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Universität Mannheim
Philosophische Fakultät
Seminar für Deutsche Philologie
Neuere Germanistik II: Lehrstuhl für Neuere Deutsche
Literaturwissenschaft und qualitative Medienanalyse
Der Erkenntnisgewinn in
politischen Talkshows
Gefahren, Fehler und Optimierungschancen
Magisterarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades eines Magistra Artium M.A.
im Fach Germanistik
Prüfer: Prof. Dr. Jochen Hörisch
vorgelegt von:
Katharina Hannah Singer
Mannheim, den 09. Dezember 2010 (HSS 2010)
Sperrvermerk
Sperrvermerk
Die nachfolgende Magisterarbeit enthält vertrauliche Informationen. Veröffentlich-
ungen oder Vervielfältigungen – auch nur auszugsweise – sind ohne ausdrückliche
schriftliche Genehmigung der Verfasserin nicht gestattet.
Inhalt
III
Inhalt
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................................... IV
TABELLENVERZEICHNIS .................................................................................................................. IV
EINLEITUNG ............................................................................................................................................ 1
1 ERKENNTNISGEWINN UND TALKSHOW .............................................................................. 3
1.1 DEFINITION ERKENNTNISGEWINN .................................................................................... 3
1.2 DIE POLITISCHE TALKSHOW ............................................................................................. 4
1.2.1 Die Definition des Genres Talkshow ................................................................................... 4
1.2.2 Die geschichtlichen Anfänge der Talkshow ....................................................................... 11
1.2.3 Die inszenierte Talkshow-Politische Werbung, Selbstdarstellung und der Vorwurf der
Inszenierung ..................................................................................................................................... 19
1.2.4 Die politische Talkshow als Unterhaltungsformat – Politainment Segen oder Fluch? ...... 28
1.3 DIE ENTSTEHUNG EINER POLITISCHEN TALKSHOW ........................................................ 35
2 DIE BEEINFLUSSUNGSFAKTOREN DES ERKENNTNISGEWINNS ................................ 39
2.1 DIE METHODE UND ENTWICKLUNG DER ANALYSEKRITERIEN ....................................... 39
2.1.1 Die Definitionen der Analysekriterien ............................................................................... 41
2.1.2 Forschungsgegenstand ....................................................................................................... 49
2.2 DIE ANALYSE................................................................................................................. 54
2.2.1 Sendungskonzept ............................................................................................................... 54
2.2.2 Gästeauswahl ..................................................................................................................... 58
2.2.3 Ergänzende Elemente ......................................................................................................... 63
2.2.4 Sitzordnung ........................................................................................................................ 67
2.2.5 Gesprächsverlauf ................................................................................................................ 71
2.2.6 Zeitmanagement ................................................................................................................. 77
2.2.7 Rederecht ........................................................................................................................... 79
2.2.8 Grad der Verständlichkeit .................................................................................................. 81
2.2.9 Gesprächsdynamik ............................................................................................................. 85
2.2.10 Sprachliche Interaktion ................................................................................................. 86
2.3 DAS ERGEBNIS DER ANALYSE........................................................................................ 95
2.4 DER BEEINFLUSSUNGSGRAD DER ANALYSEKRITERIEN – BESTIMMUNG POTENZIELLER
GEFAHRENQUELLEN FÜR DEN ERKENNTNISGEWINN .............................................................................. 96
2.5 DIE SENDUNG MIT ERKENNTNISGEWINN ........................................................................ 97
3 DIE SUBJEKTIVE SICHTWEISE - TALKSHOWMACHER ÜBER DEN
ERKENNTNISGEWINN ........................................................................................................................ 99
3.1 DER INTERVIEWLEITFADEN ......................................................................................... 100
3.2 DIE ERGEBNISSE .......................................................................................................... 104
4 FAZIT ........................................................................................................................................... 116
LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................................................ IV
ANHANG.................................................................................................................................................... X
EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG ............................................................................................XLVI
Abkürzungsverzeichnis
IV
Abkürzungsverzeichnis
ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der
Bundesrepublik Deutschland
BKK Betriebskrankenkasse
CSU Christlich-Soziale Union in Bayern
DDR Deutsche Demokratische Republik
DFF Der Deutsche Fernsehfunk
epd Evangelischer Pressedienst
FDP Freie Demokratische Partei Deutschlands
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Sat1 Satelliten Fernsehen GmbH
SWR Südwestrundfunk
USA United States of America
WDR Westdeutscher Rundfunk
ZDF Zweites Deutsches Fernsehen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Übersicht der Analyseergebnisse .................................................................... 95
Einleitung
1
Einleitung
Ein Rundfunkgebührenzahler dürfe auf das Programm schimpfen, sei aber nicht
klageberechtigt, so das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts im August 2010. Ein
GEZ-Zahler hatte geklagt, er wollte dem WDR durch eine einstweilige Anordnung die
Vertragsschließung mit Günther Jauch als neuem Talkshowmaster der ARD vorläufig
untersagen lassen. Die neue Sonntagabendtalkshow bringe, so der Kläger, erhebliche
Mehrkosten. Dies sei eine Verschwendung der Rundfunkgebühren. Das Gericht lehnte
die Klage ab.1
Deutschland ist im Talkshow-Rausch. Ab Herbst 2011 geht Günther Jauch mit einer
neuen politischen Talkshow auf Sendung und der Zuschauer hat ab diesem Zeitpunkt
allein in der ARD jeden Abend einen Termin zum Talk. „Qualitätsführerschaft im
deutschen Fernsehen“2 nennt ARD-Programmdirektor Volker Herres den Grund für
diese Talkshowflut. Aber ein Wort wie Qualitätsführerschaft steckt einen sehr
hochgegriffenen Erwartungshorizont, schließlich müssen für die neue Talkshowfülle
selbst Dokumentationen aus dem Programm verschwinden und politische Magazine den
Sendeplatz wechseln. Angesichts dessen stellt sich die Frage: Was können Talkshows
leisten und was wollen wir vor allem aus all diesen Talkshows Neues gefahren? Denn
kaum sind die neuen Sendeplätze verteilt, zeichnet sich ein erbitterter Konkurrenzkampf
um Gäste und Themen ab. Das Problem: Können in Zukunft zu einer begrenzten Anzahl
an Themen der Woche, das immer gleiche Gästeinventar und Talksendungen auf jedem
Sender überhaupt noch neue Erkenntnisse bringen? Oder ist dies gar nicht der Anspruch
der Talkshowmacher?
Politische Talksendungen beherrschen mittlerweile stärker die politische Agenda als der
Deutsche Bundestag. Das zumindest konstatierte Cordt Schnibben 2008 im Spiegel3.
Politiker verfolgen in einer Talkshow das klare Ziel ihre Botschaften zu platzieren und
politische Talkshows sind Unterhaltungsformate, das steht außer Frage. Dennoch wird
der Begriff des Erkenntnisgewinns immer noch gerne bemüht, wenn es um die
Bemessung einer gelungen Talkshow geht, Talkshowmacher rühmen sich hart
1 Vgl.: Spiegel online (23.08.2010): Jauch ist keine Verschwendung. Klage gegen ARD gescheitert. 2 Huber, Joachim (02.12.2010): Qualität ist machbar. Und die ARD weiß auch, wie – mit einer Talkshow-
Offensive. 3 Vlg.: Schnibben, Cordt (26.05.2008): Die 60 Minuten-Demokratie.
Einleitung
2
nachzufragen und auch außerhalb der Politikerbotschaften einen Mehrwert, einen
Erkenntnisgewinn, für den Zuschauer zu schaffen. Aber oftmals bleibt dieser ein
unerreichtes Ziel. Die Kritiken prangern wöchentlich den geringen Erkenntnisgewinn an
und werfen den Moderatoren sogar Erkenntnis zerstreuendes Handeln vor.
Welchen Stellenwert darf der Erkenntnisgewinn heute für sich in einer politischen
Talkshow beanspruchen? Und von welchen Faktoren ist ein Erreichen dieses abhängig?
Fragestellungen, die nicht aktueller hätten sein können. Die vorliegende Magisterarbeit
möchte sich in ihrer Untersuchung diesem Thema widmen.
Beginnen möchte die Arbeit im ersten Teil mit Definitionen der wichtigsten
Begrifflichkeiten, sowie einer Betrachtung des Genres Talkshow und der sich aus dieser
Thematik ergebenen Bezüge und Fragestellungen in Hinblick auf einen
Erkenntnisgewinn.
Um die Bedeutung und Umsetzbarkeit des Erkenntnisgewinns zu untersuchen, wird im
Anschluss im zweiten und dritten Teil der Arbeit eine zweiteilige Untersuchung
durchgeführt. Dazu werden zunächst, anhand einer speziell für diese Arbeit
entwickelten Analysemethode die Faktoren bestimmt, die den Erkenntnisgewinn einer
politischen Talkshow beeinflussen und gefährden können. Diese Untersuchung geht von
dem in der Öffentlichkeit formulierten Erkenntnisanspruch an dieses Genre aus und
wertet den Erkenntnisgewinn als ein wichtiges Element einer gelungenen Sendung.
Zudem wird der Beeinflussungsgrad der den Erkenntnisgewinn fördernden oder
verhindernden Faktoren bestimmt.
Um ein für zukünftige Sendungen anwendbares Ergebnis zu erhalten, ist es neben der
wissenschaftlichen Analyse des zweiten Teils wichtig, auch die subjektive Sicht, die
Erfahrungen der Experten aus der Praxis mit einzubeziehen. Somit wird in einem
nächsten Schritt die Bedeutung des Erkenntnisgewinns für die Sendungsmacher
ermittelt. Befragt wurden Talkshowmacher aktuell programmbestimmender Sendungen,
nach ihrem Verständnis und Umgang mit der Thematik Erkenntnisgewinn.
Zielsetzung der Magisterarbeit ist es die Bedeutung des Erkenntnisgewinns für
politische Talkshows zu untersuchen. Dazu werden Fragestellungen und Problematiken,
die sich aus dem Genre Talkshow in Bezug auf den Erkenntnisgewinn ergeben,
dargestellt, die Beeinflussungs- bzw. Gefährdungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
bestimmt und sein Stellenwert für die politische Talkshow untersucht.
Erkenntnisgewinn und Talkshow
3
1 Erkenntnisgewinn und Talkshow
Ist eine Symbiose von Erkenntnisgewinn und politischer Talkshow möglich? Dieser
Fragestellung will sich die Magisterarbeit widmen. Im ersten Teil wird dazu eine
Annäherung an die Begriffe Erkenntnisgewinn und Talkshow unternommen, sowie das
Genre Talkshow beleuchtet und in Hinblick auf Erkenntnisgewinn beeinflussende
Fragestellungen untersucht. Dieser erste Teil der Arbeit bildet die Grundlage für die
späteren Analysen.
1.1 Definition Erkenntnisgewinn
Der Begriff Erkenntnisgewinn ist als eine in der deutschen Sprache gebräuchliche,
jedoch nicht in den Standardwörterbüchern gelistete Formulierung zu bezeichnen.
Allgemein ist unter Erkenntnisgewinn jede Art von Zugewinn einer Erkenntnis, jede
neue Erkenntnis zu verstehen. Als Erkenntnis ist, „die Gewinnung von Einsichten
darüber, wie es sich wesentlich mit einer Sache verhält; die Tätigkeit des Verstandes,
mit der sich dieser als Erkenntnis-Subjekt einem Erkenntnisgegenstand gegenüber
konstituiert und ihn begrifflich durchdringt“ 4 zu verstehen. Wie schon in der Literatur
von Goethe und Schiller formuliert, gilt auch heute noch, dass neue, aufstrebende
Erkenntnis die Menschen zur Teilnahme anregt, und man es somit, als seine
Bestimmung bezeichnen könnte5 „Erkenntnisse zu erwerben und aus Erkenntnissen zu
handeln“6.
Für die Arbeit muss der Erkenntnisgewinn genauer definiert und für den hier
vorliegenden Fall als ein spezieller Erkenntnisgewinn formuliert werden. Die
Zielsetzung der politischen Talkshow ist, so der an sie gerichtete Anspruch, eine
Beantwortung oder Annäherung an die in der Sendungsfragestellung formulierte
Thematik. Als der in der Arbeit zu untersuchende Erkenntnisgewinn ist das Ergebnis
der Fragestellung zu definieren. Wird die Eingangsfragestellung und somit die mit ihr
formulierte Thematik im Laufe der Talkshow ausreichend erörtert und kann zum Ende
der Sendung als beantwortet oder mindestens teilweise beantwortet, bewertet werden?
4 Goldmann Lexikon (1998), S. 2768 5 Vgl.: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (Online Ausgabe): Sp. 871 6 Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (Online Ausgabe): Sp. 871
Erkenntnisgewinn und Talkshow
4
Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um einen einzelnen Gesamterkenntnisgewinn
handeln, sondern vielmehr sind auch mehrere Erkenntnisgewinne möglich.
1.2 Die politische Talkshow
Die vorliegende Magisterarbeit möchte will der Frage nachgehen welche Bedeutung
dem Erkenntnisgewinn in politischen Talkshows zukommt und welche Faktoren diesen
beeinflussen.
Das Genre der Talkshow zählt zu einem relativ jungen Sendungsformat. Die politische
Talkshow bildet eine Spezifizierung dieses Formats. Es sei ist hier festzuhalten, dass es
sich bei dem Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ausschließlich um
politische Talkshows handelt, daher sind die angestellten Untersuchungen
ausschließlich auf diese Untergruppe der Talkshows beschränkt worden.
1.2.1 Die Definition des Genres Talkshow
Sucht man in der wissenschaftlichen Forschung nach allgemeingültigen Definitionen,
werden schnell Grenzen deutlich. Bei genauerer Betrachtung wird klar, dass ein stetiger
Wandel des Genres gerade erst formulierte Definitionen nach kürzester Zeit als veraltet
oder zumindest erweiterbar erschienen erscheinen ließ. Anfängliche Versuche,
möglichst detaillierte und differenzierte Kriterien zu schaffen, wurden, zugunsten
allgemeinerer Formulierungen bald verworfen. Aber nicht nur der Wandel macht eine
Definition schwierig, sondern auch die Vielfalt dieses Genres. Zahlreiche
Variationsmöglichkeiten inhaltlicher und gestalterischer Art verhindern eine
einheitliche Definition und Mischformen erschweren eine klare Abgrenzung zu anderen
Programmgenres.7 Somit ist festzuhalten, dass Talkshowtypologien grundsätzlich mit
Vorsicht zu betrachten sind. Da aktuelle Moden, zum Zeitpunkt der Entstehung, sowie
Themenkonjunkturen die Entwicklung beherrschen, sind sie nur von vager
Definitionskraft und sollten somit immer auf den Prüfstand gestellt und falls nötig den
aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.8
7 Vgl.: Foltin (1994), S. 73 8 Vgl.: Keller (2009), S. 21
Erkenntnisgewinn und Talkshow
5
Wie bereits beschrieben, ist eine Ursache, die eine klare einheitliche Definition
unmöglich macht, die schwer zu fassende Vielfalt, die eine Talkshow auszeichnet. Als
Beispiel sei hier, die dem Genre der Talkshows mit politischen und
gesellschaftskritischen Themen zuzuordnende Sendung Menschen bei Maischberger
(seit 2003, ARD) zu nennen. Wie der Kritiker Reinhard Lüke zur 200. Sendung
konstatierte, sei es selbst bei einer einzigen Sendereihe schwer das Dargebotene auf eine
Definition zu bringen: „Menschen bei Maischberger bleibt die diensttägliche
Wundertüte im Ersten. Mal sitzen da fünf Gäste im Kreis, mal sind es nur zwei […],
mal geht es launig zu, mal ernst und mal überzeugt die Moderatorin durch eine präzise
Gesprächsführung, um in der nächsten Sendung den Dingen einfach ihren Lauf zu
lassen.“9
Ein scheinbar einfaches Konzept mit einer unendlichen Fülle an Gestaltungs-
möglichkeiten, so könnte man eine Talkshow beschreiben:
Variierbarkeit der Gästeanzahl
Variierbarkeit der Themenwahl
Saalpublikum vs. intime Atmosphäre
Große Variation bei der Ortswahl
Gruppengeplauder vs. Einzelgespräche
Mit Showeinlagen vs. puristisch
Alle diese Komponenten können beliebig kombiniert werden. Und wie das Beispiel,
ebenfalls die Sendung Menschen bei Maischberger betreffend zeigt, ist selbst das
Vorhandensein des namengebenden Moderators keine zwingende Notwendigkeit. Denn
als Sandra Maischberger 2007 in Mutterschaftsurlaub ging, ließ sie sich für Wochen
von wechselnden Kollegen vertreten. Zudem gibt es eine Reihe von Sendungen bei den
der Wechsel der Moderatoren sogar Teil des Konzeptes ist: u. a. Unter 4 Augen,
Bayrischer Rundfunk oder Wortwechsel Südwestrundfunk. 10
Auch wenn die Vielfalt der Möglichkeiten und eine schnelle Entwicklung des Genres,
jeden Versuch einer allgemeinen Zustandsbeschreibung oder einer zeitlosen
9 Lüke (30.09.2008): Die Frau mit der Wundertüte. 10 Vgl.: Keller (2009), S. 13f.
Erkenntnisgewinn und Talkshow
6
universellen Typologie11 weitgehend verhindern, wurde im Laufe der Zeit immer
wieder versucht, die Merkmale des Genres fassbar zu machen.
Aber zunächst einige Worte zur Wortherkunft des Begriffes Talkshow. Das Wort
Talkshow lässt sich aus den beiden Wörtern Talk und Show ableiten. Talk stammt von
dem englischen Verb to talk ab und ist mit reden oder sprechen zu übersetzen. Show
bedeutet in den USA nichts anderes als Sendung, oder bezeichnet auch als der englische
Ausdruck für Revue, Bühnendarbietungen mit Musikern, Künstlern oder Ähnlichem.
Als Talkshow lässt sich also vereinfacht eine Sendung bezeichnen, die vom
gesprochenen Wort dominiert wird.12 Oder, wie Brian G. Rose es 1985 formuliert:
„They are, obviously, televised broadtcasts of conversation […].”13 Eine gewisse
Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass der Begriff Talkshow zwar aus dem
Angelsächsischen übernommen wurde, aber für Deutschland abweichend besetzt, d. h.
zu Beginn der Talkshowgeschichte erheblich eingeengt14 und im Laufe der Entwicklung
in unterschiedliche Richtungen variiert wurde. Bezeichnet man die Show als eine
Gattung, so wäre die Talkshow als ein Genre dieser zu bezeichnen. Die Talkshow selbst
setzt sich jedoch wiederum aus diversen Subgenres zusammen, die nicht immer klar
definierbar sind, da weil sich häufig Überschneidungen und somit Mischformen
ergeben.15 Talkshow bezeichnet laut Lexikonadefinition eine „unterhaltende
Fernsehsendung (entstanden in den USA), in der ein Moderator (Talkmaster) seine
Gäste zu verschiedenen Themen befragt, wobei die Mischung der Gäste häufig den
Unterhaltungseffekt ergibt.“16
Constantin von Barloewen und Hans Brandenberg versuchten nach der Übernahme
dieser Sendeform für den deutschen Markt, Anfang der 70er Jahre den Begriff Talkshow
weiter einzuengen. Ihren Untersuchungen nach hat eine Talkshow folgende konstitutive
Sendungsm erkmale17:
11 Vgl.: Löffler (2002), S. 2321 12 Vgl.: Keller (2009), S. 15 13 Ebd., S. 15 14 Vgl.: Ebd., S. 15 15 Vgl.: Ebd., S. 20 16 Brockhaus Enzyklopädie online 17 Vgl.: Foltin (1994), S. 69
Erkenntnisgewinn und Talkshow
7
1. „Der Seriencharakter der Sendung. Nur wenn die Sendung in regelmäßigem
möglichst häufigem Rhythmus wiederkehrt, etabliert sie sich im Bewusstsein
der Zuschauer als eine feste Einrichtung.
2. Die zentrale Figur des Gastgebers. Der Talkm Master, mehr als der eine oder
andere Gast, prägt die Sendung, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Er
repräsentiert die Sendung; wird zum Star, zum Identifikationsobjekt.
3. Das Talk Show-Gespräch ist nicht Sachgespräch, sondern personenbezogen.
Nicht der Fachmann, der Spezialist ist als Gast geeignet, sondern vor allem
derjenige, der als Person interessant ist. Die Diskussion einzelner Themen steht
nicht im Mittelpunkt und soll das Hauptanliegen, die Charakterisierung von
Personen, nicht verdrängen.“18
Für ergänzungsbedürftig und teilweise nicht mehr zeitgemäß hielt diese
Sendungsmerkmale Hans-Friedrich Foltin. So hält er Mitte der 90er Jahre am Merkmal
des Seriencharakters fest, merkte jedoch an, dass sich in Hinblick auf die
Ausstrahlungsfrequenz mittlerweile ein sehr breiter Spielraum ergeben hat. Von der
täglichen Sendung bis hin zu nur einzelnen Sendungen pro Jahr ist alles zu finden. Zu
Punkt 2 der zentralen Funktion des Talkmasters sollte ergänzt werden, dass neben dem
klassischen Talkmaster auch Duos, Trios, wechselnde Talkmaster oder gar Talkshows
ohne Talkmaster die Programmlandschaft bereichern. Als deutlich überholt, hält Foltin
allerdings das dritte Kriterium. Gerade die themenorientierten Talkshows haben in den
letzten Jahrzenten deutlich zugenommen, im Bereich der Talkshow mit politischem und
gesellschaftskritischem Inhalt sogar den Markt für sich gewonnen. Damit verbunden
wurde auch der Experte ein gern gesehener Talkgast.
Für die heutigen Talkshows ist auch die Anwesenheit eines Studiopublikums als ein
weiteres wichtiges, aber nicht zwangsläufig verpflichtendes Sendungsmerkmal zu
definieren. Ein früher Definitionsversuch spricht die Bedeutung dieses Kriterium bereits
an: „Die optisch-verbalen Präsentationsmuster von Prominenten und weniger
Prominenten sollen in einer Kleingruppensituation vor einem realen Publikum, dem das
Regiekonzept einen spontanen Aktionsraum bietet, ermittelt werden. Unter der Leitung
eines Gesprächsinitiators sollen sie einem dispersen Publikum informativen
18 Foltin (1994), S. 69f.
Formatiert: Deutsch (Deutschland)
Erkenntnisgewinn und Talkshow
8
Unterhaltungswert bringen.“19 Die Anwesenheit eines Studiopublikums wird in der
Forschung, aber auch in der Praxis immer wieder als ein nicht zu unterschätzendes
Element beschrieben. Die Diskutanten haben in diesem einen direkten Adressaten,
stellvertretend für das Publikum vor den Bildschirmen und bekommen durch das
Publikum im Studio auch sofort eine Rückmeldung, beispielsweise durch Applaus oder
Lachen. Zudem mildert das anwesende Publikum den Eindruck einer sterilen
Studiokulisse20 und lässt die Talkshow nach außen hin für den Zuschauer vor dem
Bildschirm gefühlt an Authentizität gewinnen. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass
das Publikum in manchen Sendungen, welche vermehrt dem nicht politischen Genre
angehören, von der Redaktion als Stimmungsbarometer eingesetzt wird. Dabei wird ihm
beispielsweise mit hochgehaltenen Schildern vorgegeben, wann und ob sie zum Beispiel
klatschen sollen. Dies würde schon wieder in die Richtung einer Inszenierung gehen, sei
aber der Vollständigkeit halber an dieser Stelle angesprochen. Da sich diese Arbeit auf
die Betrachtung von politischen Talkshows beschränkt, seien hier, um nicht den
Rahmen zu sprengen, nur die wichtigsten Kriterien, die themenbezogene und nicht
personenbezogene Talkshows betreffen, erwähnt.
Als ein weiteres Merkmal einer Talkshow ist noch der Diskussionscharakter
anzusprechen, den insbesondere Werner Holly, Peter Kühn und Ulrich Püschel in ihrern
Untersuchungen21 beschreiben. Erstaunlich sei dabei, so die Autoren, die Hartnäckigkeit
mit der die Diskutanten und der Talkmaster am Diskussionscharakter der Talkrunde
festhalten, obwohl der Befund, dass in solchen Sendungen gar nicht diskutiert werde,
schon längst vorliege und auch in den Köpfen vieler Zuschauer angekommen sei. Als
Grund hierfür formulieren die Autoren die Vermutung, dass „der Begriff der Diskussion
und damit zusammenhängende politische Konzepte von solchem ideologischen Wert
sind, dass er für das Bild bestimmter über das einflussreiche Medium Fernsehen
laufender Gespräche unverzichtbar erscheint.“22 Sie schreiben zudem den Begriffen
Diskussion und Information in diesem Zusammenhang einen inflationären Gebrauch zu.
Folglich stellen sie fest, dass eine Talkshow trotzdem als Fernsehdiskussion bezeichnet
19 Schmid (1975), S. 125 20 Vgl.: Kallenbach (1997), S. 7 21 Dazu vgl. bespielsweise: Holly/Kühn/Püschel (1986) 22 Holly/Kühn/Püschel (1986), S. 1
Erkenntnisgewinn und Talkshow
9
wird, um durch die Inszenierung als Diskussion, anderen, in diesem Genre verfolgten
Zielen, eine hervorragende Tarnung zu verschaffen.23
Foltin definiert drei weitere ergänzende Kriterien: Ehrlichkeit der Gespräche, bestimmte
Showeffekte und die nachträgliche Verarbeitung in direkter Kommunikation. Nach
Dagobert Lindlau, einem der erfahrensten Talkmaster (III nach neun, Veranda),
erwartet der Talkshowzuschauer „ein einigermaßen ehrliches Gespräch mit
einigermaßen interessanten Leuten“24, doch genau dies sei etwas das unendlich
schwerfalle25. Dies ist eine Aussage, die resigniert feststellt, dass Ehrlichkeit und
Offenheit bei vielen Talkgästen nur vorgetäuscht werden und je besser ihnen dies
gelingt, um so höher steigen sie in der Gunst des ahnungslosen Zuschauers. In Bezug
auf den Untersuchungsgegenstand, die politische Talkshow, muss allerdings ernüchtert
festgestellt werden, dass von Politprofis weder Ehrlichkeit noch Offenheit erwartet wird
und somit dieses Kriterium für politische Talkshows nur bedingt zutrifft. Unter
Showeffekten verstehen sich natürlich bei einigen Talkshows, insbesondere
personenorientierter Art, Musikeinlagen, eingestreute Vorführungen und künstlerische
Kostproben. In politischen Talkshows sind diese Art von Showeffekten eher selten
anzutreffen. Jedoch sind als Showeffekte auch Signale nonverbaler Kommunikation zu
bezeichnen: Entfernen eines Gastes von seinem, ihm unsympathischen, Sitznachbarn,
Erblassen oder Erröten bei unangenehmen Fragen, spektakulären Aktionen zwischen
den Diskutanten oder Kommentieren des Gesprächs oder eines Redebeitrags eines
Mitdiskutanten durch beispielsweise Gähnen. Signale wie diese werden oftmals erst
durch die, von der Redaktion festgelegte, Sitzordnung der Diskutanten ermöglichst. Ein
drittes Merkmal einer gelungenen Talkshow ist nach Foltin, dass sie den Zuschauer zu
einer nachträglichen Verarbeitung durch Kommunizieren mit anderen anregt. So
beschreibt auch der Kritiker Rupert Neudeck eine Talkshow nicht primär als eine
Sendung, in der geredet, sondern eine, über die im Nachhinein geredet wird. Ein
Kriterium, das jedoch in der heutigen Zeit zunehmend an Bedeutung verliert, da die
Wahrscheinlichkeit, dass der Kollege, der Nachbar oder der sonstige Gesprächspartner
23 Vgl.: Holly/Kühn/Püschel (1986), S. 1 24 Lindlau (1982), S. 36 25 Vgl.: Ebd., S. 36
Erkenntnisgewinn und Talkshow
10
am Vorabend die gleiche Sendung gesehen hat, mit der stetigen Zunahme des
Programmangebots sinkt.26
Einen weiteren Versuch die Merkmale des Genres Talkshow zu definieren,
insbesondere aufbauend auf die Untersuchungen von Constantin von Barloewen, Hans
Brandenburg und Hans-Friedrich Foltin, wagte Matthias Fley in der zweiten Hälfte der
90er Jahre. Er benennt fünf Merkmale, die eine Abgrenzung dieses Genres von anderen
ermöglichen soll:
1. „Die Gesprächskonzeption: Die Sendung muss mindestens zu 60% aus einem
Gespräch bestehen, das von mindestens zwei im Bild sichtbaren Personen geführt wird,
von denen eine die gesprächsleitende Funktion übernimmt und mindestens eine andere
als Gast nicht regelmäßiger Teilnehmer ist. Anlass des Gesprächs ist die Ausstrahlung
im Fernsehen.
2. Primäre Zweckfreiheit: Zweck des Gesprächs ist es nicht, eine Rangfolge oder eine
Gratifikation der Teilnehmer vorzunehmen. Außerdem soll die Sendereihe nicht
ausdrücklich konzeptionell festgelegte, regelmäßige Zielsetzungen haben, die über das
Gespräch hinaus gehen.
3. Einseitige Gesprächsfreiheit: Mindestens eine Seite der Gesprächspartner soll in ihrer
Aussage nicht von vorneherein festgelegt sein.
4. Seriencharakter: Die Sendereihe wird mit der selben Konzeption und Häufigkeit,
mindestens alle zwei Monate, auf einem festen Sendeplatz ausgestrahlt.
5. Lokale Einheit: Die Gespräche innerhalb einer Sendung sollen am selben Ort erfolgen.
Als Kulisse der verschiedenen Folgen soll eine regelmäßige Lokalität dienen.“27
Die Problematik, die sich allerdings aus dieser Definition ergibt, ist, dass sich im
Rahmen dieser, auch Sendungen anderer Genre, einordnen lassen. Folglich kann diese
Definition nur bedingt einen umfassenden und auf die Talkshow zugeschnittenen
Definitionsanspruch erheben und zeigt deutlich die beschriebene Definitions-
problematik auf. Um für die folgende Untersuchung eine Orientierung zu haben, sei
Talkshow somit nach Lothar Mikos mit einer offeneren und halbwegs
allgemeingültigen Definition wie folgt beschrieben: Die Talkshow sei „[…] ein
Subgenre […], bei dem ein oder mehrere Gastgeber in einem Studio oder Saal vor
anwesendem Publikum mit mehreren Gästen Gespräche führen; im Mittelpunkt der
Gespräche stehen die Gäste selbst sowie aktuelle Themen oder Ereignisse.“28
26 Vgl.: Foltin (1994), S. 73 27 Mayer (2001), S. 9f. 28 Kallenbach (1997), S. 9
Erkenntnisgewinn und Talkshow
11
1.2.2 Die geschichtlichen Anfänge der Talkshow
Die Sendeform Talkshow ist in unserer heutigen Fernsehlandschaft ein Programm
bestimmendes und nicht mehr wegzudenkendes Element geworden. Die Bezeichnung
Talkshow ist im Sprachgebrauch fest etabliert und wird vom Zuschauer auch ohne
Englischkenntnisse mit einer bestimmten Form der Darbietung verbunden. Aber nicht
immer kam ihm diese Bedeutung zu. Dieses Kapitel möchte einen Überblick über die
Geschichte der Talkshow geben. Beginnend mit den Anfängen der Genres, werden
Vorläufersendungen skizziiert und die Entwicklung bis zu den heutigen Sendeformaten
nachgezeichnet. Vorweg muss gestellt sein, dass, wie schon im Kapitel Definition des
Genres Talkshow, angedeutet der Ursprung dieser Sendungsgattung in den USA liegt.
Versucht man dort einen Beginn der Entwicklung auszumachen, so lässt sich sehr früh,
in der Zeit der ersten Einwanderer, die Bedeutung von öffentlichen Gesprächsrunden
entdecken. Viele Jahre später fanden öffentliche Diskussionen zunächst eine Plattform
im Hörfunk und hielten schließlich auch Einzug in das Fernsehen. Zum Beispiel fanden
die öffentlichen Debatten eine mediale Fortsetzung in Hörfunksendungen wie
Amerika´s Town Meeting of the Air (1935-1956), die von 1948 bis 1949 und 1952 auch
im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Hier wurden gesellschaftliche Themen kontrovers
diskustiert.29
Das vorliegende Kapitel möchte jedoch erst mit der Entwicklung in Deutschland
ansetzen. Gewählt wurde dabei der Zeitpunkt, an dem eindeutig von Vorläufern der
heutigen Talkshows gesprochen werden kann.
Die Geschichte des als Talkshow zu definierenden Genres in Deutschland reicht bis in
die frühen 50er Jahre zurück. Auch wenn damals der Begriff Talkshow noch nicht als
Bezeichnung dieses Genres gebräuchlich war, lässt sich als wichtiger Startpunkt der
Talkshowentwicklung der 29. August 1953 ausmachen. An diesem Tag ging der
Internationale Frühshoppen, eine von Werner Höfer entwickelte und ebenfalls
moderierte Gesprächsrunde, bestehend aus fünf Journalisten verschiedener Länder, das
erste Mal auf Sendung. Der Beginn einer langen Karriere, denn die Sendung hielt sich
34 Jahre lang, bis zu Werner Höfers Rücktritt im Jahr 1987, auf dem Bildschirm. Im
Dezember 1987 wurde sie durch den ähnlich konzeptionieren Presseklub ersetzte. Der
29 Vgl.: Keller (2009), S. 26
Erkenntnisgewinn und Talkshow
12
Internationale Frühshoppen war Markenzeichen des Senders ARD und zugleich für die
Öffentlichkeit in der jungen Bundesrepublik die wichtigste Institution. Hier wurden
sowohl internationale Probleme in den Fokus gerückt, als auch die Innenpolitik nicht
nur kritisch diskutiert, sondern auch nachhaltig beeinflusst (1962 Spiegel-Äffäre,
Nannen Skandal 1968).30 Man könnte dem Format somit durch seine weitgehende
Monopolstellung bis in die 70er Jahre eine bedeutsame Rolle als Orientierungspunkt im
politischen Willens- und Meinungsbildungsprozess zuschreiben.31 Doch der
Internationale Frühshoppen fand keinesfalls überall Zuspruch. In der Presse und der
Öffentlichkeit wurden häufig die „autoritäre Gesprächsführung des Moderators und sein
Hang zur Selbstdarstellung kritisiert“32. Untersuchungen ergaben, dass Höfer selbst ca.
ein Drittel der Sendezeit für seine eigenen Redebeiträge beanspruchte,33 „seine Bildung
durch übertriebenen Fremdwortgebrauch dokumentierte, zu viele Themen nur anrissß
und ausländische Kollegen häufig für Fehler ihrer Regierungen verantwortlich
machte.“34 1959 erschien im Spiegel eine der Werner-Höfer-Schau gewidmete
Titelgeschichte, die mit den Worten schloss:
„Gebraucht würde ein neuer Frühshoppen: mit interessanten Leuten, nicht unbedingt aus
fünf Ländern, mit wenigen, des Gesprächs werten Themen, ohne Trinksprüche, ohne
Biertisch-Sentimentalitäten, ohne den schwererträglichen Biedermannston, und wenn unter
dem bisherigen Gesprächsleiter, dann unter einem neuen Werner Höfer, der den bBilligen
Jakob in der Requisitenkammer des Kölner Funkhauses abgeladen hat.“35
Schon in dieser Aussage wird deutlich, dass es bereits damals ein dringendes Bedürfnis
nach effizienten, themenorientierten Talkshows gab. Dieses Bedürfnis wurde aber erst
viele Jahre später umgesetzt. Ebenso lassen sich in der Fachpublizistik, ins besonders
im Wahljahr 1953, erste Überlegungen finden, wie politische Berichterstattung im
Fernsehen ausgebaut werden könnte in Hinblick auf eine Sendeform, die unter heutigen
Gesichtspunkten als Talkshow oder gar Wahlduell bezeichnen werden könnte. Eine sehr
konkrete Vorstellung beschreibt die Zeitschrift Fernsehen im Jahre 1953:
„Man könnte sich also vorstellen [.] dass der Fernsehrundfunk zum Beispiel die Vertreter
von zwei oder mehr Parteien an einen Runden Tisch setzt und sie untereinander über
30 Vgl: Foltin (1994), S. 73f. 31 Vgl.: Tenscher/Schicha (2002), S. 11 32 Foltin (1994), S. 74 33 Vgl.: Foltin (1994), S. 74 34 Ebd., S. 74 35 Ebd., S. 74
Erkenntnisgewinn und Talkshow
13
Wahlprogramme diskutieren lässt. Das würde schon lebendiger sein als ein Vortrag, auch
aufschlußssreicher und fernsehgemäßer. […] Die Parteien müssten ihre besten Debatter
stellen […] Die Dauer einer solchen Diskussion oder eines Zwiegesprächs könnte unseres
Erachtens zwischen 30-45 Minuten liegen; es würde ein Fehler sein, wenn die Zeit dieser
Sendung zu knapp angesetzt würde. In einer Diskussion, die ebenso hart wie fair sein soll,
müssen sich die Teilnehmer warm laufen können. Die Zuschauer werden am
Fernsehempfänger gebannt bleiben, wenn es sich wirklich um eine echte Aussprache
handelt.“36
Obwohl der Internationale Frühshoppen in der Forschung durchgehend als wesentlicher
Vorläufersendung der heutigen Talkshows in Deutschland bezeichnet wird, herrscht in
der Literatur Uneinigkeit darüber, ob dieser der Definition Talkshow wirklich
entspricht. Ein Grund sei, so Hans-Friedrich Foltin, das fehlende Studiopublikum.37
Hierbei handelt es sich aber um eine Voraussetzung, die heute nicht mehr ganz aktuell
zu sein scheint, denn so wären Talkshows, wie zum Beispiel Menschen bei
Maischberger, die ohne ein Studiopublikum aufgezeichnet werden, nicht als Talkshow
zu klassifizieren. Auch das Argument, dass die Sendung keine Talkshow sei, weil sie
„eine Diskussion über ein vorgegebenes, von der Aktualität diktiertes Thema ist, eben
ein Sachgespräch ohne Präsenzpublikum“38 scheint anlässlich der heutigen
Themenwahl in Talkshows ein ebenfalls überholtes Kriterium zu sein. Somit wollen wir
hier den Internationalen Frühshoppen als den Beginn der Talkshowgeschichte ansehen.
Neben diesem gab es in den frühen 50er Jahre eine Reihe weiterer Gesprächssendungen
und Versuche Sendekonzepte dieser Art zu entwickeln, die jedoch teilweise nicht allzu
gut dokumentiert sind. Um an dieser Stelle nicht den Rahmen der vorliegenden Arbeit
zu sprengen, aber trotzdem einen fundierten Eindruck der Entwicklung des Genres zu
bekommen, werden im Folgenden nur die wichtigsten Stationen kurz vorgestellt und
angerissen, da für die Magisterarbeit und die Thematik des Erkenntnisgewinns eine
detaillierte Beschreibung der Entstehungsgeschichte nicht essenziell von Bedeutung ist.
Neben dem Internationalen Frühshoppen experimentierte Werner Höfer zu Beginn der
50er Jahren mit einer weiteren Gesprächssendung, die eindeutig als eine echte
Talkshow zu klassifizieren ist. Ohne Kenntnis der Vorbilder aus den USA stellte er dem
Sender das Konzept einer unterhaltsamen Gesprächssendung vor, das Rhein-Ruhr-
36 Keller (2009, S. 123f. 37 Vgl.: Foltin (1994), S. 74 38 Fley (1997), S.22
Erkenntnisgewinn und Talkshow
14
Clübchen.39 „An jedem von mehreren kleinen Tischen saßen mehr oder weniger
bedeutende Gäste, von denen ich dachte, es würde sich lohnen, sie dem Publikum
vorzustellen und sie untereinander bekannt zu machen – weil sie im Gerede waren, oder
weil sie etwas zu sagen hatten.“40 Diese fand aber bei Programmverantwortlichen und
Zuschauern keinen großen Zuspruch und wurde nach wenigen Ausstrahlungsterminen
wieder eingestellt.
Ganze zehn Jahre nach dem Sendestart des Internationalen Frühshoppens stieg auch
das ZDF in das Geschäft mit dem neuen Genre ein. Von 1963 bis 1991 trafen sich in der
Sendung Journalisten fragen – Politiker antworten alle vier Wochen prominente
Politiker sowie zwei Journalisten und lieferten sich unter der Moderation von Reinhard
Appels einen verbalen Schlagabtausch.41 Im Jahr 1977 wurde die Sendung durch die
etwas offener gestaltete Bonner Runde abgelöst, die in ihrer Konzeption sehr große
Ähnlichkeiten mit heutigen politischen Talkshows aufwies. Auch hier trafen sich
Parteipolitiker, unter der Leitung von zwei Journalisten zum Meinungsaustausch.
Moderator Johannes Gross beschrieb das Sendekonzept in einem Vortrag42:
„Die Bonner Runde ist […] keine Sendung, die nicht allein auf Fragen abgestellt ist,
sondern sie soll eine Gesprächssendung sein. […] Die Teilnehmer sitzen in einem Halbrund
drei Kameras gegenüber, die nach beiden Seiten beweglich sind, so dass man immer
Großaufnahmen des jeweils Redenden und Zwischenschnitte eines Mannes bringen kann,
der gerade nicht redet, aber irgendwelche physiognomischen Reaktionen zeigt. Es gelingt
manchmal sehr gut, Ausdrücke von unendlicher Langeweile einzuspielen […] Das Ziel der
Sendung ist es eigentlich, die Politiker in einem möglichst natürlichen Zustand zu zeigen,
und der Informationswert muss nicht unbedingt eine politische Neuigkeit sein, sondern
kann auch einfach darin bestehen, dass man erkennen kann, wie ein Politiker in einer für
ihn heiklen Situation zu reagieren pflegt.“43
In den 70er Jahren eröffneten sich in Bezug auf das Genre Talkshow auch für den
Bürger neue Möglichkeiten. Im seit 1971 im Bayrischen Rundfunk ausgestrahlten
Wirtshausdialog Jetzt red i, aber auch in der ZDF-Sendung Bürger fragen – Politiker
antworten konnten zum ersten Mal auch die Bürger in die Frage- und Rednerrolle
39 Vgl.: Foltin, (1994), S. 75 40 Barloewen/Brandenberg (1975), Seite 11 41Vgl.: Tenscher/Schicha (2002), S. 11 42 Vgl.: Keller (2009), S. 185f. 43 Ebd, S. 186
Erkenntnisgewinn und Talkshow
15
schlüpfen.44 So rückten die politischen Diskussionssendungen zunehmend weg von
ihrem, bis dahin üblichen, Elitediskusstatus und näher an den Normalbürger heran.
Versucht man ein Resümee, über die ersten 20 Jahre, der kontinuierlichen
Talkshowentwicklung zu ziehen, zeigt sich, dass bis zum Jahr 1973 nicht nur ein
Begriff für dieses neue Genre, sondern auch jegliches Bewusstsein dafür fehlte, dass es
sich hierbei um eine Sendungsgattung handelte, die das Potenzial in sich trug, ein
äußerst wichtiger Grundpfeiler des Fernsehprogramms zu werden. Außerdem gab es bis
Anfang der 70er Jahre noch eine deutliche Skepsis, insbesondere bei den öffentlich-
rechtlichen Sendeanstalten, gegenüber, auf Unterhaltung ausgerichtete Talkshows, wie
sie in den USA schon seit den 50ern gesendet wurden. Eine Tatsache, die einen sehr
deutlichen Einfluss auf die Talkshowentwicklung dieser Zeit hatte. Während die
amerikanischen Talkshows, mit primär unterhaltungsorientiert und nicht-politischen
Sendungskonzepten, Anfang der 70er Jahre, einen regelrechten Boom erlebten, lagen
die deutschen Fernsehmacher zu diesem Zeitpunkt weit hinter ihren Vorbildern aus dem
Westen zurück. Der Grund: Die deutschen Fernsehanstalten hatten noch nicht das
Potenzial der Sendungen erkannt und waren sich so auch keineswegs der notwendigen
Vorbereitungen und Hintergrundarbeit bewusst. Während in Deutschland Talkshows zu
Beginn eher Billigprodukte waren und dies auch an der Qualität merkbar war, standen
den amerikanischen Produktionen, finanziert durch eingeblendete Werbeblöcke, ganz
andere Summen zur Verfügung. Und so dienten die US-Talkshows zwar als Vorlagen
und Orientierung für die deutschen Talkshowmacher, stammten jedoch von ihrer
Machart her aus einem Produktionssystem, das sich von dem des deutschen Fernsehens
grundsätzlich unterschied. Ein redaktionelles Team von ca. 30 Personen, zuständig für
Recherche, Gästeauswahl, Vorinterviews und Formulierungshilfe stand hinter den
US-Talkmastern und machte so erst fünfmal wöchentlich eine 90minütige Sendung
möglich. Was heute für eine deutsche Talkshow üblich ist, wars damals noch
undenkbar.45
Inspiriert durch den Unterhaltungstalkshowboom in den USA ging am 4. März 1973 die
erste nicht-politische Prominenten-Talkshow auf Sendung. Je später der Abend wurde,
moderiert von ihrem Entwickler Dietmar Schönherr, zunächst im WDR und ab
44 Vgl.: Tenscher/Schicha (2002), S. 11 45 Vgl.: Foltin (1994), S. 76f.
Erkenntnisgewinn und Talkshow
16
Jahreswechsel bis 1978, bundesweit in der ARD gesendet und in der zeitgenössischen
Wahrnehmung als erste deutsche Talkshow gefeiert. Dietmar Schönherr eröffnete die
erste auch so benannte Talkshow mit den Worten:
„´Eine Talkshow, was ist das? […] Talk kommt von to talk, reden, und das Ganze ist also
eine Rederei` scherzte der Talkmaster und stellt erst einmal klar, dass es sich hier nicht um
eine übliche Unterhaltungsshow handele. ´Und wenn hier jemand singt, dann höchstens im
Sinne der Ganovensprache, dass er nämlich etwas ausplaudert, was er eigentlich nicht
sagen wollte. Talkshow ist etwas, das wir alle nicht kennen. Ich hoffe, Sie haben Lust, es
gemeinsam mit mir und mit unserem Publikum hier kennenzulernen`.“46
Die zentrale Zielsetzung der Sendung formulierte der WDR-Redakteur Hüttenrauch im
Spiegel47 etwas zugespitzter: „Gäste mit freundlichen, aber gezielten Fragen zu
ermuntern, Auskünfte zur Person zu geben, um diese möglichst bis an die Grenze des
seelischen Striptease zu entblättern“.48 Mit Je später der Abend wurde ein Stück
Talkshowgeschichte geschrieben, da diese Sendung den Weg ebnete, für viele, in den
nächsten Jahren und Jahrzehnten, auf Unterhaltung, statt politische Diskussion setzende
Formate. In den folgenden Jahren gingen die öffentlich-rechtlichen Anbieter mit unter
anderem Der heiße Draht (1973), III NACH NEUN (1974) und Kölner Treff (1976) und
weiteren, mehr auf Unterhaltung, als auf Politik ausgerichtete Talkrunden auf Sendung.
Die neue Zielsetzung schien zu sein „gesellschaftliche Themen aufzugreifen, sowie jene
prominenten Gäste und einfachen Leute einzuladen, die versprachen, die bis dahin
gepflegten Fernsehrituale, überkommene Traditionen und Werte in Frage zu stellen.“49
Diese Entwicklung zeigt eine neue Ausbildung des Genres, die für ihre oberflächliche
Befragung und die Personen-, statt Themenorientierung kritische beäugt wurde, aber
jedoch bis heute von Erfolg gekrönt wird. So sorgt zum Beispiel die von Radio Bremen
produzierte Runde III NACH NEUN auch heute noch im 36sten Jahr ihres Bestehens
Monat für Monat für erfolgreiche Quoten. Während Anfang der 80er Jahre der
Talkshowboom etwas stagnierte, stiegen, mit der Dualisierung der Rundfunklandschaft
Mitte der 80er Jahre, zunehmend auch die privaten Sender in das Talkshowgeschäft ein.
Sie hatten bald nicht nur die öffentlich-rechtlichen Anbieter im Sendungsangebot um
Längen überholt, sondern setzen auch inhaltlich völlig neue Akzente. Der bisher
46 Fley (1997), Seite 21 47 Vgl.: Plausch mit Rosa (Der Spiegel 38/1973), S. 169 48 Tenscher/Schicha (2002), S. 12 49 Ebd., S. 12
Erkenntnisgewinn und Talkshow
17
weitgehend gepflegte sachlich-faire, lösungs- und themenorientierte Diskursstil, wurde
bald abgelöst durch Konfrontation, Schlagfertigkeit, Dreistigkeit und Sarkasmus.
Sendungen wie Dall-As (1985, RTL), Explosiv – Der heiße Stuhl (1989, RTL) und
Einspruch! (1992, Sat1) boten eine völlig neue Form der Talkshowunterhaltung.
Es ist festzustellen, dass je nachhaltiger sich das neue Genre als ein eigenständiges
Fernsehformat etablierte, umso stärker beschleunigte sich die Ausdifferenzierung in
verschiedene Subgruppen.50 Mit den 90er Jahren kam es somit zu einem regelrechten
Talkshow-Boom, einer Art zweiten Erfolgswelle. Eine massive Erweiterung des
Angebotes, durch eine Ausdifferenzierung in verschiedene Talkshowformen, wie zum
Beispiel Personality-, Promienten-, Kultur, Late Night-, Themen-, Daily – und
Bekenntnisshows und gleichzeitig eine damit einhergehende quantitative Ausdehnung
des Angebotes, bestimmte die Fernsehlandschaft. Diese brachte auch eine deutliche
Änderung der Themen mit sich, statt politisch, gesellschaftlich, kulturell, oder durch
Prominente geprägte Fragestellungen, rückten nun zunehmend Probleme und Themen
aus dem Privatleben des Durchschnittsbürgers in den Mittelpunkt des Interesses.
Insbesondere die privaten Sender entdeckten, mit den vielfach diskutierten
nachmittäglichen Daily-Talkshows, eine Möglichkeit quotenstark und zugleich sehr
kostengünstig zu produzierende Unterhaltung anzubieten.
