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In immer mehr Jagdbezirken werden von Jägern so genannte „Wild- kameras“ eingesetzt, um sich mit deren Hilfe einen umfassenden Überblick des aktuellen Wildbestandes zu verschaffen. Zeitrau- bende Beobachtungen vor Ort kann sich der Jäger dadurch ersparen. Allerdings stellt sich die Frage, ob das Anbringen von Kameras durch Privatpersonen, vornehmlich im Wald, mit dem geltenden Datenschutzrecht vereinbar ist. Es besteht immerhin die Gefahr, dass neben dem Wild auch erholungssuchende Waldbesucher auf- genommen und somit deren schutzwürdige Interessen verletzt wer- den. In dem nachfolgenden Beitrag werden die Zulässigkeitsvoraus- setzungen für einen „Wildkameraeinsatz“ näher untersucht und bewertet. I. Einleitung In dem Jahreskatalog eines führenden deutschen Jagd- ausrüstungsunternehmens wird mit folgenden Zeilen für Wildkameras geworben: „Eine Wildkamera ist der unsichtbare Jagdaufseher im Revier. Sie dokumentiert, welche Wildarten zu welcher Uhrzeit die Kirrungen aufsuchen und ob beispielsweise Trophäenträger dabei sind. Man wundert sich oft, welcher heim- liche Besucher beobachtet werden kann.“ Tatsächlich wunderte sich ein Jagdpächter im Taunus, als er bei der Auswertung der Videoaufnahmen seiner Wildkamera nicht nur Wild- schweine (Schwarzwild) bemerkte, sondern auch den Jagd- pächter vom Nachbarjagdbezirk, der offenbar seine Lock- fütterung (Kirrung) inspizierte. 1 Als dem gefilmten Jäger zu Ohren kam, dass es Aufnahmen von ihm gibt, die ihn im fremden Jagdbezirk zeigen und die nun anderen Jägern präsentiert werden, forderte er von demjenigen, der die Ka- mera angebracht hatte, Unterlassung sowie die Herausgabe der Bilder und des Speichermediums. 2 Die Angelegenheit endete schließlich damit, dass die streitgegenständliche Wildkamera entfernt und die Bilddaten des abgelichteten Jägers vernichtet wurden. Mit dem vorgenannten Vorfall aus dem Jahr 2009 beschäftigte sich neben der Unteren und der Oberen Jagdbehörde auch das Regierungspräsidium Darmstadt als damalige hessische Datenschutzbehörde. 3 Eine spezialgesetzliche Regelung, die das Anbringen von Wildkameras rechtfertigen könnte, wurde von der Daten- schutzbehörde nicht gefunden. Die Wildbeobachtung mit- tels Wildkamera im Wald soll demnach grundsätzlich un- zulässig sein. Diese Ansicht ist zu hinterfragen. Hierzu soll zunächst kurz auf die Funktionsweise und auf den Zweck einer Wildkamera eingegangen werden (II.), bevor im Schwer- punkt des Beitrags die Voraussetzungen der Videoüber- wachung durch eine Wildkamera unter Berücksichtigung des BDSG zu beleuchten sind (III.). Es folgt ein Rege- lungsvorschlag, der den Einsatz von Wildkameras ermög- licht, gleichzeitig aber auch begrenzt und dadurch Rechts- sicherheit schaffen soll (IV.). Der Beitrag endet mit einem Fazit (V.). Bezogen wird sich auf das hessische Landes- recht. Rechtsanwalt Christian Dienstbühl, LL.M.; Brennecke & Partner Rechtsanwälte, Karlsruhe, Deutschland II. Funktion und Zweck einer Wildkamera Bei einer Wildkamera handelt es sich um eine Kameraein- heit, die mit einem elektronischen Sensor kombiniert wird, der in der Regel auf Wärme und Bewegung reagiert (Be- wegungsmelder). 4 Kommt ein Tier oder ein Mensch in den Erfassungsbereich des Bewegungsmelders, wird nach einer kurzen Zeitverzögerung ein elektronischer Impuls erzeugt, der wiederum – je nach Modell und Einstellung – einzelne Fotos oder eine Videosequenz auslöst. 5 Eine Differenzie- rung des in den Erfassungsbereich eindringenden Objekts – Mensch oder Tier – kann das Gerät nicht vornehmen. 6 Infrarottechnik ermöglicht dafür Nachtaufnahmen ohne sichtbaren Blitz. Die digitalen Bilder und Videos, auf denen neben dem Datum auch die Uhrzeit der Aufnahme zu fin- den ist, werden auf einer herausnehmbaren Speicherkarte gespeichert und können auf dem PC gesichtet und bearbei- tet werden. Das wetterfeste Gehäuse der Kamera, die etwa die Größe einer 0,5 l-Tetra-Packung hat, ist grün, braun oder camouflage und somit farblich der Umgebung ange- passt. Primärer Zweck der Wildkamera ist, dass der Jäger seine Ansitze gezielt planen kann. Daher finden sich solche Kameras für gewöhnlich direkt an Kirrungen, die mit ei- nem Schirm (Erdsitz) oder Hochsitz ausgestattet sind, von dem aus das Wild erlegt werden kann. Mithilfe der Foto- und Videodateien kann der Jäger bestimmen, wo mit wel- chem Wild zu welcher Zeit zu rechnen ist und in welcher Konstellation es auftritt. III. Voraussetzungen der Videoüberwachung Das Recht am eigenen Bild, das nicht auf bestimmte Ört- lichkeiten beschränkt ist, wird durch § 22 KunstUrhG aus- drücklich geschützt. Zwar erstreckt sich der rechtliche Schutz der Norm nur auf die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Aufnahmen, 7 jedoch unterfällt be- reits die Herstellung von Abbildungen dem Schutz des all- gemeinen Persönlichkeitsrechts. 8 Eine rechtswidrige Vi- DOI: 10.1007/s10357-012-2276-2 Der Einsatz von „Wildkameras“ durch Privatpersonen – Zur Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Videoüberwachung im Wald Christian Dienstbühl © Springer-Verlag 2012 NuR (2012) 34: 395–400 395 123 1) Artikel „Wirbel um versteckte Wildkamera: Fall für das Daten- schutzgesetz“, Wiesbadener Kurier v. 12. 8. 2009; Artikel „Ver- steckte Kameras im Wald“ v. 21. 8. 2009, abrufbar unter http:// www.heise.de/tp/blogs/8/ 144 032 (abgerufen am 1. 4. 2012); Vi- deobeobachtung an der „Wildschweinkirrung“, HessLT-Drucks. 18/2942 v. 28. 9. 2010, S. 22, Ziff. 13.1. 2) Siehe Fußn. 1. 3) HessLT-Drs. 18/2942 (Fn. 1). Die Zuständigkeit ist zwischenzeit- lich auf den Hessischen Datenschutzbeauftragten übergegangen, der als unabhängige Oberste Landesbehörde seinen Sitz in Wies- baden hat. 4) http://www.vegaoptics.de/Funktion-und-Aufbau-einer-Wild- kamera_i29_x4.htm (abgerufen am 1. 4. 2012). 5) http://www.vegaoptics.de/Funktion-und-Aufbau-einer-Wild- kamera_i29_x4.htm (abgerufen am 1. 4. 2012). 6) Vgl. Gwozdek, Lexikon der Videoüberwachung, 3. Aufl., 2002, S. 32. 7) Vahle, DVP 2006, 365; Rehbock, Medien- und Presserecht, 2. Aufl., 2011, § 1, Rdnr. 142. 8) BAG, Beschl. v. 26. 8. 2008 – 1 ABR 16/07, NZA 2008, 1187, 1189.

