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Der Fränkische Reichskreis Haus der Bayerischen Geschichte Rudolf Endres

Der Fränkische Reichskreis - hdbg.de · Johann Samuel Götzinger angefertigt. Die Vorderseite zeigt die Brustbilder der Markgrafen Georg Friedrich d.Ä. und Alexander mit den Jahreszahlen

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Der Fränkische Reichskreis

Haus der Bayerischen Geschichte

Rudolf Endres

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Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur 29 Herausgegeben vom Haus der Bayerischen Geschichte

© 2003 Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg www.hdbg.de

Redaktion: Evamaria Brockhoff, Wolfgang Jahn Bildredaktion: Claudia Siegel-Weiß Gestaltung: Wolfgang Felber, Evamaria BrockhoffUmschlaggestaltung: Wolfgang Felber, vgl. Abb. S. 7 (Vorderseite) und S. 8 (Rückseite) Offsetlithografie: Sycom/KSL Druckvorstufen GmbH, Kirchheim Druck und Bindung: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany ISBN 3-927233-89-7

Gedruckt auf umweltschonend hergestelltem Papier „Symbol Freelife Satin“ von Fedrigoni Deutschland

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Inhalt

Vorwort 4

Die Entstehung des Kreises 6Die Zusammensetzung des Kreistags 6Die Organisation des Kreistags 9Die Landfriedenswahrung 12Das Wehrwesen 13Die Assoziationen 18Der Kreis im Dreißigjährigen Krieg 19Die Finanzen des Kreises 20Die Münzordnungen 21Die große Hungersnot 1570–1575 – die Wirtschaftsunion 23Die Policey-Ordnung von 1572 29„Diebe, Räuber, Zigeuner, Jauner, Betteljuden,

und herrenloses Gesindel“ 29Erneute Hungerkrise 1770–1772 31Der Straßenbau 32Die Mainschifffahrt 33Gesundheitswesen und Seuchenbekämpfung 35Letzte Reformen 36Der Kreis als regionales Bindeglied 37Das Ende des Kreises 38

Glossar 40Literatur 42

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Vorwort

„Die Kreise waren diejenige Institution, die allein das alternde Reich nochzu praktischen Leistungen befähigt haben.“ So beurteilte Christian AugustBeck, Lehrer des späteren Kaisers Joseph, kurz vor ihrer Auflösung einepolitische Einrichtung, die als konstituierendes Element – teils sogar als das„eigentlich dynamische, neue Akzente setzende Element“ – in der Verfas-sung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation anzusehen ist. Vonden endgültig 1512 etablierten zehn Reichskreisen galt Franken als „der erstund furnembst“ – ein Hinweis auf die Königsnähe der fränkischen Territo-rien ebenso wie auf die geografische Lage „in der Mitte des Reichs“. Umge-ben von sechs Kreisen sowie dem Königreich Böhmen bildete Franken so-zusagen das Zentrum des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation.

Rudolf Endres ist es zu verdanken, dass dieses Heft nicht zu einer trocke-nen Institutionengeschichte geraten ist, sondern durch konkrete Anschau-ung erst sichtbar macht, dass die Entstehung von Strukturen immer auchder geschichtlichen Realität, den Erfordernissen des Alltags geschuldet ist.Es waren die „innenpolitisch“ brisanten Themen, die im Reich mit seinenunzähligen Herrschaften in einem größeren, grenzüberschreitenden Rah-men gelöst werden mussten. In Franken, aber nicht nur hier, waren es dieFinanzkrisen, die schweren Hungersnöte von 1570/75, das drängende so-ziale Problem der „Miseri et Mali“, das Gesundheitswesen in Zeiten unbe-herrschbarer Seuchengefahren, der für eine florierende Wirtschaft unab-dingbare Ausbau der Verkehrswege zu Land und zu Wasser – alles Fragen,die im Hinblick auf eindeutige und einheitliche Entscheidungen für ein Ge-biet wie Franken, das sich aus bis zu 27 Territorien zusammensetzte, eineungleich größere Herausforderung darstellten als dies in weitaus geschlos-seneren Gebieten wie Bayern oder Sachsen der Fall war. Der FränkischeReichskreis konnte nur funktionieren, wenn es gelang eine – wie RudolfEndres betont – Balance herzustellen. Das Agieren des Kreises musste aufAusgleich der politischen, wirtschaftlichen, konfessionellen Interessen derbis zu 43 im Kreistag vertretenen Landesherren zielen, um in dieser fragi-len Gemengelage die Konflikte lösen und durchsetzbare Entscheidungen treffen zu können.

In der Zeit seines 300-jährigen Bestehens tagte der Fränkische Reichs-kreis 322 Mal, nicht mitgerechnet die zahlreichen Deputationstage. Er hattesich mithin zu einem nahezu dauerhaft tagenden Gremium entwickelt, eineArt Immerwährender Kreistag. Welches Gewicht die Kreise als Institutiongewonnen haben, ist auch aus der Tatsache ersichtlich, dass sie im Dreißig-jährigen Krieg bestehen blieben. Da die Kreise das Heer aufzustellen hat-ten, waren sie ein wichtiger Machtfaktor und konnten eine eigene Bünd-nispolitik verfolgen.

Am erfolgreichsten aber war der Fränkische Reichskreis in der Ausbil-dung eines eigenen Wirtschaftsraums, in dem Zollfreiheit herrschte und dasMünzwesen vereinheitlicht wurde: freier Warenverkehr, „Währungsstabi-lität“, starke Regionen, die mit einem eigenständigen und wirkungsmäch-tigen Instrumentarium Problemlösungen finden, ohne die größere Einheitaus den Augen zu verlieren – nicht von ungefähr denkt man an das Euro-pa dieser Tage. Und auch die genau austarierte Zusammensetzung desKreistags, die zeremoniell anmutenden Sitzungsabläufe und kompliziertenOrganisationsstrukturen lassen an heute denken.

Dass der Fränkische Reichskreis zunehmend identitätsstiftend war undfür die verschiedenen Herrschaftsgebiete, die „Creiß-Unterthanen“, das Ver-bindende darstellte, steht außer Frage. Und es war auch ein Franke, der denAnstoß für dieses Heft gab und sich für sein Gelingen eingesetzt hat. Wir

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danken Herrn Dr. Manfred Scholz, MdL, für sein Engagement in dieser„fränkischen Sache“.

Nicht fehlen soll der Hinweis auf die 2004 im Pfalzmuseum in Forchheimstattfindende Landesausstellung über Franken im Mittelalter, welche sichdie Zeit vom „Gräberfeld zur Fürstenbank“ vorgenommen hat. Die Skizzender Ausstellungsgestalter am Ende des Heftes geben einen ersten Eindruckvon der Themenvielfalt, die die Besucher ab Mai 2004 in Forchheim undauf dem eigens entwickelten KulTour-Pfad an rund dreißig Stationen imganzen Land erwartet.

Evamaria Brockhoff, Wolfgang Jahn

Vorwort 5

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Die Entstehung des Kreises

Franken, eines der staufischen Kernlande, zeichnete sich seit dem Hoch-mittelalter durch eine ausgeprägte Königsnähe aus. Als Landbrücke zwi-schen den Gebieten am Mittelrhein und Böhmen blieb es später auch fürden Luxemburger Karl IV. und seine Territorialpolitik von besonderemRang.

Seit 1340 werden durch die Landfriedenseinungen, an denen in Frankenauch der König maßgeblich beteiligt war, gemeinsame Sicherheitsinteressenund ein verstärktes Zusammengehörigkeitsbewusstsein in der Region zwi-schen Odenwald und Fichtelgebirge in den Quellen fassbar. Diese von demVorgehen gegen das Fehdewesen ausgehende Tendenz zu einer dauerhaf-ten landschaftlichen Zusammenfassung und Einheit in Franken wurde imausgehenden Mittelalter durch die Reichsreform noch verstärkt.