Die Entwicklung des Talkshowgenres lässt sich als eine Art wellenförmiger, sich
zeitweise aufschaukelnder Prozess beschreiben. Nach der, insbesondere durch die
Daily-Talks der privaten, kommerziellen Sender (RTL, Sat1, ProSieben) geprägten
rasanten Boomphase in den 90er Jahren, scheint es in diesem Bereich, seit Beginn des
21. Jahrhunderts, eine Art Konsolidierungsphase zu geben. In dieser verschwanden,
genau die gerade noch Programm bestimmenden Nachmittagssendungen nach und nach
von der Bildfläche. Gleichzeitig etablierten sich bei den öffentlich-rechtlichen Sendern,
sowohl die abendlichen Prominenten-Talkshows, als auch die politischen Talkrunden
als stabile Quotenbringer und insbesondere Profil bestimmende Markenzeichen.51 Mit
der Sendung Sabine Christiansen, die 1998 in der ARD auf Sendung ging und der nur
ein Jahr später folgenden ZDF-Runde Berlin Mitte, heute Maybrit Illner, setzten die
öffentlich rechtlichen Sender neue Maßstäbe in der politischen Talkshowunterhaltung.
50 Vgl.: Tenscher/Schicha (2002), S. 12 51 Vgl.: Ebd., S. 9
Erkenntnisgewinn und Talkshow
18
Im September 2007 löste Anne Will mit ihrer Sendung Anne Will Sabine Christiansen
auf ihrem Sendeplatz ab. Auch mit der, seit September 2003 in der ARD weitgehend
politisch-gesellschaftlichen Themen gewidmeten Sendung Menschen bei Maischberger,
moderiert von Sandra Maischberger und Frank Plasberg´s Hart aber fair (seit Oktober
2007 in der ARD, zuvor 2001-2007 im WDR), seien nur zwei weitere Sendungen
genannt, die in den letzten Jahren den Markt der politischen Talkrunden dominierten
und es bis heute noch tun.
Festzuhalten ist, dass bis auf die Ausnahme der Sendung Talk im Turm (Sat1), die
politische Talkshow bis heute fast ausschließlich in der Hand der öffentlich-rechtlichen,
inklusive der dritten Programme, sowie der privaten Nachrichtensender N24 und n-tv
blieben. Auf dem Markt Promienten- und Unterhaltungstalkshows zeigt sich aktuell
auch eine starke Dominanz bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, sowie ihren dritten
Programmen. Alfred Biolek talkte bis 2003 mit Boulevard Bio (ARD) quotenstark in
der ARD, Beckmann (bis heute ARD) und die Johannes-B.-Kerner Show (bis 2009,
ZDF) liefen jahrelang erfolgreich im Abendprogramm und sogar die seit 1995 in SAT1
sehr erfolgreiche Late Night Talkshow, die Harald-Schmidt-Show, verlor ihren
Moderator, samt Sendung 2004 an die ARD. Seit 2009 zeichnet sich eine leichte
Konkurrentenentwicklung durch den Privatsender Sat1 ab. Johannes B. Kerner, verließ
2009 das ZDF, um in SAT1 eine neue Talkshow, mit ähnlichem Konzept, namens
Kerner zu übernehmen, aber auch Harald Schmidt kündigte für 2011 seine Rückkehr zu
Sat1 an. Inwiefern somit in den kommenden Jahren die privaten Sender wieder
deutlicher im Talkshowgeschäft mitmischen werden, bleibt abzuwarten.
Erkenntnisgewinn und Talkshow
19
1.2.3 Die inszenierte Talkshow-Politische Werbung, Selbstdarstellung
und der Vorwurf der Inszenierung
„Es gibt drei Typen von Politikern: die Schmerzfreien, die Filigrantechniker und die
Exoten!
Schmerzfreie sind in der Regel die parlamentarischen Geschäftsführer der Parteien, das ist
Teil ihrer Arbeitsplatzbeschreibung. Die wollen zunächst ihre Keymessage abliefern, egal
ob es blitzt oder donnert.
Trickreicher arbeiten zum Beispiel Guido Westerwelle, Peer Steinbrück, Norbert Röttgen
oder Renate Künast. Die antworten so, wie Ronaldinho Fußball spielt, links vortäuschen,
rechts vorbei…
Zu den Exoten, die die Fragen nicht nur richtig verstehen, sondern sich auch noch
verständlich und zur Sache äußern, gehören irgendwann eigentlich alle mal. Man muss sie
nur dazu bringen.“52
Maybrit Illner
Die Funktion, Werte, sowohl ökonomisch, als auch ethisch in verbindlicher Weise an
die Umwelt weiterzugeben, übernehmen nach David Easton politische Systeme.53 Um
diese Aufgabe dauerhaft erfüllen zu können, müssen politische Systeme die Ansprüche
und Bedürfnisse ihrer Umwelt wahrnehmen und benötigen von dieser ein gewisses Maß
an Unterstützung. Funktionsfähige politische Systeme sind folglich auf einen
gegenseitigen und dauerhaften Austausch mit ihrer Umwelt angewiesen, um einerseits
die Interessen dieser wahrzunehmen und andererseits politische Entscheidungen an die
Umwelt zu vermitteln.54
Das Fernsehen nimmt einen immer wichtiger werdenden Stellenwert im
Politikervermittlungsprozess ein. Geradezu eine Art Vermittlerrolle zur Weitergabe von
Politik an die Bürger, wird dem Fernsehen zugesprochen. Grund hierfür ist aus Sicht
vieler Rezipienten die Tatsache, dass das Fernsehen Politik am authentischsten
vermittelte, den höchsten Glaubwürdigkeitsgrad und Unterhaltungswert und zudem die
größte Reichweite aufweise. Viele Bürger nutzen das Fernsehen als maßgebliche
Quelle, um sich politisch zu informieren. Die daraus resultierende Folge ist leicht zu
verstehen: je größer das Interesse des Bürgers an der politischen Fernsehvermittlung,
52 Illner, Maybrit (2009), S. 42 53 Vgl.: Bußkamp (2002), S. 17 54 Vgl.: Luhmann (1975), S. 9ff.
Erkenntnisgewinn und Talkshow
20
desto größer auch die Bedeutung des Fernsehens als Quelle politischer Information. Die
Folge: Die Attraktivität des Fernsehens, dieses als Politiker, als Vermittlungsmedium
für politische Inhalte zu nutzen, steigt.
Die Relevanz des Massenkommunikationssystems Fernsehen für die Vermittlung von
politischen Inhalten ist also unbestreitbar. Werden die Inhalte, die auf diese Weise
vermittelt werden, genauer betrachtet, so wird deutlich, dass Politiker nicht nur
politische Einstellungen und Entscheidungen in die Öffentlichkeit transportieren und ein
Sachthema ausschließlich auf einen Erkenntnisgewinn hin diskutieren. Vielmehr legen
sie große Bemühung an den Tag, sich dabei selbst möglichst positiv zu präsentieren –
sich folglich selbst darzustellen. Anzumerken sei an dieser Stelle, dass in der Sendung
geladene Nicht-Politiker-Gäste in ihrem Verhalten ähnlich agieren können, wie
politisch Handelnde. Somit wird in diesem Kapitel exemplarisch das Verhalten der
Politiker dargestellt.
Bezeichnet werden kann, vereinfacht definiert, als oberstes Ziel der Politik, eine
Veränderung oder Stabilisierung der Machtsituation. Die Thesen der Politiker, sowie
die Parteiprogramme, sind als Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu beschreiben. Sieht
man Kommunikation als eine Form des sozialen Handelns, so liegt das
Kommunikationsinteresse, das Hauptbestreben, des politisch Handelnden, darin die
potenziellen Wähler von der Richtigkeit dieser Thesen zu überzeugen55 und somit auch
sich selbst, als Verkörperung der Lösung des Problems, bestmöglichstbestmöglich zu
präsentieren. Eine optimale Plattform hierfür bietet sich in der politischen Talkshow.
Das sich daraus ergebende Problem ist hierbei, dass das Format sich nicht offiziell als
eine Wahlwerbesendung präsentiert, sondern vielmehr dem Zuschauer eine
erkenntnisreiche Diskussion zu einem politischen Sachthema verspricht. Politische
Propaganda, fortgesetzt in der Selbstdarstellung des Politikers, als das eigentliche Ziel,
des politischen Talkshowgastes, kann also nicht offen präsentiert werden. Aber auch
wenn dieses Ziel nicht erkannt oder auch absichtlich verborgen wird, durchdringt und
beeinflusst es die öffentliche Darstellung der Information.56 Ein Umstand, der
folgenreiche Gefahren birgt.
55 Vgl.: Jackob (2007), S. 118 56 Vgl.: Holly/Kühn/Püschel (1986), S. 150
Erkenntnisgewinn und Talkshow
21
Doch zunächst einmal soll betrachtet werden, wie politische Propaganda die
Medienberichterstattung steuert. Viele politische Organisationen haben in den letzten
Jahren ihre Abteilungen für Öffentlichkeit strukturell umgestaltet und vergrößert. Hinzu
kommt, dass mittlerweile jeder in der Öffentlichkeit agierende Politiker ein mediales
Training durchlaufen hat, das ihn teilweise sogar besser ausgerüstet in einer Talkshow
erscheinen lässt, als manchen Moderator. Der medialen Berichterstattung werden so
indirekt filternde und kanalisierende Mechanismen vorgeschaltet und sie somit anfällig
für eine strategische Beeinflussung, durch politische Kommunikationsmanagemente,
gemacht.57 Das heißt, politische Akteure versuchen, mit Unterstützung journalistisch
ausgebildeter Öffentlichkeitsstrategen, methodisch den Modus Berichterstattung der
Medien zu lenken.58 Dieser Einflussnahme bezieht sich natürlich nicht nur auf
politische Talkshows, doch dies sei hier nur angedeutet.
Die Einflussnahme findet nicht erst in der Sendung oder dem Interview statt, sondern
bereits in der Themenfindung. So ist als ein zentrales Instrument der politischen
Öffentlichkeitsarbeit und der symbolischen Politik das inszenierte und tagesaktuelle
Pseudoereignis zu nennen. Ein Ereignis, das, gäbe es keine Massenmedien, die darüber
berichteten, so nicht stattfinden würde.59 Das Pseudoereignis wird explizitert von der
Politik inszeniert, um Aufmerksamkeit zu gewinnen, einen bestimmten Eindruck zu
erwecken60 und so eine Berichterstattung über ihre politischen Botschaften zu erwirken.
Als Beispiel für ein solches Ereignis kann eine Pressekonferenz genannt werden. Die
Anzahl solcher inszenierter Pseudoereignisse hat in den letzten Jahrzehnten erheblich
zugenommen. Die Beeinflussung durch die Politik hat so schon vor dem Stattfinden der
eigentlichen Sendung eine große Erfolgschance. Talkshowredakteure nehmen sich bei
ihrer Themen- und Gästewahl genau dieses Pseudoereignisses und seiner Akteure an, da
weil dieses gerade überall präsent ist, bzw. von den Öffentlichkeitsstrategen der Politik
geschickt platziert wurde, ohne dass jemand bemerkt hat, in welcher Weise hier eine
Beeinflussung der Medienberichterstattung vonstattengeht.
57 Vgl.: Sarcinelli (1996) S. 306 58 Vgl.: Matthies (1993), S. 143 59 Vgl: Schmitt-Beck (1994), S. 276 60 Vgl.: Kamps (1998), S.34
Erkenntnisgewinn und Talkshow
22
„Macht und Ohnmacht der Journalisten liegen eng beieinander“61 und es sei an dieser
Stelle angemerkt, dass es natürlich ebenso eine Beeinflussung der Politik seitens der
Medien gibt. „Die Trennung von politischen Institutionen und Massenmedien ist
weitgehend aufgehoben und einer wechselseitigen funktionalen Abhängigkeit
gewichen.“62 Doch dies sei hier nur am Rande erwähnt. Für die vorliegende Arbeit und
die Bedeutung des Erkenntnisgewinnes ist es insbesonderes wichtig zu wissen, was in
den Medien, in der politischen Talkshow passiert, und somit zweitrangig, welchen
Einfluss diese auf die Politik ausstrahlen.
Sieht man die politische Talkshow als eine Art Theaterbühne, so kann einen Schritt
weitergegangen, der gesamten politischen Talkshow ein Inszenierungscharakter
unterstellen werden. Dieser Vorwurf ist nicht neu und in der Literatur und Presse schon
des Öfteren ausführlich thematisiert. Jedoch ist für die weitere Untersuchung der, der
Magisterarbeit zugrunde liegendden Fragestellung wichtig, sich über die möglichen
Inszenierungsansätze im Klaren zu sein, um mögliche, sich daraus ergebenden
Problematiken, in Bezug auf den Erkenntnisgewinn, richtig deuten und einordnen zu
können.
Inszenierung von Werbung an sich, ist zunächst nicht sonderlich beunruhigend, denn
jede Werbung, auch politische, muss irgendwie präsentiert werden, um den Wähler zu
erreichen.63 Hinzu kommt, dass auch die politische Berichterstattung ohne eine Form
der Inszenierung beim Zuschauer wohl eine viel geringere Aufmerksamkeit erzielen
würde. Prinzipiell ist es die Wirkung von Inszenierung, zu strukturieren, auszuwählen
und spezifische Darstellungsmittel in strategischer und spezifischer Weise auf
Rezipientenwirkung hin auszurichten.64 Der inszenatorische Charakter der Politik ist
keinesfalls ein neues Phänomen, sondern ist bereits seit der Antike als ein fester
Bestandteil dieser zu definieren.65 Schon im Jahre 1513 empfahl Niccolò Machiavelli,
dass der Fürst darauf achten müsse, dass er, von Treue, Milde, Menschlichkeit,
Aufrichtigkeit, und Frömmigkeit erfüllt scheine, wenn man ihn sehe66. In der heutigen
Politikvermittlung ist nur noch deutlicher geworden, dass Politik eine Ware ist, die
61 Boventer (19.03.1993): Sklaven der Vergnügungsmaschinerie. 62 Ebd. 63 Vgl.: Lucas (1992), S. 26 64 Vgl.: Scheurle (2009), S. 97 65 Vgl.: Rolke (2003), S. 147 66 Vgl.: Merkel (2003), S. 74
Erkenntnisgewinn und Talkshow
23
bestmöglich an den Wähler verkauft werden muss. Eine nicht ganz einfache Aufgabe,
weil dieser zunächst einmal für die Ware interessiert werden muss. Um dies zu
erreichen, werden Botschaften oft verkürzt, verdichtet und symbolhaft dargestellt, um
diese leicht verständlich, attraktiv und unterhaltend zu präsentieren.67 Politik als Ware
reduziert diese Botschaften auf inszenierte kameragerechte Ereignisse68 und 20-
Sekunden-Statements, angeboten als Sonderangebot des Tages.69
Bedenklich wird dies jedoch, wenn Talkshowmacher selbst mehr den
Inszenierungsregeln als inhaltlichen Kriterien folgen und zudem politische Gäste mehr
Anstrengungen in das Generieren von Aufmerksamkeit, Unterstützung und positive
Imagepflege für sich selbst investieren, statt den Prozess der politischen Willensbildung
in Gang zu halten.70 Sie bieten dem Zuschauer so nur noch oberflächliche und seichte
politische Informationen an, der jeglicher substanzieller Inhalt fehlt. Letztendlich wird
so, und hier liegt die Hauptgefahr, durch diese Art der Inszenierung verschleiert, dass es
sich hierbei um eine politische Werbung handelt. Durch diese Form der Täuschung des
Rezipienten gewinnt die politische Talkshow einen doppelbödigen Charakter.71 Hier
beginnt eine subtile Beeinflussung des Zuschauers und auch des kompletten
Meinungsklimas.
Heidrun Abromeit hat 1972 im Anschluss an die These Habermas vom Strukturwandel
der Öffentlichkeit beobachtet, wie sich dies auf die öffentliche Diskussion auswirkt und
kommt zu dem Ergebnis, dass so die Gefahr entstehe, dass sich Öffentlichkeit
verwandele72
„in ein Medium der Werbung; an die Stelle der Diskutanten tritt der Public Relations -
Fachmann, der Werbemanager, dessen Aufgabe in der Schaffung eines günstigen
„Meinungsklimas“ besteht, hinter dessen Schutz Kompromisse ausgehandelt werden
können, ohne selbst zum Thema öffentlicher Diskussion werden zu müssen. Sowohl die
Unlust der Parteien, substanzielle Informationen zu politischen Fragen zu liefern, als auch
die vorherrschende Anpassungs- und Entpolitisierungsstrategie der Presse machen es
schließlich selbst dem willigen Bürger schwer sich rationale politische Meinungen zu
67 Vgl.: FORUM.MEDIEN:POLITIK (2004), S. 31f. 68 Vgl.: Plasser (2003), S. 237 69 Vgl.: Oertzen (2000), S. 11 70 Vgl.: Meyer (2000), S. 121 71 Vgl.: Holly/Kühn/Püschel (1986), S. 23 72 Vgl.: Ebd., S. 106
Erkenntnisgewinn und Talkshow
24
bilden; politische Beteiligung wird durch die weitgehend manipulierte „öffentliche
Meinung“ vorweg tendenziell neutralisiert und ins Unverbindliche abgeschoben.“73
Doch zunächst einmal zur Frage: Wie findet eine Inszenierung einer politischen
Talkshow statt?
Ähnlich einem Theaterstück folgt eine politische Talkshow bestimmten Regeln der
Inszenierung. Aufseiten der Talkshowmacher sind diese die Auswahl der Themen, die
Auswahl der Gäste, die Zusammenstellung der Gäste, die Provokation im Gespräch und
letztendlich die theatralische Präsentation von Gesprächen. Ziel hierbei ist es, den
Geschmack der Zuschauer zu treffen, um einen hohen Marktanteil für die Sendung zu
sichern.
Wer nun nach dem Erkenntnisgewinn als oberstes Ziel fragt, wird angesichts dieses
Inszenierungsspektakels ins Zweifeln kommen. Zu Recht? Inwiefern sich durch den
Inszenierungscharakter überhaupt ein Erkenntnisgewinn erreichen lässt, soll an späterer
Stelle geklärt werden.
Aufseiten der politischen Gäste ist als oberstes Ziel die Selbstdarstellung und politische
Werbung zu nennen. Die ernsthafte Auseinandersetzung mit den politischen
Sachthemen weicht einer Legitimation und Rechtfertigung, sowohl auf sprachlicher, als
auch auf nicht sprachlicher Ebene. Oder wie Thomas Meyer es formuliert: „Politik als
Theater, so können wir in einer ersten Interpretation zuspitzen, ereignet sich immer
dann, wenn ein politischer oder Medienakteur A einem Publikum S ein X für ein U
vormacht und sich dabei der Inszenierungsmittel des Theaters bedient.“74 Das heißt:
„Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die vielfältigen Tätigkeiten der
Politikvermittlung zielt sowohl darauf ab, bestimmte Themen auf der öffentlichen Agenda
zu platzieren und mit passenden Deutungsrahmen zu versehen […], als auch darauf, Images
von politischen Akteuren, d. h. Vorstellungsbilder von Personen und deren Eigenschaften,
zu kreieren, mitzugestalten und zu modifizieren. Gerade vor dem Hintergrund des
skizzierten Schwindels und der langfristigen Bindungskräfte gegenüber politischen
Organisationen […] gewinnt das Image Building an Relevanz, da es mehr als alles andere
hilft, die zunehmende Komplexität politischer Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse
73 Holly/Kühn/Püschel (1986), S. 106 74 Meyer (1998), S. 9
Erkenntnisgewinn und Talkshow
25
zu reduzieren. Images vereinfachen die Politik durch Personifizierung und machen sie so –
scheinbar – auch den wenig politisch Interessierten zugänglich […]“75
Es soll einmal genauer betrachten werden, wie die politische Werbung und Imagepflege
in die Talkshow sprachlich integriert wird. Dabei lässt sich feststellen, dass im Dienste
der Werbung alle Sprechakte stehen, mit denen die politischen Akteure versuchen für
sich selbst oder gegen die anderen Gäste zu werben, oder sich selbst zu legitimieren. Zu
nennen sind hierfür beispielsweise Bewertungen, Einstellungsbekundungen,
Versprechen oder auch Aufforderungen. Wie Werner Holly, Peter Kühn und Ulrich
Püschel in ihren Untersuchungen zeigen, sind diese Sprechakte in argumentative
Sequenzen von Begründungen und Gegenbegründungen eingebettet. Diese sind
wiederum für das Muster einer solchen Diskussion typisch und sind76 „innerhalb der
sekundären Rahmung funktionalisiert“77, sodass die politische Propaganda praktisch
nebenbei erfolgt.78 „Unter dem Vorzeichen sachbezogener Argumentation wird
scheinbar ernsthaft eine These aufgestellt und begründet, bis durch eine kleine
Wendung zu einer Wertung, weitere argumentative Schritte direkt auf das eigentliche
Ziel, die politische Werbung, bezogen werden können.“79
Auch an der Struktur des Sendungsablaufes lassen sich nach Werner Holly, Peter Kühl
und Ulrich Püschel oftmals die Auswirkungen der verfolgten Selbstdarstellung, statt
argumentativer Auseinandersetzung mit den anderen Gästen, ablesen. Die Behandlung
eines Themas verläuft nicht gradlinig, sondern teils in großen Sprüngen80. Somit wäre
auch ins Auge zu fassen, ob dies einen Einfluss auf den Erkenntnisgewinn hat. „Von
einer an einem Großthema zentrierten Diskussion kann keine Rede sein.“81 Stattdessen
werden Themen aufgegriffen, entfaltet, aufgebauscht oder auch übergangen, je
nachdem, wie sie dem eigenen Image, der Selbstdarstellung des Gastes, nützen oder
aber dem Image der anderen Gäste in ihrer Selbstpräsentation vor den Zuschauern
schaden können.82
75 Tenscher (2003), S. 277 76 Vgl.: Petter-Zimmer (1990), S. 24 77 Petter-Zimmer (1990), S. 24 78 Vgl.: Petter-Zimmer (1990), S. 24 79 Holly/Kühn/Püschel (1986), S. 115 80 Vgl.: Ebd., S. 165 81 Ebd., S. 165 82 Vgl.: Petter-Zimmer (1990), S. 24
Erkenntnisgewinn und Talkshow
26
So stellt Oevermann zusammenfassend fest:
„[…] wo eine Sache nicht um ihrer selbst willen verhandelt wird, sondern Themen
ausgesucht werden, damit Personen in vorgezeichneten Gesinnungszuordnungen
unterhaltsam aufeinandergehetzt werden können und/oder die Moderatoren ihre pastorale
Gesinnungsbetreuung der Nation magistral ausspielen können, geht es schon lange nicht
mehr um das ruhige und sachkundige Ausloten von verschiedenen Standpunkten und
Betrachtungsperspektiven. Vielmehr wird mit Redebeiträgen um Präsenz im
Selbstinszenierungs-Theater gekämpft und im ausschließlichen Kampf um diese Präsenz
um Punkte in der Prominenz- und Interessantheits-Tabelle, die über die Einladung zur
nächsten Talk-Show bestimmt.“83
Der Inszenierungscharakter politischer Talkshows steht außer Frage. Sie stellen eine
Form einer ritualisierten Behandlung beliebiger Themen der politischen
Auseinandersetzung, eine Inszenierung des politischen Alltags, dar84 und bieten diesem
so eine Bühne. Dass eine unter den Bedingungen – begrenzte Zeit, Vertretung von
Parteieninteressen, Selbstdarstellung, Orientierung auf das Publikumsinteresse, gezielte
Provokationen durch Moderation und durch Gäste untereinander – inszenierte
Diskussion nicht mit allzu großem, informativem Inhalt aufwartet, verwundert kaum.
Personalisierung, Unterhaltung und Emotionalisierung stehen im Vordergrund und
fördern einen plakativen Schlagabtausch, bei dem jedoch eine wirkliche inhaltliche
Auseinandersetzung mit dem Thema ausbleibt. Es ist festzustellen, dass das Gespräch
untereinander, für eine Diskussion oftmals sehr reduziert ausfällt. Es werden die Fragen
der Moderation annähernd beantwortet und darauf geachtet dem Publikum die eigene
Position zu präsentieren.85 Die stattfindende soziale Inszenierung ist also nicht primär
Erkenntnis leitend und auf effektive Problemlösungen ausgerichtet, sondern zielt
vielmehr auf Reaktionen der Rezipienten ab, das heißt sie möchte Aufmerksamkeit
erregen, Meinungen provozieren, sowie Entscheidungen der politischen Handelnden
legitimieren.86
Politik ist eigentlich als ein Prozess zu sehen87, „in dem Akteure auftreten, Konflikte
entstehen und gelöst werden, Kompromisse eingegangen werden, Programme erstellt
und verfolgt werden, Probleme definiert und Lösungsvorschläge erarbeitet oder Ziele
83 Oevermann (1995/1996), S. 218f 84 Vgl.: Keppler (2006), S. 230f. 85 Vgl.: Schicha (2003), S. 225 86 Vgl.: Meyer/Ontrup/Schicha (2000), S. 206 87 Vgl.: Meyer (2000), S. 120
Erkenntnisgewinn und Talkshow
27
gesteckt und erreicht werden.“88 Kommt es jedoch zu einer „Zentrierung öffentlicher
Aufmerksamkeit auf das medial Spektakuläre, auf die politische Inszenierung, auf
symbolische Politik“89, trübt dies „das Bewusstsein für die Unterscheidung zwischen
politisch Wichtigem und Unwichtigem. Im modernen medial-politischen Prozess
wächst das Risiko des kollektiven Irrtums“90 und letztendlich besteht so die Gefahr,
dass die Politik selbst an Bedeutung verliert.
Wie die Beschreibung gezeigt, ist eine politische Talkshow als ein inszeniertes
Gespräch zu klassifizieren.91 Inwieweit dies einen Erkenntnisgewinn verhindert, ist von
dem Grad der Inszenierung, als auch dem Umgang mit dieser abhängig. Festzustellen
ist, dass die moderne Talkshow ein gewisses Maß an Inszenierung bedarf, es ist jedoch
darauf zu achten, wann Provokation, Show, Selbstdarstellung und Schaukämpfe
umschlagen in ein bewusstes Irreführen des mündigen Bürgers. Denn er ist derjenige,
für den diese Show gegeben wird und er hat sein Geld für Erkenntnisgewinn gezahlt.
„Sofern sich der Inszenierungsgehalt auf die Form der Präsentation beschränkt oder die
Vermittlung relevanter Informationen durch Inszenierungsmerkmale unterstützt und
nicht blockiert wird, ist dieses Verfahren aufgrund des empirisch festzustellenden
Unterhaltungsbedürfnisses des Rezipienten legitim, um die Zuschauer an bestimmte
Sendungen zu binden.“92 Die Aufgabe der Talkshowmacher ist es erkenntnislose
politische Propaganda, weitgehend zu unterbinden, reiner Selbstdarstellung keine
Bühne zu geben und die Thesen der Gäste kritisch zu hinterfragen. Sie sind zwar selbst
maßgeblich an der Inszenierung der Talkshow beteiligt, wenn auch mit anderen
Elementen als die Politiker, aber ihre Elemente und inszenierenden Eingriffe dürfen
nicht mit dem ausgeschriebenen Ziel der Talkshow – dem Erkenntnisgewinn –
kollidieren. Ob dies möglich ist, oder ob sich Talkshowmacher durch ihre Inszenierung
selbst den Weg zu einem Erkenntnisgewinn verbauen können, soll im Laufe der Arbeit
noch genauer untersucht werden. Ebenso soll festgestellt werden, wann
Selbstdarstellung und politische Propaganda zu einer Gefahr für den Erkenntnisgewinn
werden oder gar ein Nichtzustandekommen dieses verursachen.
88 Meyer (2000), S. 120 89 Sarcinelli (1996), S. 276 90 Ebd., S.276 91 Vgl.: Schicha (2007), S. 113 92 Ebd. (1998), S. 151
Erkenntnisgewinn und Talkshow
28
1.2.4 Die politische Talkshow als Unterhaltungsformat – Politainment,
Segen oder Fluch?
„Die politische Talkshow ist vielleicht der augenfälligste Beweis dafür, dass man
Information und Unterhaltung nicht mehr klar unterscheiden kann.“93
Thierse, Wolfgang in seiner Eröffnungsrede zum Mainzer Medien Disput 2003
Mit diesen Worten eröffnete der Politiker Wolfgang Thierse den Mainzer Mediendisput
2003. Eine Aussage, die eine vielschichtige Diskussion beschreibt, die in den letzten
Jahren mit der Talkshowgeschichte eng verknüpft ist.
Fernsehmacher, insbesondere auch Talkshowmacher, stehen Tag täglich vor der
Schwierigkeit politische Inhalte in anspruchsvollen, informativen, aber auch
gleichzeitig erfolgreichen Formaten zu präsentieren. Der vielfach diskutierten
Politikverdrossenheit zum Trotz wird von einer guten, politischen Berichterstattung
immer noch eine ernsthaft geführte Diskussion um politische Haltungen und Meinungen
erwartet. Hinzu tritt in der modernen Medienlandschaft die Erwartung, in einem
erfolgreichen Format angemessen unterhalten zu werden.94 Eine Vernetzung von
Information und Unterhaltung, in Bezug auf die Politik, stellt ein Spagat dar, das
bedeutsame Folgen haben kann.
Die Frage nach einer angemessenen Politikvermittlung ist, in Bezug auf die
wissenschaftliche Forschung, aber auch die Reflexion seitens der Politik selbst, nicht
neu und vielfach untersucht, dennoch aber in Hinblick auf das Genre Talkshow nach
wie vor hochaktuell. Gerade in Bezug auf die zu untersuchende Fragestellung nach dem
Erkenntnisgewinn stellt sich die Frage, inwiefern eine Vermischung von Unterhaltung
und Information oder gar eine deutliche unterhaltende Prägung, bei der Vermittlung
politischer Inhalte, einen möglichen Erkenntnisgewinn gefährden kann oder aber diesen
möglicherweise positiv unterstützt.
Anhand der Entwicklung des Fernsehens lässt sich deutlich sehen, dass schon zwischen
1985 und 1995 eine hauptsächlich unterhaltungsorientierte Nutzung des Mediums
zugenommen, gleichzeitig die Nutzung als reine Informationsquelle abgenommen hat.
Teilweise lässt sich eine polarisierende Nutzung des Mediums, als unterhaltendes oder
93 Die Welt (05.11.2003): Thierse zeigt sich besorgt über Trend zum Politainment 94 Vgl.: Diekmannshenke (2002), S. 390
Erkenntnisgewinn und Talkshow
29
informierendes Element erkennen.95 Das heißt, aus Sicht des Publikums verlor das
Fernsehen als Medium politischer Information an Bedeutung. Folglich mag es
konsequent erscheinen, dass sich, geprägt durch diese Erkenntnis, die Fernsehmacher
bei der Vermittlung politischer Inhalte auch zunehmend des Mittels der Unterhaltung
bedienten. In den 90er Jahren wird deutlich, dass sich aber keine zwei Richtungen
ausbildeten, sondern es vielmehr zu einer immer stärker werden Vernetzung von
Information und Unterhaltung kam. Andreas Dörner prägte in diesem Zusammenhang
den Begriff Politainment, in Anlehnung an den Begriff Infotainment und beschreibt
damit eine Koppelung und enge Bindung unterhaltender und politischer
Kommunikation.96
Schon 1985 hatte Neil Postman mit dem Begriff Infotainment dem Fernsehen
zugeschrieben, jedes Thema als oberflächliche Unterhaltung zu präsentieren und so den
Zuschauer die Urteilsfähigkeit zu nehmen, sich ein objektives Urteil bilden zu können
und kritisch zu hinterfragen.97 Andreas Dörner bindet mit seinem Begriff Politainment
die Politik mit ein. Der Begriff setzt sich, nach Dörner aus zwei Ebenen zusammen, die
sich gegenseitig beeinflussen:
1. Unterhaltende Politik: „Wenn politische Akteure – Personen, Parteien oder Verbände –
in den Fundus der Unterhaltungskultur greifen, um strategisch erfolgreich zu
kommunizieren, dann ist das unterhaltende Politik. Sie wird dargeboten vorzugsweise in
Wahlkämpfen, gehört aber mittlerweile als Zugriff auf mediale Öffentlichkeitsmacht zum
Alltagsgeschäft des politischen Handelns.“98
2. Politische Unterhaltung: „Politische Unterhaltung dagegen wird von der Kulturindustrie
betrieben. Hier benutzt man politische Themen, Ereignisse und Personen dazu, die
Angebote interessanter zu gestalten – seien es nun Game-Shows oder Serien, Krimis oder
Talkrunden. Ziel ist dabei nicht Meinungsbildung und Überzeugung, sondern Quote und
Erfolg am massenmedialen Markt.“99
Im Gegensatz zu Neil Postman spricht Dörner der neuen Verbindung mit der
Unterhaltung, in Bezug auf die Politik, jedoch nicht jegliche politischer
Vermittlungsfähigkeit ab, sondern betrachtet diese als eine neue fiktionale Realität des
95 Vgl.: Diekmannshenke (2002), S. 399 96 Kamps (2007), S. 150 97 Vgl.: Postman (1988) 98 Dörner (21.06.2002): Politainment versus Mediokratie. 99 Ebd.
Erkenntnisgewinn und Talkshow
30
Politischen.100 Doch birgt diese Form nicht neue Gefahren für den Zuschauer? Thomas
Meyer beschreibt die Wirkung des Politainments wie folgt:
„Die öffentliche Darstellung von Politik und ihr realer Vollzug werden durch
„Politainment“ prinzipiell entkoppelt. Für die Bürgerinnen und Bürger ist kaum noch
nachvollziehbar, bei welchen der Darstellungen von Politik es sich um leere Inszenierungen
und bei welchen um geschickte Präsentationen tatsächlichen Vollzugs handelt. Es scheint
so, als hätten wir eine Neuauflage der höfischen Öffentlichkeit, die sich dadurch
auszeichnete, dass Politik dann, wenn wie den Interessen der Leute entsprach, als das
immer gleiche Spektakel auf der Staatsbühne gebracht wurde. Der Zusammenhang
zwischen dem Spektakel und dem, was wirklich geschieht, wird unberechenbar.“ 101
Festzustellen ist, dass die moderne Talkshow sich deutlich von ihren Vorläufern
unterscheidet. Als einen Hauptunterschied bezeichnen viele Untersuchungen das
Informationspotenzial, denn während frühere Talkrunden sich noch weitgehend der
Ernsthaftigkeit eines Bildungs- und Informationswertes verpflichtet sahen, wird den
aktuellen politischen Talkshows des Öfteren dieser komplett abgesprochen. Ein Grund
der Zunahme von unterhaltenden Elementen in politischen Talkshows läge, in den
zunehmenden Selbstdarstellungsfähigkeiten der mitwirkenden Politiker.102 So träten an
die Stelle der traditionellen Diskussionsformen teilweise regelrechte moderne
Politikinszenierungen. Eine Entwicklung, die ein kontrovers diskutierter
Untersuchungsgegenstand der wissenschaftlichen Forschung geworden ist. So werden,
in vielen wissenschaftsbasierten, aber auch journalistischen Kriterien zu diesem jungen
Genre, die Funktionen Information und Unterhaltung als Gegensätze behandelt. Dabei
wird Information positiv und Unterhaltung negativ eingeordnet. Pauschale
Verurteilungen der Unterhaltung finden sich des Öfteren: „Information ist
Bürgerpflicht. Unterhaltung, insbesondere Massenunterhaltung, […] suspekt“.103 Reine
Erkenntnis sei von den Massenmedien nicht mehr zu erwarten, vielmehr hätte sich das
Fernsehen längst in eine gigantische Vergnügungs- und Unterhaltungsmaschine
verwandelt, deren Sklaven die Journalisten seien.104 Talkshows haben, so viele kritische
Stimmen, keine primär ernsthaften Themen mehr und seien nicht auf Problemlösungen
100 Vgl.: Dörner (2001), S. 31ff. 101 Meyer (29.12.2003): Die Theatralität der Politik in der Mediendemokratie. 102 Vgl.: Wagner (2008), S. 136ff. 103 Ebd., S. 135 104 Vgl.: Boventer (19.03.1993): Sklaven der Vergnügungsmaschinerie.
Erkenntnisgewinn und Talkshow
31
ausgerichtet.105 Durch eine zu enge Verzahnung von Unterhaltung und Politik bestehe
somit die Gefahr, dass die politische Informationsaufnahme beeinträchtigt werde und
somit Talksendungen an politischer Effizienz verlieren würden.106 Zudem kann das
Image des Fernsehens, als ein Unterhaltungsmedium, als welches es auch hauptsächlich
vom Zuschauer wahrgenommen wird, eine beeinflussende Rolle bei der Rezeption
politischer Information spielen. Und letztendlich könne die lockere
Unterhaltungsatmosphäre anlässlich der Rezeption dazu beitragen, dass das Fernsehen,
vonseiten des Rezipienten, kaum noch als ein politisches Medium wahrgenommen
werde.107 Die Erwartungshaltung des Zuschauers nach Unterhaltung brächte so Politiker
und Fernsehmacher in Versuchung aus der politischen Talkshow eine
Unterhaltungsshow machen zu wollen, in der Politik nur als Schlagabtausch nach Reiz-
Reaktions-Schema, präsentiert werde108, um den Zuschauer am Bildschirm zu halten.
Ausgehend von diesen Annahmen, sind die Folgen verheerend. Die politische Talkshow
wird dadurch keine gute Unterhaltungsshow, weil sie schon alleine von ihren Elementen
nicht dafür konzipiert ist. Außerdem verliert sie zudem so die Legitimation, sich als
politische Talkshow bezeichnen zu dürfen. Aus einer Sendung mit politischem Inhalt
wird eine Inszenierung scheinbar politischer Inhalte, in Wirklichkeit aber nur eine
Selbstdarstellungsshow für Politiker und im schlimmsten Fall eine Beeinflussung von
Zuschauern ohne ihr Wissen. Gerade in Hinblick auf einen zu erreichenden
Erkenntnisgewinn in einer politischen Talkshow wäre dies eine große Gefahr.
Doch wie groß ist diese Gefahr wirklich? Kann eine Vermischung von Unterhaltung
und Information pauschal jegliche eigene Urteilsbildung der Zuschauer außer Kraft
setzen? Und muss sich eine Vernetzung dieser beiden Elemente zwangsläufig zum
Nachteil einer seriösen, ernst zu nehmenden und informativen Politikvermittlung
auswirken?
Politische Talkshows könnten, da sie unterhaltend sind, keine ernsthaften Informationen
und somit auch keinen Erkenntnisgewinn liefern, so der Tenor vieler Kritiker. Bei
genauem Hinsehen wird klar, dass diese Kritik ihre Basis in dem Stimulus-Response-
Modell hat. Das Stimulus-Response-Modell, auch Reiz-Reaktions-Modell, ist ein
105 Vgl.: Löffler (2002), S. 2322 106 Vgl.: Burrichter (1970), S. 160 107 Vgl.: Bußkamp (2002), S. 28f. 108 Vgl.: Leif (2002), S. 80
Erkenntnisgewinn und Talkshow
32
Modell zur Beschreibung des Kommunikationsprozesses. Es besagt, auf die
Medienwirkung angewandt, „dass sorgfältig gestaltete Stimuli jedes Individuum der
Gesellschaft über die Massenmedien auf die gleiche Weise erreichen, jedes
Gesellschaftsmitglied die Stimuli in der gleichen Weise wahrnimmt und als Ergebnis
eine bei allen Individuen identische Reaktion erzielt wird.“109 Es ist schlussßzufolgern,
dass von gleichen Stimuli auch gleiche Wirkungen ausgehen, eine Annahme, die heute
ihre Gültigkeit verloren hat und somit auch nicht als Beweis angeführt werden dürfte,
aber trotzdem nicht aus allen Köpfen verschwunden ist.110
Die Annahme, Information und Unterhaltung als gegensätzliche und einander
ausschließende Pole zu beschreiben, ist insofern als nicht mehr zeitgemäß, in Bezug auf
die heutigen Talkshows, als dass der Zuschauer Informations- und Unterhaltungs-
leistung in einer Art Symbiose wahrnimmt, und sich diese somit eher gegenseitig
unterstützen, als sich zu stören.111 Elisabeth Klaus bezeichnete in ihren Untersuchungen
Langeweile als das Gegenteil von Information und keinesfalls Unterhaltung. Übertragen
auf den Rezeptionsvorgang verweist sie darauf, dass die Trennung von Unterhaltung
und Information somit als ungerechtfertigt zu bezeichnen sei.112
Talkshowformate, die von ihren Machern als Unterhaltungsendungen konzipiert
wurden, müssen folglich nicht zwangsläufig vom Zuschauer als solche wahrgenommen
werden. Als informativ ist eine Mitteilung zu bezeichnen, wenn sie das Wissen des
Empfängers erweitert, indem sie zu einer Verringerung oder Beseitigung seiner
Unkenntnis beiträgt. Dies bedeutet folglich, dass was als Information aufgefasst wird,
nicht von der Genrezuordnung einer Sendung abhängt, sondern vielmehr von dem
Informations-, bzw. Kenntnisstand des Empfängers.113
Es lässt sich also festhalten, dass Unterhaltung als eine rezipientenorientierte Kategorie
zu bezeichnen ist. Und im Umkehrschluss Rezipienten auch jedes mediale Angebot im
Fernsehen als Unterhaltung auffassen und nutzen können. Beispielsweise kann so ein
Rededuell zwischen zwei Politikern, unter dem Aspekt des Gewinnens und Verlierens
109 Schenk (2007), S. 24 110Vgl.: Merten (2007), S. 55ff. 111 Vgl.: Bosshart (1979), S. 170f. 112 Vgl.: Kaschura (2005), S. 48 113 Vgl.: Wagner (2008), S. 136f.
Erkenntnisgewinn und Talkshow
33
wahrgenommen werden, statt auf Stringenz der Argumente und Überzeugungskraft der
inhaltlichen Aussagen zu achten.114
Doch auch, wenn der Zuschauer trotz unterhaltendem Einfluss in der Lage ist, politische
Information wahrzunehmen, heißt diese nicht automatisch, dass durch Elemente der
Unterhaltung, wie zum Beispiel die Selbstdarstellung der Politiker, nicht eine große
Gefahr für den politischen Informationsgehalt ausgeht. So scheint es wichtig die
richtige Dosis Unterhaltung zu finden, da sonst der Erkenntnisgewinn gefährdet ist.
Untersuchungen haben gezeigt, dass der Zuschauer großen Wert auf ernsthafte
Informationen legt und sich keinesfalls mit einem Streitgespräch abgibt, welchesdas
zwar Unterhaltung, aber keine inhaltlichen Erkenntnisse liefert. Bei falscher
Inszenierung oder Überinszenierung stoßen Sendungen auf deutliche Ablehnung. Nur
wenn eine prinzipielle Lösung, der zu diskutierenden Fragestellung, offeriert wird oder
zumindest dem Zuschauer das Gefühl eines Lösungsansatzes vermittelt wird, ist die
Zuschauerakzeptanz gesichert.115
Und so können unterhaltende Elemente an der richtigen Stelle eingesetzt, nicht nur neue
Zuschauergruppen gewinnen, sondern auch den Erkenntnisgewinn positiv unterstützen.
Als unterhaltende Elemente sind ja keinesfalls Showeinlagen in einer politischen
Talkshow zu erwarten, sondern Elemente, wie beispielsweise ein ironischer
Einspielfilm, um einen Politiker aus der Reserve zu locken. Wichtig ist dabei die
Unterhaltung gezielt einzusetzen, um nicht der Sendung die Ernsthaftigkeit zu nehmen.
Die Ausführungen haben gezeigt, dass eine politische Talkshow unserer Zeit nicht mehr
als eine rein informative Form politischer Kommunikation zu bezeichnen ist. Sie lässt
sich mit dem Begriff Infotainment, oder vielmehr mit dem von Andreas Dörner
geprägten Begriff Politainment beschreiben.116 Dabei ist anzumerken, dass das
Spannungsverhältnis zwischen Unterhaltung und Information keinesfalls ein Thema der
heutigen Medienwelt ist, sondern in der ästhetischen Theorie schon lange zuvor, von
der Antike bis zu Berthold Brecht, immer wieder eine Rolle spielte. Im Grunde besagt
der Begriff des Infotainment nichts weiter117,
114 Vgl.: Diekmannshenke (2002), S. 390 115 Vgl.: Ebd., S. 400 116 Vgl.: Wagner (2008), S. 138 117 Vgl.: Ontrup (1999), S. 105
Erkenntnisgewinn und Talkshow
34
„als dass die Aufnahme von Informationen und Neuigkeiten weniger an
Aufmerksamkeitsleistungen geknüpft ist, als dass Informationen dem Zuschauer vermischt
mit Unterhaltungsqualitäten und mit einer aufmerksamkeitsstarken Dramaturgie zugetragen
werden. Infotainment sollte nicht nur als eine Mischung von Information und Unterhaltung
definiert, sondern auch als Rezeptionsqualität in einem angeregten (Information) und
erregten (Unterhaltung) Zustand aufgefaßtaufgefasst werden.“118
Die eindeutige Verschiebung in Richtung Unterhaltung, bezüglich der Intention der
Talkshowmacher, als auch der Zuschauererwartungen moderner Polit-Talkshows, muss
folglich keine Entscheidung gegen Information bedeuteten. Unterhaltung und
Information gewinnen in ihrer Verknüpfung eine völlig neue Qualität119, die, wenn sie
in angemessenem Umfang dem Zuschauer angeboten wird, sogar positiv in Bezug auf
Politikvermittlung zu deuten ist. Aber auch, wenn einer politischen Talkshow nicht
jeglicher Informationswert abgesprochen werden sollte, ist festzuhalten, dass diese,
schon allein von ihren Merkmalen, nicht die gleiche Information und somit nicht den
gleichen Erkenntnisgewinn vermitteln kann, wie ein Fachvortrag oder
Fachzeitschriftenartikel. Aber ist dies überhaupt ihr Anspruch? Es steht außer Frage,
dass die Annahme, aufgrund dieses scheinbar geringeren Informationswertes, von einer
negativen Wirkung der Sendung auf die Zuschauer auszugehen, übereilt erscheint.
Einen Kausalzusammenhang herzustellen, dass unterhaltende Polit-Talkshows lediglich
Unterhaltung, aber keine Information und somit auch keine Erkenntnisgewinn für den
Zuschauer vermitteln können, wurde nicht bewiesen. Zudem wäre dies auch in der
Formulierung für diese Problematik als einseitig, unseriös, oberflächlich und damit
unwissenschaftlich abzulehnen. Trotzdem ist die Verbindung von Unterhaltung und
Information ein Drahtseilakt, der zwar durchaus Informationspotenzial verspricht,
jedoch hierfür auch einen Moderator benötigt, der Selbstinszenierung unterbindet,
reinen Werbebotschaften keine Plattform gibt, Widersprüche in der Argumentation der
Gäste aufdeckt und sich nicht scheut hart nachzufragen.120 Dann kann es gelingen nicht
nur trotz, sondern gerade durch unterhaltende Elemente, zu einem Erkenntnisgewinn
kommen.
118 Ontrup (1999), S. 105 119 Vgl.: Diekmannshenke (2002), S. 399 120 Vgl.: Wagner (2008), S. 137f.
Erkenntnisgewinn und Talkshow
35
1.3 Die Entstehung einer politischen Talkshow
Zum besseren Verständnis welche Komponenten bei der Auswahl der Gäste und der
Konzeption einer Sendung eine Rolle spielen, soll in diesem Abschnitt erläutert werden,
wie eine politische Talksendung entsteht. Exemplarisch wird der Ablauf einer Talkshow
beschrieben. Jede Redaktion hat natürlich ihren eigenen Ablauf, allerdings ist es zum
Verständnis dieser Arbeit ausreichend einen ungefähren Ablauf zu beschreiben.
Nach der Sendung ist vor der Sendung. Dieser Grundsatz lässt sich auf alle der hier
behandelten politischen Talkshows anwenden. Kaum ist eine Sendung gesendet und die
Kritik innerhalb der Redaktion abgeschlossen, begibt sich die Redaktion auf
Themensuche nach einem neuen Thema für die nächste Sendung. Da zu diesem
Zeitpunkt die nächste Sendung meist noch fast eine Woche entfernt liegt, ist bezüglich
der Aktualität noch ein großer Spielraum möglich. Es wird also zunächst einmal
brainstormmäßig gesammelt, was sieben Tage später die Woche thematisch dominieren
könnte. In einem zweiten Schritt macht man sich auf die Suche nach Gästen. Bei der
Gästeauswahl gibt es eine Art Rangfolge der Gäste – auf Platz 1 steht der
Wunschkandidat, auf den folgenden Plätzen die Alternativen. Denn der Vorlauf einer
Sendung ist knapp, Politiker oder andere Personen des öffentlichen Lebens haben einen
eng gestrickten Zeitplan, somit nicht unbedingt Zeit und vor allem auch nicht unbedingt
immer Interesse an der geplanten Diskussion teilzunehmen. Hauptkriterium bei der
Gästezusammenstellung ist es, dass alle Aspekte und somit Positionen des zu
diskutierenden Themas vertreten sind. Dabei ist zudem darauf zu achten, dass eine
Positionsausgewogenheit zwischen den Gästen herrscht und die einzelnen Positionen
sich verbal ebenbürtig sind. Idealweise ist die Gästezusammestellung so gewählt, dass
die Runde überraschend, nicht allzu vorhersehbar und wenn möglich vielleicht durch
einen unbekannten Gast interessant besetzt ist. Leider ist dieser Aspekt oftmals der
schwierigste, da die Anzahl der talkshowerfahrenen Gäste sehr überschaubar ist und
eine Redaktion oftmals keine Risiken, auch in Bezug auf die Quote, eingehen möchte
und unbekannte Gäste oder noch nicht in Talkshows erprobte Gäste zu besetzen. Diese
Problematik kann sich auch negativ auf ein Erreichen des möglichen Erkenntnisgewinns
auswirken. Der wichtigste Aspekt bei der Gästeauswahl ist jedoch, dass die Gäste
richtig besetzt sind. Das heißt konkret, wenn ein Gast in eine Position gedrängt wird, die
er nicht vertritt oder nicht vertreten möchte, stellt er ein Risiko dar. Elementar wäre in
Erkenntnisgewinn und Talkshow
36
diesem Zusammenhang die Fragestellung ob eine falsche Gästewahl, eine falsche
Gästezusammenstellung den Erkenntnisgewinn gefährdet.