Der Einsatz von “Wildkameras” durch Privatpersonen – Zur Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Videoüberwachung im Wald

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Page 1: Der Einsatz von “Wildkameras” durch Privatpersonen – Zur Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Videoüberwachung im Wald

In immer mehr Jagdbezirken werden von Jägern so genannte „Wild-kameras“ eingesetzt, um sich mit deren Hilfe einen umfassenden Überblick des aktuellen Wildbestandes zu verschaffen. Zeitrau-bende Beobachtungen vor Ort kann sich der Jäger dadurch ersparen. Allerdings stellt sich die Frage, ob das Anbringen von Kameras durch Privatpersonen, vornehmlich im Wald, mit dem geltenden Datenschutzrecht vereinbar ist. Es besteht immerhin die Gefahr, dass neben dem Wild auch erholungssuchende Waldbesucher auf-genommen und somit deren schutzwürdige Interessen verletzt wer-den. In dem nachfolgenden Beitrag werden die Zulässigkeitsvoraus-setzungen für einen „Wildkameraeinsatz“ näher untersucht und bewertet.

I. Einleitung

In dem Jahreskatalog eines führenden deutschen Jagd­ausrüstungsunternehmens wird mit folgenden Zeilen für Wildkameras geworben: „Eine Wildkamera ist der unsichtbare Jagdaufseher im Revier. Sie dokumentiert, welche Wildarten zu welcher Uhrzeit die Kirrungen aufsuchen und ob beispielsweise Trophäenträger dabei sind. Man wundert sich oft, welcher heim-liche Besucher beobachtet werden kann.“ Tatsächlich wunderte sich ein Jagdpächter im Taunus, als er bei der Auswertung der Videoaufnahmen seiner Wildkamera nicht nur Wild­schweine (Schwarzwild) bemerkte, sondern auch den Jagd­pächter vom Nachbarjagdbezirk, der offenbar seine Lock­fütterung (Kirrung) inspizierte. 1 Als dem gefilmten Jäger zu Ohren kam, dass es Aufnahmen von ihm gibt, die ihn im fremden Jagdbezirk zeigen und die nun anderen Jägern präsentiert werden, forderte er von demjenigen, der die Ka­mera angebracht hatte, Unterlassung sowie die Herausgabe der Bilder und des Speichermediums. 2 Die Angelegenheit endete schließlich damit, dass die streitgegenständliche Wildkamera entfernt und die Bilddaten des abgelichteten Jägers vernichtet wurden. Mit dem vorgenannten Vorfall aus dem Jahr 2009 beschäftigte sich neben der Unteren und der Oberen Jagdbehörde auch das Regierungspräsidium Darmstadt als damalige hessische Datenschutzbehörde. 3 Eine spezialgesetzliche Regelung, die das Anbringen von Wildkameras rechtfertigen könnte, wurde von der Daten­schutzbehörde nicht gefunden. Die Wildbeobachtung mit­tels Wildkamera im Wald soll demnach grundsätzlich un­zulässig sein.

Diese Ansicht ist zu hinterfragen. Hierzu soll zunächst kurz auf die Funktionsweise und auf den Zweck einer Wildkamera eingegangen werden (II.), bevor im Schwer­punkt des Beitrags die Voraussetzungen der Videoüber­wachung durch eine Wildkamera unter Berücksichtigung des BDSG zu beleuchten sind (III.). Es folgt ein Rege­lungsvorschlag, der den Einsatz von Wildkameras ermög­licht, gleichzeitig aber auch begrenzt und dadurch Rechts­sicherheit schaffen soll (IV.). Der Beitrag endet mit einem Fazit (V.). Bezogen wird sich auf das hessische Landes­recht.

Rechtsanwalt Christian Dienstbühl, LL.M.; Brennecke & Partner Rechtsanwälte, Karlsruhe, Deutschland

II. Funktion und Zweck einer Wildkamera

Bei einer Wildkamera handelt es sich um eine Kameraein­heit, die mit einem elektronischen Sensor kombiniert wird, der in der Regel auf Wärme und Bewegung reagiert (Be­wegungsmelder). 4 Kommt ein Tier oder ein Mensch in den Erfassungsbereich des Bewegungsmelders, wird nach einer kurzen Zeitverzögerung ein elektronischer Impuls erzeugt, der wiederum – je nach Modell und Einstellung – einzelne Fotos oder eine Videosequenz auslöst. 5 Eine Differenzie­rung des in den Erfassungsbereich eindringenden Objekts – Mensch oder Tier – kann das Gerät nicht vornehmen. 6 Infrarottechnik ermöglicht dafür Nachtaufnahmen ohne sichtbaren Blitz. Die digitalen Bilder und Videos, auf denen neben dem Datum auch die Uhrzeit der Aufnahme zu fin­den ist, werden auf einer herausnehmbaren Speicherkarte gespeichert und können auf dem PC gesichtet und bearbei­tet werden. Das wetterfeste Gehäuse der Kamera, die etwa die Größe einer 0,5 l­Tetra­Packung hat, ist grün, braun oder camouflage und somit farblich der Umgebung ange­passt. Primärer Zweck der Wildkamera ist, dass der Jäger seine Ansitze gezielt planen kann. Daher finden sich solche Kameras für gewöhnlich direkt an Kirrungen, die mit ei­nem Schirm (Erdsitz) oder Hochsitz ausgestattet sind, von dem aus das Wild erlegt werden kann. Mithilfe der Foto­ und Videodateien kann der Jäger bestimmen, wo mit wel­chem Wild zu welcher Zeit zu rechnen ist und in welcher Konstellation es auftritt.

III. Voraussetzungen der Videoüberwachung

Das Recht am eigenen Bild, das nicht auf bestimmte Ört­lichkeiten beschränkt ist, wird durch § 22 KunstUrhG aus­drücklich geschützt. Zwar erstreckt sich der rechtliche Schutz der Norm nur auf die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Aufnahmen, 7 jedoch unterfällt be­reits die Herstellung von Abbildungen dem Schutz des all­gemeinen Persönlichkeitsrechts. 8 Eine rechtswidrige Vi­

DOI: 10.1007/s10357-012-2276-2

Der Einsatz von „Wildkameras“ durch Privatpersonen – Zur Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Videoüberwachung im WaldChristian Dienstbühl

© Springer-Verlag 2012

NuR (2012) 34: 395–400 395

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1) Artikel „Wirbel um versteckte Wildkamera: Fall für das Daten­schutzgesetz“, Wiesbadener Kurier v. 12. 8. 2009; Artikel „Ver­steckte Kameras im Wald“ v. 21. 8. 2009, abrufbar unter http://www.heise.de/tp/blogs/ 8/ 144 032 (abgerufen am 1. 4. 2012); Vi­deobeobachtung an der „Wildschweinkirrung“, HessLT­Drucks. 18/2942 v. 28. 9. 2010, S. 22, Ziff. 13.1.

2) Siehe Fußn. 1.3) HessLT­Drs. 18/2942 (Fn. 1). Die Zuständigkeit ist zwischenzeit­

lich auf den Hessischen Datenschutzbeauftragten übergegangen, der als unabhängige Oberste Landesbehörde seinen Sitz in Wies­baden hat.

4) http://www.vegaoptics.de/Funktion­und­Auf bau­einer­Wild­kamera_i29_x4.htm (abgerufen am 1. 4. 2012).

5) http://www.vegaoptics.de/Funktion­und­Auf bau­einer­Wild­kamera_i29_x4.htm (abgerufen am 1. 4. 2012).

6) Vgl. Gwozdek, Lexikon der Videoüberwachung, 3. Aufl., 2002, S. 32.

