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Der eiserne Obelisk Ein sprechendes Grabmal am Penzinger Friedhof von Nicolaus Drimmel Vorabdruck aus ADLER 4/2013 The Napoleon Series

Der eiserne Obelisk - Napoleon Series...1 Photodokumentation des Besitzes des Gábor Ugron von Ábránfalva, ehem. k.u. Innenminister und königl. Kommissar für Siebenbürgen, (ca

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  • Der eiserne Obelisk Ein sprechendes Grabmal am Penzinger Friedhof 

    von Nicolaus Drimmel 

    Vorabdruck aus ADLER 4/2013 

    The Napoleon Series

  • Nicolaus Drimmel 

    Der eiserne Obelisk 

    Ein sprechendes Grabmal am Penzinger Friedhof 

    Mein  Interesse  an  der  Familie  Kienmayer  wurde  durch  zwei  Hinweise  in  meiner  Wohngegend genährt.  In Breitensee gibt es eine Kienmayergasse, knapp einen Kilometer Luftlinie davon entfernt erinnert  am  Penzinger  Friedhof  ein wuchtiger  eiserner Obelisk  an den General der Kavallerie und Maria‐Theresienritter Michael Freiherr von Kienmayer.  

    Aus einer ganz anderen Ecke aber  kam ein weiteres Objekt, das,  wie  mir  schien,  in  Zusammenhang  mit  dieser  Familie Kienmayer  zu  bringen  war.  In  der  Dokumentation  eines siebenbürgischen  Familienbesitzes  stieß  ich nämlich  auf den Namen  Kynmair.1  Neben  den  abgelichteten Hochzeitsbechern,  Silbergegenständen  und Magnatenschmuck  fand  sich  die  Abbildung  einer  bestickten Amtstasche,  die  unzweifelhaft  einem  Hofrat  aus  Zeit Maria Theresias  gehörte; mit der Aufschrift  „A Monsieur  / Mnr.  le Bn. Kynmair / Chev. de l´Ordre de S. Etñe / Coñslr. Auliq. Juste / Bienfaisant et Ami Zelé“. 

    Die  Frage  der  Beziehung  zwischen  Gasse,  Grabmal  und  Tasche  war  bald  gelöst.  Der  Straßenzug erinnert an den 1754 geadelten bürgerlichen Handelsmann und Seidenfabrikanten  Johann Michael Kienmayer, der auch die Herrschaft Breitensee erwarb. Beim auf der Tasche adressierten Hofrat und Ritter  des  königlich  ungarischen  St.  Stephansordens  handelt  es  sich  um  (Johann Michael)  Franz Freiherr von Kienmayer.2 Er war Sohn des Erstgenannten und ein ausgezeichneter Hofbeamter, der Vater des späteren Generals. 

    Alle drei Personen fanden am Friedhof von Penzing ihre letzte Ruhe, jedoch ist dort nur der eiserne Obelisk  erhalten  geblieben.  Und  obwohl  die  Ausführung  des  Grabmals  in  Eisen  auf  den Militär hinweist,  findet  man  zumindest  in  der  Wappenzeichnung  Auskunft  über  die  vorangegangenen Generationen  jener Familie. So gibt der Obelisk noch  immer eine  leise Auskunft darüber, dass hier 

    drei  Generationen  im  Dienste  des  Kaisers  bzw. Maria Theresias standen. Sie sind als Handelsmann, Hofrat und General  geradezu  exemplarisch  für  die  wichtigsten Säulen  des Modernisierungs‐  und  Reformwerkes  jener Epoche,  die  den  Namen  Maria  Theresias  trägt:  die Förderung  des Unternehmertums  und  der  allgemeinen Wohlfahrt,  die  Verwaltungsreform  sowie Mehrung  der Bildung und Wissenschaft, und schließlich die Sicherung der  Grenzen  und  Stütze  des  Staates  durch  ein zuverlässiges Militär. 

    Das Grabmal des Generals Kienmayer wurde bis  in die vierziger  Jahre  des  20.  Jahrhunderts  vom  Kapitel  des Maria‐Theresien‐Ordens  instandgehalten und  gepflegt.3 Bevor  dieses  sprechende  Denkmal  durch  Rost 

    unkenntlich wird, sollten wir es zu Wort kommen lassen. Zuerst gilt unser Interesse aber der Lage des 

    1 Photodokumentation des Besitzes des Gábor Ugron von Ábránfalva, ehem. k.u. Innenminister und königl. Kommissar für Siebenbürgen, (ca. 1940 unveröffentlicht). 2 Immer wieder auch in abweichenden Schreibungen, etwa Kyenmayer, so u.a. Kayserlich‐ und Königlicher Staats‐ und Standes‐Calender, Wien 1760, S. 167 (google books) u.a. 3 Eine substanzerhaltende Pflege des Grabdenkmals ist jedoch immer dringender nötig. 

  • Obelisken  auf  dem  neuen  Friedhof  von  Penzing,  denn  diese  gibt  nicht  nur  Auskunft  über  die Geschichte des Friedhofes, sondern auch über den Lebensmittelpunkt, den die Familie Kienmayer für etwa 70 Jahre lang in Breitensee hatte. 

    Der alte Friedhof von Penzing war bis 1859 rund um die alte und bedeutende Pfarrkirche St. Jakob angeordnet.  Der  Pfarrsprengel  erstreckte  sich  in  seinen  weitesten  Ausmaßen  von  Meidling  bis Ottakring, der Ort Breitensee gehörte daher bis vor etwa 110 Jahren auch zur Pfarre Penzing. Mitte des 19.  Jahrhunderts wurde auf einem oberhalb der Kirche  liegenden Südhang halbwegs zwischen Penzing und Breitensee der heute noch bestehende neue  Friedhof angelegt. Ab diesem  Zeitpunkt wurden die alten Grabstellen rund um die Kirche sukzessive aufgelöst und zum Teil auf dem neuen Friedhof wieder errichtet. Dazu gehörte auch der eiserne Obelisk, der nach dem Tod des Generals Kienmayer  im  Jahr 1828 auf dem alten Friedhof errichtet und etwa drei  Jahrzehnte später auf den neuen  Friedhof  von Penzing übersiedelt wurde. Unweit  jener Rieden,  in denen  einmal die besten Weine Wiens  gediehen und wo  auch  schon der Großvater des Generals mit Weingärten begütert war,  konnte man  nun  vom  neuen  Friedhof  über  die  Poststraße  auf  die  Pfarrkirche  und  bis  zum kaiserlichen Schloss Schönbrunn hinunterschauen. 

    Beschreibung des Obelisken 

    Auf  einem  eisernen  Sockel mit  quadratischem Grundriss,  gebildet  durch  vier  Rechtecke  in  einem Rahmen, der mit gußeisenen Füllungen verblendet ist, steht ein eiserner Obelisk; genauer eine steile Pyramide, deren Stumpf eine flachere Pyramide deckt. Die vier großen Pyramidenflächen sind wohl auf  innenliegenden  Eisenleisten  mit  quadratischem  Profil  verschraubt.  Auf  der  vorderen Pyramidenfläche  ist  eine  gußeisene  Platte mit  dem  freiherrlichen Wappen  der  Familie  Kienmayer aufgelegt, sie war ursprünglich wohl an drei Punkten angenietet. Um sich dieses Wappen  in Farbe vorzustellen,  kann  unter  Heranziehung  des  Gotha4  wie folgt blasoniert werden: 

    Ein quadrierter Schild mit Herzschild: 1. und 4. Silber und Schwarz in fünf Querreihen zu je vier Plätzen geschacht, 2. und  3.  in  Rot  zwei  schräge  rechte  goldene  Balken. Herzschild:  goldener  Schild  mit  blauem  Schildhaupt.  In letzterem  schweben  vier  sechseckige  goldene  Sterne nebeneinander.  Im  goldenen  Schild  eine  Figur,  die  auf grünem  Grund  in  golden  verschnürter,  roter  ungarischer Kleidung und gelben Csizmen mit silbern aufgestulpter links abhängender  roter Zipfelmütze mit weiß gefüttertem und schwarz  verbrämten  Pelz  steht,  welche  die  Beine auseinanderspreizt, die Linke  in die Hüfte stemmt und die rechte Hand vor sich ausgestreckt hält. 

    Über  dem  Schild  die  Freiherrenkrone  und  drei  gekrönte Helme: Auf dem ersten Helm mit schwarz‐silbernen Decken steht ein einwärts sehender schwarzer Adler, dessen Brust die Buchstaben M.T.  in  goldener  Schrift  trägt;  der  zweite Helm  mit  rechts  rot‐goldener,  links  blau‐goldener  Decke trägt  einen  offenen  ledigen  schwarzen  Flug;  der  dritte Helm mit  rotgoldenen Decken  sechs abwechselnd silberne und rote Straußenfedern. 

                                                                4 Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser, Gotha 1871, S. 336; Siebmacher (Siebenbürgen, S. 74 bzw. Tafel IV/12/32) weicht vom Gotha und der Darstellung am Grab ab, da dort im 2. und 3. Quadranten nur ein goldener Balken statt deren zwei erwähnt wird. 