Im nächsten Schritt nimmt die Redaktion Kontakt mit den potenziellen Gästen auf, führt
Vorgespräche am Telefon oder persönlich, um die Ansichten und Positionen des
möglichen Gastes abzufragen. Wichtig ist dabei auch darauf zu achten, dass sich die
rhetorischen Fähigkeiten der einzelnen Gäste auf einem ähnlichen Niveau bewegen.
Anderenfalls könnte ein Gast einem anderen rhetorisch überlegen sein und es so zu
einem Ungleichgewicht in der Gesprächsdynamik oder der Besetzung der Positionen
kommen. Die Redaktion stellt zu jedem Gast ein Dossier zusammen, bestehend aus
Interviews, Lebenslauf, Hintergrundinformationen und ein Protokoll des Vor-
gespräches. Dieses wird zusammen mit einem Dossier zur Sendungsthematik dem
Moderator einige Tage vor der Sendung überreicht. Das heißt erst zu diesem Zeitpunkt
kommt der Moderator aktiv ins Spiel, denn bisher wurde er zwar über die Entwicklung
der Sendung auf dem Laufenden gehalten, die Hauptarbeit lag jedoch bei der Redaktion.
In einem anschließenden Briefing bauen die Redakteure gemeinsam mit dem Moderator
die Sendung zusammen. In einem ersten Schritt wird der Moderator mit dem Thema
vertraut gemacht. Wichtig ist es dabei, dass alle Fakten, Hintergründe und insbesondere
aktuellen Zahlen zu dem zu diskutierenden Thema zusammengetragen werden, um den
Moderator damit auszustatten, denn nur so kann er in der Diskussion sicher agieren. In
einem zweiten Schritt folgen der Aufbau der Sendung und die Festlegung der
Grundfragestellung der Diskussion. Diese wird anschließend in mehrere Themenblöcke,
unterteilt. Oftmals werden aber nicht alle vollständig in der Sendung untergebracht. Die
Redakteure wissen aus den Vorgesprächen was die einzelnen Gäste zu den
Themenblöcken beitragen können und so folgt in Schritt drei die Überlegung, wem
welche Frage zu welchem Zeitpunkt gestellt wird. Innerhalb der Themenblöcke gibt es
mindestens eine Frage an jeden Diskutanten. Diese haben zudem häufig Unterfragen.
Der Aufbau der Fragen strukturiert einen gewissen Sendungsaufbau. Die Gäste selbst
kennen den Aufbau der Sendung, sowie die einzelnen Themenblöcke vor der Sendung
nicht. So wird auch vorgebeugt, dass sich die Gäste ihre Antworten schon im Vorhinein
zurechtlegen und somit kein wirkliches Gespräch stattfindet.
Einige Redaktionen bereiten in sehr themenstarken Wochen auch zwei Sendungen
parallel vor, um am Sendetag auf das richtige Pferd zu setzen. Die hier vorgestellte
Erkenntnisgewinn und Talkshow
37
Entstehung einer politischen Talkshow geht jedoch aus Klarheitsgründen von einer
Sendung aus.
Für die Sendungen werden zusätzlich mögliche externe Elemente vorbereitet, wie
beispielsweise Einspielfilme, Grafiken oder Umfragen, um das Thema zu illustrieren.
Zudem werden in den letzten Jahren verstärkt Nebengäste mit in die Sendung
eingebunden. Meist handelt es sich hierbei um Betroffene, aber auch Experten oder
Gäste, die für eine Betroffenen- oder Bürgergruppe sprechen können und somit das
Thema verständlicher machen sollen und auf eine realistische, oftmals emotionalere
Ebene herunterbrechen. Der Zuschauer bekommt so das Gefühl, dass die Betroffenen,
als Vertreter für ihn, mit ihrem Anliegen direkt gehört werden. Diese Gäste gilt es auch
im Vorfeld der Sendung zu finden, sowie einzuladen. Dabei ist ein sehr hohes Maß an
Fingerspitzengefühl gefragt, da es sich bei diesen Gästen nicht um Medienprofis handelt
und somit ein Auftritt in einer Talkshow eine große Herausforderung für sie darstellt.
Aus diesem Grund werden diese Gäste in der Sendung getrennt von der Runde befragt,
um dem Moderator die Möglichkeit zu geben sich ihnen gezielt zu widmen und sie
nicht einer Diskussionssituation mit Rhetorikprofis, wie es sie Hauptgäste meist sind,
auszusetzen.
Ausgestattet mit den Fragen und Themenblöcken als Leitfaden für die Diskussion
begibt sich der Moderator in die Sendung. Oftmals ist er über einen kleinen Kopfhörer
mit dem Redaktionsleiter verbunden, der so während der Sendung mit Hinweisen
unterstützend wirken kann. Doch nicht nur inhaltlicher Art, sondern auch in Bezug auf
die Körpersprache der Gäste ist dieser Knopf im Ohr des Moderators ein wichtiges
Utensil. Hiermit wird die Problematik umgangen, dass in Talkrunden, in denen der
Moderator in der Mitte sitzt, dieser, wenn er sich in einem Gespräch mit dem Gast
neben ihm befindet, nicht sieht was der Gast auf der anderen Seite nonverbal tut.
Schüttelt dieser den Kopf, verzieht er das Gesicht, all dies stellen mögliche Gründe dar,
seine Beweggründe zu erfragen. Möglich ist dies jedoch nur, wenn der Moderator über
diese Mimik oder Gestik informiert ist, durch eigenes Sehen oder eben durch einen
Hinweis des Redaktionsleiters, der in der Regie sitzend über Bildschirme alle Gäste im
Bild hat.
Der Zeitpunkt, wann die externen Elemente wie Einspielfilme, Grafiken, aber auch
Nebengäste zum Einsatz kommen, wird von dem Moderator während der Sendung
Erkenntnisgewinn und Talkshow
38
flexibel gewählt, wenn es passend erscheint. Des Öfteren kann es auch so passieren,
dass beispielsweise Einspielfilme vorbereitet, aber nicht gesendet werden, weil der
passende Zeitpunkt fehlte. In manchen Sendungen werden von den Reaktionen selbst,
schon während der Sendung, Gästezitate als Pressemitteilungen an die Agenturen
verschickt, um so möglichst am nächsten Tag oder schon in den nächsten Stunden in
Zeitungen und Onlineausgaben zu erscheinen.
Im Anschluss der Sendung oder am nächsten Morgen gibt es eine Kritikkonferenz
innerhalb der Redaktion, in der sehr ausführlich die Sendung auf mögliche Fehler,
Schwachstellen, aber auch positive Verläufe analysiert wird. Wichtiges Hilfsmittel ist
dabei der Minutenverlauf der Einschaltquote, als ein wichtiger Gradmesser, wann der
Zuschauer interessiert war und wann oder vor allem warum weggeschaltet wurde.
Dieser Ablauf der Sendungsentstehung dient lediglich als ein exemplarischer Hinweis.
Er bezieht ist vor allem auf die Erfahrungswerte der Autorin, die selbst in verschiedenen
Talkshowredaktionen tätig war und zudem durch Gespräche mit Talkshowmachern im
Vorfeld der Arbeit sich ein Hintergrundwissen aneignen konnte.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
39
2 Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
Eine politische Talkshow ist als ein vielfältiges Genre zu begreifen, dem seitens
Rezipienten und Kritikern eine hohe Erwartungshaltung gegenübersteht. Eine wichtige
Zielsetzung sei es, so die Forderung, mit dieser auch die Option auf einen
Erkenntnisgewinn geboten zu bekommen. Eine Erwartung die oftmals enttäuscht und
somit vielfach aufs Neue formuliert wurde. Ob diese erfüllt werden kann oder überhaupt
erfüllt werden soll, wird im Laufe der Magisterarbeit noch genauer untersucht. An
dieser Stelle, stellt sich zunächst einmal die Frage welche Faktoren über die Erreichung
eines Erkenntnisgewinns und somit das Gelingen einer Sendung entscheiden. Um diese
zu bestimmen wird für die vorliegende Arbeit eine Analysemethode entwickelt, die im
Anschluss exemplarisch an zwei Sendungen durchgeführt wird. Mit Hilfe dieser
Untersuchung sollen mögliche Beeinflussungsfaktoren und Gefahrenquellen für den
Erkenntnisgewinn bestimmt werden.
2.1 Die Methode und Entwicklung der Analysekriterien
Die Analyse wird unter der Annahme durchgeführt, dass ein Erkenntnisgewinn, wie in
der Kritik gefordert, eine Zielsetzung der politischen Talkshow darstellt. Um die der
Arbeit zugrunde gelegte Fragestellung nach dem Erkenntnisgewinn der Talkshows zu
beantworten, müssen zunächst einmal Analysekriterien herausgearbeitet und festgelegt
werden, die die ausgewählten Sendungen auf die Grundfragestellung hin analysieren.
Die Analysekriterien sollen verschiedene Bereiche der Sendung untersuchen, die alle
zusammen für das Endergebnis, die fertige Sendung, verantwortlich sind. Nur mit Hilfe
von genau definierten Kriterien lassen sich für Talkshows dieser Art allgemeingültige
Ergebnisse erreichen.
Für die Analysekriterien ergeben sich somit folgende Bedingungen:
Die Analysekriterien müssen so allgemeingültig gewählt werden, dass sie sich auf alle
Sendungen dieses Sendetyps anwenden lassen. Sie müssen klar und eindeutig nur ein
Element untersuchen und einer Fragestellung nachgehen.
Zur Entwicklung der Kriterien wird zunächst einmal das fertige Ergebnis Talkshow in
einzelne Elemente unterteilt, die für seine Entstehung wichtig sind. Diese Elemente
werden anschließend als Analysekriterien bestimmt und einzeeinzelndl untersucht,
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
40
sodass jedes Element für sich ein Teilergebnis erhält. Die zu untersuchenden Elemente
werden wie folgt bestimmt:
Im ersten Schritt lässt sich festhalten, dass es verschiedene Gruppen von Kriterien gibt.
Gruppe 1 beschreibt Kriterien, die vor der ersten Ausstrahlung der Sendung oder einer
Änderung der Sendung festgelegt werden. Diese Kriterien sind für jede Sendung gleich,
weil sie sich auf die Talkshowreihe und nicht auf die einzelne Sendung beziehen. Eine
einmalige Interpretation der Kriterien dieser Gruppe sind somit weitgehend auf jede
Sendung übertragbar. Dennoch muss beachtet werden, dass in jeder Sendung der, durch
diese Kriterien vorgegebene Rahmen anders aufgenommen wird und sich somit positiv
oder negativ auf den Erkenntnisgewinn auswirken kann.
Gruppe 2 beschreibt Kriterien, die für jede Sendung neu, im Vorfeld der Sendung durch
Redaktion oder Moderation festgelegt werden. Ihre Wirkung ist jedoch im Laufe der
Sendung ausschlaggebend.
Gruppe 3 entwickelt sich erst während der Sendung. Folglich weisen ihre Kriterien, im
Vergleich zu den anderen Kriteriengruppen, die deutlichsten Unterschiede von Sendung
zu Sendung auf.
Kriteriengruppe 1:
Sendungskonzept/Sendungsstruktur
Kriteriengruppe 2:
Gästeauswahl
Ergänzende Elemente
Sitzordnung
Kriteriengruppe 3:
Gesprächsverlauf
Zeitmanagement
Rederecht
Grad der Verständlichkeit
Gesprächsdynamik
Sprachliche Interaktion
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
41
Für die Analyse wurden zwei Sendungsbeispiele ausgewählt und anhand der
entwickelten Kriterien analysiert. Dabei soll festgestellt werden, welchen Einfluss die
einzelnen Kriterien auf den Erkenntnisgewinn ausüben und ob dieser sich zu einer
Gefährdung für den Erkenntnisgewinn entwickeln kann. Jedem Kriterium ist folglich
eine Beeinflussungskategorie, das heißt ein bestimmter Grad der Beeinflussung des
Erkenntnisgewinns, zuzuschreiben. Die Beeinflussungskategorien werden in der
Analyse mit einem Wirkungsgrad von 1-3 beschrieben. Dabei wird 1 als nicht oder
kaum beeinflussend definiert und 3 als stark beeinflussend und somit gefährdend für
den Erkenntnisgewinn.
2.1.1 Die Definitionen der Analysekriterien
Die entwickelten Analysekriterien sind jeweils nach einer auf ihrer Bedeutung für den
Erkenntnisgewinn ausgerichteten konkreten Fragestellung zu verwenden. Im Folgenden
werden die Kriterien in ihrer für diese Analyse gültige Verwendung hin kurz definiert,
sowie ihre Grundfragestellung formuliert.
Sendungskonzept
Grundlage für jede politische Talkshow bildet ein sogenanntes Sendungskonzept, das
schon vor der ersten Ausstrahlung theoretisch festlegt, welches Ziel die Sendung
verfolgt, wie sie aufgebaut ist, wer ihre Akteure sind, wie das Verhältnis zwischen
Moderator und Gästen gestaltet sein soll und welchen Moderationsauftrag der
Talkshowmoderator hat. Diese Elemente bestimmen zusammen den Ablauf der
Sendung. Basierend auf dem Sendungskonzept folgt eine politische Talkshow einem
bestimmten, von Sendung zu Sendung in ihrer Grundstruktur gleichen Ablauf. Dieser
wird hier als die Sendungsstruktur bezeichnet. Die Sendungsstruktur steuert als
grundliegende Basis indirekt den Ablauf der Sendung.
Fragestellung: Bergen Aufbau, Ablauf und Elemente des Sendungskonzeptes, der
Sendungsstruktur Gefahrenquellen, die den Erkenntnisgewinn gefährden?
Gästeauswahl
Die Gästeauswahl findet in der Regel in der Woche vor der Sendung statt und wird
federführend von der Redaktion durchgeführt. Wie schon im Kapitel Die Entstehung
einer politischen Talkshow beschrieben, wird nach einer ersten Themendefinierung im
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
42
zweiten Schritt überlegt, welche Gäste für die Diskussion geeignet wären. Dabei sind
folgende Punkte zu beachten:
1. Dass alle Aspekte, alle Positionen eines Themas besetzt sind
2. Ein ausgewogenes Verhältnis hinsichtlich der zu vertretenden Positionen
vorliegt
3. Die Gäste, aber vor allem die Besetzung der Positionen sich rhetorisch
ebenbürtig sind
4. Im Idealfall die Gästezusammenstellung überraschend ist und nicht allzu
vorhersehbar ist
5. Ein unbekannter Gast, der aber Experte zum Thema ist die Runde interessant
machen kann
6. Die Gäste müssen richtig besetzt werden
Wenn ein Gast in eine Position gedrängt wird, die er nicht vertritt, oder sie in der
Sendung plötzlich leugnet, stellt er ein Risiko für die Sendung dar und kann auch den
Erkenntnisgewinn gefährden.
Fragestellung: Gefährdet eine falsche Gästeauswahl, eine falsche Gästezusammen-
stellung den Erkenntnisgewinn? Gefährdet eine zu voraussehbare Gästeauswahl den
Erkenntnisgewinn?
Ergänzende Elemente
Wie schon in der Vorstellung des Forschungsgegenstandes dargestellt spielen in den
beiden zu untersuchenden Sendungen, aber auch in den weiteren politischen Talkshows
ergänzende Elemente eine Rolle. Mit dem Begriff ergänzende Elemente sind Elemente
der Sendung gemeint, die nicht innerhalb der Diskussion liegen, sondern diese durch
mögliche Zusatzinformationen unterstützen. Als Beispiele hierzu wären Einspielfilme,
Grafiken, Gespräche mit Betroffenen, Expertengespräche, Zuschauerfragen oder
sonstigen eingesetzten Zusatzelementen zu nennen. Zielsetzung dieser ist es
unterstützend für das Gespräch zu wirken und somit den Erkenntnisgewinn zu fördern.
Fragestellung: Erfüllen ergänzende Elemente dieses Kriterium? Fördern sie den
Erkenntnisgewinn oder behindern sie ihn?
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
43
Sitzordnung
Die Sitzordnung in einer Talkshow ist keinesfalls ein zufälliges Element, sondern wurde
vor der Sendung von Redaktion und Moderation festgelegt. Dabei sind bestimmte
Kriterien ausschlaggebend. In den Sendungen Anne Will und Maybrit Illner wird häufig
darauf geachtet, dass sich unterschiedlichsten Positionen gegenübersitzen und so eine
direkte Konfrontationssituation entsteht. Zudem gibt es Moderatoren, die neben sich die
Gäste platzieren, von denen sie annehmen, dass diese entweder im Zaum gehalten
werden müssen und sie so während des Gesprächs diese auch körperlich, beispielweise
durch ein am Arm anstupsen beruhigen oder aufhalten können, oder teilweise auch
Gäste, die die Unterstützung des Moderators benötigen, weil sie sich in der Runde noch
etwas unsicher sind. Ist der Moderator männlich und es gibt unter den Gästen nur eine
Frau, so wird diese oftmals auch neben dem Moderator platziert, dabei spielen jedoch
die zwei vorherigen Gründe nicht unbedingt eine Rolle. Insgesamt wird darauf geachtet,
dass die Runde ausgewogen erscheint, sowohl optisch, als auch in Bezug auf ihre
rhetorischen Fähigkeiten.
Zu unterscheiden ist bei der Sitzordnung zudem in der Rolle des Moderators, sowie der
Sitzart der Gäste. Während Sendungen in wie Anne Will, Maybrit Illner oder Menschen
bei Maischberger Moderator und Gäste im Halbrund sitzen und der Moderator von der
mittleren Sitzposition das Gespräch leitet, befindet sich der Moderator in der Sendung
hart aber fair in einer stehenden Position. Die Gäste sitzen ihm im Halbrund an Pulten
gegenüber, während er sich mit dem Rücken weitgehend zum Publikum, wie ein Lehrer
von ihnen auf und ab bewegen kann. In der Sendung 2+Leif dagegen sitzen Moderator
und Gäste gemeinsam an einem Tisch. Während der Moderator den Blick ins Publikum
hat, sitzen die Gäste links und rechts von ihm und sich gegenüber.
Fragestellung: Ergeben sich aus den unterschiedlichen Sitzordnung Vor- bzw. Nachteile
für die Steuerung des Gesprächs in Richtung eines Erkenntnisgewinns? Geht von der
Sitzordnung eine Gefährdung für den Erkenntnisgewinn aus?
Gesprächsverlauf
Der Sendung liegt eine speziell für das jeweilige Thema im Vorlauf von der Redaktion
geplante Gesprächsstruktur zugrunde. Diese sieht für die Sendung einen bestimmten
Ablauf vor, der das Thema mit seinen Unterthemen so umfassend beleuchten soll. Als
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
44
idealtypische Gesprächsstruktur ist somit der rote Faden, der zu einem
Erkenntnisgewinn hinführt, zu bezeichnen. Beginnend mit dem ersten Satz der Sendung
und endend auf den letzten Satz der Sendung, jeweils vom Moderator gesprochen, wird
der Gesprächsablauf begrenzt. Innerhalb dieser beiden Punkte entwickelt sich ein
Gespräch, eine Diskussion zwischen den Diskutanten und dem Moderator.
Innerhalb der Sendung kann es jedoch zu Abweichungen von der idealtypischen
Gesprächsstruktur kommen. Den tatsächlichen Ablauf der Diskussion wollen wir hier
als Gesprächsverlauf bezeichnen. Die Sendung ist, wie schon beschrieben, in mehrere
Themenblöcke unterteilt.
Fragestellung: Kommt es innerhalb der Diskussion zu einer thematischen Abweichung,
welche Konsequenzen hat dies?
Zeitmanagement
Das Kriterium Zeitmanagement einer Talkshow umfasst mehrere Aspekte und steht
über die Redezeit in direktem Bezug zum Rederecht, dass direkt im Anschluss
betrachtet wird.
Zeitmanagement (der Moderation) bei der Einteilung der Themenblöcke: Eine Sendung
lässt sich in der Regel in mehrere Themenblöcke unterteilen, diese werden von der
Redaktion vor der Sendung festgelegt und auch entsprechend gewichtet, sodass der
Moderator eine ungefähre Vorstellung davon hat, welchen Raum der Themenblock
einnehmen soll oder kann. Nicht immer werden alle Themenblöcke in der Sendung
diskutiert, selten werden sie noch erweitert. Es kann aber auch vorkommen, dass die
Gäste eine andere Vorstellung von der Bedeutung des Themenblocks haben oder ein
Themenblick neue Facetten bietet, die sich erst im Laufe des Gespräches entwickeln.
Der Moderator hat die Verantwortung die vorhandene Zeit auf die Themenblöcke
einzuteilen und diese auch zu kontrollieren, um rechtzeitig zum nächsten Themenblock
überzuleiten.
Die Gesamtsendezeit: Die Sendezeit setzte einen äußeren Rahmen für das
Zeitmanagement der Diskussion. Sie setzt Grenzen, die nicht überschritten werden
können und auch nicht veränderbar sind.
Fragestellung: Ist ein Erkenntnisgewinn in einer begrenzten Sendezeit überhaupt
erreichbar? Ist die Sendezeit richtig verteilt, sodass sie einen Erkenntnisgewinn
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
45
erreichen kann? Ergibt sich aus dem Zeitmanagement bei der Einteilung der
Themenblöcke eine Bedeutung für den Erkenntnisreichtum der Sendung?
Rederecht
Das Beurteilungskriterium Rederecht ist in Verknüpfung mit dem Kriterium
Zeitmanagement zu sehen.
Der Moderator ist der Dirigent der Diskussion, an ihm ist es die richtigen Einsätze zu
geben und die einzelnen Positionen so gegeneinander zu setzten, dass das
Zusammenspiel stimmig und gleichzeitig spannend ist. Er muss abschätzen, welcher der
Diskutanten noch etwas zur Thematik beitragen kann, den Erkenntnisgewinn
vorantreiben und wer einfach nur das Rederecht für sich beansprucht, aber nur heiße
Luft spuckt. Das Rederecht ist ein heiß begehrtes Gut und muss jedoch auch
verantwortungsvoll gehandhabt werden. Im Laufe des Gespräches wird das Rederecht
nicht nur verteilt, sondern auch von einem zum anderen Gesprächsteilnehmer
übergeben, erzwungen, genommen und aber auch entzogen.
Fragestellung: Kann ein falsches Zeitmanagement bei der Vergabe des Rederechtes an
die verschiedenen Positionen, eine Bevorzugung der falschen Redner oder der Verlust
des Rederechts an den falschen Diskutanten den Erkenntnisgewinn verhindern?
Grad der Verständlichkeit
Eine politische Fernsehtalkshow wird an erster Stelle für den Zuschauer geführt. Denn
sie ist weder eine Plenarsitzung, noch eine Plattform für fachliche oder persönliche
Streitigkeiten, die nicht zum Thema gehören. In erster Linie müssen die Diskutanten
und der Moderator im Auge behalten, dass sie für den Zuschauer diskutieren und nicht
um ihrer selbst willen. Leider wird dies oftmals nicht berücksichtigt und stattdessen
fachsprachlich diskutiert, Wissen vorausgesetzt, dass nur die Experten im Raum haben,
nicht jedoch der Zuschauer und versucht sich sprachlich zu übertrumpfen oder den
Gegner samt seiner Meinung sprachlich außer Gefecht zu setzen. Oft geschieht dies
jedoch auf Kosten der Verständlichkeit für den Zuschauer.
Verständlichkeit in der Thematik: Idealtypisch hat die Redaktion vorher einen Ablauf
der Sendung geplant, der die Thematik Schritt für Schritt abhandelt und so im Idealfall
einen Erkenntnisgewinn herbeiführt. Oftmals ist wird während der Sendung jedoch von
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
46
der Thematik abgewichen. Was nicht automatisch ein Verfehlen des Erkenntnisgewinns
bedeuten muss. Kommt es jedoch zu einem Durcheinander in der Thematik, kann dies
dazu führen, dass die Teilnehmer über unterschiedliche Unterfragestellungen
diskutieren und die Moderation die Chefrolle verliert.
Fragestellung: Ist Durcheinander in der Thematik eine Gefahr für den Grad der
Verständlichkeit und welche Auswirkungen hat dies auf den Erkenntnisgewinn?
Verständlichkeit in der sprachlichen Ausdrucksweise: Die sprachliche Ausdrucksweise
kann sehr große Unterschiede aufweisen, so kann sowohl zwischen 1. einer akustisch
gut oder schlecht verständlichen Ausdrucksweise, 2. einer rhetorisch verständlich und
schlecht verständlichen Ausdrucksweise und 3. als eine Art Untergruppe der
rhetorischen Verständlichkeit, einer fachsprachlichen oder umgangssprachlichen
Ausdrucksweise unterschieden werden.
Fragestellung: Kommt es durch eine der drei sprachlichen, von der Norm
abweichenden, Ausdrucksweisen zu einer Gefährdung des Erkenntnisgewinns?
Fragestellung gesamt: Welche Auswirkungen auf den Erkenntnisgewinn hat der Grad
der Verständlichkeit?
Gesprächsdynamik
Jedes Gespräch hat eine eigene Dynamik. Diese bezieht sich zum einen auf die
Sprechdynamik der Diskutanten und zum anderen auf die Dynamik innerhalb des
Gesprächsverlaufs. Das heißt, es kann zu verschiedenen Dynamiken innerhalb der
Sendung kommen. Prinzipiell muss dies noch kein negatives Qualitätskriterium sein
und kann sich auch auf den Verlauf der Diskussionen positiv auswirken. Jedoch können
aber auch Dynamikwechsel den Verlauf des Gespräches in Bezug auf die Harmonie
stören oder einzelne Aspekte so nicht ausführlich genug beleuchten werden und folglich
den Erkenntnisgewinn schädigen (Dynamikänderungen innerhalb der gesamten
Diskussion oder einzelner Themenblöcke) oder auch die Verständlichkeit negativ
beeinflussen (Dynamikänderungen bei Redebeiträgen der Gäste).
Die Sprechgeschwindigkeit jeder Person ist anders, jedoch kann sich diese innerhalb
eines Gespräches auf einen ähnlichen Pegel einstellen, sodass das Gespräch einen
gleichmäßigen Verlauf erfährt.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
47
Fragestellung: Kann eine zu langsame oder zu schnelle Gesprächsdynamik Interesse
und Verständlichkeit stören? Kommt es zu unterschiedlichen Dynamiken im Gespräch,
die eine weitere Diskussion gefährden, weil die Teilnehmer sich gegenseitig nicht mehr
nachkommen?
Sprachliche Interaktion
Ein nicht zu verachtender Aspekt ist das wie des Gesprächs. Es wird unterschieden in
folgende Teilbereiche:
1. Sprachliche Überlegenheit: Sprachliche Überlegenheit ist als der Zustand zu
beschreiben in dem die Gesprächsteilnehmer oder der Moderator und die
Gesprächsteilnehmer sprachlich und von ihren rheotorischenrhetorischen
Fähigkeiten nicht auf einem Niveau stehen. Sprachliche Ungleichheit kann zu
einem Ungleichgewicht im Gespräch führen und somit einzelne Positionen und
Gesprächsteilnehmer in Vorteil setzen. Zu untersuchen wäre hier nun, inwiefern
sprachliches Ungleichgewicht negative Auswirkungen auf den
Erkenntnisgewinn haben kann.
2. Ausweichen einer Frage: Nicht jede Frage der Moderation ist dem Gast eine
willkommene Frage und so wird zuweilen versucht, die Antwort auf eine Frage
zu umgehen. Rhetorisch meist ausführlich geschult gelingt dies den Diskutanten
teils mehr oder weniger. Den Versuch alleine unternehmen jedoch viele. Zu
untersuchen ist, ob es in der Diskussion zu einem Ausweichen einer Frage
kommt, und wenn ja ob dies erfolgreich ist oder vom Moderator vereitelt wird.
In einem zweiten Schritt soll geklärt werden, wie im Erfolgsfall für den Gast,
also einem gelungenen Ausweichen einer Frage, dies möglich ist. Es soll
untersucht werden, ob hier ein Versagen der Moderation vorliegt und ob dieses
Ausweichen Folgen für den weiteren Gesprächsverlauf hat. Das heißt es dort
auch zu einem Abweichen vom Thema und somit von dem Diskussionsziel
kommt und folglich eine Gefährdung des Erkenntnisgewinns entsteht. Im
Erfolgsfall für den Moderator, einer Vereitlung des Ausweichens auf die Frage
durch den Gast, wäre darzustellen, wie dies gelingt.
3. Nachfragen der Moderation: Aufgabe des Moderators ist es nicht nur Fragen zu
stellen, sondern auch hartnäckig nachzufragen und den Gast dazu zu bringen die
gestellte Frage auch zu beantworten. Er sollte also, wie gerade schon
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
48
beschrieben ein Ausweichen der Frage durch den Gast zu verhindern. Zu klären
ist, ob im Verlauf der Diskussion der Moderator diese Aufgabe ausreichend
erfüllt und somit seinem Moderationsauftrag nachkommt. Im negativen Fall ist
zu untersuchen, welche Auswirkung dies auf den weiteren Verlauf der
Diskussion und das Diskussionsziel hat und ob im schlimmsten Fall der Gast die
Themenrichtung übernimmt.
4. Moderatorenverhalten in sprachlichen Chaossituationen: In Diskussionen mit
mehreren Teilnehmern, folglich unterschiedlichen Positionen und dem Hauptziel
jedes Teilnehmers sich selbst und seine Position am Bestenbesten zu
präsentieren und zu platzieren, können sprachliche Chaossituationen auftreten.
Diese können das Diskussionsziel gefährden, da sie ein Abweichen vom roten
Faden der Diskussion nach sich ziehen können. In solchen Situationen ist
insbesonderes die Moderation gefordert, die Situation zu ordnen, zu klären und
die Diskussion wieder auf die gerade thematisierte Fragestellung und somit zum
Ziel zu bringen. Gelingt dies nicht, kann das Diskussionsziel, der
Erkenntnisgewinn teilweise, streckenweise oder sogar komplett aus den Fokus
verloren und somit möglicherweise nie erreicht werden. Anhand der
vorliegenden Beispiele ist zu untersuchen, wie der Moderator solchen
Situationen reagiert und welche Folgen dies hat.
5. Gast der nicht aufhört zu reden/Unterbrechen eines Gastes: Zur Aufgabe des
Moderators gehört es auch, ein Gleichgewicht der sprachlichen
Äußerungsmöglichkeiten zwischen den Gästen zu halten. Gäste die versuchen
durch sprachliche Dauerpräsenz möglichst viel Aufmerksamkeit zu erhalten und
nicht mehr aufhören zu reden, sollten vom Moderator in ihrer Redezeit
beschränkt werden, bzw. der Moderator muss ihnen das Rederecht entziehen.
Insbesonderes ist dies von Nöten, wenn die Äußerungen inhaltlich nicht weiter
zum Diskussionsverlauf beitragen, sondern lediglich dazu dienen, dass der
Sprecher das Rederecht für sich beansprucht. Festzustellen ist wie der Moderator
in einer solchen Situation agiert.
6. Gast nimmt Moderator nicht ernst: Nimmt ein Gast die Moderation nicht ernst,
meint auf die Fragen nicht richtig antworten zu müssen oder zu demonstrieren,
dass er nicht mit der nötigen Diskussionsbereitschaft und dem nötigen Ernst an
die Sache herangeht, so kann dies ein ungünstiges Mächtegleichgewicht
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
49
zwischen Moderation und Gast erzeugen. Der Moderator ist nicht nur der
Gastgeber, sondern bestimmt auch die Regeln. Wird er allerdings nicht ernst
genommen, kann das Machtverhältnis schnell umschlagen und der Gast schafft
sich eine Diskussion, die ihm gefällt. Ob dies eine große Gefahr für das
Diskussionsziel darstellen kann, ist zu untersuchen.
7. Inhaltliches Abschweifen vom Thema: Ist in einer engen Verbindung zum
Gesprächsverlauf zu sehen, da ein inhaltliches Abweichen gleichzeitig eine
Änderung des Gesprächsverlaufes bedeutet. Daher ist die Bedeutung dieses zu
ermitteln.
Fragestellung: Welchen Stellenwert nehmen diese einzelnen Teilaspekte der
sprachlichen Interaktion für den Erkenntnisgewinn ein? Wie beeinflusst die sprachliche
Interaktion insgesamt den Erkenntnisgewinn?
2.1.2 Forschungsgegenstand
Um zu bestimmen, welche Faktoren den Erkenntnisgewinn beeinflussen, müssen diese
an Praxisbeispielen analysiert werden.
Für die Analyse werden bewusst zwei Sendungen ausgewählt, die sich in Aufbau und
Sendungskonzept sehr ähnelnähnlich sind. Die Sendungen laufen zwar nicht zeitlich im
direkten Vergleich zueinander, jedoch stehen sie aufgrund des ähnlichen Konzeptes in
direkter Konkurrenz. Auch wurde bei der Auswahl der Sendungen darauf geachtet keine
Sendungen zu wählen, die völlig chaotisch erscheinen oder komplett scheitern, sondern
einen normalen Sendungsverlauf, mit einem durchschnittlichen Problempotenzial
aufweisen, soweit dies vor Durchführung der Analyse schon einzuschätzen ist. Denn
nur so kann gewährleistet werden, dass die Untersuchung Ergebnisse liefert, die eine
allgemeine Gültigkeit für einen Großteil der existierenden Talkshows besitzt.
Nachfolgend sollen zunächst die beiden ausgewählten Sendungen vorgestellt werden,
um anschließend die jeweiligen Sendungskonzepte und Moderatoren genauer zu
beleuchten. Ausgewählt wurden die Sendungen (siehe auch Anhang):
Sendereihe: Maybrit Illner
Sendedatum: 04. Februar 2010, ZDF
Thema: Zur Kasse bitte! Wie schutzlos sind Patienten?
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
50
Die Moderatorin formuliert die Grundfragestellung der Sendung wie folgt:
„In kaum einer Frage sind sich die Deutschen so einig: Unser Gesundheitssystem hat riesen
Probleme, sagen immerhin satte 90%. Die Beiträge seien zu hoch und die Leistungen zu
schlecht. Warum greifen mehrere Krankenkassen ihren Versicherten von dieser Woche an
ordentlich in die Taschen. 5 Euro bis 37,50 Euro pro Monat. Der Rat des neuen
Gesundheitsministers klingt irgendwie eigenartig: Die Versicherten sollten am
Bestenbesten die Kasse wechseln. Aber was bringt das? Über kurz oder lang schlagen
ohnehin alle Kassen zu, so sagen Experten. Der Dumme, so scheint es, ist in jedem Fall der
Patient. Was soll er jetzt machen und was darf er mit Fug und Recht von den Kassen und er
Politik verlangen? Das wollen wir versuchen herauszufinden.“
Sowie:
Sendereihe: Anne Will
Sendedatum: 14. März 2010, ARD
Thema: Zocken, spekulieren, abkassieren – haben Banker aus der Krise nichts
gelernt?
Die von der Moderatorin formulierte Eingangsfragestellung beschreibt die zu
diskutierende Thematik wie folgt:
„Vielleicht steht die Frage, die wir uns im Titel der Sendung stellen schon für das
Grundmissverständnis: Haben die Banker aus der Krise nichts gelernt? Fragen wir uns und
müssen präzisieren: Was denn genau? Dass es nicht anständig ist, Menschen riskante
Finanzprodukte aufzuschwatzen, um Provisionen zu kassieren und die Rendite des eigenen
Hauses in die Höhe zu treiben und dass es ärgerlich ist, wenn es nun Hunderte
Rettungsmilliarden später genau so und zum Teil rasanter weitergeht. Womöglich ist das
ganz falsch gefragt, angesichts einer Branche, die nun mal nicht karitativ, sondern
gewinnorientiert arbeitet.“
Maybrit Illner
Das Format: Maybrit Illner, die politische Talkshow im ZDF, wird seit dem 14. Oktober
1999 produziert und von Maybrit Illner moderiert. Sendetermin ist der Donnertagabend
um 22:15 Uhr im ZDF-Fernsehen. Bis zum 14. März 2007 wurde sie, ebenfalls unter
der Moderation Maybrit Illner mit dem Sendungstitel Berlin Mitte ausgestrahlt. Dann
folgte der Namenswechsel zu Maybrit Illner. Das Sendungskonzept blieb, bis auf kleine
Veränderungen, in seinen Grundzügen bestehen. Mit dem Namenswechsel erfolgte aber
eine Sendezeitverlängerung um 15 Minuten von 45 auf 60 Minuten.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
51
ZDF Chefredakteur Nikolaus Brender begründete die Namensänderung damit, dass
Maybrit Illner außerordentlich hohe Sympathie - und Kompetenzwerte habe: „Sie ist
Gesicht, Herz und Hirn dieser Sendung. Fast alle Zuschauer kennen und schätzen die
Moderatorin Maybrit Illner, nachweisbar weniger können etwas mit dem Namen Berlin
Mitte anfangen. Insofern passen wir den Titel der Sendung nun den Realitäten an.“121
Möglicherweise könnte der Grund für die Namensänderung die ebenfalls im Jahr 2007
startenden Talkshow Anne Will in der ARD gewesen sein. Durch die Benennung der
Sendung Berlin Mitte in Maybrit Illner wird auch diese Sendung beim Zuschauer
namentlich über die Moderatorin definiert.
Mit der Namensänderung wurde das Konzept leicht erweitert. Die neuen 15 Minuten
wurden genutzt um Veränderungen, sowohl im Bühnenbild, als auch in der
Choreografie der Sendung durchzuführen, um, wie die Redaktion betonte, in Zukunft
flexibel agieren zu können. Ab sofort sollten, räumlich flexibel, das heißt, sowohl im
Stehen, als auch im Sitzen, im Publikum oder an einem Stehtisch oder Ähnlichem,
Interviews mit Nebengästen geführt werden und auch Grafiken und Einspielfilme
intensiver einsetzt werden. Das Publikum, sowohl im Studio, als auch vor dem
Fernseher, bekam die Möglichkeit sich selbst besser in die Diskussion einzubringen und
es wurde beispielsweise auch eine Online-Möglichkeit für die Zuschauer zuhause
geschaffen, Fragen zu stellen.
Im Jahr 2007 wurden von der Sendung Maybrit Illner, bzw. bis Oktober 2007 Berlin
Mitte, 41 Erstausstrahlungen produziert. 2008 waren es 40 Sendungen.122 Die Sendung
wird als eine Eigenproduktion des ZDF´s in der Regel live und vor Publikum
hergestellt. Produziert wird die Sendung für das ZDF von der Produktionsfirma
doc.station GmbH. Die Kosten pro Sendungsminute lagen 2007 bei 1991 Euro, 2008 bei
1893 Euro.123 Redaktionsleiter der Sendung ist aktuell Wolfgang Klein, der sich bereits
früher für das ARD-Konkurrenzprodukt und Anne Will Vorgängersendung Sabine
Christiansen verantwortlich zeigte.
121 Hanfeld (13.03.2007): ZDF Talkshow bekommt neue Elemente und längere Sendezeit. Berlin Mitte
heißt jetzt Maybrit Illner 122Vgl..: 17. KEF Bericht, S. 298 123 Vgl.: 17. KEF Bericht, S. 298
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
52
Die Sendung beschreibt die Produktionsfirma selbst, als „politische Talkshow, die
jeweils vier bis sechs Gäste aus Politik und Gesellschaft zu den aktuellen Themen der
Woche einlädt“124.
Die Moderation: 1965 in Berlin geboren, begann Maybrit Illner nach ihrem Abitur ihre
journalistische Karriere mit einem Volontariat in der Sportredaktion des Fernsehens der
DDR. Anschließend absolvierte sie ein Studium der Journalistik und stieg ab 1988 beim
DFF (ehemals Fernsehen der DDR) als Redakteurin und Moderatorin für u. a. die Sport-
und Auslandsredaktion ein. 1992 folgte der Wechsel zum ZDF als Moderatorin und
später Leiterin des Morgenmagazins. Seit 1999 moderiert sie mit der Sendung Maybrit
Illner (früher Berlin Mitte) ihre eigene Talkshow. In den Jahren 2002 und 2005
übernahm sie zusammen mit Kollegen die Befragung der Kanzlerkandidaten in den
Duellen zur Bundestagswahl. Im Wechsel mit Klaus Kleber und Marietta Slomka
moderiert sie seit dem 14. August 2010, zusätzlich zu ihrer eigenen Sendung, das ZDF
heute-journal.125
Anne Will
Das Format: Anne Will ist seit September 2007 die politische Talkshow am
Sonntagabend in der ARD. Als Nachfolgesendung für Sabine Christiansen startete die
Talkshow am 16. September 2007 und wird als Auftragsproduktion vor Publikum live
produziert. Sendetermin ist Sonntagabend 21:45 Uhr. Die Sendedauer beträgt ca. 60
Minuten. Moderiert wird die Sendung von Beginn an von Anne Will. Die
Namensgebung der Sendung erfolgte also nach der Moderatorin. Während es im ersten
Sendejahr 2007 14 Erstausstrahlungen gab, weil das Format erst im September auf
Sendung ging, folgten im darauffolgenden Jahr 43 Erstausstrahlungen.126 In der
Sendung stellen sich vier bis fünf Gäste den Fragen der Moderatorin und diskutieren ein
kontroverses Thema. Ergänzt werden die Aussagen der Gäste, die meist alle Fachleute
zu dem Thema sind, durch Gespräche mit Experten an einem Stehpult, als auch
Betroffenen in einer eigenen Sitzecke, von der Redaktion und in der Öffentlichkeit auch
als Betroffenensofa bezeichnet. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird diese Sitzecke auch
weiterhin so bezeichnet. Zusätzlich zum Talkgespräch mit den Gästen in der Runde und
124 http://www.docstation.de/production/detail?id=56 (überprüft 03.12.2010) 125 Vgl.: http://maybritillner.zdf.de/ZDFde/inhalt/22/0,1872,1021622,00.html (überprüft 03.12.2010) 126 17. KEF Bericht, S. 297
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
53
eventuell weiteren Gästen als Experten oder auf dem Betroffenensofa, werden pro
Sendung vier bis fünf Filmbeiträge zum Thema produziert und je nach
Diskussionsverlauf eingespielt. Vorbereitet wird die Sendung aktuell von 14
Redakteuren unter Leitung des Redaktionsleiters Andreas Schneider. Die Kosten pro
Sendeminute beliefen sich 2007 auf 3065 Euro und 2008 auf 3164 Euro.127
Die Sendung Anne Will ist eine Produktion der Will Media GmbH im Auftrag der ARD
für Das Erste unter redaktioneller Federführung des NDR. Die Will Media GmbH
wurde 2007 von Anne Will und Mark Nowak gegründet und wird von beiden
geschäftsführend geleitet. Die Sendung wird realisiert im Studio Berlin-Adlershof in
Kooperation mit dem Produktionsunternehmen CineCentrum.
Die Talkshowmacher von Anne Will beschreiben die Sendung selbst wie folgt:
„Sonntags, 21:45 Uhr im Ersten – die beste Zeit für politischen Talk im deutschen
Fernsehen. Jeden Sonntagabend diskutiert Anne Will mit ihren Gästen über politische
Prozesse, wirtschaftliche Zusammenhänge und gesellschaftliche Trends. Die Sendung
bietet für Gäste und Zuschauer die Plattform für eine gesellschaftspolitische
Meinungsbildung: relevant und lebensnah.“128
Die Moderation: Anne Will wurde 1966 in Köln geboren und volontierte nach dem
Studium (Köln/Berlin: Geschichte, Politologie und Anglistik) beim Sender Freies Berlin
in den Bereichen Hörfunk und Fernsehen. Ab 1992 war sie beim Sender als
Moderatorin für die Sendungen Mal ehrlich (Talkshow) und den Sportpalast
verantwortlich. 1996 bis 1998 kam ihre Rolle als Gastgeberin der Medienshow Palazzo
im WDR Fernsehen hinzu. 1999 moderierte sie als erste Frau die ARD-Sportschau,
berichtete 2000 von den Olympischen Spielen in Sydney und übernahm von April 2001
bis September 2007 im Wechsel mit Ulrich Wickert, später mit Tom Buhrow die
Moderation der Tagesthemen in der ARD. Seit September 2007 konzentriert sie sich
ausschließlich auf ihre eigene Sendung – die politische Talkshow Anne Will, die hier
Gegenstand der Untersuchung ist.129 Mit ihrer Sendung möchte sie: „Politisch denken.
Persönlich fragen.“130
127 17. KEF Bericht, S. 298 128 http://www.will-media.de/3.0.html (überprüft 03.12.2010) 129 Vgl.: http://daserste.ndr.de/annewill/annewill/index.html (überprüft 03.12.2010) 130 http://www.presseportal.de/pm/6694/1038588/ard_das_erste (überprüft 03.12.2010)
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
54
2.2 Die Analyse
Im Folgenden sollen nun die ausgewählten Sendungen in Hinblick auf die, sich aus den
Analysekriterien ergebenden Fragestellungen untersucht werden. Zum besseren
Verständnis werden die Untersuchungen ders jeweiligen Kriterienums nacheinander an
beiden Sendungen durchgeführt.
2.2.1 Sendungskonzept
Maybrit Illner
Der zu untersuchenden Sendung Zur Kasse bitte! Wie schutzlos sind Patienten?, aus der
Sendereihe Maybrit Illner, liegt ein für die Reihe festgelegteseinem für die Reihe
festgelegten Sendungskonzept zugrunde, dass in der Sendung, in Form der
Sendestruktur, umgesetzt wird. Das Sendungskonzept beinhaltet als Einzelelemente die
im Anschluss untersuchten weiteren Kriterien. Um jedoch diese getrennt in ihrer
Bedeutung für den Erkenntnisgewinn betrachten zu können, wird hier lediglich das
Konzept in seiner Gesamtheit beschrieben und das Gefährdungspotenzial des
Gesamtkonzeptes bewertet. Welche Erkenntnisgewinn beeinflußendebeeinflussende
Bedeutung die einzelnen Elemente des Konzeptes in der konkreten Sendung entwickeln
können, soll in den folgenden Analysekriterien geklärt werden.
Als thematische Konzeption ist allgemein die grundsätzliche Festlegung, an welchen
Gesprächsinhalten sich die Sendereihe orientieren soll, zu bezeichnen. In einem ersten
Schritt lässt sich zwischen themen- und gästeorientierten Formen unterscheiden. Die
Talkreihe Maybrit Illner ist eindeutig als eine themenorientierte Sendeform zu
definieren.131 Ein Sendungsoberthema wird zu schon mit dem Titel und der
Eingangsfragestellung der jeweiligen Sendung deutlich formuliert und bildet den
Grundstein der Diskussion. Der Zuschauer erwartet, dass die Diskussion versucht dieser
auf den Grund zu gehen und so im optimalsten Fall neue Aspekte, neue Erkenntnisse für
die, durch die Eingangsfragestellung formulierte Thematik, zu liefern. Aus dieser
Erwartungshaltung, die auch deutlich in den Sendungskritiken zu erkennen ist, baut die
der vorliegenden Magisterarbeit zugrunde liegende und im Analyseteil verwendete
Definition des Begriffs Erkenntnisgewinn auf. Die Themenwahl erfolgt aus dem
131 Vgl.: Fley (1997), S.52
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
55
Bereich der aktuellen, politisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlichen Fragestellungen,
die die gesamte Bundesrepublik beschäftigen.
Eine themenorientierte Sendereihe, wie wir sie im hier untersuchten Fall vorliegen
haben, lässt sich wiederum in mono- und polythematische Reihen unterscheiden. In der
polythematischen Sendereihe erfolgt ein Themenwechsel innerhalb der Sendung, der
auch mit einem Gästewechsel einhergehen kann. Die monothematische Sendereihe, als
welche auch die Sendereihe Maybrit Illner zu bezeichnen ist, behandelt pro Sendung
einen Themenkomplex oder ein einziges Thema mit zeitlosem oder aktuellem Inhalt.132
Festzuhalten ist, dass Maybrit Illner, somit als eine themen-ortientierte,
monothematische Sendereihe mit Haupt- und Nebengästen zu bezeichnen ist. Als
Gesprächskonzeptionen sind, sowohl ein Gruppengespräch mit den Hauptgästen, als
auch Einzelgespräche mit den Nebengästen zu bestimmen. Ein Blick auf die Art der
Gasttypen lässt insbesondere Vertreter aus Politiker und Wirtschaft, sowie Experten aus
Wissenschaft und Beruf, als Hauptgäste ausmachen. Diese nehmen die Funktion der
eigentlichen Gesprächspartner ein, indem sie in einer diskussionsbestimmden Position
am Hauptgespräch zur Thematik teilnehmen. Dabei werden sie lediglich durch
ergänzende Elemente unterbrochen, zu denen auch die Gespräche mit Nebengästen zu
zählen sind. Als Nebengäste können ebenfalls Experten aus Wissenschaft und Beruf
und/oder Normalbürger als Betroffene auftreten. Sie haben die Funktion das
Hauptgespräch zu ergänzen, indem sie Hintergründe oder aktuelle Beispiele liefern.133
Als ergänzende Elemente sind neben den Nebengästen, auch Einspielfilme oder
Grafiken zu definieren. Die Sitzordnung der Hauptgäste und der Moderation ist als
Zentralsichel angelegt, während sich bei Gesprächen mit den Nebengästen die
Moderatorin in das, während der Sendung anwesende Präsenspublikum im Studio
begibt und neben dem Gast Platz nimmt oder diese als Experten an einem gesonderten
Stehtisch empfängt. In der untersuchten Sendung ist lediglich ein Gespräch mit einer
Betroffenen im Publikum zu verzeichnen. Der Sprecherwechsel erfolgt sowohl
moderationszentriert, als auch gästezentriert.134
132 Vgl.: Fley (1997), S. 52ff. 133 Vgl.: Ebd., S. 57ff. 134 Vgl.: Ebd., S. 68
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
56
Die Sitzordnung, die ergänzenden Elemente, sowie das Rederecht als Elemente des
Sendungskonzeptes werden im Folgenden noch genauer gesondert betrachtet werden
und seien somit an dieser Stelle nur erwähnt.