Gerade der durch Landfriedenseinungen zusammengeschlossene fränki-sche Raum bildete eine feste Größe bei der Bestimmung der Wahlbezirkefür die Räte zum Reichsregiment Kaiser Maximilians I. im Jahr 1500. Fran-ken wurde als „der erst und furnembst“ Kreis bezeichnet. Diese Nennungan erster Stelle weist nicht nur auf die traditionelle Königsnähe hin, sondernauch auf die zentrale Lage mitten im Reich. Denn nach der seit 1512 weit-gehend definitiven Einteilung des Reichs in insgesamt zehn Kreise warFranken umgeben von sechs weiteren Nachbarkreisen und dem KönigreichBöhmen.

Alle Reichskreise beruhten grundsätzlich auf einer gemeinsamen, einheit-lichen Rechtsgrundlage. Durch Reichsabschiede wurde seit den Reform-maßnahmen des Jahres 1500 der Aufgabenbereich der Kreise immer genauer definiert und erweitert und auch ihre innere Struktur stärker ver-dichtet. Somit waren die Reichskreise primär ein Element der Reichsver-fassung und „vielleicht das wichtigste Produkt der Reichsreform“. Zugleich lässt sich – gerade am Fränkischen Kreis – aufzeigen, wie einzelneKreise innerhalb dieser vom Reich vorgegebenen einheitlichen verfassungs-rechtlichen Rahmenbedingungen eine mehr oder minder starke Eigen-dynamik bei der konkreten Ausgestaltung und Ausprägung ihres Wirkungs-bereichs entfalten konnten. Während einerseits die Auffassung vertretenwird, die Kreise seien keine selbstständigen Einrichtungen, sondern nur„ausführende Organe“ der Reichsverwaltung gewesen, so sieht andererseitsdie jüngere Geschichtswissenschaft in den Kreisen, neben den Territorien,immer mehr auch „verfassungsrechtlich das eigentlich dynamische, neueAkzente setzende Element im Reich“.

Die Zusammensetzung des Kreistags

War der Kreis im Jahr 1500 zunächst nur durch die Fürsten und ihre Herr-schaftsgebiete bezeichnet worden, so trat um 1521 durch § 19 der Reichs-regimentsordnung eine konkrete, bis zum Ausgang des 18. Jahrhundertsdauerhafte territoriale Abgrenzung und Festschreibung aller einzelnen Mit-glieder ein. Demnach zählten zum Fränkischen Kreis vor allem die folgen-den, in vier „Bänke“ getrennten Territorien: 1. Auf der Bank der geistlichen Fürsten stand an herausragender Stelle dasexemte, nur dem Papst unterstellte, Hochstift Bamberg, welches das Direk-torium ausübte, die Kreiskanzlei und das Archiv verwaltete. Das – mehrmalsin Personalunion mit Bamberg verbundene – Hochstift Würzburg übertraf

Die Zusammensetzung des Kreistags6

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zwar flächenmäßig, wirtschaftlich und nach der Höhe seiner Matrikular-beiträge die anderen fränkischen Territorien, aber es war nicht gelungen,aus dem Titel eines „Herzogs zu Franken“ einen höheren Rang herzuleiten.Neben Bamberg und Würzburg hatten noch der Bischof von Eichstätt undder Hochmeister des Deutschen Ordens in der Ballei Franken ihren Sitz aufder geistlichen Fürstenbank. 2. Die Bank der weltlichen Fürsten nahmen zunächst allein die 1415 ge-fürsteten hohenzollerschen Markgrafen von Brandenburg mit den beidenLinien Ansbach und Kulmbach (Bayreuth) ein sowie die drei Linien derschon 1310 gefürsteten Grafen von Henneberg. Den Hohenzollern als dem

Der erste und größte Teil des Fränki-schen Reichskreises umfasste ab 1522die Hochstifte Bamberg, Würzburg undEichstätt, die zollerischen FürstentümerAnsbach und Kulmbach sowie dieReichsstädte Nürnberg, Rothenburg,Windsheim, Schweinfurt und Würzburgsamt den Reichsdörfern Gochsheim undSennfeld. Dazu kamen die in Frankenansässigen Grafen und Herren. Vonletzteren stiegen etliche, wie dieSchwarzenberg und Hohenlohe, in derFolgezeit in die weltliche Fürstenbankauf. Die fränkische Ritterschaft hielt sichjedoch bis zum Ende des Alten Reichs1806 fern und baute mit den sechsreichsritterschaftlichen Kantonen eineeigene Organisation auf. Der Kreistagder fränkischen Stände fand bevorzugtin der Reichsstadt Nürnberg statt.Kolorierter Kupferstich (Staatsarchiv Nürn-berg, Karten und Pläne, Allgemeine Reihe0100)

Die Zusammensetzung des Kreistags 7

Die Medaille wurde anlässlich der Vereinigung der beiden Fürstentümerdes Burggraftums Nürnberg ober- undunterhalb des Gebirgs im Jahr 1769durch den Ansbacher MünzschneiderJohann Samuel Götzinger angefertigt.Die Vorderseite zeigt die Brustbilder derMarkgrafen Georg Friedrich d.Ä. undAlexander mit den Jahreszahlen derVereinigungen 1557 und 1769. Auf derRückseite ist ein Tisch mit der aufge-schlagenen Urkunde und zwei burg-gräflichen Wappen mit Fürstenhut dar-gestellt. Kupferstich aus Johan Jakob Spies: Brandenburgische historische Münz-belustigungen III., Ansbach 1770, S. 105 (Staatsarchiv Nürnberg)

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vornehmsten weltlichen Stand war das Mitausschreibeamt übertragen undin der Regel wurden sie auch zum Kreisobristen gewählt. Im Zuge weitererFürstenerhebungen durch den Kaiser, der insbesondere die katholischePartei stärken wollte, traten im 17. und 18. Jahrhundert noch die einstigenGrafen von Schwarzenberg (1671 gefürstet), Löwenstein-Wertheim (1711gefürstet) und Hohenlohe-Waldenburg (1746 gefürstet) hinzu. 3. Ursprünglich zählten diese drei zuletzt genannten zu der Bank der Gra-fen und Herren, von denen unter anderen die Hohenlohe(-Neuenstein),die Castell, die Erbach, die Schenken von Limpurg, die Grafen von Dern-bach, von Giech und schließlich die Schönborn zu nennen sind. 4. Unter den Städten hatte Nürnberg, wo sich bald die Kreiskasse und dasKreiszeughaus befanden, eine unbestrittene Führungsposition, der sich diekleineren fränkischen Reichsstädte Rothenburg, Windsheim, Schweinfurtund Weißenburg in der Regel anschlossen. Die wechselseitigen Verflechtungen mit den benachbarten Kreisen wurdendadurch verstärkt, dass einige fränkische Dynastien ausstarben und an ihrerStelle auswärtige Adelsgeschlechter Territorien in Franken erwarben und da-durch auch Sitz und Stimme im Kreis erhielten. Hierzu gehören die schwä-bischen Grafen von Löwenstein als Erben der Grafen von Wertheim (1556),das kurrheinische Erzstift Mainz als Erbe der Grafen von Rieneck (1559), dieobersächsischen Wettiner und die oberrheinischen Landgrafen von Hessen-Kassel als Erben der Grafen von Henneberg (1583) und schließlich die 1668neu aufgenommenen bayerischen Grafen von Wolfstein.