  • Die  in  der  oben  genannten  Literatur  und  im  Freiherrenakt  17755  erwähnten  Windspiele  als Schildhalter  sind  auf  dem Grabmal  nicht  dargestellt,  dafür  ist  das Wappen mit  den  Bändern  und 

    Kleinodien  des  Maria‐Theresien‐Ordens  in  der Mitte,  des  hessischen  Ordens  vom  goldenen Löwen  links,  und  des  hessischen  Militär‐Verdienstordens  (Ordre  pour  la  Vertu Militaire) rechts ergänzt.  

    Der  untere  Spitz  der  Wappenauflage,  der  das Kreuz  des  Maria  Theresien‐Ordens  trug,  ist abgeschlagen und nicht mehr existent.6 

    Unterhalb  des Wappens  befindet  sich  folgende Inschrift:  „Hier  ruhet  / Michael  Freyherr  /  von  / Kienmayer  //  K.  k.  wirklich  geheimer  /  Rath, Großkreutz des / gold. Löwen, Commandeur / des milit. Maria  Theresien  /  und  Ritter  des  hess.  / milit. Verdienst Ordens. General  / der Cavallerie und  Inhaber  /  des Hußaren  Regiments No.  8.  / Geboren am 17.  Jäner 1756 / Gestorben am 28. October 1828“. 

    Auf  der  rechten  Pyramidenfläche  befindet  sich die  Widmung:  „Gattinn  und  Tochter  /  dem unvergeßlichen  /  Gatten  und  Vater“.  Auf  der vorderen Sockelfläche liest man die Worte: „Held Mensch“, jeweils umrankt von einem Palmzweig. 

     

    Der „Rothe Ungar“ – Johann Michael (von) Kienmayer 

    Um  in der Chronologie zu bleiben,  ist mit dem Herzschild des Wappens, mit dem  roten Ungarn zu beginnen. Es wurde dem Johann Michael Kienmayer, also dem Großvater des Husarengenerals, 1754 als Adelswappen verliehen.7 Der rote Ungar dokumentiert den Erfolg und Aufstieg eines Mannes, der als Sohn eines Halblehners aus dem Waldviertel nach Wien kam und dort seine Geschäftstüchtigkeit mit Organisationstalent und Loyalität zum Kaiserhaus verband. Seinen Patriotismus und Eifer für das Kaiserhaus  bewies  er  als  Mitglied  des  Äußeren  Stadtrates  von  Wien  und  vor  allem  als Stadthauptmann  in  den  Zeiten  der  drohenden  Belagerungsgefahr  während  des  Österreichischen Erbfolgekrieges.8 Heute würden wir eine solche Person wohl als „Selfmademan“ bezeichnen. Damals aber ging das nicht ohne das Kaiserhaus, das den Aufsteiger zur Beförderung des Commerzes, aber auch zum eigenen Vorteil gerne mit Aufträgen bedachte. 

    Johann Michael Kienmayer  stammte  aus  Jagenbach  im Waldviertel und wurde  am 10.  September 1695  in  Rieggers  als  „Michl“,  Sohn  des  Caspar  und  der  Maria  geb.  Kolm  getauft.9  Obwohl  zur damaligen Zeit der Familienname Kienmayer  im Waldviertel, und besonders  in und um  Jagenbach 

                                                                5 AVA Adelsarchiv, Freiherrenstand, Michael Franz von Kienmayer, 30.9.1775. 6 Auf einer Photographie von 1979 ist die Wappenauflage noch unversehrt. Österr. Bildarchiv: http://data.onb.ac.at/rec/baa13535942  7 AVA Adelsarchiv, Adelsstand des Johann Michael Kienmayer, 4.1.1754, fol. 4v. „… ein auf einem grünen Grund zur rechten stehender Hungar in völliger rother, weiß ausgefütterter Kleidung…“ 8 AVA, Adelsstand a.a.O., fol. 3; Constantin WURZBACH, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Band XI (1864), S 250; Hanns JÄGER‐SUNSTENAU, Einige Familien des Briefadels in Wien, in: Zeitschrift „Adler“, Wien 1991, S. 98 f. 9 Taufbuch Pfarre Rieggers, www.matricula‐online.org; 

  • recht  häufig war,  ist  diese  Herkunft  durch  die  Eintragung  des  Todes  der Mutter  Johann Michael Kienmayers im Sterbebuch der Pfarre Penzing von 1747 abgesichert.10 

    Von einer ungarischen Herkunft ist daher keine Spur, die rote Figur im Adelsakt vom Jahr 1754 spielt vielmehr im Wirken Kienmayers als gut bestallter Händler und seiner Niederlassung in Altlerchenfeld eine  Rolle,  worauf  noch  zurückzukommen  ist.  Kienmayer  heiratete  am  30.  April  172411  die bürgerliche  Schlosserstochter  Anna Maria  Ziergibl12  bei  den  Schotten. Dabei wurde  er  bereits  als bürgerlicher Handelsmann  in Wien tituliert, schon  im Jahr zuvor hatte er das Bürgerrecht der Stadt Wien  erhalten.13  In  den  folgenden  Jahren  muss  Kienmayer  seine  Geschäfte  höchst  erfolgreich entfaltet haben.  

    So kaufte er 1736 das Schloss von Breitensee und wurde 1740 dort Grundherr.14 Aus dem Jahr 1740 ist ein Kaufvertrag über Textilien  zwischen Kienmayer und der Hofkammer  in einem Volumen von 7550  fl  20  x  bekannt.15  1741  erwarb  er  Gründe  am  Rennweg  zum  Zweck  der  Errichtung  einer Spinnfabrik.16  Hier  ging  Kienmayer  wohl  äußerst  forsch  vor.  Es  ist  (noch)  kein  ausdrückliches Fabriksprivilegium für ihn bekannt,17 doch vielleicht konnte er sich eine vorauseilende Vorgangsweise nicht  nur materiell,  sondern  auch  im  Verhältnis  zu  den  Behörden  aufgrund  seiner  schon  damals anerkannten Stellung bei Hof leisten.  

    Er war er nicht nur Hoflieferant, sondern nahm etwa neben seinen Ämtern als Stadthauptmann und Gemeinderat die Rolle eines  Financiers bei öffentlichen Anlässen ein, heute würde man  sagen als Sponsor, hatte er doch oft „bey Paradierungen den Aufzug aus eigenem Vermögen beygestellet“.18 Kienmayer  legte  also  auf dem erworbenen Grund  am Rennweg  „zur Erhebung des Commerzes  im Lande auf eigene Unkosten ein ansehnliches Gebäu und Seidenfabrique“ an, welche möglicherweise erst später mit einer Fortführungsbewilligung  legalisiert wurde. Der Adelsakt gibt dazu eindeutigen Hinweis,  da  Kienmayer  danach  beflissen  gewesen  sei,  „selbe  (Seidenfabrique)  mit  allerhöchster Beauftragung bis anhero noch  fortzuführen“.19 Auf  Initiative des Weihbischofs Franz Anton Marxer widmete  Kienmayer  einen  Teil  des Grundes  1742  der  Errichtung  eines Waisenhauses. Die  Kinder erhielten dabei Unterricht und Verpflegung, hatten aber auch für die Seidenfabrik zu arbeiten. Es ist hier  festzustellen,  dass  die  Beschäftigung  von Waisenkindern  in  Arbeitshäusern  ein  für  damalige Begriffe  durchaus  fortschrittliches  Unterfangen  war,  welches  aus  der  Idee  der  Armenfürsorge entwickelt  wurde.  Für  die  betroffenen  Kinder  stellte  es  bestimmt  eine  Verbesserung  ihrer Lebenssituation dar.20  Jedoch hat Kienmayer diese Fabrik sicher nicht nur aus Altruismus und ganz ohne wirtschaftliche Hintergedanken geführt, was schon dadurch deutlich wird, dass Maria Theresia das Areal samt Fabrik von Kienmayer übernahm, als sie nicht mehr rentabel war, und es zusammen 

                                                                10 Sterbebuch Pfarre Penzing I „Anno 1747 in Augusto (20) Domina Anna Maria Kienmayerin defuncti Domini Caspari Kienmayer vicini in Jagenbach relicta vidua mortua in Breitensee in Domo Filii sui D(omin)i Joannis Michaelis Kienmayer mercatoris Viennensis aet(atis). anno(rum) 76.“; abgedruckt in: Pfarre Jagenbach Hrsg., „100 Jahre Pfarre Jagenbach“, 2001. 11 Pfarre zu ULF Schotten, Trauungsmatrik 1724, 178. Die Trauungsmatrik der Dompfarre St Stephan 1724, Band XLI, 404 verweist ebenfalls auf den Ort der Eheschließung „copulatio a(pu)d Scotos“. 12 Auch Zierhübl, siehe JÄGER‐SUNSTENAU, a.a.O. 13 WStLA, Bürgerbuch 34 (5. Juli 1723) 14 Hans SCHINNER: Breitensee ‐ Vom Dorf zur Großstadtpfarre. Wiener Dom‐Verlag, Wien 1976, S. 39. Else SPIESBERGER, Herrschafts‐ und Schlossbesitzer in Breitensee, In: Penzinger Museumsblätter, Heft 8 (1965), S. 131. 15 AVA, FHKA, SUS, Alte Hofkammer, Kontrakte und Reverse. C‐1366, Contract vom 19. Jänner 1740; 16 SPIESBERGER, a.a.O. 17 Keine Hinweise bei Helene DEUTSCH, Die Entwicklung der Seidenindustrie in Österreich 1660‐1840, Wien 1909, ebf. keine Hinweise in Gustav OTRUBA, (Hrsg.) Österreichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jahrhundert und ausgewählte verwandte Quellen zur Frühgeschichte der Industrialisierung. 18 AVA, Adelsstand, a.a.O. fol. 3v 19 AVA, Adelsstand, a.a.O. fol. 3v 20 Hannes STEKL, Österreichs Zucht‐ und Arbeitshäuser 1671‐1920, Wien 1978, S. 88 ff. 