7) Vahle, DVP 2006, 365; Rehbock, Medien­ und Presserecht, 2. Aufl., 2011, § 1, Rdnr. 142.

8) BAG, Beschl. v. 26. 8. 2008 – 1 ABR 16/07, NZA 2008, 1187, 1189.

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deoüberwachung stellt für den Gefilmten einen besonders schwerwiegenden Eingriff in sein durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistetes allgemeines Persönlich­keitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informatio­nellen Selbstbestimmung dar. 9 Liegt eine rechtswidrige Vi­deoüberwachung vor, können Abwehrrechte aus §§ 823, 1004 BGB geltend gemacht werden, wonach die Beobach­tung zu unterlassen und die Videokamera zu beseitigen ist. 10 Ferner kann der Gefilmte gemäß §§ 6 b Abs. 5, 35 Abs. 2 BDSG die Löschung der betreffenden Aufnahmen verlan­gen. 11 Fraglich ist nun, ob der Einsatz von Wildkameras im Wald mit dem geltenden Datenschutzrecht vereinbar ist. Wäre das nicht der Fall, würde sich derjenige, der trotzdem eine Wildkamera im Wald einsetzt, gegenüber dem (zufäl­lig) gefilmten Waldbesucher anspruchspflichtig machen.

1. Ausnahme nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG

Das BDSG findet auf nicht­öffentliche Stellen keine Anwen­dung, wenn sie personenbezogene Daten ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erheben, verarbeiten oder nutzen, § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG. Gemäß § 2 Abs. 4 S. 1 BDSG sind nicht­öffentliche Stellen alle natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts, sofern sie keine öf­fentlichen Aufgaben wahrnehmen. Bei Jägern handelt es sich um Privatpersonen. Allerdings können auch Private hoheit­lich handeln, wenn und soweit ihnen hoheitliche Befugnisse verliehen sind. Solche so genannten Beliehenen sind Jagd­aufseher i. S. von § 25 Abs. 2 BJagdG, 12 nicht die sonstigen Jäger. Sollten mit dem Wildkameraeinsatz hoheitliche Auf­gaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden, sind diese Jagdaufseher öffentliche Stellen gemäß § 2 Abs. 4 S. 2 BDSG, sodass dann § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine An­wendung findet. Personenbezogene Daten nach § 3 Abs. 1 BDSG sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. Bei der Videoüberwachung mittels Wildkamera handelt es sich um die Erhebung personenbezogener Daten i. S. des § 3 Abs. 1 BDSG. 13 Fraglich ist, ob der Einsatz von Wildkameras ausschließlich persönlichen oder familiären Tätigkeiten zu­zuordnen ist. Die Regelung grenzt die persönliche Lebens­führung ab von der beruflichen und geschäftlichen Sphäre. 14 Zu den typischen persönlich­familiären Bereichen gehören beispielsweise Freizeit und Sport und die dazugehörige Da­tenverarbeitung von Adressen, Kontaktdaten, Bildern usw. Mit der Videoüberwachung im Jagdbezirk soll die Wild­beobachtung, die Dokumentation des Wildes und schließ­lich die Jagd erleichtert werden. Ob die Jagd und der damit verbundene Wildkameraeinsatz eine bloße Freizeitaktivität (Hobby) ist oder nach Form und Umfang geschäftliche Züge annimmt durch Vergabe entgeltlicher Jagderlaubnisscheine, Verkauf des Wildbrets oder entgeltliche Tätigkeit als Jagd­führer, richtet sich nach der Verkehrsanschauung und dem jeweiligen Einzelfall. Da der betroffene Personenkreis – un­beabsichtigt gefilmter Erholungssuchender – einen persön­lichen oder familiären Zweck in Gestalt der Jagdausübung nicht widerspiegelt, wird der privilegierte Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG mit dem Einsatz der Wildkamera au­genscheinlich überschritten. Personenbezogene Daten bzw. Bildaufzeichnungen von Dritten, die mit der Jagd nichts zu tun haben, unterliegen dem Schutz des BDSG. Das BDSG ist somit vom Jäger als Kameraaufsteller zu beachten.

2. Einwilligung nach §§ 4, 4a BDSG

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbe­zogener Daten ist auch ohne gesetzliche Regelung zuläs­sig, wenn der Betroffene gemäß §§ 4 Abs. 1, 4a Abs. 1 S. 1 BDSG eingewilligt hat. Es ist jedoch nicht davon auszuge­hen, dass der Erholungssuchende damit einverstanden ist, im Wald (heimlich) gefilmt zu werden. Selbst aus dem Um­stand, dass der Betroffene in Kenntnis der Überwachung in

den Wald geht, lässt sich keine generelle Einwilligung ab­leiten. 15 Von daher bedarf es einer gesetzlichen Regelung, die den Einsatz der Wildkamera rechtfertigt.

3. Regelung nach § 6 b BDSG

Nach § 6 b Abs. 1 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zu­gänglicher Räume mit optisch­elektronischen Einrichtun­gen nur zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffent­licher Stellen (Nr. 1), zur Wahrnehmung des Hausrechts (Nr. 2) oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke (Nr. 3) erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Inte­ressen der Betroffenen überwiegen. Die genannten drei zulässigen Überwachungsgründe sind abschließend. 16 Da im hessischen Datenschutzgesetz keine Regelung zur Vi­deoüberwachung aufgenommen wurde, 17 könnte im vor­liegenden Fall § 6 b BDSG einschlägig sein.

a) Öffentlich zugänglicher Raum

§ 6 b Abs. 1 BDSG setzt zunächst voraus, dass die Beobach­tung in einem „öffentlich zugänglichen Raum“ stattfindet. Mit „Raum“ ist ein Bereich gemeint, der weder baulich umschlossen noch überdacht sein muss. 18 Unerheblich sind auch die Eigentumsverhältnisse des Beobachtungsobjekts, relevant ist dagegen die durch den Berechtigten eröffnete tatsächliche Nutzungsmöglichkeit der Allgemeinheit, also eines unbestimmten Personenkreises. 19 Abgesperrte Berei­che, deren Betreten verboten ist, sind nicht Regelungsge­genstand. 20 Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 BWaldG, § 24 Abs. 1 S. 1 HessForstG ist das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung in der freien Natur gestattet. Voraussetzung für das Betreten des Waldes abseits der Wege ist das Vor­liegen eines Erholungszwecks, der nicht zu einer systema­tischen Störung der Jagdausübung führen darf. 21 Bei ein­zelnen Spaziergängern, Pilzsammlern, Crossläufern etc. ist im Regelfall von deren Erholungsabsicht auszugehen. 22 Sofern nicht ausdrücklich erlaubt, ist dagegen das Reiten

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9) BGH, Urt. v. 16. 3. 2010 – VI ZR 176/09; NJW 2010, 1533 (Rdnr. 11 m. w. N.); bezogen auf Arbeitnehmer z. B. LAG Hes­sen, Urt. v. 25. 10. 2010 – 7 Sa 1586/09, BeckRS 2011, 68 499; Seifert, DuD 2011, 98, 108; bezogen auf Mieter z. B. Schaefer, SchAZtg 2008, 169, 170.

10) Etwa LG Berlin, Urt. v. 22. 8. 1986 – 8 O 197/85, NJW 1988, 346; Horst, NJW 2009, 1787 m. w. N.; Di Fabio, in: Maunz/Dü­rig, GG, 63. Erg.Lfg., 2011, Art. 2, Rdnr. 195 m. w. N.

11) Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 343.12) Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., 2010, § 40, Rdnr. 89.13) Vgl. VG Osnabrück, Urt. v. 1. 6. 2005 – 6 A 17/04, BeckRS 2006,

21 198.14) Dammann, in: Simitis, BDSG, 7. Aufl., 2011, § 1, Rdnr. 149.15) Vgl. Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus, BDSG, 10. Aufl.,

2010, § 6 b, Rdnr. 22.16) Byers, Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz unter besonderer

Berücksichtigung des neuen § 32 BDSG, 2011, S. 83 m. w. N.; vgl. Hilpert, RDV 2009, 160, 161.

17) Vgl. Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 34. Das LDSG gilt nur für öffentliche Stellen und nicht­öffentliche Stellen, soweit sie hoheitliche Aufgaben wahrnehmen.

18) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 8; Scholz, in: Simitis (Fn. 14), § 6 b, Rdnr. 43.

19) Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, 36. Ergänzungslieferung, 2008, § 6 b, Rdnr. 22; Hilpert, RDV 2009, 160, 161.

20) Hilpert, RDV 2009, 160, 161.21) Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21. 10. 1987 – 9 U 59/87, NJW­RR

1988, 526, 527.22) Eine darüber hinausgehende Benutzung des Waldes durch or­

ganisierte, teilweise gewerbliche Veranstaltungen wie Survi­val­Games oder eine GPS­Schnitzeljagd (sog. Geo­Catching) ist von dem allgemeinen Waldbetretungsrecht nicht mehr ge­deckt. Hierfür bedarf es der Einwilligung des Waldbesitzers bzw. Jagdausübungsberechtigten, vgl. Orf, Berichte Freiburger Forst­liche Forschung, Heft 67, 2005, S. 27.

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und Radfahren nur auf Straßen und Wegen zulässig. Der Jagdpächter bzw. Jagdausübungsberechtigte ist zum Betre­ten aller bejagbaren Grundflächen des Jagdbezirks berech­tigt. Sein Betretungsrecht umfasst im Rahmen der Jagdaus­übung jede einzelne Waldfläche und ist daher weitergehend als das allgemeine Betretungsrecht des Erholungssuchen­den. 23 Beim Wald handelt es sich demzufolge regelmä­ßig um einen öffentlich zugänglichen Raum i. S. des § 6 b Abs. 1 BDSG. 24

Fraglich ist, ob selbst dann der Wald oder ein Bereich des Waldes als „öffentlich zugänglicher Raum“ zu qualifizie­ren ist, wenn für Erholungssuchende ein Betretungsver­bot i. S. des § 14 Abs. 1 BWaldG i. V. m. § 24 Abs. 3 Hess­ForstG besteht. Vom Betreten des Waldes ausgenommen sind beispielsweise gemäß § 24 Abs. 3 Nr. 3 HessForstG jagd(betrieb)liche Einrichtungen i. S. des § 22 Abs. 1 S. 1 HessJagdG, wozu neben Jagdhütten, Hochsitze, Wildfütte­rungseinrichtungen und ­plätze 25 insbesondere auch Salz­lecken, (künstlich angelegte) Suhlen, Fallen und (fahrbare) Ansitze zählen. 26 Es handelt sich somit um künstlich ge­schaffene Reviereinrichtungen zur Verbesserung von Hege und Jagd. 27 Das Anbringen eines Hinweisschilds (z. B. „Jagdeinrichtung – Betreten verboten“) ist nicht notwen­dig. Keine jagd(betrieb)lichen Einrichtungen sind dagegen Pirschpfade oder Wildeinstandsgebiete; 28 jedoch unterlie­gen Wildruhezonen und Wildschutzgebiete nach §§ 24, 25 HessJagdG einem eingeschränkten Betretungsverbot. 29 Auch die Wildkamera ist keine künstlich geschaffene und folglich keine jagd(betrieb)liche Einrichtung, sondern ein Ausrüstungsgegenstand wie etwa ein Fernglas. Da die Wildkamera hauptsächlich an Kirrungen eingesetzt wird, könnte dort, im unmittelbaren Bereich der Kamera, ein Betretungsverbot für Erholungssuchende herrschen, wenn zumindest die Kirrung unter die jagd(betrieb)liche Ein­richtung i. S. des § 22 Abs. 1 S. 1 HessJagdG fällt. Gemäß § 30 Abs. 8 S. 1 HessJagdG sind Kirrungen Fütterungen zur Bejagung des Schwarzwildes, die der Unteren Jagdbe­hörde anzuzeigen sind. Die Sorte und maximale Menge des Lockfutters ist vorgeschrieben. Das Futter ist außer­halb von Fütterungsanlagen auf dem Boden auszubringen und soll mit örtlich vorhandenen natürlichen Materialien abgedeckt werden. 30 Dies spricht an sich gegen eine künst­lich geschaffene Reviereinrichtung. Schuck zählt zu den Revier­ und demnach zu den jagd(betrieb)lichen Einrich­tungen neben Fütterungen und Hochsitzen auch Kirrun­gen. 31 Dem ist zuzustimmen, da für die Kirrung oftmals mittelschwere Holzklötze oder ­deckel oder Ähnliches an­gefertigt werden, um das Lockfutter ordnungsgemäß ab­decken zu können. Schließlich darf dass Kirrgut nur dem Schwarzwild und keinem anderen Wild zugänglich sein. Örtlich vorhandene natürliche Materialien reichen hier­für nicht immer aus, sodass einfache bauliche Maßnahmen zu ergreifen sind. Die Fläche, auf der gekirrt wird, ist an­hand der Klötze, dem aufgewühlten Boden (sog. Gebräch) und den vom Schwarzwild hinterlassenen Fährten selbst für den jagdlichen Laien als „Fütterungsstelle“ erkennbar. Da die Kirrung zur Bejagung des Schwarzwildes dient, ist in der Nähe regelmäßig ein Hoch­ oder Erdsitz, der dem Er­holungssuchenden anzeigt, dass in diesem Bereich die Jagd ausgeübt wird. Von einem öffentlich zugänglichen Raum ist in diesem Bereich des Waldes daher nicht auszugehen. In Hessen ist nach § 23 Abs. 9 S. 1 HessJagdG untersagt, unberechtigt die befestigten Wege im Wald zur Nacht­zeit zu verlassen. 32 Mit dieser im Jahr 2011 ins HessJagdG aufgenommenen Regelung soll sichergestellt werden, dass sich das Wild zur Nachtzeit insbesondere zur Nahrungs­aufnahme in seinen Lebensräumen ungestört bewegen kann. 33 Da das unberechtigte Verlassen des befestigten We­ges nachts den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 42 Abs. 1 Nr. 10 lit. h) HessJagdG erfüllt, kann der Wald in Hessen zur Nachtzeit insgesamt kein öffentlich zugäng­licher Raum sein.

