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Der König der Vagabunden Gregor Gog AUSGABE FEBRUAR/MäRZ 2020 2,20 € 1,10 € gehen an die Verkäuferin/ den Verkäufer

Der König der Vagabunden Gog · Gog AUSGABE Februar/März 2020 2,20 € 1,10 € gehen an die Verkäuferin/ den Verkäufer. Die richtige Richtung für unsere Region … schlagen

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Page 1: Der König der Vagabunden Gog · Gog AUSGABE Februar/März 2020 2,20 € 1,10 € gehen an die Verkäuferin/ den Verkäufer. Die richtige Richtung für unsere Region … schlagen

Der König der

Vagabunden

Gregor Gog

AUSGABEFebruar/März 2020

2,20 €1,10 € gehen an die Verkäuferin/

den Verkäufer

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Die richtige Richtung für unsere Region …

schlagen wir ein, wenn es darum geht, unsere Kunden jeden Tag ins Zentrum

unseres Handelns zu stellen.

Wir stehen für Mobilität, Wärme und Technik.

Heinrich Fip GmbH & Co. KG • Osnabrück • www.fip.de

Frohe Weihnachten und ein

glückliches 2020!

Medifitness • Birkenallee 11 • 49076 OsnabrückDörenbergklinik • Kurgarten 7 • 49186 Bad Iburg

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Aufruf für die kalte Jahreszeitbitte informieren Sie wohnungslose Menschen über Hilfeeinrichtungen in ihrer Nähe!

benachrichtigen Sie die Mitarbeiter der Wohnungs-losenhilfe über den aufenthaltsort wohnungsloser Menschen, damit diese vor Ort aufgesucht werden könen: & 0541 33035-0

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Immer in

Die Rezeptidee

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6Momentaufnahme

ImpressumExpertentipp vom MVO

Rätsel

Aktuell

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Magazin

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Lesen 32

20

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TermineüberDacht

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Foto

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uwen

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cker

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brustkrebsDas Schwerpunktthema

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Essen statt WegwerfenDie nicht ganzlegale Zweitverwertung

Rockmusik und FotografieBryan Adams lebt soziale Verantwortung

Der König der VagabundenGregor Gog erlebt als Comic eine Wiederauferstehung

Ehrenamt und BescheidenheitAnne Fitschen erhält Bundesverdienstkreuz

Das Susac-SyndromAnna leidet unter einer seltenen Krankheit

Gute Laune garantiertAlfons Richter unterstützt die Aktion überDacht

VfL-Fans mit SpendierhosenSammlung für Frauenhaus und Wohnungslosenhilfe

10 Jahre StraßenkindDominik Bloh liest in der Lagerhalle

Alltagshelden gesuchtFreiwilligendienst in der Wohnungslosenhilfe

Jacken an BrückenUngewöhnliche Hilfsaktion in Irland

Wirtschaftlich leider unumgänglichPreiserhöhung bei abseits

Bischof mit ChorWeihnachtsfeier in der TaWo

Inhalt

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Liebe Leserinnen und Leser,

zunächst freuen wir uns, dass Sie die ak-tuelle abseits-Ausgabe auch zum neu-en Verkaufspreis von 2,20 € erstanden haben. Das zeigt uns, dass Sie unseren Schritt, mit dem wir sehr lange gerun-gen haben, akzeptieren konnten. Sieben Jahre war es uns möglich, den Preis von abseits stabil zu halten. Aber jetzt muss-ten wir aus wirtschaftlichen Erwägungen den Preis anheben. Die Kosten für die Herausgabe der Zeitung sind in fast al-len Bereichen erheblich gestiegen und ha-ben diese Maßnahme leider unumgäng-lich gemacht.

Gern möchten wir an dieser Stelle noch einmal auf die Finanzierung von abseits insgesamt eingehen und erklären,

wie sich der neue Verkaufspreis bezüglich des abseits-Haushaltes und der Verkäufer zusammensetzt.

Die Finanzierung von abseits basiert insgesamt auf drei Faktoren: dem Ver-kauf der Zeitung, der Anzeigenwerbung und den Spendengeldern. Zusätzlich werden wir noch vom Förderkreis Woh-nungslosenhilfe in Osnabrück finanziell unterstützt, worüber wir sehr glücklich und dankbar sind. Da sind die Grenzen der Förderung allerdings erreicht. Das mit viel Herzblut betriebene ehrenamt-liche Engagement kann und darf nicht überstrapaziert werden.

Der jeweilige abseits-Verkäufer wird – das ist bei sozialen Straßenzeitungen die faire Verfahrensweise – grundsätzlich immer mit der Hälfte des Verkaufsprei-

ses an den Einnahmen aus dem Verkauf beteiligt. Er oder sie verdient in Zukunft also 1,10 Euro pro verkaufter Ausgabe. Ein Zuverdienst, mit dem Sie die Verkäu-ferin oder den Verkäufer Ihres Vertrau-ens noch mehr unterstützen können.

Somit fließt andererseits auch bloß eine Hälfte des zusätzlichen Verkaufs-erlöses in den Haushalt von abseits. Das sind nur 30 Cent pro Ausgabe mehr als bislang.

Die sind allerdings notwendig, um die Kostensteigerungen insgesamt aufzufan-gen und die Herausgabe von abseits in ge-wohnter Qualität leisten zu können, was uns sehr am Herzen liegt.

Wir hoffen deswegen auf Ihr Verständ-nis und auch in Zukunft auf Ihre Treue!

Thomas Kater

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Du weißt noch nicht, was nach der Schule folgen soll? Du willst dich beruflich noch orientieren? Du hast Interesse an sozialem Engagement? Dann ist ein Freiwilligen-dienst bei uns in der Bramscher Straße ge-nau das Richtige für dich!

Zum kommenden Herbst suchen die Fachberatung und die Tageswohnung für wohnungslose Menschen einen engagier-ten Freiwilligendienstler (m/w/d). In der Tageswohnung können Wohnungslose und Menschen mit sozialen Schwierigkei-ten viele alltägliche Dinge tun, die ande-re Menschen in ihren eigenen vier Wän-den unternehmen: günstig frühstücken und Mittag essen, Wäsche waschen, fern-sehen, Computernutzung sowie Gesell-schaftsspiele. Des Weiteren sitzt hier die Redaktion der Osnabrücker Straßenzei-tung abseits. Hier laufen alle Fäden zu-sammen und hier werden auch die Hefte an die Verkäufer ausgegeben. Die Fachbe-ratung bietet wiederum persönliche Un-terstützung für Menschen in schwieri-gen Lebenslagen an. Für die Fachberatung werden wöchentlich Dienstfahrten statt-finden. So unterschiedlich die Einrichtung ist, so verschieden werden auch deine Auf-gaben sein.

Wenn du Interesse am Umgang mit Menschen mit verschiedenen Lebens-geschichten sowie Problematiken hast, kannst du dich auf ein spannendes Jahr an der Bramscher Straße freuen. Der Freiwil-ligendienst wird vom Bistum Osnabrück unter dem Motto „Alltagshelden gesucht“ angeboten. Deine Bewerbung, Vermitt-

Zu einer gewissen Tradition hat es die Übergabe des Erlöses vom Martinsfest der Kindertagesstätte Heilige Familie inzwi-schen gebracht. Seit einigen Jahren kom-men die Vorschulkinder persönlich in der Tageswohnung für wohnungslose Men-schen vorbei und überbringen das Geld und gesammelte Bekleidung. Dort besich-tigen sie die Einrichtung und erfahren an-hand einer Bildergeschichte Hintergründe über das Leben wohnungsloser Men-schen. Im letzten Dezember kamen sogar zwei Gruppen in die Tawo, weil es derzeit

so viele Vorschulkinder in der KiTa gibt. Durch den Verkauf von Glühwein, Kin-derpunsch und Heißwürstchen auf dem St. Martins-Fest kamen dieses Mal über 160 Euro zusammen.

Dieses Geld überreichten die Kinder mit ihren Erzieherinnen in der Bramscher Straße 11 an Katrin Bäumer und Tho-mas Kater von der Soziale Dienste SKM gGmbH, dem Träger der Fachberatungs-stelle und der Tageswohnung für woh-nungslose Menschen.

Fotos: privat

Mächtig viele Mini-Martins und -MartinasVorschulkinder aus der KiTa Heilige Familie spenden Verkaufserlös

In der Kleiderkammer: Vorschulkinder lernen die TaWo kennen.

alltagsheld gesucht!Freiwilliges soziales Jahr bei der Soziale Dienste SKM gGmbH

lung und Seminare laufen über die Ar-beitsstelle Freiwilligendienste. Während deiner Zeit hast du in unserer Einsatzstelle sowie beim Bistum einen festen Ansprech-partner.Thomas Kater: 0541 33035-25Alfons Weglage: 0541 33035-10Arbeitsstelle Freiwilligendienst: 0541 318235https://www.alltagshelden-gesucht.de/

Text: Mathis BögershausenFoto: Helga Duwendag-Strecker

Fingerzeig: Charlotte freut sich darauf, ihre/n Nachfolger/in einzuarbeiten.

Wenn der Himmel in der Vorweihnachts-zeit tiefrot aufleuchtet, backen nicht nur das Christkind und die Engel Plätzchen, sondern auch einige Menschenkinder der Realschule Bramsche. Gemeinsam mit ih-rer Lehrerin Andrea Hugenberg wollte die Klasse 7a etwas Gutes tun und entschied

sich, den Erlös des Plätzchenverkaufs der Obdachlosenhilfe des SKM zu spenden.

Vor Ort nahm Thomas Kater, Leiter der Tageswohnung, die Spende in Höhe von 237 € entgegen und beantwortete die vie-len Fragen der Jugendlichen zur Obdach-losigkeit. Noch mehr werden sie erfahren, wenn einige Schüler aus der 7a und der ebenfalls beteiligten 6b in der Tageswoh-nung zu Gast sein werden.

Text & Foto: Julian Wessel

benefiz-backenBramscher Realschüler sammeln für Wohnungslose

Wer weiß es?: Thomas Kater vermittelt wesentliches Grundwissen zum Thema Wohnungslosigkeit in der 7a und der 6b.

4Februar/März ´20

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Die Stimme der Violet Crew hat Gewicht im Stadion an der Bremer Brücke. Umso besser, wenn die VfL-Ultras diese nutzen, um der guten Sache Gehör zu verschaffen. So kürzlich geschehen bei den Heimspie-len gegen den Hamburger SV und Dyna-mo Dresden. Im gesamten Stadion baten Sie mit Eimern ausgestattet um Spenden.

Zusätzlich wurde ein von allen Spielern unterzeichnetes Trikot für 1 200 € verstei-gert. So kamen insgesamt über 8 800 € zu-

sammen. Die Hälfte ging an das Frauen-haus Osnabrück, der andere Teil kam der Wohnungslosenhilfe des SKM zugute.

„Wir wollten, dass das Geld in der eigenen Stadt bleibt und die Arbeit vor Ort unter-stützt wird. Das entspricht dem Solidari-tätsgedanken, den wir in unserer Kurve leben“, erklärte David Kreutzmann stell-vertretend für die gesamte Ultra-Szene.

Text: Julian WesselFoto: Helga Duwendag-Strecker

Gutes Ergebnis: (von links) Julian Steinhauer, David Kreutzmann, Roman Grummert von der Violet Crew, Jenny Steinert und Sabine Strotmann vom Osnabrücker Frauenhaus sowie Heinz Hermann Flint, Franz-Josef Schwack und Thomas Kater von der Wohnungs-losenhilfe freuen sich über die gesammelten Spenden.

Mit dem eimer durchs StadionUltras sammeln für Frauenhaus und Wohnungslosenhilfe

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böser Wolf für guten zweckWohlfahrtsmarken 2020

Im Jahr 2020 sind drei Motive aus der Ge-schichte „Der Wolf und die sieben jun-gen Geißlein“ Gegenstand der Sondermar-kenserie „Grimms Märchen“ zugunsten der Wohlfahrtspflege.

Im ersten Motiv des beliebten Mär-chens, in dem sich die sieben jungen Geiß-lein von ihrer Mutter verabschieden, lau-ert im dunklen Wald bereits Gefahr. Dort wartet der böse Wolf, dem bereits Wasser aus dem Maul tropft.

Im zweiten Motiv ist das Unglück be-reits in vollem Gange – der Wolf hat sich dank mehliger Pfote und kreidigem Maul Zutritt zur Hütte verschafft und sich be-reits fünf Geißlein einverleibt. Das ist sei-nem dicken Bauch anzusehen, aus dem die Konturen der Hörner hervortreten. Die beiden letzten Geißlein verstecken sich im Uhrenkasten und im Ofen.

Das dritte Motiv zeigt das glückliche Ende der Geschichte – die befreiten Geiß-lein umtanzen den Brunnen, in den der durstige Wolf auf der Suche nach Trink-wasser gefallen war. Das „Porto mit Herz“ ist bei der Soziale Dienste SKM gGmbH in der Bramscher Straße 11 und im Fo-rum am Dom, Domhof 12 erhältlich. Wer es dort erwirbt, unterstützt damit den Förderkreis Wohnungslosenhilfe in Os-nabrück, der so Übernachtungsplätze ein-richtet und einen Arbeitsplatz bei der Stra-ßenzeitung abseits sichert.

Foto: Helga Duwendag-Strecker

Motive aus Grimms Märchen: Schwes-ter Christine präsentiert die neuen Wohl-fahrtsmarken.

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Wenn Jacken an brücken hängenAktion „Warm for Winter“ in Dublin

Die Winterzeit ist im vollen Gange. Auf der Straße trifft man we-niger Leute, die meisten halten sich lieber in der warmen Woh-nung auf. Ohne Jacke rauszugehen, ist keine Option. Doch was ist, wenn Unterkunft und passende Kleidung fehlen?

Dafür hatte der Ire Paddy Fryers die passende Idee. Er startete im letzten Jahr die Aktion “Warm for Winter”. Dafür sammelte er Kleiderspenden und hängte diese unter einer Brücke in Dublin auf, die von Obdachlosen häufig als Schlafplatz genutzt wird. Die Botschaft dabei ist simpel: Nimm etwas, wenn dir kalt ist, und gib etwas, wenn du was übrig hast. Im Dezember 2019 startete Fry-ers die Aktion an der bekannten Ha'Penny Bridge, welche eine Se-henswürdigkeit von Dublin ist. Die Aktion sorgt für viel Lob und Aufmerksamkeit. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die an-merken, dass die Jacken so nass und damit unbrauchbar werden. Deswegen werden die Jacken nach einigen Tagen von der Stadt-reinigung entsorgt.

Paddy Fryers will die Menschen auf Wohnungslosigkeit auf-merksam machen und sie zu einer freundlichen Geste animieren. Er sieht seine Aktion nicht als Lösung für die Wohnungslosigkeit in Irland. Der junge Familienvater erachtet das Schaffen von be-zahlbarem Wohnraum als einzige Lösung.

Text: Fiete Stratmann; Foto: privat

Zum Mitnehmen: Aktion in Dublin hilft Bedürftigen.