In Bezug auf die Moderationsorkonzeption lässt sich feststellen, dass die Sendereihe
Maybrit Illner als einer Einzelmoderation durch die gleichnamige Moderatorin
konzeptioniert ist. Maybrit Illner nimmt somit, zumal sie auch als Namensgeberin der
Sendereihe eng mit ihr verknüpft und diese auf sie zuschnitten ist, eine zentrale Rolle
als gleichbleibendes Erkennungsmerkmal der Sendung und als Gesprächsleiterin in der
Sendung, die Gastgeber und Führungsrolle in der Diskussion ein.135
Die Umsetzung des Sendungskonzeptes in der Sendung, als Sendungsstruktur bietet in
ihrer konzeptionellen Anordnung, mit dem Wechsel von der Diskussion ab Minute
00:28:32 in das Betroffenengespräch, sowie der anschließenden Rückkehr in die Runde
und Fortsetzung der Diskussion, als auch mit der Verwendung von vier Einspielfilmen,
als ergänzende Elemente eine durchaus Erkenntnis fördernde Grundlage. Jedoch ist
festzustellen, dass einzelne Elemente des Gesamtkonzepts, für sich alleine betrachtet, in
ihrer Umsetzung in einzelnen Sendungen, durchaus ein Erkenntnis gefährdenden
Einfluss entwickeln können. Diese werden im Folgenden als gesonderte Kriterien
untersucht und sind somit nicht als prinzipiell Erkenntnis gefährdend im Gesamtkonzept
zu betrachten.
Anzumerken ist auch, dass die Sendungsstruktur lediglich den konzeptionellen Ablauf
der Sendung betrachtet und es somit zu Abweichungen der inhaltlichen Bedeutung
einzelner Elemente kommen kann, wie die Untersuchungen der weiteren
Analysekriterien zeigen werden. So kann beispielsweise ein ergänzendes Element, wie
ein Betroffenengespräch konzeptionell durchaus Erkenntnis fördernd sein, während ihm
jedoch in einer inhaltlichen Betrachtung ein Erkenntnis störenden Einfluss
zugeschrieben werden kann.
Das Sendungskonzept weist, als in seiner Gesamtheit und der Umsetzung als gesamte
Sendungsstruktur, pauschal keine Erkenntnisgewinn gefährdende Beeinflussung auf,
und kann folglich in seiner Gesamtheit prinzipiell als ein Kriterium mit Erkenntnis
135 Vgl.: Fley (1997), S.74ff.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
57
förderndem Potenzial eingestuft werden. Daraus ergibt sich für das Kriterium die
Beeinflussungskategorie 1.
Anne Will
Bei einem Vergleich mit der Sendereihe Maybrit Illner finden sich in den Grundzügen
des Sendungskonzepts der Reihe Anne Will deutliche Ähnlichkeiten. So lässt sich die
Sendung ebenfalls eine themenorientierte, monothematische Sendereihe mit Haupt- und
Nebengästen und einem thematischen Fokus auf aktuellen politischen, wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Fragestellungen beschreiben. Auch in Moderatorkonzeption,
Präsenzpublikum und Rederechtverteilung sind die Parallelitäten deutlich
festzustellen.136 Bezüglich der ergänzenden Elemente, sowie daraus folgend als einen
Teil der Sitzordnung weist die Reihe Anne Will eine kleine Abweichung auf. So werden
zwar ebenfalls Betroffene und Experte als Nebengäste geladen, doch während die
Gespräche mit den Experten meist, wie bei Maybrit Illner im Stehen an einem Pult oder
Tisch geführt werden, finden die Gespräche mit Betroffenen in einem dafür extra
eingerichteten Bereich, auf dem sogenannten Betroffensofa statt. Hier nehmen die
Nebengäste Platz und verfolgen auch die gesamte Sendung von dieser Sitzposition aus.
Das Betroffenensofa in der Sendereihe Anne Will stellt eine, wie Maybrit Illner-
Redaktionsleiter Wolfgang Klein ausführt, eigentlich konsequente Fortsetzung der
Betroffenengespräche bei Maybrit Illner im Publikum dar.137 Die Wirkung war jedoch
eine deutlich andere. So wurde das Betroffenensofa insbesonders in der Anfangszeit
heftigst kritisiert. Friedrich Nowottny formulierte 1998 in einem Interview mit dem
Tagesspiegel die Problematik so: „Das Sofa ist ein redaktioneller Betriebsunfall, und
die armen Menschen, die darauf Platz nehmen müssen, tun mir leid. Sie sind so
außerhalb der Sendung, dass dann, wenn ihre Betroffenheit, manchmal auch
Fachwissen, abgerufen wird, sich die Zuschauer entweder um eine weitere Flasche Bier
im Keller bemühen oder abschalten.“138 Inwiefern sich diese scheinbar nicht ganz
optimale Präsentation der Betroffenen auf den Erkenntnisgewinn auswirkt, kann an
dieser Stelle nicht abschießend bewertet werden, da in der untersuchten Sendung dieses
nicht genutzt wurde. Jedoch ist es nach einer ersten allgemeineren Betrachtung, trotz
136 Vgl.: Fley (1997), S.52ff. 137 Vgl.: Interview Maybrit Illner 138 Der Tagesspiegel (03.08.2008): Das Sofa ist ein Betriebsunfall
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
58
der gespaltenen Wahrnehmung, als eher im geringeren Gefährdungsbereich für den
Erkenntnisgewinn einzuordnen.
Zusammenfassend lässt sich für die Sendereihe Anne Will, wie in der Sendereihe
Maybrit Illner, feststellen, dass das Sendungskonzept, als Ganzes betrachtet, keine
eindeutige Erkenntnis gefährdende Beeinflussung beinhaltet, während jedoch einzelne
Elemente dieses in konkreten Umsetzung durchaus beeinflussende Faktoren entwickeln
können. Da es sich hierbei jedoch lediglich um eine mögliche Gefahr und nicht eine
eindeutig durch die Festlegung im Gesamtkonzept verursachte Beeinflussung handelt,
ist das Gesamtkonzept als Kriterium einzustufen, dass eine gute Basis für einen
möglichen Erkenntnisgewinn bietet. Somit kann diesem kein Erkenntnis störender
Einfluss eindeutig zugeschrieben werden, daher ergibt sich die Beeinflussungs-
kategorie 1.
2.2.2 Gästeauswahl
Maybrit Illner
Das Kriterium Gästeauswahl wird, wie bereits in der Vorstellung der Analysekriterien
dargestellt, schon vor der Sendung entschieden, seine Bedeutung wird jedoch erst im
Laufe der Sendung sichtbar. Im Falle der untersuchten Sendung ist die Besetzung als
recht klassisch, im Sinne von klaren Rollenverteilungen und nicht allzu ungewöhnliche
Besetzung einzustufen. Besetzt wurden: die Position der Politiker, die für die aktuelle
Politik verantwortlich sind, die Position eines Arztes, um über die Erfahrung aus der
Praxis zu berichten, die Position eines Experten, eher aufseiten der Patienten und
Mediziner einzuordnen, um die Problematiken darzustellen, sowie die Position der
Krankenkasse. Daraus ergibt sich folgendes Besetzungsschema:
Politik: Markus Söder (CSU, Regierung) und Daniel Bahr (FDP, Regierung)
Experte: Werner Bartens (Arzt, Medizinjournalist)
Krankenkasse: Thomas Bodmer (BKK-Vorstand)
Arzt: Hinrich Romeike (Zahnarzt, Olympiagewinner im Vielseitigkeitsreiten)
Sonderstellung als externes Element: Betroffene: Angelika Walle
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Positionen gut besetzt sind und diese
auch angemessen vertreten werden können. Als etwas problematisch stellt sich die
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
59
Kombination Söder und Bahr dar, da sie durch ihre Uneinigkeiten den roten Faden im
Gespräch durcheinanderbringen. Zudem bringt das Gespräch mit der Betroffenen,
Angelika Walle, nicht ganz die gewünschte Zusatzinformation und Überleitung zu dem
vorher, durch den Einspielfilm in die Wege geleiteten, neuen Themenblock. Siehe dazu
auch in der Analyse des Kriteriums ergänzende Elemente.
Zu konstatieren ist allerdings, dass die Gästeauswahl nicht allzu überraschend ausfällt.
Lediglich mit Hinrich Romeike wird dem Zuschauer ein, nicht auf den ersten Blick zu
erwartender Gast angeboten, während jedoch seine Aussagen dann nicht wieder allzu
überraschend ausfallen, da er die Arztrolle klar vertritt. Der Umstand, es hier mit einer
nicht allzu überraschenden Gästeauswahl zu tun zu haben, hat aber keine negativen
Auswirkungen auf die Möglichkeiten eines Erkenntnisgewinns. Die Thematik ist
hochaktuell, bietet sehr viel brisanten Gesprächsstoff und die Gäste sind folglich
durchaus in der Lage neue Aspekte ins Gespräch mit einzubringen.
Insgesamt ist festzustellen, dass vom Kriterium Gästeauswahl in diesem Fall für den
Erkenntnisgewinn keine Gefahr ausgeht. Die Position der Betroffenen wird hier zwar
erwähnt, aber im Analysekriterium ergänzende Elemente nochmals genauer betrachtet
und ist so als ergänzendes Element zu werten und aus der Wertung hier ausgeschlossen.
Es ergibt sich die Beeinflussungskategorie 1.
Anne Will
Zum Thema Zocken, spekulieren, abkassieren – haben Banker aus der Krise nichts
gelernt? empfängt Anne Will Fraktionschef der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow,
Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner, Lehman-Opfer-Anwalt Gerhard Baum,
den Präsidenten des deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Heinrich Haasis sowie
den Wiener Investmentbanker Gerhard Hörhan, der sich selbst als Investment-Punk
bezeichnet. Als Experte ist der Finanztest-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen
geladen. Während Bodo Ramelow von der Politik Maßnahmen statt Appelle einfordern
soll, in dieser Rolle wird er zumindest vorgestellt, soll Gerhard Baum insbesondere die
Opfer der Bankenzockerei vertreten und das muntere Weitergezocke deutlich
anprangern. Beide werden den ihnen zugedachten Positionen weitgehend gerecht und
auch Ilse Aigner erfüllt als Verbraucherschutzministerin, die, von ihr erwartete, Rolle.
Anzumerken ist, dass keine der drei Positionsbesetzungen von einer großen
Experimentierfreude bei der Gästeauswahl zeugt. Doch eine unerwartbare und
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
60
ungewöhnliche Gästewahl birgt auch Risiken, so Andreas Schneider, Redaktionsleiter
bei Anne Will, die an einem Sonntagabend nicht zu unterschätzen sind. Man wüsste um
das Problem, dass die Gästeauswahl nicht immer von besonderem Mut in der Besetzung
zeugt, jedoch wisse man auch, was funktioniere und am Sonntagabend gebe es einen
Erwartungswert, wen der Zuschauer bei Anne Will sehen will.139
Erwartet wird in einer Sendung mit dieser Thematik logischerweise auch die Seite der
Banker. Jedoch lässt die Besetzung der Gäste aus dem Finanzsektor darauf schließen,
dass sich wohl keiner der verantwortlichen Banker überzeugen ließ, in die Sendung zu
kommen und sich einem möglichen Kreuzfeuer auszusetzen. Und so wird der
Finanzsektor von einem jungen Investmentbanker aus Österreich vertreten, sowie dem
Präsidenten des deutschen Sparkassen- und Girokontoverbandes Heinrich Haasis.
Sofort wird deutlich, dass es eindeutig an Prominenz aus dem Finanzsektor fehlt, ein
Umstand, der aus der Not heraus die Moderatorin dazu bringt, eine folgenschwere
Fehlbesetzung zu vollziehen. Die Zielsetzung der Sendung scheint, aus Sicht des
Zuschauers, eindeutig eine Entlarvung eines Bankers zu sein und so soll aus dem
Sparkassen-Präsidenten der skrupellose Banker werden. Doch Heinrich Haasis ist, so
die Kritiker, mit seinem baden-württembergischem Akzent und dem eher gemächlichem
Auftreten, nicht mehr Risikoausstrahlung als einem Girokonto zuzuschreiben und so
taugt er nicht als Verkörperung des skrupellosen Bankers140. Heinrich Haasis scheint
der einzige, verantwortliche Banker gewesen zu sein, der sich bis in die Sendung getraut
hat. Die Problematik liegt darin, dass er deshalb einfach in einer vorher angelegte
Position gepresst wird, die er nicht richtig auszufüllen vermag und sich insbesondere
auch redlich dagegen sträubt. Um die Fragestellungen der Sendung trotzdem zu
thematisieren, versucht die Moderatorin wiederholt ihn zu entlarvenden Antworten zu
bewegen und in ein zweifelhaftes Licht zu rücken. Er weicht den Fragestellungen
jedoch gekonnt aus, entkräftig immer wieder mögliche Angriffspunkte und präsentiert
sich stattdessen als scheinbar verantwortungsvoller Banker. Erschwerend kommt hinzu,
dass auch weitere Gäste diese Besetzung Haasis in der Rolle des skrupellosen Zockers
nicht hinnehmen wollen und ihm unerwartet Rückendeckung bieten. So kommentiert
Gerhard Baum Heinrich Haasis Verteidigungen bezüglich des Verkaufsdrucks in
139 Andreas Schneider auf der Fachkonferenz Interviewkulturen, Netzwerk Recherche, November 2008,
Berlin (Mitschrift der Autorin) 140 Vgl.: Müßgens (15.03.2010): Anne Will beißt sich an Haasis die Zähne aus
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
61
Sparkassen und der Ergebnisse des, von Finanztest-Chefredakteurs Hermann-Josef
Tenhagen vorgestellten Test, sehr zugunsten der Sparkasse:
00.38:31 Baum (zu Haasis): Also ich würde das auch nicht generalisieren, um ihnen da
entgegen zu kommen, es gibt sicherlich sehr gute Berater. […] Aber der Druck etwas zu
verkaufen ist doch je höher desto äh je stärker desto höher der provisionsabhängige Teil des
Einkommens ist und der ist eben in anderen Bankinstituten und bei Finanzdienstleistern
sehr viel höher als bei ihnen. […]
Und Bodo Ramelow lobt die Sparkassen als Retter in der Krise:
48:32: Ramelow: […] Insoweit stimmt es also, die Sparkassen sind zum Beispiel im
Moment, was die Gewerbetreibenden angeht, die großen Helfer in der Not, wie großen
Kapitalbanken zurzeit ihr Kapital zurückgehalten, weil sie die Eigenkapitalquote erhöhen
wollen. Da sind sie, wenn sie nicht da wären, würde die Wirtschaft richtig im Moment äh in
die Kreditkrise massiv reinkommen.
Ein Umstand, der das Gästegerüst zusätzlich ins Wanken bringt. Als zweiter Vertreter
des Finanzsektors ist der junge Investmentbanker Gerhard Hörhan, geladen. Er
provoziert zwar mit Angaben, dass er immer noch auf Profit aus sei und führt aus, dass
Menschen sich nicht auf Produkte einlassen sollten, die sie nicht verstehen. Aber er
beklagt jedoch auch, dass zu viel Regulation den Zugang zu interessanten
Finanzprodukten für Kleinanleger versperre. Die Runde kann jedoch nicht so recht mit
seinen Aussagen etwas anfangen. Er nimmt die komplette Sendung über eine
Außenseiterposition ein, von der er gelegentlich kurze Kommentare einfließen lässt,
aber in an der Diskussion nicht so richtig teilnehmen darf.
Bei genauer Betrachtung wird die Problematik dieser Gästewahl deutlich.
Möglicherweise kann er einige für manchen Zuschauer sicherlich interessante Aspekte
der Finanzbranche verdeutlichen, jedoch ist er für die zu diskutierende Thematik eher
der falsche Gast. Denn auch er passt nicht in die Rolle des Bankers, der das Ersparte,
des Kleinanlegers verzockt, da er völlig andere Produkte verkauft. Dies spricht er selbst
an und Herr Ramelow spricht im Anschluss die Problematik dieser Rollenbesetzung
aus:
00:20:14: Will: Verstehen sie denn alles, was sie verkaufen?
00:20:17 Hörhan: Ja und ich verkaufe eigentlich keine Finanzprodukte. Aber ich verstehe
alles, wo ich investiere. Ich würde nie in etwas investieren, was ich nicht verstehe.
00:20:24 Ramelow: Ja aber das war doch gerade das Problem, was Herr Baum
angesprochen hat, insoweit glaub ich reden wir jetzt über zwei verschiedenen Welten: Sie
analysieren einen Betrieb und sie überlegen was kann man da tun und was ist die
Entscheidung. Dagegen ist gar nichts einzuwenden. Das ist aber nicht der Handel mit
Derivaten, von denen Herr Baum spricht […].
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
62
Ein Scheitern des Erkenntnisgewinns in Bezug auf die Entlarvung eines skrupellos
zockenden Bankers ist also schon mit der Gästewahl vorprogrammiert gewesen. Die
Tragweite zeigt sich in der Sendung. Die Voraussetzungen für eine kontroverse und
erkenntnisreiche Diskussion waren von vorneherein eher problematisch. Während zwar
die Diskussion einige interessante Aspekte beleuchtet und die restlichen Teilnehmer
auch gut agieren, wird sie jedoch immer wieder überlagert und eine mögliche
Erkenntnisentwicklung aus den Themen der Runde, immer wieder durch die Versuchen
Anne Wills einen Banker in die Verantwortung zu ziehen oder die Sparkasse als
zockende Bank zu entlarven, störend beeinflusst. Fast scheint es, als brauchten die
wiederholten Versuche, Heinrich Haasis herauszufordern, soviel Aufmerksamkeit der
Moderatorin, dass die restliche Diskussion so etwas fahrig geführt wird. Die Gäste
versuchen immer wieder in verschiedenen Richtungen, zwar nicht davon-, jedoch
kurzzeitig auf die Gegenspur zu wechseln. Die fast schon verbissenen Versuche der
Entzauberung der Sparkasse entwickeln eine Dominanz, die die Entwicklung der
Diskussion hemmt.
Mit den anderen Gästen wären in der Runde durchaus Gäste vorhanden, die
erkenntnisreiche Diskussion führen könnten und es ansatzweise auch tun, jedoch ist die
Moderation eigentlich immer auf einer anderen Fährte unterwegs. Diese liefert
allerdings kaum Ergebnisse, da an falscher Stelle gesucht wird und so die Zeit
möglicherweise in der restlichen Diskussion besser angelegt wäre.
Somit ist die Gästewahl, im Fall der untersuchten Sendung, der Sendereihe Anne Will,
als extrem beeinflussend für den Erkenntnisgewinn der Gesamtdiskussion zu werten
und folglich mit der Beeinflussungskategorie 3 zu kennzeichnen.
In der Analyse der Kriterien sprachliche Interaktion, sowie Gesprächsverlauf wird die
inhaltlichen Problematiken dieser Gästeauswahl noch ausführlicher und ergänzend
untersucht werden.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
63
2.2.3 Ergänzende Elemente
Maybrit Illner
Als ergänzende Elemente lassen sich, in der Sendung, vier Einspielfilme sowie ein
Betroffenengespräch klassifizieren.
Einspielfilm 1: Zusatzbeiträge, Minute 00:02:27-00:03:02: Der erste Einspielfilm führt
mit einem aktuellen Beispiel, einer Straßenumfrage über die Zusatzbeiträge ins Thema
ein und kann somit als sinnvoll eingesetztes Element gewertet werden.
Einspielfilm 2: Vergleich mit Schweden, Minute 00:11:15-00:12:04: Der Film stellt
einen Vergleich mit der medizinischen Versorgung in Schweden her und illustriert die
angesprochene Thematik, in der in der Bevölkerung ein Gefühl der Unterversorgung,
trotz ausreichender Versorgung ausmachen zu können. Er stellt dem Zuschauer einige
Vergleichsdaten mit einem anderen Land vor, bietet so eine kleine Zusatzerkenntnis
über die dortige medizinische Versorgung und illustriert die Diskussion. Seine Aufgabe
ist es zum Thema der hohen Kosten überzuleiten.
Einspielfilm 3: Welche Medikamente gibt es noch für Versicherte, welche nicht?,
Minute 00:27:53-00:28:31: Der dritte Einspielfilm soll das Betroffenengespräch
einführen und die Thematik, was muss der Versicherte bei Medikamenten selbst zahlen?
darstellen. Der Einspielfilm kann diesen Themenübergang gut leisten, jedoch gelingt
mit dem anschließenden Gespräch der Übergang nicht.
Einspielfilm 4: Herr Söder und das Vergessen, Minute 00:52:23-00:53:22: Der
Einspielfilm ist an dieser Stelle sehr passend gewählt, da sich Herr Söder gar nicht mehr
an seine Beteiligung am Koalitionsvertrag erinnern will. Mit diesem Einspielfilm wird
die aktuelle Stellung der CSU verdeutlicht und das Gespräch befördert. Herr Söder ist
nach dem Film in der Situation sich dazu äußern zu müssen. Insofern ist der Film als
eine Beförderung Richtung einer Gesprächserkenntnis zu werten. Da das Gespräch sich
jedoch in einer, für den Zuschauer sehr unklaren Situation des sich Uneinigseins,
unabhängig vom Thema befindet, befördert er nur die Erkenntnis in der konkreten
Situation:
00:52:24: Illner: Herr Söder ist so ein Koalitionsvertrag, da müssen wir schmunzeln, ist so
ein Koalitionsvertrag für sie eine Art Diskussionsgrundlage oder muss man sich daran
halten?
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
64
00:52:33 Söder: Ne also Herr Bahr kann bestätigen, dass ich bis zum Schluss nein gesagt
haben zu dieser Passage im Koalitionsvertrag ich habe ja ich
habe bis zum Schluss […]
00:52:36 Illner (parallel):dann erfahren wir das jetzt endlich
Jedoch ist festzustellen, dass er auch die Diskussion zwischen Bahr und Söder weiter
anheizt, die in ihrer Gesamtheit für den Erkenntnisgewinn aufgrund der verwirrenden
Diskussion und des hohen Ablenkungspotenzials, von den bisherigen
Diskussionsansätzen, Erkenntnis gefährdend wirkt.
Betroffenengespräch ab Minute 00:28:32: Die Betroffene Angelika Walle soll
thematisieren, wie viel sie als chronisch Kranke monatlich selbst zuzahlen muss. Als
problematisch erweist sich, dass das Gespräch stark in Richtung Zusatzbeitrag abdriftet
und zudem Frau Walle sehr aufgeregt erscheint und folglich kaum klare Aussagen aus
dem Gespräch gewonnen werden können. Maybrit Illner versucht immer wieder ihr
Vorlagen zu liefern, indem sie die Zuzahlungen, die die Patientin zu tragen hat,
nacheinander aufzählt. Aber da diese dies meist nur bestätigt oder nur teilweise
ausführt, kann die durch das Gespräch gewünschte Darstellung der Problematik ihrer
Situation nicht so recht gelingen. Das Gespräch soll die Seite des Versicherten
darstellen und das Thema was zahlt der Patient illustrieren, stattdessen wird wieder
über die Zusatzbeiträge gesprochen, die an dieser Stelle nicht die einzige und vor allem
nicht die zu illustriere geplante Zuzahlung darstellt. Die Folge ist, dass das
Betroffenengespräch keinen wirklich verwertbaren Erkenntnisgewinn liefert, sondern
eher die, zuvor durch den Einspielfilm vorbereitete, geplante Erkenntnis über
Zuzahlungen die Maybrit Illner dann wieder mit in die Runde nehmen wollte, negativ
beeinflusst, das heißt zerstört.
Hier lässt sich also eine Gefährdung des Erkenntnisgewinns in einem Teilbereich
ausmachen. Aber da der Teilbereich die Versicherten betrifft, ist dieser als wichtig zu
werten und für das Kriterium die Beeinflussungskategorie 2 festzulegen.
Anne Will
Als Kategorie ergänzenden Elemente sind in der Sendung vier Einspielfilme, sowie ein
Expertengespräch zu bezeichnen. Allgemein lässt dich feststellen, dass diese fünf
Elemente in der Sendung den Gesprächsverlauf thematisch illustrieren, in neue Aspekte
des Themas einführen und Beweise liefern sollen.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
65
Einspielfilm 1: Thematische Einführung, 00:02:35-00:04:30: Ebenso wie in der
Sendung von Maybrit Illner nutzt die Anne Will-Redaktion das Element des
Einspielfilms, um in das Thema einzuführen. Doch statt einer Umfrage liefert der
Einspielfilm einen Eindruck von der aktuellen Situation und zeigt eine Demonstration
von Lehman-Opfern, die einige Tage vor der Sendung stattfand. Ergänzend ruft der
Beitrag ins Bewusstsein, wie die Banker 2008, zu Beginn der Krise, noch Besserung
und Veränderungen gelobten und setzt diesen Beteuerungen Aussagen des Experten
Prof. Henrik Enderlein entgegen, der ein munteres Weitergezocke der Banken, gefördert
durch den finanziellen Schutzschirm der Gelder des Steuerzahlers, beschreibt. Der Film
bietet für den Zuschauer einen guten Einstieg in das Thema und eröffnet mit der im
Beitrag von Prof. Enderlein formulierten These zugleich für die Runde die erste
Fragestellung und den ersten Themenblock. Dem Einspielfilm ist ein hohes
Erkenntnisgewinnpotenzial zuzuschreiben und zudem legt er einen soliden Grundstein
für einen möglichen Erkenntniszugewinn in der Sendung.
Einspielfilm 2: Sparkasse und Zertifikate, 00:22:27-00:22:44: Der zweite Film
illustriert, durch einige Bilder von der Homepage der Sparkasse, Anne Will´s
Behauptung die Sparkassen verkauften ebenfalls noch Zertifikate an Privatkunden. Der
Beitrag ist in seinem Einsatz als ein Hilfsmittel für die Moderation zu werten, um ihre
auf Enttarnung ausgerichtete Aussage zu illustrieren und den Gesprächspartner, in
diesem Fall Heinrich Haasis, in die Enge zu treiben. Der Film hat für einen kurzen
Moment eine gewisse Überfallswirkung auf den Gast, sein merkliches Schlucken zeigt
deutlich, dass dies ein starker Beweis ist, den er gut begründen muss, um hier kein
Schuldeingeständnis abzuliefern. Schnell schafft er es jedoch, über die Argumentation,
dass dies nicht für den Normalbürger gedacht sei, aber als Angebot von manchen
Kunden eingefordert wird, den Vorwurf zu entkräften. Anne Will gelingt es wieder
nicht wirklich, ihn in die Verantwortung zu ziehen.
Experteninterview: Hermann-Josef Tenhagen, 00:29:24-00:33:32: Im Gegensatz zu
dem schon in der Maybrit Illner-Sendung untersuchten Betroffengespräch, ist für diese
Sendung als Nebengastinterview ein Expertengespräch gewählt worden. Der Experte,
vertreten durch Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest,
liefert nicht nur Hintergrundinformationen zum Thema, sondern stellt einen, von seiner
Zeitschrift durchgeführten, Test von Bankberatungsgesprächen vor. Die Ergebnisse sind
sehr schlecht ausgefallen. Das Gespräch soll verdeutlichen, wie es in den Banken
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
66
wirklich zugeht und wie leicht der Kunde Produkte empfohlen bekommt, die gar nicht
für ihn geeignet sind, aber dessen Verkauf dem Bankberater zugute kommt. Herr
Tenhagen erklärt anschaulich die Ergebnisse des Tests und bietet so die Diskussion
ergänzende Informationen. Insgesamt ist dem Gespräch folglich ein im positiven Sinne
Erkenntnis beeinflussender Faktor zuzuschreiben.
Einspielfilm 3: Verkaufdruck der Berater, 00:33:47-00:34:52: Der Film schließt sich
direkt der Vorstellung der Bankberatungstestergebnisse durch Herrn Tenhagen an. Anne
Will beendet das Gespräch mit einer Frage nach den Beratungsergebnissen der
Sparkasse und untermauert mit dem Beitrag, das eher schlechte Ergebnis, durch eine
Untersuchung Verdi´s über den Verkaufsdruck der Bankberater. So habe eine
Befragung der Bankmitarbeiter durch Verdi ergeben, dass der Berateralltag,
insbesondere auch in den Sparkassen, dem einer Drückerkolonne ähnele und so nicht
nur Schäden für den Kunden, sondern auch gesundheitliche Folgen für die Bankberater
mit sich bringe. Ein Vorwurf, mit dem sie, zurück in der Runde, Heinrich Haasis
konfrontiert. Heinrich Haasis schmettert die Vorwürfe ab, und als Anne Will wiederholt
nachfragt, stellt er die Finanztest-Untersuchungsergebnisse infrage, bezeichnet diese
immer deutlicher als verfälscht und kontert weiterhin mit Argumenten für die
Sparkassen. Der Film für sich alleine liefert mit den Verdi-Informationen durchaus
Informationen über die Sparkassen mit einem gewissen Erkenntniswert. Aber da diese
im darauffolgenden Gespräch teilweise vehement bestritten und mit Argumenten für die
Mitarbeiterpolitik der Sparkassen etwas entkräftig werden, verlieren die Informationen
zwar nicht unbedingt an Glaubwürdigkeit, jedoch schafft es der Film auch nicht, eine
weitere erkenntnisreiche Aussage im Gespräch zu provozieren. Die einzige Erkenntnis
die bleibt ist, dass Heinrich Haasis der falsche Gast ist, zudem unglaublich deutlich die
Vorwürfe abschmettert und Anne Will keine Möglichkeit gibt, die von ihr geplante
Erkenntnis über skrupellose Banken zu gewinnen.
Einspielfilm 4: Beipackzettel, 00:43:21-00:44:08): Der 4. Einspielfilm ist kaum als ein
Film zu bezeichnen, da er lediglich den Inhalt eines von der Bundesregierung
entworfenen sogenannten Beipackzettels für ein Finanzprodukt illustriert. Er stellt somit
eine passende Veranschaulichung des diskutierten Inhalts dar und entlockt Frau Aigner
das vage Eingeständnis, dass der Beipackzettel, der unverständliche Finanzprodukte
erklären soll, selbst kaum von einem Laien verstanden werden kann. Der Film trägt also
im Rahmen der Diskussion zu einer Wissenserweiterung des Zuschauers, in der Frage,
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
67
wie ein solcher Beipackzettel wohl in Zukunft aussehen könnte, bei und liefert im
anschließenden Gespräch den Erkenntnisgewinn, dass auch diesen kaum jemand
versteht. In Bezug auf die Gesamtthematik der Sendung ist dies jedoch nur als einen
minimalen Teilerfolg in Bezug auf einen Erkenntnisgewinn zu werten.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die ergänzenden Elemente einen
weitgehend positiven, sowie nicht störenden Einfluss auf einen Erkenntnisgewinn
ausüben und folglich mit der Beeinflussungskategorie 1 zu kennzeichnen sind.
2.2.4 Sitzordnung
Maybrit Illner
Die Sitzordnung ist im Halbkreis gewählt. Die Moderatorin nimmt dabei die mittlere
Position ein. Die gegnerischen Parteien sitzen sich teilweise gegenüber – aus
Zuschauersicht links die beiden Politiker, rechts der Experte und der Arzt. Zwischen
den Bbeiden der Krankenkassenchef. Für das Gespräch mit der Betroffenen nimmt die
Moderatorin im Publikum neben dieser Platz und begibt sich anschließend zurück in die
Gesprächsrunde. Die Betroffene verfolgt den Rest der Sendung aus dem Publikum
heraus.
Die Problematik, die sich aus der Sitzordnung der Diskutanten und der Moderatorin
ergibt, liegt in der Position der Moderatorin, die, zwischen den Gästen sitzend, wie ein
Dirigent die Runde steuern muss. Aus der Position ergibt sich die Gefahr, dass
nonverbale Kommunikation, die von den nicht-sprechenden Gästen ausgeht,
möglicherweise nicht von der Moderatorin wahrgenommen wird. Dies ist der Fall, wenn
diese sich zu Gästen auf einer Seite gewandt hat und die Aktion auf der anderen Seite,
sprich in ihrem Rücken stattfindet. Wenn ein Gast nonverbal gegensätzlich zu seinen
Aussagen agiert oder wichtige Gesten von der Moderation nicht gesehen und folglich
auch nicht hinterfragt werden können, kann es zu einer Störung des Wahrheitsgehaltes
der Diskussion oder einem Fehlen interessanter Aspekte kommen. Dies kann den
Erkenntnisgewinn schwächen, jedoch aber kaum die Wirkung entwickeln ihn zu
verhindern oder extrem positiv zu beeinflussen. Somit ist die nonverbale
Kommunikation auch nicht als ein eigenes Analysekriterium zu werten. Sie wird jedoch
in Bezug auf die Sitzordnung, als einen wichtigen Teilaspekt des Kriterium Sitzordnung
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
68
gewertet, da die Sitzordnung einen direkten Einfluss auf diese haben kann und folglich
ausschlaggebend für mögliche so erzeugte Störungen des Erkenntnisgewinns ist.
In der vorliegenden Maybrit Illner - Sendung findet die aktivste nonverbale
Kommunikation seitens Söder und Bahr statt, die die Aussagen der anderen Gäste
oftmals durch Kopfnicken oder Schütteln kommentieren. Die Moderation nimmt diese
meist wahr und kann sie hinterfragen. Auch ist in diesem Fall die nonverbale
Kommunikation stimmig mit den Aussagen. Somit resultiert in der vorliegenden
Sendung keine direkte Gefährdung des Erkenntnisgewinns aus der Sitzordnung.
Dass es aber prinzipiell in anderen Sendungen durchaus zu Problemen kommen kann,
die aus dieser Sitzordnung resultieren, beschreibt Wolfgang Klein, Redaktionsleiter
Maybrit Illner wie folgt:
„Also sie muss sich da schon sehr konzentrieren. [.] Wir haben auch schon selber
manchmal das Gefühl gehabt, dass sie so auf die eine Seite konzentriert ist, dass sie nicht
richtig mitkriegt, was auf der anderen Seite sich tut. Aber das ist eher der Ausnahmefall.
Ich glaub im Großen und Ganzen kriegt man das schon mit. Soweit sitzen die ja auch
wieder nicht auseinander. Also ich mein das ist ja nicht viel größer als, was wir hier treiben.
Nur ein bisschen. Und da kriegen sie schon in etwa, mit was rechts von ihnen passiert.“
Die Sitzordnung, wie sie hier in der Sendung vorliegt, ist nur eine Möglichkeit Gäste
und Moderator zu platzieren, Sendungen wie beispielsweise hart aber fair oder das eher
gesellschaftspolitisch orientierte Format Menschen bei Maischberger haben eine etwas
andere Art gewählt. In hart aber fair sind die Gäste sitzend an Pulten ebenfalls im
Halbkreis versammelt, jedoch hat der Moderator eine stehende Position, seitlich vor
ihnen, mit dem Rücken größtenteils zum Publikum, inne. Diese ermöglicht ihm eine
bessere Übersicht über die Diskutanten. Jedoch birgt diese Anordnung aus
Diskutantensicht, aber auch in der Wahrnehmung durch die Zuschauer, durchaus auch
kritische Aspekte, wie die Talkshowmacher der Sendung Maybrit Illner bemerken.
Redaktionsleiter Wolfgang Klein: „Also die Tatsache, dass Plasberg steht und die
anderen etwas unter ihm platziert sind die wirken auf viele Leute, er ist der Oberlehrer,
ja. Es gibt aber andere die sagen das ist der Ritter, das ist der Recke, der sie alle in die
Schranken weist und so.“ Sabine Orner, Maybrit Illner-Redakteurin und
Pressesprecherin sieht die Positionierung der Gäste als nicht unproblematisch: „Die
sitzen ja nicht so um einen Tisch herum und können sich alle angucken, sondern in dem
sehr offenen, fast schon gerade Strecke und haben dann auch noch Tisch, so als
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
69
Holperstelle. Dass sich sehr viel Dynamik unter den Gästen rausnimmt. […] Man sieht
es ja schon bei der Blickausrichtung dieser Gäste. Die gucken ja alle Plasberg an.“ Die
Sitzordnung der Sendung hart aber fair wird als eine Peripher-Sichel141 bezeichnet.
Nach Matthias Fley ist es bei dieser Sitzordnung deutlich schwieriger aufkommende
Konflikte zwischen den Diskutanten zu schlichten, da er sich nicht gleichzeitig im
Gesichtsfeld beider sich streitenden Gäste befindet und so lediglich verbal eingreifen
kann.142 Georg Diedenhofen, Redaktionsleiter von hart aber fair sieht seine Sendung
jedoch gerade dadurch im Vorteil:
„Die zurückgelehnte Haltung in Sesseln und der große Abstand der Gäste zueinander in den
anderen Formaten lässt den Gästen mehr Raum als bei uns. Durch unsere Sitzordnung und
die große Nähe der Gäste zueinander wird der personal space der Gäste aufgebrochen, sie
agieren miteinander, können sich anfassen und so stark aufeinander Einfluss nehmen. Da
der Moderator steht, wird er eher als Chef im Ring angesehen, seine Interventionen sind
nachhaltiger. Und er hat die Freiheit, sich zwischen Gäste und die Kamera zu stellen, wenn
diese nicht mehr auf ihn hören. Durch diese Art der „Blende“ kann der Moderator
wirkungsvoll jede ungesteuerte Diskussion beenden.“143
Maybrit Illner-Redaktionsleiter Wolfgang Klein schreibt, im Vergleich mit der
Sitzordnung von hart aber fair, seiner als Zentralsichel144 ausgerichteten Runde, durch
eine direktere Kommunikation zwischen den Gästen und einer Ebenbürtigkeit zwischen
Gast und Moderatorin, eine stärkere Förderung des Diskussionscharakters zu. Bedeutet
dies eine höhere Chance auf einen Erkenntnisgewinn im Gespräch?
„Die Moderatorin ist auf jeden Fall von der Sitzanordnung her einer eine aus der Runde, ist
nicht erhöht, ist nicht erniedrigt, sondern auf gleicher Höhe zwar viel zentral, dadurch
vielleicht ein bisschen mehr herausgehoben, aber sonst eine von diesen Gästen, die sich alle
als gleichberechtigt empfinden dürfen: Während wenn der Moderator steht und die Gäste
unter ihm sitzen, ist von vorneherein ja schon mal eine andere Anmutung darin. […] Ja wir
können das doch ausprobieren. (steht auf) Wie wirkt denn das wenn ich jetzt hier stehe und
sie was frage. Wirkt doch anders, als wenn ich hier sitze und sie was frage!? […] Plasberg
ist Frontalunterricht. Da ist der Lehrer eine Respektperson und die anderen sind schon mal
von vorneherein in einer gewissen Demutshaltung. Während hier sind eigentlich alle gleich
[…]. Wir wollen ja auch, dass die miteinander reden. Dass nicht die Argumente vom
Moderator kommen und von den anderen dann aufgenommen und beantwortete werden
141 Vgl.: Fley (1997), S. 92 142 Vgl.: Eisentraut (2007), S. 81 143 Interview hart aber fair 144 Vgl.: Fley (1997), S. 92
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
70
und dann wieder an den Moderator zurückgehen, sondern bei uns geht ja eigentlich,
versucht die Moderatorin zwar schon in gewisser Weise das Heft in der Hand zu haben aber
im Prinzip ist auch jeder ermuntert dem anderen ins Wort zu fallen und mit dem anderen
sich zu streiten. Und das ist was ganz anderes.“
Festzuhalten ist, dass während bei Runden wie Maybrit Illner der Diskussionscharakter
im Vordergrund steht und somit auch ein Erkenntnisgewinn zwischen den Diskutanten
befördert wird, basiert die Sitzordnung in Sendungen wie hart aber fair auf einer
deutlichen Hierarchie zwischen Gast und Moderator. Durch diese können
möglicherweise einzelne Fakten und Sachverhalte besser geklärt, erhellt und abgefragt
werden.
Insgesamt lässt sich die Sitzordnung in der Sendung Maybrit Illner als ein Element mit
niedrigem Beeinflussungs- und Gefährdungspotenzial für den Erkenntnisgewinn
einordnen und mit der Beeinflussungskategorie 1 beschreiben.
Anne Will
Die Sitzordnung in der untersuchten Sendung Zocken, spekulieren, abkassieren – haben
Banker aus der Krise nichts gelernt? aus der Reihe Anne Will ist bezüglich der
Diskutanten und der Moderatorin, ebenso wie in der Sendungen Maybrit Illner, als
Zentralsichel145 angeordnet. Ebenso wird mit der Sitzordnung auch versucht, die
scheinbar gegnerischen Positionen in der Diskussion, auf verschiedenen Seiten zu
platzieren. So ist die Sitzordnung wie folgt von links nach rechts festgelegt: Bodo
Ramelow, Ilse Aigner, Gerhard Baum, Anne Will, Heinrich Haasis und Gerhard
Hörhan. Die sich daraus ergebenden möglichen Problematiken sind schon in der
Untersuchung zur Sendung Maybrit Illner angesprochen worden. Aber auch hier
kommen diese jedoch nicht zum Tragen.
Als zusätzliches Element der Sitzordnung ist ein Stehtisch zu erwähnen, an dem die
Moderatorin den Finanztest-Chefredakteur Hermann-Joseph Tenhagen zu von der
Zeitschrift durchgeführten Beratungsgesprächstests in Banken befragte. Die stehende
Anordnung, vor der Runde, ist für dieses Gespräch als sehr passend zu werten und
kennzeichnet so das Gespräch deutlich, als ein zur Diskussion ergänzendes Element.
145 Vgl.: Fley (1997), S. 92
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
71
Eine Beeinflussung für den Erkenntnisgewinn ergibt sich aus der Anordnung im Raum
nicht, daher ist die Beeinflussungskategorie 1 gültig.
2.2.5 Gesprächsverlauf
Maybrit Illner
Da die ursprüngliche, von der Redaktion vor Sendebeginn festgelegte Gesprächsstruktur
für diese Sendung nicht vorliegt, konzentriert sich die Untersuchung auf dem
tatsächlichen, in der Sendung stattfindenden Gesprächsverlauf. Dieser weist in einer
gelungen Talkshow eine deutliche Struktur, basierend auf der vor Sendebeginn
festgelegten Gesprächsstruktur auf und lässt einen roten Faden erkennen. Anhand der
untersuchten Sendung lässt sich somit folgender thematischer Ablauf feststellen:
Vorstellung
Zusatzbeiträge
Probleme im Gesundheitssystem
o Unterversorgungsgefühl
o Überbürokratie
o Intransparenz
Verbesserungsforderungen an die Politik
Sparmöglichkeiten aus Politikersicht
Paradies für Pharmaindustrie
Welche Medikamente wurden von Kassen gestrichen?
Betroffenengespräch
Zusatzbeiträge
Bürokratie
Einsparungsmöglichkeiten
Ist alles, was die Kasse nicht zahlt, Luxus?
Politische Zukunft des Gesundheitssystems
Zukunftswunschmodelle der Diskutanten
Es lassen sich deutlich die Themenblöcke
Zusatzbeiträge als ein aktuelles Beispiel
Probleme im Gesundheitssystem
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
72
Einsparmöglichkeiten
Sicht des Patienten
Politische Zukunft des Gesundheitssystems
ausmachen. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch klar, dass die Themenblöcke
Zusatzbeiträge und politische Zukunft des Gesundheitssystems mit ca. 12 Minuten und
ca. 16 Minuten fast die Hälfte der Sendezeit einnehmen. Als problematisch ist
festzustellen, dass der Themenblock Zusatzbeiträge in erster Linie ein aktuelles Beispiel
der gestiegenen Kosten im Gesundheitssystem und Belastungen für den Patienten ist,
jedoch in der Thematik selbst nur ein kleines Element darstellt. Trotzdem gewinnt er
hier immer wieder eine große Bedeutung und fast scheint es, als würde das Thema auch
gerne bemüht, um über die anderen, weitaus problematischeren, Elemente der Thematik
nicht zu viel sprechen zu müssen. Der zweite dominierende Themenblock die politische
Zukunft des Gesundheitssystems liefert kaum Erkenntnisse über eine mögliche
Zukunftsidee, da er sich kreiselähnlich um die Frage dreht, ob man sich denn nun einig
sei, über den gemeinsam geschlossenen Koalitionsvertrag oder nicht. Die einzige
Erkenntnis, die sich dem Zuschauer aus diesem Themenblock vermittelt, ist die große
Frage, wie diese beiden Politiker jemals gemeinsam die Gesundheitspolitik gestalten
wollen, wenn sie sich nicht einmal über Vereinbarungen bereits gemeinsam
geschlossener Verträge einig sind. Zudem fällt auf, dass sie diese Diskussion geschickt
nutzen, um sich vor dem Wähler als besserer Vertreter zu präsentieren.
00:45:18: Bahr (auf Söder deutend): Aber ich brauch diesen gar nicht mehr überzeugen,
den
00:45: 18 Illner: Wie hoch müssen wie hoch müssen diese Einkommen
unabhängige
Bahr: hab ich schon überzeugt. das ist in
der Tat etwas
Illner: wie hoch müsste dieser Beitrag sein
Bahr: worüber wir noch diskutieren müssten, wir würden gerne eine Prämie machen die
auch eine Signalwirkung hat, diese 8 Euro das ist ja in der Tat, wie Frau Walle hat für 8
Euro den Aufwand. Wir würden das man auch unterscheiden kann die Krankenkassen äh da
ist aber noch ne Diskussion wie wir des organisieren wie hoch es ist, aber geeeinigt haben
wir beiden uns in den Koalitionsvereinbarungen (Söder schüttelt Kopf) die
Unterschriften (Lachen im Publikum, Söder schüttelt weiter den Kopf) der
Parteivorsitzenden sind drunter […]
00:46:28 Söder: Also auch wenn man es jetzt schnell redet und nochmal fünfmal
wiederholt ich bin da grundlegend skeptisch. […] Dieses Umfinanzierungsmodell macht
nach allen Schätzungen die da sind zwischen 15 bis 30 Milliarden (Bahr schüttelt Kopf).
00:47:50 Illner: so hier sind die beiden Politiker im Duell – Herr Bahr ihre Widerworte wo
kämen einerseits diese 20-35 Milliarden her und warum will ausgerechnet die FDP jetzt das
lauter Bürger Anträge auf ehm Bedarf stellen? Also auf Zuschüsse.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
73
00:48:03 Söder: 40 bis 50 % der Bevölkerung der Bürger, der Versicherten würde dann in
allen
Bahr: Nein nein Her Söder
00:48:04 Söder: vergleichbaren Modell in der Realität, das ist ja alles noch Theorie bei der
Bahr: ja, nee n ee nee
Söder: FDP, doch doch doch in der Realität, doch doch doch in der Realität
Bahr: nee nee nee
Söder: vergleichbare Modelle der Welt es funktioniert halt net wirklich und drum was
Bahr: nee nee nee nee nee
Söder: vorhin gesagt wurde von den Kassen. […]
00:48:45 Illner: Jetzt ist Herr Bahr dran
00:48:52 Bahr: Wenn ich das richtig raushör, wollen sie ja den Koalitionsvertrtag infrage
stellen. Wir wir verhalten uns ja vertragstreu wird haben das geeinigt, wir haben uns in
einem Kompromiss auf viele Punkte geeinigt und stellen die nicht infrage. So ist das. Jeder
hat in dem Gesamtpaket sein Anteil.
Bahr nutzt dieses Iinf Fragestellen des Koalitionsvertrages im Folgenden weiter aus und
fügt in Minute 00:54:22 noch hinzu:
Naja manchmal fragt man sich, ob die CSU in der Opposition sein möchte oder in der
Koalition der Partner, damit man diesem Umbruch irgendwann mal auflösen und sich
entscheiden.
Der Themenblock ist folglich mit 16 Minuten, die mehr Verwirrung als Ordnung, mehr
Unsicherheit als Zukunftsideen für den Zuschauer bergen, deutlich zu lang. Die
Konsequenz ist eine sich daraus entwickelnde Dominanz dieses Diskussionsteils. Dieser
stellt zwar keine eindeutig thematische Abweichung dar, ist jedoch dennoch als ein, für
den Gesamteindruck der Diskussion zum Sendungsende, eher störendes, da in seiner
Dominanz die anderen Themenblöcke überlagerndes, Element einzustufen.
Die Moderation verkennt die Tragweite des letzten Themenblocks und das Bedürfnis
der anderen Teilnehmer, die vorherige Diskussion weiterzuführen. Sie wertet die
Systemfrage als einen wichtigen und somit abzuhandelnden Themenblock der
Gesamtfragestellung. Jedoch zeigt sich hier, dass damit eine neue Baustelle eröffnet
wird, bevor die vorherige überhaupt richtig in Angriff genommen wurde. Herr Bartens
versucht auf diese Problematik aufmerksam zu machen, wie in der Analyse zum Grad
der Verständlichkeit ausführlicher beleuchtet, und die Diskussion wieder auf die
vorherigen Themen zu richten, doch diese werden von der Moderatorin als ausreichend
diskutiert bewertet.
Die konstruktiven Ansätze, im ersten Teil der Diskussion, lassen durchaus ein großes
Potenzial für eine erkenntnisreiche Diskussion erahnen. Als problematisch ist dabei
festzustellen, dass insbesondere im ersten Drittel die Moderatorin immer wieder neue
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
74
Probleme ansprechen lässt und so zwar der Zuschauer Erkenntnisse über den Umfang
der Schwachstellen im Gesundheitssystem erlangt, jedoch werden die Politiker kaum
ernsthaft mit den Problematiken konfrontiert, bzw. dazu bewegt sich ernst zu nehmend
mit diesen auseinanderzusetzen. Stattdessen bestätigt beispielsweise Daniel Bahr, ab
Minute 00:21:08, die Problematiken lediglich, behauptet lediglich daran arbeiten zu
wollen. Im Anschluss versucht er im Zuge dieser Immunisierungsstrategie146 die
negativen Feststellungen auf eine scheinbar positive Ebene umzuleiten, indem er das
Gespräch darauf lenkt, wie gut und leistungsfähig das Gesundheitssystem doch sei.
Durch dieses Verhalten neutralisiert er die Situation und versucht subtil eine
Begründung für die enormen Kosten zu schaffen.
Somit kommt es durch die Formulierung der Schwachstellen zu vielversprechenden
Erkenntnisansätzen, die jedoch im letzten Teil der Diskussion, durch den letzten
Themenblock, fast vollständig überlagert werden. Die Folge ist ein deutlicher
Bedeutungsverlust und eine damit einhergehende Gefährdung des teilweise schon
gewonnenen Erkenntnisgewinns.