Seit der Reformation war die konfessionelle Spaltung auch für den Frän-kischen Kreis kennzeichnend, allerdings besaßen weder die Katholikennoch die Protestanten eine klare Vorherrschaft: Den Hochstiften und demDeutschen Orden standen insbesondere die beiden zollerischen Fürsten-tümer und die überwiegend evangelisch-lutherischen Reichsstädte gegen-über. Die territoriale Gemengelage und die engen wirtschaftlichen Ver-flechtungen erforderten über alle Differenzen hinweg jedoch immer wieder

Georg Paul Hönns beschreibt in seinemLexicon topographicum alle Städte, Klöster, Schlösser, Märkte und Dörfer des Fränkischen Reichskreises, unter-gliedert nach Zugehörigkeit zu Bistü-mern, Markgrafschaften, Grafschaftenoder Fränkischen Reichsstädten. Er informiert über Besitzverhältnisse,Sehenswürdigkeiten und Merkwürdig-keiten ebenso wie über Glücks- und Unglücksfälle, die sich bis in die Mittedes 18. Jahrhunderts ereigneten. (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Bibl., 8° G. 4580)

Die Zusammensetzung des Kreistags8

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neue Formen der Koexistenz und Kooperation. Während die Bischöfe dieMitgliedschaft im Kreis ursprünglich nur auf die Fürsten beschränkt sehenwollten, gelang es den Markgrafen auch für die – in der Mehrzahl protes-tantischen – fränkischen Grafen und Herren erweiterte Mitspracherechte imKreis zu erwirken. Der stete Gegensatz zwischen den Bischöfen und denevangelischen Markgrafen trug entscheidend dazu bei, dass die fränkischenGrafen ein eigenes Grafenkollegium im Rahmen der Kreisverfassung kon-stituieren konnten, das 1641 auch eine Kuriatstimme im Reichstag erhielt.

Gerade die „mindermächtigen“ Stände leisteten somit einen erheblichenBeitrag zur Stabilisierung des Kreises, in dem sie auch einen gewissenSchutz gegen Übergriffe und einen Garanten ihrer Rechte sahen. Ihre Ver-treter trafen sich vielfach schon im Vorfeld der allgemeinen Kreiskonvente,um auf eigenen Grafen- bzw. Städtetagen gemeinsame Verhandlungslinienzu vereinbaren und so ihre Interessen angemessen zur Geltung bringen zukönnen.

Kennzeichnend für den Fränkischen Kreis war also seine ausgeprägtepolitische, konfessionelle und wirtschaftliche „Balance“. Er wurde nicht – wie zum Beispiel der Bayerische oder der Sächsische Kreis – von einemeinzigen mächtigen, armierten Reichsstand dominiert, war aber andererseitsauch nicht – wie etwa der Schwäbische Kreis – durch eine allzu große Anzahl von Mitgliedern in seiner Entscheidungs- und Handlungsfähigkeitbeeinträchtigt.

Insgesamt bestand der Fränkische Reichskreis aus nie mehr als 27 Terri-torien, deren Stimmen im Kreiskonvent jedoch mehrfach geteilt waren, sodass im ausgehenden 17. Jahrhundert bis zu 43 Landesherren im fränki-schen Kreistag vertreten waren. Diese „Balance“ gewährleistete allerdingskeineswegs ein dauerhaftes gegenseitiges Einvernehmen. Am auffälligstenwar das ausgeprägte Konkurrenzdenken zwischen dem Bischof von Bam-berg und den Markgrafen, sowohl in Prestigefragen als auch bei realen Vor-rechten.

Besonders heftig wurde dabei um das Ausschreibeamt gestritten. Auf demAugsburger Reichstag 1559 hatten beide Parteien zwar vereinbart das Aus-schreibeamt gemeinsam auszuüben. Kreistage sollten erst dann einberufenwerden, wenn beide über Tagungsort, Termin und Tagesordnung eine Eini-gung erzielt hätten. Solange der Konvent jedoch tagte, führte Bamberg„Mund und Feder“, behielt sich also die alleinige Leitung, das Direktorium,vor.

Als eine wichtige Einschränkung der politischen und administrativenWirksamkeit ist ferner zu beachten, dass der Fränkische Reichskreis keines-wegs eine flächendeckende, geschlossene Verwaltungseinheit bildete – vonReichsprovinzen zu sprechen, wäre daher etwas irreführend. Nachteiligwirkte sich aus, dass die zahlreichen Reichsritter des Landes zu Frankennicht in die Kreisverfassung integriert waren. Sie unterstanden vielmehr unmittelbar dem Kaiser, konnten durch kaiserliche Privilegien ihre Eigen-ständigkeit noch ausbauen und bildeten eine eigene, in sechs Kantone gegliederte Korporation. Da die Ritterschaft nicht an die Kreisbeschlüssegebunden war, konnten diese ständig unterlaufen werden, und ihre Trup-pen waren nicht in das Kreisheer eingegliedert.

Die Organisation des Kreistags

Die Organisation des Kreistags nach dem Dreikurienschema orientierte sicham Vorbild des Reichstags. Dabei hatte im Kreistag jeder Stand eine volle undinsgesamt gleich gewichtige Stimme. Die Plenarversammlung stimmte nachBänken ab. Bei den Beratungen der einzelnen Bänke fungierte der jeweils

Die Ergebnisse der zahlreichen Ver-handlungen der Mitglieder des Fränki-schen Reichskreises wurden jeweils in Rezessen des allgemeinen FränkischenKreiskonvents schriftlich niedergelegt.(Staatsarchiv Bamberg, Lage 332, Nr. 387)

Die Organisation des Kreistags 9

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Das Plenum des Fränkischen Kreises,die Kreisversammlung, wurde bald zueinem ständigen Gesandtenkongress,der sich vorrangig im Rathaus derReichsstadt Nürnberg versammelte. Lorenz Hess zeigt die Innenansicht desgroßen Rathaussaales nach Westen imJahr 1626.Probierstück für den Nürnberger Rat, Öl/Holz (Fembohaus Nürnberg)

erste Stand als Direktor. Das warenBamberg für die geistlichen Fürsten,Ansbach oder Bayreuth für die welt-lichen Fürsten, Hohenlohe-Neuen-stein für die Grafen und Nürnbergfür die Reichsstädte. Die Vollver-sammlung sollte spätestens alle zweiJahre – vorwiegend in Nürnberg –zusammentreten. In der Praxis aberversammelte man sich weitaus häu-figer. In den Jahren zwischen 1517und 1791 führte der Fränkische Kreisnicht weniger als 322 Versammlun-gen durch. Infolge der ungewöhn-lichen Sitzungsdichte wandelte sichder Kreis immer mehr zu einem nahezu ständig tagenden Gesand-tenkongress, wobei es üblich war,dass ein Gesandter als Bevollmäch-tigter mehrere Stände vertrat.

Der große Rathaussaal – damals einerder größten Säle nördlich der Alpen –erstreckt sich über das ganze Ober-geschoss des 1332 bis 1340 errichteten Traktes. 1520/21 wurde die Holztonnendeckeeingezogen, an der Nordwand wurdendie Gemälde, teilweise nach EntwürfenAlbrecht Dürers, ausgeführt. Bei weiteren Veränderungen 1613 und1620/21 wurden die Südwand bemaltund der mittlere Kronleuchter ange-bracht. (Stadtarchiv Nürnberg, Städtische Bildstelle)

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Dem Kreistag stand der Ge-sandte des Hochstifts Bamberg vor,denn als dem Vertreter des Kreis-direktors kam ihm die Leitung derBeratungen zu. Neben wenigerwichtigen Ehrenrechten, wie Emp-fang fremder Gesandter oder Ent-gegennahme von Schreiben undLegitimationen, verlieh das Amtauch reale Befugnisse, die bei klu-ger Wahrnehmung dem Kreis-direktorium einen ziemlichen Ein-fluss auf die Tagung verleihenkonnten. So hatte das Kreisdirek-torium die jeweiligen Sitzungenanzusagen und legte die Reihen-folge der zu verhandelnden Punk-te fest. Der Kreisdirektor bestimm-te die Tagesordnung, er beschlossden Kreistag und vor allem formu-lierte er die Beschlüsse. Verstandes der bambergische Gesandte, eine Partei zu bilden, so war esleicht möglich, Kreisbeschlüsse inbestimmtem Sinn zu beeinflussen.