Jagd(betrieb)liche Einrichtungen, zu denen u. a. auch Hochsitze und Kirrungen zählen, sind vom Betretungs­recht gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 BWaldG, § 24 Abs. 1 S. 1 HessForstG ausgenommen und keine öffentlich zugängli­che Räume i. S. des § 6 b Abs. 1 BDSG. Das gilt sogar für den gesamten hessischen Wald abseits der Wege zur Nacht­zeit, sofern es keine örtliche Ausnahmeregelung gibt. Für nicht­öffentlich zugängliche Räume ist § 6 b BDSG nicht anwendbar. In diesem Bereich finden Wildkameras aber vornehmlich ihren Einsatz. Fraglich ist, nach welchen Vor­schriften der Einsatz von Kameras bei jagd(betrieb)lichen Einrichtungen, die auch nur auf diesen engen Bereich fo­kussiert sind, zu beurteilen ist (siehe unten Ziff. 4 f.). – Im Folgenden bleibt es bei der Anwendbarkeit des § 6 b BDSG, wenn nämlich die Wildkamera nicht nur den engen Be­reich der Kirrung überwacht, sondern darüber hinausge­hende Flächen, Wege und Pfade, 34 die von Waldbesuchern uneingeschränkt frequentiert werden dürfen.

b) Beobachtung mit optisch­elektronischer Einrichtung

Die Wildkamera ist ebenso wie die Webcam oder die Über­wachungskamera im Kaufhaus eine „optisch­elektronische Einrichtung“. 35 Beobachtung i. S. des § 6 b Abs. 1 BDSG ist jede für eine gewisse Dauer vorgenommene optische Wahrnehmung, nicht aber die einmalige Bildaufnahme einer Örtlichkeit. 36 Die spezifische Qualität der Beobach­tung mithilfe der Videotechnik besteht darin, dass die Auf­nahmen aufgezeichnet oder zumindest ausgewertet werden können. 37 Eine Unterscheidung zwischen „Beobachtung“ und „Überwachung“ wird im BDSG nicht vorgenommen, vielmehr stellt die Beobachtung mit optisch­elektroni­schen Einrichtungen eine (Video)Überwachung dar. Auch der Zweck der Beobachtung – hier: Dokumentation des Wildes, dass die Kirrung aufsucht – ist nicht maßgeblich, wenn die Möglichkeit besteht, das Personen im Fokus ste­hen können. Das bedeutet, selbst wenn die Wildkamera so eingestellt ist, dass sie nur einzelne Bilder von dem sich im Erfassungsbereich aufhaltenden Objekt macht, handelt es sich hierbei um Aufzeichnungen, die vom Kameraaufsteller ( Jäger) gesichtet bzw. ausgewertet werden. Der Wildkame­raeinsatz ist ferner von gewisser Dauer, da die Kamera meh­rere Stunden oder gar Tage einen Bereich punktuell über­wacht. Wenn die Bilder jedoch so gering aufgelöst werden,

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23) Schuck, in: Schuck (Hrsg.), BJagdG, 2010, § 1, Rdnr. 10, § 3 Rdnr. 19; vgl. Mitzschke/Schäfer, BJagdG, 4. Aufl., 1982, § 33, Rdnr. 1 f.

24) So auch Bergmann/Möhrle/Herb (Fn. 19), § 6 b, Rdnr. 25.25) Klose/Orf, Forstrecht, 2. Aufl., 1998, § 14 BWaldG, Rdnr. 83.26) Kopp/Tausch/Boettcher, Das Jagdrecht in Hessen, 9. Aufl., 2010,

§ 22 HessJagdG, Rdnr. 2; weitere Beispiele in Tausch, Jagdrecht Hessen, 1. Aufl., 2010, Rdnr. 211 und in Stinglewagner/Haseder, Das große Kosmos Jagdlexikon, 2010, S. 330 ff.

27) Stinglewagner/Haseder (Fn. 26), S. 330.28) Klose/Orf, Forstrecht (Fn. 25), § 14 BWaldG, Rdnr. 83.29) Das Betretungsrecht beschränkt sich auf die Wege. Zudem ist

das Beunruhigen und Aufsuchen von Wild in den Einstands­gebieten gemäß § 19 a BJagdG verboten. Die vorsätzliche Zuwi­derhandlung ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 BJagdG.

30) Vgl. Rose, Jagdrecht in Niedersachsen, 31. Aufl., 2010, § 33 NJagdG, Ziff. 33.1.

31) Schuck, in: Schuck (Fn. 23), § 3, Rdnr. 19.32) Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 4 BJagdG gilt als Nachtzeit die Zeit von

eineinhalb Stunden nach Sonnenuntergang bis eineinhalb Stun­den vor Sonnenaufgang.

33) Meixner, Das Jagdrecht in Hessen, 19. Nachlieferung, 2011, § 23 HessJagdG, Rdnr. 15.

34) Z. B. einen Wildwechsel.35) Zum Merkmal eines optisch­elektronischen Verfahrens siehe

Scholz, in: Simitis (Fn. 14), § 6 b, Rdnr. 38.36) Hilpert, RDV 2009, 160, 161.37) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 10.

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dass die Personen nicht identifizierbar sind und lediglich zwischen Mensch, Schwarzwild, Rotwild usw. unterschie­den werden kann, ist das Tatbestandsmerkmal der Beob­achtung nicht erfüllt. 38 Die aufgenommene Person ist dann nicht erkennbar, wenn die Kamera aufgrund des Einstel­lungswinkels nur deren Beine aufnimmt oder die Person zwar noch im Erfassungsbereich der Kamera, aber für eine scharfe Aufnahme dennoch zu weit entfernt ist. Es dürfen jedenfalls keine Rückschlüsse auf deren Identität möglich sein. 39

c) Zweck der Beobachtung

Die Beobachtung in öffentlich zugänglichen Räumen ist nach § 6 b Abs. 1 Nr. 1–3 BDSG nur zulässig, soweit sie zur Erreichung der drei abschließend genannten Zwecke er­forderlich ist und keine Anhaltspunkte für überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen bestehen.

aa) Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen

Der Erlaubnisgrund nach § 6 b Abs. 1 Nr. 1 BDSG setzt zu­nächst eine öffentliche Stelle gemäß § 2 Abs. 1, 2 BDSG vo­raus. Im gegenständlichen Fall geht es um den Wildkame­raeinsatz durch private Jäger, die nicht als Beliehene tätig werden und demnach nicht­öffentliche Stellen i. S. von § 2 Abs. 4 S. 1 BDSG sind. § 6 b Abs. 1 Nr. 1 BDSG bleibt da­her außer Betracht. 40

bb) Wahrnehmung des Hausrechts

Gemäß § 6 b Abs. 1 Nr. 2 BDSG ist die Beobachtung mit optisch­elektronischen Einrichtungen zur Wahrnehmung des Hausrechts zulässig. Ein solches Recht besitzt, wer über die Benutzung des geschützten befriedeten Raums verfü­gen darf wie etwa der Eigentümer oder der Pächter. 41 Frag­lich ist, ob dem Jagdausübungsberechtigten in seinem Jagd­bezirk ein solches Hausrecht zusteht, da der Wald als solcher keinen geschützten befriedeten Bereich darstellt. Vornehm­licher Zweck des Hausrechts ist außerdem der Besitzschutz und somit die Gefahrenvorbeugung sowie Gefahrenab­wehr (Verteidigung des Hausfriedens). 42 Die Videoüber­wachung zum Zwecke der Wilddokumentation wird dem­zufolge nicht vom Hausrechtsbegriff gedeckt.

