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439 Georg Hoffmann Der Fliegermord von Graz-Straßgang (4. März 1945) 1 Am 24. Oktober 1959 erschien in der Kleinen Zeitung ein Artikel unter dem Titel „In Webling soll der Haß schweigen.“ 2 Darin wurde ein „umstrittene[r] Gedenkstein“ thema- tisiert, der – nahe der Kreuzung der Graz-Köflach-Bahn mit der Kärntnerstraße stehend – immer wieder von unbekannten Personen beschmiert und beschädigt worden war. Die Ursache verortete der Autor des Artikels in der Inschrift des Denkmals, die daran erin- nerte, dass an diesem Ort „Nazifaschisten am 4. März 1945 drei wehrlose amerika- nische Piloten feige ermordet[en].“ Denn, so die Argumentation, die Wortwahl sei „kaum geeignet […], den Haß- und Ra- chegefühlen des Krieges ein Ende zu setzen.“ 3 Schon in den Wochen zuvor war der gesamte Fall immer wieder von den Tageszeitungen aufgegriffen worden. So erfuhren die Grazer Leserinnen und Leser im August 1959 von einem unbe- kannten „kanadischen Fliegerleutnant“ 4 , dessen Leben an besagtem 4. März 1945 von zwei Polizisten gerettet worden war. Entsprechende Schilderungen gingen durch alle lokalen Tageszeitungen und ließen gemeinsam mit dem Nachspüren nach dem „Rätsel um [den] Kanadier“ 5 eine Erzählung entstehen, die „nicht nur der Stadt Graz, sondern darüber hinaus unserem ganzen Heimatland Oesterreich auch noch heute zur Ehre [gereicht].“ 6 Abb. 1: Bild des Gedenksteins in Straßgang (Quelle: NARA, RG 153)

Der Fliegermord von Graz-Straßgang

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Georg Hoffmann

Der Fliegermord von Graz-Straßgang (4. März 1945)1

Am 24. Oktober 1959 erschien in der Kleinen Zeitung ein Artikel unter dem Titel „In Webling soll der Haß schweigen.“2 Darin wurde ein „umstrittene[r] Gedenkstein“ thema-tisiert, der – nahe der Kreuzung der Graz-Köflach-Bahn mit der Kärntnerstraße stehend – immer wieder von unbekannten Personen beschmiert und beschädigt worden war. Die Ursache verortete der Autor des Artikels in der Inschrift des Denkmals, die daran erin-nerte, dass an diesem Ort „Nazifaschisten am 4. März 1945 drei wehrlose amerika-nische Piloten feige ermordet[en].“ Denn, so die Argumentation, die Wortwahl sei „kaum geeignet […], den Haß- und Ra-chegefühlen des Krieges ein Ende zu setzen.“3 Schon in den Wochen zuvor war der gesamte Fall immer wieder von den Tageszeitungen aufgegriffen worden. So erfuhren die Grazer Leserinnen und Leser im August 1959 von einem unbe-kannten „kanadischen Fliegerleutnant“4, dessen Leben an besagtem 4. März 1945 von zwei Polizisten gerettet worden war. Entsprechende Schilderungen gingen durch alle lokalen Tageszeitungen und ließen gemeinsam mit dem Nachspüren nach dem „Rätsel um [den] Kanadier“5 eine Erzählung entstehen, die „nicht nur der Stadt Graz, sondern darüber hinaus unserem ganzen Heimatland Oesterreich auch noch heute zur Ehre [gereicht].“6

Abb. 1: Bild des Gedenksteins in Straßgang (Quelle: NARA, RG 153)

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So entstand insgesamt ein sehr spezifischer Blickwinkel auf den gesamten Fall. Denn über die Hintergründe des Gedenksteins sowie des Verbrechens, das damit mar-kiert wurde, war wenig zu erfahren – ein Umstand, der sich auch Jahrzehnte später kaum geändert hat. Ganz im Gegensatz zum geretteten „Kanadier“, der mithilfe zahl-reicher Zeugenmeldungen rasch als „McDonald Moore“7 identifiziert war, blieben die Namen der Mordopfer unbekannt und wurden nie erfragt oder erhoben. So spiegelt der Umgang mit dem Gedenkstein und den damit verbundenen Ereignissen nicht nur Ver-drängungsprozesse respektive der Fall des „Kanadiers“ den Wunsch nach „positiven Geschichten“, sondern auch Erinnerungskonflikte, die hier aufbrachen. Diese waren und sind bis heute tief in der Wahrnehmung und Deutung des alliierten Bombenkrie-ges, der auch in Graz tiefe Wunden gerissen hatte, sowie in den darin integrierten Opfer- und Täterzuschreibungen verankert.8 Am deutlichsten manifestierte sich dies in den bis in die späten 1980er-Jahre erfolgten Zerstörungsversuchen des Denkmals und in einem zunehmend aufrechnenden Umgang:9 So blieb die Forderung, dieses Denkmal durch ein Mahnmal für Bombenopfer zu ergänzen, für sehr lange Zeit be-stehen.10 Auch der im Jahr 1959 in Grazer Tageszeitungen abgedruckte Vorschlag für eine Neutextierung des Gedenksteins kann in dieser Hinsicht gelesen werden: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“11

Doch was stand hinter diesen Konfliktlinien? Welche Ereignisse markiert das Denk-mal und wie formten sich diese an jenem 4. März 1945 konkret aus? Der vorliegende Artikel schildert in der Beantwortung dieser Fragen eine Spu-rensuche und Rekonstruktion von Abläufen, die vor über 70 Jahren stattfanden. Die vorliegenden Ausführungen dringen dabei nicht nur in einen einzelnen Verbrechens-fall, sondern vielmehr in einen ganzen Gewaltkomplex ein, dem Joseph Goebbels die Bezeichnungen „Lynchjustiz“ bzw. „Volksjustiz“ verliehen hatte.12 Denn Übergriffe und Morde an abgeschossenen alliierten Besatzungen waren im gesamten Deutschen Reich ein weitverbreitetes Phänomen, das ab Mai 1944 zeitgleich und in sehr ähn-lichen Mustern einsetzte.13 Diese „Lynchjustiz“ wurde dabei nicht im Verborgenen ausgeführt, sondern in aller Öffentlichkeit vor zumeist Hunderten Anwesenden, deren Beteiligung als Form einer „Rache“ im Kontext des alliierten Bombenkrieges gedeu-tet wurde. Hier liegt auch die Wurzel der späteren Erinnerungskonflikte. Trotz dieser Zusammenhänge hat die Forschung sich mit diesem Verbrechensphä-nomen bislang kaum auseinandergesetzt.14 Eingebettet in die Wahrnehmungswelten des Bombenkrieges, hielt sich die Vorstellung eines „kollektiven Volkszornes“ nach Luftangriffen.15 Dies lag durchwegs an einer überbetonten gesellschaftlichen Opfer-wahrnehmung, die den Blick auf den Bombenkrieg bis heute dominiert – getragen von der zentralen Fragestellung, ob diese Form der alliierten Kriegsführung als Ver-brechen einzuordnen sei.16 Diese Sichtweise spitzte sich im Jahr 2002 in Deutschland in einer Debatte rund um die Publikation „Der Brand“ von Jörg Friedrich, der indirekt Vergleiche zwischen dem Bombenkrieg und dem Holocaust gezogen hatte, zu.17 Über die sehr breit und kontrovers geführte Diskussion entstanden neue Fragestellungen und Blickwinkel, die die bisherige Betrachtung des Bombenkrieges durchwegs auf-brachen.18 Dieser Umstand führte auch zu einer ersten Beschäftigung mit der The-

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matik der „Fliegerlynchjustiz“, die ab 2010 erstmals wissenschaftlich – mit einem österreichischen und ungarischen Schwerpunkt – erschlossen wurde.19

Der vorliegende Artikel widmet sich mit dem Fliegermord von Graz nun einem der größten „Fliegerlynchjustiz“-Fälle im nationalsozialistischen Deutschen Reich und be-leuchtet diesen als Case-Study aus unterschiedlichen Betrachtungswinkeln. Da bislang vor allem die medialen Darstellungen des Jahres 1959 bzw. die Erzählung des geretteten „Kanadiers“ den Blick auf dieses Verbrechen dominieren,20 werden die Abläufe jenes 4. März 1945 eingehend skizziert, mit der Geschichte der betroffenen US-amerikani-schen Flugzeugbesatzung verbunden, das „Rätsel des Kanadiers“ behandelt und Steu-erungs- und Darstellungsebenen von Gewalt analysiert. Der Artikel versteht sich dabei als Beitrag zur Entwicklung der skizzierten Forschungslandschaft sowie als Impuls für eine sich in Österreich gerade entwickelnde kritische Debatte zum Bombenkrieg.21

