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Der Epikutantest r lndikation, Methodik, Möglichkeiten und Grenzen Wm*rt ffi. AW{$fi#*lr Der Epikutantest (ET) wurde bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals verwendet, um die Ursache eines allergischen Kontaktekzems zu klären, das inzwischen der Typ lV-Allergie (Allergie vom Spättyp, T-Zell vermittelte Allergie) nach Coombs und Gell zugeordnet wird. Das Verfahren wurde in der Folge methodisch weiter entwickelt und ist für diese Indikation fest etabliert. Es wird außerdem bei der Diagnostik der fotoallergischen Dermatitis und mit Einschränkung bei der allergischen Kontaktstomatitis eingesetzt. Der ET ist dann diagnostisch, wenn die Exposition gegenüber dem auslösenden Antigen an der Haut oder unter besonderen lokalen Gegebenheiten an der Schleimhaut erfolgt. Die nachfolgende Antigenpräsentation durch dendritische Zellen unter Beteiligung des Major Histicompatibility Complex ll (MHC ll) und Interleukin-2 (lL-2) führt zur Sensibilisierung naiver T-Lymphozyten und induziert deren Vermehrung. lnsbesondere bei Metallen kommt es vor, dass sie nach ihrer Aufnahme über die Haut oder Schleimhaut erst an anderer Stelle des Organismus durch Proteinbindung ein Vollantigen bilden. Man bezeich- net sie deshalb als Haptene (unvollständiges Antigen). Erfolgt die Sensibilisierung nicht in der Haut und/oder Schleimhaut ist der ET kein zuverlässiges diagnostisches Verfahren eine Typ lV-Allergie zu ktären. Bei allen nicht physiologisch benötigten Metallen kann dies relevant sein. Auch ist der ET nicht geeignet, Allgemeinsymptome und Befindlichkeitsstörungen zu klären oder den Zusammenhang solcher Beschwerden mit einer Spättypallergie auszuschließen, die durch die systemische Sensibilisierung von T-Zellen und die damit verbundene systemische Freisetzung proinflammatorischer Zytokine verursacht sind. Die Auswirkungen auf die Funktion des Neuroendokrinoimmunsystems (NEIS) müssen durch Verfahren untersucht werden, die in der Lage sind, systemische Effekte zu erfassen und zu klären. Der Lymphozytentransformationstest (LTT) hat diesbezüglich die diagnostischen Möglichkeiten entscheidend erweitert. Der ET ist ein diagnostisches Verfahren der Haut, mit dem nur solche Typ lV-Allergien untersucht werden kön- nen, die an der Haut und den Schleimhäuten entstehen und sich dort auch klinisch manifestieren. Schlüsselwörter: Epikutontest, Kontaktekzem, fotoallergische Dermatitis, Kontoktstomatitis,Typ IV-Aller- gie, Allgemei nsymptome, Lymphozytentransformationstest Der Göttinger Chemiker Stadler soll bereits 1847 den ersten Epi- kutantest (ET) mit unveränderten Antigenen (Anakardiazeen) durchgeführt haben, die er auf Löschpapier aufgetragen hatte ('l ). Einleitung 1895 stellte Josef Jadassohn eine Technik zur funktionellen Haut- prüfung auf dem Kongress der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft in Granz vor (2, 3). Sein Schüler Bruno Bloch, von 1916 bis 1933 erster Ordinarius für Dermatologie und Venerologie in Zürich, etablierte die Methode für den klinischen Gebrauch und u mwelt.medizin'gesellschaft | 24 | 2/2011

Der Epikutantest lndikation, Methodik, Möglichkeiten und Grenzen · 2016. 7. 4. · Abstract Patch Test - indication, method, advantages and Iimitation of the bioassay Patch test

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  • Der Epikutantest rlndikation, Methodik,Möglichkeiten und GrenzenWm*rt ffi. AW{$fi#*lr

    Der Epikutantest (ET) wurde bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals verwendet, um die

