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Der Islam in der deutschen Literatur 2: Reiseberichte und Religionswissenschaft – von Olearius bis Lessing Heinrich Detering, WS 2015/16

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Page 1: Der Islam in der deutschen Literatur 2: Reiseberichte und Religionswissenschaft – von Olearius bis Lessing Heinrich Detering, WS 2015/16

Der Islam in der deutschen Literatur 2:Reiseberichte und Religionswissenschaft –von Olearius bis Lessing

Heinrich Detering, WS 2015/16

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„Gottes ist der Orient!Gottes ist der Okzident!Nord- und südliches GeländeRuht im Frieden seiner Hände.“

Der Islam in der deutschen Literatur

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Koran, Alcoran, Aikoran, heißt das in arabischer Sprache geschriebene Buch, worin die Religion der Muhammedaner enthalten ist. Das Wort ist aus dem arabischen Artikel Al, und dem Worte Koran zusammen gesetzt, daher man eigentlich der Koran, und nicht der Alkoran, sagen sollte. … Bey den Muhammedanern führt es noch mehrere Nahmen. Es heißt: … Al Kitab, d. i. das Buch in einem vorzüglichen Verstande, so wie man im Griechischen die hl. Schrift, die Bibel, oder das Buch, die Bücher zu nennen pflegt. …

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Muhammed, der Stifter der großen Religions=Partey, die von ihm benannt wird, ist der Urheber des Buches. … [Es ist] gewiß, daß Muhammed, insonderheit auf seinen kaufmännischen Reisen Gelegenheit genug gehabt hat, die Religion der Juden und Christen, die in großer Menge in Arabien wohnten, kennen zu lernen. Doch ist er nicht immer mit den besten Nachrichten versorget worden. Er hat manche Begebenheiten und Umstände der jüdischen und christlichen Religion aus apokryphischen und untergeschobenen Büchern genommen … seine Absicht ging dahin, den Götzen=Dienst in Arabien abzuschaffen, die Bekenner der drey verschiedenen damahls in dem volkreichen Arabien gewöhnlichen Religionen, die größtentheils unter einander lebten, und ohne Führer irrten, indem die meisten Götzen=Diener, die übrigen aber Juden und Christen waren, zu vereinigen, und eine allgemeine, auf die Verehrung Eines Gottes gegründete Religion einzuführen, die allen Parteyen angenehm seyn möchte.

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Deswegen nahm er aus den heiligen Büchern der Juden und Christen, dasjenige heraus, was zu seiner Absicht dienlich war; und damit man ihn aus diesen Büchern nicht wiederlegen könnte, so beschuldigte er die Anhänger derselben, daß sie solche verfälscht hätten, oder erklärte einige Stellen ganz anders; wie er denn auch die Verheißung Christi, nach welcher er seinen Jüngern den Tröster zu senden versprochen hat, von sich selbst ausdeutete, und sich für diesen Tröster ausgab. Denn er behauptete, daß zwar Moses und Christus wahre Propheten und Gesandte Gottes gewesen seyn, er selbst aber größer als beyde sey … . Um nun seinem Lehr=Gebäude einen gewissen Schein zu ertheilen, so gab er vor, daß er durch den Engel Gabriel göttliche Offenbarungen erhielte, von welchen ihm die erste in der Höhle des Berges Hara, unweit Mecka seiner Vaterstadt, wohin er sich öfters zu begeben pflegte, wiederfahren sey. …Der Haupt=Inhalt des Korans und der muhammedanischen Religion überhaupt, besteht theils in Lehren, theils in Gesetzen.

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Der Koran enthält auch verschiedene bürgerliche Gesetze, so, daß derselbe zugleich das Religions= und Gesetz=Buch der Muhammedaner ist. … [Er] ist mit kühnen Ausdrücken und Figuren nach dem morgenländischen Geschmacke ausgeschmückt, und oft mit blühenden und sinnreichen Ausdrücken belebt, insonderheit in denen Stellen, worin die Majestät und die Eigenschaften Gottes beschrieben werden. … Von Uebersetzungen aber die des dü Ryer in die französische, des Sale in die englische, und des Hrn. Boysen in die deutsche Sprache, welche letztere unter den deutschen Uebersetzungen die neueste und beste ist; so wie auch Sale' s seine in das Deutsche übersetzt ist, und eine lesenswürdige Einleitung hat.