Graz unter Bomben und nationalsozialistische Gegenmaßnahmen

In den frühen Morgenstunden des 4. März 1945 starteten 630 US-Bomber, von Flug-plätzen rund um das italienische Foggia aus, zu Einsätzen gegen den Süden des Deutschen Reiches. Auf den Ziellisten dieses Tages standen unter anderem Wiener Neustadt, Knittelfeld und Szombathely.22 Ein Teil des Verbandes sollte über der Ober-steiermark nach Süden schwenken und die steirische Gauhauptstadt Graz von Norden kommend attackieren. Die über die Adria anfliegenden Bomber waren Teil der 15th US Army Air Force. Diese war im November 1943 in Süditalien aufgestellt worden – verbunden mit der Absicht, eine zweite Luftkriegsfront in Europa zu errichten und den Bombenkrieg auch in den Alpenraum zu tragen.23 Graz war dabei erstmals im Februar 1944 in das Visier der alliierten Luftstreitkräfte geraten,24 als im Rahmen der sogenannten „Big Week“ Flugplätze sowie die Luftrüstungsindustrie im gesamten Deutschen Reich gleichzeitig attackiert worden waren.25 Der Bombenkrieg hatte sich danach in ein-zelnen Offensiven etwa gegen die Öl- und Treibstoffindustrie und danach neuerlich gegen die Luftrüstung erheblich aufgefächert.26 Ab Oktober 1944 verlagerte sich der Schwerpunkt auf sogenannte Verkehrsziele, wodurch vor allem Bahnlinien und Bahn-höfe in das Visier der Alliierten geraten waren. Der Bombenkrieg hatte sich in dieser Phase erheblich ausgeweitet und radikalisiert. Von dieser Entwicklung war auch Graz betroffen gewesen, das als wichtiger Industrie- und Verkehrsknotenpunkt als eines der Hauptziele im Alpenraum galt. Am 16. Oktober sowie am 1. November 1944 hatte die Stadt dabei zwei der schwersten Angriffe des gesamten Krieges über sich ergehen lassen müssen – über 400 Menschen hatten dabei ihr Leben verloren.27 Bis Kriegsende sollten 47 weitere Angriffe folgen.28

An jenem 4. März 1945 wurde die für Graz heraufziehende Gefahr erstmals knapp vor elf Uhr erkannt, nachdem einzelne Flugzeuge im heutigen Slowenien gesichtet worden waren.29 Kurze Zeit später erklang in der Stadt die öffentliche Luftschutzwar-nung, die eine potenzielle Gefahr verkündete. Für die Stadtbewohnerinnen und Stadt-bewohner gehörte dieser Sirenenton bereits längst zum Alltag, blieb aber begleitet

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von einem bangen Warten und Hoffen, dass die Stadt diesmal verschont bleiben wür-de.30 Rund 30 Minuten später wurde dies jäh vom auf- und abschwellenden Sirenen-heulton des Fliegeralarms enttäuscht.31 Überall im Stadtgebiet eilten die Menschen nun zu den Luftschutzräumlichkeiten. Vor den Stollen des Schlossberges bildeten sich Menschenmengen, die auf den Einlass warteten, während in einzelnen Häusern die Bewohnerinnen und Bewohner in die Keller hasteten. Allerorts versuchten Luft-

Abb. 2: Bomben auf Graz. Die Aufnahme wurde am 2. April 1945 aus einem US-Bomber he-raus geschossen (Quelle: NARA, RG 342FH).

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schutz- und Blockwarte zu schlichten, zu beruhigen, die Ordnung aufrechtzuerhalten und an das propagierte Gemeinschaftsgefühl zu appellieren. Denn, so die Taktik des NS-Regimes, für das der Bombenkrieg zum zentralen innenpolitischen Problemfeld angewachsen war, nur durch Herstellung einer „Gemeinschaftlichkeit“ lasse sich der Schrecken ertragen und verarbeiten.32 Für die Menschen waren der Bombenkrieg und seine Folgewirkung auch abseits der Alarme und Angriffe deutlich wahrnehmbar. Es waren nicht nur die Zerstörun-gen, die in der Stadt vor allem in der Umgebung des Hauptbahnhofs deutlich zu sehen waren, oder die „Ausgebombten“ und Luftkriegsflüchtlinge, die versorgt und unterge-bracht werden mussten.33 Unter dem Schlagwort „Luftterror“ war der Bombenkrieg auch ein beständiges Thema der nationalsozialistischen Propaganda, das die medi-ale Berichterstattung dominierte und allgegenwärtiges Gesprächsthema war.34 Das NS-Regime verschwieg dabei die Schrecken der Bombenangriffe keineswegs, son-dern schilderte diese sogar in allen Details, etwa versehen mit Darstellungen sterben-der Kinder und trauernder Mütter, um so Emotionen zu wecken und zu verstärken.35 Plakate, die an Hauswänden und Litfaßsäulen angebracht worden waren, illustrierten dabei die Darstellung des „Terrors“ und „Kindermordes“. Auch die Opfer der Bombar-dierungen wurden öffentlich sichtbar gemacht. So war es durchwegs übliche Praxis, die Leichname von Bombenopfern in regelrechten Prozessionen durch die Stadt zu führen und sie sodann, mit militärischen Ehren sowie unter Anteilnahme der „Volks-gemeinschaft“, als „Gefallene für Volk und Vaterland“ zu bestatten.36 Ergänzt wurde dies um Gefallenenanzeigen in Zeitungen, die mit militärischen Symboliken versehen wurden.37 So wurde versucht dem Tod einen „Sinn“ zu geben und Verbindlichkeiten für die Überlebenden aufzubauen. Der Bombenkrieg wurde also abseits seiner physischen Manifestation in entspre-chende Deutungen eingebettet und in Teilelementen inszeniert. Dabei sollte dieser, über die Begrifflichkeit des „Bombenterrors“, als „Verbrechen“ aufgefasst werden, das – so die Darstellung – „aus der Luft die biologische Vernichtung des deutschen Volkes zu erreichen hofft.“38 Dieser Deutung wurde das Bild einer sich gegenseitig stützenden „Volksgemeinschaft“ zur Seite gestellt, die in zunehmendem Maße mili-tärisch interpretiert wurde. Um die Bevölkerung aus ihre Passivität zu holen, sugge-rierte die NS-Propaganda einen „Kampf“, an dem die „Volkgemeinschaft“ entschei-denden Anteil habe – sei es nun als „Kämpfer im Luftschutz“, als „Bombenkämpfer“ oder auch als „Bekämpfer des Terrors“.39 Gerade diese Darstellungen und Postulate verbanden sich mit dem gezielten Aufbau und Transport eines emotional besetzten Feindbildes: jenem der „Terrorflieger“, „Luftgangster“ und „Kindermörder“.40 Denn, so die Argumentation: „Das ist das Werk der ‚Befreier‘, das sind die ‚Heldentaten‘ einer Soldateska.“41 In Graz war dieses Bild bereits vor dem ersten Luftangriff präsent. Schon im Herbst 1943 hatten Grazer Tageszeitungen – wie alle Medien im Deutschen Reich – immer wieder Aufnahmen abgeschossener amerikanischer Flieger veröffentlicht. Dabei wurde die Behauptung aufgestellt, dass die US Army Air Force „Verbrecher“ der „Chikagoer [sic!] Unterwelt“42 rekrutieren würde, die gezielt deutsche Frauen und Kinder morden. Zweck dessen war die Zuschreibung von Schuld, die an der „mensch-

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liche[n] Verkommenheit“43 der Besatzungen festgemacht wurde. Der Hass auf die „Terrorflieger“ wurde dabei auf allen Ebenen geschürt, indem etwa Gerüchte darüber gestreut und verbreitet wurden, dass US-amerikanische Flieger explosives Kinder-spielzeug oder vergiftete Schokolade abwerfen würden.44