  • als Stiftung 1763 dem Waisenhaus zukommen  ließ.21 Da sich die Zahl der Kinder stetig erhöhte, wurde dort 1743 auch eine Kapelle  als  Vorgängerin  der  heutigen  Waisenhauskirche errichtet.22  Spätestens  zur Errichtung des Waisenhauses war Kienmayer  als  „bürgerlicher  Handelsmann  zum  rothen Ungarn“  bekannt,23  und  zwar  nach  dem  Hausnamen  seiner Niederlassung in der Lerchenfelder Straße.24 

    Nach  dem  Tod  seiner  ersten  Frau  im  Jahr  1760  heiratete Kienmayer  die  Johanna  von  Eberl  (*  1722,  +  4.3.1805).25  Er starb  hochbetagt  in  Breitensee  und  wurde  schließlich  wie bereits erwähnt am Penzinger Friedhof bestattet.26 

    In die Zeit seines wirtschaftlichen Aufstiegs fiel die Geburt von fünf  Kindern,  drei  Buben  und  zwei  Mädchen,  wobei  ein Mädchen früh verstorben  ist.27 Die vier Überlebenden finden sich  vielleicht  symbolisch  in  den  vier  goldenen  Sternen  im Schildhaupt des Adelswappens wieder: 

    Antonius  Ludovicus  Johannes Nepomucenas  *  16.12.1725,28 Für  ihn war ursprünglich vorgesehen, die väterliche Firma zu übernehmen.29 Sein früher Tod nach 1760 hat das verhindert. 

    Johann Michael Franciscus * 10.10.1727,30 +29.3. 1792, beschritt erfolgreich die Beamtenlaufbahn als  Hofrat  und  Gerichtspräsident  und  erhielt  den  Freiherrnstand.  Auch  er  wurde  am  Penzinger Friedhof begraben.31 

    Anna Maria Magdalena, getauft am 10.12.173232 ist früh verstorben.33 

    Anna Maria *18.2.173534 + 12.4.1804; verheiratete von Posch, Frau von Breitensee und Uttendorf. 

    Josef Ignatius Andreas *1.7.173835 + 22.3.1808, Hofsekretär am Obersthofmarschallamt. 

    Der  steile  gesellschaftliche  und  wirtschaftliche  Aufstieg  der  Familie  nahm  in  der  Generation  der Kinder des Handelsmannes seine ungebremste Fortsetzung. Vor allem in Person des Johann M. Franz 

                                                                21 Johann Nep. SAVAGERI, Chronologisch geschichtliche Sammlung  aller bestehenden Stiftungen, Institute – öffentlichen Erziehungs‐ und Unterrichts‐Anstalten der k.k. österreichischen Monarchie, Bd. I, Brünn 1832, S. 9 ff. Georg RIEDER, Ignaz Parhamer´s und Franz Anton Marxer´s Leben und Wirken, Wien 1872, S. 3 ff. 22 RIEDER, a.a.O. 23 RIEDER, a.a.O. S. 468.  24 Heute Lerchenfelder Straße 129; siehe dazu: Wienerisches Mercantil Schema, Wien 1768, S. 132; Joseph HORMAYR zu Hortenburg II: Jg. IV Bd. 2. und 3. Heft, Wien 1825, S. 176; Anton ZIEGLER (Hrsg.) Häuser‐Schema der ks. königl. Haupt‐ und Residenzstadt Wien, Wien 1836. 25 JÄGER‐SUNSTENAU, a.a.O. 26 Pfarramt Penzing, Sterbebuch II (1772‐1784), 175. 27 JÄGER‐SUNSTENAU, a.a.O. führt nur die drei Söhne an. 28 Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch LXIII, 1724‐26, 267 (Vater Johann Michael Kiemair; b. Handelsmann: Paten Ludovicus Antonius Visconti et Anna Maria uxor; Antonius Matthias Kircher & Anna Rosina uxor.) 29 SPIESBERGER, a.a.O. 131, FN 21 (Mercantilprotokoll 1725‐1758, fol. 189 v.f.) 30 Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch LXIV, 1726‐28, 311 (Paten: Ludwig Antonio Visconti & uxor, Anton Matthias Kircher per filium suum Josephum & uxor Antonii) 31 Friedrich SCHWEICKHARDT Ritter von Sickingen, Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens, Band 4‐Viertel unter dem Wienerwald, Teil 2,  von, Wien 1832 S. 238 ff.; insb 243 f. 32 Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch LXVII, 63. 33 Dompfarramt St. Stephan, Sterbebuch XXI (1733‐1737), 115. 34 Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch LXVIII, 193.  35 Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch LXXI, 1738‐39, 73v. (Paten: Joh. Andreas König, Goldarbeiter  & uxor Elisabeth); JÄGER‐SUNSTENAU a.a.O. nennt ihn Josef Andreas Franz. 

  • Kienmayer  und  seiner  Schwester  Anna  Maria,  die  im  Juni  1750  den  Johann  Adam  von  Posch heiratete.  Posch wurde  später  Regierungspräsident  von  Vorderösterreich,  einer  der  Söhne  dieses Paares  war  ein  Taufkind  Maria‐Theresias.36  Anna  Maria  war  es,  die  die  seit  Jahrhunderten verworrenen  Herrschaftsverhältnisse  in  Breitensee mit  Beharrlichkeit  konsolidierte.  Als  Frau  von Breitensee und Uttendorf wurde auch sie mit  ihrem Mann am Penzinger Friedhof begraben.37 Über den  zweitgeborenen  Johann  Michael  Franz  von  Kienmayer,  den  späteren  Hofrat  und  Stephans‐Ordens‐Ritter, wird als Begründer der freiherrlichen Linie nun im Folgenden die Rede sein. 

     

    Quadrierter Schild und Freiherrenkrone – Franz (Freiherr von) Kienmayer d.Ä. 

    Der quadrierte Schild mit der Freiherrenkrone auf dem Grabmal des Generals Kienmayer ist also auf das  Jahr  1775  und  die  beeindruckende  Beamtenkarriere  seines  Vaters  Johann  Michael  Franz Kienmayer  zurückzuführen. Die Freiherrenwürde  ist also nicht die Folge der Verleihung des Maria‐Theresien‐Ordens  an  den  späteren  General.  Vielmehr  ist  sie  verbunden  mit  der  Verleihung  des königlich ungarischen St. Stephans‐Ordens an dessen Vater, also an den besagten wirklichen Hofrat, im Diplomatenjargon „Conseiller Aulique Juste“. 

    Nach  dem  Freiherrendiplom  besteht  das  gebesserte Wappen  aus  „einem  kreutzweis  viergetheilt Schild, dessen vorne obere und hinten untere Feldung weiß und schwarz geschachtet (sic!), die hintere obere und  vordere untere  rothe  Feldung aber mit  zween goldenen  rechts  schräg  liegenden Balken beleget  ist.  In  der  Mitte  des  Schilds  ist  ein  mit  einem  blauen  Schild‐Haupt  und  in  solchen nebeneinander stehenden vier sechs‐eckicht goldenen Sternen gezieret Herzschildlein, in welchem ein mit Gold bordierter rother Ungar rechts gewendet steht, die rechte Hand von sich strecket, die Linke aber an die goldene Leibesbinde spreitzet. Den ganzen Schild decket die Freyherrenkrone…“38  

    Der  Akt  zur  Verleihung  des  Freiherrenstandes  enthält  einen von  J. M. Franz Kienmayer eigenhändig und gestochen  scharf geschriebenen  Lebenslauf,  der  im  Folgenden  passagenweise und ungekürzt kursiv zitiert wird:  

    „Anno  1745  bin  ich  bey  der  Kayserwahl mit  der  Böhmischen Bottschaft  als  Gentil  Homme  nach  Frankfurth  gereiset,  und habe mich bey der Wahl Bottschaft in der Kanzley unentgeldlich gebrauchen  lassen,  auch  das  Vertrauen  genossen,  mit  den Literis  Reversalibus  zum  Römischen  König  Francisci  (sic).  I. May.tis abgeschickt zu werden.“ 

    Kienmayer besuchte die Universitäten von Wien und Leipzig. Er stand u.a. mit Christian Fürchtegott Gellert im Briefwechsel.39. 