Prinzipiell wäre theoretisch nach einem solchen Themenblock eine Rückkehr in die
Diskussion mit den anderen Teilnehmern und die Gesamtthematik möglich. Im hier
vorliegenden Fall ist jedoch die verbleibende Diskussionszeit nach dem letzten
Themenblock zu kurz. Die Moderatorin versucht lediglich eine abschließende Runde
einzuführen, die allerdings an dieser Stelle fast wie eine thematische Abweichung des
vorherigen Themenblockes wirkt, da durch diesen die bisherige Diskussion völlig in
Vergessenheit geraten ist. Die verbliebene Zeit reicht nicht aus, um wieder gedanklich
zurückzufinden.
Allgemein lässt sich zum Gesprächsverlauf feststellen, dass der fünfte Themenblock
vielleicht zwar zu einer weiteren, auch für den Zuschauer interessanten Diskussion
führt, jedoch ist diese hier in Hinblick auf die Definition des Erkenntnisgewinns, als ein
Abweichen vom diesem und somit ein Scheitern der Diskussion zu bezeichnen.
Eine weitere, hier jedoch nicht eintretende Gefahrenquelle in Bezug auf die
Gesprächsstruktur liegt in einer Stagnation der Diskussion. Hierbei kann der
Erkenntnisgewinn auch beschädigt werden, wenn diese zu Beginn oder mitten in der
146 In einer Immunisierungsstrategie versucht sich Gast einer Rechtfertigung, Begründung oder
Stellungnahme zu entziehen. Dazu: Vgl.: Mühlen (1985), S. 256
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
75
Sendung zustande kommt, die Diskussion keine wirkliche Entwicklung mehr erfährt
und so mögliche wichtige Aspekte nicht mehr zur Sprache kommen können.
Es wäre festzustellen, dass Abweichungen vom idealtypischen Ablauf zu einem
inhaltlichen Abweichen, bzw. aus den Augen verlieren des Diskussionsziels und damit
zu einem Verfehlen des Erkenntnisgewinns führen können.
Das Kriterium des Gesprächsverlaufs ist als bedeutend zu werten, weil ein Abweichen
vom gedanklichen roten Faden oftmals ein Abweichen eines ganzen Themenkomplexes
bedeutet. Dieser hat wiederum als elementaren Sendungsteil großen Einfluss auf die
gesamte Diskussion, wie der vorliegende Fall deutlich gemacht hat. Zu bestimmen ist
also die Beeinflussungskategorie 3.
Anne Will
In der zu untersuchenden Sendung aus der Reihe Anne Will lassen sich, wie schon in der
Analyse des Gesprächsverlaufes zu Maybrit Illner-Sendung, Rückschlüsse auf die
mögliche von der Redaktion geplante Gesprächsstruktur ziehen. Jedoch fällt auf, dass
hier im Vergleich zur Maybrit-Illner-Sendung die Themenblöcke nicht so klar
abzugrenzen sind. Dies soll im Verlauf der Untersuchung des Analysekriteriums
Gesprächsverlauf an späterer Stelle genauer betrachtet werden.
Zunächst einmal sei hier ein Überblick über den Ablauf des Gespräches zu geben.
Vorstellung
Zocken Banken sorgloser, weil sie wissen, dass im Notfall der Steuerzahler
einspringt?
Sparkasse: Heinrich Haasis Teil 1
Investmentbanker Gerhard Hörhan
Unverständlichkeit der Produkte
Einspielfilm: Sparkassen verkaufen auch Zertifikate an Privatkunden
Heinrich Haasis Teil 2
Wie kann Kunde besser geschützt werden?
Experteninterview: Vorstellung des Beratertests durch Hr. Tenhagen
Einspielfilm: Verkaufsdruck für Sparkassenberater
Heinrich Haasis Teil 3
Fortsetzung wie kann Kunde besser geschützt werden?
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
76
Einspielfilm Beipackzettel
Haben wir eine neue Phase erreicht oder ist alles wie vor der Krise?
Der Ablauf lässt sich in drei Hauptdiskussionen bzw. Themenblöcke unterteilen:
Zocken Banken sorgloser, weil sie wissen, dass im Notfall der Steuerzahler
einspringt?
Unverständlichkeit der Produkte
Wie kann Kunde besser geschützt werden?
Den Abschluss soll eine Rückkehr auf die Anfangsfragestellung und den ersten
Themenblock liefern und sucht nach Antworten, ob wir uns nun in einer neuen Phase
beschäftigen oder ob wie vor der Krise weitergezockt wird.
Die externen Elemente werden in der Untersuchung des entsprechenden
Analysekriteriums ausführlich betrachte. Zu erwähnen ist aber, dass sie in den
Themenblöcken als Elemente gut integriert sind. Unterbrochen wird jeder Themenblock
durch einen Versuch die Sparkasse als eine für die Krise verantwortliche Bank zu
enttarnen.
Es fällt auf, dass die Themenblöcke, als solche zu erkennen, jedoch innerhalb des
Themenblocks es zeitweise zu leichten Abschweifungen von der Thematik kommt und
diese auch immer wieder ineinander verschwimmen. Die Fragestellung des
Themenblocks wird zwar diskutiert, jedoch nicht sehr zielgerichtet. Die Übergänge der
Themenblöcke sind als eher fließend zu beschreiben, meist werden diese schon im
Gespräch zwischen den Diskutanten von diesen unbeabsichtigt vorbereitet, indem sie
angesprochen werden. Anne Will nimmt diesen Gesprächsfaden oftmals auf und führt
die Diskussion in diesen neuen Themenblock. Jeder Themenblock wird geprägt von
dem Versuch der Moderatorin, untermauert mit Einspielfilmen oder Testergebnissen,
Heinrich Haasis in die Position des verantwortlichen Bankers zu bringen. Diese
Versuche ziehen sich als ein wiederkehrendes Element durch die gesamte Sendung.
Heinrich Haasis wehrt jedoch jeden Vorwurf ab und so fällt die Diskussion
anschließend wieder in die Runde zurück oder wird von dieser wieder übernommen. Es
fällt im Vergleich zwischen den Befragungen des Sparkassenpräsidenten sowie der
Leitung der übrigen Diskussion auf, dass die Hauptaufmerksamkeit der Moderatorin,
verbunden mit einem entsprechend höheren Engagement ihrerseits für diesen Teil der
Diskussion, etwas zugunsten der Befragungen Heinrich Haasis ausfällt. Die restliche
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
77
Runde agiert sehr gut und selbstständig untereinander, der Sprecherwechsel erfolgt
oftmals gästezentriert, jedoch fehlt ihr ein bisschen die Leitung. Und so rutscht sie von
einem Aspekt der Diskussion in den nNächsten. Es entstehen so durchaus
erkenntnisreiche Ansätze, die jedoch durch die Entlarvungsversuche an Herrn Haasis,
immer wieder ins Stocken kommen oder beginnen sich im Kreis zu drehen.
Der Gesprächsverlauf an sich verspricht, ohne die Haasis-Befragungen, eine solide
Basis für eine erkenntnisreiche Diskussion. Jedoch ist durch die sehr einseitig
orientierten Interessen und Erkenntnisziele, diese nicht in der Weise möglich, dass am
Ende ein erkenntnisreiches Gespräch zu verzeichnen wäre. Der Gesprächsverlauf ist mit
der Beeinflussungskategorie 3 zu werten.
2.2.6 Zeitmanagement
Maybrit Illner
Wie schon bei der Untersuchung des Gesprächsverlaufs festgestellt, lassen sich die
Themenblöcke politische Zukunft der Gesundheitspolitik, sowie Zusatzbeiträge mit ca.
16 und 12 Minuten als zeitlich dominant einstufen. Prinzipiell ist eine zeitliche
Dominanz eines Themenblocks nicht als problematisch zu werten. Im hier vorliegenden
Fall ergeben sich aber aufgrund ihrer inhaltlichen Beschaffenheit, Problematiken für die
gesamte Diskussion, wie auch bereits im Kriterium Gesprächsverlauf ausführlich
beleuchtet wurde. Somit lassen sich im Zeitmanagement der Moderation in Bezug auf
die Einteilung der Themenblöcke Defizite feststellen. Diese Fehlaufteilung befördert
Erkenntnis störende Themenblöcke.
Bezogen auf die Gesamtsendezeit liegt somit eine nicht optimale Zeiteinteilung vor, die
folglich Erkenntnisgewinne aus der Diskussion schwächt und schädigt. Da die
Problematik des fünften Themenblocks auch durch seine Endstellung in der Sendung
befördert wird, ist festzuhalten, dass wenn dieser sich an einer früheren Position in der
Sendung befunden hätte, ein ähnliches Zeitmanagement nicht das gleiche Erkenntnis
gefährdende Ausmaß entwickelt hätte. Grund hierfür wäre ein möglicher anschließender
Wechsel zu weiteren Themenblöcken. Dadurch könnte die zeitliche Dominanz des
problematischen Themenblocks an Gewicht verlieren, da die inhaltliche Dominanz
durch eine weitere Diskussion abgebaut werden könnte. Aufgrund dieser Tatsache ist
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
78
das Kriterium Zeitmanagement nur als Erkenntnis beeinflussend, jedoch nicht
Hauptgefährdung einzustufen.
Es ist hinzuzufügen, dass die Sendezeit zwar nicht immer ausreicht, jedoch würde eine
längere Sendung den Erkenntnisgewinn nicht erhöhen, da die Aufnahmefähigkeit der
Zuschauer begrenzt ist. Insgesamt ist daher die Beeinflussungskategorie 2 zu
bestimmen.
Anne Will
Festzustellen ist, dass die Einteilung der Themenblöcke, von dem zeitlichen Aspekt
gesehen, gut aufgeteilt erscheint. Da die Übergänge teilweise recht fließend verlaufen
und ein neuer Themenblock auch nicht eindeutig, von der Moderatorin angekündigt,
sondern aus dem Gespräch des vorherigen Themenblocks entwickelt werden, ist nicht
klar auszumachen, wie stark die Moderatorin selbst das Zeitmanagement bestimmt. Die
Aufteilung ist aber als gelungen zu werten, das heißt, es wird den verschiedenen
Aspekten genügend Zeit eingeräumt. Klare zeitliche Inseln bilden die wiederholten
Befragungen Heinrich Haasis in Bezug auf die Verantwortung der Sparkassen. Es fällt
aber auf, dass die gesamte Diskussion durch die Moderation zeitlich bewusst gesetzte
Orientierungspunkte für den Zuschauer, bedurft hätte, um einen klarere Diskussionslinie
zu zeichnen. Zudem wäre anzumerken, dass aufgrund des geringen
Erkenntnispotenzials der Gespräche mit Herrn Haasis, die hierfür verwendete Zeit
möglicherweise erkenntnisreicher in der Diskussion mit der Hauptrunde eingesetzt hätte
werden können.
Als kritischer Punkt ist festzuhalten, dass insgesamt, bezogen auf die Gesamtsendezeit
ein leichtes Defizit im zielführenden Zeitmanagement zu verzeichnen ist. Die Endrunde
verläuft thematisch nicht sehr erkenntnisreich und erhält durch das von der Moderatorin
in Minute 00:55:40 vorzeitig gesetztes Ende, einen abrupten und etwas überraschend
Schluss. Die verbleibende Zeit nutzt Anne Will, um auf den Erlös eines Spendenaufrufs
hinzuweisen und die Themen der nachfolgenden Sendungen vorzustellen. Die Sendung
endet regulär erst in Minute 00:58:31. Diese ausführliche Widmung, insbesondere den
nachfolgenden Sendungen, erscheint fast wie eine Flucht aus der eigenen, die ja
scheinbar auch in der Endrunde nicht wirklich auf eine eindeutige Aussage kommt. Es
ist festzustellen, dass eine von der Zeitstruktur gut angelegte Sendung, durch den
plötzlichen Schluss etwas ziellos in der Luft hängen bleibt. Eine klare Abschlussrunde
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
79
hätte möglicherweise die Argumente der Diskussion nochmals klaren strukturieren und
vielleicht durchaus noch einen Erkenntnisgewinn in Bezug auf die diskutierte Thematik
hätte entstehen lassen können.
Weil die Beeinflussung eines Erkenntnisgewinns seitens der zeitlichen Komponente
hauptsächlich zum Ende der Sendung negativ zum Tragen kommt, ist das Kriterium
insgesamt nur mit einer Beeinflussungskategorie 1-2 zu werten.
2.2.7 Rederecht
Maybrit Illner
Die Vergabe des Rederechts ist, wie bereits angemerkt, in direktem Bezug zum
Zeitmanagement zu sehen, weil sie sie mit der Gesamtredezeit der jeweiligen
Diskutanten auch eine Zeitkomponente beinhaltet. Die klare Bestimmung des
Bedeutungspotenzials der Kriterien für die Frage nach dem Erkenntnisgewinn macht
jedoch eine Aufteilung von Zeitmanagement und Rederecht notwendig.
Wie schon im Kriterium Sendekonzept dargelegt, erfolgt der Sprecherwechsel sowohl
moderationszentriert, als auch gästezentriert. Hierbei fällt auf, dass bei dem
moderationszentrierten Sprecherwechsel eine Vergabe des Rederechts durch die
Moderation erfolgt, während im gästezentrierten Sprechwechsel das Rederecht meist
nicht vergeben wird, sondern die Diskutanten sich dies gegenseitig entziehen.
In der vorliegenden Sendung lässt sich in der Anzahl der Rederechtsvergaben, durch die
Moderatorin, ein scheinbares Gleichgewicht zwischen den Diskutanten Bodmer,
Bartens, Bahr und Söder feststellen. Doch auf den zweiten Blick wird klar, dass die
beiden Politiker mit fast doppelt so vielen Rederechtsübernahmen ihrerseits, fast die
doppelte Anzahl an Redebeiträgen wier Bodmer erhalten. Zudem kommen sie 25% mal
häufiger zu Wort als Bartens. Herr Romeike ist der einzige Gast in der Runde, der nur
nach Erteilung des Rederechts, durch die Moderatorin spricht und dies nur ganze vier
Mal. Zum Vergleich: Söder kommt auf 15 Redebeiträge in der gesamten Sendung.
Deutlich wird, dass das Rederecht bezüglich des zugesprochen und genutzten Umfangs,
klar zugunsten der Politiker und des Experten ausfällt. Ein Umstand, der scheinbar
gewollt scheint, da die Moderation auch keine Bemühungen anstrebt, insbesondere
Herrn Romeike mehr ins Gespräch zu integrieren.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
80
In Bezug auf den Erkenntnisgewinn lässt sich erkennen, dass die Aufteilung kein
deutliches Gefährdungspotenzial für das Gelingen einer konstruktiven und
erkenntnisreichen Diskussion erkennen lässt und so mit der Beeinflussungskategorie 1
zu kennzeichnen ist.
Anne Will
Die Vergabe des Rederechts in der Sendung Anne Will erfolgt, sowohl
moderationszentriert, gästezentriert, als auch durch eine Aneignung des Rederechts
durch die Gäste. Die Verteilung auf die Gäste ist als weitgehend gleichmäßig zu
bezeichnen, lediglich der Gast Hörhan liegt, sowohl in der Anzahl, als auch in der
Länge der Redebeiträge etwas hinter den anderen Diskutanten zurück. Zudem fällt bei
den Redebeiträgen des Gastes Haasis auf, dass diese meist nach einer direkten Vergabe
des Rederechts durch die Moderatorin erfolgen, während beispielsweise der Gast Baum
sich das Rederecht größtenteils selbst aneignet. Zeitweise übernimmt dieser sogar fast
eine gesprächsleitende Funktion, indem er deutlich andere Diskutanten herausfordert
und mit Argumenten die Diskussion vorantreibt.
Die Runde agiert, idealtypisch für eine Diskussion, untereinander sehr gut. So erfolgt
die Rederechtvergabe oftmals gästezentriert, das heißt, die Gäste regeln die Vergabe des
Rederechtes untereinander selbst. Weitgehend erfolgt die Rederechtverteilung der
Diskussion korrekt, das heißt an der Stelle eines möglichen Endes der jeweils
vorhergegangen Äußerungen. Turn-Beanspruchung, um während der vorherigen
Äußerung die Übernahme des Rederechts anzudeuten, sind festzustellen, ebenso wie
einige Überlappungen, insbesondere in der zweiten Hälfte der Diskussion. Diese
kommen aber meist nur durch kurze Einwürfe oder Kommentare zustande. Prinzipiell
entwickelt sich so eine rege Diskussion, in der jedoch oftmals die Personen sprechen,
die sich äußern wollen, weil die Moderatorin das Rederecht nicht immer deutlich
verteilt und auch nicht immer die Antworten auf ihre Fragen einfordert.147 Das
Rederecht ist in der Beeinflussungskategorie 1 anzuordnen.
147 Vgl.: Kallmeyer (1996), S. 45ff.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
81
2.2.8 Grad der Verständlichkeit
Maybrit Illner
Inhaltliche Verständlichkeit einer Diskussion ist in erster Linie davon abhängig wie klar
diese einen roten Faden verfolgt und sich entwickelt. In der untersuchten Sendung der
Reihe Maybrit Illner fällt deutlich die starke Thematisierung der Zusatzbeiträge auf.
Diese übernehmen insgesamt dreimal eine führende Rolle in einen Gesprächsverlauf.
Die Zusatzbeiträge sind zwar als aktuelles Beispiel der Thematik zu werten, jedoch
bringt eine so dominate Fokussierung die Diskussion nicht voran, denn sie liefert keine
neuen Gedanken. Diese Tatsache allein führt zwar nicht direkt zu einem Durcheinander
in der Thematik, dennoch bewirkt sie einen teilweisen Stillstand, weil die wiederholte
Betrachtung immer wieder Übergänge zu neuen Themenblöcken verhindert. So
versucht Frau Illner beispielsweise mit dem Betroffenengespräch zur Frage
überzuleiten, wie viel der Patient selbst zuzahlen muss, sie landet jedoch hauptsächlich
wieder in der Zusatzbeiträge-Spirale. Die Diskussion büßt so an Verständlichkeit ein,
weil der Übergang zu wichtigen Themenfeldern nicht richtig gelingt, diese nur
angeschnitten, aber nicht wirklich beantworten werden und so die Diskutanten dazu
keine Stellung beziehen müssen. Die konsequente Verfolgung eines roten Fadens ist
somit gestört. Stattdessen verläuft die Diskussion zwar mit einigen klaren Ansätzen
eines roten Fadens, jedoch wird dieser immer wieder durch Kreisbewegungen
unterbrochen, die die Diskussion zurückwerfen. Elementare Fragestellungen bleiben
dem Zuschauer so unverständlich, während viel Aufmerksamkeit auf das aktuelle
Beispiel Zusatzbeiträge gelenkt wird. Diese Betrachtung liefert aber bereits nach der
ersten Thematisierung nichts Neues mehr.
Im letzten Drittel, ab ca. Minute 00:45:00 wird die Diskussion, durch die
Auseinadersetzung und Uneinigkeit der Diskutanten Bahr und Söder, fast komplett
ausgehebelt und büßt so an Verständlichkeit ein. Die inhaltliche Auseinandersetzung
wird zunehmend überlagert durch die Fragestellung, ob man sich einig sei oder nicht.
Herr Söder stellt die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages infrage, während Herr
Bahr dies geschickt nutzt um die FDP als vertragstreu, zielstrebig und glaubwürdiger zu
präsentieren. Problematisch in der Diskussion ist die Tatsache, dass hier nicht
Opposition und Regierung streiten, sondern Koalitionsregierungspartner. Der Zuschauer
muss an dieser Stelle spätestens ein leichtes Unwohlsein empfinden, weil diejenigen die
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
82
gemeinsam über seine Zukunft einen Vertrag abgeschlossen haben, offenbar sich gar
nicht im Reinen über das sind, was sie beschlossen haben. Inhalte stehen kaum noch im
Fokus. Aus Zuschauersicht wirkt diese Randdiskussion zwar etwas belustigend,
entwickelt aber jedoch eine gesprächsbestimmende Dominanz mit der Folge, dass die
bisherige Diskussion und der rote Faden in der Wahrnehmung komplett durch die
Uneinigkeit überlagert werden. Ein Punkt, an dem die Erkenntnis beim Zuschauer auf
null gesetzt wird. Zwar gibt es teilweise für den Zuschauer interessante Aspekte, jedoch
wird die bisherige Diskussion komplett in den Hintergrund gedrängt und ist somit als
eigentlich nicht stattgefunden zu werten, weil die Aufmerksamkeit des Zuschauers für
diesen Uneinigkeitsdisput vollständig eingefordert wird. Die hier entstehende
Diskussion ist auf den ersten Blick natürlich auf das Thema ausgerichtet, aber sie stellt
kein aufbauendes und erweiterndes Element der bisherigen Gespräche dar, sondern
eröffnet ein komplett neuer Themenkomplex. Für sich allein könnte dieser Disput
durchaus Erkenntnisgewinn bringen, problematisch ist aber, dass er an dieser Stelle kurz
vor Sendungsende eine derartige Dominanz entwickelt, dass der bisherige Aufbau hin
zu einer Erkenntnis, aus dem Bewusstsein gedrängt wird. In der Schlussrunde lassen sie
sich dies spannenden Ansätze aus dem ersten Teil der Diskussion kaum noch so schnell
wieder abrufen und so bleibt ein leicht verwirrendes Gefühl zurück.
Hans Mathias Kepplinger stellte in seinen Untersuchungen fest:
„Die Teilnehmer an öffentlichen Auseinandersetzungen haben die Wahl zwischen zwei
Strategien: Sie können sich entweder auf die handelnden Personen oder auf die von ihnen
vertretenen Sachfragen konzentrieren. Die meisten politischen Sachfragen sind so
kompliziert, dass nur Experten die Einzelheiten überblicken können. In dieser Situation
stellt die Personalisierung von Auseinandersetzungen eine Möglichkeit zur Reduzierung
zur Komplexität dar, weil sich ein Laie eher ein Urteil über die beteiligten Personen bilden
kann.“148
Ein ähnlicher Fall lässt sich hier auch ausmachen.
Es wird deutlich, dass ein neuer Themenkomplex, gepaart, insofern mit einer
Abweichung von der Thematik, an dieser Stelle der Sendung gravierende Folgen für
den Erkenntnisgewinn hat. Entstanden ist dadurch eine sprachliche Chaossituation,
welche die Verständlichkeit in der Thematik grundsätzlich belastet. Der Zuschauer weiß
148 Kepplinger (1998), S. 179f.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
83
zwar jetzt, dass sich die Koalitionspartner nicht einmal über den Inhalt eines gemeinsam
geschlossenen Vertrages einig sind, durchaus eine Erkenntnis für sich, dennoch aber
auch eine Erkenntnisgefährdung für die komplette vorhergegangene Diskussion. Denn
die Diskussion bis zum letzten Themenkomplex hätte diese bei einer konsequenteren
Fortsetzung wahrscheinlich erkenntnisreichere Ergebnisse geliefert. Aber so erleben wir
eine Art Überschreiben der Erkenntnis, mit einem neueren, aber nicht gerade
produktiveren Erkenntnisansatz für die Diskussion.
Der Gast Bartens bemerkt diese Entwicklung:
00:55:10 Bartens: […] Jetzt passiert genau das was in gesundheitspolitischen Diskussionen
oft passiert, die beiden streiten sich darüber wer was wann gesagt hat, die Zuschauer
werden eingelullt, dann wird allenfalls über Schönheitsreparaturen gesprochen, aber es ist
eine Komlettsanierung nötig. Diese Komplettsanierung
00:55:24: Illner: […] Wir machen hier eine Form von Vergangenheitsbewältigung, also da
gab als Koalitionsvertrag
00:55:26 Bartens: ja aber ich finde es ist wichtiger über das Gesundheitswesen an sich zu
sprechen. Da könnte man zum Beispiel sagen, es gibt ne Menge konkreter
Einparungsmöglichkeitenin Kliniken, bei Medikamenten, bei technischen Leistungen. […]
Man müsste, da haben wir noch gar nicht darüber geredet, die Privatversicherung
abschaffen […]. Dann müsste es eine Grundsicherung für alle geben […].
00:56:12 Illner: Das ist schon zitiert worden, aber der Fairness halber wollen wir sagen,
dass über all diese Einsparpotenzial tatsächlich hier in der Sendung diskutiert wurde. Und
wir gestatten uns jetzt die Systemfrage mit dem sich die Politik aber ja befasst. […]
Deutlich wird hier, die Moderatorin unterschätzt das Gefährdungspotenzial für die
bisherige und vor allem nicht zu Eende geführte Diskussion und gibt dem neuen
Themenblock Vorrecht.
Zur sprachlichen Ausdrucksweise ist festzustellen, dass einige kleine akustische
Problematiken an mehreren Stellen der Diskussion, insbesondere zwischen Bahr und
Bartens, sowie Bahr und Söder festzustellen sind, wenn diese in reger Diskussion die
Ausführungen des jeweils anderen zeitlich parallel zu seinen Ausführungen
kommentieren. Aber diese haben keinen weiteren Einfluss auf den Erkenntnisgewinn,
weil sie keinen hohen diskussionsbestimmenden Informationsgehalt aufweisen. Die
rhetorische Verständlichkeit ist bei allen Teilnehmern gegeben.
Insgesamt lässt sich also eine Gefährdung des Erkenntnisgewinns durch eine Störung
der inhaltlichen Verständlichkeit in der Thematik feststellen. Zu werten ist diese im
Falle der Diskussion als gravierend, weil sie ausschlaggebend für ein Scheitern des
Erkenntnisgewinns der Gesamtdiskussion ist. Die große Bedeutung kommt ihr zu, weil
sie am Ende der Diskussion stattfindet und somit es keine Möglichkeit gibt, wieder auf
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
84
den roten Faden zurückzufinden. Läge diese Abweichung von der Verständlichkeit an
einem früheren Zeitpunkt der Diskussion, wäre sie möglicherweise, als nicht so
beeinflussend und bedeutend einzustufen. Es ergibt sich folglich die
Beeinflussungskategorie 3.
Anne Will
Die vorgestellten Themenblöcke weisen inhaltlich teilweise leichte Abschweifungen
von den durch die Moderatorin gestellten Fragestellungen auf. Bedingt durch diese
Tatsache leidet zwar das Verständnis bezüglich dieser Fragen, jedoch kaum die
Verständlichkeit bezüglich des jeweiligen Themenblocks.
Als unangenehm auffallende Unterbrechungen im Verständnisprozess sind die
Gespräche mit Herrn Haasis zu werten. Sie sollten zwar durchaus ein notwendiger Teil
dieses Themenblocks sein, sind aber, bedingt durch den Umstand, dass Herr Haasis die
ihm zugedachte Rolle nicht ausfüllt und auch deutlich von sich weist, weitgehend
ergebnislos. Zudem verursachen sie so Verunsicherungen beim Rezipienten, wie er
diese nun bewerten soll.
Zusätzlich ist anzumerken, dass eine etwas deutlichere Strukturierung der gesamten
Runde durch die Moderation, als auch eine stärkere Leitungsfunktion, die mit der
gleichen Hartnäckigkeit an die anderen Diskustanten herangetreten wäre, wie sie dies
bei Herrn Haasis tut, sehr wahrscheinlich den Verständnisprozess deutlich befördert
hätte. Möglicherweise wären so wichtige Erkenntnisse zutage gefördert worden.
Insgesamt ist zu erkennen, dass diese Kritikpunkte nur ein geringes
Gefährdungspotenzial für den Erkenntnisgewinn ausweisen, vielmehr wirken sie
einfach nicht positiv fördernd und verhindert ein durchaus gegebenes Potenzial.
Die sprachliche Verständlichkeit der Diskutanten ist in der untersuchten Sendung
gegeben. Somit ist in diesem Kriterienteil keine Erkenntnisgewinnstörungseinfluss
auszumachen. Insgesamt ist das Kriterium mit einer Beeinflussungskategorie 1-2 zu
werten.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
85
2.2.9 Gesprächsdynamik
Maybrit Illner
Insgesamt sind die Diskutanten alle sprachlich auf einem ähnlichen Niveau. Es fällt
jedoch auf, dass sowohl Herr Romeike. als auch Herr Bodmer sich selten trauen, ohne
eine direkte Rederechtvergabe in das Thema einzugreifen. Somit ist ein
Ungleichgewicht zugunsten Bartens, Bahr und Söder festzustellen. Weil Bartens die
Position der Kritik sehr deutlich vertritt, hat die Nichtäußerung seitens Romeike keinen
negativen Einfluss auf den Erkenntnisgewinn über die Problemfelder der Thematik. Der
Zuschauer bekommt mögliche Kritikpunkte an der aktuellen Lage deutlich von Herrn
Bartens und auch in den vereinzelten Beiträgen von Herrn Romeike ausreichend
vermittelt. Ob ausführlichere Ausführungen von Herrn Bodmer der Thematik weitere
Aspekte beschert hätten, ist schwer einzuschätzen, möglicherweise hätte sie es ihr aber
eine weitere interessante Blickrichtung gegeben.
Herr Bahr weist in seinen Ausführungen ein enormes Sprechtempo auf, und versucht
möglichst viele Inhalte in einem Statement unterzubringen. Ziel ist dabei nicht
unbedingt viel Inhalt zu bieten, sondern durch scheinbaren Inhalt unangenehmen Fragen
auszuweichen. Herr Söder kritisiert diese Sprechweise unterschwellig.
In der Dynamik des gesamten Gespräches ist festzustellen, dass der Themenwechsel
zwischen den einzelnen Aspekten teilweise etwas zu schnell erfolgt, dennoch liegt dies
durchaus im Rahmen der Aufnahmefähigkeit des Zuschauers liegt.
Es lässt sich festhalten, dass von der Gesprächsdynamik in dieser Sendung kein
besonders gefährdender Einfluss auf die Erkenntnisgewinnung festzustellen ist und
folglich die Beeinflussungskategorie 1 zum Tragen kommt.
Anne Will
Die Teilnehmer liegen bezüglich der Gesprächsdynamik weitgehend auf einer
Wellenlänge, somit kann zwischen den Diskutanten eine sehr aktive und sich selbst
entwickelnde Dynamik in der Diskussion entstehen. Diese ist als sehr positiv zu werten,
da sie eine gute Grundlage für eine fruchtbare und somit möglicherweise Erkenntnis
tragende Beleuchtung der Thematik bietet. Als problematisch ist einzustufen, dass diese
Dynamik etwas ziellos verläuft und somit nicht optimal genutzt werden kann. Sie hätte
bei einer aktiveren Strukturierung des Gespräches und einer folglich Ziel führenderen,
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
86
an einem roten Faden entlang verlaufenden Gesprächsführung, durch die Moderation,
ihr Potenzial besser entwickeln können. Die Gespräche mit Herrn Haasis haben
spätestens nach dem zweiten Versuch eine eher lähmenderen Wirkung auf die
Gesamtdiskussion. Der Grund hierfür ist, dass für den Rezipienten schnell ersichtlich
ist, wie wenig erfolglos die Suche nach einem, in die Verantwortung zu ziehenden,
Banker in dieser Besetzung sein wird.
So schreitet die Runde inhaltlich dynamisch voran, behandelt Themenblock für
Themenblock alle wichtigen Aspekte, aber zum einen fehlt ihr, die von Will verzweifelt
gesucht Position des Bankers, als auch eine klare Zielrichtung. Weil diese beiden nicht
vollständig vorhanden sind, dreht sich die Runde weitgehend ergebnislos, wenn auch
dynamisch um alle wichtigen Aspekte, im Kreis. Zu werten ist das Kriterium mit der
Beeinflussungskategorie 2.
2.2.10 Sprachliche Interaktion
Maybrit Illner
Wie schon in den Beurteilungskriterien vorgestellt, lassen sich innerhalb des
Analysekriteriums sprachliche Interaktion folgende Teilbereiche unterteilen:
1. Sprachliche Überlegenheit
2. Ausweichen einer Frage
3. Nachfragen der Moderation
4. Moderationsverhalten in sprachlichen Chaossituationen
5. Gast der nicht mehr aufhört zu rede/Unterbrechen eines Gastes
6. Gast nimmt Moderator nicht ernst
7. Inhaltliches Abschweifen vom Thema.
Beginnend mit einer Betrachtung der sprachlichen Überlegenheit in der Sendung, lässt
sich eine solche zwischen den miteinander agierenden Diskutanten nicht feststellen. Die
nur sehr vereinzelten Äußerungen Herrn Romeikes lassen sich keinesfalls auf eine
sprachliche Unterlegenheit zurückführen, denn aus seinen Äußerungen wird deutlich,
dass er sich sprachlich kompetent und inhaltlich qualifiziert äußern kann. Wie sich sein
Sprachverhalten in einem direkten Wortduell mit beispielsweise, dem rhetorisch sehr
geschulten Herrn Bahr behaupten könnte, ist nicht aus der Sendung zu erkennen und ist
somit auch nicht als negativ zuungunsten Herrn Romeikes zu beweisen. Der Aspekt
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
87
einer sprachlichen Überlegenheit ist im Falle dieser Sendung als unbedeutet zu werten,
kann aber in anderen Sendungen zu Erkenntnisgewinn beeinflussenden
Ungleichgewichten in der Gesprächsdynamik führen.
Während der Teilbereich der sprachlichen Überlegenheit für sich alleine untersucht
werden kann, fällt auf, dass die Teilbereiche 2, 3, 4, 5, 6 und 7 oftmals in direkter
Aufeinanderfolge oder Kombination auftreten. Dies ist auch in der untersuchten
Sendung festzustellen. Die Punkte 3. Nachfragen der Moderation, 4.
Moderationsverhalten in sprachlichen Chaossituationen, sowie 5. Gast der nicht mehr
aufhört zu reden, bzw. Unterbrechen eines Gastes sollen im nachfolgenden
Sendungsausschnitt verdeutlicht werden:
Maybrit Illner richtet eine Frage an Bahr:
00:47:50 Illner: so hier sind die beiden Politiker im Duell – Herr Bahr ihre Widerworte wo
kämen einerseits diese 20-35 Milliarden her und warum will ausgerechnet die FDP jetzt das
lauter Bürger Anträge auf ehm Bedarf stellen? Also auf Zuschüsse.
00:48:03 Söder: 40 bis 50 % der Bevölkerung der Bürger, der Versicherten würde dann in
allen
Bahr: Nein nein Herr Söder
00:48:04 Söder: vergleichbaren Modell in der Realität, das ist ja alles noch Theorie bei der
Bahr: ja, nee nee nee
Söder: FDP, doch doch doch in der Realität, doch doch doch in der Realität
Bahr: nee nee nee
Söder: vergleichbare Modelle der Welt […]
Bahr kommt jedoch gar nicht zu Wort, weil sich Söder das Rederecht angeeignet hat
und auch nicht bereit ist, dies abzugeben. Hier lässt sich eindeutig der Fall eines Gastes
erkennen, der nicht mehr aufhören möchte zu sprechen und unterbrochen werden muss
(5.). Maybrit Illner versucht es etwas verhalten, kann sich aber nicht durchsetzen und
Söder bekräftigt in seinen weiteren Ausführungen, warum ihm das Rederecht jetzt
zustehe:
Söder: funktioniert halt net wirklich und drum was vorhin gesagt wurde von den Kassen.
Ein Satz noch er war auch vorhin ne ganze, ganz
Illner: wollen wir ihn mal lassen?
Söder: engagiert länger. In der Realität sieht das natürlich so aus, wenn wir jetzt wieder ein
grundlegender Wechsel machen mit einem System das au wieder net funktioniert, dann
brauchen wir uns nicht wundern wenn irgendwann einmal die gesamte Gesundheit und das
Vertrauen irgendwann einmal völlig kaputt ist. Schrittweise verbessern, vielleicht noch
mehr auf den Rat der Experten hören die tatsächlich daran beteiligt sind, anstatt einem
Parteiprogramm nachzuhängen des gut klingt aber net in der Realität echte Probleme hat.
(48:48:45)
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
88
Maybrit Illner wagt einen zweiten Versuch den Gast zu unterbrechen und vergibt das
Rederecht an Bahr, dem sie ja ursprünglich die Frage gestellt hat.
00:48:45 Illner: Jetzt ist Herr Bahr dran
Dieser geht jedoch nicht auf ihre Frage ein, sondern schweift von dieser inhaltlich ab (7.
Inhaltliches Abschweifen) und bezieht sich auf Söders Ausführungen. Es entsteht eine
Diskussion zwischen Söder und Bahr, die die Frage Illner unberührt lässt. Sie lässt diese
kurzzeitig zu und fragt dann nochmals (3. Nachfragen der Moderation) bei Bahr nach.
00:48:52 Bahr: Wenn ich das richtig raushör, wollen sie ja den Koalitionsvertrag infrage
stellen. Wir wir verhalten uns ja vertragstreu wird haben das geeinigt, wir haben uns in
einem Kompromiss auf viele Punkte geeinigt und stellen die nicht infrage. So ist das. Jeder
hat in dem Gesamtpaket sein Anteil. Wenn sie den infrage stellen wollen in dem Punkt,
muss man natürlich sagen, dann muss mach auch andere Punkte noch mal neu diskutieren.
Ich glaube, dass uns das nicht weiterbringt. Weil […]
[…]
Illner: […] Bevor Herr Söder antwortet. noch mal. Eine Frage: Die die es sich nicht leisten
können, wollen ja nun dann ausgerechnet die FDP zu Empfängern von staatlichen
Zuwendungen machen. Das heißt in Größenordnungen werden Menschen, dann in diesem
System, dass sie vorschlagen gezwungen sind Anträge zu stellen staatliche Zuschüsse zu
erhalten.
Bahr setzt an zu antworten, doch weicht nur einen Satz später der Frage wieder aus (1.
Ausweichen einer Frage). Es entsteht eine sprachliche Chaossituation (4.), in der die
Moderatorin jedoch nachdrücklich auf ihre Frage verweist, um eine Antwort und den
gewünschten Erkenntnisgewinn zu erhalten (3. Nachfragen der Moderation).
00:51:25 Bahr: Nein. Das haben wir vereinbart. Komm noch mal drauf, das ist gar nicht so
schlecht
Söder: Es
Bahr: die Koalitionsvereinbarung, wir haben vereinbart Herr Söder Nein! Mach ich
gerne, kann ich gerne
Söder: stimmt ja nicht so müssen´s ja mal genau zitieren. Das ist das Problem
Illner: kommt gleich kommt sofort
Bahr: genau zitieren. Ne Gesetz nicht das haben wir ja noch nicht geändert,
Herr Söder.
Söder: Gesetz fördert die Rechtskenntnis(leicht unverständlich)
Illner: (Anfang unverständlich) sondern einfach meine Frage antworten. Ja?
Meine
Bahr: machen wir ja noch. Vermeld da cor
Illner: Frage beantworten
Söder: jaja das ist ein alter juristischer Grundsatz der gilt bei
Söder: Koalitionsverträgen auch, auch wenn man es nicht mag
Bahr: ja richtig. Ich gucke in die Koalitionsverinbarung genau
Illner: die Zeit tickt. Herr Bahr probieren sie es einfach
mit meiner Frage
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
89
Und kann nach wiederholtem Nachfragen zumindest einen Teilerfolg verzeichnen:
Bahr: und da steht drin, dass wir eine automatischen Sozialausgleich wollen. Das heißt
nicht, dass jemand zum Bittsteller wird und das extra beantragen muss. Übrigens was
anderes als das was wir jetzt haben bei den Zusatzbeiträgen, bei den
Zuzahlungsbefreiungen, überall da muss der Versicherte das beantragen. Wir haben gesagt,
wir wollen eine automatischen, so dass nicht die ganze Bürokratie entsteht. Das
jeder die Gewähr hat die Unterstützung zu bekommen. Das ist doch ganz
52:03: Illner: Gut Und bevor, Sekunde. Bevor jetzt Herr Söder
Bahr: schön sozial gerecht oder? Ja
Illner: Es ist schlagend, also man ist erschrocken von der FDP ehrlich gesagt
[…]
Doch nicht immer fragt die Moderatorin so unermüdlich und wiederholt nach. In
Minute 00:14:39 möchte sie von Herrn Söder wissen, warum es in Deutschland immer
noch nicht möglich sei als Patient nach einem Arztbesuch die Leistungen auf einer
Rechnung einzusehen. Herr Söder geht zwar auf die Thematik ein, versucht sich jedoch
einer direkten Stellungnahme zu entziehen, indem er die Problematiken einer solchen
Rechnung anspricht. Maybrit Illner fragt nach (3.). Doch nach einem halben Satz wird
Herr Söder durch Äußerungen von Herrn Bahr wieder zum inhaltlichen Abschweifen
(7.) verleitet.
00:15: 29 Illner: Des war ja ne ganz einfache Frage. Warum weiß ich als Patient nicht was
der Arzt für mich abrechnet?
Söder: kann man machen, kann man machen, wird aber in den seltensten Fällen auch
gefragt, weil es natürlich auch
00:15:36: Bahr [Anfang unverständlich] …es gemeinsam attraktiver
Söder: das wäre gut
Bahr: oder. Sind wir uns doch einig: ….Wir machen das jetzt attraktiver das die
Versicherten das wählen können
So kommt es zu keiner Antwort und folglich auch zu keinem neuen Erkenntnisansatz
für den Zuschauer. Maybrit Illner lässt diese Fragestellung fallen und steigt in die neue
von Bahr und Söder eingeleitete Themenrichtung ein.
Wird die Gesamtsendung betrachtet, wird erkennbar, dass in einigen Situationen die
Moderatorin keinen Versuch unternimmt, nachzufragen und zum Diskussionsthema
zurückzukehren. Festzustellen ist, dass gerade in Bezug auf die Politiker, ein härteres
Einfordern von Antworten sich Erkenntnis fördernd ausgewirkt hätte. Stattdessen wird
der Selbstdarstellung, in Form von Präsentationen der eigenen Konzepte, sowie dem in
Fragestellen der Konzepte der anderen, großer Raum gegeben. Folglich können sich aus
den Teilbereichen 2. Ausweichen einer Frage, 3. Nachfragen der Moderation und 7.
Inhaltliches Abschweifen vom Thema Einflüsse ergeben, die einen Erkenntnisgewinn
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
90
nicht fördern. Das soll nicht heißen, dass sich aus jeder Situation der Sendung, in der
einer dieser Teilbereiche stattfindet, Erkenntnis störende Einflüsse ergeben, jedoch
haben sie Beispiele deutlich gemacht, dass durchaus ein weiterer Erkenntnisgewinn
verhindert oder zumindest verzögert wird. Der Teilbereich 7 ist auch in direktem Bezug
zum Analysekriterium Gesprächsverlauf zu sehen, weil hier strukturelle Parallelitäten
vorhanden sind.
Die Teilbereiche 4. Moderationsverhalten in sprachlichen Chaossituationen, 5. Gast der
nicht mehr aufhört zu reden, bzw. Unterbrechen eines Gastes, sowie 6. Gast nimmt
Moderator nicht ernst sind in dieser Sendung nicht als Erkenntnisgewinn störend zu
kennzeichnen. Die Teilbereiche 4. und 5. können allgemein aber in anderen Sendungen
ähnliche Gefährdungspotenziale, wie die schon genannten Teilbereichen 2, 3, 7
entwickeln. Der Teilbereich 6. ist bei einer Sendung mit mehreren Gästen als am
unproblematischsten für Erkenntnisgewinn der Gesamtdiskussion einzustufen.
Somit ist die sprachliche Interaktion, als ein für den Erkenntnisgewinn bedeutsames
Kriterium zu werten und aufgrund seines vielfältigen positiven, wie negativen
Beeinflussungspotenzials in der Maybrit Illner-Sendung als Gefährdungskategorie 2 zu
kennzeichnen.
Anne Will
Die Sendung Zocken, spekulieren, abkassieren – haben Banker aus der Krise nichts
gelernt wird in Bezug auf das Analysekriterium sprachliche Interaktion ebenfalls in
Hinblick auf die bereits vorgestellten sieben Teilbereiche untersucht.
Eine deutliche sprachliche Überlegenheit (1.) der Diskutanten ist in sehr leichter Form
gegenüber Herrn Hörhan festzustellen. Er hat durch seine nicht gerade gelungene
Besetzung in der Runde, nach kurzer Zeit in der Diskussion eine Außenseiterrolle
eingenommen. Seine verbalen Beteiligungen gehen, abgesehen von konkreten Fragen
seitens der Moderation an ihn, nicht über vereinzelte Zwischenbemerkungen und
Kommentare hinaus, die er meist sehr kurz und mit österreichischem Akzent vorträgt.
Diese führen kaum zu seiner Aufnahme in die Diskussionsrunde, vielmehr reagieren die
anderen Diskutanten fast irritiert, wenn er sich äußert. Aufgrund des Umstandes, dass
seine Besetzung in der Runde nicht gerade ideal gewählt ist und er so scheinbar nicht
allzu viel zur Diskussion beizutragen hat, bzw. es nicht belegbar ist ob eine intensivere
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
91
Beteiligung seinerseits neue Erkenntnis fördernde Aspekte in die Runde gebracht
hätten, ist seine geringe sprachliche Unterlegenheit als ein für den Erkenntnisgewinn
unproblematisches Kriterium einzustufen.
Dem Teilbereich Ausweichen einer Frage (2.) ist in der Sendung meist gekoppelt, mit
einem inhaltliches Abschweifen vom Thema (7.). So fällt auf, dass insbesondere im
ersten Themenblock und der Eingangsfragestellung, ob die Banken sorgloser zocken,
aber auch in der Abschlussfrage, in der Anne Will, mit der Überlegung, ob nun eine
neue Phase angebrochen sei, oder die Banker weiterzocken, wieder auf den Beginn
zurückkehren möchte, eigentlich kaum vollständige erkenntnisreiche Antworten zu
verzeichnen sind. Die Gäste setzen alle scheinbar an, die Frage zu beantworten, treiben
aber nach einigen Sätzen die Diskussion in andere Themenfelder. Und beschreiben sie,
insbesondere im ersten Teil, die von ihnen als problematisch angesehen Aspekte der
gesamten Thematik. So findet kaum eine Annäherung an die Fragestellung der Sendung
statt. Die Diskussion scheint zwar viele Aspekte zu beleuchten, jedoch bleibt die
Eingangsfragestellung und oftmals auch die, von Frau Will, gestellten Fragen
weitgehend unbeantwortet, wie das folgende Beispiel zeigt. Hier treffen, sowohl die
Teilbereiche Ausweichen einer Frage (2.), inhaltliches Abschweifen vom Thema (7.),
als Nachfragen durch die Moderation (3.) aufeinander.
00:08:25 Will: Frau Aigner, wir hören im Film, dass die Banken sorgloser zocken als vor
der Krise, weil sie sich sicher sein können, dass der Steuerzahler im Notfall einspringt.
Warum hat die Bundesregierung das zugelassen, dass sich so eine Mentalität festsetzt?
00:08:39 Aigner: Also als erstes ähm glaub ich, dass wir jetzt auch handeln müssen und
werden wir auch handeln, das ist auch schon angekündigt, dass genau das was jetzt passiert
ist, dass der Steuerzahler nämlich dafür aufkommt, was letztendlich verspielt wurde, nicht
noch mal passieren kann. Schäuble hat schon
Schäuble hat schon
00:08:50Will: Und ist das nicht ein bisschen spät, wenn das im September 2008 war und sie
Aigner: angekündigt, das des jetzt auf jeden Fall im April auch eingeführt wird, aber ich
würd
Will: sagen jetzt?
Aigner: generell noch mal was sagen: Es gibt praktisch keine Branche die so eigentlich von
Vertrauen, oder Vertrauen angewiesen ist, wie die Banken und die Finanzbranche
insgesamt für meine Begriffe. Und es gibt wahrscheinlich keine Berufssparte, die so rapide
in der letzten Zeit an Vertrauen eingebüßt hat. Deshalb glaub ich ist die entschiedene Frage
wie kann man dieses Vertrauen wieder zurück gewinnen und zwar eigentlich aus eigenem
Antrieb heraus und wir haben von unserer Seite einiges auf dem Weg gebracht was den
Verbraucher direkt pre pas äh interessiert, also nicht nur die großen im Finanzmarkt,
sondern was betrifft jeden einzelnen nämlich wirklich eine Qualitätsinitiative für
Verbraucherfinanzen mit vielen Stufen die genau hier ansetzt beim Verbraucher selbst.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
92
Anzumerken ist an dieser Stelle ein, in der kompletten Diskussion zu beobachtender
Aspekt nonverbaler Kommunikation. Die Mimik Anne Wills zeugt von einer leichten
Irritation und schon einem fast verzweifelt, hilflos bis belustigtem Gesichtsausdruck,
bezogen darauf, dass die Fragestellungen in der Sendung oftmals viele interessante
Aspekte zutage fördern, aber kaum erkenntnisreiche Aussagen zu diesen liefern. Fast
scheint es als wolle ihre Mimik sagen: Wo bitte läuft meine Diskussion jetzt gerade
wieder hin?
Deutliche Fälle der Nachfragens (3.), lassen sich in den Gesprächen mit Herrn Haasis
erkennen.
00:34:55 Will: Herr Haasis das ist starker Tobak, wenn von Drückerkolonnen die Rede ist.
Ist das so?