Im Mai 1944 entschied sich das NS-Regime schließlich dazu, eine Ventilfunktion für die anhaltende Unruhe in der Bevölkerung zu schaffen und Kampfpostulat wie auch Feindbildkonstruktion zusammenzuführen. In Beratungen am Obersalzberg kam die NS-Führung darin überein, eine „Volksjustiz“ oder „Lynchjustiz“ gegen abgeschossene Flugzeugbesatzungen vom Zaun zu brechen.45 Über entsprechende Aussendungen wurde diese als moralisch legitime Form der „Rache“ an Flugzeugbe-satzungen dargestellt und gleichzeitig die Strafverfolgung für jene Personen aufge-hoben, die derartige Taten begingen,46 denn „wer hat hier recht, die Mörder, die nach ihren feigen Untaten [gemeint sind Bombenangriffe, Anm. d. A.] noch eine humane Behandlung seitens ihrer Opfer erwarten, oder die [die] sich nach dem Grundsatz zur Wehr setzen wollen: Auge um Auge, Zahn um Zahn.“47 Im Hintergrund wie-sen Heinrich Himmler und Ernst Kaltenbrunner die Polizei und Gendarmerie an, sich aus Situationen, in denen eine derartige „Lynchjustiz“ im Entstehen begriffen war, sofort zurückzuziehen.48 Innerhalb der Partei trug Martin Bormann den Gaulei-tern auf, sich in das Zentrum der Maßnahmen zu setzen.49 Diese sollten mündliche Anordnungen an unterstellte Funktionäre weitergeben, die eine gezielte Entfachung von Gewalt zum Gegenstand hatten oder gar eine „Lynchjustiz“ offen demonstrieren sollten.50 Kern all dieser Maßnahmen war es aber, Wut und Zorn der Bevölkerung zu kanalisieren, auf ein Feindbild abzuleiten, die daraus entstehende Gewalt möglichst öffentlich sichtbar zu machen und gleichzeitig als kollektiven „Volkszorn“ darzu-stellen. Derartige Weisungen trafen auch die Steiermark und das Umfeld von Graz. So wurde etwa im Februar 1945 in Frohnleiten die Order ausgegeben, „dass man jeden Feindflieger, der herunter kommt […] erschiessen […] und wenn man kein Gewehr hat, mit der Mistgabel erstechen oder erschlagen [soll].“51 Noch deutlicher sollten sich Steuerungsebenen in Graz abbilden, die dann besonders an besagtem 4. März 1945 in Erscheinung traten. Zuvor jedoch griffen weitere Maßnahmen. Als Mitte Februar 1945 das mit Flüchtlingen überfüllte Dresden in einer Serie von An-griffen großflächig zerstört wurde, nahm Joseph Goebbels dies zum Anlass, um die „Fliegerlynch justiz“ zu verschärfen. So wurde vor allem die SS angewiesen, beim Aufgriff von „Terrorfliegern“ möglichst mit „Vorbild“ voranzuschreiten.52 Als nun an jenem 4. März 1945 der Fliegeralarm über Graz ertönte, rückten Hunderte Waf-fen-SS-Männer aus der SS-Kaserne Wetzelsdorf aus, um in Ermangelung von Luft-schutzkellern Schutz in den umliegenden Wäldern zu suchen.53 Ihr Blick mag dabei auf Plakate gefallen sein, die seit Wochen in und außerhalb der Kaserne angeschla-gen waren und die folgende Aufschrift trugen:

„Was sagt Ihr dazu? Amerikanische Luftgangster schmeißen Bomben auf Graz – schießen mit Bordwaffen auf Frauen und Kinder […] Tausende unserer Lie-ben werden gemordet. Verdienen diese Hunde nicht auch tausendmal den Tod?? Was sagt Ihr dazu, SS-Kameraden? […] Und da gibt es ein paar Trottel, die sich

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darüber empören, wenn solche Mörderschweine jene gerechte Strafe erhalten, die ihnen allein gebührt. SS-Männer! Seid auch Ihr der Meinung, daß man die-se Verbrecher, die erst unsere Heimat schänden, als Abgeschossene noch mit Kaffee und Kuchen bewirten soll?? Soldaten werden von uns auch als Soldaten behandelt […] Verbrecher aber werden wir auch als Verbrecher behandeln! […] Wir müßten keine deutschen Männer sein und wir müßten kein Herz im Leibe haben, wollten wir nicht Rache, tausendfache Rache üben an denen, die uns un-schuldige Frauen u. Kinder dahinmorden. Ja wir wollen uns rächen – tausend-fache Rache wollen wir üben! Denkt an den Wahlspruch, SS-Männer: ‚Auge um Auge – Zahn um Zahn!‘“54

Dieses Plakat führte nun alle Ebenen der „Lynchjustiz“ zusammen, war gleichzeitig Freigabe, Angebot, aber auch Aufforderung zur Gewaltausübung, ausgerichtet auf ein Feindbild, das in jenem Moment aktiviert werden konnte, in dem alliierte Flugzeuge über der Stadt erschienen.

Die Crockett-Crew und der Absturz von „Strange Cargo“

Als nun an jenem 4. März 1945 über Graz der Fliegeralarm ertönte, der die Bevölke-rung in die Luftschutzkeller rief und die Waffen-SS aus der SS-Kaserne Wetzelsdorf ausrücken ließ, befanden sich die Pulks des US-amerikanischen Bomberverbandes noch über Kroatien. Inmitten desselben flog eine einzelne, der 484th Bomb Group angehörige B-24 „Liberator“ mit dem Spitznamen „Strange Cargo“.55 An Bord befand sich eine zehnköpfige Besatzung, die sich bereits seit der gemeinsamen Ausbildung kannte und die unter dem Kommando des aus Kentucky stammenden Piloten James M. Crockett stand. Rund drei Monate zuvor, am 16. Dezember 1944, war die Be-satzung in den Einsatz nach Italien verlegt worden und hatte von dort aus in zwölf Einsätzen die Schrecken der Luft- und Fliegerabwehrschlachten unter anderem über Wien kennengelernt. Dennoch war die Stimmung innerhalb der Crew in den Morgen-stunden jenes 4. März, als Graz als Angriffsziel verkündet wurde, durchwegs gelöst, wie sich James Crockett später erinnern sollte: „The mission was pretty short and we didn’t expect much trouble. All of the boys were pretty happy before we took off, because this was the last mission before we were to go to rest camp the following Wednesday.“56 Aus diesem Grund entschied sich Crockett an diesem Tag auch, das Steuer des Flugzeuges seinem Co-Piloten zu überlassen, damit dieser Flugpraxis sam-meln konnte. Es handelte sich dabei um den aus Connecticut stammenden MacDonell Moore, der nur wenige Tage vor seinem 20. Geburtstag stand. Moore war im März 1943 in der High School für die Army Air Force rekrutiert worden und hatte danach eine mehrmonatige Flugausbildung durchlaufen. Er sollte es nun sein, der „Strange Cargo“ auf dem letzten Teil der Flugstrecke steuerte.57 Gegen 12.30 Uhr erreichten „Strange Cargo“ sowie weitere 140 US-Flugzeuge den vereinbarten „Initial Point“ Langenwang, von wo aus auf das Ziel eingeschwenkt wurde und der „Bomb Run“ auf Graz begann.58 Die Besatzung befand sich nun be-

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reits auf den vorgesehenen Positionen. Im vorderen Bereich des Flugzeuges hielten sich der Navigationsoffizier Henry B. Bottoms, der Bombenschütze Oscar Ness so-wie der 19-jährige „Nose Gunner“ Harold D. Brocious auf. Die übrige Besatzung verteilte sich auf den mittleren und hinteren Bereich des Flugzeuges, wo sie die Ge-schütztürme und Maschinengewehre bediente. Es waren dies Carl F. Ober, Levi L. Morrow, Kenneth E. Haver, Charles R. Westbrook und Steven Cudrak.59 Um 12.43 Uhr erreichte der Verband den nördlichen Stadtrand von Graz, wo sofort vehemen-tes Flak-Feuer einsetzte. Nur Sekunden später wurden die Bomben direkt über dem nördlichen Bahnhofsgebiet ausgelöst.60 Gerade in jenem Moment als Oscar Ness in „Strange Cargo“ den Auslöser betätigte, erschütterte ein schwerer Schlag das Flug-zeug. Die linke Tragfläche war von einem Flak-Geschoss getroffen worden. Noch bevor die Besatzung reagieren konnte, erfolgte eine zweite Explosion im vorderen Bereich der Maschine. Eine zweite Flak-Granate hatte die Flugzeugnase beinahe bis zum Cockpit abgetrennt. Moore sollte später berichten: „Lt. Crockett and I discov-ered the control cables had been severed, and therefore we had no way to steer the plane. As the plane was going into an uncontrollable death spiral, Lt. Crockett gave the signal for everyone to parachute out.“61 Westbrook, Cudrak, Morrow und Ober

Abb. 3: US-Bomber im Flak-Feuer über Graz am 4. März 1945 (Quelle: NARA, RG 342FH)

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reagierten sofort, kletterten zu den Notausstiegsluken bzw. zum offenen Bomben-schacht und ließen sich aus rund 6.000 Meter Höhe aus dem Flugzeug fallen. Ken-neth Haver war offensichtlich im hinteren Geschützturm gefangen – sein Leichnam sollte später im Flugzeugwrack gefunden werden. Als Nächster kletterte MacDonell Moore nach hinten – dicht gefolgt von James Crockett. Sie nahmen gerade noch wahr, wie Carl Ober absprang. Ein Blick zum klaffenden Loch in der Flugzeugnase bestätigte die Befürchtung, dass weder Ness, Bottoms noch Brocious den zweiten Flak-Treffer überlebt haben konnten62 – ein Trugschluss, wie sich später herausstel-len sollte. Moore drückte sich von der Notausstiegslucke ab und versuchte dann mit Schwimmbewegungen dem Sog des zu Boden stürzenden Flugzeuges zu entkom-men. Die folgenden Minuten beschrieb er wie folgt:

„I tried to pull my rip cord but the chute didn’t open because I apparently didn’t pull it hard enough. With the ground now only seconds away, I very forcefully pulled the cord again. The chute opened just above the tree line on a hillside. I immediately drifted across some telephone lines, hit the lines with my heels, bounced to the ground, and landed in a shell crater.“63

Moore war an den Hängen des Plabutsch gelandet, nur wenige hundert Meter von der Absturzstelle seines Flugzeuges entfernt. Die Fallschirme der anderen überlebenden Besatzungsmitglieder schwebten zu diesem Zeitpunkt hoch in der Luft, wo sie, vom Wind, erfasst kilometerweit nach Süden abgetrieben wurden.