     „Nach geendigtem Studio practico wurde  ich zu Regierung als Secretarius im Jahr 1749 angestellet.“ 

    Seine juristischen Studien gipfelten in einer prozessrechtlichen Dissertation,  der  er  eine  umfangreiche  Widmung  an  Maria Theresia voranstellte.40  

                                                                36 Franz QUARTHAL, Die vier vorderösterreichischen Regierungspräsidenten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; In: Saskia DURIAN‐RESS und Herbert SMOLINSKY (Hrsg.), Habsburg und der Oberrhein, Waldkirch 2002; S. 158 ff. mit Stammtafeln der Nachkommen; 37 Vincenz DARNAUT, Topographie des Erzherzogthums Österreich, II. Band, Darstellung von Schönbrunn und Umgegend, Wien 1820, S. 145 38 AVA Adelsarchiv, Freiherrenstand, Michael Franz von Kienmayer, 30.9.1775, unentgeltliche Ausfertigung des Diplomes taxfrei (placet gratis); in die Saalbücher eingetragen. 39 John F. REYNOLDS (Hrsg.), C. F. Gellerts Briefwechsel, Berlin New York 1983, Band 1, S. 35 ff., S. 299. 

  • Über den Ausgang der Verteidigung seiner Dissertation ist nichts bekannt. Möglicherweise reichte es nicht  zu  einem  Doktorat,  jedenfalls  aber  für  die  „gelehrte  Bank“  in  der  niederösterreichischen Regierung.41  

    „Anno 1753 (wurde ich) wirklicher Regierungsrath auf der gelehrten Bank und Assessor beym Judicio delegato in militaribus mixto. 

    Schließlich  wurde  Kienmayer  für  Agenden  der  Verwaltungsorganisation  und  deren  Neuordnung eingesetzt.  1763  kam  es  zu  einer  kleinen  Verwaltungsreform,  wobei  die  Kompetenzen  des Obersthofmeisteramtes von der NÖ Regierung an das Obersthofmarschallamt zurückgestellt wurden. Dabei  hatte  Franz  von  Kienmayer  die  so  genannte  „Auseinandersetzung“  dieser  Ämter durchzuführen,  wofür  er  vorerst  zum  königlich  und  erzherzoglichen  Hofrat  befördert  und  zum Kanzleidirektor des Obersthofmarschallamtes bestellt wurde.  Im  selben  Jahr  folgte die  Ernennung zum Direktor  des Obersthofmarschallamtes. Da  Kienmayer  aber  nun  auch  beim  Reichsvizekanzler eingesetzt wurde, wurde er schließlich auch wirklicher kaiserlicher Hofrat. 

    „Anno 1763 Da die obersthofmeisterliche Agenda von der n.ö. Regierung dem Obersthofmarschalle wiederum zurückgestellet worden, habe ich die diesfällige Auseinandersetzung abgearbeitet, und bin als  königl. und  erzherzogl. Hofrath, wie auch Kanzley‐Director bey dem Obersthofmarschallen‐Amt resolviert. Eodem Anno  zu dem  kayserl. Obersthofmarschallen‐Amte als Director und wirkl.  kayserl Hofrath bey dem kayserl. Reichsvice‐Kanzler in das Jurament genommen.“ 

    Einen Höhepunkt  in der Karriere Kienmayers markiert die Verleihung des Kleinkreuzes des königlich ungarischen  St.  Stephans‐Orden  am  5.  November  1771.  Damit  war  Kienmayer  einer  der  frühen Ausgezeichneten dieser seltenen im Jahr 1764 gestifteten Auszeichnung. 

    „Anno  1771  (wurde  ich)  zum  Ritter  des  königl.  St.  Stephani‐Ordens,  den  5.  9bris  creiert  und befördert.“ 

    Fast gleichzeitig mit diesen protokollarischen Ehren wurden Kienmayers Aufgaben weiter vermehrt, da sich der kaiserliche Obersthofmeister Fürst Khevenhüller‐Metsch sich bei Maria Thersia sehr  für die  Nachbesetzung  der  Direktion  des  Obersthofmeisteramtes  mit  dem  tüchtigen  Kienmayer einsetzte.42 

    „Anno  1772  ist  mir  die  Direction  des  ersten  obersten  Hofmeister‐Amtes  nebst  jener  des obersthofmarschallischen Gerichts allergnädigst aufgetragen worden.“ 

    Im  Jahr  1773  betraute  Maria  Theresia  das  Oberst‐Hofmarschallamt  überdies  mit  der  Leitung (Jursisdiction) des  Thersianums, was mit der Übernahme der  gesamten Obsorge durch Kienmayer verbunden war.43 Mit der Verleihung des Freiherrenstandes im September 1775 war die Karriere des Beamten  aber  noch  nicht  zu  Ende.  Er  wurde  schließlich  auch  Vicepräsident  des niederösterreichsichen  Appellationsgerichtes44  sowie  Präsident  des  Mercantil‐  und Wechselgerichtes.45  Franz  Kienmayer muss  aber  neben  seinen  juristischen  Kenntnissen  auch  gute protokollarische Fähigkeiten und diplomatisches bzw. organisatorisches Geschick bewiesen haben,46 

                                                                                                                                                                                              40 Joannes Franciscus Michael KYENMAYER (sic): Tertium juris objectum, seu tractatus de actionibus . in universitate Viennensi publicae disquisitioni proponit. 1747 (Wien bei J.P.Ghelen). 41Kayserlich und königlicher … Staats‐Calender bzw. Hof‐Schematismus 1760, S. 166 f. (google books) 42 Johann Josef Fürst KHEVENHÜLLER‐METSCH, Aus der Zeit Maria Theresias. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller‐Metsch, kaiserl. Obersthofmeisters, 1742‐1776; Hrsg. Im Auftrag d. Komm. f. Neuere Geschichte Österreichs (Band VII 1770‐1773, Wien‐Leipzig 1925); S. 111 f., 162. 43 KHEVENHÜLLER‐METSCH, Band VII. S. 183. 44 HHStA, OMaA I/A, Karton 7 (1784‐1795), Nr. 20 (pag. 104). A. W. KÜNAST; Katalog (Catalog) der Portrait‐Sammlung der k.u.k. General‐Intendanz der k.k. Hoftheater. Zugleich ein biographisches Hilfsbuch auf dem Gebiet von Theater und Musik, Wien 1892‐1894, Zweite Abt, Gruppe IV, lit. a (ltd. Personen). 45Zumindest auch seit 1786,  Ignaz DE LUCA; Wiens gegenwärtiger Zustand unter Josephs Regierung, Wien 1787; S. 192 46 „… wegen seiner bekannten Geschicklichkeit …“; KHEVENHÜLLER‐METSCH, Band VII. S. 111. 

  • 10 

    was auch durch Belobigungen  Ihrer Majestät unterstrichen wurde.47 Zudem übernahm er  im Sinne der Aufgaben des Obersthofmarschallamtes auch die Position des Vicedirektors des Hofburgtheaters (1776 bis 1783).48 In dieser letzten Position genoss er das volle Vertrauen Maria Theresias bzw. auch des  Kaisers,  zog  sich  dabei  aber  wohl  auch  die  Kritik  des  Publikums  zu,  da  er  den  allerhöchst geäußerten Ansichten mit  zum Teil  scharfer Zensur49  zum Durchbruch verhalf. Der  spätere Regent Leopold II. sah diese Vorgangsweise sehr kritisch.50 Selbst über das Jahr 1783 hinaus soll Kienmayer besonders einflussreich gewesen sein, wenn es  jene Stücke betraf, die aufgeführt werden sollten.51 Seiner Stellung gemäß veranstaltete Kienmayer in seinem Haus stadtbekannte Festlichkeiten, bei der die höhere Gesellschaft und Künstler wie Mozart ein und aus gingen.52 

    Noch als  junger Regierungsrat heiratete  J. M. Franz von Kienmayer am 1. Mai 1754  in der dem Hl. Laurentius geweihten Schlosskapelle53 von Breitensee und in Anwesenheit von Weihbischof Marxer54 die  spanische  Baronesse Maria  Anna  de  Echeveria.  Einer  der  Trauzeugen war  Johann  Adam  von Posch, der Schwager des Bräutigams, von dem bereits die Rede war.55 Nach dem Tod seiner Frau im Jahr  1783  heiratete  J. M.  Franz  Freiherr  von  Kienmayer  1784  die Witwe  nach  Anton  Edlem  von Grasern,  Josefa  geb.  Pingitzer  von  Dornfeld.56  J.  M.  Franz  Freiherr  von  Kienmayer  verstarb  am 29.3.1792. Hier irrt Wurzbach,57 der das Sterbedatum wegen der Namensgleichheit mit jenem seines erstgeborenen Sohnes Franz Michael Joseph Kienmayer verwechselt.58  Aus der ersten Ehe stammen folgende sieben Kinder: 

    Franciscus Michael Josephus Raymundus Ignatius, getauft 17.3.175559, + 30.5.180260. 