Zu jedem der im Ausschreibenangeführten und dann auf die Ta-gesordnung gesetzten Themenwurden die Gesandten nach demRang der Kreisstände gehört. Ausdiesen Voten – die letzte Stimmegab Bamberg als Kreisdirektor ab– wurde das Konklusum, derKreisabschied, gebildet, an den al-le Stände rechtlich gebunden wa-ren. Aber nicht immer hielten sichdie Stände an die Abstimmungs-ordnung, oftmals wurden die Stim-men bei fehlenden Instruktionenauch erst nachträglich abgegeben.Stimmte ein Votum nicht mit derMehrheit überein, so hängte derbetreffende Gesandte mit seinerStellungnahme eine Protestation an das Konklusum an, um damit seine ab-weichende Meinung gleichsam publik zu machen. Einfluss auf den Kreis-beschluss hatte ein solcher Protest jedoch nicht, vielmehr war der wider-sprechende Kreisstand ebenso an den Beschluss gebunden wie auch Kreis-mitglieder, die an den Beratungen nicht teilgenommen hatten. Letztlichaber war es eine Frage der Macht und des Ansehens eines Standes, ob ersich gegen einen majorisierenden Entscheid erfolgreich wehren konnte.

Die Ausführung der Kreisbeschlüsse wurde dem Kreisobristen über-tragen. Dieses erstmals 1530 vorübergehend besetzte Amt wurde 1555 aufDauer eingerichtet. Das Kreisobristenamt bekamen die zollerschen Mark-grafen als machtvollster Kreisstand übertragen, die es in der Regel durch dieBayreuther Linie ausüben ließen. Doch wurde der Kreisobrist von fünfKriegsräten überwacht, von denen zwei die geistlichen Stände sowie je einen die weltlichen Fürsten, Grafen und die Reichsstädte stellten.

In den Jahren 1616 bis 1622 ließ derNürnberger Rat an der Nordseite desRathauses einen frühbarocken Baunach dem Vorbild italienischer Adels-paläste der Spätrenaissance errichten.Der Entwurf stammte vom Stadtbau-meister Jakob Wolff d. J., der das Gebäu-de durch drei Portale mit mächtigen Giebeln gliederte.(Stadtarchiv Nürnberg, Städtische Bildstelle I 30/9/3)

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Neben der Kreisversammlung aller Mitglieder kannte man einen engerenKreistag, der einberufen wurde, wenn unter Zeitdruck Entscheidungen ge-troffen werden mussten oder auch Beratungen vorzunehmen waren, dieweniger wichtig waren und einem kleineren Gremium überlassen werdenkonnten. Auf diese Weise schränkte man die durch die Dauer der Ver-sammlung und die zunehmenden Repräsentationspflichten sehr aufwändiggewordenen Kongresse ein. Meistens war am Kreistag von jeder Bank einMitglied beteiligt, ebenso waren regelmäßig die großen Fürsten und Ständevertreten, denen die schwersten Aufgaben und Lasten zufielen und die des-halb an den Beschlüssen sehr interessiert waren.

Außer allgemeinen und engeren Kreisversammlungen gab es noch sogenannte Deputationstage, die in erster Linie von den Vertretern der Direk-torialstände der vier Bänke besucht wurden. In der Hauptsache wurdenDeputationstage zur Überprüfung der Kreiskasse und ihrer Abrechnungeneingesetzt.

Die Landfriedenswahrung

Die Wurzel für die Herausbildung Frankens als territorialpolitische Einheitlag in der spätmittelalterlichen Landfriedensbewegung, doch selbstwährend des Bauernkriegs 1524/25 und bei der Sickingen-Fehde zeigtesich, dass der Kreis faktisch noch nicht in der Lage war den Landfrieden zuwahren. Ebenso versagte der Kreis trotz erweiterter Kompetenzen, als seinmilitärisch weitaus mächtigstes Mitglied, Markgraf Albrecht Alcibiades, 1552in einem brutalen Expansionskrieg die fränkischen Bistümer und das Land-gebiet der Reichsstadt Nürnberg verheerte. Erst Herzog Moritz von Sachsen

Die Landfriedenswahrung12

Durch die Vermittlung des LandgrafenCarl von Hessen-Kassel kam am 27. Oktober 1712 in Gunzenhausen einVergleich wegen des Kondirectoriums und Mitausschreibeamts des Fränki-schen Kreises zwischen den MarkgrafenGeorg Wilhelm von Bayreuth und Wilhelm Friedrich von Ansbach zu-stande. Die silberne Medaille wurde zurErinnerung an dieses politische Ereignisentworfen und als Kupferstich verviel-fältigt.Silbermedaille: Germanisches National-museum Nürnberg (Med. 3997) Kupferstich der Medaille, wohl 1712(Nürnberg Staatsarchiv, Bildsammlung 120.1)

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konnte die über Albrecht Alcibiades wegen Landfriedensbruchs verhängteReichsacht vollstrecken.

Obwohl die auf dem Augsburger Reichstag 1555 beschlossene Reichs-exekutionsordnung militärische Selbsthilfemaßnahmen im Rahmen derKreisverfassung, insbesondere das „ius armorum“ zuließ, besserte sich dieSituation nicht unmittelbar. In den 1560er-Jahren, bei der Fehde des RittersWilhelm von Grumbach gegen den Bischof von Würzburg scheiterte derFränkische Kreis erneut. Die „Grumbach’schen Händel“ wurden durch dieFürsten, voran August von Sachsen, beendet, obwohl nach der Reichsexe-kutionsordnung die Durchsetzung und Vollstreckung von Reichsgerichts-urteilen ausdrücklich den Kreisen übertragen worden war.

Das Wehrwesen

Da die Kreistruppen entsprechend dem in der Reichsmatrikel 1521 festge-legten Schlüssel von den einzelnen Ständen aufgeboten wurden, war mandarauf angewiesen, dass alle ihr Soll erfüllten. Allerdings bemühten sich ei-nige Stände immer wieder „Moderationen“, also die Herabsetzung ihrerBeiträge, zu erlangen. Einen neuerlichen kräftigen Schub zur Festigung derKreisorganisation und zum Ausbau des Selbstverständnisses als Schicksals-gemeinschaft brachte die Kreisarmatur nach 1681, als gemäß der „Reichs-defensionalordnung“ eine permanente, supraterritoriale Kreisarmee aufge-stellt wurde. Im Dezember 1681 bestimmte der Kreistag die Stärke derKreisarmatur mit 5527 Mann. Einen Teil der Truppen stellten Bamberg undWürzburg in eigenen Einheiten, während der Kreis ein Kürassierregimentzu 520 Mann, ein Dragonerschwadron zu 200 Mann und zwei Infanterie-regimenter zu je 1600 Mann unterhielt. In dieser Stärke rückten die Kreis-truppen zum Entsatz von Wien aus. Die Kosten, die für die Artillerie, Requi-siten, Fuhrwesen, Generalität und Generalstab zu tragen waren, solltennach der Kreismatrikel aufgebracht werden, zu der Bamberg und Würzburgnichts beitrugen, weil sie eigene Truppen stellten. Im Einzelnen hatten zuleisten:

Das Amt des Kreisobristen wurde nachder Wahl der Kreisstände dem vor-nehmsten weltlichen Stand übertragen.Markgraf Alexander führte als Obrist des Fränkischen Kreises das Kommandound die Aufsicht über die Kreistruppen,vollstreckte Urteile der höchsten Kreisge-richte und verhinderte fremde Truppen-werbungen im Kreis. Die Goldmedaillefertigte Johann Samuel Götzinger im Jahr 1765.(Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Med. Gr. 1069)

Das Wehrwesen 13

Gulden Kronen

Eichstätt 256 Deutscher Orden 298 40 Brandenburg (beide Linien) 688 Henneberg-Schleusingen 16 60 37 Henneberg-Schmalkalden 24 Schwarzenberg 32 Hohenlohe (beide Linien) 170 40 Castell 18 40 Wertheim 53 20 Rieneck 29 20 Erbach 42 40 Limburg-Speckfeld 34 40 Limburg-Gaildorf 42 40 Seinsheim 18 40 Dernbach 8 Nürnberg 986 40 Rothenburg 253 20 Windsheim 56 Schweinfurt 98 40 Weißenburg 50

3222 37

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Die Anteile der Kreisstände an den Mannschaftskontingenten wurden nachder Reichsmatrikel berechnet und betrugen:

Kürassiere Dragoner Fußsoldaten

Eichstätt 25 27 440 Deutscher Orden 48 16 256 Brandenburg (beide Linien) 110 37 590 Henneberg-Schleusingen 24 8 126 Henneberg-Römhild 8 3 44 Henneberg-Schmalkalden 3 1 12 Schwarzenberg und Seinsheim 8 3 44 Hohenlohe (beide Linien) 27 9 146 Castell 3 1 16 Wertheim 17 5 90 Rieneck 5 2 24 Erbach 7 2 36 Limburg-Speckfeld 5 2 30 Limburg-Gaildorf 7 2 36 Dernbach 1 — 8 Nürnberg 159 53 846 Rothenburg 41 14 218 Windsheim — 6 96 Schweinfurt 16 5 84 Weißenburg 6 4 58

520 200 3200

Seit 1694 unterhielt der Fränkische Kreis ein stehendes Heer von 2940 Mannzu Pferd und 5703 Mann zu Fuß. Die Mannschaften zu diesem stehendenKreisheer wurden von den einzelnen Kreisständen gestellt, denen auch Be-kleidung und Bewaffnung weitgehend überlassen blieben, was zu dem vielverspotteten bunten Aussehen der Truppe führte.