Die Ereignisse in Straßgang

Der Absturz des US-Bombers war am Boden freilich keineswegs unbemerkt geblie-ben, sondern vielmehr von mehreren Stellen aus beobachtet worden.64 Sofort bildeten sich Menschenmengen, die den sechs hoch am Himmel stehenden und in Richtung Wetzelsdorf und Straßgang abtreibenden Fallschirmen folgten. Darunter befanden sich auch zahlreiche Waffen-SS-Männer, die die Vorgänge von den umliegenden Hügeln aus beobachtet hatten. Nahe der SS-Kaserne Wetzelsdorf bestieg der Kasernenkom-mandant SS-Sturmbannführer Wilhelm Schweitzer gemeinsam mit anderen SS-Offi-zieren ein Fahrzeug und raste in Richtung Straßgang davon.65 Unterwegs waren die Straßen bereits von teils bewaffneten Menschen gesäumt. Zu ihnen zählten auch Franz Lienhart, der Ortsbauernführer von Straßgang, sowie sein Sohn SS-Untersturmführer Markus Lienhart, der sich auf Genesungsurlaub am heimatlichen Hof aufhielt.66

Während nun die ersten Meldungen im Gaueinsatzstab eintrafen, landeten die ers-ten beiden „Fallschirmspringer“ an der Bahnkreuzung in der heutigen Kärntnerstra-ße. Es handelte sich dabei um Levi Morrow und um den „Nose Gunner“ Harold Bro-cious, der offensichtlich den Flaktreffer im vorderen Flugzeugbereich überlebt hatte. Zwei Polizisten trafen als Erste an Ort und Stelle ein, nahmen die beiden Flieger sofort fest und durchsuchten sie nach Waffen.67 Innerhalb weniger Minuten bildete sich eine Menschenmenge um die beiden Amerikaner, darunter auch zahlreiche Kinder, und

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verhinderte deren Abtransport. Die beiden Polizisten sollten später aussagen, dass die Situation zunächst vor allem von Schaulust und Neugier geprägt war. Erst als einzelne NS-Funktionäre und Waffen-SS-Männer eintrafen, kam es zu Zwischenrufen und Ge-waltaufforderungen. Dadurch verschoben sich offensichtlich moralische Grenzen und Hemmschwellen. Ganz gemäß der Weisung von Himmler und Kaltenbrunner zogen sich die beiden Polizisten nun zurück. Die Gewalt explodierte dann mit dem Eintreffen von Markus Lienhart, der sich wortlos durch die Menschenmenge drängte, zunächst Brocious und dann Morrow auf die Knie zwang, seine Pistole zog und beide durch Schüsse in den Hinterkopf ermordete.68 Lienhart sollte später angeben, dass er von SS-Sturmbannführer Wilhelm Schweitzer einen Mordbefehl erhalten habe.69 Tatsäch-

Abb. 4: Gezeichnete Karte des Fliegermordes von Straßgang (Quelle: NARA, RG 153)

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lich traf Schweitzer mit seinem Fahrzeug jedoch erst nach der Erschießung am Tat-ort ein. Er stellte Lienhart zur Rede, ver-haftete ihn jedoch nicht – was zumindest auf eine innere Zustimmung hindeutet – und ließ dann den Ort des Geschehens von Waffen-SS-Männern abriegeln.70 Während all dies geschah, erkannte ein SS-Offizier, dass in einiger Entfer-nung ein dritter Fallschirm zu Boden ge-kommen war und sich auch hier eine Men-schenmenge gebildet hatte.71 Da jedoch Melder die Nachricht überbrachten, dass ein festgenommener „Fallschirmspringer“ in die SS-Kaserne gebracht worden war, entschied sich Schweitzer zur Rückfahrt nach Wetzelsdorf, wo ihm kurz darauf James M. Crockett vorgeführt wurde.72 Jener dritte Fallschirm, den die SS-Män-ner bei ihrer Abfahrt wahrgenommen hat-ten, gehörte Steven Cudrak. Er war in der heutigen Hafnerstraße und damit näher an Straßgang zu Boden gekommen. Auch er wurde zunächst von einem Polizis-ten verhaftet und dann von eintreffenden Personen umstellt. Dazu gehörte auch Franz Lienhart, der Vater von Markus Lienhart, der augenblicklich auf Cudrak einzuschla-gen begann.73 Anders als in der Kärntnerstraße verließ der Polizist allerdings nicht den Ort des Geschehens und es regte sich Widerspruch in der Menschenmenge. Eine Frau und ein Wehrmachtsoldat protestierten laut gegen die Behandlung des Fliegers, worauf Lienhart sofort von seinem Opfer abließ und sich diesen beiden Personen zuwandte. Er versetzte dem Soldaten einen Schlag und rief dann laut, dass man nun genau wisse „wer für die NSDAP sei und wer Gegner ist.“74 Während dieses kurzen Moments führte der Polizist seinen Gefangenen ab und brachte ihn nach Straßgang, wo er in einen Raum des Polizeipostens gesperrt wurde. Die Menschenmenge zerstreute sich rasch, zumal in der Stadt der Fliegeralarm noch immer aufrecht war. Im Gaueinsatzstab langten nun aktualisierte Meldungen von Markus Lienhart, den Polizisten sowie vom in die Kaserne zurückgekehrten Wilhelm Schweitzer ein. Letzterer gab später an, dass Gauleiter Sig-fried Uiberreither die gesamte Angelegenheit in die Hand genommen und Befehle er-teilt habe.75 Ein solcher dürfte wenig später im Polizeiposten in Straßgang eingetroffen sein, da Steven Cudrak aus dem Gebäude geholt, einem SS-Mann übergeben und von diesem unter Gewehrkolbenstößen zum ersten Tatort getrieben wurde. Dort angekom-men musste er sich neben den Leichnamen von Brocious und Morrow niederknien und wurde ebenfalls durch einen Pistolenschuss in den Hinterkopf getötet.76 Die Identität des Schützen sollte nie eindeutig geklärt werden – mit Ausnahme des Umstandes, dass er

Abb. 5: Steven Cudrak (Quelle: Privatbestand)

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SS-Uniform trug. Zahlreiche Anwesende glaubten jedoch, Markus Lienhart erkannt zu haben.77

Zum Zeitpunkt der Ermordung von Steven Cudrak war auch Charles Westbrook nicht mehr am Leben. Er war an seinem Fallschirm nahe der heutigen Landesner-venklinik zu Boden gekommen und sofort von Wehrmachtsoldaten festgenommen und, begleitet von Dutzenden Schaulustigen, auf die Kärntnerstraße geführt worden. Dort angekommen schritt ein Leutnant der Wehrmacht namens Franz Neidenik ein und verkündete lauthals: „der wird erschossen!“78 Unter Schlägen und Tritten zog er Westbrook sodann in eine Baugrube und befahl dem in der Menschenmenge stehen-den SA-Truppführer August Fuchs zu feuern.79 Fuchs betätigte den Abzug seines Jagd-gewehrs und traf Westbrook in den Bauch, der schreiend zusammenbrach. Neidenik sprang in die Grube und tötete ihn durch einen Schuss in den Hinterkopf.80 Stun-den nach diesem vierten Mord wurde der Leichnam von Charles Westbrook abgeholt und zum ersten Tatort gebracht, wo die sterblichen Überreste von Brocious, Morrow und Cudrak als „besiegte Feinde“ bereits regelrecht zur Schau gestellt wurden. Wäh-rend die NSDAP-Ortsgruppe in der darauffolgenden Nacht eine „Siegesfeier“ für die Schützen und deren Helfer veranstaltete, wurden die Leichname ausgeplündert.81 Es war dies der Endpunkt nicht nur eines Vierfachmordes, sondern der Inszenie-rung einer „Lynchjustiz“, die als gemeinschaftliches Handeln eines Kollektivs, als Sieg der „Volksgemeinschaft“ über den „Bombenterror“ dargestellt wurde – hinter der aber deutlich Steuerungselemente standen. Diese drückten sich nicht nur in Mord-befehlen aus, sondern auch in der Herstellung einer Öffentlichkeit, wie das Beispiel der Ermordung von Cudrak belegt. Entscheidend war dabei das Verhalten einer Men-schenmenge – waren Personen, die stehenblieben, zusahen, mitmachten oder selbst agierten, und so den Rahmen bildeten, in dem sich eine Handlungsdynamik und da-raus wiederum ein Gruppendruck entwickeln konnte. Derartige Situationen konnten aber auch eine gänzlich andere Entwicklung nehmen, da die Menschenmengen kei-neswegs homogen waren, und individuelle Handlungsentscheidungen das Verhalten anderer Personen beeinflussen konnten.