    Michael Josephus Vincentius Herbrothus Anton Ignatius * 17.1.1756, getauft am 18.1.175661. Ihm ist der letzte Teil dieses Artikels gewidmet. 

    Joseph, * 1761(?)62, + 5.7.1819. 

    Theresia Josefa; sie heiratete Heinrich Sigismund Graf Stadl. 

                                                                47 „(18. Sept.1775)… einen Ring mit ihrem Chifre garni en brillants für meinen Hof‐Rath Kienmayr …“; Johann Josef Fürst KHEVENHÜLLER‐METSCH, Aus der Zeit Maria Theresias. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller‐Metsch, kaiserl. Obersthofmeisters, 1742‐1776; Hrsg. Im Auftrag d. Komm. f. Neuere Geschichte Österreichs (Band VII 1770‐1773, Wien 1972); S. 103. 48 KÜNAST, a.a.O. 49 DIE THEATER WIENS. 2. Band, 2. Halbband, 1. Theil; Das Hofburgtheater; Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien 1903, S. 39 ff.  50 Adam WANDRUSZKA, Leopold II.; Band I, Wien 1963, S. 337 f. 51 Wolfgang RUF, Die Rezeption von Mozarts Le Nozze di Figaro bei den Zeitgenossen, In: Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft (Band XVI), Wiesbaden 1977, S. 46. Bruce Alan BROWN, W.A. Mozart: Così fan tutte, Cambridge 1995, S. 8. 52 Klemens DIEZ, Constanze – gewesene Witwe Mozart, Wien‐München 1982, S 41 f. 53 Die Schlosskapelle besteht seit 1905 nicht mehr; jedoch ist das aus Spanien stammende Gnadenbild der „Mutter der Verlassenen – Nuestra Senora de los Desamparados“ erhalten geblieben, Es befindet sich auf einem Seitenaltar der Pfarrkirche Breitensee. SCHINNER, a.a.O. 43 ff.; FESTSCHRIFT 100 JAHRE PFARRGEMEINDE BREITENSEE, Wien 1998, S. 20. 54 Pfarre Penzing, Trauungsmatriken, 1754, 188 (dort Echeverria) 55 Pfarre St. Michael, Trauungsmatriken, 1754, 609 56 JÄGER‐SUNSTENAU, a.a.O. 57 Constantin WURZBACH, a.a.O. 58 HHStA, OMaA I/A, Karton 7 (1784‐1795), Nr. 20 (pag. 104 ff.); 59 Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch Band, 1755‐56, 155 60 Litterarische Blätter Nr. X vom 3. September 1803, Nürnberg, Band III, columna 147; ebenso Heinrich W. ROTERMUND, Fortsetzung und Ergänzungen zu Chr. G. JÖCHER'S Gelehrten‐Lexiko III, Delmenhorst 1810, columna 321; URL: http://reader.digitale‐sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10797896_00005.html 61 Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch Band, 1755‐56, 339 62 Max von GEMELL‐FLISCHBACH, Album des kais. königl.  Theresianums (1746‐1880), Wien‐Brünn 1913, S. 44. 

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    Ignatia , * 1770, + 14.4.182263, heiratete 1790 den General‐Major Josef Sierakowski hr. Ogonczyk64 (* 1750, + 1817). 

    Elisabeth. 

    Maria * 1773, + 17.9.1820, heiratete Karl von Dier. 

     

    Erfinderehre (Exkurs) – Franz (Freiherr) von Kienmayer d.J. 

    Franz  Michael  Joseph  von  Kienmayer  (Franz  der  Jüngere)  war  also  der  erstgeborene  Sohn  des damaligen Regierungsrates Johann Michael Franz (Franz der Ältere) von Kienmayer. 

    Er  wurde  ebenso  wie  seine  beiden  Brüder  Michael  und  Joseph  Zögling  der  Theresianischen Akademie. Franz der Jüngere entwickelte eine naturwissenschaftliche Neigung, wurde jedoch ebenso wie sein namensgleicher Vater Jurist und folgte diesem sogar in die Stelle eines Kanzleidirektors des Obersthofmarschallamtes  nach. Das  führte  dazu,  dass  der Historiker  Constantin  von Wurzbach  in seinem  dennoch  ausgezeichneten  biographischen Werk  den  Vater  und  den  Sohn  zu  einer  Person verschmolz, mit dem Geburtsdatum des Vaters und dem Todesdatum des Sohnes, und dem Vater damit auch die Verdienste seines Sohnes Franz als Erfinder zuschrieb. 

    Tatsächlich folgte Franz Kienmayer der Jüngere unmittelbar nach dem Tod seines Vaters J. M. Franz diesem  in  das Amt  des  Kanzleidirektors  beim Obersthofmarschallamt  nach.  In  einem Vortrag  von Graf Kaunitz an Kaiser Franz  II. vom April 1792 berichtet der Staatskanzler, dass diese Stelle durch den  Tod  des N.Ö. Appellationsgerichts‐Vizepräsidenten  Freiherr  von  Kienmayer  erledigt  sei. Diese könne nicht  länger unbesetzt bleiben. Kaunitz  selbst unterbreitet daher Seiner Majestät  folgenden Vorschlag: „… ich wage es nun auch allenthalben E.M. jemand dazu in Vorschlag zu bringen, es ist der Sohn  des  verstorbenen  N.Ö.  Appellationsgerichts‐Vicepräsidenten,  der  Appellationsrath  Freyh.  von Kienmayer.  Er  ist  seit  1775,  mithin  seit  17  Jahren  Regierungs‐  und  Appellationsrath.“    Nach Darstellung  seiner entsprechenden Befähigung „glaubt“ Kaunitz, „Eure Majestät könnte  ihm, da er nebst dem Kanzleydirectors‐, Secretärs und Kanzleydienste leisten muss, also er allein so zu sagen das ganze Amt ausmacht, zu primum Appellationsrathsgehalte noch 1500  fl. oder 1000  fl. allergnädigst zulegen.“  Franz  Freiherr  von  Kienmayer wurde  somit  unmittelbar  nach  dem  Tod  seines Vaters  zu dessen Nachfolger als Kanzleidirektor mit einer Zulage von 1000 fl. ernannt.65 Es  war  also  Franz  Kienmayer  der  Jüngere,  der  sich mit Naturwissenschaften  beschäftigte.  Neben  seiner Mineraliensammlung66  fanden  vor  allem  Kienmayers physikalische  Experimente  internationale  Beachtung,  vor allem,  weil  er  sich  mit  dem  Studium  der  Elektrizität beschäftigte.  Er  entwickelte  das  sogenannte „Kienmayer'sche Amalgam“ für Elektrisiermaschinen.67 Ein Brief  an  den  Physikerkollegen  Ingen  Housz  vom  15.  Juli 1788 mit einer diesbezüglichen Beschreibung wurde sehr rasch  im  Journal  de  Physique  abgedruckt  und  sorgte international  für  Aufsehen.68  Als  Verfasser  zeichnet 

                                                                63 http://www.sejm‐wielki.pl/b/lu.27859  64 http://impereur.blogspot.co.at/2012/12/jozef‐sierakowski‐1750‐1817.html ; http://www.genealogia.okiem.pl/sierakowski.htm  65 HHStA, OMaA I/A, Karton 7 (1784‐1795), Nr. 20 (pag. 104 ff.) 66 Christian KEFERSTEIN, Verzeichniß der Mineraliensammlungen in Teutschland; In: Zeitung für Geognosie, Geologie und innere Naturgeschichte der Erde, Weimar 1826, II: Stück, S. 132. „S(ammlung). des verstorbenen Appellationsrathes Kienmayer.“  67 W. Paul AURICH, „Kienmayer , Michael Franz von“, In: Allgemeine Deutsche Biographie 53 (1907), S. 767‐768 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche‐biographie.de/pnd137738471.html?anchor=adb 68 Journal de Physique, Band XXXVIII, Jänner 1791, S. 109 ff. insb Pkt IV f. 

