag
Es ist zu überlegen, ob eine Ergänzung in das Landesjagdgesetz aufgenommen werden sollte, in der der Einsatz von Wildkameras geregelt wird. Dabei kann sich an den gesetzlichen Vorgaben zur Kirrung orientiert werden. Gemäß § 30 Abs. 8 S. 2 HessJagdG ist je Jagdbezirk eine Kirrung, eine weitere je 100 ha angefangener Jagdfläche, in Rotwildgebieten je 250 ha angefangener Jagdfläche zulässig. Ein sparsamer Einsatz von Wildkameras könnte durch eine entsprechende Regelung erreicht werden, indem je Jagdbezirk z. B. bis 300 ha eine Wildkamera im unmittelbaren Bereich von kenntlich gemachten jagd(betrieb)lichen Einrichtungen (Kirrungen) oder kenntlich gemachten Einständen/Wildruhezonen, die abseits von Straßen und Wegen liegen, je weitere 250 ha angefangener Jagdfläche eine weitere Wildkamera gleichzeitig eingesetzt werden darf. Der Kameraeinsatz ist der Unteren Jagdbehörde in bestimmten Abständen anzuzeigen. Neben der Anzahl der Wildkameras ist die Dauer des Kameraeinsatzes zeitlich und räumlich zu beschränken (maximal ununterbrochene Videobeobachtung von 48 Stunden). Darüber ist ein Protokoll zu führen. Möchte der Jäger außerhalb von jagd(betrieb)lichen Einrichtungen oder Räumen, in denen ein Betretungsverbot für Erholungssuchende besteht, den Wildbestand in seinem Jagdbezirk erfassen, stehen ihm Alternativen zur Videoüberwachung zur Verfügung. Neben dem regulären Ansitz und dem „Ansprechen von Fährten“ gibt es so genannte Wilduhren und Jägerhandys, die dem Jäger zwar keine Bilder oder Einzelheiten zum Wild liefern, aber immerhin die Uhrzeit erfassen, wann Wild sich an einer bestimmten Stelle aufgehalten hat.
V. Fazit
Bei dem Einsatz einer Wildkamera im frei begehbaren Wald handelt es sich um eine Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum i. S. von § 6 b BDSG. Aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem berechtigten Interesse des Jägers und den schutzwürdigen Interessen der betroffenen Waldbesucher, ist die Videoüberwachung im frei zugänglichen Jagdbezirk unzulässig. Das verfassungsmäßige Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird als gewichtiger Anhaltspunkt dafür gesehen, dass das schutzwürdige Interesse der Betroffenen überwiegt. Etwas anderes gilt für die Videoüberwachung in Bereichen des Waldes, die ausschließlich vom Jäger aufgesucht werden dürfen und daher einen nichtöffentlich zugänglichen Raum i. S. von § 28 BDSG darstellen. Neben ausgewiesenen Wildruhezonen und jagd(betrieb)lichen Einrichtungen wie Kirrungen gehört in Hessen zu den nichtöffentlich zugänglichen Räumen der gesamte Wald abseits befestigter Wege zur Nachtzeit. Betritt der Waldbesucher diese Bereiche, handelt er rechtswidrig, sodass er hinsichtlich der Videoüberwachung grundsätzlich nicht schutzwürdig sein kann. Ein sparsamer, regulierter Einsatz der Wildkamera im nichtöffentlich zugänglichen Raum kann demzufolge zulässig sein, sofern das Betretungsverbot auch für einen Jagdunkundigen erkennbar ist. Schlussendlich stellt sich die Frage, wie viel High Tech im Jagdbezirk, respektive zur Jagdausübung, tatsächlich notwendig ist.
Dienstbühl, Der Einsatz von „Wildkameras“ durch Privatpersonen
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59) BGH, Urt. v. 16. 3. 2010 – VI ZR 176/09; NJW 2010, 1533 (Rdnr. 14); BGH, Urt. v. 21. 10. 2011 – V ZR 265/10; NJWRR 2012, 140 (Rdnr. 9).
60) Solche Aufnahmen sind ein unerwünschter Nebeneffekt; demzufolge besteht auch kein Interesse an der Verarbeitung bzw. Nutzung der personenbezogenen Erkenntnisse.
61) Muster einer Dokumentation in Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, 27. Erg.Lfg., 2002, Anlage zu § 6b.
62) Byers (Fn. 16), S. 144.63) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 28.