Das Schicksal von MacDonell Moore

Nahezu zeitgleich zu den Vorgängen in Straßgang, nahm in Gösting das Schicksal von MacDonell Moore einen anderen Verlauf. Durch den Umstand, dass sein Fallschirm sich nicht sofort geöffnet hatte, war dieser weder abgetrieben noch vom Boden aus wahrgenommen worden. Moore landete nahezu unmittelbar vor einem Luftschutzstol-len in der Göstinger Straße und damit in einem stark bombardierten Gebiet.82 Er sah sich sofort von Dutzenden Personen umstellt, die sich jedoch anders verhielten als jene in Straßgang, wie er selbst schilderte: „I took my revolver, held it out, dropped it, and surrendered. An older guy wanted to beat me, but the others in the group wouldn’t let him. Since an air raid was still in progress, they took me a short distance to a cave in the mountains – an air raid shelter – where a nurse took care of my wounds.“83 Nach geraumer Zeit wurde Moore von einem Luftschutzhilfspolizisten abgeholt und in das

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Polizeirevier Gösting gebracht, das als Provisorium auf dem Landgut des Grafen Attems untergebracht war, da das eigent-liche Revier bei einem Bombenangriff zerstört worden war.84 Moore wurde dort, ohne weiter behelligt zu werden, in einen Raum gesperrt, wo er in den kommenden Stunden zum Objekt der Neugier wurde. Zahlreiche Personen kamen in den Raum, wohl um einen der berüchtigten „Terror-flieger“ zu sehen. Zu Beschimpfungen oder gar Übergriffen kam es dabei nicht. Stattdessen brachten Kinder sogar Le-bensmittel, wie etwa Brot, die sich Moore in seine Taschen stopfte.85

Im Hintergrund dieser Vorkommnis-se setzten jedoch Mechanismen und Ent-wicklungen ein, die Moore nicht wahr-nahm. Die Polizisten im Posten, allen voran Polizei-Leutnant Franz Turber und Revierinspektor Ernst Strohriegel, versuchten wohl aus gutem Grund, vehement ih-ren Gefangenen loszuwerden. Jedoch verweigerte sogar die Luftwaffe am Stützpunkt Thalerhof die Übernahme.86 Durch die zahlreichen Telefonate wurde rasch bekannt, dass sich in Gösting ein weiterer US-Amerikaner befand, was wiederum die Gaulei-tung auf den Plan rief, über die – wie schon in Straßgang – sofort Mordbefehle ausge-geben wurden.87 In der Polizeistation langten diese als nachdrückliche und mehrfach wiederholte Anordnungen der unmittelbaren Vorgesetzten, SS-Standartenführer und Oberstleutnant der Schutzpolizei Adolf Haan sowie Polizei-Oberleutnant Helmut Ger-mershausen, ein: „Sie überstellen jetzt sofort diesen Mann in das Schloß Attems. Auf dem Wege dorthin erschiessen Sie ihn, mit der Annahme, er hat die Flucht ergriffen.“88 Die Polizisten kamen diesem Befehl nicht nach, sondern schoben seine Ausführung zunächst mit der Begründung auf, dass untertags zu viele Zeuginnen und Zeugen anwesend seien. Wie und warum Turber und Strohriegel so handelten, ist nicht mehr schlüssig nachzuvollziehen und aus heutiger Sicht stark von ihren eigenen Behauptun-gen überlagert, die sie im Jahr 1959 gegenüber Grazer Medien äußerten.89 Tatsächlich dürfte Heinrich Graf von Attems, der als Dolmetscher fungierte, einen gewissen Ein-fluss auf Handlungsentscheidungen gehabt haben. Noch im Laufe des Nachmittags brachten die Polizisten eine Bibel und Teile eines Fallschirms zu Moore. In Ersterer fand sich der Name von Harold Brocious, was Moore als Information verstand, dass dieser nicht mehr am Leben sei – tatsächlich aber wohl als Warnung gedacht war.90 Gegen Mitternacht wurde Moore dann endgültig aus seiner Zelle geholt. Ihm wurde ein Blatt Papier unterbreitet, auf dem zu lesen stand „Don’t tell anyone“91, ergänzt um den mündlich angehängten Nachsatz „We are not Germans. We are Austrians.“92 Da-nach wurde er in die Dunkelheit und entlang einer Straße geführt, die bis an die Mur

Abb. 6: MacDonell Moore (Quelle: Privatbe-stand)

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reichte. Die Polizisten händigten ihm all seine Ausrüstungsgegenstände aus, damit es so aussah, als sei er nie aufgegriffen worden, deuteten nach Nordwesten, salutierten und schüttelten ihm die Hand.93 In den Schilderungen des Jahres 1959 überzeichneten Turber und Strohriegel diese Szene und sprachen von einer tränenreichen Umarmung94 – die so freilich nie stattgefunden hatte. Vielmehr ging Moore in diesem Moment davon aus, dass er „auf der Flucht“ erschossen werden sollte.95 Doch nichts derglei-chen geschah. Moore erreichte den Wald und verschwand darin. Er vernahm noch die Schüsse, die die Polizisten in den Boden abgefeuert hatten, um so seine Tötung zu fingieren. Sie sollten am darauffolgenden Tag ihren Vorgesetzten melden, dass sie den Leichnam in die Mur geworfen hätten.96

Moore irrte die folgenden drei Tage durch die Hügel des Grazer Beckens: „I walked along a road all night and then hid and slept in the woods during the day.“97 Dabei er-nährte er sich von den Lebensmitteln, die ihm in der Polizeistation zugesteckt worden waren. Am dritten Tag waren seine Vorräte aufgebracht. Völlig erschöpft versuch-te er deshalb in den nächsten Ort zu gelangen, zumal er sich bereits in Jugoslawien wähnte.98 Tatsächlich hatte er jedoch das wenige Kilometer entfernte Plankenwarth erreicht. Vorsichtig versuchte er zwei Frauen anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Diese liefen jedoch schreiend davon und Moore war binnen weniger Minuten neuer-lich verhaftet. Über Nacht in einen Stall gesperrt, wurde er am darauffolgenden Tag von zwei Männern in Zivilkleidung abgeholt, die ihn zurück nach Graz in eine Zelle des Gestapo-Gefängnisses am Paulustor brachten.99 Interessanterweise wurde er dort nicht verhört, sondern nach wenigen Tagen von Angehörigen der Luftwaffe abgeholt und zum Fliegerhorst Thalerhof transportiert, wo er in einer Zelle unter rund 20 an-deren US-amerikanischen Kriegsgefangenen James Crockett erkannte.100 Die gesamte Gruppe wurde wenig später mittels Eisenbahntransport in das heutige Deutschland gebracht, wo alle im Stalag VII A in Moosburg das Kriegsende erlebten. Moore und Crockett waren die einzigen Überlebenden ihrer Besatzung – wobei Moore sein Leben mehreren Zufällen verdankt. Brocious, Morrow, Cudrak und West-brook fielen dem Fliegermord in Straßgang zum Opfer. Die sterblichen Überreste von Ness und Haver fand man im bzw. nahe des Flugzeugwracks. Von Bottoms und Ober fehlt bis heute jede Spur. Da ihre Fallschirme über Straßgang gesehen worden waren, hält sich bis heute hartnäckig das Gerücht, dass auch sie ermordet worden seien.