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    Kienmayer  junior als „M.  le Baron de Kienmayer, Conseiller aux Appels à Vienne en Autriche“.69 Die Verwendung  des  Titels  Appellationsrat  läßt  keinen  Zweifel  zu,  dass  die  Ehre  des  Erfinders  in  der Familie Kienmayer bei Franz Kienmayer dem  Jüngeren zu verbleiben hat. Zu diesem Zeitpunkt war der Vater Franz der Ältere zwar noch am Leben, aber schon  längst Hofrath und Gerichtspräsident. Schließlich wurde Franz der Jüngere von Kaiser Leopold II. dazu berufen, die von Josef II. aufgelöste Theresianische Ritterakademie wieder zu errichten.70 Franz Kienmayer der Jüngere starb zehn Jahre nach seinem Vater, am 30. Mai 1802 in Wien.71  Held und Mensch – Michael (Freiherr) von Kienmayer 

    Über den General der Kavallerie Michael Freiherr von Kienmayer ist schon sehr viel geschrieben, aber auch abgeschrieben worden. Leider auch das Falsche, und das beginnt schon mit seiner Geburt. Auf dem eisernen Grabmal findet sich sein Geburtsdatum, der „17. Jäner 1756“, und das  ist abgesehen von der antiquierten Schreibweise korrekt.72 Durch einen Fehler eines Zeitgenossen und vor allem bei Wurzbach  hat  sich  leider  in  der  gesamten wissenschaftlichen  Kommune  der  17.  Jänner  1755  als Geburtsdatum eingeschlichen, damit wäre Michael aber um 2 Monate älter als sein älterer Bruder Franz gewesen. Lediglich in der Österreichischen Militärischen Zeitschrift  habe ich noch ein korrektes Geburtsdatum 17. Jänner 1756, gefunden, allerdings stammt die Quelle auch aus dem Jahr 1835.73 

    Die vorliegende Abhandlung versteht sich als Arbeit zur Erhellung des genealogischen Konnexes und kann daher nicht alle Waffentaten eines Militärs mit einer reichen und illustren Karriere beschreiben. Es muss  daher  genügen,  die  Laufbahn  des  Offiziers  zu  skizzieren,  dabei  kann  großzügig  auf  die einschlägige  und  reichhaltige  Literatur  des  „Siebenjährigen  Krieges“,  der  Türkenkriege  und  der Koalitionskriege,  aber  auch  die  konzise  Zusammenfassung  von Wurzbach74  verwiesen werden.  Im Hinblick  auf die Wappenzeichnung des Grabmales  sollte hier  aber  auf die höchste österreichische Tapferkeitsauszeichnung,  den  kaiserlich  österr. Militär Maria‐Theresien‐Orden  und  auf  die  beiden hessischen Orden eingegangen werden, die den krönenden Abschluss von Kienmayers kämpfender Karriere  bilden.75  Ich werde  dabei  auch  versuchen,  auf  jenen  Teil  der  Inschrift  auf  dem Grabmal einzugehen,  die  sich  dem  Betrachter  fast  entzieht.  Aber  sie  charakterisiert Michael  Freiherr  von Kienmayer über seine Titel und Ehren hinaus als „Held und Mensch“. 

    Die  erfolgreichen  Karrieren,  die  sein  Großvater  als  Handelsmann  und  sein  Vater  als  Beamter durchliefen,  setzte Michael  von  Kienmayer  in  unvermindertem  Tempo  als Militär  fort. Wie  sein Bruder Franz (der Jüngere) absolvierte Michael die theresianische Ritterakademie im Jahr 1774.76 Er war  also  18  Jahre,  als  er  seine  Studien  absolvierte  und  im  November  1774  als  Kadett  in  ein Infanterieregiment77 eintrat. Zwei Monate später wurde er als Leutnant zur Kavallerie assentiert, der 

                                                                69 Observations du Physique, sur l´Histoire Naturelle et sur les Arts (Journal de Physique), Band XXXIII, August 1788, S. 96 ff; URL: http://archive.org/stream/journaldephysiq18unkngoog#page/n109/mode/2up  70 Ignaz DE LUCA, Vorlesungen über die österreichische Staatsverfassung, Wien 1792; S. 356 71 Litterarische Blätter Nr. X vom 3. September 1803, Nürnberg, Band III, columna 147; ebenso Heinrich W. ROTERMUND, Fortsetzung und Ergänzungen zu Chr. G. JÖCHER'S Gelehrten‐Lexiko III, Delmenhorst 1810, columna 321; URL: http://reader.digitale‐sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10797896_00005.html; Zu seinem Tod und zur Versorgung seiner Witwe und den unversorgten Kindern: HHStA, OMaA I/8, Karton 8 (1795‐1804), Nr. 130a (pag. 345ff.) 72 Siehe FN 56, 58. 73 GEBLER, Kriegsszenen aus dem Leben des k.k. Generalen, Michael Frh. von Kienmayer von 1779 bis 1794, mit einem ausführlichen Nekrolog, in: Österr. Militärische Zeitschrift Band IV. 1835, S. 286 ff. 74 Constantin WURZBACH, a.a.O., S 244 ff. 75 Literatur zu den Waffentaten M. Kienmayers wo nicht extra erwähnt: WURZBACH, a.a.O.; GEBLER, Kriegsszenen 1779 bis 1794, und Nekrolog, 1835, a.a.O.; GEBLER, Kriegsszenen aus dem Leben des k.k. Generalen, Michael Frh. von Kienmayer von 1794 bis 1809, In: Österr. Militärische Zeitschrift 1836, S. 281 ff.; Jaromir HIRTENFELD, Der Militär‐Maria‐Theresien‐Orden und seine Mitglieder, Wien 1857, Band II, S. 884.;  76 Max v. GEMMELL‐FISCHBACH, Album des kaiserl. königl. Theresianums (1746‐1880), Wien, Brünn 1913, S. 38. 77 Nr. 26 „Puebla di Portugalo“ 

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    er dann bis zu seinem Tod treu blieb. Knapp 15  Jahre später, also mit nur 33  Jahren, war er schon Oberst und Befehlshaber eines Kavallerieregiments, und zudem Träger des Maria‐Theresien‐Ordens. 

    Nach den überlieferten Relationen  von den  Kriegsschauplätzen dieser  Zeit  lassen  sich  Kienmayers militärischen  Erfolge mit  persönlicher  Kühnheit,78  ausgezeichneter Reitkunst79  und  Kriegstechnik,80 sowie mit dem richtigen Situationsbeurteilung81 und Motivationskraft82 charakterisieren. 

    Anschaulich  beschreibt  diese  Kriegstugenden der  russische General Alexander Wassiljewitsch Suworow in einem Brief an den neu beförderten Oberst,  dies  wohl  unter  dem  Eindruck  der Schlacht am Putna‐Fluß und jener bei Fokschan: „Hochwohlgeborner  Herr  Oberst!  Tapferer Mann,  der  mit  dem  blinkendem  Säbel  in  der Hand  in  Haufen  von  rasenden  Muselmännern eindrang  und  Tod  und  Schrecken  nachließ,  ‐ nehmen    Sie  die  redlichsten  Glückwünsche  von einem Zeugen Ihres Muthes an, und genießen Sie die  hohe  Ehre  Ihres  neuen  Ranges  in  aller Zufriedenheit.  Dieß  wünscht  Ihnen  aus russischem  biederen  Herzen  Des Hochwohlgebornen Herrn Obersten ergebenster Diener Graf Alexander Suworow v. Rymnikskj.“83 

    Der  endgültige  Sieg  der  Alliierten  gegen  die Türken  wurde  schließlich  in  der  Schlacht  von Martinestie am 22. September 1789 errungen.84 Für  Kienmayer  selbst  blieb  das  nicht  ohne Folgen.  Er  wurde  von  General  Friedrich  Josias 

    Prinz Coburg mit der entsprechenden Relation nach Wien geschickt, um dem Kaiser persönlich über den Sieg gegen die Türken zu berichten. Der Lohn der erfolgreichen Taten Kienmayers war nicht nur ein  kostbarer  Ring  des  Kaisers,  sondern  fand  seinen  Niederschlag  in  der  oben  erwähnten Beförderung zum Obersten am 21. November 1789 und der Verleihung des Ritterkreuzes des Militär‐Maria‐Theresien‐Ordens am 21. Dezember 1789. 

    Nach etwas ruhigeren Jahren wurde Kienmayer  im Jahr 1793 auf besonders ehrenvolle Art  ins Feld gerufen. Da  sein Regiment nicht an der Mobilisierung  in den Niederlanden beteiligt war, ersuchte Feldmarschall Prinz Coburg mehrfach persönlich um Übersetzung Kienmayers als Oberst zu seinem ehemaligen und im Felde stehenden Husaren‐Regiment „Barcó“. Er begründete dies gegenüber dem 

                                                                78 12. November 1789: Gefangennahme des türkischen Raja von Gjurgevo Jussuf Pascha im Dorf Onyak mit einer Beute von 2000 Stück Schlachtvieh.  79 Kienmayersprung: Am 25. Mai 1799 springt Kienmayer von den Franzosen bedrängt mit seinem Pferd von einem hohen Felsen in die Thur und gelangt unverletzt ans andere Ufer. 80 31. Juli 1789, Schlacht am Putna‐Fluss, Kienmayer sichert 1500 zurückweichenden Kosaken und Arnauten des Generals Suworow gegen 3000 bestberittene Türken mit einer Attacke von 2 Eskadronen Husaren (300 Mann); Kienmayer nimmt vie Verfolgung auf und vertreibt weitere 4000 lagernde Türken; Am Abend dieses Tages zählt man einen toten und sechs verletzte Husaren. Dieses Gefecht bereitete den überwältigenden Sieg gegen die Türken am Folgetag in der Schlacht bei Fokschan vor. 81 8. Juni 1788, Rettung der gebrochenen Schiffsbrücke bei Malinovcze. 82 19. April 1788, Rettung eines Infanterie‐Pikets von 40 Mann samt einer Kanone auf der Höhe Bojana Losy mit 14 Husaren gegen 2000 Türken. 83 Zwei im Nachlass des Generals Kienmayer gefundene Briefe, In: ÖSTERREICHISCHE MILITÄRISCHE ZEITUNG, 1831, S. 323 f. 84 Am 22. September 1789 überspringt Kienmayer in der Schlacht von Martinesti als erster die feindlichen Gräben und erbeutet eine Artilleriefahne.  