cc) Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke

Letztendlich kann nach § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG die Video­überwachung zulässig sein, wenn im Einzelfall ein berech­tigtes Interesse für konkret festgelegte Zwecke vorliegt. Das bedeutet, der Jäger hat nachzuweisen, welche berech­tigten Interessen einen Wildkameraeinsatz erfordern. Als berechtigtes Interesse gilt jedes objektiv begründbares Inte­resse wirtschaftlicher, rechtlicher oder ideeller Natur. 43 Die Wahrnehmung berechtigter Interessen ist nur dann erfüllt, wenn die Videoüberwachung nicht selber den Haupt­ oder einen wesentlichen Nebengrund der Geschäftstätigkeit dar­stellt. 44 Angenommen wird ein berechtigtes Interesse bei­spielsweise hinsichtlich der Überwachung zum Zwecke der Gefahrenabwehr, zur Kontrolle von Betriebsmaschinen 45 oder im Rahmen eines Forschungsprojekts. 46 Darüber hi­naus kann jedes von der Rechtsordnung gebilligte Interesse i. S. des § 6 b Abs. 1 bzw. § 28 Abs. 1 BDSG „berechtigt“ sein. 47 Manch ein Jäger möchte den Wildbestand in seinem Jagdbezirk auch abseits von jagd(betrieb)lichen Einrichtun­gen möglichst genau kennen und dokumentieren, wozu er Wildkameras an Wildwechseln oder Stellen platziert, die vom Wild regelmäßig aufgesucht werden. Die Suche nach krankem Wild kann ebenfalls mit der Videoüberwachung bezweckt werden. Zwar dient der Einsatz der Wildkamera durch den Jäger der Tierbeobachtung, nicht aber der For­schung. Die Videobeobachtung soll bei der Abschusspla­nung helfen. Ziel und wesentlicher Zweck des Wildkame­raeinsatzes ist somit eine möglichst genaue Dokumentation des Wildbestandes sowie eine bessere, effektivere Abschuss­

planung. Dieser konkrete Beobachtungszweck (berechtig­tes Interesse) muss vor Beginn der Videoüberwachung fest­gelegt werden.

d) Erforderlichkeit

Die Videoüberwachung und somit der Einsatz der Wildka­mera muss abseits von jagd(betrieb)lichen Einrichtungen er­forderlich sein. Das ist der Fall, wenn die Videoüberwachung geeignet ist, das festgelegte Ziel zu erreichen und es keine milderen, ebenfalls geeigneten Mittel gibt. 48 Durch eine In­frarot­Kamera kann tags wie nachts Wild aufgenommen werden, dass an der Kamera vorbeizieht. In aller Ruhe kön­nen die Bilder daheim ausgewertet und das Wild bestimmt werden, sodass der Zweck der Dokumentation und der Ab­schussplanung durch den Kameraeinsatz ohne Zweifel er­reicht wird. Es gibt allerdings mildere Maßnahmen als den Einsatz von Wildkameras im allgemein frei zugänglichen Wald, wo die Gefahr besteht, dass arglose Pilzsammler etc. gefilmt werden. Gang und gäbe ist, dass der Jäger durch re­gulären Ansitz mithilfe eines Fernglases oder Nachtsichtge­rätes selbst das Wild beobachtet und sich so einen Überblick über den Bestand verschafft. Im Einzelfall stellt der Ansitz aber keine objektiv zumutbare Alternative zur Videobeob­achtung an einer Kirrung dar. Der Jäger erhält durch die digi­talen Bildaufnahmen präzise Kenntnisse über den (Schwarz)Wildbestand in seinem Jagdbezirk, die er durch einzelne, zeitlich begrenzte persönliche Beobachtungen so nicht be­käme. Wie die Kirrung selbst, trägt auch die Wildkamera zur Abschusserfüllung und zur Senkung des Jagddrucks bei. Da es derzeit technisch nicht möglich ist, eine von der Wild­kamera erfasste Person automatisch zu anonymisieren, ohne dass die Wildaufnahmen ebenfalls undeutlich werden, ist – abhängig vom konkreten Einzelfall – eine Alternative zur Videoüberwachung an Kirrungen nicht anzunehmen. Den­noch muss der Jäger ausreichend begründen, warum die Vi­deoüberwachung eines frei zugänglichen Bereichs im Inte­resse der Jagd sein soll. Eine Wildkamera kann den Ansitz ergänzen, aber auch nur dort, wo ihr Einsatz nicht mit recht­mäßigen Interessen von Erholungssuchenden kollidiert. In­sofern kann die Erforderlichkeit lediglich dann angenom­men werden, wenn etwa der Tierschutz betroffen ist und es um das zeitnahe Aufsuchen von schwerkrankem Wild geht.

e) Interessenabwägung

Wird die Erforderlichkeit für den Kameraeinsatz tagsüber im frei zugänglichen Wald bejaht, ist die Videoüberwa­chung dennoch unzulässig, wenn das entgegenstehende schutzwürdige Interesse des Betroffenen (Gefilmten) überwiegt (§ 6 b Abs. 3 S. 1 BDSG). Gibt es bereits An­haltspunkte, nach denen ein Überwiegen dieser Interessen nicht ausgeräumt werden kann, darf eine Überwachung nicht vorgenommen werden. 49 Wie anfangs erwähnt,

Dienstbühl, Der Einsatz von „Wildkameras“ durch Privatpersonen

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38) HessLT­Drs. 18/2942 (Fn. 1), S. 22, Ziff. 13.1 a. E.39) Vgl. LG Bonn, Urt. v. 16. 11. 2004 – 8 S 139/04, NJW­RR 2005,

1067, 1068.40) In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass nach § 14 HSOG

die Polizei­ bzw. Gefahrenabwehrbehörden in einem genau defi­nierten Raum die Videoüberwachung zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung vornehmen dürfen.

41) Fischer, StGB, 59. Aufl., 2012, § 123, Rdnr. 3.42) Vgl. Ziegler, DuD 2003, 337, 338 f.43) BT­Drs. 14/5793, S. 61; Scholz, in: Simitis (Fn. 14), § 6 b, Rdnr. 78;

die zu § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG entwickelten Grundsätze können herangezogen werden.

44) Weichert, DuD 2000, 662, 667.45) Byers (Fn. 16), S. 86 m. w. N.46) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 18.47) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 28, Rdnr. 24.48) Hilpert, RDV 2009, 160, 163 m. w. N.49) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 19;

Scholz, in: Simitis (Fn. 14), § 6 b, Rdnr. 92; Bergmann/Möhrle/Herb (Fn. 19), § 6 b, Rdnr. 29.

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greift eine Videoüberwachung in das allgemeine Persön­lichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein. 50 Die­ses verfassungsmäßige Recht auf informationelle Selbstbe­stimmung verbürgt das Recht des Einzelnen, sich in der Öffentlichkeit frei und ungezwungen zu bewegen, ohne dabei befürchten zu müssen, ungewollt zum Gegenstand einer Videoüberwachung gemacht zu werden. 51 Der Wald wird von vielen Menschen als eine Erholungsstätte abseits der technischen Zivilisation geschätzt. Er dient dem Er­holungssuchenden zur Entfaltung seiner Persönlichkeit und zugleich als Rückzugsgebiet, wo er sich unbeobach­tet entspannen möchte. Somit rechnet der Erholungssu­chende nicht damit, dass er während des Durchstreifens des Waldes gefilmt wird. Zwar ist die Intensität der Vi­deoüberwachung mittels Wildkamera nicht vergleichbar mit der Dauerüberwachung in Geschäften, Banken oder von öffentlichen Plätzen. Dennoch besteht ein Risiko, in das Blickfeld einer Wildkamera zu gelangen, die inmit­ten des frei begehbaren Waldes aufgestellt wurde. Wenn das schutzwürdige Interesses des betretungsberechtigten Waldbesuchers schon gegenüber dem Interesse am offenen Kameraeinsatz überwiegt, ist der heimliche Kameraein­satz erst recht unzulässig (argumentum a fortiori). 52 Selbst unter dem Deckmantel des Tierschutzes kann der Wild­kameraeinsatz das Persönlichkeitsrecht des Erholungssu­chenden nicht aushebeln, solange ihm ein Betretungsrecht der videoüberwachten Fläche zusteht. In solchen Fällen kann die Interessenabwägung nur zu Gunsten des Betrof­fenen ausfallen.