6Februar/März ´20

Avanus Mineralbrunnen GmbH

Power Weg 4549191 Belm

www.avanus.de

Deftige Schinkenpuffer

Zutaten500 g Kartoffeln1 Zwiebel150 g Schinkenreste (fein gewürfelt)

150 g Mehl2 Knoblauchzehen 1 Ei200 g SchmandSalz, Pfeffer und evtl. etwas Muskat

Öl zum AusbackenZubereitung:

ZubereitungKartoffeln schälen, waschen, reiben und fest

ausdrücken. Die Zwiebel fein würfeln, den

Knoblauch zerdrücken und zu der Kartoffelmasse

geben. Alles mit Ei, Mehl, Schmand, den

Schinkenwürfeln und den Gewürzen gut

vermischen. Löffelweise die Masse in einer Pfanne

mit heißem Öl ausbacken.

Guten Appetit!

Text & Foto: Susanne Kampling

16august/

september´17

SOZIAL ISTNICHT EGAL!

RATSFRAKTION | RATHAUS | 49074 OSNABRÜCKTel.: 0541/ 323-3130 | Fax: 323-4336 | [email protected] | www.fraktion-gruene-os.dewww.facebook.com/grune.ratsfraktion | www.twitter.com/GrueneFrakOS

ich musste mich erstmal umgewöhnen.Während ich im Don Bosco Heim war,

bin ich alle 14 Tage am Wochenende und in den Ferien eine Woche bei meiner Mut-ter gewesen. Das Zusammenleben im Heim habe ich als sehr harmonisch ken-nen gelernt. Wenn man Mist gebaut hat, musste man auch dafür gerade stehen. Das ist in normalen Familien auch der Fall. Es gab aber keine Prügel, so wie es vielleicht in den Sechziger Jahren noch üblich war. Wenn man mit Leuten spricht, die in den Sechziger Jahren Heimkinder waren, war dort die Prügelstrafe ja noch an der Tages-ordnung. Misshandlungen oder sexuellen Missbrauch habe ich auch in keinster Wei-se erfahren. Im Gegenteil, eine Schwester hatte die Vermutung, dass ich misshan-delt wurde. Sie hat sehr behutsam versucht mit mir als Zwölfjährigen darüber zu re-den. Sie hat mir mit Heften und Büchern versucht zu erklären, was darf man noch aber was darf man auch nicht. Sie hat mir beigebracht, dass es des Kindes Eigenwil-len ist, ob man angefasst werden möchte oder nicht. Es war eine behutsame Aufklä-rung, auf jeden Fall.

Es ist sicherlich nicht schön als Heim-kind aufzuwachsen, jeder wünscht sich ja eine Familie, aber die Zeit dort möchte ich ganz sicher nicht missen. Wir haben auch viel Urlaub gemacht. In den Sommerferi-en waren wir auf Juist und in den Herbst-ferien waren wir oft auf Schloss Dankern. Weihnachten zum Beispiel feierten wir immer eine Woche vorher. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass immer Fo-tos mit dem Bischof auf der Weihnachts-feier gemacht wurden. Im Alltag hatte je-des Kind sicherlich seine Pflichten wie zum Beispiel Küchendienst, Tisch decken. Freitags war immer Badetag. Da mussten wir alle baden. Alle zwei Tage musste ge-duscht werden. Wenn wir von der Schule kamen, mussten wir natürlich erst einmal Schularbeiten machen. Danach konnten

wir tun und lassen was wir wollten. Wir sind jedoch meist auf dem Heimgelände geblieben, da wir ja sechs Gruppen waren und dort immer etwas los war.

Grundsätzlich hatte ich jedoch auch im-mer den Wunsch wieder zu meiner Fami-lie zurückzukehren. Ich hatte alle Viertel-jahr ein Gespräch mit dem Jugendamt und habe dort immer wieder Druck gemacht. Jedoch hat das lange Zeit nicht geklappt. Daraufhin wurde ich auch im Heim im-mer schwieriger und trotziger. Nachdem ich immer mehr Druck beim Jugendamt gemacht habe, bin ich 1994 wieder zu mei-ner Mutter und zu meinen kleineren Ge-schwistern zurückgezogen. Meine große Schwester war da schon ausgezogen. Zu-hause war ich jedoch nicht lange, sondern bin wenig später in die Jugendbetreuung von Don Bosco gekommen, weil es Zu-hause einfach nicht mehr geklappt hat. Ich war fünf Jahre im Heim. Als ich dann wie-der das Familienleben erleben sollte, hat-te ich nur Streit mit meinen Geschwistern:

„Was willst Du eigentlich hier, Du warst

die ganze Zeit nicht da! Du hast uns gar nichts zu sagen!“ Leider bin ich Zuhau-se auch an falsche Freunde geraten und bin schließlich straffällig geworden. Man hat mich erwischt als ich zehn Autos ge-knackt habe. Daraufhin wurde ich zu So-zialstunden verurteilt. Ich glaube nicht, dass ich kriminell geworden wäre, wenn ich im Heim geblieben wäre. Ich bin dann also in die Betreuung der Jugendhilfe Don Bosco gekommen und habe mit einem an-deren Jugendlichen eine Wohnung bezo-gen. Das war für mich eine gute Zeit, da wir eigenverantwortlich unser Leben ge-stalten konnten.

Durch die Situation damals habe ich die Schule nicht abschließen können und war sozusagen Schulabbrecher ohne ei-nen richtigen Abschluss. Eine Malerlehre habe ich angefangen, die ich jedoch abge-brochen habe. Das war nicht so mein Ding. Danach habe ich mich freiwillig bei der Bundeswehr gemeldet. Nach dem neun-monatigen Grundwehrdienst habe ich erst einmal ein halbes Jahr in Diskotheken ge-jobbt. Durch eine Maßnahme vom Ar-beitsamt habe ich in einem Intensivkurs die Qualifikation zum Kraftfahrer erlangt und arbeite seitdem bei einer Spedition.

Zu meinem leiblichen Vater hatte ich erst keinen Kontakt, sondern habe den Kontakt erst aufgenommen mit 15 oder 16 Jahren. Der Kontakt ging nur sporadisch über ein halbes Jahr. Vor drei Jahren ist er gestorben, da war ich auch auf der Beerdi-gung. Der Kontakt zu meiner Mutter be-steht noch.

Aufgeschrieben von Patrick Vallo

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zehn Jahre StraßenkindDominik Bloh am 3. März in der Lagerhalle

„Unter Palmen aus

Dominik Bloh kann sich sehr gut in Menschen hineinversetzen, die auf der Straße

selber einer von

leben. Über zehn Jahre lang war er

ihnen. Jetzt hat er eine kleine Wohnung in Hamburg, seine Vergangenheit hat er damit aber keineswegs vergessen. In seinem Buch

Vom Leben auf der Straße: Domi-nik Loh liest aus seinem Buch.

Stahl“, das es in die Spiegel-Bestsellerliste schaffte, erzählt er vom schwierigen Elternhaus, dem freien Fall nach dem Tod der Groß-mutter und darauf folgender Wohnungslosigkeit im Teenager-Al-ter, darüber, wie es ist, mehr als ein Jahrzehnt auf Bänken und un-ter Brücken zu schlafen, und wie er versucht, trotz Hunger, Kälte und Einsamkeit ein möglichst normales Leben zu führen. Und eben, wie er es schafft, sich mit viel Willenskraft aus dieser Situa-tion herauszuarbeiten.

Noch als Wohnungsloser lebend hat er einen Teil der Ge-schichten seines Buches auf kleinen Zetteln notiert. Am 3. März ist der inwischen Dreißigjährige in der Lagerhalle Osnabrück zu Gast. Veranstalter ist neben der Lagerhalle das Literaturbüro Westniedersachsen in Kooperation mit der Tageswohnung und der Fachberatungsstelle für Wohnungslose der Soziale Dienste SKM gGmbH. Text: Julian Wessel; Foto: Julia Schwendner

Nicole Eggert, 43

augenblick mal!

Momentaufnahme einer abseits-Verkäuferin

Warum ich abseits verkaufe: Ich komme in Kontakt zu Leuten und verdiene mir etwas dazu.

Lebensmotto: Freundlich sein.

Hobbys: Ich besuche gerne Leute im Altersheim.

Was mich sauer macht: Wenn mich jemand anmacht.

Lieblingsgericht: Nudeln mit Tomatensoße und Spiegelei.

Was ich besonders an mir mag: Dass es mir gut geht.

Meine größte Schwäche: Ich kann nicht gut mit Geld umgehen.

Mein Lieblingskünstler: Udo Jürgens

Wo ich immer schon mal hin wollte: Mallorca.

Freundschaft bedeutet für mich: Alles.

Foto: Katharina Ludemann

7

IHRE ERSTE ADRESSEFÜR HAUSTECHNIK!

Heinrich Altenhoff GmbHPagenstecherstraße 34 · 49090 OsnabrückTelefon 0541 - 62826 · Telefax 0541 - [email protected] · www.heinrich-altenhoff.de

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Ein herzlicher Dank geht vom abseits-Chor an die Familie Exner. Sie hat in den letzten Jahren einen vorbildlichen Brauch entwickelt: Anstatt Geschenken zu den Geburtstagen und zu Weihnachten wird das Geld gesam-melt und an-schließend darf reihum ein Fami-lienmitglied ent-scheiden, für wel-chen Zweck das Geld gespendet wird. In diesem Jahr durfte sich der abseits-Chor über respektable 600 Euro freuen, die persönlich in der Ta-geswohnung für wohnungslose Menschen übergeben wurden, was natürlich mit ei-ner Führung durch das Haus verbunden war. Eine tolle Sache!

Foto: Helga Duwendag-Strecker

„Lieber Unbekannter, wir sind Schüler der Berufsschule in Bersenbrück und möch-ten dir eine kleine Freude in der Advents-zeit machen. Wir hoffen, dass es dir ge-schmeckt hat, und wünschen dir eine schöne Advents- und Weihnachtszeit.“Diese lieben Worte erreichten die Besu-cher der Tageswohnung in der Advents-zeit. Dazu gab es entweder selbstgebacke-ne Plätzchen oder Schoko-Crossies. Die Freude über diese Überraschung war groß, und es war nicht verwunderlich, dass die vielen Tüten innerhalb kurzer Zeit vergrif-fen waren. Die Besucher und Mitarbeiter der Tageswohnung bedanken sich herz-lich für diese nette Geste.

Text & Foto: Fred Klare

Als Winfried Bücker seinen Kindern An-ne-Marie (21), Pia (19) und Jakob (14) vor-schlug, einen Adventskalender zu befüllen anstatt zu leeren, waren sie anfangs nicht wirklich begeistert. Die anfängliche Skep-sis wandelte sich schnell zur Freude am Beschenken. So befüllten die drei Jugend-lichen abwechselnd den Kalender und fi-nanzierten den Inhalt aus eigener Tasche. Der Kalender selbst war eigentlich ein gro-ßer Kartoffelkorb, der mit einer Decke ver-hüllt war. In einem „richtigen“ Kalender wäre kein Platz für Konservendosen, Hy-gieneartikel und warme Socken gewesen. Die Besucher der Tageswohnung für woh-nungslose Menschen waren dann im Ja-nuar sehr angetan von dem verspäteten Weihnachtsgeschenk, das ihnen die Fami-lie aus Georgsmarienhütte überreichte. Je-der durfte ein Los ziehen und sich von dem kleinen Präsent beglücken lassen.

Text: Julian WesselFoto: Helga Duwendag-Strecker

Anja Derksen präsentiert ihren Verkaufs-ausweis für 2020, der dieses Mal in grün-weiß daherkommt. Zu erkennen ist ein aktuelles Lichtbild, der Name des Verkau-

fenden sowie die Kontaktadresse der abseits-Redaktion. Nur wer den auf dem Bild zu sehen-den Ausweis vor-zeigen kann, darf die Straßenzeitung legitim verkaufen. Das Mitführen des Identitätsnachwei-ses ist verpflichtend.

Dass alles sei-ne Richtigkeit hat, liegt den abseits-Verkäufern eben-so am Herzen wie

die Einhaltung einiger Regeln. Um ihren guten Ruf zu bewahren, darf die Straßen-zeitung nicht unter Alkohol- oder Dro-geneinfluss verkauft werden. Auch auf-dringliches Verkaufen und übermäßiges Anpreisen akzeptieren wir nicht. Um un-sere Grundsätze einzuhalten, bitten wir Sie, bei unerwarteten Problemen Kontakt zu uns unter der Rufnummer 0541 33035-16 aufzunehmen.

Text: Julian WesselFoto: Helga Duwendag-Strecker

Nur mit gültigem ausweis!Verkäuferausweise 2020

Gebäck und Gedicht: Weihnachtsgrüße aus dem Nordkreis.

Leckere ÜberraschungBerufsschüler aus Bersenbrück

adventskalenderim JanuarFamilie Bücker überrascht TaWo-Besucher

Persönliche Übergabe: Michaela und Winfried Bücker spenden Geschenke.

Geld statt GabenFamilie Exner spendet

8Februar/März ´20

Alles da: Lichtbild, Name, Unterschrift, Gültigkeit und Re-daktionskontakt ge-hören zum Verkäu-ferausweis.

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Bernhard Diekmann aus Georgsmarien-hütte ist einer der eifrigsten Unterstützer der Tageswohnung. Seit vielen Jahren or-ganisiert er Sammelaktionen für die Klei-derkammer der TaWo und organisiert Geldspenden zugunsten der Einrichtung für wohnungslose Menschen, zum Bei-spiel bei der bekannten Ortseingangsfete. Im vergangenen Jahr brachte er die Ta-geswohnung beim traditionellen Herren-abend „Eisbein & Sauerkraut“ im Oeseder Brauhaus Dröge als unterstützenswer-te Einrichtung ins Gespräch. Bereits zum 38. Mal fand diese Veranstaltung mit Ver-tretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesundheitswesen statt, die sich – neben der deftigen Mahlzeit – zum Ziel gesetzt hat, Spenden für soziale Einrichtungen zu sammeln. Auf Vorschlag von Bernhard Diekmann spendeten die etwa 50 Teilnehmer des Eis-beinessens im November letzten Jahres satte 1205 € für die Tageswohnung, die im Anschluss von den Organisatoren Man-fred Motzek und Hans-Joachim Graef an Thomas Kater, Fachdienstleiter der Tages-wohnung, überreicht wurden. Ein herzli-ches Dankeschön geht an alle spenden-freudigen Teilnehmer und besonders an Bernhard Diekmann für sein langjähriges Engagement für die Tageswohnung!

Foto: Wolfgang Lau

Fette Sache: Thomas Kater freut sich über die Herrenabend-Spende, überreicht durch Bernhard Diekmann, Hans-Joachim Graef, Manfred Motzek.

„Kling Glöckchen, klingelingeling...“ - be-herzt greift Chorleiter Ruud van Iterson in die Tasten, die kräftige Stimme von Bi-schof Franz-Josef Bode gesellt sich zu den Stimmen des abseits-Chores. Die Tages-wohnung ist bis auf den letzten Platz be-setzt.