    Ursache eines allergischen Kontaktekzems zu klären, das inzwischen der Typ lV-Allergie (Allergie

    vom Spättyp, T-Zell vermittelte Allergie) nach Coombs und Gell zugeordnet wird. Das Verfahrenwurde in der Folge methodisch weiter entwickelt und ist für diese Indikation fest etabliert. Eswird außerdem bei der Diagnostik der fotoallergischen Dermatitis und mit Einschränkung beider allergischen Kontaktstomatitis eingesetzt. Der ET ist dann diagnostisch, wenn die Expositiongegenüber dem auslösenden Antigen an der Haut oder unter besonderen lokalen Gegebenheiten

    an der Schleimhaut erfolgt. Die nachfolgende Antigenpräsentation durch dendritische Zellenunter Beteiligung des Major Histicompatibility Complex ll (MHC ll) und Interleukin-2 (lL-2) führtzur Sensibilisierung naiver T-Lymphozyten und induziert deren Vermehrung. lnsbesonderebei Metallen kommt es vor, dass sie nach ihrer Aufnahme über die Haut oder Schleimhaut erst

    an anderer Stelle des Organismus durch Proteinbindung ein Vollantigen bilden. Man bezeich-net sie deshalb als Haptene (unvollständiges Antigen). Erfolgt die Sensibilisierung nicht in derHaut und/oder Schleimhaut ist der ET kein zuverlässiges diagnostisches Verfahren eine TyplV-Allergie zu ktären. Bei allen nicht physiologisch benötigten Metallen kann dies relevant sein.Auch ist der ET nicht geeignet, Allgemeinsymptome und Befindlichkeitsstörungen zu klärenoder den Zusammenhang solcher Beschwerden mit einer Spättypallergie auszuschließen, diedurch die systemische Sensibilisierung von T-Zellen und die damit verbundene systemischeFreisetzung proinflammatorischer Zytokine verursacht sind. Die Auswirkungen auf die Funktion

    des Neuroendokrinoimmunsystems (NEIS) müssen durch Verfahren untersucht werden, die in der

    Lage sind, systemische Effekte zu erfassen und zu klären. Der Lymphozytentransformationstest(LTT) hat diesbezüglich die diagnostischen Möglichkeiten entscheidend erweitert. Der ET ist ein

    diagnostisches Verfahren der Haut, mit dem nur solche Typ lV-Allergien untersucht werden kön-nen, die an der Haut und den Schleimhäuten entstehen und sich dort auch klinisch manifestieren.

    Schlüsselwörter: Epikutontest, Kontaktekzem, fotoallergische Dermatitis, Kontoktstomatitis,Typ IV-Aller-

    gie, Allgemei nsymptome, Lymphozytentransformationstest

    Der Göttinger Chemiker Stadler soll bereits 1847 den ersten Epi-

    kutantest (ET) mit unveränderten Antigenen (Anakardiazeen)durchgeführt haben, die er auf Löschpapier aufgetragen hatte ('l ).

    Einleitung 1895 stellte Josef Jadassohn eine Technik zur funktionellen Haut-prüfung auf dem Kongress der Deutschen DermatologischenGesellschaft in Granz vor (2, 3). Sein Schüler Bruno Bloch, von1916 bis 1933 erster Ordinarius für Dermatologie und Venerologie

    in Zürich, etablierte die Methode für den klinischen Gebrauch und

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  • Abstract

    Patch Test - indication, method, advantages and Iimitationof the bioassay

    Patch test is an established bioassay for diagnostics of contactdermatitis, photoallergic contact dermatitis and in some degreeof contact stomatitis caused by type lV allergy (delayed-typeallergy) corresponding classification of Coombs and Gell. lnthis case allergens penetrating skin and/or mucous membraneare presented by dendritic cells to naive T-lymphocytes cau-sing sensitation and proliferation of sensitized T-lymphocytesregulated by interleukin-2 (lL-2). Manifestations of type lVallergy in other organs or functional systems than skin andmucosa cannot be clarified by patch test. A fact especiallybeing important for metals not physiologically needed pene-trating skin and/or mucosa as haptens but finally forming anti-gens by protein binding at different places in the body. Thusgeneral symptoms may result caused by delayed-type allergyand systemic effects of proinflammatory cytokines by neuro-endocrine interaction. Method of choice for diagnostics ofsystemic effects is lymphocyte transformation test (LTT). Patchtest is only acceptable as,,scientific proof" of contact dermati-tis, photoallergic contact dermatitis, for some cases of allergicstomatitis and only therefore of medicolegal importance. Thevalidity of LTT concerning systemic effects of type lV allergycannot be controled by patch test.