4. Regelung nach § 6 b BDSG analog

Zu prüfen ist, ob der Einsatz der Wildkamera im unmittel­baren Bereich von jagdlichen Einrichtungen, also dort, wo ein Betretungsverbot für Erholungssuchende gilt, zulässig ist. Eine analoge Anwendung des § 6 b BDSG für nicht­öf­fentlich zugängliche Räume kommt nicht in Betracht, da der Gesetzgeber solche Räume bewusst nicht in § 6 b BDSG aufgenommen hat. 53 Es fehlt an einer planwidrigen Rege­lungslücke.

5. Regelung nach § 28 BDSG

Nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG ist eine Erhebung, Spei­cherung, Veränderung oder Übermittlung personenbezo­gener Daten zur Erfüllung eigener Geschäftszwecke zuläs­sig, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist. Es darf kein Grund zur Annahme bestehen, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Wie schon dargetan, handelt es sich bei der Videoüberwachung um die Erhebung personenbe­zogener Daten (siehe oben Ziff. 1).

a) Erfüllung eigener Geschäftszwecke

§ 28 Abs. 1 BDSG bezieht sich auf Daten für eigene Ge­schäftszwecke. Gemeint sind hiermit Datenverarbeitun­gen, die als Hilfsmittel zur Erfüllung bestimmter anderer, eigener Zwecke erfolgen. 54 Die Datenverarbeitung dient folglich als Mittel zum Zweck, also zur Erreichung eines (Geschäfts)Zwecks. Demnach ist der Begriff „Geschäfts­zwecke“ weit auszulegen und beinhaltet auch Sachverhalte, die keine vertraglichen Beziehungen, sondern die eine Da­tenverarbeitung in der Privatsphäre betreffen können. Hier geht es um private Wildaufnahmen aus dem eigenen Jagd­bezirk für die Jagdplanung, mithin um die Erreichung eines (Geschäfts)Zwecks.

b) Berechtigtes Interesse und Erforderlichkeit

Wie bereits unter Ziff. 3 c cc) festgestellt, ist das berech­tigte Interesse des Jägers am Wildkameraeinsatz im Wald

anzunehmen. Wurde die Erforderlichkeit der Wildka­mera im frei zugänglichen Wald unter Ziff. 3 d lediglich für den Einzel­ bzw. Ausnahmefall bejaht (z. B. aus Grün­den des Tierschutzes), ist bei einem für Dritte nicht zu­gänglichen Waldbereich ein großzügigerer Beurteilungs­maßstab heranzuziehen. So kann für die Senkung des Jagddrucks der Wildkameraeinsatz an einer Kirrung er­forderlich sein.

c) Schutzwürdige Interessen des Betroffenen

Im Rahmen einer Abwägung ist zu prüfen, ob schutzwür­dige Interessen des Betroffen überwiegen und dem Kame­raeinsatz somit entgegenstehen. Die Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte beein­trächtigt das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten. Generell ist aller­dings nicht schutzwürdig, wer gegen öffentlich­rechtliche Pflichten verstößt oder mit seinem Verhalten einen Buß­geldtatbestand verwirklicht. 55 Eine Bußgeldfolge für die unberechtigte Nutzung einer jagd(betrieb)lichen Einrich­tung ist dem BJagdG oder dem HessJagdG nicht zu ent­nehmen. Wenn der betroffene Erholungssuchende eine für ihn erkennbare jagd(betrieb)liche Einrichtung wie etwa einen Hochsitz unerlaubt benutzt oder eine Kirrung un­erlaubt betritt, ist jedoch das Verhalten zivilrechtlich als Besitzstörung zu werten und somit rechtswidrig. Dem Jagdausübungsberechtigten stehen insoweit die Abwehr­rechte des § 1004 BGB und das Selbsthilferecht nach § 859 BGB zu. Die Betretung jagd(betrieb)licher Einrichtungen wie auch das gezielte Aufsuchen von Brunftplätzen kann allerdings zu einer rechtswidrigen Störung der Jagdaus­übung führen. 56 Die unzulässige und vermeidbare Stö­rung der Jagdausübung wird nach §§ 18 Abs. 3, 42 Abs. 1 Nr. 7, 2 HessJagdG mit einer Geldbuße bis 25 000 € ge­ahndet. Ebenso ist das Betreten des Waldes zur Nachtzeit gemäß §§ 23 Abs. 9, 42 Abs. 1 Nr. 10 lit. h), 2 HessJagdG eine Ordnungswidrigkeit. Somit kann im Einzelfall durch das Aufsuchen der Kirrung ein Bußgeldtatbestand ver­wirklicht werden. Das unberechtigte Betreten bzw. Auf­suchen von jagd(betrieb)lichen Einrichtungen ist dagegen stets rechtswidrig, sodass das Verhalten des Erholungssu­chenden nicht schutzwürdig sein kann. Jagd(betrieb)liche Einrichtungen können mit einem Privatgrundstück vergli­chen werden, auf dem der Eigentümer generell nach Belie­ben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschlie­ßen kann (vgl. § 903 BGB).

Der Kameraeinsatz in nicht­öffentlich zugänglichen Räumen ist Betätigung grundrechtlicher Freiheit. 57 Bei der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück muss der Eigentümer, Pächter oder Mieter jedoch sicherstel­len, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von der Kamera erfasst wird. 58 Ent­sprechend kann der Jagdpächter mit seinen jagd(betrieb)lichen Einrichtungen verfahren. Die dort angebrachte Wildkamera darf ebenfalls keine Aufzeichnungen außer­halb der Grenzen des Kirrplatzes machen. Die private Le­

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50) BGH, Urt. v. 16. 3. 2010 – VI ZR 176/09; NJW 2010, 1533 (Tz. 11 m. w. N.); vgl. Fn. 9.

51) AG Hamburg, Urt. v. 22. 4. 2008 – 4 C 134/08; BeckRS 2008, 24 175.

52) Unabhängig von der Hinweispflicht nach § 6 b Abs. 2 BDSG.53) Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 336.54) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 28, Rdnr. 4.55) Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, 41. Erg.Lfg., 2010, § 28,

Rdnr. 237. 56) Vgl. Schuck, in: Schuck (Hrsg.) (Fn. 23), § 1, Rdnr. 10; Mitzschke/

Schäfer (Fn. 23), § 1, Rdnr. 43.57) Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 336.58) BGH, Urt. v. 16. 3. 2010 – VI ZR 176/09; NJW 2010, 1533

(Rdnr. 11).

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bensgestaltung des Erholungssuchenden wird durch den punktuellen Einsatz einer Wildkamera nicht beschnitten, da er im Wald weiterhin nicht mit einer Videoüberwa­chung zu rechnen braucht. Ausnahme sind lediglich die für ihn erkennbaren jagd(betrieb)lichen Einrichtungen, Wildruhezonen und Wildschutzgebiete, für deren Be­tretung es im Regelfall keinen rechtfertigenden Grund gibt. Der BGH hat festgestellt, dass allein die hypothe­tische Möglichkeit einer Videoüberwachung das allge­meine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch be­troffen sein könnten, nicht beeinträchtigt. 59 Schließlich dienen dem Jäger die aus der Videoüberwachung erhalte­nen Daten bzw. Aufnahmen nicht der Beobachtung von Personen, sondern von Wild. Aufnahmen von zufällig aufgenommenen Pilzsammlern sind vom Zweck der Da­tenerhebung nicht gedeckt und müssen daher vom Jäger unverzüglich gelöscht werden. 60 Infolgedessen besteht kein Grund zu der Annahme, dass die schutzwürdigen Interessen des betroffenen Erholungssuchenden, der sich rechtswidrig im unmittelbaren Bereich von jagd(betrieb)lichen Einrichtungen oder in Wildruhezonen aufhält, überwiegen. Zu einer anderen Bewertung gelangt man, wenn die Gefahr besteht, dass betretungsbefugte Waldar­beiter, Forstbeamten oder Jagdgäste ohne ihr Wissen und Wollen gefilmt werden. Gibt es hierfür Anhaltspunkte, ist ein Überwiegen des Überwachungsinteresses abzu­lehnen; der Wildkameraeinsatz wäre dann auch an Kir­rungen – also nicht­öffentlich zugänglichen Räumen – unzulässig.