Ja, fröhlich findet die traditionelle Weihnachtsfeier in der Bramscher Straße

auch laut Aussage von Bischof Bode statt. Im Anschluss an die Weihnachtslieder werden Rinderrouladen mit Rotkohl und Klößen serviert. Zum Abschied gibt es für jeden Besucher noch eine Geschenktüte gefüllt mit Süßigkeiten und einem kleinen Präsent.

Text: Susanne KamplingFoto: Helga Duwendag-Strecker

erlös von eisbein & SauerkrautHerrenabend im Brauhaus Dröge in Oesede spendet für die TaWo

Bischöfliche Unterstützung: abseits-Chor mit Franz-Josef Bode.

Glockenklang und rinderrouladenWeihnachtsfeier in der TaWo

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10Februar/März ´20

„Wenn ich in den Spiegel gucke, sehe ich es jeden Tag“, sagt Christa*, senkt den Blick und schaut auf ihren Ober-körper. „Die Diagnose und die Nach-richt, dass das Brustgewebe auf beiden Seiten komplett entfernt werden muss, bekam ich im Juli 2016 am Telefon“, er-zählt sie mir, als ich sie in einem kleinen Café in der Osnabrücker Altstadt treffe.

Ich treffe Christa heute zum ersten Mal. Während wir bei einem Chai Latte ins Ge-spräch kommen, merke ich, dass mein ers-ter Eindruck mich getäuscht hat. Die vor ein paar Minuten noch reserviert und schüchtern wirkende Person entpuppt sich als eine starke, intelligente Frau, die mir ganz offen von ihrer Geschichte be-richtet. Sie macht dabei einen sehr kon-trollierten Eindruck auf mich, wählt ihre Worte mit Bedacht. Doch auch eine star-ke Persönlichkeit wie Christa braucht in Momenten wie diesen eine starke Schul-

ter zum Anlehnen. Diese fand sie damals zum Glück in ihrer Schwester, die wäh-rend des Telefonats bei ihr war. Dafür ist sie ihr auch heute noch dankbar.

Während sie mir das erzählt, bekom-me ich eine Gänsehaut. Es ist für mich schwer zu verstehen, wie man einem Men-schen eine solche Nachricht per Telefon überbringen kann. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie die Situation ohne diesen Beistand für sie gewesen wäre. Denn die Krebsdiagnose war in dieser Zeit nicht der einzige Schicksalsschlag, den sie zu verar-beiten hatte und der ihr Leben grundle-gend veränderte.

Innerhalb von zwei Jahren hatte sie drei größere Operationen. Zwei davon unabhängig von ihrer Brustkrebserkran-kung – eine im Jahr 2015, die andere im Mai 2016. Nur zwei Monate später hat sie nach einem Mammographie-Termin die Nachricht bekommen, dass irgendetwas mit ihrem Brustgewebe nicht in Ordnung ist. Einer ersten Diagnose zufolge war der Krebs in Christas Brustgewebe nur einsei-tig aufgetreten, was bedeutet hätte, dass

Die Diagnose, die angst und die zeit danachChrista spricht über ihren Brustkrebs

der Tumor operativ aber brusterhaltend hätte entfernt werden können. Ein darauf folgendes Ultraschallbild legte jedoch den Verdacht nahe, dass der Krebs die Brust beidseitig befallen hatte, was durch eine spätere MRT-Untersuchung bestätigt wur-de. Die Diagnose: „lobulärer Brustkrebs“.

Christa war zu der Zeit 52 Jahre alt und stand von heute auf morgen vor der Entscheidung: Soll das entfernte Brustge-webe gar nicht wieder aufgebaut werden? Soll ein Aufbau mit Implantaten oder soll ein Aufbau mit Eigengewebe erfolgen? Ich muss schlucken. Wie hätte ich mich ent-schieden? Vor allem in so kurzer Zeit? Christa erzählt mir, dass sie sich dazu entschlossen hat, Implantate zu verwen-den, welche direkt bei der ersten Operati-on nach Entfernung des befallenen Brust-gewebes eingesetzt wurden. Dies bringt allerdings Risiken mit sich. Es kann zu Verhärtungen und Verdickungen um das Brustimplantat kommen, was zu einem Austausch und damit erneut zu einer Ope-ration führen würde.

Ihre Kinder sind damals 12 und 14 Jah-* Name von der Redaktion geändert

Der Tag, der alles verändert: Auf die Krebsdiagnose folgt Todesangst.

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re alt. Was geht in einem Menschen vor, der gerade eine potenziell tödliche Diag-nose bekommen hat? Vor allem, wenn ein Partner und Kinder im Spiel sind? Sie be-richtet mir von einer Frage, die ihr stän-dig durch den Kopf geschwirrt ist: „Was ist mit der Familie, insbesondere den Kin-dern, wenn ich eventuell sterbe?“ Ihre an-dere Erkrankung war zwar ebenfalls ein einschneidendes Erlebnis, das ihr auch psychisch zugesetzt hat, aber nicht in der Form, dass sie Angst um ihr Leben hat-te. „Auf einmal beschäftigt man sich auto-matisch mit dem Thema Sterben und Tod, was vorher kein so großes Thema gewe-sen ist.“ Sie erzählt mir von einer Situation kurz vor der Operation, in der sie und ihr Mann nachts wach wurden und zusam-men weinten.

Ich merke ihr an, dass diese Situation sie auch heute noch berührt. Tränen tre-ten ihr in die Augen und laufen ihre Wan-gen hinab. Dennoch wirkt sie sehr gefasst. Selbst als sie ihre Tränen nicht mehr zu-rückhalten kann, ihre Stimme leiser und ihr Gesicht ernster wird, scheint es, als würde sie versuchen, Distanz zu dem Er-lebten zu wahren.

Es macht auf mich den Eindruck, als würde sie nicht über sich, sondern über eine andere Person berichten, um nicht noch einmal dem vollen Schmerz von da-mals ausgesetzt zu sein. Dennoch bin ich überfordert. Was macht man in so einer Situation, in der man sich zum ersten Mal begegnet und ein dermaßen intimes Ge-

spräch führt? Ein Gespräch, bei dem das Gegenüber die zurückliegende Zeit ge-danklich noch einmal durchlebt und dem-entsprechend natürlich auch emotional

werden kann. Soll ich ihr als Zeichen mei-ner Anteilnahme die Hand auf die Schul-ter legen oder überschreite ich hier eine Grenze? Ist das für die kurze Zeit zu viel körperliche Nähe? Soll ich etwas Trösten-des sagen oder lieber schweigen? Ich reiche ihr ein Taschentuch, was sie dankend an-nimmt.

Auf einmal frage ich mich, wie die Si-tuation wohl für ihren Ehemann und vor allem ihre Kinder gewesen sein muss. Ich kenne Christa erst seit ein paar Minuten, aber für ihre Familie ist Christa eine Per-son, die sie lieben. Ein Mensch, mit dem sie viele Jahre ihres bisherigen Lebens zu-sammen verbracht haben. Sie haben die wahnsinnige Angst vor der großen Ope-ration, jede Sorge vor einer neuen Unter-suchung, die traurigen Augen von Ehe-frau und Mama hautnah miterlebt, weil

ihr ein Teil ihres Körpers genommen wur-de, mit dem sie sich so lange identifiziert hat. Christa sagt mir, dass ihr Mann und ihre Kinder ihre Sorgen und Ängste eher mit sich selbst ausgemacht und sie es nie haben spüren lassen. Sie hingegen hat eine Psychotherapie gemacht, die sie allerdings schon im Vorfeld wegen ihrer anderen Di-agnose in Anspruch genommen hatte.

Ich möchte wissen, wie ihre Therapie genau aussah. „Erst einmal stand die Mas-tektomie, also die beidseitige Entfernung des Brustgewebes, im Vordergrund. Dann musste natürlich alles verheilen, und im Anschluss war ich noch viereinhalb Wo-chen in der Reha.“ Den Zeitpunkt für die Reha hatte sie bewusst gewählt, weil sie bestimmte Termine wie eine Hochzeit und die Firmung ihres Sohnes miterleben wollte. Christa betont: „Es sind positive Erlebnisse!“ Und die sind für sie nun ein-mal besonders wichtig während einer sol-chen Phase.

Christas Brustkrebs gilt heute als ge-heilt. Und doch lebt sie mit der ständigen Angst vor einem Rückfall. Deshalb nimmt sie im Zuge der Nachsorge und Prophy-laxe auch heute noch ein Medikament, das ihr erst einmal für drei Jahre verord-net worden ist. Alle drei Monate geht sie darüber hinaus zu einer Nachsorge-Un-tersuchung, die ab Januar nur noch halb-jährlich ansteht, und einmal im Jahr zur Mammographie-Untersuchung. Diese ganzen Untersuchungen dienen natürlich Christas eigener Sicherheit und doch wird

Erster Verdacht: Auf dem Ultraschall sind Zellveränderungen sichtbar.

„auf einmal beschäftigt man sich automatisch

mit dem Thema Sterben und Tod, was vorher

kein so großes Thema gewesen ist.“

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12Februar/März ´20

mir während unseres Gesprächs bewusst, dass es gerade diese Untersuchungen sind, die immer wieder Stress und Unsicherheit in ihr auslösen, wie beispielsweise ein Ab-strich bei ihrem Frauenarzt: „Da hieß es,

der sei nicht okay und nach drei Mona-ten wieder ‚nicht okay‘. Im Endeffekt war dann doch alles gut, aber in der Zwischen-zeit macht man sich dann schon seine Ge-danken.“

Während einer solchen Zeit behält sie ihre Gefühle und Gedanken für sich, um ihre Familie nicht zu belasten. Stattdes-sen versucht sie, sich abzulenken und viel-leicht zwischendurch Urlaub zu machen, wenn dies finanziell möglich ist.

Auch heute noch scheint sie erleichtert, als sie erzählt, dass eine Chemotherapie durch einen Gen-Test ausgeschlossen wer-den konnte. Sie betont, wie froh sie dar-über ist, dass sie ihre Haare während der Therapie nicht auch noch verloren hat. Das wäre für sie eine zusätzliche Belastung ge-wesen.

Ich bewundere ihre Stärke. Immerhin hat sie eine Operation über sich ergehen lassen, bei der sie ihre natürlichen Brüs-te verloren hat und unter deren Folgen sie heute immer noch spürbar leidet. Jetzt spielt sie mit dem Gedanken, sich Brust-warzen tätowieren zu lassen, um sich wieder voll als Frau zu fühlen. Es gibt in

Deutschland einen Tätowierer, der für sei-ne Arbeiten in diesem Bereich bekannt ist. Seine Tattoos sehen sehr realistisch aus und können sogar in dreidimensionaler Optik auf die Haut aufgebracht werden.

Es gibt auch die Möglichkeit eines na-türlichen Aufbaus, doch das würde wieder zusätzliche Narben am Bauch, am Ober-schenkel oder an anderen Stellen bedeuten und auf weitere langwierige Operationen hat Christa keine Lust mehr. Ich merke ihr an, dass sie trotz allem oftmals mit dem Gedanken spielt und es für sie keine leich-te Entscheidung ist.

Was mich schockiert, sind Kommenta-re, die Christa vor allem von Männern im-mer wieder zu hören bekommt. „Das ist doch nur die Optik“, waren die Worte ei-nes Mannes aus dem Bekanntenkreis. Ich werde wütend, als ich das höre. Und auch Christa scheint durch diesen Kommen-tar verletzt worden zu sein: „Das hat auch

etwas mit psychischem Wohlbefinden zu tun! Ich glaube, dass ein Mann nicht nach-vollziehen kann, was das für eine Frau be-deutet.“

Trotz aller negativen Erfahrungen nimmt Christa auch etwas Positives aus ihrer Erkrankung mit: „Man überdenkt sein bisheriges Verhalten und sein bishe-riges Leben und entwickelt wieder ein Ge-spür für sich selbst. Geld ist nicht alles. Weniger Stunden arbeiten, mehr für sich selbst tun, Sport machen und für psychi-sche Ausgeglichenheit sorgen! Sich sel-ber pflegen ist sehr wichtig. Und im Hier und Jetzt leben, sich Wünsche jetzt gön-nen! Auch wenn man das immer wie-der hört und vielleicht nicht mehr hören kann, aber es ist nun einmal so: Jeder Tag könnte der letzte sein. Und dies wird ei-nem durch die Erkrankung schlagartig be-wusst. Weshalb man jeden Tag bewusster lebt und sich zugesteht, sich auch einmal etwas gönnen zu dürfen.“

Auf dem Weg nach Hause denke ich über unser Gespräch nach. Ich habe in den letzten zwei Stunden eine wahre Ach-terbahn der Gefühle erlebt. Ich war ge-schockt und traurig, ich war wütend und entsetzt, ich war überfordert, aber ich war auch beeindruckt. Mir wird bewusst, dass ich noch oft an Christa denken wer-de. An eine Frau, die immer wieder auf-steht, wenn sie fällt, und dabei kämpft wie eine Löwin.

Text: Lena FeldkampFotos: Helga Duwendag-Strecker

„Im Hier und Jetzt leben, sich Wünsche

jetzt gönnen! es ist nun einmal

so: Jeder Tag könnte der letzte sein. “

Unumgänglich: Die Operation hat Christa das Leben gerettet.

Gravierende Veränderung: Christa leidet bis heute unter der Amputation.

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Wer die Diagnose „Krebs“ erhält, sorgt sich häufig nicht nur um seine Gesund-heit, sondern auch um seine Existenz. Eine längere Krankschreibung ver-schlechtert zumindest bei vielen Pati-enten die finanzielle Situation. Es gibt Menschen, die längere Zeit mit den Fol-gen der Erkrankung zu kämpfen haben.

Für viele betroffene Arbeitnehmer stellt sich zunächst die Frage, ob sie bei einer Krankschreibung im Falle einer Krebser-krankung die Diagnose dem Arbeitgeber mitteilen müssen. Die Krankschreibung muss direkt beim Arbeitgeber abgegeben werden. Wenn möglich, sollte man dem Arbeitgeber auch mitteilen, dass es länger dauern könnte, denn viele Krebspatienten sind für längere Zeit nicht arbeitsfähig.

Die Rückkehr in den Beruf hängt auch von der Behandlung und dem Verlauf der Erkrankung ab. Welche Krankheit man hat, muss man jedoch nicht sagen. Die Di-agnose fällt unter den Datenschutz. Ge-setzlich versicherte Arbeitnehmer bekom-men für den Fall einer Krankschreibung in der Regel zunächst sechs Wochen lang ihren Lohn vom Arbeitgeber weiter be-zahlt. Ist man länger krankgeschrieben, zahlt die Krankenkasse. Das Krankengeld beträgt 70 % des Brutto- und maximal 90 % des Nettolohnes und wird für längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren ge-zahlt. Insgesamt ist man durch Lohnfort-zahlung und Krankengeld bis zu 78 Wo-chen finanziell abgesichert.