    Keyword s: Patch test, conta ct de rmatitis, ph otoa I lerg i c dermatitis,contact stomatitis, type lV allergy, general symptoms, Iymphocytetransformation test.

    formulierte die erste Standardreihe mit den sieben Allergenen:Terpentin, Formaldehyd, Arnikatinktur, Sublimat, Chinin, Jodo-form und Primula obconica für den ET (4, 5). ln der weiterenFolge etablierte sich der ET als entscheidende diagnostischeMethode zur Abklärung von Kontaktallergien vom Ekzemtyp (Typ

    lV-Allergie, Allergie vom verzögerten Typ). Die Monographienvon Sulzberger, Wise (6), Spier (7), Bandmann, Dohn (B), Malten,Nater, van Ketel (9), Cronin (10), Bandmann, Fregert (1 1), Nater, deGroot (1 2), Fisher (13), de Groot (14) und Rycroft (15) haben hierzuwesentlich beigetragen.Die Präva lenzvon Konta ktekzemen ist in derAllgemei nbevölkeru ng

    bei Frauen mit 11 % mehr als doppelt so hoch als bei Männern,die zu 5 % betroffen sind (16). Die 1-Jahresprävalenz der All-gemeinbevölkerung liegt bei 7 o/o. Der ET gilt als einzige für dieRoutinediagnostik geeignete Methode zum Nachweis einer Sen-sibilisierung der Haut vom verzögerten Typ gegen einen Stoff.

    Indikation zum Epikutantestund Auswahl der Allergene

    Der ET ist bei klinischem Verdacht auf eine kontaktallergischeReaktion der Haut und/oder der hautnahen Schleimhäute infol-ge der Einwirkung von Antigenen oder Haptenen (Stoffe, die

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    nach Proteinbindung im Körper zu Allergenen werden) sowiebei nosologisch ungeklärten Ekzemen indiziert. Die akute Phaseder Erkrankung soll zum Zeitpunkt der Testung abgeklungensein. Ein wesentlicher Schwerpunkt des ET ist die Abklärungallergisch bedingter Berufsdermatosen insbesondere bei denBegutachtungen in versicherungsrechtlichen Verfahren (17).Weiter kann er genutzt werden, um die Verschlimmerung eineranderen Dermatose (2.8. Dermatitis atopica, Psoriasis vulgaris)infolge einer Typ-lV-Allergie nachzuweisen. Die Auswahl der zutestenden Allergene soll sich grundsätzlich an der Anamneseorientieren und die Substanzen berücksichtigen, die dabeiermittelt wurden. Tatsächlich greift man in der Regel auf dieStandardreihe zurück, die eine Auswahl von Allergenen ent-hält. lhre Zusammensetzung orientiert sich an den Angabender Deutschen Kontaktallergie Gruppe (DKG), der EuropeanSociety of Contact Dermatitis (ESCD) und der lnternationalContact Dermatitis Researche Group (ICGRG). Sie wird fortlau-fend aktualisiert und den Entwicklungen des Alltags und derBerufe angepasst. Daneben gibt es sogenannte ,,Spezialblöcke",in denen Allergene spezieller Berufsgruppen (2.8. Friseure) oderMaterialgruppen (2.8. Metalle, lndustriechemikalien) enthaltensind. Durch adäquate Lagerung (Kühlung, Lichtschutz, geschlos-sene Gefäße) sowie durch Beachtung des Verfallsdatums wird dieQualität der Testsubstanzen gewahrt (18-21).