d) Festlegung des Zwecks

Vergleichbar mit § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG müssen nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG die Zwecke, für die die Daten verar­beitet oder genutzt werden, vor der Speicherung konkret festgelegt werden. Die vorgesehene Zweckbestimmung ist aus Beweissicherungsgründen schriftlich zu dokumentie­ren. § 4 e BDSG zeigt auf, welche Angaben die Dokumen­tation enthalten muss. 61 Es empfiehlt sich, die Dokumen­tation in Form eines Kontrollbuchs zu führen, in dem jede Wildkamera mit aktuellen Angaben hinsichtlich Beobach­tungsort, Beobachtungszeit, Zeitpunkt der Datenauswer­tung usw. eingetragen wird. In einer Revierkarte kann der Einsatz der Wildkamera zusätzlich optisch veranschaulicht werden.

e) Kenntlichmachung der Beobachtung

Fraglich ist, ob die verdeckte Videoüberwachung im un­mittelbaren Bereich jagd(betrieb)licher Einrichtungen ge­mäß § 28 BDSG rechtmäßig ist, oder ob der Jäger auf die Wildkamera hinweisen muss. Während bei der Beobach­tung in öffentlich zugänglichen Räumen die verantwort­liche Stelle nach § 6 b Abs. 2 BDSG auf den Umstand der Beobachtung hinweisen muss, gibt es im § 28 BDSG keine entsprechende Regelung. Der Gesetzgeber hat nicht­öf­fentlich zugängliche Räume bewusst aus dem Anwen­dungsbereich des § 6 b BDSG herausgenommen. 62 Ein Verstoß gegen § 6 b Abs. 2 BDSG wird nicht mit Bußgeld sanktioniert (vgl. § 43 BDSG), sodass bereits fraglich ist, ob die Kenntlichmachung überhaupt eine Rechtmäßigkeits­voraussetzung darstellt. 63 Ein striktes Verbot der heimli­chen Videoüberwachung an nicht­öffentlich zugänglichen Plätzen, wo zudem ein Betretungsverbot herrscht, gibt es schließlich nicht. Die Kenntlichmachung einer Wildka­mera inmitten des Waldes könnte dazu führen, dass sie von zufällig vorbeikommenden Personen entdeckt und wegge­nommen wird. Eine Sicherung der Kamera vor Diebstahl oder Beschädigung dürfte nur schwer möglich sein. Hin­gegen müssen jagd(betrieb)liche Einrichtungen, in deren Bereich die Wildkamera eingesetzt werden soll, auch für jagdunkundige Personen erkennbar sein. Entsprechende Hinweisschilder zum Betretungsverbot sind im Zweifel anzubringen.

IV. Regelungsvorschlag

Es ist zu überlegen, ob eine Ergänzung in das Landesjagd­gesetz aufgenommen werden sollte, in der der Einsatz von Wildkameras geregelt wird. Dabei kann sich an den ge­setzlichen Vorgaben zur Kirrung orientiert werden. Ge­mäß § 30 Abs. 8 S. 2 HessJagdG ist je Jagdbezirk eine Kir­rung, eine weitere je 100 ha angefangener Jagdfläche, in Rotwildgebieten je 250 ha angefangener Jagdfläche zuläs­sig. Ein sparsamer Einsatz von Wildkameras könnte durch eine entsprechende Regelung erreicht werden, indem je Jagdbezirk z. B. bis 300 ha eine Wildkamera im unmittel­baren Bereich von kenntlich gemachten jagd(betrieb)li­chen Einrichtungen (Kirrungen) oder kenntlich gemach­ten Einständen/Wildruhezonen, die abseits von Straßen und Wegen liegen, je weitere 250 ha angefangener Jagdflä­che eine weitere Wildkamera gleichzeitig eingesetzt wer­den darf. Der Kameraeinsatz ist der Unteren Jagdbehörde in bestimmten Abständen anzuzeigen. Neben der Anzahl der Wildkameras ist die Dauer des Kameraeinsatzes zeit­lich und räumlich zu beschränken (maximal ununterbro­chene Videobeobachtung von 48 Stunden). Darüber ist ein Protokoll zu führen. Möchte der Jäger außerhalb von jagd(betrieb)lichen Einrichtungen oder Räumen, in denen ein Betretungsverbot für Erholungssuchende besteht, den Wildbestand in seinem Jagdbezirk erfassen, stehen ihm Al­ternativen zur Videoüberwachung zur Verfügung. Neben dem regulären Ansitz und dem „Ansprechen von Fährten“ gibt es so genannte Wilduhren und Jägerhandys, die dem Jäger zwar keine Bilder oder Einzelheiten zum Wild lie­fern, aber immerhin die Uhrzeit erfassen, wann Wild sich an einer bestimmten Stelle aufgehalten hat.

V. Fazit

Bei dem Einsatz einer Wildkamera im frei begehbaren Wald handelt es sich um eine Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum i. S. von § 6 b BDSG. Aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem be­rechtigten Interesse des Jägers und den schutzwürdigen In­teressen der betroffenen Waldbesucher, ist die Videoüber­wachung im frei zugänglichen Jagdbezirk unzulässig. Das verfassungsmäßige Recht auf informationelle Selbstbestim­mung wird als gewichtiger Anhaltspunkt dafür gesehen, dass das schutzwürdige Interesse der Betroffenen überwiegt. Etwas anderes gilt für die Videoüberwachung in Bereichen des Waldes, die ausschließlich vom Jäger aufgesucht wer­den dürfen und daher einen nicht­öffentlich zugänglichen Raum i. S. von § 28 BDSG darstellen. Neben ausgewiese­nen Wildruhezonen und jagd(betrieb)lichen Einrichtungen wie Kirrungen gehört in Hessen zu den nicht­öffentlich zugänglichen Räumen der gesamte Wald abseits befestigter Wege zur Nachtzeit. Betritt der Waldbesucher diese Be­reiche, handelt er rechtswidrig, sodass er hinsichtlich der Videoüberwachung grundsätzlich nicht schutzwürdig sein kann. Ein sparsamer, regulierter Einsatz der Wildkamera im nicht­öffentlich zugänglichen Raum kann demzufolge zulässig sein, sofern das Betretungsverbot auch für einen Jagdunkundigen erkennbar ist. Schlussendlich stellt sich die Frage, wie viel High Tech im Jagdbezirk, respektive zur Jagdausübung, tatsächlich notwendig ist.

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59) BGH, Urt. v. 16. 3. 2010 – VI ZR 176/09; NJW 2010, 1533 (Rdnr. 14); BGH, Urt. v. 21. 10. 2011 – V ZR 265/10; NJW­RR 2012, 140 (Rdnr. 9).

60) Solche Aufnahmen sind ein unerwünschter Nebeneffekt; dem­zufolge besteht auch kein Interesse an der Verarbeitung bzw. Nutzung der personenbezogenen Erkenntnisse.

61) Muster einer Dokumentation in Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, 27. Erg.Lfg., 2002, Anlage zu § 6b.

62) Byers (Fn. 16), S. 144.63) Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus (Fn. 15), § 6 b, Rdnr. 28.