Gesetzlich versicherte Selbstständi-ge können mit ihrer Krankenkasse ein Krankengeld vereinbaren oder sie erhal-ten Krankentagegeld, wenn sie eine ent-sprechende private Versicherung ab-geschlossen haben. Häufig folgen den Krebsbehandlungen Reha-Maßnahmen. Für die Dauer der Reha bekommt man

als gesetzlich Versicherter zum Beispiel Krankengeld von der Krankenkasse oder Übergangsgeld von der Rentenkasse, je nachdem, wer die Reha finanziert. Wenn nicht gleich eine vollständige Rückkehr in den Beruf gesundheitlich möglich ist, kann stufenweise begonnen werden, wie-der zu arbeiten. Geregelt wird dieses über das sogenannte betriebliche Eingliede-rungsmanagement (BEM). Je nachdem, wer die Wiedereingliederung finanziert und was der eigene Arbeitsvertrag vor-sieht, kann beispielsweise Krankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld und/oder Gehalt während dieser Zeit gezahlt werden.

Tritt aufgrund der Krebserkrankung eine teilweise oder vollständige Arbeits-unfähigkeit ein, kann eine Erwerbsmin-derungsrente beantragt werden. Krebs-kranke können darüber hinaus einen Schwerbehindertenausweis beantragen.

Ein Schwerbehindertenausweis hat die Funktion des Nachteilsausgleichs für Menschen, die (auch vorübergehend) in der Teilhabe am Leben beeinträchtigt sind. Dieses Recht ist im Sozialgesetzbuch ver-ankert. Der Ausweis wird ab einem Grad der Beeinträchtigung von 50 bewilligt. Das ist bei einer Krebserkrankung regel-mäßig der Fall. Unter Umständen wird der Ausweis zunächst zeitlich auf ein paar Jah-re begrenzt, das nennt man Heilungsbe-währung.

Der Schwerbehindertenstatus bringt eine Reihe von Vergünstigungen mit sich, unter anderem einen erhöhten Kündi-gungsschutz am Arbeitsplatz, mehr Ur-laubstage, Steuererleichterungen, Ermä-ßigungen beim öffentlichen Nahverkehr oder auch die Befreiung von Funk- und Fernsehgebühren.

Wer aufgrund einer Krebserkrankung auf Pflege angewiesen ist und sich nicht

Von Krankschreibung bis Pflegestufe

Wichtige rechtliche Fragen nach einer Krebsdiagnose

rechtsanwältin andrea Schippers Große Straße 5549074 Osnabrück

0541 3504066 [email protected]

mehr eigenständig versorgen kann, gilt in Deutschland als pflegebedürftig und er-hält einen seinem Grad der Beeinträch-tigung im Alltag entsprechenden Pflege-grad. Leistungen der Pflegeversicherung können ab einem Zeitraum von sechs Mo-naten beantragt werden. Ob zum Beispiel die Pflegeversicherung für die Pflege zu Hause einen Pflegegrad bewilligt, muss von Fall zu Fall individuell entschieden werden. In den verschiedenen Stadien ei-ner Krebserkrankung können die Betrof-fenen auf unterschiedliche Weise auf Hilfe angewiesen sein. Abhängig von Alter und Schwere der Krebserkrankung reicht das Spektrum des Krankheitsbildes von einer weitgehenden Selbstständigkeit bis hin zur Bettlägerigkeit.

Rechtsanwältin Andrea Schippers

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Ein ruhiger Samstagmorgen in den Städtischen Kliniken Osnabrück. Ich setze mich am Ende des langen Flures im Wartebereich der Abteilung Senolo-gie zu einer Frau mittleren Alters. Sie er-widert meinen Gruß. Ein kleiner Tisch zwischen uns. Während ich noch über-lege, wie man sich als Frau fühlen mag im Brustkrebszentrum vor der Tür des Chefarztes, öffnet sich die gegenüber-liegende Bürotür von Dr. Christoph Katz. Ich merke, dass ich falsch gelegen habe. Die eigentliche Patientin, eine äl-tere Dame, kommt heraus, gestützt auf einen Rollator. Ich bemerke ihre Perü-cke. Die Dame geht auf meine Sitznach-barin, offensichtlich ihre Begleiterin, zu. Dr. Katz bittet mich freundlich in sein

Zimmer. Er wirkt ruhig, entspannt und spricht leise und zugewandt.

Dr. Katz, der Ausdruck Senologie, Ihr Fachbereich, ist für die meisten Men-schen zunächst ein fremder Begriff.Das stimmt. Im Lateinischen geht er auf das Wort Sinus, gleich Krümmung, zu-rück und bezeichnete den Bausch des Ge-wandes, hinter dem die Brust verborgen liegt. Man brauchte etwas Neutrales und Gefälliges. Da ist „Senologie“ vielleicht in Ordnung.

Sie haben in Münster Medizin, Psy-chologie und Soziologie studiert. War-um noch zusätzlich Soziologie?Ich wollte immer schon den Menschen aus seiner ganzen Sicht sehen. Ich woll-

Medizin und Psyche ergänzen sich zum erfolgDr. Christoph Katz, Leiter des Brustkrebszentrums Klinikum Osnabrück

te nicht nur die medizinische Hardware kennenlernen, sondern auch die Software. Der Mensch ist grundsätzlich ein soziales Wesen, deswegen hat mich die Soziologie auch interessiert.

Wie groß ist für Sie der Stellenwert der Psychotherapie in Ihrer Arbeit mit Krebspatienten*innen?Sehr groß! Körper und Seele sind nie ge-trennt voneinander zu sehen – es erkrankt immer der ganze Mensch. Die Gruppe, in die er eingebunden ist, definiert, was krank ist und was nicht krank ist. Tumor-erkrankungen haben bei verschiedenen Völkern ganz unterschiedliche Schrecken. Je nach weltanschaulichen Interessen geht man sehr unterschiedlich mit der Endlich-keit des Lebens um. In einer konsumorien-tierten Welt gibt es einen anderen Krank-heitsbegriff als in einer Gesellschaft, die an einem Wohlergehen für alle orientiert ist. Man hat mehr Ängste vor dem Verlust und da wird ein ganz anderes Krankheits-modell relevant.

Sie haben den Blick fürs Ganze und das Zentrum für Brustkrebs im Jahr 2012 hier aufgebaut. Es ermöglicht Ih-

Dreifachexperte: Dr. Christoph Katz ist Chirurg, Diplompsychologe und Psychothe-rapeut.

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nen wahrscheinlich eine umfassende in-terdisziplinäre Zusammenarbeit...

...die schwer in eine Rangfolge zu brin-gen ist. Der Pathologe ist eminent wich-tig, ohne ihn gibt es keine Befunde. Der Radiologe macht die Dinge sichtbar, der Nuklearmediziner unterstützt dabei noch therapeutisch, dazu der Strahlentherapeut. Der Onkologe steuert die Chemo- und die Antikörpertherapien. Weitere wichtige Abteilungen sind die Ernährungsberatung, die physikalische Therapie, die Psycho-onkologie. Neu ist die Intensität der Betreu-ung, man trifft sich und bespricht die Fälle gemeinsam, kurze Wege im eigenen Haus.

Wie ist der medizinische Fortschritt in der Krebsforschung in der Brust-krebstherapie angekommen?Die älteste Form der Behandlung, die Operation, war ursprünglich sehr radi-kal. In allen Fachgebieten hat man bei bös-artigen Tumoren immer die regionalen Lymphknoten entfernt. Die großräumige Entfernung führte aber gar nicht immer zur Heilung.

Die eigentliche Bedrohung bei Brust-tumoren ist die frühe Metastasierung in

Leber, Knochen und Lunge. Man fing an, mehr brusterhaltend zu operieren - das Ergebnis war nicht schlechter. Seitdem geht die operative radikale Therapie ste-tig zurück. Es wurde immer mehr nur der Wächterlymphknoten entfernt, der als ers-

tes von der Lymphe erreicht wird. Durch Bestrahlung und Chemotherapie werden heute die Tumoren so gut beeinflusst, dass man vielleicht auch noch darauf verzich-ten wird. Es verbleibt also mehr Gesundes, das macht weniger Beeinträchtigungen.

Die Strahlentherapie entwickelt sich stark. Strahlendosen verringerten sich, die Bündelung wurde feiner. Einstrah-lungstiefen werden heute exakt vom Com-

puter kontrolliert. Alles schonender für das benachbarte Gewebe, alles moderner. Schnell stellte sich heraus, dass die Thera-pien sich in ihrer Wirkung addieren. So ist die Strahlentherapie unentbehrlich gewor-den in der Nachbetreuung der verschiede-nen Tumore.

Die medikamentöse Therapie hat den größten Anteil in der Behandlung, vor al-lem die Chemotherapie bei Metastasie-rungen. Die Substanzen sind immer bes-ser geworden und ihre Kombination führt zu immer besseren Ergebnissen, auch bei den Überlebensraten. Anfang des Jahr-tausends wurde sie durch die Hinzunah-me von Antikörpern revolutioniert. Seit fünf Jahren werden bei allen Tumorarten kleine Moleküle in die Informationska-näle der Zellen geschleust und damit die Zellvermehrung blockiert. Das ist die mo-dernste Form der Tumortherapie.

Sie haben anfangs von der Endlich-keit des Lebens gesprochen. Können Sie aus psychologischer Sicht etwas über die Angst der Frauen sagen?Die Patienten*innen sprechen ihre Ängs-te aus oder sie zeigen sie in der Körperhal-

„Das ganze Leben auf die erkrankung

auszurichten neurotisiert und

schwächt das Immunsystem.“

Ultraschall schafft Fakten: Die Folgen für die Psyche sind nicht darstellbar.

Wertschätzung für seine Patienten: Dr. Christoph Katz mit seinem Gedicht- und Liederband „Mehr als ein Stück Lebenszeit“.

Multitalent: Dr. Katz vereint viele berufli-che und private Interessen.

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tung. Ich arbeite mit ihnen im Entspan-nungstraining, bei der Maltherapie und in der Musiktherapie. Entscheidend ist, in welcher Lebensphase man erkrankt ist. Wenn jemand in seinem Leben viel von dem gemacht hat, was er immer machen wollte, umso weniger hat er Angst vor dem eigenen Tod. Bei Menschen, die noch viel gestalten wollen, wo noch vieles offen ist, ist die Angst begreiflicherweise größer.

Nach dem wissenschaftlichen An-spruch ist vieles möglich. Aber will das die Frau überhaupt? Es gibt ein Selbstbestim-mungsrecht auf den eigenen Körper und den eigenen Tod. Wenn jemand das ma-chen möchte und das andere nicht, ist das für mich kein Problem, in der Diagnostik in der Therapie, in der Begleitung. Voraus-setzung ist, dass er gut informiert ist. Ich gebe ein Angebot und der Betroffene kann sich das aussuchen wie an einem Buffet.

Ich stelle mir jetzt vor, dass Sie den Frauen auf diese Weise ein Stück weit die Ängste nehmen.Es gibt drei unterschiedliche Bewälti-gungsmechanismen: Der eine ist die kom-plette Verdrängung, die Betroffene möch-te nichts damit zu tun haben. Das ist genauso effektiv wie die Verarbeitung des Geschehens.

Das heißt, sie kommen damit genau-so gut klar, indem sie sich anvertrauen, aber doch nichts Genaues über die Be-funde wissen wollen?Ja, das funktioniert. Dann sind da noch die Patientinnen, die sich intensiv ausei-nandersetzen und dann wieder zum nor-malen Leben zurückkehren. Aber auch Be-troffene, die ihr ganzes Leben verhindern

und nur auf diese Krankheit ausgerichtet sind und die ihren ganzen Lebensrhyth-mus darauf abstellen. Das ist die Gruppe, die am wenigsten Erfolg hat. Das neuroti-siert und schwächt offensichtlich das Im-munsystem. Wenn dieses Blatt Papier das Problem darstellt und ich schaue es ganz nah an (hält es unmittelbar vor die Augen), dann sehe ich fast nichts mehr vom Raum. Legt man es zur Seite (führt das Blatt zu-

rück auf den Tisch), dann ist da ganz viel anderes noch zu sehen. Ich bin nicht nur mein Problem, ich bin nicht nur Brust-krebs. Ein Leben mit der Erkrankung zu machen, ist wichtig.

Wie entscheidend zur Vermeidung von Brustkrebs ist die Ernährung?Die ist evident wichtig! Im Körperfett-gewebe werden Östrogene gebildet und je fülliger die Leute sind, umso anfälli-ger sind sie für hormonempfindliche Tu-moren. Das sind ja 80 Prozent. Normal-gewicht und viel Bewegung können 40 Prozent der Krebse ersparen. Das gilt auch für Dickdarmkrebs und Prostatakrebs. Es gibt ein unglaubliches präventives Poten-tial. Ich versuche meine Patienten zu mo-tivieren, möglichst ihr Normalgewicht zu

erreichen und sich viel zu bewegen. Es geht hier weniger um Krafttraining, das ist auch sehr gut, aber mehr um ein Aus-dauertraining. Laufen, Schwimmen, Wal-ken, Joggen, Radfahren, Inliner. Wenn heute der Brustkrebs zunimmt, dann hat das auch mit Bewegungsarmut in der Ge-sellschaft zu tun.

Junge Frauen zwischen 15 und 30 Jah-ren haben noch kein ausgeprägtes Brust-drüsengewebe. Junge Raucherinnen sind mehr gefährdet. Beim Alkoholkonsum gibt es eine lineare Abhängigkeit zum Ri-siko. Mehr als ein halbes Glas Wein pro Tag schadet. Man muss sich nicht neuro-tisch machen, aber es gibt viele Alternati-ven sich zu verwöhnen, vom Fruchtsaft bis zum Tee. Wenn man Brustkrebs vermei-den will also wenig Alkohol, nicht Rau-chen, viel Bewegung, Normalgewicht!

Wie gefährdet sind Frauen in Abhän-gigkeit von ihrem Alter?Das Gros der Patientinnen erkrankt um zwei Altersgipfel. Der eine liegt bei 50-55 und der andere bei 75-80 Jahren. Je älter man wird, umso geringer funktioniert die Zellreparatur. Es gibt eine kleine Zahl von Ausreißern und von Patientinnen, die ge-netisch vorbelastet sind, die auch mit 30-35 erkranken können.

Bei wie vielen Erkrankten kann brus-terhaltend operiert werden?Bis zu 80 Prozent der Frauen werden brus-terhaltend operiert. Dann gibt es noch die Fälle, die primär an verschiedensten Stel-len beginnen, multizentrisch, wo der Tu-morbefall so groß ist, dass es nicht geht. Ebenso bei Patientinnen, die sehr spät kommen und wo die Brust schon aufge-

„Normalgewicht und viel bewegung können

uns 40% der Krebserkrankungen

ersparen.“

Alles unter einem Dach: In der Senologie arbeiten verschiedene Fachrichtungen zu-sammen.

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brochen ist. Wir haben 70.000 Erkrankun-gen in der BRD pro Jahr. Bei 14.000 Frau-en kann die Brust nicht erhalten werden.

Das Körperbild dieser Frauen wird sehr darunter leiden.Das stimmt! Dafür bieten wir natürlich die Rekonstruktion der Brust an aus Mus-kel- und Fettgewebe oder mit einem Fremd-implantat, wonach Sie den Eingriff als Laie so gut wie nicht mehr sehen können. Bei körpereigenem Gewebe müssen Sie ein Le-ben lang nicht mehr revidieren. Die Ent-nahmestellen sind der innere Oberschen-kel, der Bauchraum oder der Rücken.