    Methodik

    Der ET soll üblicherweise auf die paravertebrale Regiondes Rückens 2-4 cm von der Medianlinie mit vorgefertigtenTestpflastern aufgetragen werden. Sie enthalten umschriebeneMetallplättchen oder Läppchen (2.8. Finn Chambers on Scanpor,Al-Test), auf die die Testsubstanzen aufgebracht werden oderin Gel eingebrachte Teststoffe (TRUE Test: thin-layer rapid-useepicutanous test). Die Allergene müssen fest aufliegen und ihreMenge soll ausreichen, genügend Kontakt mit der Epidermiszu gewährleisten. Die Mehrzahl der Testsubstanzen steht nachklinischer Prüfung in kommerziell angebotenen Präparationenmit standardisierter Dosis und Grundlage zur VerfügunS Q2).Auf der Haut nicht erkrankter und sensibilisierter Personen sol-len durch die verwendeten Konzentrationen der Stoffe keineReaktionen ausgelöst werden. Gelegentlich müssen originaleMaterialien der Patienten getestet werden. Dabei ist es sinnvoll,Testreihen mit unterschiedlichen Konzentrationen in bewährtenGrundlagen einzusetzen, um zuverlässiger irritative Effekte (s.u.)

    von Reaktionen vom Ekzemtyp unterscheiden zu können (23).

    Testablauf und Interpretation

    Die Allergenexposition soll 24 oder 48 h betragen. Es bestehtkein qualitativer Unterschied, der für den kürzeren bzw. längerenZeitabstand der Exposition spricht. Die erste Testablesung soll30 Minuten nach der Entfernung des Testpflasters erfolgen. BeiVerdacht auf eine Fotodermatose erfolgt zu diesem Zeitpunktdie Belichtung mit der vermuteten Wellenlänge. Die zweiteTestablesung 72 h nach dem Auftragen des Tests ist obligat. Siekann bei unklaren Befunden durch eine Testablesung nach 96 hsowie darauf folgende Spätablesungen ergänzt werden, wenn

  • 5ymbol Morphe Bedeutuno

    keine Reaktion negativ

    1 nur Erythem, kein lnfiltrat fraglich positiveallergische Reaktion

    + Erythem, lnfiltrat,evtl. diskrete Papeln

    einfach positiveallergische Reaktion

    ++ Erythem, lnfiltrat, Papeln,Vesikel

    zweifach positiveallergische Reaktion

    +++ Erythem, lnfiltrat,konfluierende Vesikel

    dreifach positiveallergische Reaktion

    II verschiedene Veränderungen:(Seifeneffekt, Vesikel, Blasen,Nekrosen)

    irritativ

    nt in einem Testblockenthaltenes, aber nichtgetestetes Allergen

    Tab. I : Beurteilung von Epikutantestreaktionen nach Empfehlung der ICDRG (1 9)

    keine zuverlässige Unterscheidung zwischen irritativer und all-ergischer Reaktion möglich ist (19-21). Die irritative Testreaktionnimmt in der Regel ab der ersten Ablesung nach Entfernungdes Testpflasters ab (Decrescendotyp). Bei kontaktallergischerReaktion bleibt sie bis zur zweiten Testablesung wenigstens kon-stant oder nimmt zu (Crescendotyp). Auch durch morphologischeCharakteristika ist eine bessere Unterscheidung möglich (24).lrritative Effekte zeichnen sich durch ihre scharfe Begrenzung,follikuläre Veränderungen, Vesikel, Blasen sowie Petechien bishin zu Nekrosen aus, während Typ lV-Allergien mehr homogenelnfiltrate verursachen, die je nach 5tärke der Reaktion Papeln undVesikel enthalten können (19-21 ,24; siehe Tab. 1).