00:35:00 Haasis: Nein, also hier ist maßlos übertrieben worden. Es kann sich er Einzelfälle
geben, wo jemand Druck hat. Auch Druck verspürt. Aber nochmals wir zahlen unseren
Mitarbeitern nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Und dann gibt es
Zusatzvergütungen mit 10-15%, ausgehend von der Grundvergütung. Da kann man nicht
sagen, dass dieses Drauf von 10-15% einen solchen Verkaufsdruck auslöst. Wir haben
bewusst abgeschafft, dass der Mitarbeiter […]
00:35:52 Will:Wie erklären Sie sich dann, dass die Hälfte der mindestens die sich bei Verdi
eingelassen haben. Das können wir übrigens auch nicht prüfen Sparkassenmitarbeiter sind
und unter dem Druck leiden
36:59: Haasis: [...] die überwiegene Mehrzahl der Mitarbeiter im Deutschen Bankgewerbe
sind Sparkassenkunden, deshalb wenn die Hälfte der Beschwerden bei Verdi von
Sparkassenkommt, dann ist das unterpropotional […]
00:36:11 Will: Aber dass es den nicht gut geht und
dass sie ihre Arbeit als druckvoll erleben. […]
00:36:15 Haasis: Nein da gibt es sicher Einzelfälle. Es gibt sicher auch Häuser wo nicht
alles in Ordnung ist. Das kann überall sein, aber dass ist nicht das Bild der Sparkasse das
überall ist in Deutschland. Sonst hätten wir auch nicht Umfragen bei denen 55% der
Kunden sagen, dass sie zufrieden sin. Viele andere auch, Testkäufe die zufrieden sind. Und
sich muss da auch schon zu Herrn Tenhagen was sagen. (Will: ja bitte) Also Herr
Tenhagen, gerade was sie angesprochen haben jetzt äh ihre Umfrage vom Sommer, die ja
dann im Dezember veröffentlicht ist. Dort haben wir ja Anrufe bekommen von
Kundenberatern die sich beschwert haben, dass ihre Testkäufer überhauot keine Fragen
zugelassen haben. Wenn man sie gefragt habe was verdienen sie, welche Stellung haben
sie, wie wollen sie inverstieren, sei ja sehr barsch gesagt worden, keine Zeit, ich hab sie
was gefragt geben sie mir bitte eine Antwort. Ich kann ihnen die Personen nennen die bei
uns aufgelaufen sind. Also reden sie auch bitte mal mit ihren Testern die da unterwegs sind,
das ist nicht immer so bei Finanztest […]
Anne Will versucht im Anschluss Herrn Tenhagen als Zeuge zu nutzen und lässt ihn
bestätigen, dass die Vorwürfe von Herrn Haasis nicht der Wahrheit entsprechen. Herrn
Haasis bleibt scheinbar unbeeindruckt. Bedingt durch diesen Umstand und Herrn
Baum´s unerwartete Rückendeckung für Herrn Haasis im nächsten Redebeitrag, gelingt
es Anne Will trotz deutlicher Nachfragen hier nicht einen Erkenntnisgewinn,
hinsichtlich der zu diskutierenden Thematik, zu erzielen.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
93
Im vorgestellten Fall von Frau Aigner, sowie auch in den Gesprächen mit Herrn Haasis,
fällt auf, dass der Gast meist dieses sprachliche Handeln an den Tag legt, um die
Fragestellung zu umgehen. Bei den anderen Diskutanten, insbesondere bei Herrn Baum
sind aber dagegen Ausweichen und Abschweifen durch den Umstand bedingt, dass sie
in dieser Situation unbedingt andere Aspekte ansprechen möchte. Er nutzt so die Frage
nur als Sprungbrett, um den Bogen weiter in einen anderen Bereich zu spannen.
Deutlich wird dies an dem folgenden Dialog zwischen Herrn Baum und Frau Will aus
der letzten Fragerunde.
00:48:51 Will: Aber was wir doch zu verstehen versuchen ist, ob wir im Moment in einer
Phase sind in der sehr viel mehr wieder gezockt wird, das haben wir am Anfang äh der
Sendung diskutiert oder sind wir in einer Phase wo wir gerade das Gefühl es wird alles
besser weil sich die Verbraucherministerin dem angenommen hat, Herr Baum?
00:49:05 Baum: Also wir müssen glaub ich das etwas stecken das Feld sind (Will: noch
weiter?) sind wir in einer Phase des Kulturwandels haben wir etwas gelernt aus dieser
Krise, ja. Haben wir gelernt, dass Wirtschaft ohne ethisch, moralische Grundlage eeuurrr
Raäuberei ist. Ja, das ist also keine, keine Gesellschaft sich leisten kann von den ethisch,
moralischen Grundlagen sich zu entfernen. Der Markt produziert Moral nicht von selber.
Sind wir nicht in einem solchen Prozess, frage ich mich skeptisch selber, des Umdenkens.
Das wir also sagen, dass können wir uns nicht mehr leisten, dass jetzt also Banken, die wir
gerettet haben gegen Griechenland zocken, also gegen den Euro. Sind wir jetzt nicht viel
sensibler geworden und haben wir…
00:49:46 Will: Wie geht ihre Antwort
Herr Baum, wenn wir uns erinnern an den ersten Film mit dme Professor Enderlein, der uns
sagt mein Eindruck, sein Eindruck sei es würde sorgloser gezockt, weil genauso ne Zusatz,
vielleicht ein Netz eingezogen ist, nämlich das Geld der Steuerzahler aus das sich manch
einer der mit Werft zockt gerne verlässt.
00:50:03 Baum: Das schließt sich ja nicht aus. Ich denke jetzt nicht an diejenigen die
zocken, sondern an die Gesellschaft insgesamt. Das wir nicht sensibler geworden sind. Der
Bundestag
0050:10 Will: Aber deren
Geld
Baum: ist sensibler geworden, die Verbraucherverände sind stärker geworden, also es hat
sich
Will: Man nimmt ist im Einsatz.
Baum: etwas verändert in diesem Lande. […]
Frau Will versucht auch hier das Abschweifen durch ein Nachfragen aufzuhalten,
jedoch bringt dieses kaum neue Erkenntnisse zur gestellten Frage. Es wird klar, dass die
Gäste scheinbar alle viel zu sagen haben, nur passt dies nicht so recht mit den Fragen
und Zielsetzungen der Moderatorin zusammen. Die Aussagen beinhalten sicherlich für
den manchen Zuschauer erkenntnisgewinnbringende Faktoren auf verschiedensten
Ebenen, aber nicht diese beziehen sich nicht direkt auf die zu diskutierende
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
94
Fragestellung und Thematik. Der dieser definierten Erkenntnisgewinn kann nicht
erreicht werden und der Zuschauer bleibt etwas orientierungslos zurück.
An dem Beispiel mit Herrn Baum ist auch ansatzweise zu erkennen, dass der Gast die
Moderatorin nicht ganz ernst nimmt (6.), indem er auch nach einem Nachfragen und
Wiederholen der Frage nicht direkt auf diese eingeht, sondern stattdessen eine sehr
umschreibende Schilderung gibt, wie er die veränderte Situation im Land allgemein
erlebt.
Der Teilbereich Moderationsverhalten in sprachlichen Chaossituationen (4.) nimmt in
der vorliegenden Sendung keinen bedeutenden Stellenwert ein, da dieser bis auf ein
paar unbedeutete Situationen des Durcheinanderredens, die streng genommen eigentlich
nicht als wirkliche Chaossituation zu bezeichnen sind, nicht zum Tragen kommt.
Untersucht in Hinblick auf sprachliche Situationen, in denen der Gast mit seinen
Ausführungen nicht zu einem Ende kommen möchte und die Moderation ein
Unterbrechen dieses in Erwägung zieht, ist anzumerken, dass die Antworten oftmals,
nicht immer ganz der idealen Antwort zur gestellten Fragestellung entsprechen und die
Mimik der Moderatorin dies sehr deutlich verrät. Aufällig ist dies insbesondere im
ersten und letzten Teil der Diskussion. Jedoch kommt es kaum zu Unterbrechungen
ihrerseits, lediglich in einigen Fällen zu einem Nachfragen. Siehe dazu vorheriges
Beispiel.
Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass von den Teilbereichen Ausweichen einer
Frage (2.) und inhaltliches Abschweifen vom Thema (7.) das deutlichste Erkenntnis
gefährdenste Potenzial ausgeht. Die Versuche der Moderatorin in einigen Situationen
nachzufragen (3.) bringt selten den gewünschten Erkenntnisgewinn. Sehr stark
konzentriert sich das Nachfragen in Bezug auf die Gespräche mit Herrn Haasis. Als
problematisch erweist sich jedoch hier, dass der Erfolg, bedingt durch eine
Gästefehlbesetzung, schon von vorneherein sehr stark eingeschränkt ist. Ein
deutlicheres Nachfragen in den Gesprächen mit den anderen Gästen hätte
möglicherweise größere Erfolge hervorbringen können und somit auch den
Erkenntnisgewinn der Gesamtdiskussion fördern. Unter Einbeziehung dieser Aspekte ist
das Analysekriterium mit der Beeinflussungskategorie 3 zu werten.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
95
2.3 Das Ergebnis der Analyse
Aus der Analyse der beiden untersuchten Sendungen ergibt sich die folgende Einteilung
des Grades der Beeinflussung. Wie schon in der Vorstellung der Methode dargestellt,
wird die Wirkung des jeweiligen Kriteriums auf den Erkenntnisgewinn mit einem
Beeinflussungskategorie von 1-3 beschrieben:
1 = nicht/kaum beeinflussend
2 = beeinflussend
3 = stark beeinflussend
Tabelle 1 Übersicht der Analyseergebnisse
Analysekriterien Beeinflussungs-
kategorie
Maybrit Illner
Beeinflussungs-
kategorie
Anne Will
Sendungskonzept 1 1
Gästewahl 1 3
Ergänzende Elemente 2 1
Sitzordnung 1 1
Gesprächsverlauf 3 2-3
Zeitmanagement 2 1-2
Rederecht 1 1
Grad der Verständlichkeit 3 1-2
Gesprächsdynamik 1 2
Sprachliche Interaktion 2 2-3
Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass, während in der Sendung Anne Will als
Hauptbeeinflussungskriterium für den Erkenntnisgewinn die Gästeauswahl bestimmt
werden konnte, in der Sendung Maybrit Illner der Erkenntnis gefährdenste Einfluss von
einer Abweichung im Gesprächsverlauf und einer damit einhergehenden Auswirkung
auf den Grad der Verständlichkeit ausgeht.
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
96
In der Anne Will-Sendung hat das Kriterium der Gästeauswahl ebenfalls einen Einfluss
auf den Gesprächsverlauf, sowie die sprachliche Interaktion. Hier wird deutlich, dass,
auch wenn der Gesprächsverlauf nicht als Hauptbeeinflussungskriterium einzustufen ist,
dieser meist von dem Hauptkriterium beeinflusst wird.
Die Problematiken für die Erreichung eines Erkenntnisgewinns in den beiden
untersuchten Talkshows sind klar erkennbar und ausreichend in der Analyse dargelegt.
2.4 Der Beeinflussungsgrad der Analysekriterien – Bestimmung
potenzieller Gefahrenquellen für den Erkenntnisgewinn
Die Analysen zeigen deutliche Tendenzen bezüglich der einzelnen Kriterien auf. Es soll
versucht werden, anhand der in der Analyse dargelegten Tendenzen, eine Prognose über
den Beeinflussungsgrad der Analysekriterien im Allgemeinen aufzustellen und so
Rückschlüsse auf Gefahrenfaktoren für den Erkenntnisgewinn zu ermöglichen.
Es ist zu erkennen, dass die Kriterien: Sendungskonzept, Sitzordnung, sowie Rederecht
für sich alleine nicht das Potenzial eines erkenntnisgewinnbeeinflussenden und somit
gefährdenden Kriteriums zu entwickeln vermögen.
Einen geringen, aber durchaus zu betrachtenden Einfluss, können die Kriterien
Gesprächsdynamik, ergänzende Elemente und Zeitmanagement ausmachen. Aber auch
diese können für sich alleine kaum das Potenzial entwickeln den Erkenntnisgewinn
vollkommen zu unterbinden, sie wirken aber in Kombination mit stärker beeinflussende
Kriterien auf diese verstärkend.
Für eine erkenntnisreiche Diskussion problematisch, erweisen sich daher der Grad der
Verständlichkeit, die Fehler oder Probleme in Teilbereichen der sprachlichen
Interaktion, die Gästeauswahl, sowie der Gesprächsverlauf. Der Gesprächsverlauf kann
dabei als allein gefährdendes Kriterium auftreten, wie im Fall der untersuchten Maybrit
Illner-Sendung, oder durch ein anderes, als Hauptgefährdung auftretendes Kriterium,
beeinflusst werden (siehe dazu Anne Will). In abgeschwächter Form ist dies auch bei
dem Grad der Verständlichkeit sowie der sprachlichen Interaktion der Fall. Lediglich
die Gästeauswahl tritt als ein alleiniges Kriterium auf, dass zwar andere beeinflussen
kann, nicht aber durch andere Kriterien beeinflusst wird. Wie in der Entwicklung der
Analysekriterien dargelegt, wird das Kriterium der Gästeauswahl schon vor Sendung
entschieden. Somit ist hier schon vor der Sendung festgelegt, ob es ein
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
97
Gefahrenpotenzial für die Diskussion gibt oder nicht und dieses ist auch während der
Sendung schwer zum Positiven zu entwickeln. Wie das Beispiel in der untersuchten
Anne Will-Sendung zeigt, wäre wahrscheinlich in einem solchen Fall der beste Weg die
Fehlbesetzung zu übergehen und weitgehend ohne diese Position die Diskussion mit
den anderen Gästen zu führen, denn die Chancen aus einem fehlbesetzten Gast, einen
passenden Gesprächspartner, noch während der Sendung zu machen, sind sehr gering.
Hinzu kommt, dass Versuche dieser Art meist den weiteren Erkenntnisgewinn
verhindern, wie im vorliegenden Fall ersichtlich und somit das Kriterium sein
Beeinflussungspotenzial nochmals verstärkt.
Im Gegensatz zur Gästeauswahl entwickeln sich die anderen drei Kriterien direkt in der
Diskussion und können so ebenfalls noch dort, während der Sendung, hauptsächlich
seitens der Moderation, aber auch seitens Gäste wieder entschärft werden.
Die Analyse hat versucht den Grad der Beeinflussung zu bestimmen und konnte
deutliche Tendenzen feststellen. Anzumerken ist, dass die Analysekriterien zwar für
sich den Anspruch erheben dürfen, auf Talkshows mit anderen Sendekonzepten
übertragbar zu sein, jedoch ist bei jeder Analyse, gerade in Hinblick auf andere
Sendungen, kritisch zu betrachten, ob diese, möglicher, Erweiterungen bedürfen, um
auch jede Facette der Sendung zu untersuchen. Ebenso sind, aufgrund der Tatsache,
dass nur zwei Sendekonzepte untersucht wurden, bei der Anwendung auf andere
Sendungen, leichte Abweichungen im Beeinflussungsgrad möglich, weil der
Konzeption anderer Sendungskonzepte hier noch nicht umfassend untersucht wurde und
somit keine sichere Beurteilung über diese abgegeben werden kann.
2.5 Die Sendung mit Erkenntnisgewinn
Nach dieser Analyse stellt sich schlussfolgernd die Frage, ob sich eine Sendung finden
lässt, in der ein Erkenntnisgewinn oder mehrere Erkenntnisgewinne möglich sind. Aus
diesem Grund wurde als Gegenbeweis und Ergänzung eine Sendung gesucht, in der eine
weitgehend erkenntnisreiche Behandlung der in der Eingangsfragestellung formulierten
Thematik möglich ist und zudem auch in dieser der Unterhaltungsaspekt deutlich zum
Tragen kommt und somit die im ersten Kapitel aufgeworfene Fragestellung nach einer
Vereinbarkeit von Information und Unterhaltung berücksichtigt wurde. Die gewählte
Sendung kann nicht den Anspruch erheben ein idealtypische Beispiel zu sein, sie zeigt
Die Beeinflussungsfaktoren des Erkenntnisgewinns
98
vielmehr, eine der vielen Möglichkeiten auf, eine erkenntnisreiche Diskussion zu
führen. Gewählt wurde die am 4. November 2010 ausgestrahlte Maybrit Illner-Sendung
zum Thema: Dumm, faul, abgehängt – hat die Jugend im Aufschwung keine Chance.
Mit Hilfe von einer guten, und zudem beispielsweise durch Herrn Rach nicht auf den
ersten Blick erwartbaren, etwas ungewöhnlichen Gästeauswahl, gelingt es hier eine
erkenntnisreiche, wie auch unterhaltsame Sendung zu schaffen. Die Gäste überzeugten
durch klare Positionen, fordern sich gegenseitig heraus und setzen sich kritisch mit den
Argumenten und Ausführungen der anderen Diskussionsteilnehmer auseinander. undo
gehen kritisch mit den Argumenten der anderen ins Gericht. Der nötiger
Unterhaltungseffekt entsteht durch eine sehr rasante Diskussion und eine hohe
Gesprächsdynamik, die wiederum aus einer Erkenntnis suchenden Diskussion
Erkenntnisgewinn erreicht.
Auch die Nebengäste, als ergänzende Element, bringen dem Thema eine sehr
authentische und anschauliche Illustration und sind somit förderlich für eine, auf
Erkenntnisgewinn orientierten Gesprächsverlauf. Im Verlauf der Diskussion ergeben
sich immer wieder sogenannte Chaossituationen, die die Moderatorin jedoch sehr
schnell, mit einer hohen Durchsetzungsfähigkeit wieder in einen regelten
Gesprächsverlauf überführt. So können auch gelegentliche Uneinigkeiten zwischen den
Diskutanten in der Verteilung des Rederechts, keinen störenden Einfluss auf den
Diskussionsverlauf entwickeln. Wie auch schon analysiert, geht von dem Kriterium
Rederecht allein kaum ein erkenntnisgewinngefährdender Einfluss aus.
Durch die Anwendung der für die Arbeit entwickelten Analysemethode wird deutlich,
dass sich hier keine Gefährdung des Erkenntnisgewinns vorliegt.
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
99
3 Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den
Erkenntnisgewinn
Die Analyse hat gezeigt, dass in der Grundstruktur des Sendungskonzeptes eine gute
Basis für eine auf den Erkenntnisgewinn, im Sinne einer Annäherung an die durch die
Eingangsfragestellung formulierte Thematik, vorhanden ist. Doch warum ist der Nicht-
Erkenntnisgewinn dann ein in der Presse, Forschung und beim Zuschauer so häufig
beklagten Missstand? Sind die Gefahrenquellen zu groß, als dass sie nicht bekämpft
werden können? Oder liegen in der Umsetzung der Sendungskonzepte versteckte
Probleme, die den Talkshowmachern die Erstellung einer erkenntnisreichen Sendung
erschweren? Fragen, die berechtigt sind, aber bei genaueren Betrachtungen auch für
Zweifel sorgen, ob der Erkenntnisgewinn, wie ihn der Rezipient, die Kritiker und die
Wissenschaftswelt einfordern, am Ende überhaupt von den Talkshowmachern so
verfolgt wird. Ist es möglich, dass es hier Diskrepanzen zwischen den verwendeten
Maßstäben gibt?
Um nicht nur die Problemfelder für den Erkenntnisgewinn zu lokalisieren, sondern
herauszufinden, warum diese bei Moderatoren und Sendekonzepten in dieser
Massierung vorhanden sind, wurden in einem zweiten Schritt die Talkshowmacher
selbst mit der Thematik der Arbeit, sowie der Frage nach Umsetzbarkeit und Bedeutung
des Erkenntnisgewinns in der Praxis konfrontiert. Wichtig war es, die subjektive Sicht
der Talkshowmacher, die Erfahrungen der Experten aus der Praxis mit einzubeziehen,
um so ein umfassendes Ergebnis in Bezug auf die der Arbeit zugrundeliegende
Fragestellung zu erhalten und um Optimierungsstrategie für zukünftige Sendungen
entwickeln zu können. Mit dieser Öffnung der theoretischen Arbeit, hin zu einer sehr
praxisnahen Überprüfung und Ergänzung, möchte die Magisterarbeit einen Schritt
gehen, der in der wissenschaftlichen Forschung oftmals nicht berücksichtigt wird. Viele
Arbeiten aus dem Bereich der Fernsehforschung, insbesondere auch über Talkformate,
bringen für die Wissenschaft fundierte und theoretisch sehr gut belegbare Ergebnisse,
diese werden aber selten Korrelationsanalysen mit der Praxis unterzogen. Aber um sich
ein umfassendes Bild zu machen, muss auch der Talkshowmacher angehört werden.
Hierzu wurden fünf aktuelle Talkshows ausgewählt, die das momentane Talkshowbild
aufgrund ihrer großen Bedeutung exemplarisch vertreten sollen.
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
100
Die Sendereihen weisen untereinander leichte Unterschiede in Bezug auf das Konzept
auf, jedoch wird an sie seitens der Zuschauer und Kritiker ein ähnlicher Anspruch
gerichtet, sodass die Antworten ein gutes Gesamtbild der aktuellen Talkshowlandschaft
ergeben und gleichzeitig auch in einen gewissen Vergleich zueinander gesetzt werden
können.
Ausgewählt wurden die Sendungen:
Anne Will149 (ARD, sonntags, 21:45 Uhr, 60 Minuten)
Hart aber fair150 (ARD, mittwochs, 21:45 Uhr, 75 Minuten)
Maybrit Illner151 (ZDF, donnerstags, 22:15 Uhr, 60 Minuten)
Menschen bei Maischberger152 (ARD, dienstags, 22:45 Uhr, 75 Minuten)
2plusLeif153 (SWR, Montag 23:00 Uhr, 30 Minuten)
3.1 Der Interviewleitfaden
Für die Analyse der subjektiven Sicht, der Sicht der Talkshowmacher, wurde die
qualitative Datenerhebung in Form eines Interviews mit den Talkshowmachern gewählt.
Um ein vergleichbares Ergebnis zu erhalten, wurde ein Interviewleitfaden entwickelt,
der neben 10 Fragen, auch eine Definition des Erkenntnisgewinns, im Sinne der
Magisterarbeit beinhaltete und diese auch den Befragten zugänglich machte. Für in
ihrem Sendekonzept etwas von den anderen beiden Sendungen abweichenden
Sendungen hart aber fair, Menschen bei Maischberger und 2+Leif wurde der
Fragebogen durch weitere Fragen ergänzt, die sich speziell auf die Abweichungen im
Sendekonzept beziehen und diese in einen Vergleich zu den anderen beiden Sendungen
setzen.
Nach zahlreichen Vorgesprächen mit Moderatoren, Redaktionsleitern und
Pressesprechern wurde bei jeder Sendung individuell entschieden, wer der inhaltlich am
geeigneste Gesprächspartner ist. Die Interviews wurden sowohl persönlich, als auch
schriftlich durchgeführt. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass natürlich bekannt ist,
dass es einen vielfältigen Erkenntnisgewinn über die festgelegte Definition hinaus in
einer Sendung auszumachen gibt, da jedoch dieser nicht der Maßstab für eine gelungene
149 www.annewill.de 150 www.hartaberfair.de 151 www.maybritillner.de 152 www.maischberger.de 153 www.2plusleif.de
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
101
erkenntnisreiche Diskussion im Sinne der Kritiker und Zuschauer ist, wurde um ein
deutliches Ergebnis zu erhalten, bei den Interviews darauf geachtet den Begriff
Erkenntnisgewinn in der, in der in der Magisterarbeit festgelegte und auch in der Kritik
geforderten Definitionsweise, zu verwenden. Nur so konnte festgestellt werden, ob
diese Form des Erkenntnisgewinns in der Praxis als Zielsetzung formuliert wird. Zudem
wurde in den Interviews darum gebeten ehrlich und offen die Zielsetzungen und
Vorgehensweisen der Redaktionen darzustellen, auch falls diese nicht dem Bild des hier
definierten Erkenntnisgewinn entsprächen.
Zielsetzung des Interviews war es folglich zu untersuchen, wie mit der, seitens Kritiker,
Wissenschaft und Zuschauer formulierten Forderung, nach Erkenntnisgewinn, in der
Praxis umgegangen wird. Welche Bedeutung kommt dem Erkenntnisgewinn zu? Ist er
aus Sicht der Talkshowmacher notwendig für eine gelungene Sendung? Oder werden
die Maßstäbe möglicherweise ganz anders gesetzt.
Der entwickelte Interviewleitfaden gliedert sich wie folgt:
1. Beschreiben Sie die Zielsetzung Ihrer Sendung?
2. Wie bewerten Sie die Bedeutung der Eingangsfragestellung, mit der Sie die
Sendung eröffnen – soll diese beantwortet werden oder soll sie nur das Thema
vorstellen?
3. Ist ein Erkenntnisgewinn (Beantwortung der Eingangsfragestellung) in der
Sendung erreichbar oder ist dies der zeitlich begrenzten Sendezeit ein zu
hochgestecktes Ziel?
4. Wie wichtig ist für Sie und die Redaktion ein Erkenntnisgewinn für eine
gelungene Sendung? Wie wird eine gelungene Sendung bei Ihnen bemessen?
5. Gibt es Unterschiede im Anteil der erkenntnisreichen Aussagen bei Politiker-
Gästen und Nicht-Politiker-Gästen?
6. Wo sehen Sie mögliche Gefahren für den Erkenntnisgewinn/Diskussionsziel?
Können Sie dazu Beispiele aus Ihrer Sendung nennen?
7. Welche Faktoren sind wichtig für einen Erkenntnisgewinn? / oder wenn Sie den
Erkenntnisgewinn nicht als Hauptzielsetzung der Sendung beschreiben, welche
Faktoren sind wichtig für eine gelungene Sendung?
8. Nennen Sie ein Beispiel für eine aus Ihrer Sicht sehr gelungene Sendung.
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
102
9. Haben Sie Veränderungen im Sendungskonzept in der Vergangenheit
vorgenommen, um die in der Sendung diskutierte Thematik verständlicher zu
machen und optimaler zu präsentieren? Wenn ja welche?
10. Haben Sie bereits Analysen über den Erkenntnisgewinn anhand Ihrer Sendung
durchführen lassen, oder sind solche für die Zukunft in Planung?
Ergänzt wurde der Fragebogen für die Sendungen: hart aber fair, Menschen bei
Maischberger und 2+Leif wie folgt:
hart aber fair
1. Im Vergleich zu den Sendungen von Anne Will, Maybrit Illner und Co - Sehen
Sie im Konzept von „hart aber fair“ Vor- bzw. Nachteile für die Erreichung des
Erkenntnisgewinns?
2. Wo sehen Sie Vor- und Nachteile bei ihrer Sitzordnung (der Gäste und ihrer
Position als stehender Moderator) für den Inhalt der Diskussion und die
Erreichung eines möglichen Erkenntnisgewinns gegenüber einer Sitzordnung
wie bei Anne Will und Co?
Menschen bei Maischberger
1. Sie haben in den letzten Jahren das Themenspektrum ausgeweitet und
berücksichtigen neben den rein politischen Themen auch Themen mit einem
mehr gesellschaftlicheren Ansatz. Warum?
2. Im Vergleich zu den Sendungen von Anne Will und Maybrit Illner - Sehen Sie
im Konzept von Menschen bei Maischberger Vor- bzw. Nachteile für die
Erreichung des Erkenntnisgewinns?
2+Leif
1. Im Vergleich zu Talkshowformaten wie Anne Will, Maybrit Illner und Co,
sehen Sie in Ihrer Sendung Faktoren, die es leichter machen einen
Erkenntnisgewinn zu erzielen?
2. Gibt es Faktoren, die im Sendungskonzept mit mehr als zwei Talkgästen leichter
zu umzusetzen sind? Um was beneiden sie Talkshows wie Anne Will und Co?
3. Kleinere Runden versus größere Runden – ein Faktor für einen besseren
Erkenntnisgewinn? Wo ist Gefährdungspotenzial größer?
Die vollständigen Fragebögen und Antworten der jeweiligen Talkshowmacher sind im
Anhang beigefügt.
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
103
Die Untersuchung der vorliegenden Arbeit hat deutlich gemacht, welche Faktoren in
welchem Ausmaß einen Einfluss auf den Erkenntnisgewinn, im Sinne der hier zugrunde
gelegten Definition ausüben. Wirft man einen ersten Blick auf die Selbstdarstellung der
Talkshowmacher und ihrer Sendungen, so scheint dieser Anspruch an einen
Erkenntnisgewinn durchaus eine wichtige Zielsetzung jener selbst darzustellen und
somit auch eine gelungene Sendung auszeichnen. So beantwortete Anne Will in einem
epd-Interview, im Jahr 2007, die Frage, was eine politische Talkshow aus ihrer Sicht für
den Zuschauer leisten sollte und könne, mit den Worten: „Mein Anspruch ist, dass sie
Erkenntnisgewinn bringt. Der Zuschauer soll nachher mehr wissen als vorher. […] Der
Zuschauer sieht, wie die Gäste aufeinander reagieren, und sieht und hört nicht nur, was
sie sagen, sondern auch, wie sie es sagen.“154 Nun ist hier die genaue Definition von
Erkenntnisgewinn nicht klar umrissen, jedoch ist die Richtung erkennbar, dass hier sehr
wahrscheinlich eine deutlich auf die Thematik bezogene Erkenntnis gemeint wird. Dies
wird auch an ihrem Anspruch an sich selbst deutlich, erkenntnisreiche Antworten auf
ihre Fragen zu erhalten: „Hartnäckigkeit ist etwas, das ich mir abverlange. Ich will mich
nicht zufriedengeben mit einer halbseidenen Antwort oder gar keiner“155. Und auch in
einem Interview vom 19. Oktober 2007 betont sie die große Bedeutung des
Erkenntnisgewinns: „Ich bemühe mich aber nicht um einen Skandal. Das ist nicht mein
Ansatz. Nein, ich möchte, dass die Sendung einen Erkenntnisgewinn bringt. Dazu muss
sie nicht mit einem großen Knall enden.“156
Auch 2+Leif-Moderator Thomas Leif formuliert auf der Sendungshomepage den
Anspruch seiner Sendung sehr stark in Richtung Erreichung eines Erkenntnisgewinns:
„Die Informationsziele für die Sendung sind eng gesteckt. Wir wollen die Hintergründe
und Konfliktkulisse wichtiger Entscheidungen aufhellen, sodass die Zuschauer nach 30
Minuten einen Mehrwert an Wissen haben.“157
Die Aussagen der Talkshowmacher belegen scheinbar die Forderungen in Kritiken, von
Zuschauern und in einigen wissenschaftlichen Untersuchungen. Trotzdem wird nach
wie vor bemängelt, dass diese schon längst nicht mehr erfüllt werden. Ein Umstand, der
154 Einzigartiges Fernsehformat. Ein epd-Interview mit ARD-Moderatorin Anne Will (2007) 155 Einzigartiges Fernsehformat. Ein epd-Interview mit ARD-Moderatorin Anne Will (2007) 156 Overkott, Jürgen (19.10.2007) 157 http://www.swr.de/2plusleif/thomasleif/-/id=4252394/nid=4252394/did=4330342/1jqeyo3/index.html
(überprüft 27.11.2010)
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
104
als ein Wandel in der Medienlandschaft akzeptiert werden könnte, jedoch zeigen die
wöchentlichen Kritiken, dass dieser immer noch als Missstand beklagt wird.
Warum gelingt der Erkenntnisgewinn in nur weniger Sendungen? Warum geschieht in
vielen Talksendungen oftmals das, das Günther Jauch in einem Interview mit der Zeit
2009 wie folgt formulierte: „Ich sitze oft vor dem Fernseher und denke: So, jetzt hat sie
oder er den Politiker! Der Ball liegt vor dem leeren Tor, man muss ihn nur noch
reinschieben. Aber was passiert? Die Kollegen stoppen den Ball und laufen mit ihm in
die andere Richtung.“158
3.2 Die Ergebnisse
Erkenntnisgewinn, wie er in der vorliegenden Arbeit untersucht wurde und oftmals als
Mangel in den Talkshows beklagt wurde, legt sein Hauptaugenmerk auf eine
Annäherung und erkenntnisreiche Behandlung der Eingangsfragestellung und der im
Sendetitel formulierten Thematik. Deckt sich dieser Anspruch mit der Zielsetzung der
Talkshowmacher sowie der Bedeutung der Eingangsfragestellung?
Die Zielsetzung einer Sendung bildet das wichtigste Fundament für die Diskussion und
legt zugleich auch eine Richtung fest, das heißt konkret, mögliche, zu erreichende
Zielsetzungen werden formuliert. Aus den Gesprächen mit den Talkshowmachern wird
deutlich, dass sich hier Tendenzen erkennbar sind, die für eine
erkenntnisgewinnorientierte Zielformulierung sprechen. So beschreibt 2+Leif-
Moderator Thomas Leif, dass er mit seiner Sendung „ein aktuelles Thema aus Politik
und Gesellschaft kontrovers mit zwei führenden Politikern oder anderen relevanten
Akteuren lösungsorientiert [.] debattieren“159 wolle, während die Talkshowmacher von
Anne Will Woche für Woche das Ziel verfolgen, „aktuelle gesellschaftspolitische
Debatten aufnehmen, spiegeln und kontrovers diskutieren“160 zu lassen. Georg
Diedenhofen, Redaktionsleiter, der Sendung hart aber fair führt seinen Anspruch an die
Sendung etwas detaillierter aus: „Eine Sendung, die wir machen, soll auch immer
spannend sein und unsere eigene Vorgabe erfüllen, die sich im Slogan Wenn Politik auf
Wirklichkeit trifft ausdrückt. Wir versuchen, durch die Einführung von Fakten oder
158158 Winterbauer, Stefan (11.06.2010): Günther Jauch ein Wechsel mit Risiken 159 Interview 2+Leif 160 Interview Anne Will
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
105
überraschenden Ansichten und Aspekte die diskutierenden Politiker aus gewohnten
Argumentationsmustern zu locken und im Idealfall so zu Aussagen zu bringen, die
weniger formelhaft sind und die authentischer sind.“161 Und auch die Redaktion von
Maybrit Illner formuliert Ziele, die bei genauer Betrachtung einen Erkenntnisgewinn
erzeugen können. So kann eine Sendung „das Thema neu beleuchten, neue Argumente
vielleicht pro und contra kennengelernt zu haben und dann für sich selber zu sagen, ja
okey ich fand die Argumente der pro Seite für mich entscheidender oder der Gegenseite
entscheidender, dass jeder der Zuschauer für sich dann am Ende vielleicht die Meinung,
die er schon hat, bestätigt findet oder die Frage, die er noch nie gehört hat
[…].“162Menschen bei Maischberger-Redaktionsleiter Theo Lange sieht aufgrund des
etwas mehr auf gesellschaftspolitische Themen, fokussierteren Sendekonzeptes die
Zielsetzung seiner Sendung etwas offener: „Menschen bei Maischberger definiert sich
als thematisches Talkformat mit einem gesellschaftspolitischen Schwerpunkt. Menschen
bei Maischberger hat sowohl Diskussionselemente mit einem möglichst konträren
Meinungsaustausch – das obliegt den Gästen – wie auch biographische Strecken.“163
In den Interviews wurde deutlich, dass neben der Sendung 2+Leif, auch die „hart aber
fair“-Talkshowmacher ihre Sendung deutlicher mit einer Erkenntnisgewinn-Zielsetzung
in Verbindung bringen. Anzumerken ist hierbei, dass die Sendung 2+Leif aufgrund
ihres etwas abweichenden Konzeptes, der Reduzierung auf zwei Gäste und der somit
auch für den Moderator sehr zugespitzten und konfrontativen Form der
Gesprächsführung, einer erkenntnisorientierte Diskussion zugute kommt. Der Vorteil
im Vergleich zu größeren Runden läge, so Thomas Leif, in der Konzentration auf zwei
Gäste und klare Themenschwerpunkte. „Allein durch diese konzeptionelle Reduktion
sind Unterschiede feststellbar. Bei uns gibt es einen eingebauten Zwang am Thema zu
bleiben. Wir bemühen uns die unverbindliche Sprunghaftigkeit in Grenzen zu
halten.“164 Doch er schreibt auch einer größeren Runde durchaus das Potenzial zu, eine
erkenntnisreiche Diskussion zu führen: „Meines Erachtens kommt es auch hier auf das
jeweilige Thema und die Sendezeit an: wenn sie sehr gute, aussagewillige und
qualifizierte Gäste haben, die zur argumentativen Kontroverse fähig sind und die
161 Interview hart aber fair 162 Interview Maybrit Illner (Sabine Orner) 163 Interview Menschen bei Maischberger 164 Interview 2+Leif
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
106
Moderatoren eine klare Linienführung haben, kann auch eine grössere Runde
funktionieren.“165
Die Talkshow hart aber fair ist, als eine größere Runde zu bezeichnen. Die Redaktion
beschreibt den Erkenntnisgewinn als einen wichtigen Anspruch an die Sendung:
„Erkenntnisgewinn ist ein wesentliches Ziel der Sendung. Wir wollen unsere Gäste und
unsere Zuschauer mit neuen Aspekten und besonderen Informationen zum Thema
überraschen. […] Eine Sendung ist in unseren Augen dann gelungen, wenn unsere
Gäste Unerwartetes sagen, von unseren Recherchen überrascht werden und dann von
ihren vorgefassten Statements abweichen.“166 Aber auch in dieser Sendung findet, wie
schon im Kriterium „Sitzordnung“ ansatzweise beschreiben, ein etwas, zu den
Sendungen Maybrit Illner und Anne Will, abweichendes Sendungskonzept Anwendung.
Aufgrund der, sowohl im Konzept, als auch insbesondere in der Sitzordnung,
abweichenden Sendungsmerkmalen der Formate 2+Leif sowie hart aber fair, stellt sich
die Frage, ob ein Erkenntnisgewinn bedingt durch die anderen Merkmale leichter
erreicht werden kann.
Im Interview wurde deutlich, dass in diesem seitens der Redaktionen deutlich Vorteile
gesehen werden das Thema zugespitzter, als andere Sendungen zu diskutieren.
Hinzuzufügen ist, dass es sich hierbei um eine reine Selbstbeschreibung der
Redaktionen handelt. Ob eine erkenntnisreichere Diskussion möglich ist, wäre in einem
direkten Vergleich der einzelnen Talkshows zu analysieren.
Trotz der, auf den ersten Blick scheinbaren Umsetzbarkeit einer auf einen
Erkenntnisgewinn als Zielsetzung ausgerichteten Diskussion, kann in der Realität aus
Sicht der Redaktionen die Eingangsfragestellung kaum den Anspruch erheben,
beantwortet zu werden. Grundsätzlich eröffnet die Eingangsfragestellung die Sendung
und ist „[…] wichtig, weil sich oft schon an dieser Stelle Gesprächsatmosphäre,
Debattenschärfe oder Tonalität der Sendung entscheiden“167, so Theo Lange, aber die
Bedeutung für die Gesamtsendung ist umstritten. Die Sendung hart aber fair versucht
dieser Fragestellung zwar in der Sendung einen wichtigen Stellenwert einzuräumen,
165 Interview 2+Leif 166 Interview hart aber fair 167 Interview Menschen bei Maischberger
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
107
jedoch macht Redaktionsleiter Georg Diedenhofen auch die damit verbundene
Problematik deutlich:
„Die Eingangsfragestellung ist eine Beschreibung des Themas. In der Strukturierung der
Sendung achten wird darauf, dass für die Diskussion der Fragestellung genug Zeit bleibt
und dass diese Diskussion an prominenter Stelle in der Sendung geführt wird. Wie
bemühen uns in jeder Sendung, die durch die Fragestellung beim Zuschauer erzeugte
Erwartungshaltung nicht zu enttäuschen. Aber dies bleibt ein Anspruch, den wir in einer
Livesendung mal besser und mal schlechter gerecht werden. Denn erstens gibt es keine
Garantie dafür, dass es auf jede wichtige politische oder gesellschaftliche Frage auch eine
überzeugende Antwort gibt. Außerdem: wer beurteilt, ob eine Frage beantwortet ist? […]
Aus der Verhaltenspsychologie und der Medienwirkungsforschung ist das Phänomen der
selektiven Wahrnehmung bekannt – wie ein Inhalt unserer Sendung vom Zuschauer
wahrgenommen wird, hängt demnach immer auch mit dessen Einstellungsmustern und
Weltanschauungen zusammen. Dieser Vorgang ist von uns damit nicht steuerbar“168
Sabine Orner von der Redaktion Maybrit Illner wird etwas deutlicher: „Beantworten
können wir uns nicht auf die Fahne schreiben, glaub ich in dem harten Sinne, dass es
am Ende wirklich dieses [.] Urteil gibt nach dem Motto, brauchen wir noch private
Krankenversicherungen ja oder nein.“169 Die Anne Will-Redaktion formuliert es noch
zugespitzter: „Eine abschließende Beantwortung der Titel-Frage mit Ja oder Nein ist
nicht Sendungs-Ziel. Das wäre naiv und vermessen zugleich.“ Sie soll vielmehr „[…]
das Thema kurz und zugespitzt vorstellen“170. Für Thomas Leif soll sie „nach
Möglichkeit mitten ins Thema führen und die Chance ermöglichen, den Problemkern zu
definieren, die Polarität von Meinungen zu erfassen und den Konfliktrahmen zu
definieren. Wir arbeiten zusätzlich sofort nach dem Indikativ mit einem zugespitzten
Themen-Einspieler, der das Thema auf den Punkt bringt.“171 Ein Element, das auch
häufig in den anderen Talkshows benutzt wird. Die Aussagen machen jedoch deutlich,
dass auch ohne die Zielsetzung die Eingangsfragestellung komplett beantworten zu
können, ein Erkenntnisgewinn nicht zwangsläufig ausgeschlossen ist.
Aber ist ein Erkenntnisgewinn in einer solchen Sendungsform überhaupt möglich, oder
ist dieser ein zu nicht umsetzbarer Anspruch? Eine schwierige Frage, wie die Interviews
gezeigte haben und die sich, wie 2+Leif Moderator Thomas Leif es formuliert, nicht
168 Interview hart aber fair 169 Interview Maybrit Illner 170 Interview Anne Will 171 Interview 2+Leif
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
108
pauschal beantworten ließe. Während Thomas Leif insbesondere die Befindlichkeit der
Gäste, sowie deren Herangehensweise an die Sendung – „Lassen sie sich auf die
Fragestellung ein – oder ziehen sie ihre Agenda durch? als entscheidendes Kriterium für
ein mögliches Erreichen eines Erkenntnisgewinns sieht, formuliert Anne Will-
Pressesprecherin Nina Tesenfitz die Zielvorstellung eher vorsichtiger: „Mit der Sendung
soll der Zuschauer ein Angebot bekommen, sich zu aktuellen Debatten eine Meinung zu
bilden, eine bereits vorhandene Meinung abzugleichen – und gegebenenfalls zu
überdenken“.
„Menschen bei Maischberger will Positionen deutlich machen, ohne diese abschließend zu
beurteilen. Diese Aufgabe obliegt, wie bei jeder konträren TV-Debatte, dem Zuschauer.
Wenn Erkenntnisgewinn allerdings auch bedeutet, über eine Lebensgeschichte Einblick in
eine gesellschaftliche Schicht oder Gruppe (Stichwort Hartz IV), zu bekommen, oder
Problemlösungen kennenzulernen (Stichwort: Therapiemöglichkeiten bei Krankheiten),
dann kann mal vielleicht von einem Erkenntnisgewinn sprechen“172,
so Redaktionsleiter Theo Lange. Aber auch die Talkshowmacher von hart aber fair
wollen sich nicht klar festlegen und nennen ein Beispiel:
„Das hängt davon ab, wie komplex eine Fragestellung ist. Sind die Hartz IV-Gestze gerecht
oder ungerecht? Das ist eine sehr umfassende Problematik, die schlecht in 75 Minuten
umfassend dargestellt werden kann. Sind die Regeln für den Zuverdienst von Hartz IV-
Empfängern gerecht und praxisnah? Diese Frage ist möglicherweise so überschaubar und
umfassend darstellbar, dass man sie in 75 Minuten so umfassend diskutieren kann, dass am
Ende jeder Zuschauer genügend Meinungen und Informationen zu diesem Thema
bekommen hat, um nun entscheiden zu können.“173
Um überhaupt die Chance zu haben einen Erkenntnisgewinn zu erreichen sei es, wie
Georg Diedenhofen betont, notwendig diesen bereits bei der Planung der
Gesprächsstruktur im Hinterkopf zu haben: „Wichtig ist es, den Aufbau und die Unter-
Themen-Abfolge in der Sendung so zu planen, dass sich ein logischer und
nachvollziehbarer Ablauf ergibt, und dass am Ende genug Zeit bleibt, nicht nur bei der
Problembeschreibung zu verharren, sondern auch Vorschläge zur Problemlösung zu
diskutieren.“174
172 Interview Menschen bei Maischberger 173 Interview hart aber fair 174 Interview hart aber fair
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
109
Ein Erkenntnisgewinn kann also, nicht nur nicht garantiert werden, sondern ist zudem
vielseitigen Gefahrenquellen ausgeliefert, die seine Entwicklung behindern können.
Maybrit Illner –Redaktionsleiter Wolfgang Klein bezeichnet den Erkenntnisgewinn
sogar als einen eher ungeeigneten Anspruch an eine Talkshow:
„Also es gibt jedenfalls viele journalistische Mittel, die deutlich besser geeignet sind eine
gestellte Frage in einer gegebenen Zeit zu beantworten als eine Talkshow. Weil eine
Talkshow halt von den Menschen lebt, die dort miteinander umgehen. […] Aber bei uns
wird im freien Spiel dieser Diskussionskräfte halt schon nen Menge Raum gegeben und
dann zu erwarten, dass die am Ende da landen, wo sie dann denken, dass was, dass ne
Antwort kommen könnte das ist etwa so wahrscheinlich, als dass sie bei einer Hochzeit
wissen, wie ihre Ehe verläuft. […] Wenn es ihnen darum geht, wie viel Informationen
werden in, oder wie krieg ich als Mensch, als zuschauender Mensch, als Rezipient, wie
krieg ich am Besten bestimmte Informationen, würde ich nie und nimmer eine Talkshow
gucken. […] Wenn sie für sich ne Frage haben und wollen auf die Frage ne Antwort, wäre
es total bekloppt dazu ne Talkshow zu gucken oder zu machen.“175
Ist ein Erkenntnisgewinn also nicht die Zielsetzung einer politischen Talkshow, sondern
vielmehr nur eine nicht zu erfüllende und insbesondere auch nicht angestrebte
Forderung der Kritiker, Wissenschaftler und so manchen Zuschauers?
Aus den Interviews wird sehr schnell deutlich, dass hinter der oberflächlichen
Zielsetzung in den Medien bei den Talkshowmachern die Schwerpunkte deutlich anders
gesetzt sind. Erkenntnisgewinn sei, für die die Sendung Menschen bei Maischberger
keine entscheidende Kategorie für die Bemessung einer gelungenen Sendung176.
„Entscheidender sind Parameter wie eine lebhafte Diskussion, die richtige thematische
Gewichtung und natürlich als quantitatives Kriterium – die Zuschauerresonanz.“177 Und
auch Thomas Leif sieht Erkenntnisgewinn nicht als oberste Zielsetzung: „[.]
Erkenntnisgewinn ist nicht das zentrale Ziel von Programmverantwortlichen. Nach dem
Tatort wollen viele eher Infotainment, Emotion, das „Gefühl, gut informiert zu sein“
etc.“178
Es scheint, als sei der Anspruch auf Erkenntnisgewinn ein zu hochgestecktes und auch
seitens der Macher nicht explizit verfolgtes Ziel. Wenn es zu einem Erkenntnisgewinn
175 Interview Maybrit Illner 176 Vgl.: Interview Menschen bei Maischberger 177 Interview Menschen bei Maischberger 178 Interview 2+Leif
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
110
kommt, dann wird dies scheinbar fast als ein netter Nebeneffekt aufgefasst. Sabine
Orner, Redaktion Maybrit Illner merkt an: „[…] manchmal hat man auch tatsächlich die
Erkenntnis, dass eine Frage beantwortet wird, wenn sie Glück haben, […] es gab
sicherlich auch schon Sendungen wo wir den Titel auch erfüllen oder in dem Sinne ihrer
Fragestellung auch tatsächlich es geschafft haben die Erkenntnis […] an dem Titel
auszurichten.“179
Hat eine Talkshow also eher durch Zufall einen Erkenntnisgewinn, der seitens der
Macher nicht vorgesehen ist? Dem widersprechen die Redaktionen deutlich. Eine
Bedienung der, in der Arbeit formulierten Definition könnten, und wollten sie nur in
dieser Form nicht leisten, so Sabine Orner von der Redaktion Maybrit Illner: „[.] sie
beschränken die Erkenntnis ja sehr ein und wenn sie dann sagen die Sendung hat dann
keine Erkenntnis nur, weil Wolfgang sagt, dass es in andern Medien anders geht, würde
ich sagen nein das hat schon eine Erkenntnis, aber das widerspricht dann vielleicht ihrer
exakten Definition von Erkenntnis.“180 Jedoch weisen die Talkshowmacher deutlich
darauf hin, dass sie dennoch Erkenntnisgewinn in ihren Sendungen erreichen können,
nur ist dieser viel weiter zu fassen, als in der dieser Arbeit zugrundeliegenden
Definition und in der Öffentlichkeit geforderten Form.
Sabine Orner aus der Redaktion Maybrit Illner erklärt: „[.] es ist ganz viel
Erkenntnisgewinn erreichbar. [.] Zum Beispiel wer streitet sich da eigentlich
miteinander oder die Erkenntnis wie sieht denn zum Beispiel [.] ein Herr Guttenberg in
echt aus. […] Aber das ist doch auch eine Erkenntnis, wenn man als Bürger spürt, dem
Politiker fällt verdammt noch mal nichts anderen ein, als dass das er schon fünfmal [.]
gesagt hat. Das ist doch auch eine Erkenntnis.“181 Und Redaktionsleiter Wolfgang Klein
fügt hinzu:
„Natürlich ist es vielleicht für seine Politik nicht so wahnsinnig relevant, [.] ob Herr
Seehofer fünf Katzen hat. Für den Wähler kann das aber durchaus [.] ne relevante
Information sein, ob Herr Seehofer Haustiere hat. […] Das heißt also auch Informationen,
die zunächst einmal auf den ersten Blick nichts mit der von ihnen angesprochenen
Sachfrage oder Thematik zu tun haben, können ja trotzdem für den Zuschauer ne releva nte
Geschichte sein. Also ich denk, dass Talkshows, deshalb hatte ich vorhin gesagt, wenn sie
179 Interview Maybrit Illner 180 Interview Maybrit Illner 181 Interview Maybrit Illner
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
111
Informationen suchen gucken sie keine Talk… also wenn sie die auf eine konkrete Frage
konkrete Informationen suchen ist Talkshow ein sehr umständlicher Weg. Wenn sie aber
als […] Bürger ne Antwort auf die Frage für sich suchen , zu wem hab ich Vertrauen, wem
würde ich meine Stimme geben, wessen Argumente überzeugen mich mehr als [.] anderen,
dann ist Talkshow ne prima Form.“182
Auch die Anne Will-Redaktion verfolgt einen ähnlichen Ansatz: „Erkenntnisgewinn
nach der von ihnen für ihre Arbeit vorgenommenen Definition spielt keine große Rolle
bei der Bewertung“183 seitens der Redaktion für eine gelungene Sendung. Jedoch hat
durchaus „der eine oder andere Zuschauer im Idealfall natürlich etwas erfahren, das er
vorher noch nicht wusste. Das kann sich auf Inhalte und Argumente beziehen, aber auch
auf die Haltung einzelner Gäste:“184
Thomas Leif hat für seine Sendung einen Anspruch, der sich etwas näher an der
Erkenntsnisgewinn-Definition der Magisterarbeit orientiert. Als Bewertungskriterien für
eine gelungene Sendung bezeichnet er: „Erkenntnisgewinn, im Sinne von
Wissensvermittelung, Vertiefung der Argumente, Einschätzung der Gäste-Charaktere,
aber auch eine lebendige, nachvollziehbare, strukturierte Debatte.“185
Ein sehr viel breiter Ansatz bezüglich des Erkenntnisgewinns wird deutlich. Zugespitzt
ist festzustellen, dass dieser Ansatz möglicherweise Erkenntnisse vielerlei Art für den
Zuschauer liefern kann, jedoch sind diese nicht zwangläufig und oftmals nicht
Erkenntnisgewinne in Bezug auf die Thematik der Sendung und können insofern auch
nicht die Forderungen der Kritiker befriedigen.