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    Hofkriegsratspräsidenten  Graf  Wallis,  da  dieses  Husaren‐Regiment  Barcó  „wahre  Wunder  der Tapferkeit“  vollbrachte  und  sich,  da  es  eine  besondere  Aufmerksamkeit  verdient  hätte,  „an  der Auswahl dieses Obersten erfreuen werde“.85 Kienmayer bestätigte das in ihn gesetzte Vertrauen und zeichnete sich  im Ersten Koalitionskrieg mehrfach aus. Schon am Frühjahr 1794 wurde er außer der Tour  zum  Generalmajor  ernannt.  Auch  im  Zweiten  Koalitionskrieg  empfahl  sich  Kienmayer  nach anfänglichen Erfolgen  in Osterach und Stockach durch tapfere und umsichtige Führung gegen einen meist übermächtigen Gegner, etwa  in Hettlingen und Andelfingen. Am 4 September 1799 wurde er zum Feldmarschall‐Leutnant befördert und mit dem Kommando einer eigenen Division betraut.  In der kriegsentscheidenden Schlacht bei Hohenlinden befehligte Kienmayer die Kolonne des  rechten Flügels  in der  Stärke  von  ca. 16.000 Mann,86 der die  französischen  Truppen  rasch    in  ein Gefecht verwickeln sollte, um ihnen Stärke aus dem Zentrum abzuziehen. Dies erfolgte auch, der Flügel unter Kienmayer hatte das französische Korps Grenier engagiert und vorerst abgedrängt,87  jedoch konnte die Nachbarkolonne keine Unterstützung  leisten,88 was den unter Kienmayer stehenden Divisionen Schwarzenberg und  Erzherzog Carl  einen hohen Blutzoll  eintrug.89 Die Niederlage der Alliierten  in dieser kriegsentscheidenden Schlacht wurde daher eher  im Zentrum der Alliierten gesucht, wie aus einem  Brief  des  Kaisers  Franz  II.  an  seinen  Bruder  Johann  hervorgeht.90  Nach  dem  Frieden  von Luneville wurde Kienmayer mit dem Militär‐Kommando  in Troppau betraut und zum  Inhaber des 8. Husaren‐Regimentes ernannt. 

    Im  Feldzug  des  Dritten  Koalitionskrieges  im  Jahr  1805  befehligte  Kienmayer  am  Lech  ein selbstständiges Corps. In der Schlacht bei Austerlitz hatte Kienmayer als Avantgarde den linken Flügel und vor allem die erste Kolonne zu decken, die Tellnitz einnehmen sollte. Dies wurde auch erreicht, jedoch  zum  Preis  hoher  Verluste.  Grund  war  die  massive  Gegenwehr  der  Franzosen91  und  die langsame  Unterstützung  der  russischen  Kolonnen  unter  dem  Flügel‐Kommandanten  Buxhöwden. Nach  der  Einnahme  von  Tellnitz wurde  Kienmayer  in  seinem  Plan  rasch weiter  vorzustoßen  von Buxhöwden zurückgehalten, wodurch sich der Feind wieder neu ordnen konnte.92  

    Nach Abschluss des Pressburger Friedens wurde Kienmayer  zum Divisionär  in Olmütz ernannt und später nach Fünfkirchen versetzt, wo er bis Ende 1808 verblieb.  

    1809 wurde Kienmayer mit der Führung des II. Reservekorps betraut und nahm unter Erzherzog Carl an den Schlachten und Gefechten in Süddeutschland teil. Der Vormarsch der Franzosen konnte etwa im Gefecht von Ebelsberg bei Linz nur etwas verzögert werden. Kienmayer deckte den Rückzug93 und hatte  später die Ennslinie  zu verteidigen, damit die Truppen des Erzherzog Carl, die über Böhmen nach Wien geführt wurden, neu gesammelt werden konnten.94 Kienmayer übernahm schließlich  in der Schlacht bei Aspern das Kommando  seiner Division  im  zusammengelegten Reservekorps unter Fürst Liechtenstein95 und wurde in deren Relation als einer der Ausgezeichneten genannt.96  

                                                                85 Feldmarschall Friedrich Josias Prinz Coburg an den Hofkriegsratspräsidenten Graf Wallis am 2. Oktober 1793, abgedruckt in GEBLER, 1835, a.a.O. S. 310. 86 Günther SCHNEIDER, Hohenlinden 1800 – die vergessene Schlacht, S. 104. 87 Günther SCHNEIDER, a.a.O., S. 57 ff. 88 James R. ARNOLD, Marengo and Hohenlinden, Napoleon´s Rise to Power, 2005, S. 233 f. 89 Edward BAINES, History oft he Wars of the French Revolution, London 1818, S. 331. 90 Franz II. an seinen Bruder Erzherzog Johann, In: Günther SCHNEIDER, a.a.O., S. 92:  „Ich erwarte nun die ausführliche Relation des geschehenen Unglücks, … indem bei der Kolonne in Centro, die geworfen worden, unverzeihliche Fehler müssen, wie es scheint, vorgegangen sein …“ 91 Ian CASTLE, Austerlitz 1805,Oxford 2003, The Fate of Empires, Oxford , S. 45 ff. 92 Todd FISHER, The Napoleonic Wars, The Rise oft he Emperor 1805 ‐1807, Oxford 2001; S. 40. Robert GOETZ, 1805: Austerlitz. Napoleon and the Destruction of the Third Coalition, 2005, S. 122 ff.  93 J. W. RIDLER, Das Treffen bei Ebelsberg; In: Archiv für Geographie, Historie, Staats‐ und Kriegskunst, IV. Jg. Wien 1813, Nr 128 f. S. 551 ff. 94 Albert Freiherr von PILLERSDORFF, Das 57. Infanterie‐Regiment Fürst Jablonowski und die Kriege seiner Zeit, Wien 1857, S. 306 ff. 95 Friedrich von HELLWALD, Der Krieg in Süddeutschland Band II; In: Österr. Militärische Zeitung, Separatum, IV. Abschnitt, S.4. 

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    Relativ bald nach Aspern, am 18.  Juni, erhielt Kienmayer den Oberbefehl über das XI. Armeekorps, um  Böhmen  gegen  den  Einfall  zu  sichern.  Bisher war  Böhmen  von  zwei  kleineren  unabhängigen Einheiten gedeckt. Das erste mit einer Stärke von ca. 4200 Mann unternahm unter General‐Major Paul  von Radivojevich einen  Streifzug nach Bayreuth, ein  anderes  stand mit  ca. 5600 Mann unter General‐Major  Karl  Friedrich  Am  Ende  stand  in  Sachsen.  Durch  die  rasche  Annäherung  zweier Armeekorps des Königs  Jérôme Bonaparte  von Westfalen und des Generals  Junot war Böhmen  in ernste Gefahr geraten, in die kriegerischen Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden.  Gleich nachdem  Kienmayer  am  27.  Juni  den  Oberbefehl  über  Radivojevich  und  Am  Ende  übernommen hatte,  teilte  er das Korps Am  Ende   und  erteilte  Letzterem den Befehl bis Dresden und bei  einer weiteren Verfolgung bis an die böhmische Grenze zurückzugehen. 

    Mit dem verbliebenen kleinen Truppenteil konnte Kienmayer am 28. Juni auf der Anhöhe zwischen Nossen und dem Celler Wald Position beziehen und einen Angriff  des zahlenmäßig weit überlegenen Jérôme  Bonaparte  (14.000 Mann)  so  glücklich  zurückschlagen,  dass  damit  zumindest  das weitere Vorrücken  Jérômes  nach Dresden  verzögert wurde.  Jérôme  ging  schließlich weiter  nach Dresden, wovon  Am  Ende  sich  zurückzog.  Kienmayer  hingegen  ging mit  seinem  Korps  nach Westen  über Zwickau und Plauen nach Hof, wo er am 5. Juli eintraf; er versuchte nun, sich General Junot, der mit rund 8000 Mann von Bamberg heranrückte, noch so entgegen zu stellen und aufzuhalten, um eine Vereinigung mit  dem  aus Dresden wieder  zurückkommenden  Jérôme  zu  verhindern.  Radivojevich war  schon zuvor von Bayreuth nach Berneck gegangen und hatte den Befehl,  sich  im Engpass von Berneck  zu halten. Vom übermächtigen Gegner  zurückgedrängt musste Radivojevich  jedoch  in der Nacht vom 7. zum 8. Juli nach Gefrees weichen. 

    Kienmayer, der  seinen Marsch über Helmbrechts und Münchberg  fortsetzte,  traf am 8.  Juli gegen mittags rechtzeitig in Gefrees ein, sodass er dem bereits im Kampf engagierten Radivojevich zu Hilfe eilen  konnte.  Durch  diese  Verstärkung  standen  den  rund  8000  und  an  Kavallerie  und  Geschütz überlegenen  Franzosen  und  Bayern  nunmehr  7500  Österreicher,  Braunschweiger  und  Hessen gegenüber. Nach drei Stunden entschied Kienmayer den Kampf für sich. 