    EinschränkungenUngenauigkeiten,rnqen und Risiken

    Der ET wird auch bei Reaktionen an den angrenzenden Schleim-häuten der Haut angewendet. Die Abklärung der Kontakt-stomatitis stellt eine solche lndikation dar. Die Relevanz desET wird in diesem Zusammenhang eingeschränkt gesehen (5).Um diese Situation zu verbessern, hatte man versucht, ein demET entsprechendes Verfahren an Schleimhäuten zu entwickeln.Die Konzentration der Stoffe musste bei der Testung an denSchleimhäuten um den Faktor 6-12 höher liegen als bei dem ET(25). Dies bedeutet auch, dass zur Auslösung des klinischen Bildesan der Schleimhaut sehr hohe lokale Konzentrationen erreichtwerden müssen. Dies wird in der Mundhöhle wegen des raschenAbtransports der Allergene nur unter bestimmten Gegebenheitenerreicht (Abb. i und 2). ln eigenen Untersuchungen konnte einegute Übereinstimmung von Klinik und Testergebnis bei derVerursachung von Dentalmetallen nur dann erreicht werden,wenn Spangen und Gaumenplatten an der Schleimhaut flächigaufliegen und das auslösende Allergen in hoher Konzentrationlokal konstant einwirken kann (Abb. 1 und 2). Bzgl. der Spezifitätdes ET zur Abklärung des Lichen mucosae und den licheno-iden Reaktionen der Mundschleimhaut gibt es widersprüchliche

    Angaben (26,27). Den Stellenwert einer conditio sine qua non hatdas Verfahren in diesem Zusammenhang nicht erreicht (5, 25).Der ET soll nicht während der Schwangerschaft durchgeführtwerden. Bei floriden Ekzemen, während und nach UV-Expositionbzw. topischer Anwendung von Glukokortikoiden können dieErgebnisse ebenso verfälscht werden wie durch die Einnahme vonimmunsuppressiven oder immunmodulierenden Medikamentenwie Gl u kokorti koide, Ciclospori n u nd Zytostati ka (20, 21).

    Durch den ET kann iatrogen eine Sensibilisierung verursacht oderein Aufflammen (flare up) eines bestehenden Ekzems ausgelöstwerden. Bei unklarem Testergebnis soll eine Testwiederholungfrühestens nach 2 Monaten erfolgen. Die Verwendung toxischerbzw. kanzerogener Testsubstanzen kann zu unkalkulierbarenRisiken führen (20, 21).Treten bei einem ET eine Vielzahl positiver Reaktionen auf, sprichtman von einem angry back syndrome oder excited skin syndrome(28-30). ln diesem Fall sind die Testreaktionen mit Zurückhaltungzu interpretieren. lnwieweit es sich um lntoleranzreaktionen ohnelnterleukin-2 (lL-2) Beteiligung handelt, die eine unspezifische,aber hochgradige Empfindlichkeit der Patienten anzeigen kön-nen, ist nicht hinreichend untersucht. Bei Patienten, die an einemhämatogen gestreuten Kontaktekzem erkrankt waren, könnendurch die Testung generalisierte Symptome ausgelöst werdenQA, 21). Patienten, die an hochgradiger Chemikalienempfind-lichkeit (Multiple Chemical Sensitivity, MCS) infolge inhalativer

    Abb. 1: Kontaktallergische Reaktion des caumens (Typ lV-Allergie) durch Nicht Edel-metall (NEM) Gaumenplatte. Epikutantest auf Nickel positiv (++)

    Abb. 2: NEM Gaumenplatte (ähnlich derjenigen, die im Fall der Abb. I verwendetwurde)

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  • und/oder perkutaner Aufnahme der Noxen leiden, stellt derET ein Provokationsverfahren dar, das zu schweren Allgemein-symptomen führen kann, ohne dass allergische oder toxischekutane Testreaktionen zu beobachten sind. Bei diesen Patienten

    stehen die systemische Aktivierung von NF-rB und die Freiset-zung von IFN-y ohne Beteiligung von lL-2 im Vordergrund (31). Für

    diesen Mechanismus ist die Epikutantestung nicht diagnostisch'

    Bei wiederholterTestung (2.B. bei mehrfacher Begutachtung) kön-

    nen zuvor positive Testreaktionen negativ ausfallen. Man spricht

    in diesem Fall von lost reactions (32). Die klinische Relevanz frühe-

    rerTestergebnisse ist in diesen Fällen nicht widerlegt.