Doch warum fassen die Talkshowmacher teilweise den Begriff so weit? Ist es die Angst
den Erwartungen nicht gerecht werden zu können und somit der Versuch diese gar nicht
erst als Zielsetzung zu sehen? Oder treffen vielmehr völlig unterschiedliche
Erwartungshaltungen seitens der Kritiker, Wissenschaftler und Zuschauer auf der einen
und den Talkshowmachern auf der anderen Seite aufeinander. Zwei Welten, die die
Möglichkeiten und Maßstäbe des anderen nicht wirklich kennen und somit Bilder
produzieren, die nicht erfüllbar sind?
182 Interview Maybrit Illner 183 Interview Anne Will 184 Interview Anne Will 185 Interview 2+Leif
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
112
Wolfgang Klein, Redaktionsleiter der Sendung Maybrit Illner sieht im zweiten Punkt
eine oftmals verdrängte Problematik:
„[…] ich finde, dass [.] vieles was wir da machen in der wissenschaftlichen Elle kaum zu
messen ist. Deshalb wird sich ja auch immer so stark auf diese Quoten berufen, weil es das
Einzige ist, was du messen kannst, Aber es ist auch kein wörtlich qualitativer Maßstab […].
[…] Wir haben die Sendung entwickelt in der Hoffnung, dass wir spannende Gäste haben,
spannende Kontroversen, dass man emotional wie intellektuell Anregungen erfährt, dass
man hinterher etwas hat wo man sich mit anderen Leuten vielleicht auch unterhalten kann,
also nach ner schönen Talkshow kann es doch sein und erlebt man auch oft das die Leute
das in irgendeiner Form auch weiterdiskutieren. Dieses alles sind Effekte die so eine
Sendung haben kann, nur die sind mit dem Erkenntnisgewinn wirklich extrem schwer
verbindbar. Ja sie [.] legen da eine Maßstab an, der einfach schlecht zu der Sendung passt.
Das ist ihr gutes Recht. […] Da kann ich wirklich sagen du merkst es schon bei den
Journalistenkollegen. Die Schreibenden sind ja ohnehin der Ansicht, dass sie alles erstens
besser wissen und zweitens die richtigen Fragen stellen würden, und dass der, der in so ner
Sendung sitzt, einfach zu blöd ist und nicht genug Ahnung hat. Das ist schon mal eine [.]
Unterscheidung, die sie im Prinzip zwischen Fernsehmenschen und schreibenden
Journalisten im Großen und Ganzen als Klischee erleben. Aber auch innerhalb […] einer
Fernsehanstalt, innerhalb des Fernsehjournalismus ist Talkshow eine ganz spezielle Sparte,
von der die Meisten ehrlich gestanden relativ wenig Ahnung haben, weil sie sich damit
einfach nicht beschäftig haben. Ja, und die Wissenschaftler mit Verlaub, haben fast alle null
Ahnung. Haben aber unheimlich klare Vorstellungen, wie das sein sollte.“186
Die Problematik, die sich sehr deutlich herauskristallisiert, sind zwei völlig
unterschiedliche Erwartungshaltungen seitens Kritiker und Talkshowmachern. Es steht
der Wissenschaft, den Zuschauern, als auch den Kritikern zu, Erkenntnisgewinn zu
fordern, solange es das Genre in der Öffentlichkeit verspricht. Bei genauer Betrachtung
wird deutlich, dass mit der alleinigen Forderung nach Erkenntnisgewinn für das
Gelingen einer Sendung hier sehr wahrscheinlich wirklich ein unpassender Maßstab für
das Genre angelegt wird. Festzustellen ist, es prallen mit den an die Talkshow
gerichteten Ansprüchen, sowie den wirklichen Zielsetzungen der Talkshowmacher zwei
Welten aufeinander, die kaum einen gemeinsamen Nenner finden werden, weil sie zwar
meinen genug voneinander zu wissen, jedoch den anderen nur nach ihren eigenen
Maßstäben beurteilen und sich somit beide völlig fremd sind.
186 Interview Maybrit Illner.
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
113
Zurück zu den Talkshowmachern stellt sich abschließend noch die Frage, welche
Faktoren einen Erfolg der Sendung verhindert können und somit als Gefahren zu
definieren sind. Die Magisterarbeit hat im vorherigen Teil versucht Gefahren zu
lokalisieren, die ein Gelingen einer Sendung in Bezug auf Erreichung eines
Erkenntnisgewinns behindern können. Beziehen sich die Gefahrenfaktoren der
Talkshowmacher ebenfalls auf Erkenntnisgewinn beeinflussende Elemente oder gibt es
aufgrund der, wie schon beschrieben, vom reinem Erkenntnisgewinn abweichenden
Zielsetzung, darüber hinaus andere Gefahrenquellen?
An den Aussagen der Talkshowmacher wird deutlich, welchen Stellenwert, das als
Gefahr den Erkenntnisgewinn bestimmten Analysekriterien Gästewahl hat. Zudem lässt
sich deutlich erkennen, dass die im ersten Teil der Magisterarbeit beschriebenen
Problematiken der Selbstdarstellung und politischen Werbung, auch Gefahrenpotenziale
für das Gelingen der Sendung bergen: „Politische Talk-Sendungen leben und sterben
mit der Qualität der Besetzung und der jeweils gefühlten Aktualität. […] Wenn ein
Politiker seine Agenda verfolgt, sich nicht auf neue Pfade einlässt, das Programm
kontrolliert durchspielt oder sogar überfordert ist, können sie alle Informationsziele
vergessen. Erkenntnisgewinn ist nur möglich, wenn die Akteure zuvor jeweils zu einer
Erkenntnis gekommen sind.“187 Hinzu kommt, dass alle Gäste der Debatte gewachsen
sein müssen188, „damit das Thema ausgewogen diskutiert werden kann.“189 Aber nicht
jeder Aspekt eines Themas ist für eine Talkshow geeignet:
„Generell stößt das Format Talk an seine Grenzen, wenn es um die Darstellung partei - oder
organisationsinterner Konflikte geht. Solche Konflikte werden in der Regel „hinter
verschlossenen Türen“ ausgetragen und nicht auf offener Bühne. Deshalb gelingt es in der
Regel nicht, zwei widerstreitende Mitglieder einer Partei oder einer Organisation zum
offenen Schlagabtausch in die Sendung zu laden. Auch wenn man Parteipolitiker mit „unter
zwei“ gegebenen Zitaten kritischen Inhalts an ihrer Person konfrontiert, verweigern sich die
Politiker und streiten den Wahrheitsgehalt solcher Zitate ab. Auch gibt es das Verha lten
von Gästen, Tatsachen oder Teilaspekte schlicht zu leugnen oder verzerrt darzulegen.“ 190
Doch auch andere, Gefahren können das Gelingen einer Sendung verhindern und
werden sogar seitens der Talkshowmacher als elementarer für den
187 Interview 2+Leif 188 Vgl.: Interview Anne Will 189 Interview Anne Will 190 Interview hart aber fair
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
114
Sendungserfolg, als ein möglicher Erkenntnisgewinn eingestuft: „Was ich
schlimm finde, das Schlimmste was passieren kann ist, wenn sie langweilig ist.
Und das find ich schlimmer, als wenn man am Ende der Sendung sagt, die Frage
ist nicht beantwortet worden oder es gab da bestimmte Faktoren, […] wo sich die
nicht einig waren und jetzt weiß der arme Zuschauer nicht, ob er dem einen oder
dem anderen glauben soll.“191
Der letzte Aspekt betont, wie wichtig, die in der Forschung sehr kontrovers diskutierte
Frage nach der Vereinbarkeit von Information und Unterhaltung für die Talkshow ist.
Maybrit Illner-Redaktionsleiter Wolfgang Klein schildert die Problematik, benennt die
Unterhaltung als ein unverzichtbarer Baustein einer gelungenen Sendung und hebt
gerade die Vereinbarkeit von Unterhaltung und Information als wichtiges Element des
Genres Talkshow hervor:
„ Ich find es toll wenn [.] die Gäste ihre verschiedenen Standpunkt kontrovers austragen,
sodass der Zuschauer sich eine eigene Meinung bilden kann, sowohl zu den Menschen, die
da miteinander diskutieren, als auch zu dem Thema. Wenn es gelungene Beispiele gibt, mit
denen man sich emotional oder intellektuell [.] auseinandersetzen kann. Und, [.] wenn es
unterhaltsam ist. Ich […] finde immer einen sehr interessanten Begriff in diesem
Zusammenhang das Wort Unterhaltung weil [.] jeder vernünftige Mensch wird, wenn er ein
schönes Gespräch hat, vielleicht das so ausdrücken: Wir hatten eine prima Unterhaltung,
ich hab ne prima Unterhaltung gehabt, daraus resultiert dann auch, ich habe mich prima
unterhalten. Sobald es aber […] dieses Wort in die Finger von Medienwissenschaftlern
kommt, hat es sofort einen negativen Touch, ja ist Unterhaltung ist immer schon irgendwie
uuuuhhää. Ja, und dann fragen die Studenten in solchen Seminaren mit todernstem Gesicht:
Sind sie Information oder sind sie Unterhaltung? Und ich sag dann halt schrecklich gern
erstens, dass ich mich wirklich viel, viel lieber unterhalte, als dass ich mich informiere. Und
dass ich eine gelungene Unterhaltung für etwas ganz Tolles halte. Und das wir natürlich
genau in dieser Mischform liegen. […] durch ne gute Unterhaltung kann ich unheimlich
viele Informationen oder auch tolle Erkenntnisse kriegen. Die kriege ich dann aber im
Zweifel sogar selber, diese Erkenntnisse. Also ich […] konsumiere nicht nur die
Erkenntnisse, die andere hatten, sondern ich kann plötzlich eigene Erkenntnisse haben. Nur
dann setzten wir etwas in Gang […], wo wir nur vermuten können, dass es uns gelungen
sein könnte.“192
191 Interview Maybrit Illner 192 Interview Maybrit Illner
Die subjektive Sichtweise - Talkshowmacher über den Erkenntnisgewinn
115
Thomas Leif ergänzt mit seiner Aussage über den Wunsch des Zuschauers, nach
dem Tatort statt reinem Erkenntnisgewinn, eher Infotainment geboten zu
bekommen193, diese Richtung. Und formuliert daraus ein neues Ziel für die
Zukunft: „Ziel müsste zudem sein, Erkenntnis-Spaß zu vermitteln. Vielleicht wäre
das auch schon ein Gewinn.“194
193 Interview 2+Leif 194 Interview 2+Leif
Fazit
116
4 Fazit
Die vorliegende Magisterarbeit hat sich der Betrachtung des Erkenntnisgewinns von
zwei Seiten angenähert. Zum einen wurden die Beeinflussungsfaktoren, sowie
Gefahrenquellen für einen Erkenntnisgewinn bestimmt, zum anderen wurde der
Stellenwert der Thematik für die Talkshowmacher, sowie ihr Umgang mit dieser
untersucht. Die vorliegende Arbeit nahm dabei zwei unterschiedliche Positionen ein,
um sowohl die Seite der Kritiker und Rezipienten, als auch die Seite der
Talkshowmacher zu beleuchten. Diese Kombination von wissenschaftlicher
Betrachtung, als auch einem sehr starken Einbezug der Praxis, ermöglichte es das
Thema realistisch zu betrachten.
Die Analyse der Gefahrenquellen für den Erkenntnisgewinn wurde unter der Annahme
durchgeführt, dass Erkenntnisgewinn als Zielsetzung der Talkshows zu werten sein.
Auch wenn ein Erkenntnisgewinn in der Gesamtwertung der Magisterarbeit als ein nicht
idealer, alleiniger Maßstab zur Bemessung einer gelungenen Sendung zu werten ist, darf
die Untersuchung durchaus das Recht für sich beanspruchen gültige Ergebnisse erzielt
zu haben. Als ein Grund hierfür ist anzuführen, dass sie aus der Blickrichtung der
Kritiker, Zuschauer und Wissenschaft entwickelt wurde. Sie geht somit von dem
Anspruch dieser Seite aus und liefert für diesen Anspruch gültige Ergebnisse. Es
konnten eindeutige Gefährdungsfaktoren bestimmt und zudem ihr Beeinflussungsgrad
bemessen werden.
Die Interviews mit den Talkshowmachern machten deutlich wie schwer die formulierte
Definition des Erkenntnisgewinns, mit dem wirklichen Anspruch der Macher an die
Sendung beschreibbar ist. Dies mindert aber nicht die Bedeutung der theoretischen
Analyse zur Bestimmung von Gefahrenquellen für den Erkenntnisgewinn. Was jedoch
zu denken gibt, ist dass die hier verwendete Definition auf der Erwartungshaltung an
eine Talkshow seitens der Talkshowrezipienten und Kritiker beruht und die Ergebnisse
der Arbeit so deutlich die starke Diskrepanz zwischen der Zielsetzung der
Talkshowverantwortlichen und der Erwartung der Nutzer aufzeigt. Vielleicht haben sich
die Kritiker für ihre Ansprüche das falsche Genre ausgesucht, vielleicht müssten aber
auch die Talkshowmacher beginnen deutlicher die Möglichkeiten und Grenzen, sowie
insbesondere die Nicht-Zielsetzungen zu formulieren, statt in der Öffentlichkeit zu
vermitteln, dass sie eine Aufklärungsrolle bedienen, die jedoch ihrer
Fazit
117
Sendungszielsetzung und - leistung nicht immer entspricht. Statt sich in eine Rolle
pressen zu lassen, die nur nach Erkenntnisgewinn beurteilt wird und dabei
möglicherweise nicht nur einen nicht unproblematischen Maßstab anwendet, sondern
auch andere positive Qualitäten der Sendung übersieht. Wenn beide Seiten mit offenen
Karten spielen, könnte auch der Rezipient möglicherweise völlig neue Qualitäten an der
Talkshow entdecken, statt ständig in seinen Erwartungen enttäuscht zu werden. Aber
solange Talkshowmacher diese Rolle weiter bedienen, wird sich der Anspruch der
Kritiker nicht ändern.
Vielleicht bietet sich aber mit dem Erkenntnisgewinn hier auch ein vorhandenes
Potenzial, das nicht richtig genutzt. Politische Talkshows liefern nicht immer einen
Erkenntnisgewinn im eng definierten, wie hier in der Arbeit beschriebenen Sinn, und es
wäre auch falsch zu behaupten sie brächten somit keinerlei Mehrwert für den
Zuschauer. Möglicherweise stellen Erkenntnisgewinne somit in einer weiter gefassteren
Form, wie sie die Talkshowmacher beschrieben haben, für die Rezipienten oftmals auch
bedeutsame Zugewinne für die eigene Meinungsbildung dar. Aber wollen sich damit
Talkshowmacher und auch Rezipienten zufriedengeben?
Die vorliegende Analyse hat deutlich gemacht, dass Erkenntnisgewinn in einer für die
Arbeit definierten Form erreichbar sein kann. Erkenntnisgewinn als alleinigen,
absoluten Anspruch zu formulieren wäre falsch und führte oftmals zu in diesem Sinne
gescheiterten Sendungen. Aber stellt dieser nicht doch eine ausbaufähigere Qualität dar,
statt ihn nur als netten Nebeneffekt zu sehen? Die Grundlagen hierfür sind durch das
Sendekonzept durchaus gegeben. Die Moderatoren sind in der Lage diesen zu mit ihrer
Gesprächsführung zu erzeugen. Das Potenzial müsste nur genutzt werden und wäre mit
der bisherigen Zielsetzung der Sendung deutlich verbindbar, da es im Grunde
unterbewusst längst ein wichtiges, jedoch nicht gezielt gefördertes Element der Sendung
ist.
Die Entwicklungspotenziale der Talkshows haben also in verschiedene Richtungen
noch deutlichen Spielraum. Auch wenn es etwas Mut bedarf sich einer klare Zielsetzung
und Linie zuzuwenden und dieser nachweislich, je höher die Sendungsbekanntheit und
je größere der Anspruch seitens der Kritiker, bei den Sendern nur sehr minimalistisch
ausgeprägt ist, wäre gerade dieses vielleicht in der Zukunft, mit einer immer stärkeren
Fazit
118
Konkurrenz auf dem Talkshowmarkt, ein Ansatz, der einem Konzept eine deutlich
unverwechselbare Note geben würde.
Der Zuschauer ist heute eindeutig in der Lage als mündiger Mediennutzer auszuwählen,
woher er seine Informationen bekommt. Jedoch müsste, um diese Mündigkeit nicht zu
gefährden, auf beiden Seiten, seitens der Kritik und Wissenschaft, aber auch seitens der
Talkshowmacher aufgehört werden falsche Maßstäbe anzulegen. Es dürften keine
Ansprüche gestellt werden, die das entsprechende Genre, aufgrund seines angelegten
Konzeptes, nicht erfüllen kann und will, aber auch keine falschen Versprechungen dem
Zuschauer gegeben werden und so Erwartungen zu produzieren, die nicht erfüllt werden
können. Denn Talkshows sind ein sehr vielschichtiges und spannendes Genre mit einem
großen Potenzial, das es gilt richtig zu nutzen.
Die Zukunft wird zeigen, welche Qualitäten dieses bisher möglicherweise noch gar
nicht ausgeschöpft sind.
Bis dahin gilt:
„Es ist kein einziger Fall bekannt, bei dem ein Zuschauer zur Talkshow gezwungen worden
wäre; und es fehlt bis jetzt auch jeder Beweis, dass das Publikum etwas Sinnvolleres tun
würde, wenn es diese Sendungen nicht gäbe […].“195
Giovanni di Lorenzo
195 Di Lorenzo, Giovanni (06.05.1996): Fünf vor zwölf oder III nach 9, S. 214
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VIII
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Anhang
X
Anhang
Anhang 1: Interview Anne Will ……………………………………………………......XI
Anhang 2: Interview hart aber fair ……………………………………………….....XIII
Anhang 3: Interview Maybrit Illner ………..……………………………………..…XIX
Anhang 4: Interview Menschen bei Maischberger ………………………….....XXXVIII
Anhang 5: Interview 2+Leif ………………..…………………………………...……XLI
Anhang 6: DVDs ……………………………………………………………………XLV
Anhang
XI
Anhang 1: Interview Anne Will
(Mit Nina Tesenfitz, Pressesprecherin)
Beschreiben Sie die Zielsetzung Ihrer Sendung.
Aktuelle gesellschaftspolitische Debatten aufnehmen, spiegeln und kontrovers
diskutieren lassen.
Wie bewerten Sie die Bedeutung der Eingangsfragestellung, mit der Sie die
Sendung eröffnen – soll diese beantwortet werden oder soll sie nur das Thema
vorstellen?
Der Sendungs-Titel soll das Thema kurz und zugespitzt vorstellen.
Ist ein Erkenntnisgewinn (Beantwortung der Eingangsfragestellung) in der
Sendung erreichbar oder ist dies der zeitlich begrenzten Sendezeit ein zu
hochgestecktes Ziel?
Eine abschließende Beantwortung der Titel-Frage mit Ja oder Nein ist nicht Sendungs-
Ziel. Das wäre naiv und vermessen zugleich. Viele Fragen lassen sich selbst nach
jahrzehntelangen Diskussionen nicht einhellig beantworten. Mit der Sendung soll der
Zuschauer ein Angebot bekommen, sich zu aktuellen Debatten eine Meinung zu bilden,
eine bereits vorhandene Meinung abzugleichen – und ggf. zu überdenken.
Wie wichtig ist für Sie und die Redaktion ein Erkenntnisgewinn für eine gelungene
Sendung? Wie wird eine gelungene Sendung bei Ihnen bemessen?
„Erkenntnisgewinn“ nach der von Ihnen für Ihre Arbeit vorgenommenen Definition
spielt keine große Rolle bei der Bewertung der Sendung (siehe vorherige Frage). Eine
gelungene Sendung hat eine aktuelle Debatte gut abgebildet, sie war leidenschaftlich
und authentisch, sie hat verschiedene Aspekte beleuchtet und unterschiedliche
Sichtweisen präsentiert, ggf. auch überraschende Wendungen, überraschende
Perspektiven angeboten – und dabei hat der eine oder andere Zuschauer im Idealfall
natürlich etwas erfahren, das er vorher noch nicht wusste. Das kann sich auf Inhalte und
Argumente beziehen, aber auch auf die Haltung einzelner Gäste.
Gibt es Unterschiede im Anteil der erkenntnisreichen Aussagen bei Politiker-
Gästen und Nicht-Politiker-Gästen?
Anhang
XII
Das kann man so pauschal nicht beantworten.
Wo sehen Sie mögliche Gefahren für den Erkenntnisgewinn/Diskussionsziel?
Können Sie dazu Beispiele aus Ihrer Sendung nennen?
Alle Gäste müssen der Debatte gewachsen sein, damit das Thema ausgewogen
diskutiert werden kann.
Welche Faktoren sind wichtig für einen Erkenntnisgewinn? / Oder wenn Sie den
Erkenntnisgewinn nicht als Hauptzielsetzung der Sendung beschreiben, welche
Faktoren sind wichtig für eine gelungene Sendung?
Ein klares Konzept, damit der Zuschauer immer weiß, wo er gerade ist, und eine gute
Besetzung.
Nennen Sie ein Beispiel für eine aus Ihrer Sicht sehr gelungene Sendung.
Z. B. unsere Afghanistan-Sendung vom 18.4.2010. Sie hat die aktuelle gesellschaftliche
Debatte gut aufgenommen und abgebildet, hat die moralischen Dilemmata und die
Komplexität des Themas aufgezeigt.
Haben Sie Veränderungen im Sendungskonzept in der Vergangenheit
vorgenommen, um die in der Sendung diskutierte Thematik verständlicher zu
machen und optimaler zu präsentieren? Wenn ja welche?
Wir machen in der Redaktion jede Woche eine ausführliche Sendungsanalyse, um es
beim nächsten Mal noch besser zu machen.
Haben Sie bereits Analysen über den Erkenntnisgewinn anhand Ihrer Sendung
durchführen lassen, oder sind solche für die Zukunft in Planung?
Nein. Wir werten Presse-Kritiken und Rückmeldungen von Zuschauern, Kollegen und
Bekannten aus. Diese Kritiken und Rückmeldungen beziehen sich auf verschiedenste
Sendungs-Aspekte.
Anhang
XIII
Anhang 2: Interview hart aber fair
(Mit Georg Diedenhofen, Redaktionsleiter)
Beschreiben Sie die Zielsetzung Ihrer Sendung.
Eine Sendung im Hauptabendprogramm der ARD hat vielfältige Zielsetzungen.
In der Regel sollte eine politische Talksendung im Hauptabendprogramm der ARD das
aktuelle Thema der Woche kontrovers diskutieren. Da aber die ARD eine Vielzahl von
Talksendungen hat, kann es sein, dass dieser Anspruch gewissen Modifikationen
unterworfen wird. So kann es sein, dass wir versuchen, das aktuelle Thema der Woche
mit einem anderen Themenfokus zu diskutieren, wenn das Thema auch schon von
anderen Talks in dieser Woche bearbeitet wurde. Ein anderer Themenfokus kann zum
Beispiel ein Teilaspekt des Themas sein, er kann aber auch durch einen oder mehrere
bestimmte Gäste entstehen. Dazu ein Beispiel: Während der Integrationsdebatte um die
Thesen von Thilo Sarrazin haben wir zuerst eine Sendung mit Sarrazin gemacht, in der
seine Thesen kontrovers diskutiert wurden. Schon diese Sendung haben wir thematisch
neu justiert, weil Herr Sarrazin in derselben Woche auch bei Beckmann auftrat. Wir
haben uns deshalb für diese erste Sendung bestimmte Aspekte herausgesucht, die in der
Beckmann-Sendung nicht oder nur unbefriedigend diskutiert wurden. Als die Debatte
weiter lief und auch in anderen Sendungen zum Thema wurde, haben wir die Woche
darauf „Integration im Praxistest“ gemacht. Gäste in dieser Sendung waren fast
ausschließlich Menschen, die in Beruf oder Alltag mit dem Thema Integration
beschäftigt waren. Die politische Debatte spielte in dieser zweiten Sendung dann nur
noch eine untergeordnete Rolle.
Eine Sendung im Hauptabendprogramm der ARD hat die Zielsetzung, bestimmte
Quotenvorgaben zu erreichen. Diese Vorgaben ergänzen sich mit dem Wunsch der
Sendungsmacher, möglichst viele Zuschauer mit der Sendung zu erreichen. Die
Sendungsmacher empfinden einen starken Zuspruch der Zuschauer als Gratifikation und
Bestätigung ihrer redaktionellen Entscheidungen.
Eine Sendung, die wir machen, soll auch immer spannend sein und unsere eigene
Vorgabe erfüllen, die sich im Slogan „Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft“ ausdrückt.
Wir versuchen, durch die Einführung von Fakten oder überraschenden Ansichten und
Anhang
XIV
Aspekten die diskutierenden Politiker aus gewohnten Argumentationsmustern zu locken
und im Idealfall so zu Aussagen zu bringen, die weniger formelhaft sind und die
authentischer sind.
Wie bewerten Sie die Bedeutung der Eingangsfragestellung, mit der Sie die
Sendung eröffnen – soll diese beantwortet werden oder soll sie nur das Thema
vorstellen?
Die Eingangsfragestellung ist eine Beschreibung des Themas. In der Strukturierung der
Sendung achten wir darauf, dass für die Diskussion der Fragestellung genug Zeit bleibt
und dass diese Diskussion an prominenter Stelle in der Sendung geführt wird. Wir
bemühen uns in jeder Sendung, die durch die Fragestellung beim Zuschauer erzeugte
Erwartungshaltung nicht zu enttäuschen.
Aber dies bleibt ein Anspruch, den wir in einer Livesendung mal besser und mal
schlechter gerecht werden. Denn erstens gibt es keine Garantie dafür, dass es auf jede
wichtige politische oder gesellschaftliche Frage auch eine überzeugende Antwort gibt.
Außerdem: Wer beurteilt, ob eine Frage beantwortet ist? Etliche Zuschauer halten die
Antwort von Gast A für befriedigend, weil sie seinem politischen Lager angehören.
Andere Zuschauer gehören einem anderen politischen Lager an und lehnen die
Antwortversuche von Gast A ab und tendieren mehr zur Generalkritik von Gast B. Aus
der Verhaltenspsychologie und der Medienwirkungsforschung ist das Phänomen der
selektiven Wahrnehmung bekannt – wie ein Inhalt unserer Sendung vom Zuschauer
wahrgenommen wird, hängt demnach immer auch mit dessen Einstellungsmustern und
Weltanschauungen zusammen. Dieser Vorgang ist von uns damit nicht steuerbar.
Ist ein Erkenntnisgewinn (Beantwortung der Eingangsfragestellung) in der
Sendung erreichbar oder ist dies in der zeitlich begrenzten Sendezeit ein zu
hochgestecktes Ziel?
Das hängt davon ab, wie komplex eine Fragestellung ist. Sind die Hartz IV–Gesetze
gerecht oder ungerecht? Das ist eine sehr umfassende Problematik, die schlecht in 75
Minuten umfassend dargestellt werden kann. Sind die Regel für den Zuverdienst von
Hartz IV – Empfängern gerecht und praxisnah? Diese Frage ist möglicherweise so
überschaubar und umfassend darstellbar, dass man sie in 75 Minuten so umfassend
diskutieren kann, dass am Ende jeder Zuschauer genügend Meinungen und
Informationen zu diesem Thema bekommen hat, um nun entscheiden zu können.
Anhang
XV
Wie wichtig ist für Sie und die Redaktion ein Erkenntnisgewinn für eine gelungene
Sendung? Wie wird eine gelungene Sendung bei Ihnen bemessen?
Erkenntnisgewinn ist ein wesentliches Ziel der Sendung. Wir wollen unsere Gäste und
unsere Zuschauer mit neuen Aspekten und besonderen Informationen zum Thema
überraschen. Auch versuchen wir gelegentlich, ein Thema gegen den Strich des
Mainstreams zu bürsten. So hat die Redaktion schon einmal das Thema Politiker-Diäten
umgekehrt aufgezogen, nämlich an der These: Eigentlich sind die Politiker zu niedrig
bezahlt.
Eine Sendung ist in unseren Augen dann gelungen, wenn unsere Gäste Unerwartetes
sagen, von unseren Recherchen überrascht werden und dann von ihren vorgefassten
Statements abweichen.
Gibt es Unterschiede im Anteil der erkenntnisreichen Aussagen bei Politiker-
Gästen und Nicht-Politiker-Gästen?
Natürlich führen gut ausgesuchte Gäste aus dem „normalen“ Leben zu überraschenden
Aussagen. Sie sind in den Augen der Zuschauer lebensnäher und authentischer. Aber
das kann man nicht generalisieren. Solche Gäste wirken auf Politiker auch negativ.
Politiker versuchen den Konflikt mit solchen Gästen zu vermeiden, vernebeln und
vertuschen dann Kontroversen, anstatt sie offen zu benennen. Damit werden wichtige
Teile der Diskussion unterschlagen und nicht offen ausgetragen.
Wo sehen Sie mögliche Gefahren für den Erkenntnisgewinn/Diskussionsziel?
Können Sie dazu Beispiele aus Ihrer Sendung nennen?
Generell stößt das Format Talk an seine Grenzen, wenn es um die Darstellung partei-
oder organisationsinterner Konflikte geht. Solche Konflikte werden in der Regel „hinter
verschlossenen Türen“ ausgetragen und nicht auf offener Bühne. Deshalb gelingt es in
der Regel nicht, zwei widerstreitende Mitglieder einer Partei oder einer Organisation
zum offenen Schlagabtausch in die Sendung zu laden. Auch wenn man Parteipolitiker
mit „unter zwei“ gegebenen Zitaten kritischen Inhalts an ihrer Person konfrontiert,
verweigern sich die Politiker und streiten den Wahrheitsgehalt solcher Zitate ab.
Anhang
XVI
Auch gibt es das Verhalten von Gästen, Tatsachen oder Teilaspekte schlicht zu leugnen
oder verzerrt darzulegen. Dem kann man in unserer Sendung auf zwei Wegen
begegnen:
Zum Einen antizipieren wir solches Verhalten, „entlocken“ die zu erwartenden
Aussagen dem Politiker durch gezielte Fragen und konfrontieren den Gast dann mit
einem Film, in dem belegt durch Kronzeugen die Darstellung des Politikers widerlegt
wird. Zum anderen hilft oft der Verweis auf den Faktencheck nach der Sendung. Dort
droht dann dem Gast die öffentliche Widerlegung.
Welche Faktoren sind wichtig für einen Erkenntnisgewinn? / Oder wenn Sie den
Erkenntnisgewinn nicht als Hauptzielsetzung der Sendung beschreiben, welche
Faktoren sind wichtig für eine gelungene Sendung?
Wichtig ist es, den Aufbau und die Unter-Themen-Abfolge in der Sendung so zu
planen, dass sich ein logischer und nachvollziehbarer Ablauf ergibt und dass am Ende
genug Zeit bliebt, nicht nur bei der Problembeschreibung zu verharren, sondern auch
Vorschläge zur Problemlösung zu diskutieren. Dazu nutzen wir auch stark die
Einspielfilme, die Themenabschnitte eröffnen oder zielgerichtet vorantreiben können.
Nennen Sie ein Beispiel für eine aus Ihrer Sicht sehr gelungene Sendung.
So haben wir im Oktober zwei Sendungen zum Thema Integration und die Thesen von
Thilo Sarrazin gesendet. In der Ersten haben wir unserer Auffassung nach sehr stringent
mit gut recherchierten Filmen Herrn Sarrazin mit Fehlschlüssel und Widersprüchen
seines Buches konfrontiert. Hier konnte der Erkenntnisgewinn des Zuschauers sein: So
schlau ist der Mann dann auch wieder nicht. Offensichtlich stimmt nicht alles an seinen
Thesen. Er verheddert sich in Widersprüchen. In einer zweiten Sendung zum Thema
ohne Sarrazin haben wir „Praktiker“ der Integration eingeladen, die in Beruf oder
ehrenamtlichen Engagement mit dem Thema befasst war. Hier konnte der
Erkenntnisgewinn sein: Nicht Sarrazin hat die Probleme erstmals angesprochen,
sondern die Probleme sind seit Längerem bekannt, es wird etwas unternommen und es
gibt keine schnellen, einfachen Lösungen.
Haben Sie Veränderungen im Sendungskonzept in der Vergangenheit
vorgenommen um die in der Sendung diskutierte Thematik verständlicher zu
machen und optimaler zu präsentieren? Wenn ja welche?
Anhang
XVII
Die Sendung und Ihre Elemente unterliegen einer dauernden Veränderung, die sich
durch die Kritik von Außen (nach jeder Sendung analysiert ein externer Kritiker die
Sendung in unserer Konferenz) und die beständige Selbstkritik der Redaktion ergibt.
Dazu nur einige Beispiele:
So wurden Sprache und Gestaltung unserer Filme ständig weiter entwickelt.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es keinen Sinn hat, Gäste immer weiter in die
Ecke zu treiben, weil der Zuschauer sich sonst aus Mitleid mit dem entsprechenden
Gast solidarisiert.
Nachdem in anderen Talkformaten unsere Idee des Monolithen (Einzelgast im
Einzelgespräch) kopiert wurde, haben wir den Einsatz dieser Form bei uns
zurückgefahren.
Haben Sie bereits Analysen über den Erkenntnisgewinn anhand Ihrer Sendung
durchführen lassen, oder sind solche für die Zukunft in Planung?
Nein!
Im Vergleich zu den Sendungen von Anne Will, Maybrit Illner und Co - Sehen Sie
im Konzept von „hart aber fair“ Vor- bzw. Nachteile für die Erreichung des
Erkenntnisgewinns?
Wie oben dargelegt sehen wir durch die Besonderheiten unseres Formates etliche
Vorteile beim Erreichen dieses Ziels.
Wo sehen Sie Vor- und Nachteile bei ihrer Sitzordnung (der Gäste und ihrer
Position als stehender Moderator) für den Inhalt der Diskussion und die
Erreichung eines möglichen Erkenntnisgewinns gegenüber ein Sitzordnung wie bei
Anne Will und Co?
Die zurückgelehnte Haltung in Sesseln und der große Abstand der Gäste zueinander in
den anderen Formaten lässt den Gästen mehr Raum als bei uns. Durch unsere
Sitzordnung und die große Nähe der Gäste zueinander wird der personal space der
Gäste aufgebrochen, sie agieren miteinander, können sich anfassen und so stark
aufeinander Einfluss nehmen. Da der Moderator steht, wird er eher als Chef im Ring
angesehen, seine Interventionen sind nachhaltiger. Und er hat die Freiheit, sich
zwischen Gäste und die Kamera zu stellen, wenn diese nicht mehr auf ihn hören. Durch
Anhang
XVIII
diese Art der „Blende“ kann der Moderator wirkungsvoll jede ungesteuerte Diskussion
beenden.
Anhang
XIX
Anhang 3: Interview Maybrit Illner
(Mit Wolfgang Klein, Redaktionsleiter/Sabine Orner, Redakteurin&Pressesprecherin)
Wolfgang Klein = WK
Sabine Orner = SO
Katharina Singer = KS
KS: Beschreiben sie die Zielsetzung ihrer Sendung:
WK: Also ich sehe die Zielsetzung unserer Sendung bestimmt nicht darin, dass wir am
Ende über einen Besinnesaufsatz in der Schule das Thema abgehandelt haben. Wenn
wir das wollten, gäbe es einfach viel schlauere Wege das zu tun. Also jeder Kommentar,
der geschrieben wird und dann gesprochen oder auch nicht, den man sich ausdenkt im
Kopf, wo man einen Einstieg sucht, wo man ein Ende sucht, wo man ein Fazit macht,
ist tausend Mal besser geeignet, in ihrem Sinne dann einen Erkenntnisgewinn zu
erreichen. Wobei ich eben finde, Erkenntnisgewinn ist halt eben ein sehr schwieriges
Wort. Also es gibt jedenfalls viele journalistische Mittel, die deutlich besser geeignet
sind eine gestellte Frage in einer gegebenen Zeit zu beantworten als eine Talkshow.
Weil eine Talkshow halt von den Menschen lebt, die dort miteinander umgehen. Gerade
bei uns, da unterscheiden wir uns wieder deutlich was Frank Plasberg macht lebt es ja
davon, von der Hoffnung, dass die Gäste miteinander reden, dass sie miteinander
streiten, dass sie sich aneinander reiben, dass sie sich gegenseitig provozieren. Sehr
anders bei Plasberg der sich sich also eigentlich da hin stellt, also hier steht der
Moderator, dort sitzt aufgereiht sie Gästeschar. Der Moderator spielt gegen jeden
Einzelnen von denen und die Differen… die Gespräche zwischen denen sind deutlich
weniger wichtig als bei uns. Aber bei uns wird im freien Spiel dieser Diskussionskräfte
halt schon nen Menge Raum gegeben und dann zu erwarten, dass die am Ende da
landen, wo sie dann denken, dass was, dass ne Antwort kommen könnte das ist etwa so
wahrscheinlich, als dass sie bei einer Hochzeit wissen, wie ihre Ehe verläuft, ja.
KS: Das heißt zu sagen Erkenntnisgewinn ist in diesem Umfang in einer Stunde auch
gar nicht erreichbar.
Anhang
XX
WK: Ja
SO: Doch es ist ganz viel Erkenntnisgewinn erreichbar. Äh, zum Beispiel die
Erkenntnis wer streitet sich da eigentlich miteinander oder die Erkenntnis wie sieht
denn zum Beispiel äh ein Herr zu Guttenberg in echt aus. Ich hab den immer nur im
Bundestag gesehen oder vor den Soldaten. Jetzt seh ich ihn mal ne Stunde live, hab ich
ne ganz tolle Erkenntnis zu nem Gast vielleicht oder zum nem die Erkenntnis zu dem
Thema da hat sich vielleicht in 30 Jahren wie in der Atomdiskussion nichts geändert, ja,
oder manchmal hat man auch tatsächlich die Erkenntnis, dass eine Frage beantwortet
wird, wenn sie Glück haben, ehm äh weiß ich nicht, äh da fällt mir jetzt kein Beispiel
ein, aber es gab sicherlich auch schon Sendungen wo wir den Titel auch erfüllen oder in
dem Sinne ihrer Fragestellung auch tatsächlich es geschafft haben die Erkenntnis an
dem an dem Titel auszurichten. Aber sie beschränken die Erkenntnis ja sehr ein und
wenn sie dann sagen die Sendung hat dann keine Erkenntnis nur, weil Wolfgang sagt,
dass es in andern Medien anders geht, würde ich sagen nein das hat schon eine
Erkenntnis, aber das widerspricht dann vielleicht ihrer exakten Definition von
Erkenntnis. So.
KS: das heißt…
WK: Also ich sag es noch mal andersrum, sorry
KS: ja?
WK: dann dürfen sie. Wie vorhin schon mal gesagt als das Ding noch nicht an war,
wenn es ihnen darum geht, wie viel Informationen werden in, oder wie krieg ich als
Mensch, als zuschauender Mensch, als Rezipient, wie krieg ich am Besten bestimmte
Informationen würde ich nie und nimmer eine Talkshow gucken. Machen sie es doch
mal so rum für sich fest. Wenn sie für sich ne Frage haben und wollen auf die Frage ne
Antwort, wäre es total bekloppt dazu ne Talkshow zu gucken oder zu machen. Da geht
sie entweder irgendwo uns lesen was, sie können auch ein Radio.. äh…Beitrag dazu
hören, wenn sie Glück haben. Ja. Sie gehen ins Internet und sie können dann für sich zu
einer Antwort kommen. Dieses dazu ist Talkshow wäre, wenn man dieses will ein total
idiotisches Mittel. Weil umständlicher geht’s nicht. Ja?
KS: Können wir noch mal zu meiner zweiten Frage kommen, wie würden Sie denn
dann die Bedeutung dieser Eingangsfragestellung überhaupt bewerten? Ist nur eine
Anhang
XXI
Fragestellung, um ins Thema reinzukommen, oder ist doch irgendwo im Hinterkopf
doch noch so ein bisschen die Zielsetzung, ja ich möchte vielleicht auch diese
Fragestellung dieses Thema beantwortet haben, neuer beleuchtet haben.
SO: Neuer beleuchtet haben das ist es. Beantwortet können wir uns nicht auf die Frage
schreiben glaub ich in dem harten Sinne, dass es am Ende wirklich dieses dieses Urteil
gibt nach dem Motto brauchen wir noch private Krankenkassen ja oder nein. Aber das
Thema neu beleuchtet, neue Argumente vielleicht pro und contra kennengelernt zu
haben und dann für sich selber zu sagen ja okey ich fand die Argumente der pro Seite
für mich entscheidender oder der Gegenseite entscheidender, dass jeder der Zuschauer
für sich dann am Ende vielleicht die Meinung, die er schon hat, bestätigt findet oder die
Frage, die er noch nie gehört hat, ja, aber dass dass wirklich die Moderatorin die
Sendung abschließen kann mit dem Satz so jetzt haben wir hier 60 Minuten diskutiert
und diese Frage ist jetzt für alle Mal beantwortet, brauchen wir also auch keine Sendung
mehr zu machen, es ist ja.
WK: Ich mein wir würden auch nie eine Titelfrage stellen, die beantwortbar ist, weil
KS: ich mein jetzt es vielleicht etwas zu eng gefasst in der Definition, die Idee ist
natürlich schon die Thematik, die mit dieser Fragestellung formuliert weiterzubringen,
neu e Erkenntnisse zu schaffen für den Zuschauer. Klar es ist auch eine Erkenntnis,
wenn Herr Seehofer sagt, ich habe zuhause fünf Katzen. Das ist aber nicht die
Erkenntnis, die ich jetzt hier untersuchen will, da fass ich natürlich enger aber ich häng
mich jetzt nicht nur an der Eingangsfragestellung auf, das ist muss ich zugeben etwas
eng definiert.
WK: ja aber es ist ja trotzdem auch wichtig, ich mein wir wollen jetzt nicht ihre Fragen
in der Luft zerreißen, sondern wir nähern uns ja sozusagen auf unsere Weise auch durch
eine Art Definition, wo wir rauswollen. Natürlich ist es vielleicht für seine Politik nicht
so wahnsinnig relevant, äh, ob Herr Seehofer fünf Katzen hat, für den Wähler kann das
aber durchaus, äh, ne relevante Information sei, ob Herr Seehofer Haustiere hat. Wenn
ja welche. Gibt ne ganze Menge Menschen die der Ansicht sind jemand der Katzen ist
ein besserer Mensch, als jemand der Hunde hat und umgekehrt. Ja dieses kann aber,
dieses kann aber für die Frage wen wähl ich eine entscheidende Bedeutung haben. Das
heißt also auch Informationen, die zunächst einmal auf den ersten Blick nichts mit der
von ihnen angesprochenen Sachfrage oder Thematik zu tun haben, können ja trotzdem
Anhang
XXII
für die Zuschauer ne relevant Geschichte sein. Also ich denk, dass Talkshow, deshalb
hatte, ich vorhin gesagt wenn sie Informationen suchen gucken sie keine Talk.. also
wenn sie die auf eine konkrete Frage konkrete Informationen suchen ist Talkshow ein
sehr umständlicher Weg. Wenn sie aber als Will… als Bürger ne Antwort auf die Frage
für sich suchen zu wem hab ich Vertrauen, wem würde ich meine Stimme geben,
wessen Argumente überzeugen mich mehr als die andere dann ist Talkshow ne prima
Form. Ich hab vorhin schon gesagt wir würden keine Fragen stellen auf die es eine klare
Antwort gibt, weil ja in fast allen Fragen des Lebens wie gehst du …, ja ist des gerecht
die Rente mit 67 einzuführen, darauf gibt es keine präzise Antwort. Es gibt viel gute
Antworten und ich glaub, dass diese vielen guten Antworten in ne Talkshow, das
unterscheidet sie dann von anderen journalistischen Formen, aufgeteilt werden auf
verschiedene Menschen, die diese Meinung vertreten. Da kannst du dir als Bürger
erstens ein Bild von den Leuten machen, find ich ganz wichtig, du kannst zweitens da
sitzen und dir überlegen welche Argumente find ich überzeugend, welche nicht.
KS: Wie wichtige ist es denn dann einen Erkenntnisgewinn, vielleicht etwas breiter
gefasst für eine gelungene Sendung zu haben? Ist das wichtig für eine gelungene
Sendung?
WK: Da kommt noch was. Also ich hab nicht, dadurch, dass wir diese Form wählen,
haben wir nicht den Anspruch unsere Erkenntnis an den Fernsehzuschauer zu geben,
also wenn bei „Frontal“ meinetwegen nur als ein Beispiel, wenn ich ein kritisches
Magazin mache, dann ist es durchaus meine Absicht meine journalistische Erkenntnis
dem Zuschauer nahe zu bringen und ich sage dem guckt mal das halte ich für Recht
oder so ist es, sagen wir. Die sagen ja so ist es und die möchten gerne von dieser
Sichtweise aus andere überzeugen. Wir haben da fünf Sichtweisen sitzen, wir möchten
niemanden von nichts überzeugen es muss sich jeder…
KS: neee nicht im Sinne von überzeugen, sondern dass der Zuschauer selber für sich
eine Erkenntnis daraus zieht.
WK: Was ich, wir wissen vorher nicht ob der Zuschauer sich eher von den Argumenten
des Atombefürworters überzeugen oder von den Argumenten des Atomgegners, wir
wissen nicht ob er, was ihn an bestimmten Leuten oder bestimmten Argumentationen
überzeugt aber wir sind aus relativ sicher, dass wir meistens wichtige Themen haben die
die Leute interessieren, sonst wären die Talkshows nicht die meistgesehenste
Anhang
XXIII
politischen Sendungen heutzutage und wir glauben eigentlich auch, dass es durchaus
demokratische Bildung fördert, wenn man sich selber ein Bild macht aus den
verschiedenen Argumentationen die da angeboten werden und in sofern hoff ich schon,
hoffen wir schon, das am Ende der zuschauende Bürger die Möglichkeit hat durch die
Sendung einen Erkenntnisgewinn zu haben und das ist nicht unser Erkenntnisgewinn
das ist sein Erkenntnisgewinn.
SO: Wir liefern da einfach noch dazu, dass wir versuchen diese Erkenntnismöglichkeit
in Anführungszeichen möglichst attraktiv darzustellen Also dass man die verschiedenen
die es zu dem Thema dann aktuell gibt dann halt auch versucht in der Runde
miteinander diskutieren zu lassen, dass dadurch durch diese Reibung, sag ich jetzt mal,
ähm ein Gespräch entsteht äh möglichst alle Seiten beleuchtet oder vielleicht sogar
entlarvt
KS: was Neues bringt…
SO: ja was Neues bringt, genau. Ähm, dass man den Weiterdreh, wenn man es so schön
äh sagt, mitliefert, nach dem Motto letzt Woche war vielleicht der Stand noch so und so
inzwischen gibt’s ne kluge neue Studie oder hat ne Forscher und irgendein Buch,
irgendein Politiker irgend ne neue Drehung mit reingekriegt, also dass man die natürlich
mit anbietet, dass man nicht das Thema äh zurückdiskutiert, sondern nach vorne
diskutiert, ja. Und dadurch natürlich auch in der Sendung ehm ganz neue Sachen
entstehen können, wir haben natürlich auch schon erlebt, grad, wenn man ähhhh
verantwortliche Politik da hat, dass ein Minister in der Sendung dann doch schon noch
mal was erklärt nach dem Motto äh okey haben wir erst heute Nachmittag im Bundestag
beschlossen, Frau Illner können sie ja noch gar nicht wissen, ist jetzt ganz neu oder hab
ich mir anders überlegt oder so was. Ja das ist tatsächlich auch mal eine News dabei
sein kann, aber wir sind wie Wolfgang Klein gerade schon sagte nicht das
Nachrichtenmagazin und auch nicht die Tagesthemen oder das heute-journal. Aber ähm
dann bleibts tatsächlich am Ende weil wir die Moderatorin alle Seiten gleichzeitig
abklopfen muss, sie muss den Pro-Atommenschen genauso kritisch befragen wie den
Kontra-Atommenschen ja ähm, dass der Zuschauer am Ende ja das die Erkenntnis für
sich das hab ich schon immer gewusst oder hab ich ja noch nie gehört. Dazu haben wir
2,5 Millionen superunterschiedliche Zuschauer
KS: von denen jeder etwas anderes erwartet wahrscheinlich…
Anhang
XXIV
SO: Genau, deren Erwartung an die Sendung schon ne ganz andere ist, genau. Die zum
Beispiel ein Titel äh die eine aus dem Hemd springen lässt nach dem Motto das kann ja
gar nicht sein, da muss ich reinkucken und die anderen ja genau so ist es, da muss ich
reinkucken sagen. Ja also der Ansatz ist ja schon komplett ein anderer, also im Prinzip
müsste sie bei Fragen nach der Erkenntnis die Zuschauer befragen.
KS: Gib es denn bei ihnen in der Redaktion Gradmesser, was eine gelungene Sendung
ist?
WK: Ja wenn sie uns gefällt
KS: Nach was definieren sie das? Rein subjektiv?