Schlussbetrachtungen

Im Juli 1945 schrieb James M. Crockett an die Familie des als vermisst geltenden Steven Cudrak: „Since ther[e] has been no word since he was reported missing I don’t want you to get too high hopes but there is a chance, though pretty slim. […] I hope and pray that Steve will be returned to you one of these days.“101 Nur wenige Tage später fand man am Grazer Zentralfriedhof den Leichnam von Steven Cudrak, der unter dem Namen „Stefan Gordon“ beerdigt worden war. Neben ihm lagen die sterbli-chen Überreste von Brocious, Morrow und Westbrook. Britische und in weiterer Folge US-amerikanische Militärgerichtsbehörden nahmen sofort die Untersuchungen auf102

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und ordneten diesen Fall in die sogenannten „Flyer Cases“ ein, die dem inzwischen erkannten Phänomen der „Fliegermorde“ Rechnung tragen sollten.103 Doch schon die Voruntersuchungen in Graz zeigten die Schwierigkeiten in der Aufarbeitung dieser Fälle auf. Besonders überrascht war man dabei von dem Umstand, dass man am Tatort von Straßgang bereits einen Gedenkstein vorfand. Dieser war Anfang Juni errichtet und mit einer Inschrift in deutscher und sehr holpriger englischer Sprache versehen worden. Dort hieß es: „Here on this place killed a Nacifacist three amerikan pilots.“104 So gut die Absicht dahinter wohl gewesen sein mag, so sehr hatte dieses Denkmal auch eine reduzierende Wirkung. Es wies den Mord einem einzelnen Täter zu, der noch dazu als „Nazifaschist“ festgemacht war, was sich durchaus auch in Abgren-zung zu „der Bevölkerung“ lesen lassen konnte. Auf genau diese Auffassung stießen die Untersuchungsbehörden in Form von kollektivem Schweigen und der Weitergabe von widersprüchlichen Informationen. Dennoch wurde bereits im Jahr 1946 ein erster Militärgerichtsprozess in Salzburg angestrengt, in dem Franz Lienhart zu zehn Jahren Haft und sein Sohn Markus zum Tode verurteilt und noch im selben Jahr hingerichtet wurde.105 Doch damit war der gesamte Fall keineswegs geklärt. 1948 folgte ein Ver-fahren gegen Wilhelm Schweitzer, der von Markus Lienhart schwer belastet worden war. Dieses endete mit einem Todesurteil, das allerdings nach der Anhörung von Ent-lastungszeugen und mehreren Gnadengesuchen aus Deutschland in eine Haftstrafe umgewandelt wurde.106 Schweitzer war bereits längst wieder auf freiem Fuß, als der Fliegermord von Straßgang 1959 von den Grazer Tageszeitungen aufgegriffen und mit deutlichem Fokus auf der Rettung MacDonell Moores diskutiert wurde. Auslöser des-sen war der Aufgriff von Franz Neidenik, der sich seit Kriegsende in Graz versteckt gehalten hatte, sowie die Rückkehr des ehemaligen SA-Truppführers August Fuchs aus einem sowjetischen Arbeitslager.107 Beide wurden 1960 vor Gericht gestellt, das Neidenik aus Mangel an Beweisen freisprach und Fuchs zwar mit Strafe belegte, diese jedoch mit Blick auf die sowjetische Gefangenschaft als verbüßt ansah.108 All diesen Prozessen, wie auch den übrigen „Flyer Cases“, war dabei gemein, dass sie weder ein Bewusstsein für das Verbrechensphänomen der „Fliegerlynchjustiz“ schaffen, noch die inneren Zusammenhänge klären konnten. Man hatte dabei das von der NS-Propaganda gezeichnete Bild eines „Volkszornes“ nahezu kritiklos übernom-men und damit gewissermaßen amtlich festgeschrieben. Weder die Zusammenhän-ge der unterschiedlichen Fälle noch Steuerungsebenen oder etwa die Funktion von Menschenmengen wurden dabei näher beleuchtet. Die Verteidiger der Angeklagten operierten auffallend oft mit dem Argument „psychischer Ausnahmesituationen“, die auf ein „Erleben von Bombenangriffen“ zurückzuführen seien.109 Im Kern blieb ein Ursache-Wirkungs-Prinzip bestehen, das den Bombenkrieg als Wurzel der Flieger-morde definierte. In das stark opferzentrierte Bild des Bombenkrieges eingepasst, er-schien diese Form der Gewalt angesichts der Schäden und des menschlichen Leides, die selbiger gebracht hatte, wenigstens „erklärlich“, wenn nicht gar „nachvollziehbar“ oder „legitim“. Hinter diese Wahrnehmung traten die Fragen nach den Hintergründen der Verbrechen, nach Täterinnen und Tätern wie auch nach Opfern deutlich zurück. Der Umstand, dass die Suche nach dem Verbleib sowie eine Klärung der Identität der Opfer von Straßgang kaum Unterstützung erhielt, belegt dies genauso deutlich wie die

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mehrmaligen Beschädigungen des Gedenksteins oder die Schwerpunktsetzung der öffentlichen Debatten im Jahr 1959. Der geschilderte Fliegermord von Graz ist jedoch nicht nur hinsichtlich des nach-träglichen Umganges, sondern auch in seiner Genese und Ausformung als nahezu prototypischer Fall der „Fliegerlynchjustiz“ zu bezeichnen. Dabei zeigt sich deutlich, dass hinter dem eigentlichen Verbrechen nationalsozialistische Steuerungen in Form von Gewaltfreigaben und -angeboten standen. Die agierenden Personen mussten da-bei den Bombenkrieg nicht unbedingt erlebt haben – sie konnten auf ein bestehendes, propagandistisch aufgebautes Bild desselben rekurrieren, in dem nicht nur Kriegs-deutungen, sondern gleichzeitig auch Feindbilder, Rollendefinition und moralische Gewaltlegitimierungsmuster eingeflochten waren. Nichts verdeutlicht dies besser als die Morde in Straßgang, das vom Bombenkrieg kaum betroffen war, und die Ret-tung von MacDonell Moore in einem der am häufigsten bombardierten Gebiete von Graz. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Umstand, dass die „Fliegerlynchjustiz“ ausschließlich über Menschenmengen funktionierte, die durch ihre Anwesenheit den Rahmen des Verbrechens erst aufspannten.110 Gewalt, wie übrigens auch aktive Hilfe, entwickelte sich darin aus einer Interaktion der anwesenden Menschen untereinander, was wiederum der oder dem Einzelnen die Sicherheit vermittelte, im Sinne oder gar zum „Wohle“ der Gruppe zu handeln.111 Dass jene „Gruppe“ zudem vom NS-Regime als „Gemeinschaft“ im Bombenkrieg definiert wurde, die in einem „Kampf gegen den Terror“ stünde, verdeutlicht, dass die „Fliegerlynchjustiz“ ein Werkzeug nationalsozi-alistischer Herrschaft „unter Bomben“ war – ein Bereich, in den die Forschung bislang noch ungenügend vorgedrungen ist. Die moralische Legitimierung der Gewalt erfolg-te über die gesellschaftliche Opferwahrnehmung sowie das Täterbild der „Terrorflie-ger“ und „Luftgangster“ – das noch heute, mehr als 70 Jahre nach Ende des Krieges, in diesem Zusammenhang im kollektiven Gedächtnis vorhanden ist. Die Stadt Graz besitzt mit dem Denkmal von Straßgang das europaweit erste und gleichzeitig österreichweit einzige Denkmal, das an das Gewaltphänomen der „Flie-gerlynchjustiz“ erinnert. Dies ist eine bislang ungenutzte Chance, einerseits eine Dis-kussion über Erinnerungen und Gewaltmechanismen des Bombenkrieges anzuregen, und andererseits ein Verbrechensphänomen ins Gedenken zu holen, dem alleine in Österreich über 100 Menschen zum Opfer gefallen sind. Harold D. Brocious, Stephen Cudrak, Levi L. Morrow, Charles R. Westbrook und vermutlich auch Henry Bottoms und Carl F. Ober sind sechs von ihnen.

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1 Der vorliegende Artikel basiert auf den Er-gebnissen des Forschungsprojekts „Flieger-lynchjustiz“, das zwischen 2010 und 2013 am Institut für Geschichte (Zeitgeschichte) der Karl-Franzens-Universität Graz – unter der Leitung von Helmut Konrad – von Nico-le-Melanie Goll und dem Autor durchgeführt wurde. Es wurde durch den Zukunftsfonds der Republik Österreich, die Länder Steier-mark, Tirol und Burgenland, die Stadt Graz, die Karl-Franzens-Universität Graz und die Dietrich W. Botstiber Foundation gefördert. Besonderer Dank gilt dabei Nicole-Melanie Goll, Helmut Konrad, Dieter Binder, John Boyer und Jerry Whiting sowie den Förderge-bern.

2 In Webling soll der Haß schweigen, in: Kleine Zeitung, 24.10.1959, 6.

3 Ebenda.4 Kanadischer Fliegerleutnant wurde bei

Gröbming verborgen, in: Kleine Zeitung, 23.8.1959, 9.