    Was der Epikutantestnicht leisten kann

    Der ET ist das diagnostischeVerfahren, das eineTyp lV-Allergie der

    Haut abklären kann, die sich infolge der Antigenaufnahme in die

    Haut, die dort stattfindende Antigenpräsentation des Antigensdurch dendritische Zellen (Langerhans-Zellen) und das Klonen

    sensibilisierter T-Zellen infolge Stimulation durch lL-2 entwickelt

    hat. Nur mit Einschränkung ist der ETzur Klärung von Beschwerden

    der Schleimhäute geeignet (5,23,33). Er ist nicht geeignet, die

    Gründe für Allgemeinsymptome zu untersuchen bzw. die syste-mische Verursachung solcher Symptome durch eine T-Zelle ver-

    mittelte Allergie zu widerlegen. Die Symptomatik entwickelt sich

    in dem funktionellen System, in dem die Antigenpräsentation,die Sensibilisierung und das Klonen von T-Lymphozyten erfolgen.

    Systemische Reaktionen müssen durch Verfahren untersuchtwerden, die das Verhalten der relevanten Zellen der jeweiligen

    funktionellen Systeme prüfen können (34).

    Bei der Diagnostik der Arzneimittelallergie werden Möglichkeiten

    und Grenzen der ETdeutlich (35). Die Sensibilisierung auf Arzneien

    kann durch ET in der Regel zuverlässig nachgewiesen werden,wenn diese therapeutisch auf der Haut angewendet wordensind, wie dies beispielsweise bei der Behandlung chronischerDermatosen oder von Geschwüren der Fall ist. Werden Arzneien

    oral oder intravenös zugeführt, ist der ET selbst dann unzuverläs-

    sig, wenn ein klarer anamnestischer Bezug zwischen Anwendung

    des Medikaments und der Entwicklung eines Arzneiexanthemsherzustellen ist. Der Lymphozytentransformationstest (LTT) hat

    die diagnostischen Möglichkeiten der Abklärung der Ursachenvon Arzneiexanthemen wesentlich verbessert. Dieser Sachverhalt

    trifft immer dann zu, wenn das Allergen erst im Körper gebildetbzw. nicht in der Haut oder Schleimhaut präsentiert wird (36)1.

    Schlussfolgerungen

    Der Epikutantest ist ein dermales Testverfahren, das geeignet ist,

    Typ lV-Allergien ursächlich abzuklären, die sich an der Haut und/

    oder den angrenzenden Schleimhäuten entwickelt haben. Die

    Testung kann falsch positiv und falsch negativ ausfallen und ist

    selbst in der Lage de novo Sensibilisierungen zu verursachen.

    1) lm dem Beitraq,,Umwelt Zahnl\4edizin in der Praxis" fiindet sich eine Falldarstellung,welche die Problematik des ET bei Fragen der systemischen Sensibilisierung veranschau-

    licht (in diesem Heft ab S. 1 29 fl).

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    Die Reproduzierbarkeit der Testergebnisse ist bei symmetri-scher Testung mit identischen Stoffen nicht optimal (37-a0). DieSensitivität der Methode liegt zwischen 56 und 92o/o (38, 39,41). Die Ratio nicht reproduzierbarer Reaktionen wird mit 4,2 bis43,8o/o angegeben (40,41). Der ET ist zur Untersuchung syste-mischer Krankheitserscheinungen, von Befindlichkeitsstörungensowie in diesem Zusammenhang als Kontrollverfahren für den LIT

    ungeeignet. Der negative ET lässt den Schluss nicht zu, dass sol-

    che Symptome nicht durch eine T-Zell vermittelte Sensibilisierung

    verursacht sind. Die mit einer solchen systemischen Reaktioneinhergehende chronische Freisetzung proinflammatorischer

    Zytokine ist in der Lage, die Funktion des NEIS zu deregulierenund ein vielfältiges Beschwerdebild zu induzieren, das nicht psy-

    chogen verursacht ist, sich allerdings auf das psychische Befinden

    der Patienten erheblich auswirken kann (42,43). Beim LTT istwiederum damit zu rechnen, dass er bei ausschließlich kutanerManifestation einer Typ lV-Allergie falsch negativ ausfällt, wenn

    keine sensibilisierten T-Lymphozyten bzw. Gedächtniszellen(memory cells) in Zirkulation gegangen sind.

    Kontakt:

    Dr. Kurt E. MüllerMozartstraße 1687435 KemptenTel.:0831/ 5126729Fax: Q831 / 5409294E-Mail: [email protected]

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