Direkt vom Kreis verpflichtet wurden dagegen die Offiziere. Dem Kreis-konvent unmittelbar unterstellt waren ferner die Wehrverwaltung, das Sani-tätswesen und das immer wichtiger werdende Obermarschkommissariat,das den Nachschub leitete und dafür einen eigenen Fuhrpark unterhielt.Außerdem wurden aus der Kriegskasse des Kreises die Stäbe und die Artil-leristen bezahlt. Seit 1706 befand sich das Zeughaus des Kreises mit der um-fangreichen Artillerie in Nürnberg. Nicht weniger als 30 Feldzüge verzeich-neten die fränkischen Kreisregimenter allein in den Jahren zwischen 1683und 1714, wobei sie sowohl in Ungarn wie am Rhein in vorderster Frontkämpften und sich auszeichneten. Das stehende Heer des Kreises wurdebis zum Ende des Alten Reichs beibehalten, wobei sich die Hauptaufgabeauf die Besetzung der Reichsfestungen Kehl und Philippsburg erstreckte.

Der Soldat des stehenden Heeres hatte dem Kriegsherrn gegenüber fürseine Dienstleistungen Anspruch auf Lebensunterhalt und vollständige Aus-rüstung. Entweder erfüllte der Kriegsherr diese Ansprüche durch entspre-chende Lieferung oder er löste die Forderungen durch die Besoldung ab.Meist wählte man die Lösung, dass der Kriegsherr die Einheiten und Ver-bände mit Waffen, Gerät und Montur versah, während für den Kauf von Lebensmitteln und sonstige Bedürfnisse den Kriegsvölkern Sold ausgezahltwurde. Das so genannte Militär-Traktament bestand für den Infanteristenaus dem Sold und der Brotportion, manchmal auch aus der vollen Mund-portion, die das tägliche Quantum Brot, Fleisch und Getränk umfasste. DerKavallerist erhielt entsprechend Sold, die Brot- oder Mundportion und fürsein Reittier eine Pferdeportion, die aus einer festgelegten Menge Hafer,Heu und Stroh bestand. Für die Naturalverpflegung hatten die Soldaten

Das Zeughaus des Fränkischen Kreiseswurde nach der Aufstellung einer eige-nen ansehnlichen Kreisartillerie inNürnberg errichtet. Die freie Reichsstadtleistete zur Kreisarmierung den größtenBeitrag. Auch bot sie innerhalb ihrerMauern den besten Schutz für eine sol-che Einrichtung. Hier bewahrte man al-le Ausrüstungsgegenstände auf, die imFeld oder über den Winter nicht ge-braucht wurden.Südliche Giebelseite des Zeughauses, 1834(Stadtarchiv Nürnberg, C7/VIII Nr. 3448)

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Balthasar Neumann (1687–1753) ausWürzburg stand seit 1729 als Obrist-leutnant im Dienst des FränkischenKreises und wurde 1741 zum Oberstder Kreisartillerie ernannt. 1749 wurdeihm die Aufsicht über die gesamte Kreis-artillerie übertragen. Das Porträt vonBalthasar Neumann fertigte der MalerMarcus Friedrich Kleinert im Jahr 1727.(Mainfränkisches Museum, Würzburg)

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In Listen und Tabellen wurde die Zusammensetzung der Truppen festgehalten, teils in statistischer Form, aber auch mit Nennungder Namen und Funktionen einzelner Personen. Musterungstabelle (Staatsarchiv Bamberg, H2, 182a)

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Beträge aus ihrer Gage zu entrichten. Der Sold der einfachen Soldaten undder niedrigen Chargen war sehr gering, während den Offizieren, besondersvom Kompanieinhaber ab, beträchtliche Gelder zuflossen. Die Chargen-häufung bei höheren Stabsoffizieren und Regimentsinhabern warf zudemerhebliche Summen ab.

Rückständige Soldzahlungen, hohe Abzüge, schlechtes, oft ungenieß-bares Brot und ähnliche Missstände erschwerten den Dienst der Kriegsvöl-ker manchmal in einem so hohen Maß, dass es zu Ausschreitungen kamoder Soldaten desertierten.

Die Feldordonanz des Fränkischen Kreises von 1681 gestand jedem Sol-daten zu:

Regimentsstab zu Pferd Monatssold (in Gulden) Pferdeportionen

Oberst 125 16 Oberstleutnant 55 10 Obristwachtmeister 41 8 Regimentsquartiermeister 30 4 Regimentskaplan 21 2 Proviantmeister 15 3 Regimentsfeldscher 18 2 Heerpauker 12 1

Kompanie zu Pferd Monatssold (in Gulden) Pferderationen

Rittmeister 75 10 Leutnant 40 6 Kornett 30 4 Wachtmeister 18 2 Fourier 12 2 Feldscher 12 1 Trompeter 12 1 Reiter 9 —

Kompanie zu Fuß Monatssold (in Gulden) Pferderationen

Hauptmann 60 6 Leutnant 26 4 Fähnrich 22 2 Feldwebel 12 — Fourier 6 — Feldscher 6 — Gefreiter 4 1⁄2 — Spielmann 4 1⁄2 — Gemeiner 4 —

Zur Beschaffung der Naturalverpflegung bedienten sich der FränkischeKreis und die Stände verschiedener Methoden. Die Kreisversammlung be-stimmte von Fall zu Fall, auf welche Art und Weise der Unterhalt der Trup-pen sicherzustellen sei. Als gangbare Wege erwiesen sich die Lieferungender Fürsten und Stände, der Einkauf durch den Oberkommissar des Kreisesoder der Einkauf bei Heereslieferanten. Regelmäßig erhielt derjenige Händ-ler den Zuschlag, der die günstigsten Bedingungen und Preise anbot. Diezum Unterhalt der Truppen durchgeführten Verpflegungstransporte warennach den Reichsbestimmungen zoll- und mautfrei und konnten alle Gren-zen bei der Vorlage ordentlicher Attestate ungehindert passieren. Der Frän-kische Kreis versah seine Händler und Fuhrleute korrekt mit Pässen, dieden freien Einkauf der Nahrungsmittel gestatteten, und stellte Zollbriefeaus, durch welche die Transporte eindeutig als Heeresbedarf deklariertwurden.

Unterschleif und Lieferung von schlechtem Mehl und Hafer kamen oftvor und sie konnten, da der schuldige Lieferant meistens nicht zu ermitteln

1. Fränkisches Curasier Regiment – Trescow

2. Fränkisches Dragoner Regiment – Anspach

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war, niemandem angekreidet wer-den. Ein bequemes Mittel zur Erzie-lung größerer Gewinne war das Anfeuchten des Lieferguts, um dasGewicht zu erhöhen. Beim Mehlmischten die Müller oder Lieferan-ten oft Kalk, Gips, Bohnen- undGerstenmehl, Kleie und Ähnlichesunter.