Kommt es oft zu Rückfällen bei den Erkrankungen?Bösartige Zellen, die in der Schlafphase sind, können Sie therapeutisch nicht er-reichen, sondern nur Zellen, die sich ge-rade teilen. Wir versuchen deswegen lan-ge zu therapieren, beispielsweise in einer antihormonalen langen Therapie über zehn Jahre und darüber hinaus, wenn es um gefährliche Tumore geht und eine Ver-streuung von Tumorzellen zu vermuten ist. Dann erreicht man irgendwann auch neu-erwachte Zellen und kann sie unschädlich machen. Bildlich wäre das eine Antibaby-pille für Tumorzellen. Wenn Sie diese Pille regelmäßig nehmen, bekommt die Tumor-zelle umso weniger ihre Kinder. Die Rück-fallquote liegt bei 20 % aller zuvor geheil-ten Frauen. Zu einem großen Prozentsatz werden viele von diesen Frauen erneut ge-sund. Zur Ergänzung, ein Prozent aller Patienten sind Männer, die wir analog den Frauen behandeln.

Wie lassen sich die Begriffe Vorbeugung, Prävention und Früherkennung einordnen?Präventivmaßnahmen gegen Brustkrebs sind Sport, Normalgewicht, kein Alko-hol, kein Rauchen. Das nennt man pri-märe Prävention. Die gehört schon in die Schulen! Dann kommt die sekundäre Prä-vention: Beispiel Früherkennung. Da ist das Mammographie-Screening als sekun-

däre präventive Maßnahme. Die tertiäre Prävention ist die Verhinderung von wei-teren Schäden, wie die Lymphtherapie in der physikalischen Therapie, um den Arm funktionsfähig zu halten, der ja von der Brustmuskulatur bewegt wird. Weitere Auswirkungen der Erkrankungen sollen nicht noch zusätzlich beeinträchtigen.

Sie sind häufig mit dem Schicksal ih-rer Patientinnen unmittelbar konfron-tiert. Wie schalten sie selbst ab von ih-rem Beruf?Sport treiben ist genial, mit einem besse-ren Körpergefühl. Ich will Vorbild sein und bin jeden Morgen bei Wind und Wet-ter zehn Kilometer unterwegs. Ich bin Ma-rathonläufer und finde es genial, die freie Natur zu erleben. Das ist unschlagbar,

„Ich schreibe auch Prosa, spiele Gitarre

und komponiere gerne Lieder, Chansons.“

wohltätig für den eigenen Körper und ich möchte nicht darauf verzichten. Mein Ziel war immer und ist es auch noch, die Men-schen zur Gesundheit zu erziehen. Sport ist eine Befreiung zu einem aktiven Leben. Dazu sollten wir alle einladen.

Ich arbeite unglaublich gerne mit der Sprache. Mit neun Jahren fing das an und nun schreibe ich kontinuierlich Gedichte. Da gibt es mittlerweile einen großen Fun-dus. Ich schreib auch Prosa, spiele Gitarre und komponiere gerne Lieder, Chansons. Ich suche mir gerne Problemfelder und bearbeite sie. Mit der Musik geht das na-türlich unter die Haut. Dadurch kann ich meine Arbeit aufgreifen, auch verarbeiten. Meine Patienten werten das als eine Form der Wertschätzung...

...weil Ihre Patienten einiges mitbe-kommen aus Ihren Veröffentlichungen. Zuletzt haben Sie eine Sammlung von Gedichten und Liedern herausgegeben, deren Erlös Sie diesmal der Organisati-on HelpAge für die AIDS-Waisen in Af-rika zur Verfügung stellen.

* * *Nach meiner Verabschiedung von Dr. Katz bittet er eine neue Patientin in sein Zimmer. Ich verlasse die Abteilung Seno-logie und begreife, wie wichtig neben der medizinischen Betreuung erkrankter Frauen immer auch die Berücksichtigung ihrer psychischen Verfassung ist. Gut, dass Ärzte wie Dr. Katz sich dieser Aufga-be annehmen.

Das Gespräch führte Willi KaiserFotos: Helga Duwendag-Strecker

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Wenn die meisten Menschen schla-fend im Bett liegen, macht sich Jakob auf den Weg, um seine Lebensmittel zu besorgen. Containert wird nämlich nur nachts - um zu verhindern, vom Sicher-heitspersonal erwischt zu werden.

Meist zieht er alleine los. Jakob kennt die guten Orte und kann die Mülltonnen in Ruhe durchstöbern. Bei einigen Super-

märkten sind die Hinterhöfe zugesperrt. Um die weggeworfenen Produkte zu ret-ten, klettert er auch über Zäune. Vor al-lem findet er Obst, Gemüse und Backwa-ren. Dann wird geschaut: Was sieht noch gut aus? Was ist wann abgelaufen? Man-che Nächte sind erfolgreicher als ande-re. Süßigkeiten sind beim Containern ein Glücksfund. Wenn Jakob anderen beim Durchsuchen der Tonnen begegnet, wird

geteilt: „Es geht uns ja allen um dieselbe Problematik, da versteht man sich und tauscht sich aus.“

Jakob ist Abiturient, 19 Jahre alt und lebt bereits allein. Das Containern macht es ihm einfacher, sein Leben zu finanzie-ren. Aber hauptsächlich geht es ihm um die Moral: „So viele Menschen weltweit leiden Hunger. Da kann es einfach nicht angehen, dass in den Hinterhöfen unserer Läden Abfallcontainer voller Lebensmit-tel stehen.“ Er findet es unbegreiflich, dass die Weiterverwendung von Müll straf-rechtlich verfolgt wird.

Täglich landen große Mengen an Le-bensmitteln im Müll, die noch essbar sind, wegen des abgelaufenen Mindesthaltbar-keitsdatums oder Druckstellen aber nicht mehr verkauft werden dürfen. Um gegen diese Verschwendung anzugehen, ma-chen sich vor allem junge Leute wie Jakob auf, um aus den Tonnen der Supermärkte noch Essbares zu retten. Bei diesem soge-nannten Containern gehen die Akteure je-doch ein hohes Risiko ein. Werden sie an-gezeigt, müssen sie mit hohen Geldstrafen rechnen.

Dies ist im Januar vergangenen Jahres zwei Studentinnen passiert. Ein Gericht hat sie wegen Diebstahls und Hausfrie-densbruchs verurteilt. Ein Vorstoß im Juni dieses Jahres von Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne), das Containern zu le-

Das kann man doch noch essen!Containern als zweite Chance für weggeworfene Lebensmittel

Überraschende Ausbeute: Der Container-Inhalt bestimmt den Speiseplan.

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galisieren, scheiterte an der Ablehnung durch die CDU. Die Entnahme von weg-geworfenen Produkten wird in Deutsch-land weiterhin betraft. Und das, obwohl laut World Wide Fund For Nature (WWF) mehr als 18 Millionen Tonnen Lebensmit-tel jährlich im deutschen Müll enden. Das ist nicht nur unverantwortlich gegenüber denen, die nicht genug zum Überleben ha-ben. Diese Lebensmittelverschwendung hat auch Folgen für das Klima: Mehr als 26.000 Quadratkilometer werden pro Jahr nutzlos bewirtschaftet, dadurch werden 45 Millionen Tonnen Treibhausgase aus-gestoßen.

„Das Problem liegt vor allem in unse-rem Konsum“, warnt Jakob. Läden müs-sen jederzeit die gesamte Angebotspalette zur Verfügung stellen. So bleiben letzt-endlich große Mengen über. Dazu steu-ern auch strenge Hygienevorschriften bei. Oft sind die Lebensmittel deutlich länger genießbar, als das Mindesthaltbarkeitsda-tum ausgibt. Hat eine Orange eine faule Stelle, muss die gesamte Packung entsorgt werden.

Viele unserer Nachbarländer gehen mit dem Containern anders um. In Österreich und in der Schweiz gilt Müll als herrenlo-se Sache – die Entnahme ist somit erlaubt. In Frankreich ist es den Supermärkten so-gar verboten, Lebensmittel wegzuwerfen. Die Händler sind verpflichtet, diese zu spenden oder als Tierfuttermittel weiter-zuverkaufen. Organisationen wie die Tafel geben sie günstig an Bedürftige weiter. Ei-nige Supermärkte haben neben ihrem nor-

malen Verkauf einen separaten Laden, der alte Produkte für weniger Geld verkauft.

Brenzlig wurde es für Jakob bis jetzt nur ein einziges Mal. Als ein Sicherheits-beamter um die Ecke kam, musste er schnell fliehen. Für Jakob ist es völlig ab-surd, wie ein Verbrecher davonlaufen zu müssen. Für ihn ist das wahre Vergehen das Wegwerfen von noch genießbaren Le-bensmitteln. Von der Politik wünscht er sich eine schnelle Legalisierung des Con-

tainerns sowie mehr Unterstützung für Projekte zur Verwendung der Produkte:

„Das endgültige Ziel muss sein, die Men-ge an weggeschmissenen Lebensmitteln zu reduzieren. Dies ist auch eine Forde-rung an die Gesellschaft, bewusster mit Produkten umzugehen.“ Bis dies passiert, klettert Jakob weiter über Zäune.

Text: Frieda DoornbosFotos: Lukas Gruenke

Recyclen einmal anders: Beim Containern werden Lebensmittel aus dem Müll gerettet.

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Von seinen musikalischen Anfängen in Vancouver bis zu seiner heutigen Fähig-keit, Hallen auf der ganzen Welt zu fül-len, hat Bryan Adams nie den Blick für weit verbreitete Probleme, insbeson-dere Obdachlosigkeit, verloren. Vor der Veröffentlichung seines neuen Albums arbeitete er mit "The Big Issue" an ei-nem Bildband, der einige Verkäufer des britischen Straßenmagazins zeigt. Er sprach mit dem Straßenmagazin "Me-gaphone" aus Vancouver, Kanada, über dieses Projekt, seinen Aktivismus und Veganismus sowie seine Verbindung zu seiner Heimat.

Bryan Adams – wohl einer der bekanntes-ten internationalen Exporte Kanadas – ist ein weltweit bekannter Sänger, Songwri-ter, Produzent, Musiker, Fotograf, Akti-vist und Philanthrop. Aber er bleibt seinen Wurzeln treu. Adams wurde in Kings-ton, Ontario, geboren. Als Teenager zog er mit seiner Familie nach North Vancou-ver und engagierte sich in der Musikszene von Vancouver, wo er sich von seiner Um-gebung inspirieren ließ: Laut der Zeitung

„Globe and Mail“ schrieb er „I'm Ready“ an der Ecke der 12th Street und der Carnar-von Street, und den Hit „Straight from the Heart“ in seiner Wohnung in Kitsilano.

In Vancouver war er dann für kur-ze Zeit Frontmann von Sweeney Todd und traf so Jim Vallance, den ehemaligen Schlagzeuger und Haupt-Songwriter der Vancouver Rockband Prism. Seit 1978 ist Vallance jetzt Adams Songwriting-Part-ner. Zusammen hat das Duo zahlreiche Hits geschrieben, darunter „Summer of '69“ und „Run to You“. Bryan Adams ver-öffentlichte 1980 sein gleichnamiges De-bütalbum und 1981 „You Want It You Got It“, danach folgte der Durchbruch mit den Alben Cuts like a Knife (1983) und Reck-less (1984). Außer ”Summer of '69” und

„Run to You” enthält „Reckless” noch die Singles „Heaven”, „One Night Love Affair” und „It's Only Love”, einem Duett mit Tina Turner.

Bis heute hat Adams 14 Alben veröf-fentlicht, darunter sein neuestes – „Shine A Light“. Er erzielte für seine Alben und Sin-gles atemberaubende Verkaufszahlen und hat eine Menge Auszeichnungen erhalten: 18 Junos (56 Nominierungen), ein Gram-my (15 Nominierungen), fünf Nominie-

Auf dem Cover: Bryan Adams' neues al-bum "Shine a Light"

20Februar/März ´20

Die moralische Verpflichtung, der Gesellschaft etwas zurückzugeben

Bryan Adams

über Karriere, Veganismus und soziales Engagement

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rungen für den Golden Globe, ein MTV-Video-Award (zehn Nominierungen), ein American Music Awards (drei Nominie-rungen) und drei Nominierungen für die Academy Awards. Bryan Adams wurde in die Canadian Music Hall of Fame aufge-nommen und spielte und produzierte eine Partitur am Broadway („Pretty Woman: The Musical“). Weltweit hat er mehr als 75 Millionen Platten verkauft.

Neben seinem offiziellen Leben als Rockstar ist Adams ein bekannter Philan-throp, der 2006 die Bryan Adams Foun-dation gegründet hat. Die Stiftung wid-met sich schutzbedürftigen Mitgliedern der Gesellschaft mit dem Schwerpunkt auf Bildung. Vergangene Projekte umfass-ten die Unterstützung von Grundschul-neubauten und die Finanzierung gemein-nütziger Organisationen, die nachhaltige Lebensmittelversorgung in Schulen un-terstützen. 2015 finanzierte die Adams-Stiftung eine Kühleinheit für das Harvest Project in North Vancouver, die es dem gemeinnützigen Verein ermöglichte, Fa-milien in der Nachbarschaft mit frischen, nahrhaften Lebensmitteln zu versorgen. Die Bryan Adams Foundation unterstützt außerdem die HIV/AIDS-Forschung.

Darüber hinaus ist Adams ein talen-tierter und leidenschaftlicher Fotograf, der Models, Politiker (derzeit Premiermi-nister Justin Trudeau), berühmte Persön-lichkeiten (Michael J. Fox, Pamela Ander-son), Sportlegenden (Wayne Gretzky) und andere Musiker ablichtet mit Schnapp-schüssen von Anne Murray, Joni Mitchell, Celine Dion, Michael Bublé, Avril Lavig-ne, Kd. lang, Diana Krall und Jann Arden (noch dazu im Evakostüm) – um nur eini-ge zu nennen. Adams hat seine Arbeiten in Nordamerika und Europa ausgestellt und sieben Fotobände veröffentlicht.

„Homeless“, seine jüngste Veröffent-lichung, erschien letzten April und do-kumentiert mithilfe von Porträts und Alltagsaufnahmen das Leben von 84 Ver-käufern der britischen Straßenzeitung

„The Big Issue“. „Die Fotos, die ich von Menschen ge-

macht habe, die in London auf der Stra-ßen leben, zeigen eine unvermeidliche Tatsache, und fast jede Stadt auf der Welt hat ein ähnliches Problem: Zu viele Men-schen fallen durch die Maschen und haben nicht genug Geld für ein Dach über dem Kopf,“ sagte Adams zu „The Big Issue“, das wie „Megaphone“ Mitglied des Internati-onal Network of Street Papers (INSP) ist.