WK: Ja deshalb hab ich das vorhin schon mal gesagt ich finde, dass dass vieles was wir
da machen in der wissenschaftlichen Elle kaum zu messen ist. Deshalb wird sich ja auch
immer so stark auf diese Quoten berufen, weil es das Einzige ist, was du messen kannst
aber es ist auch kein wörtlich qualitativer Maßstab
Frage: weil es eigentlich das Schwierigste ist, daran Qualität zu messen
WK: ja, aber ähhhh ich glaub schon man könnte das jetzt abtun, wenn ich sage, der
wichtigste Maßstab ist ob es uns gefällt, nur äh welchen anderen Maßstab wollen sie
eigentlich haben, ja ich mein wobei das es uns gefällt heißt ja auch wir reden am Freitag
dann nach der Sendung in der Redaktion drüber und da kann es ja auch schon sieben
verschiedene Meinungen geben, anschließend gibt’s ne Schaltkonferenz ähm da gibt’s
dann noch mal einen der eingeteilt ist und der vielleicht eine völlig andere Ansicht hat,
da kannste im Internet ähhh irgendwelche Fernsehkritiker lesen deren Meinung häufig,
wo du denkst, mein Gott noch mal, haste aber auch nicht richtig hingekuckt.
Beziehungsweise wissen wir ja schon dem gefällt des sowieso nicht. Also wessen
wessen Meinung soll mir dann wichtiger sein als am Ende die von uns. Von uns, die wir
uns ja auch unter, ja, wir haben die Sendung entwickelt in der Hoffnung, dass wir
spannende Gäste haben, spannende Kontroversen, dass man emotional wie intellektuell
Anregungen erfährt, dass man hinterher etwas hat, wo man sich mit anderen Leuten
vielleicht auch unterhalten kann, also nach ner schönen Talkshow kann es doch sein und
erlebt man auch oft das die Leute das in irgendeiner Form auch weiterdiskutieren.
Dieses alles sind Effekte, die so eine Sendung haben kann, nur die sind mit dem
Erkenntnisgewinn wirklich extrem
Anhang
XXV
Frage: schwer messbar….
WK: schwer verbindbar. Ja sie sie legen da eine Maßstab an der einfach schlecht zu der
Sendung passt. Das ist ihr gutes Recht.
KS: Gut jetzt noch mal zurückt auf die Sendung den Inhalt der Sendung und natürlich
auch die Fragestellung klar wir sind wieder irgendwo am Erkenntnsigew… formulieren
wir es als erkenntnisreiche Aussage. Man sieht es ja bei den Politikern Selbstdarstellung
spielt ne große Rolle, Inszenierung spielt ne große Rolle gibt’s denn da denn da wirklich
Unterschiede kann man sagen, sie haben auch auch immer Gäste die eben nicht
Politiker sind, Experten oder Betroffene Ähnliches. Gibt’s Unterschiede im
Erkenntnisrechtum, im Neuigkeitenreichtum zwischen Politiker und Nicht-Politiker-
Gästen merkt man das?
WK: Da verwenden sie jetzt wieder so einen Begriff Neuigkeitenreichtum, ja aber
woher soll ich denn wissen für welchen Zuschauer, was neu ist. Also wir haben Sabine
und zwei andere Kollegen gucken sich die Sendung nach dem Maßstab an was ist daran
News. Das heißt also die, da sind auch ausgewiesene Agenturjournalisten dabei die
haben ungefähr im Kopf was ist zu dem Thema von wem schon gesagt worden, was ist
neu. Das heißt aber noch lange nicht, wenn das für Agenturjournalisten neu ist, dass es
auch wirklich relevant ist und das es interessant ist. Vieles was in der Sendung gelaufen
ist mit hohem, mit hoher Wahrscheinlichkeit viel spannender, viel interessanter für den
normalen Zuschauer als des was News ist.
Frage: Ich mein es gar nicht so hochgesetzt, dass es wirklich eine sensationelle
Neuigkeit ist, sondern eine Aussage, die mich als Zuschauer irgendwie weiterbringt.
Das ich sage es ist etwas das ich noch nicht in fünf anderen Sendungen identisch so
gehört habe.
SO: Dann erzähl ich ihnen ne Geschichte die man in fünf anderen Sendungen so noch
nicht gesehen hat, die aber aber unter Kategorie News nicht abzufedern ist. Vorvorletzte
Sendung hatten wir Herrn Hück da, Betriebsrat bei Porsche und sein Flieger hatte
Verspätung. Er kann also erst nachdem die Sendung schon zehn Minuten Viertelstunde
lief rein. Setzte sich hin, ich weiß nicht ob sie den Menschen kennen (Ja) hat
eindrucksvolle Erscheinung, setzte sich also hin, hatte den ersten Teil der Sendung per
Telefon mithören können und hat dann erstmal zehn Minuten, nein ist ist ein bisschen
übertrieben, aber groß ausholt und jeder Gast so erzählt, wie er das so sieht und war
Anhang
XXVI
noch ein bisschen außer Puste und sehr… saß da mit seiner ganzen Energie. Der hat
ehm auch ne bestimmte Art zu sprechen, sehr bodenständig ja, nach dem Motto bevor
sie hier über Rausschmeißen reden müssen sie die Leute doch erstmal einstellen, ja so
das ist keine News gewesen, in dem Sinne, aber war ein sehr Hinkuckeraugenblick der
die ganze Runde noch mal befeuert hat, der auch Fernsehen war, da kam noch mal
einer, sieht auch noch interessant aus, was ist denn das für ein Mensch, wenn der redet
auch noch wovon der spricht, der weiß ja scheinbar und so das war Talkshow. Ja
WK: Ja da hat sich auch eine Haltung vermittelt
SO: Ja so, dass
WK: Und diese Haltung kann man entweder mögen und sich zu eigen machen oder
man kann sagen dieses Arschloch.
SO: Das hätte man nicht in einem Essay so schön beschreiben können, das hätte man im
Radio vielleicht auch nicht so gut rüberbringen können, das ist dann wo es
zusammenkommt, das ist Talk-Show wie es mit Fernsehen. Da passiert was und ich
verstehe einfach etwas.
KS: Bringt die Diskussion auch ein Stückchen weiter…
SO: Ja die Meta ja die Meta… aber das ist eine totale Metaebene, ist nicht planbar,
kann, das konnte man nicht als Agentur rausgeben, der Herr Hück kam zu spät. Aber…
WK: Legen sie doch mal für sich den Maßstab an, wenn sie sich mit ihrem Freunden
oder Bekannten am Abendbrottisch hinsetzen zu einem Thema reden, da wird am Ende
häufig jeder der da mitredet eine andere Neuigkeit mitgenommen haben, etwas anderes
was er dann vielleicht jemandem der nicht dabei war erzählt, als der andere, ja. Das
heißt, es gibt also da ja kein wenig objektive Neuigkeiten.
KS: Ich will es auch gar nicht so hoch hängen wirklich zu sagen es muss ne News sein,
also ich finde auch wie diese Geschichte das bringt auch die Diskussion dann in diesem
Sinne irgendwo voran. Es ist für den Zuschauer was, wo ich sag, das hab ich vielleicht
in dem Engagement von demjenigen noch nicht so gehört und das sehr durchaus schon
als eine erkenntnisreichere Aussage, als wenn er dahin kommt und das sagt, was er
vorher in drei Interviews gesagt hat.
Anhang
XXVII
SO: Aber das ist doch auch eine Erkenntnis, wenn man als Bürger spürt, dem Politiker
fällt verdammt noch mal nichts anderen ein, als dass er das schon fünfmal auch gesagt
hat. Das ist doch auch eine Erkenntnis.
WK: Oder eben das Gegenteil, dass man sich sagt, och ich hab bis jetzt immer gedacht
der und der oder die und die seien ne ungeheure Zicke und da kommt nichts Neues und
der hat mir jetzt plötzlich hat der mich überzeugt. Das kann ja genauso gut sein. Ich find
jetzt, dass unser Gespräch, ich spür, meine zu spüren, vielleicht irre ich mich, dass unser
Gespräch so ein bisschen darunter leidet, dass sie denken wir wollten sie für ihre Fragen
angreifen, das ist nicht der Punkt. Weil des was wir da, was wir wortreich zu
beschreiben versuchen ist ja auch sehr schlecht, deshalb hab ich das einleitend auch
gesagt in solche Begriffe zu zu fassen die für jeden anderen objektiv nachzuvollziehen
sind. Deshalb reden wir auch so viel, ja, weil wir versuchen ihnen eigentlich einen
Eindruck klar zu machen, wir versuchen ihnen einen journalistischen Ansatz klar zu
machen, der genauso viel Respekt verdient glaube ich wie andere auch, nur du hast
weder in dem in dem, was du am Ende messen kann noch in dem was du… du hast
nirgendwo eigentlich Kriterien von denen glaub ich wirklich ernsthaft behaupten
kannst, dass sie sich in solche Maßstäbe fassen lassen. Und das macht das Thema für sie
natürlich auch auch wahnsinnig schwer.
KS: Ne ne also ich poche ja auch gar nicht darauf das es dann ein Erkenntnisgewinn ist
und wenn dieser dann nicht zu leisten ist, dass das falsch ist. Das ist überhaupt nicht so.
Vielleicht ist auch das Ergebnis am Ende, dass ich sage, ich bin da irgendwo falsch.
Also beziehungsweise es ist falsch zu glauben Erkenntnisgewinn ist nur die
Beantwortung dieser Fragestellung, die Beantwortung des Themas. Wenn mir jetzt alle
Talkshowmacher sagen Moment mal ich fasse das viel weiter.
WK: Wenn ihnen jemand was anderes sagt, rate ich ihnen schon mal glauben sie ihm
nicht.
KS: Ich will ja gar nicht darauf hinaus zu sagen hier Erkenntnisgewinn ist die
Zielsetzung und wird dauernd da verfehlt. Das ist gar nicht das Ziel. Das ist ja das Ziel
der Arbeit zu schauen, was ist denn die Bedeutung von Erkenntnisgewinn. Ich
formuliere es natürlich für mich erstmal erstmal jetzt so um es ein bisschen greifbarer
zu machen, aber ich empfinde das in keinem Fall so das sie jetzt irgendwo sagen.
Anhang
XXVIII
WK: Das Problem ist in dem Augenblick so, sie führen Kriterien ein und wenn sie jetzt
irgendwann dann schreiben Erkenntnisgewinn ist kein Ziel dann ist das auch Quark.
SO: Weil es ist nur in ihrer Definition kein Ziel.
KS: Aber so eng seh ich das nicht.
WK: Ja aber es ist die Gefahr, dass sie Kriterien anlegen, die eigentlich nicht passen.
Ich könnte ihnen aber jetzt auch kein, ich könnte ihnen keine viel Besseren. Also ich
kann ihnen sehr gut beschreiben was wir machen. Ich kann ihnen auch beschreiben was
uns wichtig ist. Aber ich kann ihnen jetzt auch keine wissenschaftlichen Kriterien
nennen, oder Begriffe anbieten die passen würde. Und deshalb ist halt die Gefahr, dass
egal wie sie es hinterher fassen das es eigentlich ein großes Missverständnis ist für das
wir weder wir noch sie was können.
SO: Wir könnten natürlich ganz krass behaupten wir haben eine Fragestellung, wir
laden natürlich fünf Gäste ein, wir wollen natürlich, dass diese Frage beantwortet wird.
So. Das könnten wir ja jetzt tun. Das würde uns leicht fallen auch das argumentativ
irgendwie unter die Mütze zu kriegen, weil wenn man die Fragen die die Moderatorin
im Laufe der Sendung stellt sich anhört, sind die natürlich auch Fachfragen drin. Ja, es
sind wirklich auch Fragen drin: wann haben sie das beschlossen, ich hab hier Zahlen aus
2007 oder Fakten da haben sie es noch mal ganz anders gesagt und so weiter. Also das
ist natürlich schon , wir reden, wir machen ja nicht nen Titel drüber uns reden dann
übers Wetter. Das ist es nicht aber dieser eben so strikt gesetzte Erkenntnisgewinn das
ist das, woran wir knabbern.
KS: Ich versteh ihre Bedenken. Ich kann oder versuche sie ihnen in sofern zu nehmen,
als dass ich sage ich bin nicht auf diesem strikten Trip zu sagen ich definiere
Erkenntnisgewinn so, wenn die Anfangsfragestellung nicht beantwortet wird ist das in
den Sendungen verfehlt und folglich ist das Ergebnis der Arbeit: es gibt keinen
Erkenntnisgewinn, das ist es nicht. Wenn ich natürlich jetzt im Laufe der Gespräche
herausfinde: Moment mal Erkenntnisgewinn ich vielleicht was ganz anderes, die
Zielsetzung der Redaktion ist auch eine ganz andere kann das auch das Ergebnis der
Arbeit sein. Also ich ich ich weiß, dass das problematisch ist, ich weiß auch das es
problematisch ist das so zu definieren, das war meine Definition die ich zu Beginn oder
die These, mit der ich zu Beginn herangegangen bin und in so einer wissenschaftlichen
Arbeit ist ja auch klar, dass sich diese Fragestellung möglicherweise in eine andere
Anhang
XXIX
Richtung verändert, dass sie möglicherweise auch widerlegt wird. Und sie sind nicht die
Ersten, die mir so klar machen, das Feld ist viel weiter, diese Zuspitzung ist so nicht
gegeben, das heißt aber in keinem fall, dass ich am Ende reinschreiben werde: die
Sendung liefert keinen Erkenntnisgewinn, weil. Darum sitz ich ja auch hier, um eben
von ihnen zu hören, ist mit dieser Herangehensweise oder ist es überhaupt die
Zielsetzung, ist es leistbar, liegt da vielleicht auch mancher Zuschauer oder mancher
Kritiker auf einer völlig anderen Ebene, wenn er sagt, ich will jetzt nur die
Beantwortung der Fragestellung und sie sagen Moment mal ist ja gar nicht die
Richtung, in die wir gehen wollen.
WK: Ist so!
KS: Gibt es denn Dinge, wo sie sagen, nennen wir es mal Diskussionsziel oder
gelungene Sendung oder ähnliches. Gibt es denn Punkte, wo sie sagen, das sind
Gefahren in der Diskussion?
WK: Wie meine sie Gefahren?
KS: Gefahren dahin gehend, dass sie am Ende sagen, die Sendung war heute nicht so.
WK: Was ich schlimm finde, das Schlimmste was passieren kann ist, wenn sie
langweilig ist. Und das find ich schlimmer, als wenn man am Ende der Sendung sagt,
die Frage ist nicht beantwortet worden oder es gab da bestimmte Fakten wo sich die, wo
sich die nicht einig waren und jetzt weiß der arme Zuschauer nicht, ob er dem einen
oder dem anderen glauben soll. Ja also da baut der Kollege Plasberg ja mit dem, mit
diesem Faktencheck so ne Art, so ne Art von von Objektivität auf in dem er sagt
morgen könnt ihr bei uns lesen… wenn man´s liest stellt man fest meistens fest es
werde zwei Experten zum Beurteilen dieser Frage gehört und die beiden vertreten
verschiedene Ansichten so wa so weit zum Faktencheck. Auch da zeigt sich wieder es
gibt nicht richtig oder falsch, sondern es gibt halt verschiedene Auslegungen und ich
kann jetzt für mich nicht sagen ob des des ist bei jedem Kollegen schon anders glaub
ich und erst bei den Zuschauern. Kann jetzt nicht sagen, dass man ähh behaupten könnte
Experten hätten mehr, würden mehr Erkenntnisgewinn als Politiker oder sonst was. Ich
nehme an, dass Professoren des ungern lesen würden, deshalb lassen sie das besser weg,
weil die natürlich schon meinen sie wüssten mehr. Ich glaub nicht das stimmt, also wir
haben gerade bei den bei den Experten so oft miterlebt, zum Beispiel aus dem
Wirtschaftssektor, dass sie total falsch liegen mit allem was sie behaupten. Weil auch
Anhang
XXX
Experten können die Realität erstens von hinten her beurteilen und dann analytisch
sagen so und so war es deshalb und die können nicht vorhersagen, wie es kommen wird.
Politiker sind da einfach in ner schwierigeren Situation, weil sie gestalten Gegenwart
und Zukunft und können sich über Vergangenheit zanken. Aber ehm ich kann das jetzt
ehrlich gestanden nicht berufsgruppenmäßig definieren, bei denen kommt mehr raus als
bei anderen. Es kommt bei manchen Leuten sehr viel mehr raus als bei anderen.
Deshalb sind sie dann häufig auch Stammgäste in bestimmten Sendungen weil man,
weil´s einfach Spaß machen denen zuzuhören und weil man, weil sie gute Beispiele
bringen, weil sie interessante Ideen bringen. Das sind Kriterien wo ich sagen würde
Johannes-B.-Kerner das hat mir gut gefallen, es war nicht langweilig.
KS: Fällt ihnen denn eine Sendung ein, die sie für besonders gelungen jetzt in der
Redaktion gehalten haben?
WK: Naja die vorletzte ist allgemein sehr, sehr gut beurteilt worden. Da ging um.. Das
war diese Sendung welche Chancen junge Leute haben heutzutage noch haben. Ich
glaube die ist deshalb so gut angekommen, weil man halt drei überzeugende Beispiele
von jungen Menschen hatte wo man sich dann auch dachte, hm wenn ich zuhause sitze
das ist wirklich blöd, das die nicht ne besser Chance gekriegt haben im Leben: Also an
deren Fällen konnte man glaube ich, ja konnte man relativ gut erkennen, wo Probleme
in unserem Arbeitsmarkt liegen.
SO: Es waren auch engagierte Teilnehmer. Wie gesagt nicht nur Herr Hück. Der hat da
mit seiner Energie glaube ich alle anderen auch mitgerissen. Also es gab wirklich diese
Diskussion unter den Gästen ähm die Spaß gemacht hat zu gucken. Weil man die
Leidenschaft dessen wie die sich gestritten haben in Anführungszeichen glaub ich war
sehr authentisch. Und da konnten glaub ich alle Beteiligten ernsthaft mitdiskutieren.
(Handy von Wolfgang Klein klingelt, Gespräch kurz unterbrochen)
KS: Diese Definition ist vielleicht für sie schwer so diskutierbar, so schwer fassbar und
auch nicht diese Zielsetzung. Gehen wir noch mal zurück und sagen können sie mir
sagen, was die Faktoren für eine gelungene Sendung sind. Kann man es so leichter
definieren. Für sie nicht für den Zuschauer.
WK: Für mich? Ja hab ich eben schon gesagt: sie sollte möglichst nicht langweilig sein.
Ich find es toll wenn wenn die Gäste ihre verschiedenen Standpunkt kontrovers
Anhang
XXXI
austragen so dass der Zuschauer sich eine eigene Meinung bilden kann, sowohl zu den
Menschen, die da mit einander diskutieren, als auch zu dem Thema. Wenn es gelungene
Beispiele gibt mit denen man sich emotional oder intellektuell äh auseinandersetzen
kann. Und ja wenn es unterhaltsam ist. Ich mein ich finde, ich finde immer einen sehr
interessanten Begriff in diesem Zusammenhang das Wort Unterhaltung, weil äh jeder
vernünftige Mensch wird, wenn er ein schönes Gespräch hat, vielleicht das so
ausdrücken: wir hatten eine prima Unterhaltung, ich hab ne prima Unterhaltung gehabt,
daraus resultiert dann auch, ich habe mich prima unterhalten. Sobald es aber in die,
dieses Wort in die Finger von Medienwissenschaftlern kommt, hat es sofort einen
negativen Touch, ja ist Unterhaltung ist immer schon irgendwie uuuuhhää. Ja, und dann
fragen die Studenten in solchen Seminaren mit todernstem Gesicht: Sind sie
Information oder sind sie Unterhaltung? Und ich sag dann halt schrecklich gern erstens,
dass ich mich wirklich viel, viel lieber unterhalte, als dass ich mich informiere. Und
dass ich eine gelungene Unterhaltung für etwas ganz Tolles halte. Und das wir natürlich
genau in dieser Mischform liegen. Also ich… durch ne gute Unterhaltung kann ich
unheimlich viele Informationen oder auch tolle Erkenntnisse kriegen. Die kriege ich
dann aber im Zweifel sogar selber, diese Erkenntnisse. Also ich ich äh konsumiere nicht
nur die Erkenntnisse, die andere hatten, sondern ich kann plötzlich eigene Erkenntnisse
haben. Nur dann setzten wir etwas in Gang was wir, wo wir nur vermuten können, dass
es uns gelungen sein könnte. Und du merkst es ja dann bei den Reaktionen bei deinen
Freunden oder bei den Leuten, die anrufen oder bei den Leuten, die einem schreiben. Es
kommt durchaus vor, dass die Leute ein glaubhaftes Gefühl vermitteln, es hat Spaß
gemacht euch zuzuhören des hat mich besonders beeindruckt und daraus habe ich die
und die Konsequenzen gezogen. Bis hin dazu das ja zum Beispiel in dieser Sendung
vorletzte die wir da angesprochen hatten, hat dann junge Leute sofort ein Angebot
gekriegt für nen Job, von dem sie sonst hätten träumen können. Da müssen ja zuhause
irgendwelche Menschen eine Erkenntnis gehabt haben. Nur wenn ich jetzt sagen würde
das ist mein Arbeitsaus. Sozusagen mein Arbeitsvorhaben, ich mach des, ich bestell die
hier her, damit die einen Job kriegt, dann hätten wir glaub ich wiederum unseren Job
verfehlt. Das ist ein toller Nebeneffekt, aber wir sind keine Arbeitsvermittlung. Wir sind
Erkenntnisvermittler, schon. Aber diese Erkenntnisse sind, Erkenntnisse sind die
Menschen … ich das haben wir jetzt genug gesagt.
Anhang
XXXII
KS: Ja, gibt’s denn Veränderungen im Konzept, wo sie sagen, wir haben was verändert
um die Thematik für den Zuschauer leichter, verständlicher, ihm ein bisschen näher, ein
bisschen konkreter zu machen. Nicht, dass es vorher schlecht war, aber um es einfach
ein bisschen näher heranzubringen.
WK: Also ich glaub soweit ich mich entsinne waren die ersten Talkshows, also ich
mach es jetzt einfach mal an Christiansen fest, weil da war ich acht Jahre und das kann
ich relativ gut beurteilen. Wir hatten im Allgemeinen nur einen Einspielfilm am
Anfang. In dem das Thema und des in satirischer Form aufgearbeitet wurde, sodass man
also Satire, gleich schon mal ein unterhaltendes Element hatte. Aber auch sozusagen ein
Kopföffnungselement, wo das Thema aufgearbeitet wurde. Danach hatten wir keine
Filme und hatten auch in den ersten Jahren keine Beispielgäste irgendwo. Äh. Das man
jetzt Beispiele, lebendige Beispiele in der ersten Reihe sitzen hat oder wie Anne Will
das eben mit diesem Betroffenensofa äh eingeführt hat, das ist auf jeden Fall etwas, was
sich im Laufe der späteren Jahre entwickelt hat, um deutlicher zu trennen, hier das ist
ein Beispiel und da sozusagen die Leute die mehr oder weniger eine abstrakte
Diskussion darüber führen. Aber im Prinzip machte damit ja auch nur etwas etwas, was
die Zuschauer es leichter macht es zu folgen, weil es könnte ja genaueso gut sein, dass
jemand aus der Gruppe, aus der Runde ein ähnliches Beispiel erzählt hätte. Jetzt mach
ich dieses Beispiel anschaulich und dieses anschaulichere Beispiel erzählt noch mal
anschaulicher sein Leben.
KS: und kann man dann wieder mit in die Runde nehmen und konkret machen.
WK: Kann man wieder mit in die Runde nehmen, ja. Oder halt die äh Statistiken oder
wenn man Leute mit bestimmten Zitaten konfrontiert, dessen was sie selber mal gesagt
haben und wo sie jetzt anderer Ansicht sind oder dass ihre Parteifreunde irgendwas
gesagt haben und all solche Elemente sind glaub ich dazu gekommen im Laufe der
Jahre.
SO: Das ist jetzt aber auch schon wieder Jahre, dass wir das machen.
WK: Ja im Laufe der Jahre.
KS: Reflektieren sie denn ihre Sendung wissenschaftlich, sag ich jetzt mal. Gibt’s
Analysen über was ist eine gelungene Sendung. Kommen solche Dinge wie jetzt
Anhang
XXXIII
Gespräche mit Betroffenen an. Gibt’s außer jetzt so den vielleicht mal in einer Umfrage,
gibt es da irgendwas Konkretes, gibt es da Untersuchungen die sie in
Auftrag geben?
WK: Also es gibt die Medienforschung in Mainz. Die halt wenn man bestimmte Fragen
hat, bestimmte Umfragen auch machen können. Es gibt äh ein Monheimer Institut, das
also so ne Inhaltsanalyse macht. Die machen so alle zwei, drei Jahre mal intensive
Gespräche mit 20, 30 Zuschauern. Also zwei, drei Mal mit 20, 30 Zuschauern in Berlin,
im Ruhrgebiet oder so. Aber die sagen uns dann auch eigentlich nur, wie es bei den
Leuten insgesamt ankommt oder so. Aber das wir jetzt einzelne, konkrete Sendungen
nachuntersuchen lassen, das machen wir nicht. Wär auch bei 40 Sendungen pro Jahr
bisschen arg viel verlangt. Ich glaub.
KS: Hätte ja sein können. Es gibt ja durchaus Sendungen, die sagen ich hab jetzt eine
konkrete Veränderung, ich hab vielleicht auch ein Problem, wo ich merke ich bin mir
unsicher, kommt das an? Ist das sinnvoll so? Und lasse das mal dahin gehend
analysieren.
WK: Nee, haben wir eigentlich nicht. Ja wie noch mal gesagt, die Frage zum Beispiel
ob das mit den Einspielfilmen, mit Statistiken etc., ob die Zuschauer das als angenehm
oder als unangenehm, so was wird natürlich schon in solchen Studien erfragt. Da wird
aber jetzt nicht gefragt ist dir diese konkrete Grafik in dieser konkreten Sendung oder
diese konkrete Person, sondern da heißt es dann ganz allgemein: Wie finden sie denn
solche Elemente? Und auch da würde ich wieder sagen mal setzt das bei uns wiederum
einen Erkenntnisgewinn in Kraft, aber häufig denkt man auch, Kinder, wir sind
trotzdem der Meinung, dass es richtig ist. Und dann macht man es auch.
KS: Haben sie denn mal was rückgängig gemacht. Wo sie gemerkt haben, hm das geht
gar nicht. Wo sie gedacht haben in der Redaktion das könnte gut funktionieren und hat
dann gemerkt in der Praxis das wird nicht so angenommen.
WK: Naja sie haben´s ja schon mit den Themen eigentlich sie merken halt, sie merken
auf die Dauer, welche Themen die Leute offensichtlich interessieren und andere
Themen wo auch, ich sag mal Journalisten total dran interessiert sind und die für
wahnsinnig wichtig halten und die diskutieren ohne Ende. Und du merkst unser
Publikum zumindesten scheint es kaum zu interessieren, weil wir haben eine halbe
Anhang
XXXIV
Million weniger Zuschauer als sonst, tja. Das finde ich ist schon mal so ein try an error
System. Dann würd ich sagen äh, ist jetzt nicht von uns, aber können sie ja dann auch
mal bei den Kollegen fragen. Dieses Betroffenensofa von Anne Will war an sich eine
konsequente Fortdenkung dessen, was wir gemacht hatten. Und sie haben es in ein
Schritt weiter gedacht und haben das Ding auch benannt und so und es hat plötzlich eine
ganz andere Wirkung gehabt, als die Publikumspositionen bei uns haben. Bei uns wird
das komischerweise meistens als relativ sympathisch empfunden, wenn Maybrit da
rüber geht, sich neben die Leute setzt und mit denen redet und dann wieder zurück geht.
Aber, dass da Leute eine ganze Stunde lang so auf einem Extrabank sitzen, das ist
komischerweise dann plötzlich wieder gar nicht gut angekommen. Und Sabine
Christiansen als wir es damals da so eingeführt haben Leute in die erste Reihe zu setzen,
die blieb in der Runde sitzen, die fragte da hin. Da kam es offensichtlich immer von
oben herab. Ja. Heißt viele solcher Wirkungen sind ja auch. Also erstens kannst du dich
da ja auch schon total verkalkulieren. Zweitens kannst du oft nicht äh nicht verhindern,
dass Leute das anders sehen, als man selbst das empfinden möchte. Also die die
Haltung, deshalb sagt ich immer gerne so eine Sendung ist sehr gut dazu geeignet sich
von Dingen oder Menschen ein Bild zu machen, weil das Bild, das man dabei abgibt,
kalkuliert man manchmal nicht ein. Also die Tatsache, dass Plasberg steht und die
anderen etwas unter ihm platziert sind die wirken auf viele Leute, er ist der Oberlehrer,
ja. Es gibt aber andere die sagen das ist der Ritter, das ist der Recke, der sie alle in die
Schranken weist und so. Also da haben halt solche ähm dramaturgischen Dinger haben
halt große Wirkungen und kann man sich natürlich total irren.
KS: Wenn wir gerade bei dieser stehen, sitzen Position sind. Sie haben ja die Runde, die
sitzt. Plasberg jetzt beispielsweise steht. Gibt es da Nachteile im Sitzen im Stehen?
Sagen sie, warum wählen sie für dich diese sitzende Position? Oder gibt es da auch
Probleme, wo man sagt, naja manchmal, hätte ich das auch lieber zu stehen, manchmal
wäre es leichter in dieser Position sich bewegen zu können.
SO: Also Maybrit bewegt sich, sag ich jetzt mal. Sie hat ja. Wir haben auch schon
Sendungen gemacht wo sie mehr oder weniger komplett bei den Publikumsgästen
geblieben ist und so rüber. Ähm. Ich glaube das der Tisch bei Plasberg sehr viel, was
wir schon hatten von der Kommunikation, so wie der angeordnet ist. Die sitzen ja nicht
so um einen Tisch herum und können sich alle angucken, sondern in dem sehr offenen,
fast schon gerade Strecke und haben dann auch noch Tisch, so als Holperstelle. Das sich
Anhang
XXXV
sehr viel Dynamik unter den Gästen rausnimmt. Also das spricht schon mal dafür, dass
bei uns die Gäste sich ja auch freien aufeinander zubewegen können, auch wenn es
vielleicht noch nicht ganz optimal ist.
WK: Die Moderatorin ist auf jeden Fall von der Sitzanordnung her einer eine aus der
Runde, ist nicht erhöht, ist nicht erniedrigt, sondern auf gleicher Höhe zwar viel zentral,
dadurch vielleicht ein bisschen mehr herausgehoben, aber sonst eine von diesen Gästen,
die sich alle als gleichberechtigt empfinden dürfen: Während wenn der Moderator steht
und die Gäste unter ihm sitzen, ist von vorneherein ja schon mal eine andere Anmutung
darin.
SO: Man sieht es ja schon bei der Blickausrichtung dieser Gäste. Die gucken ja alle
Plasberg an. So und bei uns kucken sie sich alle an.
KS: Also fördert auch die Kommunikation untereinander?
SO: Ja ist so. Ist ne ganz andere. Ne, also, wenn da jemand sitzt, der gerade was
erzählt…
WK: Ja wir können das doch ausprobieren. (steht auf) Wie wirkt denn das, wenn ich
jetzt hier stehe und sie was frage. Wirkt doch anders, als wenn ich hier sitze und sie was
frage!?
KS: Ja klar. Ich denke auch diese Runde hat natürlich… fördert natürlich auch diesen
Diskussionscharakter, diesen Rundencharakter. Das andere ist eher so die
Abfragerunde. Einer stellt stellt die Frage, die anderen
SO: Der Lehrer steht vorne vom Pult, die anderen müssen brav antworten.
WK: Plasberg ist Frontalunterricht. Da ist der Lehrer eine Respektperson und die
anderen sind schon mal von vorne herein in einer gewissen Demutshaltung. Während
hier sind eigentlich alle gleich und äh. Wir wollen ja auch, dass die miteinander reden.
Dass nicht die Argumente vom Moderator kommen und von den anderen dann
aufgenommen und beantwortete werden und dann wieder an den Moderator
zurückgehen, sondern bei uns geht ja eigentlich, versucht die Moderatorin zwar schon
in gewisser Weise das Heft in der Hand zu haben aber im Prinzip ist auch jeder
ermuntert dem anderen ins Wort zu fallen und mit dem anderen sich zu streiten. Und
das ist was ganz anderes.
Anhang
XXXVI
KS: Gibt es denn Probleme aus dieser Runde: Weil wenn sie jetzt beispielsweise rechts
die Gäste hat, man sieht nicht was links passiert, kriegt sie denn gesagt was links
passiert, was sie nicht sieht?
WK: Ne. Also sie muss sich da schon sehr konzentrieren. Äh. Wir haben auch schon
selber manchmal das Gefühl gehabt, dass sie so auf die eine Seite konzentriert ist, dass
sie nicht richtig mitkriegt, was auf der anderen Seite sich tut. Aber das ist eher der
Ausnahmefall. Ich glaub im Großen und Ganzen kriegt man das schon mit. Soweit
sitzen die ja auch wieder nicht auseinander. Also ich mein das ist ja nicht viel größer
als, was wir hier treiben. Nur ein bisschen. Und da kriegen sie schon in etwa, mit was
rechts von ihnen passiert. Ob die da …
SO: Schnipsen, wild mit dem Fingern
WK: das tun die, meistens ist es ja auch die ganze Zeit
KS: Ja aber es ist ja häufig die Gestik, die Mimik, wo man sich sagt, ach das wäre jetzt
interessant da mal nachzufragen.
WK: Ja
KS: Ich bin soweit mit meine Fragen durch.
WK: Haben sie einen Erkenntnisgewinn gehabt?
KS: Ja. […] Mir ist es auch so wichtig mit ihnen zu sprechen, weil häufig in der
wissenschaftlichen Arbeit Thesen aufgestellt werden, die plausibel scheinen, wenn man
es liest und dann zeigt man es der Talkshowredaktion und die sagt um Himmels Willen,
das können wir doch auch in der Praxis so gar nicht umsetzen, das ist auch gar nicht das
Ziel unserer Sendung. Deshalb ist es mir so wichtig sie damit zu konfrontieren, ja, und
zu sagen, sagen sie mir mal ihre Ansicht dazu.
WK: Da kann ich wirklich sagen du merks es schon bei den Journalistenkollegen. Die
Schreibenden sind ja ohnehin der Ansicht, dass sie alles erstens besser wissen und
zweitens die richtigen Fragen stellen würden und dass der der in so ner Sendung sitzt
einfach zu blöd ist und nicht genug Ahnung hat. Das ist schon mal eine, eine
Unterscheidung die sie im Prinzip zwischen Fernsehmenschen und schreibenden
Journalisten im Großen und Ganzen als Klischee erleben. Aber auch innerhalb eines
Fernseh, einer Fernsehanstalt, innerhalb des Fernsehjournalismus ist Talkshow eine
Anhang
XXXVII
ganz spezielle Sparte von der die Meisten ehrlich gestanden relativ wenig Ahnung
haben, weil sie sich damit einfach nicht beschäftig haben. Ja. Und die Wissenschaftler
mit Verlaub haben fast alle null Ahnung. Haben aber unheimlich klare Vorstellungen,
wie das sein sollte.
Anhang
XXXVIII
Anhang 4: Interview Menschen bei Maischberger
(Mit Theo Lange, Redaktionsleiter)
Beschreiben Sie die Zielsetzung Ihrer Sendung.
„Menschen bei Maischberger“ definiert sich als thematisches Talkformat mit einem
gesellschaftspolitischen Schwerpunkt. „Menschen bei Maischberger“ hat sowohl
Diskussionselemente mit einem möglichst konträren Meinungsaustausch – das obliegt
den Gästen – wie auch biographische Strecken: Die Themenauswahl ist breit: Neben der
politischen Aktualität (Wahlen) sind es z.B. medizinische Fragen (Kunstfehler oder
Zweiklassenmedizin), Justizirrtümer oder Debatten zur Erziehung, Ernährung oder
Sexualmoral. Ziel ist es in der Regel, Debatte und Biographie zusammenzuführen,
heißt: Eine Hartz-IV-Diskussion nicht ohne einen oder zwei Betroffene, eine
Prostitutionsdebatte nicht ohne Prostituierte.
Wie bewerten Sie die Bedeutung der Eingangsfragestellung, mit der Sie die
Sendung eröffnen – soll diese beantwortet werden oder soll sie nur das Thema
vorstellen?
Eine Eingangsfrage ist grundsätzlich wichtig, weil sich oft schon an dieser Stelle
Gesprächsatmosphäre, Debattenschärfe oder Tonalität der Sendung entscheiden.
Ist ein Erkenntnisgewinn (Beantwortung der Eingangsfragestellung) in der
Sendung erreichbar oder ist dies in der zeitlich begrenzten Sendezeit ein zu
hochgestecktes Ziel?
„Menschen bei Maischberger“ will Positionen deutlich machen, ohne diese
abschließend zu beurteilen. Diese Aufgabe obliegt, wie bei jeder konträren TV-Debatte,
dem Zuschauer. Wenn Erkenntnisgewinn allerdings auch bedeutet, über eine
Lebensgeschichte Einblick in eine gesellschaftliche Schicht oder Gruppe (Stichwort
Hartz IV), zu bekommen, oder Problemlösungen kennenzulernen (Stichwort:
Therapienmöglichkeiten bei Krankheiten), dann kann man vielleicht von einem
Erkenntnisgewinn sprechen.
Wie wichtig ist für Sie und die Redaktion ein Erkenntnisgewinn für eine gelungene
Sendung? Wie wird eine gelungene Sendung bei Ihnen bemessen?
Anhang
XXXIX
Das ist keine entscheidende Kategorie: Entscheidender sind Parameter wie eine lebhafte
Diskussion, die richtige thematische Gewichtung und natürlich – als quantitatives
Kriterium - die Zuschauerresonanz.
Gibt es Unterschiede im Anteil der erkenntnisreichen Aussagen bei Politiker-
Gästen und Nicht-Politiker-Gästen?
Kann ich nicht beantworten.
Wo sehen Sie mögliche Gefahren für den Erkenntnisgewinn/Diskussionsziel?
Können Sie dazu Beispiele aus Ihrer Sendung nennen?
Kann ich nicht beantworten.
Welche Faktoren sind wichtig für einen Erkenntnisgewinn? / Oder wenn Sie den
Erkenntnisgewinn nicht als Hauptzielsetzung der Sendung beschreiben, welche
Faktoren sind wichtig für eine gelungene Sendung?
Siehe Frage 4
Nennen Sie ein Beispiel für eine aus Ihrer Sicht sehr gelungene Sendung.
Z.B. Die Sendung „Die Hartz-IV-Wutwelle: werden die Armen verhöhnt?“ im
September 2010 auf dem Höhepunkt der Debatte um die Erhöhung der monatlichen
Regelsätze, weil neben den politischen Kontrahenten Martin Lindner (FDP) und Sahra
Wagenknecht (Die Linke) und Ulrike Mascher (VdK) eine betroffene Hartz IV-
Empfängerin auf den TV-Koch und Unternehmer Christian Rach traf, der ein
Gastronomie-Projekt für Arbeitslose aufgezogen hatte. Rach erwies sich als klug
argumentierender Gast, der in seiner Emotionalität eine große Glaubwürdigkeit hatte
und damit eine nicht unbedingt neue Debatte neu befeuerte.
Haben Sie Veränderungen im Sendungskonzept in der Vergangenheit
vorgenommen, um die in der Sendung diskutierte Thematik verständlicher zu
machen und optimaler zu präsentieren? Wenn ja welche?
Ja, verstärkt Einspielfilme eingesetzt
Haben Sie bereits Analysen über den Erkenntnisgewinn anhand Ihrer Sendung
durchführen lassen, oder sind solche für die Zukunft in Planung?
Nein
Anhang
XL
Sie haben in den letzten Jahren das Themenspektrum ausgeweitet und
berücksichtigen neben den rein politischen Themen auch Themen mit einem mehr
gesellschaftlicheren Ansatz. Warum?
Weil wir und auch die Zuschauer es interessanter finden.
Im Vergleich zu den Sendungen von Anne Will und Maybrit Illner - Sehen Sie im
Konzept von Menschen bei Maischberger Vor- bzw. Nachteile für die Erreichung
des Erkenntnisgewinns?
Keine Antwort
Anhang
XLI
Anhang 5: Interview 2+Leif
(Mit Thomas Leif, Moderator)
Beschreiben Sie die Zielsetzung Ihrer Sendung.
Ziel ist es ein aktuelles Thema aus Politik und Gesellschaft kontrovers mit zwei
führenden Politikern oder anderen politisch relevanten Akteuren zu lösungsorientiert zu
debattieren. Kernphilosophie ist zudem die Zentrierung von wichtigen Argumenten.
Deshalb der Claim der Sendung: „Argumente zählen.“
Derzeit laufen Versuche in einem „Leif Extra“ auch einzelne Persönlichkeiten zu
befragen. Für die Solo-Auftritte werden die jeweiligen Parteivorsitzenden eingeladen.
Wie bewerten Sie die Bedeutung der Eingangsfragestellung, mit der Sie die
Sendung eröffnen – soll diese beantwortet werden oder soll sie nur das Thema
vorstellen?
Die Eröffnungsfrage soll nach Möglichkeit mitten ins Thema führen und die Chance
ermöglichen, den Problemkern zu definieren, die Polarität von Meinungen zu erfassen
und den Konfliktrahmen zu definieren. Wir arbeiten zusätzlich sofort nach dem
Indikativ mit einem zugespitzten Themen-Einspieler, der das Thema auf den Punkt
bringt.
Ist ein Erkenntnisgewinn (Beantwortung der Eingangsfragestellung) in der
Sendung erreichbar oder ist dies in der zeitlich begrenzten Sendezeit ein zu
hochgestecktes Ziel?
Dies lässt sich nicht pauschal bewerten. Dies hängt stets mit der Befindlichkeit der
Gäste zusammen. Lassen sie sich auf die Fragestellung ein – oder ziehen sie ihre
„Agenda“ durch? Hier stellen wir das gesamte Spektrum möglicher Varianten fest.
Wie wichtig ist für Sie und die Redaktion ein Erkenntnisgewinn für eine gelungene
Sendung? Wie wird eine gelungene Sendung bei Ihnen bemessen?
Erkenntnisgewinn, im Sinne von Wissensvermittlung, Vertiefung der Argumente,
Einschätzung der Gäste-Charaktere, aber auch eine lebendige, nachvollziehbare,
strukturierte Debatte sind Bewertungskriterien.
Anhang
XLII
Es kommt aber darauf an, wer was bewertet? Das Problem: Die Kriterien für die
jeweilige Kritik auf verschiedenen Bühnen werden selten definiert. Dies ist etwa in
einer ausführlichen Kritik in den Kontroll-Gremien gelungen. In den großen
Konferenzen ergibt sich eine gemischte Bilanz.
Für unsere Sendung wird ein externer Kritiker aus dem Berliner Journalismus
beschäftigt. Steffen Reinecke von der taz hat hier etwa das höchste Niveau der Kritik
und Analyse geboten. Präzise Kritik kommt aber auch von etwa einem Dutzend
Personen, die auf der Basis unmittelbarer Arbeitsbeziehungen qualifiziert kritisieren.
Die Daten der Medienforschung sind natürlich für diejenigen, die in der Arbeitsroutine
viele Sendungen bewerten müssen, prioritär. Bei einzelnen Programmverantwortlichen
wird der beachtliche Output an Agentur und Medienmeldungen durchaus beachtet.
Fazit: Die Bemessungs-Grundlage der Kritik ist in verschiedenen Milieus höchst
unterschiedlich.
Gibt es Unterschiede im Anteil der erkenntnisreichen Aussagen bei Politiker-
Gästen und Nicht-Politiker-Gästen?
Nein. Ein Trend ist allerdings feststellbar: genuine parteiinterne Themen finden weniger
Resonanz und werden als „Politik-Politik-Themen“ klassifiziert. Niedrigere Quoten zu
bestimmten Themen, die sich klar abzeichnen, führen zu korrigierten Programm- und
Besetzungsentscheidungen.
Wo sehen Sie mögliche Gefahren für den Erkenntnisgewinn/Diskussionsziel?
Können Sie dazu Beispiele aus Ihrer Sendung nennen?
Politische Talk-Sendungen leben und sterben mit der Qualität der Besetzung und der
jeweiligen gefühlten Aktualität. Wenn ein Thema in der Luft liegt und die Gäste i n der
Sendung nachvollziehbare und kontroverse Argumente liefern, dazu noch prominent -
der Fachausdruck heißt hier „gesichtsbekannt“- ist, dann kann eine Sendung
funktionieren.
Gefahren: Wenn ein Politiker seine Agenda verfolgt, sich nicht auf neue Pfade einlässt,
Das Programm kontrolliert durchspielt oder sogar überfordert ist, können sie alle
Informationsziele vergessen.
Anhang
XLIII
Erkenntnisgewinn ist nur möglich, wenn die Akteure zuvor jeweils zu einer Erkenntnis
gekommen sind.
Welche Faktoren sind wichtig für einen Erkenntnisgewinn? / oder wenn Sie den
Erkenntnisgewinn nicht als Hauptzielsetzung der Sendung beschreiben, welche
Faktoren sind wichtig für eine gelungene Sendung?
Prominenz, Renitenz, Klarheit, Konfliktbereitschaft, Dialogfähigkeit, Konzentration.
Wenn dann noch ein relevantes Thema und eine Portion Witz dazu kommt, stimmt die
Mischung.
Nennen Sie ein Beispiel für eine aus Ihrer Sicht sehr gelungene Sendung.
Das Solo mit Sigmar Gabriel hat funktioniert. Im Schnitt liefern wir m.e. durchaus
passable Sendungen, die Substanz liefern.
Gelegentlich verdünnen zu starke Kompromisse bei der Besetzung die Zielsetzung. Mit
konsensorientierten, ängstlichen oder überforderten Gästen können sie kein Feuerwerk
anzünden.
Haben Sie Veränderungen im Sendungskonzept in der Vergangenheit
vorgenommen, um die in der Sendung diskutierte Thematik verständlicher zu
machen und optimaler zu präsentieren? Wenn ja welche?
Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit ist stets ein zentrales Thema der aufwendigen
Vorbereitung. Das Format ist bislang nicht grundsätzlich geändert worden. Es gibt nur
leichte Modifikationen beim Einspieler. (Zusatz von Comic-Element und beim Licht)
Haben Sie bereits Analysen über den Erkenntnisgewinn anhand Ihrer Sendung
durchführen lassen, oder sind solche für die Zukunft in Planung?
Es gibt eine Untersuchung der Medienforschung, die aber naturgemäß –auf Basis von
Umfragen- auch keine letzten Weisheiten liefern kann. Allen Beteiligten sind die
Erfolgsfaktoren einer guten Sendung bekannt. Nur: Konsenserzugung und
Konfliktvermeidung ist in der Politischen Klasse nicht die erste Tugend. Gerade in
aktuellen Konfliktphasen mit ungeklärten Positionen wird Gästen immer wieder
geraten, sich rar zu machen. Wir filtern ja Argumente und fragen nach: Es gibt für
Politiker attraktivere Bühnen.
Anhang
XLIV
Im Vergleich zu Talkshowformaten wie Anne Will, Maybrit Illner und Co, sehen
Sie in Ihrer Sendung Faktoren, die es leichter machen einen Erkenntnisgewinn zu
erzielen?
Ja. Wir konzentrieren uns auf zwei Gäste und klare Themenschwerpunkte. Allein durch
diese konzeptionelle Reduktion sind Unterschiede feststellbar. Bei uns gibt es einen
eingebauten Zwang am Thema zu bleiben. Wir bemühen uns die unverbindliche
Sprunghaftigkeit in Grenzen zu halten.
Gibt es Faktoren, die im Sendungskonzept mit mehr als zwei Talkgästen leichter
zu umzusetzen sind? Um was beneiden sie Talkshows wie Anne Will und Co?
Meines Erachtens kommt es auch hier auf das jeweilige Thema und die Sendezeit an:
wenn sie sehr gut, aussagewillige und qualifizierte Gäste haben, die zur argumentativen
Kontroverse fähig sind und die Moderatoren eine klare Linienführung haben, kann auch
eine größere Runde funktionieren.
Beneiden: Ja. 1) Sendeplatz. 2) Etat. Und redaktionelle Ausstattung. 3) Werbung
(Trailer, Sendeverweise, Marketing-support)
Kleinere Runden versus größere Runden – ein Faktor für einen besseren
Erkenntnisgewinn? Wo ist Gefährdungspotenzial größer?
Kleinere Runden mit Top-Besetzung und präzise analysierten Fragekonzept und
eigenen Recherchen zu Gästen und Themen sind strukturell eindeutig –bezogen auf
Erkenntnisgewinn im Vorteil.
Aber – Erkenntnisgewinn ist nicht das zentrale Ziel von Programmverantwortlichen.
Nach dem Tatort wollen viele eher Infotainment, Emotion, das „Gefühl, gut informiert
zu sein.“ Etc. Erkenntnisgewinn ist ja eine Vokabel aus früheren Jahrzehnten. Das
Publikum müsste ja auch Erkenntnisgewinn wünschen: Wenn der Bedarf en gros
artikuliert würde, müssten die populären Sendungen entsprechend reagieren. Aber etwa
im Fall von „hart aber fair“ ist ja seit geraumer Zeit eine Konzeptions-Korrektur in eine
ganz andere Richtung feststellbar. (siehe Analyse Carolin Emcke im Zeit Magazin)
Ziel müsste zudem sein, „Erkenntnis-Spaß“ zu vermitteln. Vielleicht wäre das auch
schon ein Gewinn.
Anhang
XLV
Anhang 6: DVDs
(DVDS sind auf der letzten Seite beigefügt)
DVD 1
Magisterarbeit (PDF)
Anne Will: 14. März 2010, ARD: Zocken, spekulieren, abkassieren – haben
Banker aus der Krise nichts gelernt?
DVD 2
Maybrit Illner: 04. Februar 2010, ZDF: Zur Kasse bitte! Wie schutzlos sind
Patienten?
Maybrit Illner: 4. November 2010, ZDF: Dumm, faul, abgehängt – hat die
Jugend im Aufschwung keine Chance?
Ehrenwörtliche Erklärung
XLVI
Ehrenwörtliche Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Magisterarbeit zum Thema Der
Erkenntnisgewinn in politischen Talkshows – Gefahren, Fehler und Optimierungs-
chancen ohne Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Quellen
und Hilfsmittel angefertigt und die benutzten Quellen wörtlich und inhaltlich
übernommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Diese Arbeit hat in gleicher
oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen.
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Mannheim, den 09. Dezember 2010