5 Rätsel um den Kanadier noch ungelöst, in: Wiener Zeitung, 23.8.1959.

6 Männer, die dem Mordbefehl trotzten, in: Neue Zeit, 12.9.1959, 7.

7 Tatsächlich lautete die richtige Schreibweise des Namens „MacDonell Moore“. Dieser war entgegen der medialen Behauptungen kein Ka-nadier, sondern US-Amerikaner.

8 Diese sind Untersuchungsgegenstand des vom Land Steiermark und dem Zukunftsfonds Ös-terreich geförderten Forschungsprojektes „Ge-dächtnisort Bombenkrieg. Gesellschaftliche Erinnerungsdiskurse des alliierten Luftkrie-ges in Österreich“, das von Nicole-Melanie Goll und dem Autor des vorliegenden Beitra-ges von 2015–2017 an der Karl-Franzens-Uni-versität Graz durchgeführt wird.

9 Dazu: Heidemarie UHL: Erinnern und Verges-sen. Denkmäler zur Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs in Graz und der Steiermark, in: Stefan RIE-SENFELLNER, Heidemarie UHL (Hgg.): To-deszeichen. Zeitgeschichtliche Denkmalkultur in Graz und in der Steiermark vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Wien et al. 1994, 111–197, hier: 129f.

10 Vgl. ebenda: 195.11 In Webling soll der Haß schweigen, in: Kleine

Zeitung, 24.10.1959, 6.12 Siehe Bundesarchiv Berlin (BArchB), NS

6/350, Volksjustiz gegen anglo-amerikanische Mörder, 30.5.1944.

13 Dazu ausführlich: Georg HOFFMANN: Flie-gerlynchjustiz. Gewalt gegen abgeschosse-ne alliierte Flugzeugbesatzungen 1943–1945 (= Krieg in der Geschichte, 88), Paderborn 2015.

14 Zwei der wenigen Beispiele sind: Barbara GRIMM: Lynchmorde an alliierten Fliegern im Zweiten Weltkrieg, in: Dietmar SÜSS (Hg.): Deutschland im Luftkrieg. Geschich-te und Erinnerung, München 2006, 71–84; Klaus-Michael MALLMANN: „Volksjustiz gegen anglo-amerikanische Mörder“. Die Massaker an westalliierten Fliegern und Fall-schirmspringern 1944/45, in: Alfred GOTT-WALDT, Norbert KAMPE, Peter KLEIN (Hgg.): NS-Gewaltherrschaft. Beiträge zur historischen Forschung und juristischen Auf-arbeitung (= Publikationen der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz, 11), Berlin 2005, 202–213.

15 Vgl. etwa Hans MOMMSEN: Moralisch, stra-tegisch, zerstörerisch, in: Lothar KETTENA-CKER (Hg.): Ein Volk von Opfern? Die neuen Debatten um den Bombenkrieg 1940–45, Ber-lin 2003, 145–152, hier: 148.

16 Dazu beispielsweise: Maximilian CZESANY: Alliierter Bombenterror. Der Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung Europas 1940–1945, Le-oni 1986; Björn SCHUHMACHER: Die Zer-störung deutscher Städte im Luftkrieg: „Mora-le Bombing“ im Visier von Völkerrecht, Moral und Erinnerungskultur, Graz 2008.

17 Siehe Jörg FRIEDRICH: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945, Berlin/München 2002.

18 Dazu u. a.: Jörg ARNOLD: The Allied Air War and Urban Memory. The Legacy of Strategic Bombing in Germany (= Studies in the Social and Cultural History of Modern Warfare, 35), Cambridge 2011; Ralf BLANK: Kriegsalltag und Luftkrieg an der „Heimatfront“, in: Jörg ECHTERNKAMP (Hg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, 9/1, München 2005, 357–464; Dietmar SÜSS: Tod aus der Luft. Kriegsgesellschaft und Luftkrieg in Deutsch-land und England, München 2011; Malte THIESSEN: Eingebrannt ins Gedächtnis. Hamburgs Gedenken an Luftkrieg und Kriegs-ende 1943 bis 2005 (= Forum Zeitgeschichte, 19), Hamburg 2007.

19 Siehe Anmerkung 1 sowie Georg HOFF-MANN: Fliegerlynchjustiz.

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20 Siehe Siegfried BEER, Stefan KARNER: Der Krieg aus der Luft. Kärnten und Steiermark, Graz 1992, 327–330; Walter BRUNNER: Bomben auf Graz. Die Dokumentation Weiss-mann (= Veröffentlichungen des Steiermärki-schen Landesarchivs, 18), Graz 1989, 334f.

21 Zum aktuellen Stand der österreichischen For-schung auszugsweise: Thomas ALBRICH: Luftkrieg über der Alpenfestung 1943–1945. Der Gau Tirol-Vorarlberg und die Operations-zone Alpenvorland, Innsbruck 2014; Markus REISNER: Bomben auf Wiener Neustadt. Die Zerstörung eines der wichtigsten Rüstungs-zentren des Deutschen Reiches – Der Luft-krieg über der „Allzeit Getreuen“, Berndorf 32014; Gerwin STROBL: Bomben auf Oberdo-nau. Luftkrieg und Lynchmorde an alliierten Fliegern im „Heimatgau des Führers“ (= Ober-österreich in der Zeit des Nationalsozialismus, 13), Wien 2014; Johann ULRICH: Der Luft-krieg über Österreich 1939–1945 (= Militärhis-torische Schriftenreihe, 5/6), Wien 1994.

22 Vgl. Kid C. CARTER, Robert MUELLER (Hgg.): The Army Air Forces in World War II. Combat Chronology 1941–1945, Washington 1991, 588.

23 Zur 15th USAAF: Kevin MAHONEY: Fifteenth Air Force against the Axis. Combat Missions Over Europe During World War II, Lanham 2013; Kenneth C. RUST: Fifteenth Air Force Story in World War II, Temple City 1978.

24 Vgl. BRUNNER: Bomben, 126–129.25 Dazu ausführlich: Arthur B. FERGUSON: Big

Week, in: James L. CATE, Wesley F. CRA-VEN (Hgg.): The Army Air Forces in World War II, 3, Washington DC 1983, 30–66.

26 Dazu ausführlich: Horst BOOG: Strategischer Luftkrieg in Europa und Reichsluftverteidi-gung 1943–1944, in: Horst BOOG, Gerhard KREBS, Detlef VOGEL (Hgg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, 7, Stuttgart 2001, 3–415, hier: 112–133.

27 Dazu: BRUNNER: Bomben, 159–199.28 Vgl. ebenda: 200–394.29 Vgl. ebenda: 333. 30 Zur Wahrnehmung des Bombenkrieges über

Graz siehe die Analyse von Tagebüchern und Briefen: HOFFMANN: Fliegerlynchjustiz, 75–81.

31 Vgl. BRUNNER: Bomben, 333.32 Dazu: HOFFMANN: Fliegerlynchjustiz, 84–

102.33 Vgl. Bernhard GOTTO: Kommunale Kri-

senbewältigung, in: Dietmar SÜSS (Hg.): Deutschland im Luftkrieg. Geschichte und Er-innerung, München 2006, 41–56.

34 Dazu: Nicole-Melanie GOLL, Georg HOFF-MANN: „Terrorflieger“. Deutungen und Wahrnehmungen des Strategischen Luftkrie-ges in der nationalsozialistischen Propaganda am Beispiel der sogenannten „Flieger-Lynch-justiz“, in: Journal for Intelligence Propaganda and Security Studies, 1, Graz 2011, 71–86.

35 Als Beispiel: Sie sind die Avantgarde der Ra-che, in: Tagespost, Graz 20.2.1945, 4.

36 Vgl. SÜSS: Tod, 451–481. Als Beispiel sei hier eine entsprechende Beisetzungszeremonie von Bombenopfern am 22. März 1944 in Graz an-geführt. Siehe dazu: Euch die Ehre, uns die Pflicht, in: NSG für den Gau Steiermark, Folge 70/44, 23.2.1944, 1.

37 Vgl. HOFFMANN: Fliegerlynchjustiz, 102–108.

38 Sie sind die Avantgarde der Rache, in: Tages-post, 20.2.1945, 4.

39 Siehe ausführlich: HOFFMANN: Fliegerlynch-justiz, 84–102.

40 Als Beispiel: Schluss mit den Kindermördern, in: Marburger Zeitung, 30.5.1944, 2.

41 Sie sind die Avantgarde der Rache, in: Tages-post, Graz 20.2.1945, 4.

42 Luftgangster bezeichnen sich selbst als „Mör-derverein“, in Oberdonau-Zeitung, Linz 24.12.1943, 2.

43 Die Gangster nennen sich selbst „Mordverein“, in: Völkischer Beobachter (Wiener Ausgabe), Wien 21.12.1943, 1.

44 Derartige Gerüchte hielten sich hartnäckig und wurden zu einem festen Bestandteil der Erin-nerung an den Bombenkrieg, wie die Aussa-gen zahlreicher Zeitzeuginnen und Zeitzeugen belegen. Als Beispiel einer medialen Themati-sierung: Der Feind wirft Explosivfüller. Spiel-zeug, das unsere Kinder verstümmeln soll – El-tern warnt!, in: Marburger Zeitung, 7.3.1945, 2.