„Gott sei Dank gibt es Organisationen wie The Big Issue, die Obdachlose dabei unter-stützen, wieder auf die Beine zu kommen. Sie helfen den Verkäufern, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, indem sie Zeitschriften auf der Straße verkaufen – und viele Menschen, von denen einige in diesem Buch vorkommen, haben aus die-sem Grund überlebt.“

Das Buch hebt die Geschichten von Verkäufern wie Sam Woodlock hervor, die vor 21 Jahren mit dem Verkauf des Maga-zins begann, ihre Drogensucht besiegte und ein Franchisepartner wurdeund jetzt anderen Verkäufern hilft. Paul Barton ver-kaufte das Magazin auf den Straßen Lon-dons bis Anfang 2018, als er sein Jurastu-dium abschloss, um der erste Obdachlose mit einer juristischen Ausbildung zu wer-den. Adams hofft, dass solche Geschich-ten die Wahrnehmung von Armut verän-dern werden. „Obdachlosigkeit ist zu weit verbreitet und schwerwiegend, um sie zu ignorieren“, fügte er hinzu. „Hoffentlich denken die Leute nach dem Lesen zwei Mal darüber nach, wenn sie an jemandem vorbeigehen, der das Magazin verkauft oder auf der Straße Musik macht.“

Adams, der letzten November 60 wur-de, bestreitet derzeit seine Welttournee

„Shine A Light“. Trotzdem nahm er sich die Zeit, über seine Musik, seinen veganen Lebensstil, sein gesellschaftliches Engage-

ment, Fotografie und natürlich über seine Anfänge in Vancouver zu sprechen.

* * *Was macht Bryan Adams in seiner

Freizeit?Bryan Adams: Normalerweise verbringe ich Zeit mit meiner Familie. (Adams und seine Partnerin Alicia Grimaldi haben zwei Mädchen: Mirabella Bunny, 8, und Lula Rosylea, 6.)

Erzählen Sie uns von Ihrem neuen Al-bum „Shine A Light“!Es ist mein 14. Studioalbum, und wie alle Alben, die ich gemacht habe, sind es ein-fach die besten Songs, die mir zu dieser Zeit eingefallen sind.

Sie sind mit Ihrer Mutter und Ih-rem Bruder im Alter von 15 Jahren nach North Vancouver gezogen. Welche Erin-nerungen haben Sie an das Viertel North Shore?Ich habe meine Stimme auf dem Weg zur Schule in Lynn Valley entdeckt. Ich bin immer von der Ranger Avenue aus den Mountain Highway entlang gelau-fen. Meine besten Erinnerungen verdan-ke ich aber meinem Schulabbruch mit 15 Jahren, um Musik zu machen. Ich habe die Engstirnigkeit der Schule gehasst, außer-dem spielte niemand Fußball. Bei den Pro-ben mit anderen Musikern wurde ich zum Sänger, weil keiner der anderen Musiker singen wollte. So einfach war das.

Als Teenager tauchten Sie schnell in die Musikszene von Vancouver ein. Wie war das?Die Szene in Vancouver in den 70er Jahren war für Musiker fantastisch. Man konnte eine Band gründen, ein paar Songs lernen und Auftritte bekommen – und vielleicht sogar die Miete bezahlen. Ich habe mit 15 angefangen, in Bars zu spielen, und muss-te auf die Bühne begleitet werden, weil ich zu jung war, um dort einfach so abzu-hängen. Als ich 17 war, wurde ich für Ge-sangsaufnahmen angeworben. Der legen-däre Keyboarder Robbie King hat mich gebeten, für einige ortsansässige Künst-ler die Backgroundstimme zu singen. Ich erinnere mich, dass ich irgendwo in der Downtown Eastside in einer Art altem umgebauten Haus einen Auftritt für ihn gegeben habe. Ich glaube, es war mit der wunderbaren Ann Mortifee. Ich kann mich nicht erinnern, wo es genau war.

Sie sind ja jetzt ein richtiger Weltbür-ger. Halten Sie Verbindungen nach Van-couver aufrecht?Ja, natürlich! Ich habe Familie hier und

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Ein Mann mit Haltung: Bryan Adams und seine Gitarre.

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erschwinglicher zu machen?Die Whistler Housing Authority hat einen guten Plan, den man sich ansehen sollte. Ich weiß, dass in London einem Teil al-ler neuen Gebäude Wohnungen für ein-kommensschwache Menschen zugewiesen werden müssen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie das in Vancouver tun oder nicht. Vielleicht muss auch eine Art Eigentums-zuschlag für Immobilien im Besitz von Offshore-Unternehmen erhoben werden, wobei ein Teil dieser Zuschläge Familien mit niedrigem Einkommen zugutekommt. Die Zoneneinteilung könnte gelockert werden, um die Dichte in einigen Vierteln zu erhöhen und mehr Wohnungsbauten zu ermöglichen, wobei ein Teil für Sozial-wohnungen vorgesehen sein sollte.

Die Opioid-Krise in Kanada hat ein erschütterndes Ausmaß erreicht. Durch-schnittlich sterben vier Menschen pro Tag in British Columbia an einer Über-dosis, und landesweit zehn. Wie können wir das aufhalten?

Ich weiß, wie schlimm die Situation ist. Ich habe dadurch auch Freunde verloren. Mit dem Aufkommen von Fentanyl und dem einfachen Zugang dazu durch Rezep-te gibt es keine Möglichkeit, es zu kontrol-lieren. Die Pharmaunternehmen verdie-nen zu viel Geld, um es selbst zu stoppen.

Sie sind seit 30 Jahren Veganer. Was hat zu dieser Entscheidung geführt und welche Vorteile hat eine pflanzliche Er-nährung?Das ist einfach! Ich habe Ende zwanzig entschieden, dass man kein echter Um-weltschützer sein kann, wenn man Tiere oder auch nur Fische isst. Ich hab nachge-lesen und begann ein Leben, ohne sie zu essen, und habe dann innerhalb weniger Wochen gemerkt, dass sich mein Gesund-heitszustand verbessert hat. Also habe ich nie zurückgeschaut.

Text: Rosemary Newton, Übersetzung: Lisa Strausz

Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Megaphone / INSP.ngo

auch mein Studio in Gastown, wo ich Mu-sik aufnehme.

Sie haben an Konzerten und anderen Events teilgenommen, um Geld zu sam-meln und Bewusstsein für verschiedene Zwecke zu schaffen, und Sie haben 2006 die Bryan Adams Foundation gegrün-det. Wollten Sie schon immer anderen helfen?Ich denke, die meisten Menschen haben auf einer bestimmten Ebene eine mora-lische Verpflichtung, der Gesellschaft et-was zurückzugeben. Meine Familie hatte nichts, und ich erinnere mich, wie schwer es war, für den Lebensunterhalt zu sorgen.

Sie haben kürzlich ein Fotobuch mit dem Titel „Homeless“ veröffentlicht, das Sie für die britische Straßenzeitung „The Big Issue“ gemacht haben. In einem In-terview über das Buch sagten Sie: „Die Not der Menschen auf der Straße sehen wir alle jeden Tag, und ich dachte, es wäre gut, darüber zu berichten... Jeder hat hier eine Geschichte.“ Was haben Sie von den Verkäufern gelernt, die Sie für

„Homeless“ fotografiert haben?Ich habe gemerkt, dass das Hauptproblem für die meisten Menschen, die ich traf, Al-kohol zu sein schien. Aber das Alkohol-geschäft ist riesig und kann kaum aufge-halten werden. Auf dem Buchcover ist ein Bursche, der heroinsüchtig war. Er starb kurz nachdem ich mit ihm gearbeitet hat-te, was ich erst gehört habe, als das Buch fertig war. Sehr traurig. Er war ein wun-derbarer Kerl.

Würden Sie jemals nach Vancouver kommen und mit Megaphone ein ähnli-ches Projekt machen?Natürlich. Das einzig Schwierige wäre die Zeit dafür zu finden.

Die Lebenshaltungskosten, insbeson-dere fürs Wohnen, sind für viele in Van-couver nicht mehr zu bewältigen. Was sind mögliche Lösungen, um Vancouver

Gesichter, die für sich sprechen: (vlnr) Paul Barton, verkaufte Big Issue in London, bis er 2018 seinen Abschluß in Rechtswisschenschaft machte, Robert Phillip Morris verkauft Straßenzeitungen in London. Sam Woodlock hat vor 21 Jahren mit dem Verkauf von Big Issue angefangen. Inzwischen hilft sie anderen Verkäufern beim Einstieg.

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Homeless: ein Fotobuch von Bryan Adams über Verkäufer der englischen Straßenzei-tung „The Big Issue“.

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Wenn Sie sich fragen: „Wer ist Gregor Gog?“ und beschämt eine Lücke in Ih-rer Allgemeinbildung vermuten, ste-hen Sie damit nicht alleine da. Heute ist Gregor Gog fast in Vergessenheit gera-ten. Doch das könnte sich jetzt ändern.In der Weimarer Republik ist Gregor Gog als Anarchist und Bürgerschreck, der sich für die Rechte obdachloser Menschen einsetzt, landesweit be-kannt. Und er tut einiges, um diesem Ruf gerecht zu werden: 1927 gründet er die Bruderschaft der Vagabunden, er organisiert den „Ersten internationalen Vagabundenkongress“ in Stuttgart und ist Mitherausgeber und Chefredakteur der ersten Straßenzeitung Europas.

Der Autor Patrick Spät und die Comic-zeichnerin Beatrice Davies veröffentlichen jetzt die erste Biografie über das umtrie-bige Leben von Gregor Gog. Umgesetzt haben die beiden das in einem Comic in Buchformat. Eindrucksvolle Schwarz-

ein underdog kehrt zurückGregor Gog, der König der Vagabunden

weiß-Zeichnungen schildern Gregors Kampf gegen Faschismus, Rassismus und das bürgerliche Spießertum zur Zeit der Weimarer Republik.

1881 kommt Gregor Gog in Schwe-rin als Sohn einer Magd und eines Zim-mermanns zur Welt. Seine Mutter möch-te, dass er Pfarrer wird. Gregor entwickelt sich schnell zum Querdenker und hat

ganz andere Pläne für seine Zukunft. Er will raus aus der Enge und Spießigkeit sei-ner Heimatstadt und die Welt sehen.

Mit 19 Jahren heuert er, da er für die Handelsschifffahrt zu alt ist, auf einem Kriegsschiff an und findet sich 1914 in den Wirren des ersten Weltkriegs wieder. Gregor lernt unter den Matrosen Män-ner kennen, die so frei denken und füh-

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bea Davies, Patrick SpätDer König der Vagabunden - Gregor Gog und seine Bruderschaftavant-Verlag, berlin 2019160 SeitenISbN 978-3-96445-015-9, 25 euro

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tig gestört. Deshalb wird er für ein Jahr in eine „Irrenanstalt“ eingewiesen. Dort zieht er sich ein chronisches Nierenleiden zu. An seiner Überzeugung ändert das we-nig und Gregor lässt den ersten Weltkrieg als überzeugter Anarchist hinter sich.

Nach dem Krieg gründet Gregor mit seinen Freunden von der Marine eine Kommune in der Nähe von Stuttgart. Dort treffen sich bald Freidenker und Gleich-gesinnte, bauen Gemüse an, veranstalten politische Diskussionen und stoßen die Dorfbewohner vor den Kopf, indem sie

nackt im Fluss baden. Gregor selbst geht zu dieser Zeit immer wieder auf Wander-schaft und liebt das freie Leben auf der Straße. Aber er weiß auch: Nicht alle Tip-pelbrüder und -schwestern haben dieses Leben freiwillig gewählt.

Ende der zwanziger Jahre leben 70.000 obdachlose Männer und Frauen auf den Straßen Deutschlands. Sie befinden sich am Rande der Gesellschaft, sind angewie-sen auf Almosen, und nicht selten wer-den sie wegen ihrer Obdachlosigkeit ver-folgt, verhaftet und in einer „Irrenanstalt“ oder einem Arbeitshaus weggesperrt. In den Augen der konservativen Bürger han-delt es sich bei den Tippelbrüdern und

-schwestern um eine „lichtscheue Landpla-ge“ und „arbeitsscheues Gesindel“.

So gründet Gog die „Bruderschaft der Vagabunden“. Die Bruderschaft will kei-ne Hilfe und Unterstützung vom Staat er-halten. Ihr Ziel ist es, den Staat zu unter-wandern und ihn abzuschaffen. Zeitgleich wird Gog Chefredakteur der Zeitschrift

„Der Kunde“, der Mutter aller Straßenzei-tungen. Die Zeitung erscheint viermal im Jahr und liegt in Kneipen und Wärmehal-len aus.

„Der Kunde“ will eine Zeitung für alle Tippelbrüder und –schwestern sein. Der Leser erhält Tipps für das Leben auf der Straße, erfährt durch die Reiseberichte anderer Tippelbrüder und -schwestern wo es sich gut leben lässt, es finden sich vie-le Zeichnungen und Bilder in dem Blatt. Da Gregor der Chefredakteur der Zeitung ist und sich unermüdlich für die Rechte der obdachlosen Menschen einsetzt, be-schimpft die deutsche Presse ihn darauf-hin als „König der Vagabunden“.

Aber dieser lässt sich davon nicht ent-mutigen. Auf in ganz Deutschland verteil-ten Flugzetteln ruft er 1928 zum „Ersten

len wie er und die den Krieg und Waffen verabscheuen. Bei Kämpfen auf hoher See schießt er absichtlich daneben, da er nie-manden treffen möchte. Er gerät aufgrund seiner anarchistischen Gedanken immer wieder mit seinem Kapitän aneinander und schleudert diesem bei einem Streit seinen Stiefel ins Gesicht.

Als Folge seines Widerstandes kommt er vors Militärgericht, wird unehrenhaft aus dem Dienst entlassen und zu einem Jahr Arrest verurteilt. Zu Gogs Zeit gelten Soldaten, die Befehle verweigern, als geis-

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Der Pionier: Gregor Gog (1881-1945). Der Kunde: Vorreiter der Straßenzeitungen. Die Comic-Macher: Patrick Spät, Bea Davies.

internationalen Vagabundenkongress“ in Stuttgart auf. Das Bürgertum läuft Sturm gegen das Treffen des „arbeitsscheuen Ge-sindels“. Aus Angst vor den vermeintli-chen Langfingern sind schnell alle Vor-hängeschlösser in Stuttgart ausverkauft. Die Polizei errichtet rund um die Stadt Straßensperren, durchsucht, drangsaliert und verhaftet die anreisenden Tippelbrü-der und -schwestern.

Der Kongress mit 600 Teilnehmern auf dem Stuttgarter Killesberg, unter ihnen viele Frauen, wird trotz der Gegenwehr zu einem vollen Erfolg für Gog und sei-ne Mitkämpfer. In der Eröffnungsrede ruft Gog die Menschen dazu auf, sich lebens-lang gegen das Bürgertum und die kapita-listische Gesellschaft zu stellen. Gleichzei-tig zeigt er den Menschen, dass sie nicht allein dastehen, sondern dass sie Teil ei-ner Gemeinschaft sind. Der Kongress ist mit 500 Presseberichten, unter anderem auch der britischen Times, weltweit in al-ler Munde.

Zu der Zeit stehen die Nationalsozialis-ten bereits in den Startlöchern zur Macht-übernahme. Die Vagabunden solidarisie-ren sich mit allen Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und sexueller Orientierung. Das passt überhaupt nicht in das enge und beschränkte Weltbild der Nationalsozialisten.