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1143 erste lateinische Koran-Übersetzung in der Übersetzerschule von Toledo, 1543 in Basel gedruckt.1616 der erste deutsche Koran, gedruckt in Nürnberg, übersetzt von Salomon Schweigger: Alcoranus Mahumeticus, das ist: Der Türcken Alcoran, Religion und Aberglauben – übersetzt nach der italienischen Version der lateinischen Übersetzung.1647 die erste europäische Übersetzung des arabischen Koran, von dem Diplomaten André du Ryer ins Französische.Papst Alexander VII. verbietet Drucke und Übersetzungen des Koran – und dann gibt der Beichtvater seines Nachfolgers Innozenz XI. den Koran in einer kommentierten zweisprachigen (arabisch-lateinischen) Ausgabe heraus, Pater Ludovico Marracci 1698 in Padua; 1703 wird diese Ausgabe auch ins Deutsche übersetzt.1738 erste englische Übersetzung, von George Sale.1746 übersetzt Theodor Arnold sie ins Deutsche; mit dieser Ausgabe auf seinem Schreibtisch wird Goethe am Divan arbeiten.

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Friedrich Rückert (1888)

Im Namen Gottes des allbarm-herzigen Erbarmers.1. Wir sandten ihn hernieder in der Nacht der Macht. 2. Weißt du, was ist die Nacht der Macht? 3. Die Nacht der Macht ist mehr als was / In tausend Monden wird vollbracht.4. Die Engel steigen nieder und der Geist in ihr, / Auf ihres Herrn Geheiß, daß alles sei bedacht.5. Heil ist sie ganz und Friede, bis der Tag erwacht.

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Kreuzzugslieder, Kreuzzugs-Epen, Heldenepos (chanson de geste) und Artusroman

– und Wolframs Willehalm:Religionsgespräche, Feindes-liebe und Familienbeziehun-gen, mitten im Religionskrieg

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ir kraft hât mich von Mahumetenunders toufes zil gebeten.des trag ich mîner mâge haz;und der getouften umbe daz:si sprach „der tôtlîche valder hiest geschehen ze bêder sît,dar umbe ich der getouften nîttrag und ouch der heidenan mir, und sî ich schuldic dran.die roemschen fürsten ich hie man,daz ir kristenlîch êre mêrt.…hoert eins tumben wîbes rât,schônt der gotes hantgetât.

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ein heiden was der êrste manden got machen began. Nu geloubt daz Eljas und Enochfür heiden sint behalten noch.Nôê ouch ein heiden was,der in der arken genas.Iop für wâr ein heiden hiez,den got dar umbe niht verstiez.nu nemt ouch drîer künege war,der heizet einer Kaspar,Melchîor und Balthasân:die müeze wir für heiden hân,diene sint zer flüste niht benant:got selb enpfienc mit sîner hantdie ersten gâbe ân muoter brustvon in. …

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Adam Olearius (1599-1671):Die Persianische Reise 1635-1639, mit Paul Fleming u. a.Vermehrte Newe Beschreibung der Muscowitischen und Persischen Reyse. Schleswig 1656.

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Engelbert Kämpfer(Lemgo 1651 – Lemgo 1716)

Reise durch Russland nach Persien, Indien, Ostasien, Japan 1663-1693

Erster Untersuchungsgegenstand:Am Hofe des persischen Großkönigs

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Engelbert Kämpfer:Amoenitates exoticae,Lemgo 1712,neu hg. von Christian Wilhelm Dohm Lemgo 1777.

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Johann Gottfried Eichhorn (1752-1827), 1788 Professor für orientalische Sprachen in Göttingen, 1813 Mitdirektor der königlichen Akademie (damals „Societät“) der Wissenschaften, Mitglied der American Academy of Arts and Sciences. Hg.: Repertorium für biblische und morgenländische Literatur (Göttingen 1777–1786, 18 Bände).