Zum Fränkischen Kreisheer ge-hörten selbstverständlich auch imTross die Händler, die all jene Wa-ren feilboten, die der Soldat nebender täglichen Verpflegung brauchte.Für die Stimmung und Disziplin wareine ausreichende Versorgung über-aus wichtig, zu der die Marketenderund Händler entscheidend beitru-gen. Ihr Personenkreis wurde des-halb ausdrücklich in den Kriegsarti-keln geschützt und jeder Soldat, derKaufleute, Marketender, Krämer,Metzger oder Bauern behinderte,die Waren in ein Lager bringenwollten, hatte mit empfindlichenStrafen zu rechnen. Die Marketen-der, die mit der Kompanie oderdem Regiment reisten, wurdennicht zu den Soldaten gezählt, un-terlagen aber den Kriegsartikeln. ImFränkischen Kreisheer suchten die

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3. Fränkisches Infanterie Regiment – Kerpen 4. Fränkisches Infanterie Regiment – Schertel 5. Fränkisches Infanterie Regiment – Hohenloh 6. Fränkisches Artillerie Corps – Schlemilch 7. Hohenzollerisches Curasier Regiment – Hohenzollern (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Bibl. 8° Kr. 27)

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Zur Zeit des Spanischen Erbfolgekriegslag der Rothenberg als bayerische Vestemitten im Nürnberger Territorium. ImFränkischen Kreis trat Nürnberg alstreibende Kraft gegen Kurfürst MaxEmanuel auf. Bereits ab 1702 hattendie Kreisstände zur Belagerung des Rothenbergs einen großen Vorrat anMunition, an Kanonen, Kugeln, Pulver,Blei etc. im Nürnberger Zeughaus ange-legt. Nach der Belagerung im Jahr 1703 gelang es schließlich, die Veste einzu-nehmen und zu schleifen. (Stadtarchiv Nürnberg, B 11, Ratskanzlei, 621, Blatt 138)

Regimentskommandanten für jede Kompanie nach einem Marketender, dasie oftmals sogar in die Beschaffung der Verpflegung eingeschaltet wurdenund die Lieferung von Grundnahrungsmitteln übernehmen mussten.

Aufgrund seiner geostrategischen Lage hatte Franken unter häufigenDurchmärschen zu leiden. Für den Kreis bedeutete die Regelung derMarschführung, der Routen und Nächtigungsorte, der Verpflegungs- undFouragepreise ein überaus wichtiges Arbeitsfeld. Denn nur gemeinsamkonnten sich die Kreisstände gegen Übergriffe der Soldateska wehren. Jeder Durchmarsch musste dem Kreis oder dem Kreisdirektor gemeldetwerden. Der Kreis bestimmte dann die Route und ernannte zur Leitung desDurchzugs mehrere Kommissare, in der Regel Offiziere der Kreisarmee. Sieempfingen die Truppen an der Kreisgrenze und begleiteten sie auf demDurchzug. Als sich in den 80er-Jahren des 18. Jahrhunderts die Durch-züge der kaiserlichen Truppen nach Belgien häuften, verfügte der Kreis die Ernennung eines Generalmarschkommissars und Generalquartiermeisters.

Die Assoziationen

Mit der Ausbildung des stehenden Kreisheers begann auch die Epoche derautonomen Bündnispolitik der Kreise, der so genannten „Konjunktionen“oder „Assoziationen“. Angesichts der akuten Bedrohungen durch die Osmanen und durch Frankreich trat der Fränkische Reichskreis in engerepolitische und militärische Verbindungen mit den Nachbarkreisen, wasdurch verschiedene personelle Verflechtungen – besonders durch dieSchönborn-Bischöfe – erleichtert wurde. Mit diesen Assoziationen erreichteder Fränkische Reichskreis am Ende des 17. Jahrhunderts einen neuenHöhepunkt seiner Entwicklung und politischen Eigenständigkeit. Mit demBeitritt zur Haager Allianz 1695 sprengten die verbündeten Reichskreise sogar die Reichsverfassung, denn der Westfälische Friede hatte zwar denReichsständen, nicht aber den Reichskreisen das Bündnisrecht mit auslän-dischen Mächten zugestanden.

Mit dem Bündnisbeitritt war der Fränkische Kreis somit kurzzeitig zumselbstverantwortlichen und eigenständigen politischen Faktor geworden,

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der in eigener VerantwortungAußenpolitik betrieb. Die Korpo-ration des Fränkischen Kreiseshandelte nun als Hoheitsträgerund nicht mehr als Auftragsver-walter. Selbstverständlich zer-schlug der Kaiser diesen armiertenBund der fünf westlichen Kreiseso rasch wie möglich. Die Assozia-tion von 1714 stand schon wiederunter dem bestimmenden Einflussund Oberbefehl des Kaisers.

In den Auseinandersetzungenum die Erbfolge in Österreichnach 1740 verhielt sich der Fränki-sche Kreis neutral. Friedrich Karlvon Schönborn als Kreisdirektorbegründete diese Zurückhaltungdamit, „dass der kaiserliche Hofallzeit nur österreichische und kei-ne teutsche Politik treiben will“.Gleichermaßen aber lehnte er denPlan König Friedrichs von Preußenab, die Armee des Kreises unterpreußisches Kommando zu stel-len. Einige Jahre zuvor hattenFriedrich Karl von Schönborn undsein Onkel Lothar Franz schon im„Jüngeren Pactum successoriumCulmbacence“ vom 22. Dezember1722 die preußische Erbfolge inBayreuth verhindert und somit das bewährte stabile Gleichgewicht im Frän-kischen Kreis bewahrt. Allerdings ließ sich Preußen den Erbverzicht teuervom Fränkischen Kreis bezahlen, voran von Nürnberg.

Der Kreis im Dreißigjährigen Krieg

Der Zusammenhalt des Fränkischen Reichskreises zeigte sich vor allem beiBelastungen und Forderungen, die von außen herangetragen wurden. AlsKaiser Rudolf II. den Kreisen im Jahr 1610 direkt, unter Umgehung desReichstags, Steuern auferlegen wollte, wehrte sich der Fränkische Kreis geschlossen gegen einen derart massiven Versuch die Einflussnahme desKaisers auf die Kreiskonvente zu verstärken. Er richtete ein dringendes Er-suchen an Rudolf II., es solle „bey den Reichs-Verfaßungen und bekandtenHerkomen gelaßen werden“. Trotz aller unterschiedlichen Auffassungenund Konflikte, die sonst immer wieder im Kreistag zum Ausbruch kamen,herrschte unter den fränkischen Kreisständen angesichts dieser Forderung,die von allen als Bedrohung empfunden wurde, ausgeprägte Einigkeit.

Die größte Belastungsprobe für den Zusammenhalt des FränkischenReichskreises stellte ohne Zweifel der Dreißigjährige Krieg dar. Schon imVorfeld war es immer wieder zu konfessionellen Spannungen gekommen,was unter anderem zu protestantischen Partikularkonventen geführt hatte.So traten 1611 die evangelischen Kreisstände – getrennt von den katho-lischen – zu einer eigenen Versammlung zusammen und erließen einen

Der Kreis im Dreißigjährigen Krieg 19

Die von den Schweden bis 1631 eroberten Städte, darunter Würzburg … Der Schwede stößt mit einer langen Stange dem auf einem Sessel sitzenden Papst aufden Bauch, sodass dieser die von den Schweden eroberten Städte ausspeit. Schwertund Schlüssel, beides zerbrochen, sind Ausdruck der Niederlage der Katholiken. 49 Städte und Landkarten sind auf einem gewundenen Bildband dargestellt, Würz-burg zwischen Kitzingen und Fulda. Das Flugblatt gehört zu den zahlreichen anti-katholischen Einblattdrucken der Jahre 1631/32, auf denen Ansichten der erobertenStädte abgebildet sind. (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Graphische Sammlung, HB 6394, Kps. 1343)

Die von Rötelzeichnung Lorenz Straucherinnert daran, dass Gustav Adolf beimVormarsch nach Würzburg die Nachtauf den 12. Oktober 1631 in Maden-hausen bei Schweinfurt verbracht hatte. (Mainfränkisches Museum, Würzburg)

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„Neben-Abschid“, in dem sie sich gegen „Neuerungen“ und Rekatholisie-rungsbestrebungen des Bischofs von Bamberg wehrten.