    Die  Schlacht  bei  Gefrees  blieb  die  einzige  auf  diesem  Kriegsschauplatz.97  Kienmayer  hatte  einen zahlenmäßig weit überlegenen Gegner getäuscht, auseinandergeführt und sogar einmal geschlagen, womit  er  seine  taktische  und  strategische Führungskraft  im  Krieg  ein  letztes Mal  unter  Beweis stellen  konnte.  Der  militärische  Auftrag  wurde erfolgreich  erfüllt,  Böhmen  war  gesichert,  Bayreuth, die  Lausitz,  das  Vogtland  und  ein  Großteil  Sachsens waren unter seiner Kontrolle. Jedoch wurde der Wert dieser gewonnenen Schlacht durch die Niederlage von Deutsch‐Wagram  am  5.  und  6.  Juli  wieder  zunichte gemacht.  Der  am  12.  Juli  in  Znaim  abgeschlossenen Waffenstillstand sicherte Böhmen zwar weiterhin den Frieden,  jedoch  mussten  die  wieder  belebten Hoffnungen  einzelner  deutscher  Fürsten,  vor  allem Hessens,  auf Wiedereinsetzung in ihre angestammten Länder auf gewisse Zeit begraben werden. 

    In  Anerkennung  dieser  Verdienste wurde  Kienmayer schließlich am 31. Juli 1809 zum General der Kavallerie befördert,  und  vom  Kurfürst  von  Hessen‐Kassel  mit dem  hessischen  Goldenen‐Löwen‐Orden  sowie  dem hessischen Militär‐Verdienstorden ausgezeichnet.  

                                                                                                                                                                                              96 Relation der Schlacht bei Aspern auf dem Marchfelde am 21. und 22. May 1809, S. 19; 97 Zum Gefecht bei Nossen und zur Schlacht von Gefrees siehe auch: Franz Joseph Adolph SCHNEIDAWIND, Der Krieg Oesterreich's gegen Frankreich, dessen Alliierte und den Rheinbund, Schaffhausen 1842, Band II. S 183 ff. 

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    Im Ordenskapitel vom  Jahr 1810 wurde Kienmayer  für seine wichtigen Leistungen  im Feldzug 1809 das Kommandeurkreuz des  Maria‐Theresien‐Ordens zuerkannt. Noch im Jahr 1809 wurde er zum Ad Latus  des  kommandierenden  Generals  in  Ungarn    bzw.  als  Inspekteur  der  Kavallerie  in  Ungarn ernannt. 1813 wurde er  Interims‐Kommandierender  in Galizien, 1814 schließlich kommandierender General  in  Siebenbürgen.  1816  erhielt  Kienmayer  die  geheime  Ratswürde.  1820  wurde  er kommandierender  General  für Mähren  und  Schlesien  in  Brünn.  Anlässlich  seines  fünfzigjährigen Dienstjubiläums am 16. November 1824  stiftete das  ihm unterstehende Offizierskorps eine  seinen Namen  führende  Stiftung  für  wohlverdiente  Soldaten  seines  Husarenregimentes.  Aufgrund unheilbarer Leiden war Kienmayer Ende 1826 gezwungen, seine militärische Karriere zu beenden und in den Pensionsstand zu treten. 

    Michael Kienmayer heiratete am 11. März.1801  in St. Augustin Katharina, die Tochter des Hofrates Auernhammer.98 Das Ehepaar hatte zwei Kinder: 

    Katharina, * 8.2.1802 in Fünfkirchen, + 16.5.1859 in Klausenburg. 

    Michael Johann Peter, * 4.9.1804, er starb allerdings bereits im 7. Lebensjahr.  

    Möglicherweise  ist  im  frühen  Tod  des  einzigen  Sohnes  der  Grund  zu  suchen,  warum  General Kienmayer trotz seiner Erfahrung und allseits geschätzten Fähigkeit seit dem Jahr 1809 nicht mehr im Felde stand. Zumindest ist es ein Erklärungsversuch, der auch schon 1835 im Nekrolog Kienmayers in der Österreichischen Militärischen  Zeitung  anklingt.99  Ein weiterer Grund,  sich  nicht mehr  auf  die Campagne einzulassen, mag auch die angegriffene Gesundheit Kienmayers gewesen sein. In seinem Testament ging Kienmayer ausdrücklich darauf ein und ersuchte seine Frau, die er mit seiner Tochter zu Universalerbinnen eingesetzt hatte, dass sein Leichnam nach dem Tode geöffnet werden sollte, vor allem wegen dem „Kehlkopf, weil meine Tochter die nämlichen Anstände öfter in ihrem Halse hat, die auch  ich hatte, und durch die Untersuchung  sich  leichter eine Heilmethode wird  finden  lassen.“ Die  Aufmerksamkeit  des  Vaters  für  seine  Tochter  wird  noch  von  einem  Postscriptum  nach  der Unterschrift  deutlich,  in  der  Kienmayer  am  Ende  der  Seite  angefügt  hatte:  „meine  Tochter  und meinen Schwieger‐Sohn küsse ich beyde noch zum letzten Mahle.“100 Ehefrau und Tochter würdigten den Toten schließlich auch am Grabmal, als „Held“ und „Mensch“. 

    Dies  galt  auch  bei  seinen  Kameraden,  wo  er  als  tapferer  Soldat  und  verwegener  Reiterführer geachtet war. Wegen seiner Umsicht und väterlichen Zuwendung war er zudem besonders bei den einfachen Soldaten sehr beliebt. Am 28.10.1828 starb General der Kavallerie Freiherr von Kienmayer in Wien nach langer und unheilbarer Krankheit. 

    General  Kienmayer  hat  noch  am  30.4.1821  in  Brünn  die  Hochzeit  seiner  Tochter  Katharina mit Leopold (Lipót) Graf Bethlen von Bethlen101 miterlebt. Nach dem Tod des Generals dürfte die Mutter ihrer  Tochter  Katharina  nach  Siebenbürgen  gefolgt  sein.  Der  Ehemann  Katharinas,  Leopold  Graf Bethlen, * 8.1.1800 in Hermannstadt, + 14.4.1861 in Klausenburg, war k.k. Kämmerer und der Enkel des  Hofkanzlers  von  Siebenbürgen  Gabriel  Graf  Bethlen  (gr.  Bethlen  Gábor),  der  nach  seiner Konversion  sogar  1765  in  den  Orden  vom  Goldenen  Vlies  aufgenommen  wurde  und  einen katholischen Zweig der Familie Bethlen gründete. Leopolds Vater  Joseph Graf Bethlen  (gr. Bethlen József) war als Schatzmeister ebenfalls mit einem wichtigen siebenbürgischen Hofamt bekleidet. 

       

                                                                98 JÄGER‐SUNSTENAU, a.a.O. 99 GEBLER, 1835, a.a.O. S. 289. 100 Testament Michael Frh. v. Kienmayer vom 23. Juli 1827, Kriegsarchiv, Sperrs‐Relation. 101 Zu diesem Zweig der Familie Bethlen und den Nachkommen Kienmayers dieses Namens siehe NAGY Iván, Band I., Pest 1857, S. 88 f.; MAGYAR NEMZETSÉGI ZSEBKÖNV, kiadja a Magyar Heraldikai és Genealógiai Társaság, Budapest 1888, I. rész, Főrangú családok, Grófok, bethleni Bethlen, B) Balázs ágazata, III. fő ág, első ág; http://genealogy.euweb.cz/hung/bethlen3.html  

  • 17 

    Aus der Ehe zwischen Katharina Kienmayer und Leopold Graf Bethlen entstammen die einzigen Enkel des Generals Kienmayer: 

    Michael Graf Bethlen von Bethlen, * 1821. Von ihm ist bisher bekannt, dass er ehelos blieb und von 1869 bis 1873 das Schloss Kottingbrunn besaß.102 

    Leopoldina Gräfin Bethlen von Bethlen, * 21.9.1826 in Brünn, + 29.3.1913 in Wien. Sie heiratete zum ersten Mal am 20.8.1847 den entfernt verwandten Franz Graf Bethlen   von Bethlen, Sohn des Franz Paul, Obergespan  von  Inner‐Szolnok,  *  1824,  +,  11.4.1893  in  Klausenburg,  von dem  sie  allerdings geschieden wurde. Leopoldinas zweiter Mann, den sie am 18.8.1867 heiratete, hatte ebenfalls eine gescheiterte  Ehe  hinter  sich,  es  war  ihr  Cousin  1.  Grades  Gabriel  Graf  Bethlen  von  Bethlen, Obergespan von Zaránd, * 12.2.1821 in Klausenburg, + 20.9.1900 in Klausenburg. Beide Ehen blieben kinderlos. 

    102 MAGYAR NEMZETSÉGI ZSEBKÖNV, a.a.O.; Kurt JANETSCHEK, Kottingbrunn im Wandel der Zeit (Chronik zur Markterhebung 1974), S.63 

    Placed on the Napoleon Series: January 2016