Von den Reiseberichtenzur Orientalistik und zur Religionswissenschaft

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Johann David Michaelis (1717-1791), seit 1745 evangelischer Theologie und Orientalist, eigentlich Begründer der vergleichenden Religionswissenschaft, an der Universität Göttingen, 1751 mit Albrecht von Haller Mitbegründer der Göttinger Akademie („Societät“) der Wissenschaften, Mitglied der Royal Society in London und anderer ausländischer Akademien. Orientalische und exegetische Bibliothek (23 Bände, Göttingen 1781–1785) .

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Carsten Niebuhr(Dithmarschen 1733 – Dithmarschen 1815)

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Die Arabische Reise 1761 – da ist Niebuhr 28 Jahre alt – bis 1767(6 Expeditionsteilnehmer):Kopenhagen – Nordatlantik (!) – Konstantionpel – Kairo – Sinai – Mekka – Jemen – Indien (Mumbai) – Persepolis – Türkei – Balkan – Kopenhagen (am Ende nur Niebuhr allein)

Beschreibung von Arabien, Kopenhagen 1772.Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern, 2 Bände, Kopenhagen 1774–1778; Band 3: *Reisen durch Syrien und Palästina, Hamburg 1837.

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…und drei Göt-tinger Studenten:Fragen an eine Gesellschaft Ge-lehrter Männer, die … nach Ara-bien reisen. 2/100 Frankfurt 1762.

Von der Ebbe an der äußersten Spitze des rothen Meers, ihrer Zeit, Stärke, und die Tiefe, nebst dem Boden des Meers an dem Orte, wo die Israeliten hindurch gegangen sind …

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Christian Wilhelm (von) Dohm(1751-1820) Lehrer der Humboldts, Freund Goethes, preußischer Diplomat. Moses Mendelssohn: Dohm ist „der philosophische Staatskundige“ neben Lessing als „dem philosophischen Dichter“ Schriften zu Theorie und Praxis aufgeklärter Toleranz.

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Christian Wilhelm Dohm, Neuausgabe der Reisebeschreibung Engelbert Kämpfers, Lemgo 1777.Vorrede über Kämpfers „Untersuchungsgeist“, der sich „in Entwickelung der verschiednen religiösen und philosophischen Systeme von Asien ... vorzüglich [bewies]“, den „scharfen Blick und die Genauigkeit ..., mit der er Alles bis in kleinste Detail (nach seinem eigenen Ausdruck) beäugte. … Man muß es wissen, mit welcher Ignoranz manche [Forschungsreisenden] ihre Reisen antreten, und dann Kämpfern dagegen halten“.

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Christian Wilhelm DohmProbe einer kurzen Charakteristick einiger der berühmtesten Völker Asiens: Der Hebräer [Juden] – Der Türke [als eines der „mohammedanischen Völker“] – Der Indianer [die Inder, Hindus]

Lippische Intelligenzblätter 1774.

Göttinger Dohm-Werkausgabe von Wolf Christoph Seifert.

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Der Türke zu Constantinopel, der nicht durch Umgang mit fremden Nationen geschliffen ist, nennt die Vorstadt Pera, wo die Christen wohnen, die Stadt der christlichen Schweine. Zur Vergeltung haben wir unser: türkischer Bluthund, Erbfeind der Christenheit. Aus-drücke, die der unwissende Nationalhaß sogar in Staatsschriften, Postillen und Gebet-bücher eingetragen hat. Der junge Türke fährt bey dem Namen Christ eben so schauderhaft zusammen, wie der Christenknabe, wenn er von Türken erzählen hört.* So hassen und fürchten sich die Völker, weil sie sich nicht kennen. …Der Türke verachtet den Christen; aber sehr oft verdient es dieser durch sein niedriges Betragen.

*Siehe Hr. Niebuhrs Beschreibung von Arabien.

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Dohms, Mendelssohns, LessingsToleranzgebot aus dem Geist der vergleichenden Kultur- und Religionsgeschichte:die Forderung nach konsequenter Emanzipation der Juden als exemplarischer Fall(1781/83) –auch gegen Michaelis und den ‚modernen‘ Begriff der raçe.