In der böhmischen Frage versuchte der Kreis zunächst so lange wie mög-lich seine Neutralität zu wahren. Auf dem Nürnberger Konvent 1619 beab-sichtigte man hierzu, sich enger an den Schwäbischen und an den Bayeri-schen Kreis anzuschließen. Angesichts der bedrohlichen Lage wurde 1621die allgemeine Kreisrüstung beschlossen. Seit 1627 sollten fremde Truppen-durchzüge durch eigens bestellte Kreisorgane kontrolliert und geregelt wer-den, was jedoch misslang. 1629 versuchte der Kreis vergeblich bei denReichsgerichten gegen die Bestimmungen des vom Kaiser diktierten Resti-tutionsedikts zu klagen, während Würzburg und Bamberg mit der Rekatho-lisierung begannen.

Welche Bedeutung die Zeitgenossen dem Fränkischen Kreis zuschrie-ben, zeigt sich am deutlichsten daran, dass seine Strukturen selbst währenddes Dreißigjährigen Kriegs grundsätzlich beibehalten wurden, auch nach-dem das Hochstift Würzburg 1631 von Schweden besetzt worden war. Diedort installierte Regierung des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimarnahm sogar die Stimme des Kreisdirektors für sich in Anspruch und ver-suchte – aufgrund des Titels eines „Herzogs zu Franken“ – die politischeund wirtschaftliche Stellung des Direktors weiter auszubauen.

Ebenso wie der Fränkische Kreis zuvor in der Ablehnung der kaiser-lichen Forderungen eine weitgehend geschlossene Front geformt hatte, soblieben jetzt die Anstrengungen Gustav Adolfs, der die einzelnen fränki-schen Stände zu Spezialallianzen drängen wollte, erfolglos. Auch die Ein-setzung des Grafen Kraft von Hohenlohe als schwedischer Generalstatt-halter in Franken und die geplante Einführung der schwedischen Kupfer-währung gelangen nicht. Allerdings ist im Fränkischen Kreis unter dem star-ken schwedischen Druck ein gewisser innerer Bruch nicht zu verkennen.Mit dem Frieden von Prag 1635 erfolgte wiederum eine Aussöhnung allerKreisstände mit dem Kaiser. Insgesamt kam in Franken jedoch die Kreis-organisation auch während des Großen Kriegs nie völlig zum Erliegen.

Ein gemeinsames Interesse fanden die Fränkischen Kreisstände schließ-lich wieder an einer baldigen und dauerhaften Befriedung. So beschloss der Kreis bereits 1644 die Entsendung einer eigenen Delegation zu denFriedensverhandlungen nach Westfalen. Nach Beendigung des Kriegs unddurch die im Westfälischen Frieden 1648 festgeschriebene „Reintegration“der Kreise trat auch der Fränkische Kreis wieder voll in seine besonders aufder Reichsexekutionsordnung von 1555 und den folgenden Ergänzungenberuhenden Rechte und Funktionen ein.

Die Finanzen des Kreises

Mit der fiskalischen Verfassung des Fränkischen Kreises, der auch für dieErhebung und Ausmittlung der Reichssteuern, der Römermonate und derKammerzieler zuständig war, stand es in der Regel nicht zum besten. ZurWahrung der Münzhoheit waren Münzstätten aufgebaut worden. Sie befan-den sich für die geistlichen Fürsten in Bamberg, für die weltlichen Fürstenin Schwabach, für die Grafen in Wertheim und für die Städte in Nürnberg.

Für die Wirksamkeit der Kreisorganisation war es eine zentrale Frage, inwieweit die jeweils bewilligten und benötigten Geldmittel von den zu-gehörigen Ständen tatsächlich eingezogen werden konnten. Dabei mussteoft genug die Drohung ausgesprochen werden rückständige Beiträge mittels Zwang einzutreiben. Die Kreiskasse befand sich im 16. Jahrhundertzunächst in der Reichsstadt Rothenburg, wurde dann aber nach Nürnbergverlegt, wo sie vom Losungsamt, der reichsstädtischen Finanzbehörde, mit-

Die Finanzen des Kreises20

Herzog Bernhard von Sachsen-Weimarstand seit 1631 im Dienst König GustavAdolfs. Am 20. Juni 1633 wurde er vomschwedischen Reichskanzler Axel Oxen-stierna mit den um einige Gebiete ver-kleinerten Hochstiften Würzburg undBamberg belehnt. Das Porträt zeigt den als heldenhaftenBefreier der Protestanten Gefeierten inRüstung mit prächtiger Schärpe. Aufdem Tisch neben ihm, den eine Deckemit seinem Wappen und der Devise „MEA DEUS GLORIA“ schmückt, sindsein Helm und ein Handschuh abgelegt.Im Hintergrund ist links die Teilansichtder Stadt Würzburg mit Schloss Marien-berg und der Jahreszahl 1633 zu sehen,rechts die Stadt Breisach am Rhein mitdem Jahr 1638. Der Kupferstecher Peter Troschel schufdas Porträt Herzog Bernhards von Sachsen-Weimar für die so genannteKurfürstenbibel, die in mehreren Aus-gaben gedruckt wurde. (Stadtbibliothek Nürnberg)

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verwaltet wurde. Dies gab jedoch Anlass für manche Auseinandersetzung,da die Verwaltung der Kapitalien von Stadt bzw. Reichskreis nur unzurei-chend getrennt war und daher nicht genau kontrolliert werden konnte.

Eine weitere Schwierigkeit ergab sich daraus, dass keine regelmäßigenEinnahmen vorhanden waren. Nur fallweise wurde im Fränkischen Kreisauf der Grundlage der Wormser Matrikel der so genannte „numerus rotun-dus“ in Höhe von 4000 Gulden von den einzelnen Ständen erhoben. Ent-sprechend den Hauptaufgaben des Kreises im ausgehenden 17. Jahrhundert waren die Ausgaben für das Militär der bei weitem größte Haushaltsposten.Sie betrugen zum Teil mehr als 90 Prozent des Jahresetats von 800000 biseiner Million rheinischer Gulden.

Ähnliche Probleme gab es bei der Jurisdiktion: Da die Gerichtshoheit eines der wichtigsten Privilegien für den Ausbau der Landeshoheit bildete,achtete auch hierbei jedes Territorium eifersüchtig auf seine besonderenRechte. Deshalb verfügte der Kreis über keinen eigenen Gerichtshof, hatteaber gemäß Reichsexekutionsordnung die Aufgabe rechtskräftige Urteile zuvollstrecken. Als „Exekutivorgan für die Legislative und die Jurisdiktion desReiches insgesamt“ funktionierte der Fränkische Kreis somit immer nur mitgewissen Einschränkungen.

Die Münzordnungen

Am wirksamsten und erfolgreichsten war der Fränkische Kreis offenkundigin der Regelung von ökonomischen Fragen, da alle Mitglieder an der Errich-tung eines einheitlichen Wirtschaftsraums – möglichst ohne Behinderungendurch Zölle und mit einem stabilen Münzwesen – interessiert waren unddavon profitieren konnten. Seit der Reichsmünzordnung 1559 war die Auf-sicht über das Münzwesen oder die „Währungsstabilität“ ganz den Kreisenüberlassen. Diese sollten jährlich zwei Probationstage durchführen. Seit1564 vereinbarte der Fränkische Kreis darüber hinaus gemeinsam mit demSchwäbischen und dem Bayerischen Kreis Münzeinungen, in denen gemeinsame Maßnahmen gegen die stetige Geldentwertung und das Abfließen der guten Münzsorten vereinbart wurden. In zahlreichen Edikten

Die Münzordnungen 21

Mit der Konsolidierung der Kreise konn-te das Reich ihnen neue Aufgaben wiedie Münzaufsicht im Jahr 1559 zuwei-sen. Eine von vier Münzstätten desFränkischen Kreises war Schwabach.Hier wurde das Gewicht jeder Münzegenau gemessen und auf dem „Gründ-lichen Prob=Zettel“ festgehalten.(Staatsarchiv Bamberg, H2, 161)