Vier Jahre später zerschlagen die Nazis die Bruderschaft und verfolgen und töten Anhänger und Mitglieder der Vagabun-den. 1930 wendet sich der ehemals über-

zeugte Anarchist Gog der kommunisti-schen KPD zu. Er will die Vagabunden in einer Armee vereinigen und mithilfe der KPD den Nationalsozialismus in Deutsch-land aufhalten. Für viele Vagabunden sind die neuen Ideen und Ideale von Gog viel zu politisch. Sie wollen ihre Freiheit auf der Straße leben und nicht für politische Ideale in die Schlacht ziehen. Gog verliert viele seiner alten Weggefährten.

Gregor wird 1933 von den Nazis ver-haftet und in ein KZ verschleppt. Nach monatelanger Folter gelingt ihm 1934 über die Schweiz die Flucht in die Sowje-tunion. Im Juni 1945 stirbt er dort einsam und völlig entkräftet.

Mitreißend und berührend erzählt der Comic von einem Mann mit Idealen und Courage, der es verdient, dass wir uns an ihn erinnern. In den Gesichtern der ge-zeichneten Figuren ist es der Illustrato-rin Beatrice Davies gelungen, Emotionen wie Angst, Freude, Trauer und Wut ein-zufangen. Besonders Gregor Gog sprüht in den Bildern vor Energie und Taten-drang. Zusammen mit den Texten von Pa-trick Spät werden so Gregor Gog und sei-ne Mitstreiter lebendig. Die Zeichnungen sind schwarz-weiß und unterstreichen so den Inhalt des Buches. Es gibt aber auch Zeichnungen, die beim Leser ein Schmun-zeln hinterlassen. Zum Beispiel, wenn sich die Stuttgarter Spießer über die Nacktba-der aus der Kommune aufregen.

Gregor Gog stellte sich gegen die Un-terdrückung und Ausgrenzung von

Menschen. Er setzte sich für den ver-meintlichen Abschaum der Weimarer Ge-sellschaft – Sinti und Roma, Homosexu-elle, Juden und seine Tippelbrüder und

-schwestern ein, und bezahlte dafür einen hohen Preis. Er saß mehrmals im Gefäng-nis und wurde von den Nationalsozialis-ten im KZ eingesperrt und gefoltert. Am Ende verlor er viele seiner Weggefährten an seine politischen Anschauungen und geriet fast in Vergessenheit.

Gesellschaftliche Probleme wie zuneh-mender Rassismus, die wachsende Popu-larität von rechtem Gedankengut

und Ausgrenzung ganzer Menschengruppen sind heute so aktuell wie zu der Zeit Gregor Gogs. Die Biografie erinnert endlich an den mutigen und umtriebigen Gregor Gog, und es macht einfach Spaß, sie zu lesen und die Zeichnungen zu betrachten.Text: Silke RosemannZeichnungen: Bea DaviesFotos: Berthold Leibinger Foundation, Fritz Huser Institute

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Bescheiden. Das ist das Wort, welches Anne Fitschen wohl am besten be-schreibt. Seit Jahrzehnten engagiert sie sich ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen und schenkt anderen Men-schen somit wohl etwas vom Wertvolls-ten in der heutigen Gesellschaft: Zeit.

Für ihr Engagement hat sie dieses Jahr das Bundesverdienstkreuz bekommen. Anne Fitschen reagiert auf diese Auszeichnung ganz zurückhaltend: „Ach, eigentlich hät-te das auch jemand anderes verdient. Lo-kalpolitiker zum Beispiel!“ Wenn man sich all ihre Ehrenämter anschaut, dann wird jedoch schnell klar: Genau sie hat es

verdient. Denn sie setzt sich sowohl poli-tisch als auch sozial ein und das seitdem sie 20 Jahre alt ist. Ein Blick in die Vergan-genheit zeigt, wie ihre Motivation für das Ehrenamt entstanden ist.

Nach der Schule war sie als Au-Pair-Mädchen im Ausland, um sich bei einer Familie um die Kinder zu kümmern. Ge-meinsam mit dieser Au-Pair-Familie war sie eines Tages bei einem Fest. Anne Fit-schen erzählt: „Für mich war dieses Fest ganz schlimm. Niemand hat mich ange-

sprochen.“ Sie hat sich allein gefühlt. Die-ses Gefühl hat sie bestärkt, sich für ande-re Menschen einzusetzen, damit diese sich nicht so fühlen wie sie.

Angefangen hat dieser Einsatz wäh-rend ihres Studiums zur Grundschulleh-rerin. Damals hat sie Kinder mit Migra-tionshintergrund in Deutsch unterrichtet. Bis heute sind viele weitere Ehrenämter dazu gekommen. So hat Anne Fitschen in Atter Parteiarbeit bei der SPD übernom-men und setzt sich vor allem kommunal-

ehrenamt gestaltet GesellschaftAnne Fitschenüber ihre freiwillige Arbeit

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Engagierte Christin: Anne Fitschen vor

der Osnabrücker Bergkirche.

Koordinatorin: Anne Fitschen als Grüne Dame im Klinikum Osnabrück

Mitbegründerin: Anne Fitschen am Stadtteiltreff Atter.

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politisch ein. Sie wurde in den Gemein-derat gewählt und war für sieben Jahre lang Ortsbürgermeisterin. Außerdem en-gagierte sie sich in der Kirche, leistet Ver-einsarbeit und hat sich dafür eingesetzt, dass sich der Verein „Wir in Atter“ grün-den konnte. So wurde aus der Atterkir-che ein Stadtteiltreff für alle Bürger. Die-se Teamarbeit bereitet viel Freude, denn alle haben ein gemeinsames Ziel vor Au-gen, auch wenn der Weg dahin manchmal verschieden ist.

Neben all diesen Tätigkeiten gibt es ein Ehrenamt, welches sie mittlerweile haupt-sächlich ausführt. Das ist der Patienten-besuchsdienst im Krankenhaus. Seit 23 Jahren arbeitet sie bei den Grünen Da-men und Herren. Am Klinikum Osna-brück übernimmt sie zudem die Leitung der Grünen Damen und Herren, die eh-renamtlich tätig sind.

Es geht vor allem darum, den Men-schen zuzuhören und Hilfe anzubieten. So organisieren die Grünen Damen und Her-ren auch Kleidung oder machen kleine Be-sorgungen, wenn es notwendig ist. Die Pa-tienten freuen sich, wenn man Zeit mit ihnen verbringt. Anne Fitschen erfreut sich vor allem an den unterschiedlichen Begegnungen: „Man lernt viele verschie-dene Menschen kennen, quer durch alle Schichten und Kulturen.“ Dadurch hat sie auch viel über sich selbst gelernt.

Das schönste Geschenk für sie bei die-ser Arbeit: wenn sich jemand öffnet und seine Geschichte erzählt. Die größte He-rausforderung ist es, den Kontakt zu den Menschen herzustellen und eine Bezie-

hung aufzubauen. Aber wenn das geschafft ist, macht es viel Spaß. Trotz schlimmer Krankheiten und Schicksale wird viel ge-lacht und gemeinsam Schönes erlebt.

Trotz all der verschiedenen Ehrenäm-ter gibt es viele Überschneidungen. Man lernt Respekt vor der Arbeit anderer zu haben und andere Menschen wertzuschät-zen. Besonders wichtig dabei ist: „Man muss Spaß haben!“

Anne Fitschen ist in jede ihrer ehren-amtlichen Tätigkeiten „irgendwie reinge-rutscht“. Aber wegen der Freude und dem Spaß an der Arbeit ist sie seit Jahrzehnten aus Überzeugung dabei. Ein Ehrenamt er-möglicht es, die Gesellschaft auf unterster Ebene ein kleines bisschen mitzugestal-ten, vor allem durch zwischenmenschli-che Beziehungen. Aus diesem Grund ist

sich Anne Fitschen sicher: „Wenn sich vie-le Menschen engagieren, kann man ge-meinsam etwas bewirken und verändern.“

* * *Wer sich ehrenamtlich engagieren

möchte, ist herzlich bei den Grünen Damen und Herren im Klinikum Osnabrück will-kommen. Hier werden Ehrenamtliche ge-sucht, die gut mit anderen Menschen um-gehen können und psychisch belastbar sind. Es erfolgen eine sorgfältig begleitete Einar-beitungszeit sowie regelmäßige Fortbildun-gen und Seminare. Außerdem finden Grup-pentreffen statt, um sich auszutauschen und gegenseitig zu informieren. Zu erreichen sind die Grünen Damen und Herren unter 0541 405-5185 oder 0541 405-0.

Text: Franziska FriedrichFotos: Lukas Gruenke

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Humor hilft: Anne Fitschen im Gespräch mit einem Patienten.

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Ich kenne Anna (31) seit über einem Jahr aus der Cochlear Implantat(CI) Selbsthil-fegruppe Osnabrück. Sie wurde das ers-te Mal begleitet von „ihrem Engel“, wie sie mir später erzählt, ihrem Arbeitskol-legen und Freund, der ihr in schwieri-gen Zeiten Beistand gab und gibt. Den-noch wirkte sie schon damals auf mich selbstbestimmt und gut informiert über Schwerhörigkeit und die Mittel dagegen, vom Hörgerät bis zum operierten Im-plantat. Heute besuche ich sie am Stadt-rand in der Wohnung eines Mehrfamili-enhauses. Im Gesprächsverlauf wird klar, Anna leidet unter mehr, als nur schwe-ren Hörproblemen. Ihr Schicksal ist das sogenannte Susac-Syndrom, das sie mit 23 Jahren fast aus der Bahn warf und sie immer noch begleitet.

Bei dieser Erkrankung des Immunsystems kommt es zu Entzündungen kleinster Blut-gefäße im Gehirn, Auge und Ohr. Die Ge-fäße schwellen an und den Durchblutungs-störungen können Gesichtsfeldausfälle, eine Sehminderung und Schwerhörigkeit bis zur Ertaubung folgen. Das Syndrom ist selten. Nur bei ca. 400 Menschen auf der ganzen Welt kennt man das Problem, häu-figer anzutreffen bei jungen Frauen im Al-ter zwischen 20 und 40 Jahren. Oft kommt es anfangs zu „nur“ allgemeinen Beschwer-

den wie Kopfschmerzen, Schwindel und Erschöpfungszuständen. Alles Gründe, warum das Susac-Syndrom bei Patienten und Ärzten zu einer langen Suche bis zur genauen Diagnose führt.

So ist es auch bei Anna gewesen. „2011 war ich schon zwei Jahre lang als Kran-kenschwester in vielen Nachtdiensten un-terwegs “, erzählt sie. „Ich musste damals viel bei Urlaubsvertretungen und Krank-heitsfällen einspringen Früh-Spätdienste, wieder Früh-Spätdienste, das hat schon et-was an meiner Energie gezehrt. Dazu ver-starben kurz hintereinander mein Onkel und mein Opa, den ich zeitweilig mitge-pflegt hatte. Ich musste viel organisieren und schob meine starken Kopfschmerzen zu diesem Zeitpunkt auf diese belastenden Momente. Es stellte sich ein Schwindelge-fühl ein und ich konnte keine zwei Trep-penstufen ohne Handlauf steigen. Durch-gehalten habe ich das mit der Aussicht auf eine Woche Urlaub und mit Kopfschmerz-tabletten, die eigentlich nicht richtig halfen. Ich musste funktionieren!“

Anna holt uns zwei Gläser Mineralwas-ser und geht dafür hinter die moderne frei-stehende Kochstelle im Wohn-Essraum. Wir sitzen an einem langen Tisch, auf dem noch die vier Platzdeckchen der Familie vom Frühstück liegen sowie ein Vorlesebil-derbuch und ein kleines Kinderspielzeug.

„In der Klinik legte ich an einem Tag vor lauter Not meinen Kopf auf die Tischplat-te. Eine besorgte Kollegin von der operati-ven Überwachungsstation half mir, mich hinzulegen. Zurück zuhause habe ich dann nur noch geschlafen. Ich hatte mir vorher die Telefonnummer meines Hausarztes auf einen Zettel geschrieben, zum Abfragen meiner Blutwerte. Ich hoffte einfach auf ei-nen zu geringen Eisengehalt im Blut. Als meine Schwester mich wenige Stunden vor meiner Nachtschicht noch besuchte, fragte sie mich, was auf diesem Zettel stünde. Ich erklärte es ihr. ‚Aber Anna, das sind keine Ziffern, das sind irgendwelche Hierogly-phen‘, erwiderte sie entsetzt. Sie und mein Schwager haben mich direkt ins Auto ge-packt und ins Krankenhaus gefahren. Ich habe keine Erinnerung mehr daran. Ich muss heftig gelacht haben und der stärkste Mann musste mich festhalten, so habe ich mich gewehrt. Ich muss richtig wesensver-ändert gewesen sein. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr schreiben und vor Schwindel nicht mehr richtig laufen.“

Tatsächlich wird nach den medizini-schen Beschreibungen eines Susac-Syn-droms auf die Möglichkeit von Störun-gen und Veränderungen des Denkens bis zu einer Psychose hingewiesen. Im bildge-benden Verfahren einer MRT (Magnetre-sonanztomografie) zeigen sich häufig De-fekte in verschiedenen Hirnarealen und bei zentralen Bahnen. Damit es zu keinen blei-benden neurologischen Defiziten kommt, sollte so früh wie möglich eine adäquate immunsuppressive Therapie mit Substan-zen, welche die Funktionen des Immunsys-tems vermindern, eingeleitet werden. Bei einem ausgeprägten Syndrom droht Be-rufsunfähigkeit und Behinderung.

Ich frage Anna, die aufgestanden ist und durch das große Fenster in den Gar-ten schaut, wie sehr sie das alles verstört hat. Ihr Blick wendet sich vom Sandkas-ten draußen ab und sie erklärt: „Es war

ein langer schwerer Sturm durchzieht den KörperWie Anna dem Labyrinth des Susac-Syndroms entkommt

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Extrem selten: 2018 waren weltweit nur 500 Fälle mit dem Susac-Syndrom bekannt.