45 Siehe dazu ausführlich: HOFFMANN: Flie-gerlynchjustiz, 170–173.

46 Vgl. Helmut HEIBER (Hg.): Goebbels Reden 1932–1945, 2, Bindlach 1991, 336.

47 Ein Wort zum feindlichen Luftterror, in: Ober-donau-Zeitung, Linz 28./29.5.1944, 2.

48 Siehe BArchB, NS 19/344, An alle Dienststel-len der SS und Polizei, 10.8.1943, sowie Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München (IfZ), Nürnberger Dokumente, PS 3855, Rundschrei-ben Chef SiPo und SD, 5.4.1944.

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49 Dazu: HOFFMANN: Fliegerlynchjustiz, 173f.50 Siehe ebenda sowie Internationaler Militär-

gerichtshof Nürnberg: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg, 6, Nürnberg 1947, 404.

51 National Archives and Records Administration College Park (NARA), RG 549/290/59/19/2-3, Bx. 10, Case 5–107, Niederschrift Johann K., 15.8.1945, vgl. HOFFMANN: Fliegerlynchjus-tiz, 224.

52 Ebenda: 260.53 Aussage von P. gegenüber dem Autor am

16.5.2011.54 Steiermärkisches Landesarchiv (StLA), Pla-

katsammlung, Pl-P-1945-0344, „Was sagt Ihr dazu?“.

55 Siehe NARA, RG 92, MACR 12904.56 Privatbestand, Brief James M. Crockett, India-

napolis 17.7.1945.57 Schilderung von MacDonell Moore gegenüber

dem Autor am 27.9.2012.58 Pilot Flimsy, 4th March 1945, abrufbar: http://

www.484th.org/Missions/March_1945.html (aufgerufen am 18.6.2016).

59 Siehe NARA, RG 92, MACR 12904, Crew-list.60 In Gösting kam bei diesem Angriff die 36-jäh-

rige Paula Kropic ums Leben. Vgl. Walter BRUNNER: Die Bombentoten von Graz 1941–1945. Aus der Dokumentation Weissmann, in: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesar-chivs, 39, Graz 1989, 103–239, hier: 135.

61 Schilderung von MacDonell Moore gegenüber dem Autor am 27.9.2012.

62 Ebenda.63 Ebenda.64 Schilderungen von L. gegenüber dem Autor

am 20.9.2012.65 Aussage von P. gegenüber dem Autor am

16.5.2011. Zu Wilhelm Schweitzer: HOFF-MANN: Fliegerlynchjustiz, 332–340.

66 Zu beiden Personen ausführlich: ebenda: 340–346.

67 Siehe NARA, RG 549/290/59/19/2-3, Bx. 6, Case 5–66, Niederschrift Gottfried Einspieler, 28.6.1945.

68 Siehe ebenda, Niederschrift Karl Luley, 29.11.1945.

69 Siehe NARA, RG 260/390/53/34/20, Bx. 2, Case WC-31, Aussage Markus Lienhart, 59, 18.6.1946.

70 Aussage von P. gegenüber dem Autor am 16.5.2011.

71 Ebenda.

72 Siehe NARA, RG 153/270/01/14/6, Bx. 69, Case 5–161, Aussage Engelbert Sagmeister, 8f., 24.5.1948.

73 NARA, RG 549/290/59/19/2-3, Bx. 6, Case 5–66, Niederschrift K., Polizeiposten 6a Strassgang, 26.8.1945.

74 Ebenda, Niederschrift Walter F., 6.8.1945.75 Siehe NARA, RG 153/270/01/14/6, Bx. 69,

Case 5–161, Aussage Willi Schweitzer, 144f., 29.5.1948.

76 Vgl. NARA, RG 549/290/59/19/2-3, Bx. 6, Case 5–66, Niederschrift Anton K., 26.8.1945; eben-da, Niederschrift Walter F., 6.8.1945; ebenda, Niederschrift Anton W., 29.11.1945.

77 Vgl. ebenda.78 Siehe NARA, RG 260/390/53/34/20, Bx. 2, Case

WC-31, Niederschrift Leopold T., 6.8.1945.79 Siehe NARA, RG 549/290/59/19/2-3, Bx. 6,

Case 5–66, Aussagen Emil T., 30.11.1945 so-wie August G., 29.11.1945.

80 Vgl. ebenda.81 Dazu ausführlich: HOFFMANN: Fliegerlynch-

justiz, 245.82 Schilderungen von L. gegenüber dem Autor

am 20.9.2012.83 Aussage von MacDonell Moore in einem Ge-

spräch mit dem Autor am 27.9.2012.84 Schilderungen von L. gegenüber dem Autor

am 20.9.2012.85 Aussage von MacDonell Moore in einem Ge-

spräch mit dem Autor am 27.9.2012.86 Vgl. Adelheid RÜTER-EHLERMANN, Chris-

tiaan F. RÜTER (Hgg.): Justiz und NS-Verbre-chen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1966, XVIII, Amsterdam 1978, Lfd. Nr. 524, 4 Ks 2/61, 18.

87 Siehe ebenda: 19. Auch erwähnt in: BEER, KARNER: Krieg, 328.

88 Privatbestand L, Niederschrift Pol.Ray.Insp. L., Graz, 20.4.1947.

89 Siehe u. a.: Zwei Grazer Polizeibeamte trotz-ten dem Erschießungsbefehl, in: Kleine Zei-tung, 22.8.1959, 9f. Inhaltlich übernommen in: BEER, KARNER: Krieg, 328–330.

90 Aussage von MacDonell Moore in einem Ge-spräch mit dem Autor am 27.9.2012.

91 Ebenda.92 Ebenda.93 Ebenda.94 Siehe u. a.: Grazer Polizeibeamte riskierten

ihren Kopf, in: Südost-Tagespost, 22.8.1959, 6, sowie BEER, KARNER: Krieg, 330.

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95 Aussage von MacDonell Moore in einem Ge-spräch mit dem Autor am 27.9.2012.

96 Schilderungen von L. gegenüber dem Autor am 20.9.2012.

97 Aussage von MacDonell Moore in einem Ge-spräch mit dem Autor am 27.9.2012.

98 Ebenda.99 Ebenda.100 Ebenda.101 Privatbestand, Brief James M. Crockett, Indi-

anapolis 17.7.1945.102 Siehe The National Archives Kew Gardens,

UK (TNA), WO 310/99, Execution of British and American Airmen at Wetzelsdorf.

103 Vgl. Thomas RAITHEL: Die Strafanstalt Landsberg am Lech und der Spöttinger Fried-hof (1944–1958), München et al. 2009, 33.

104 NARA, RG 153/270/01/14/6, Bx. 64, Case 5–134, Picture 1.

105 Siehe NARA, RG 153/270/01/14/6, Bx. 69, Case 5–161, Sentence, 193, 30.5.1948.

106 Dazu: HOFFMANN: Fliegerlynchjustiz, 339f.107 Siehe u. a.: Barbara STELZL-MARX, Ent-

nazifizierung in Österreich. Die Rolle der sowjetischen Besatzungsmacht, in: Wolfgang SCHUSTER, Wolfgang WEBER (Hgg.): Ent-nazifizierung im regionalen Vergleich, Linz 2004, 431–454, hier: 446.

108 Vgl. Heimo HALBRAINER, Thomas KAR-NY: Geleugnete Verantwortung. Der „Henker von Theresienstadt“ vor Gericht, Grünbach 1996, 20.

109 Eines der Hauptargumente der Verteidigung von Franz Lienhart lautete: „Ich denke, dass ich sehr aufgeregt und aufgebracht war, da ich oftmals Opfer der Bombardierung in dieser Gegend aus den Ruinen ausgegraben hatte.“ NARA, RG 549/290/59/19/2-3, Bx. 6, Case 5–66, Aussage Franz Lienhart, 30.11.1945.

110 Vgl. Harald WELZER: Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden, Frankfurt/Main 2005, 206.

111 Dazu: Raphael GROSS, Werner KONITZER: Geschichte und Ethik. Zum Fortwirken der nationalsozialistischen Moral, in: Mittelweg, 36, 8, Hamburg 1999, 4, 44–67.