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Die drei Kreise Franken,Schwaben und Bayern trafen 1564 gemeinsameAbsprachen, um Münz-beschlüsse erfolgreichdurchzuführen. Die Münztafel zeigt die Prägung des löblichen Fränkischen, löblichen Bayerischen und löb-lichen Schwäbischen Kreises: hierunter abge-druckte ganze und halbeBatzen sollen den Münz-Probations-TägischenSchlüssen zufolge, undzwar die „Batzen vor fünffCreutzer, die halbe Batzenaber vor zehen Pfennig inAusgeben und Einnehmengang und geb seyn.“ (Staatsarchiv Bamberg, H 2, 709)

Nach dem Münzprobationstag in Regensburg 1675 erschienen neue Münzen wie der Gulden ihrer hochfürstl. Majestät Herrn Albrecht Ernst zu Öttingen.(Staatsarchiv Bamberg, H 2, 701)

Auf den Probationstagen der Reichskreise wurdeneigene und fremde Münzsorten überprüft undnach ihrem Metallgehalt bewertet oder verboten.Bei Silbermünzen wurde der Silbergehalt festge-stellt: „Das zum probieren empfangene eine StückHochfürstl. Brandenburg. OnolzbachischerReichsthaler hat gewogen Netto 1 1⁄2 Lot.“(Staatsarchiv Bamberg, H 2, 154)

Die Münzordnungen22

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wurden die im Kreis zugelassenen Zahlungsmittel, die aktuellen Umtausch-verhältnisse und die „verrufenen“ Münzen bekannt gegeben. Der Zweckdieser Maßnahmen bestand darin, dass „keine fremde ausländische Münzim Reich paßiert, eingeschleichet oder verschoben werden“ sollte. Bis aufdie „Kipper- und Wipperzeit“ zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs konnteder Kreis dadurch die stetige Geldentwertung wenigstens teilweise ein-dämmen.

Die große Hungersnot 1570–1575 – die Wirtschaftsunion

Ansätze zu einer Wirtschaftsunion entwickelten sich im Fränkischen Reichs-kreis besonders angesichts der Hungersnot während der Misswuchsjahre1570–1575. Das Jahr 1570 brachte in Franken einen sehr nassen Sommerund damit eine schlechte Ernte. Schon im Jahr zuvor waren Bayern undSchwaben von ähnlichem Misswuchs betroffen worden, so dass die Auf-käufer aus Oberdeutschland auf den fränkischen Getreidemärkten die Prei-se hoch getrieben hatten. Denn in Süddeutschland war der Getreidehandelfast ausschließlich Nahhandel und nur in Notzeiten musste man über dasengere Versorgungsgebiet hinausgreifen. Selbst der Getreidemarkt derFernhandelsstadt Nürnberg war lokal gebunden. Dadurch war der Nürn-berger Getreidemarkt aber besonders krisenempfindlich.

Am 2. August 1571 schlug Markgraf Georg Friedrich von Ansbach undKulmbach-Bayreuth dem Bischof von Bamberg als Direktor des Fränki-

In den Jahren 1498 bis 1502 errichtetder Stadtbaumeister Hans Beheim d.Ä.im Graben der vorletzten NürnbergerStadtumwallung ein großes Kornhaus.Später wurde in diesem Gebäude eineamtliche Waage und 1572 ein Zollamteingerichtet. Darauf bezieht sich die Bezeichnung „Mauthalle“.Mauthalle in Nürnberg, um 1870 (Stadtarchiv Nürnberg, Städtische Bildstelle)

Die große Hungersnot 1570–1575 – die Wirtschaftsunion 23

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schen Kreises und mitausschreibendem Fürsten vor, umgehend eine Kreis-versammlung auszuschreiben, die sich ausschließlich mit der Teuerung in-folge der erneuten schlechten Ernte und entsprechenden Maßnahmen zurLinderung der Not befassen sollte. Dem beigefügten Entwurf des Aus-schreibens ist zu entnehmen, dass der Markgraf ein generelles Ausfuhrver-bot für das gesamte Kreisgebiet durchsetzen wollte. Er übertrug also nur dieüblichen Maßnahmen der Territorialwirtschaft auf das Kreisgebiet. BischofVeit, der sofort einverstanden war, erhob jedoch Bedenken gegen einExportverbot, da sich dies gegen die benachbarten Kreise richte und diesemit gleichen Maßnahmen antworten könnten. Auf der Kreisversammlung inNürnberg schlug der Ansbacher Gesandte Dr. Christoff Grösser eine engeZusammenarbeit aller Kreisstände vor: Der ganze Kreis solle einen einheit-lichen Wirtschaftsraum mit freiem Markt innerhalb der Kreisgrenzen bilden.Diesem Getreidemarkt oder der Freihandelszone für Getreide sollten sichauch die im Kreisgebiet lebenden Reichsritter anschließen.

Die Kreisversammlung kam ungewöhnlich schnell, schon nach zwei Ta-gen, zu folgenden Beschlüssen:

1. Einschränkung und strenge Überwachung des Verbrauchs bei Festlich-keiten, wie Taufen, Hochzeiten, Kirchweihen, da hier auf einmal mehr ver-zehrt werde als normalerweise in acht Tagen. 2. Der Brauereiausstoß von braunem oder rotem Bier wird auf die Hälfteherabgesetzt und das Brauen von Weißbier völlig verboten, da es sehr vielGetreide erfordert. 3. Verbot des „aigennützig fürkaufs“ und des Anlegens von Vorräten, dieüber den Eigenbedarf für ein Jahr hinausgehen. Ausdrücklich wird das Kau-fen von Getreide auf dem Halm verboten. 4. Die Getreideernte darf weder ausschließlich an Juden noch an Christenverkauft werden. Sie muss vielmehr auf den öffentlichen Märkten zu festenPreisen zum freien Kauf angeboten werden, und zwar zunächst in der ei-genen Obrigkeit und Herrschaft. Der Überschuss soll dann ohne Zölle odersonstige Auflagen den Kreismitständen zu gleichen Preisen angeboten wer-den. Erst wenn der Kreis insgesamt seinen Bedarf für ein Jahr gedeckt hat,kann das noch zur Verfügung stehende Getreide in beschränktem Maßeden benachbarten Kreisen zum Kauf angeboten werden, vorausgesetzt sietätigen keine spekulativen Aufkäufe.5. Außerhalb des fränkischen Kreises dürfen die Kreisstände Getreide auf-kaufen soviel sie wollen, doch müssen sie die Herkunft nachweisen kön-nen, um Betrug auszuschließen. 6. Die Reichsritterschaft wird von diesen Kreisbeschlüssen in Kenntnis ge-setzt und zum Anschluss an den geschlossenen Getreidemarkt aufgefordert.Falls die Adligen dies verweigern, soll alles Getreide, das den Rittern zuSpekulationszwecken dient, bei der Durchfahrt von den entsprechendenKreisständen beschlagnahmt werden. 7. Gartende Landsknechte und landfremde Bettler sollen aus dem Kreisausgewiesen werden.

Um die schwere Hungersnot zu beherrschen und die notwendige Fürsorgefür die Armen zu gewährleisten wurde also, insbesondere auf Initiative destief religiösen Ansbacher Markgrafen, das Gebiet des Fränkischen Kreiseszu einem einheitlichen Getreidemarkt zusammengefasst, nachdem sich dieEinheit des Fränkischen Kreises schon für das Münz- und Polizeiwesen, fürdie Bestimmungen betreffs Wollausfuhr und geschenkte Handwerker undfür das Bettlerunwesen mit großem Erfolg bewährt hatte. Die Durchführungder Beschlüsse blieb allerdings den einzelnen Kreisständen überlassen. Eswurde keine eigene Kreisbehörde geschaffen, wie etwa der Münzwardeinoder die Polizeitruppe gegen gartende Landsknechte und fremde Bettler.

Die große Hungersnot 1570–1575 – die Wirtschaftsunion 24