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anfangs wie in einem Albtraum. Ich habe viel geweint. Ich habe mich gefühlt wie ein Kind ohne seine Mutter. In einem mehrwö-chigen stationären Klinikaufenthalt muss-te ich das Gehen wieder lernen, ohne mich am Schrank entlang zu hangeln. Allein zur Toilette ging nicht. Auf einem Bein zu ste-hen wegen des Schwindels – unmöglich! Die Ärzte haben mich auf den Kopf gestellt. Verdacht auf Hirnhautentzündung, Mul-tiple Sklerose und vieles mehr. Mit Rehas-port und Logopädie machte ich zuhause weiter. Mittlerweile hatte ich auf der linken Seite einen starken Hörverlust hinnehmen müssen. Über einen Kontakt zu Frau Dr. Kleffner von der Uniklinik Münster gab es dann einen Erfolg. Sie war die erste, die bei mir das Susac-Syndrom vermutete und die richtige Medikation verordnete, hoch-dosiertes Cortison und Immunsuppres-siva. Dr. Kleffner erklärte es mir so: ‚Das Syndrom wütet in deinem Körper wie ein Sturm. Wir müssen das zum Stillstand bringen.‘ Zu der Zeit kannte man weltweit 200 Menschen mit dieser Erkrankung. Alle sechs Wochen erhielt ich dann in Münster intravenös meine Medikamente. Ein Jahr ging alles gut. Beim zweiten Schub im Au-gust 2012 verlor ich dann meine Hörfähig-keit rechts. Ohrgeräusche stellten sich ein. Telefonieren ging jetzt nur noch auf der lin-ken Seite, für mich ungewohnt. Die MRT zeigte an vielen Stellen im Gehirn Vernar-bungen. Es kamen neue Herde dazu. Ich habe aufgehört, die vielen Schübe zu zäh-len. Bis heute leide ich manchmal an einer Vergesslichkeit im Kurzzeitgedächtnis. Ich habe immer mehr angefangen, auf mich zu achten und mir Auszeiten zu gönnen.“

Das Susac-Syndrom verläuft häufig über einen Zeitraum von ein bis vier Jahren. Die Symptome an Auge, Ohr und Gehirn müs-sen dabei nicht gleichzeitig auftreten. Ob genetische Faktoren oder Umwelteinflüsse eine Ursache sein können, ist nicht bewie-sen. Eine Immuntherapie kann die Erkran-kung aufhalten und führt zu einer besseren Prognose. Stress löst das Syndrom nicht aus, nur werden die Symptome unter Stress deutlicher wahrgenommen. Langfristig ge-sehen kommt das Susac-Syndrom zu einem Ende und tritt dann nicht mehr auf.

Mein Gespräch mit Anna findet in ih-rer Urlaubswoche statt. Ich hatte versucht, ihr das auszureden, aber sie konnte so alles besser organisieren. Die dreijährigen Zwil-linge Noah und Collin sind in der Kita, ihr Mann ist auf der Arbeit. Ihre Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt. Zweieinhalb

Jahre nach dem zweiten Schub wagt Anna in der Klinik einen Neustart, eine stufen-weise Wiedereingliederung. „Das ging nach zwei Tagen voll in die Hose“, berich-tet sie. „Das akustische Gewusel in meinen Ohren über die zwei Hörgeräte, der Tinni-tus, das Nichtverstehen meiner Patienten hat mich fertig gemacht. Ich fand keine Er-holung, fiel erneut in ein Loch.“

Zu dem Zeitpunkt hat Anna Glück. Ihre Stationsleitung schafft einen Kontakt zur Abteilung Medizinisches Controlling. Man rät ihr zu einer Umschulung genau in die-ses Berufsbild. Zuerst ist Anna skeptisch. Sie will den Patientenkontakt nicht verlie-ren. Dann geht sie doch diesen Weg. Nach der Umschulung gibt es neue Herausforde-rungen. Anna erfasst zunächst die Kom-plexbehandlungen der Intensivstation.

„Mittlerweile mache ich die Patientenakten zu Geld. Das heißt, ich codiere die Erkran-kungen unserer Patienten und dokumen-tiere komplizierte Behandlungsverläu-fe, sodass später darüber eine Abrechnung mit den Krankenkassen und anderen Geld-gebern gemacht werden kann. Ich habe bei dieser Arbeit Kontakte zu den Ärzten, an-deren Sachbearbeiter*innen und auch zu Patient*innen. Nach der Umschulung half mir unsere Stationsleitung aus dem Groß-raumbüro in ein kleineres Büro zu kom-men.“

Mit Blick auf die große Spielzeugecke und dem Wissen, dass Noah und Collin vor zwei Jahren geboren sind, frage ich Anna, wie sie das in dieser schwierigen Zeit hin-bekommen hat. Sie erzählt weiter: „Meine Ärztin hat mich damals vor einer Schwan-gerschaft gewarnt. Unter der hormonel-len Umstellung des Körpers sei ich anfälli-ger für neue Attacken des Susac-Syndroms. Aber mein Kinderwunsch war größer als diesem Risiko aus dem Weg zu gehen. Jo-hannes, mein Mann, hat auch diesmal zu mir gestanden. Wir waren noch nicht ver-heiratet. Mein Traum –wir bekamen zwei

gesunde Jungs, aber ich musste auch wäh-rend und kurz nach der Geburt drei Schübe einstecken, die auf die Sehkraft schlugen.“

Anna hat Kontakt zu drei Frauen aus Nürnberg, Bielefeld und Bremen, denen es ähnlich wie ihr ergangen ist. Eine mit zwei Kindern, die in der Schwangerschaft einen starken Gehörverlust erlitten hat. Die zwei-te Bekannte bekam Sehprobleme mit Tun-nelblick. Die dritte Frau verliert derzeit Ih-ren Schwindel nicht. Auch bei Anna hat sich nach den zwei Jahren Auszeit durch Schwangerschaft und Geburt der Sturm in ihrem Körper noch nicht gelegt.

„2017 kam ich zurück in meinen Beruf, es gab mein kleines Büro nicht mehr. Wie-der unterstützte mich die Abteilungslei-tung zu einem neuen Arbeitsraum. Zwei-mal fiel ich ohnmächtig aus meinem Sitz und hatte Platzwunden am Kopf. Der Schwindel verstärkte sich. Mein engster Arbeitskollege, ‚mein Engel‘, ermunterte mich und half mir erneut. Ich habe jetzt eine Arbeitswoche von 20 Stunden durch-setzen können. Mein Alltag zwischen Kin-dertagesstätte, Arbeit, Sport, Kochen und anderen Terminen ist gut geordnet. Mir ist klar: Meine Gesundheit geht vor.“

Im Januar 2019 bekommt sie in einer Operation ein Cochlea Implantat und er-reicht bis jetzt eine Hörfähigkeit von 80 %. Anna hat in ihren Tiefs und bei allen Ängsten nie professionellen psychologi-schen Beistand gesucht. Ihr soziales Um-feld funktionierte immer: „Ich war nie ver-loren.“ Aber sie will nicht immer in Watte gepackt sein. „Ich will mich nicht verkrie-chen. Ich will meine Ziele im Leben weiter-verfolgen, mit den Kindern und meinem Mann zusammen. Ich bin nicht hilflos.“

Das schönste Kompliment bekam sie in der schweren Zeit von ihrem Mann: „Ich habe noch nie so viel Angst gehabt, wie um Dich. Wir schaffen das!“

Text: Willi KaiserFotos: Helga Duwendag-Strecker

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Probleme und Risiken in der Schwangerschaft: „Mein Kinderwunsch war größer.“

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30Februar/März ´20

Meldungen für die rubrik Termine bitte bis 10. März 2020 an0541 33035-16 oder [email protected]

Donnerstag, 6. Februar, 19:00 UhrBenefiz-Quiz zugunsten des Kinderhilfswerks terre des hommesLagerhalle, Rolandsmauer 26, OS

Dienstag, 4. Februar, 19:00 UhrFamilien- und Scheidungsrecht, ein GesprächsabendFrauenberatungsstelle, Spindelstr. 41, OS

Donnerstag, 6. Februar. 19:30 UhrBürgerforum Darum, Gretesch, Lüstringen Gemeindehaus Petruskirche, Albert-Schweitzer-Str. 33, OS

Freitag, 7. Februar. 19:30 UhrKirchenkabarett: 3UneinigkeitKath. Familienbildungsstätte, Große Rosenstr. 18, OS

Sonntag, 9. Februar, 14:30 UhrFlohmarkt für Kinderkleidung und SpielsachenLagerhalle, Rolandsmauer 26, OS

Montag, 10. Februar, 15:30 Uhr look good feel better – Kosmetikseminar für KrebspatientinnenPsychosoziale Krebsberatungstelle, Heger Str. 7-9, OS

Mittwoch, 12. Februar, 19:30 UhrBürgerforum SutthausenOSer Werkstätten, Industriestr. 17, OS

Montag, 17. Februar, 15:00 UhrPsychische Veränderungen durch Alter und Krankheit – eine Belastung für pflegende Angehörige Selbsthilfegruppe Pflegende AngehörigeCafé Oase, Lohstr. 65, OS

Dienstag, 18. Februar, 15:30 Uhrlook good feel better – Kosmetikseminar für KrebspatientinnenSankt Bonifatius-Hospital, Haus E, ST 23, Raum 006, Wilhelmstr. 12-14, Lingen

Dienstag, 18. Februar, 15:30 Uhr look good feel better – Kosmetikseminar für KrebspatientinnenGemeindehaus der Propstei Kirche, Dom-hof 12, Meppen

Dienstag, 18. Februar, 19:00 Uhr Familien- und Scheidungsrecht, ein GesprächsabendFrauenberatungsstelle, Spindelstr. 41, OS

Dienstag, 25. Februar, 19.00 UhrDeutsch-niederländischer Begegnungs-abend mit Städtebotschafterin Janna KamphofLagerhalle, Rolandsmauer 26, OS

Donnerstag, 27. Februar, 19:30 Uhr Bürgerforum PyePiesberger Gesellschaftsh., Glückaufstr. 1, OS

Freitag, 28. Februar, 20:00 UhrFlorian Schröder: Noch nie ging es uns so gut wie heuteLagerhalle, Rolandsmauer 26, 49074 OS

Dienstag, 3. März, 18:00 Uhr look good feel better – Kosmetikseminar für KrebspatientinnenSankt-Josefs-Hospital, Onkologische Am-bulanz, Krankenhausstr. 13, Cloppenburg

Dienstag, 3. März, 19:00 Uhr Familien- und Scheidungsrecht, ein GesprächsabendFrauenberatungsstelle, Spindelstr. 41, OS

Mittwoch, 4. März, 19:30 UhrBürgerforum NahnePfarrh. St. Ansgar, Nahner Kirchplatz 1, OS

Donnerstag, 5. März, 17:00 Uhrlook good feel better – Kosmetikseminar für KrebspatientinnenMaria-Josef-Hospital, Konferenzraum EG, Lindenstr. 29, Greven

Donnerstag, 5. März, 20:00 UhrSie werden lachen, es geht um den TodEine Veranstaltung des OSer Hospiz e. V.Lagerhalle, Rolandsmauer 26, OS

Dienstag, 10. März, 19:30 Uhr Bürgerforum AtterStadtteiltreff Atter, Karl-Barth-Str. 10, OS

Freitag, 13. März, 20:00 UhrTill Reiners: BescheidenheitLagerhalle, Rolandsmauer 26, OS

Samstag, 14. März, 20:00 UhrSarah Bosetti: Ich hab nichts gegen Frauen, du Schlampe!Mit Liebe gegen HasskommentareLagerhalle, Rolandsmauer 26, OS

Sonntag, 15. März, 14:30 UhrFlohmarkt für Kinderkleidung und SpielsachenLagerhalle, Rolandsmauer 26, OS

Montag, 16. März, 15:00 Uhr Selbsthilfegruppe Pflegende AngehörigeCafé Oase, Lohstr. 65, OS

Dienstag, 17. März, 19:00 Uhr Familien- und Scheidungsrecht, ein GesprächsabendFrauenberatungsstelle, Spindelstr. 41, OS

Donnerstag, 19. März, 19:30 Uhr Bürgerforum Fledder, SchölerbergSaal Lutherkirche, Iburger Str. 73, OS

Donnerstag, 19. März, 19:30 UhrRuhe gibt es nicht, bis zum Schluss: Auf den Spuren von Erika & Klaus MannLagerhalle, Rolandsmauer 26, OS

Samstag, 21. März, 10:00 Uhr 9. Stadtputztag Osnabrück

Dienstag, 24. März, 16:00 Uhrlook good feel better – Kosmetikseminar für KrebspatientinnenPraxis Dr. Penke-Basiora-Twiessel, Katha-rinenhaus, EG, Marienstr. 11, Vechta

Freitag, 27. MärzStraßenzeitung abseits April-Mai 2020

Freitag, 27. März, 20:00 UhrStrom & Wasser und Gäste, 1 Million Euro gegen RechtsLagerhalle, Rolandsmauer 26, OS

Termine

Dienstag, 3. März, 20:00 Uhr Dominik Bloh: Unter Palmen aus StahlDie Geschichte eines StraßenjungenLagerhalle, Rolandsmauer 26, OS

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Alfons Richter ist in der Tageswohnung an der Bramscher Straße kein Unbe-kannter. Wir kommen kaum voran Rich-tung Tagungsraum, denn beinahe alle uns entgegenkommenden Besucher und Mitarbeiter bleiben stehen, um ihn freundlich zu grüßen.

Kein Wunder: Alfons bringt seit 17 Jahren die Post in die Bramscher Straße 11 und hat dabei nebst Briefen immer eine große Portion gute Laune mit dabei. „Seit 40 Jah-ren bin ich bereits bei der Post und gerne in der Zustellung, ich möchte nach drau-ßen und brauche den Kontakt mit Men-schen“, erzählt er. Dabei bleibt es natür-lich nicht aus, dass der Postbote auch den einen oder anderen Besucher der Tages-wohnung kennen lernt – die meisten du-zen ihn sogar.

„Auf meiner Route liegen sowohl die Ta-geswohnung als auch die Wärmestube im Franziskanerkloster, daher habe ich tag-täglich mit wohnungslosen Menschen zu tun“, berichtet Alfons. „Da gehört der ein oder andere kurze Schnack natürlich zur üblichen Routine.“ Bereits in jungen Jah-ren war er in der Jugendarbeit der Hei-lig-Geist-Kirche aktiv und hat dort neben vielen schönen Begegnungen auch so man-chen traurigen Werdegang miterleben müssen. „Aus diesem Grund solidarisie-re ich mich mit wohnungslosen Menschen und unterstütze das Projekt ÜberDacht, damit Menschen, die vom richtigen Weg abgekommen sind, die Chance bekom-men, wieder zurückzufinden.“

So gern der Briefträger auch auf sei-nem Drahtesel unterwegs ist, Menschen trifft und Post ausliefert, am Ende des Ta-ges kommt auch er gerne nach Hause zu seiner Familie. „Dass es Orte wie die Ta-geswohnung oder das Franziskanerklos-ter gibt, halte ich für sehr wichtig, damit Menschen ohne Wohnsitz der Straße zu-mindest zeitweise auch mal entkommen dürfen.“

* * *Mit der Aktion ÜberDacht wollen die Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter der Soziale Dienste SKM gGmbH auf die besondere prekäre Situation von Menschen aufmerk-sam machen, die auf der Straße leben. Ziel ist, ihnen mithilfe von Spenden für den

Gute Laune im GepäckWieso ein Postbote das Projekt ÜberDacht unterstützt

Der gute Geist der Bramscher Straße: Spaß bei der Arbeit ist Alfons nicht fremd.

Übernachtungsfonds die unbürokratische Unterbringung in einer Übernachtungs-stelle zu ermöglichen.

Sie können die Aktion durch ihre Spen-de auf folgendes Konto mit dem Verwen-

dungszweck “ÜberDacht“ unterstützen: SKM Osnabrück e. V.Darlehnskasse MünsterIBAN DE87 4006 0265 0020 0299 01

Text & Foto: Lukas Gruenke

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überDacht

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32Februar/März ´20

Lesen

Gaby Köster mit Till HohenederDas Leben ist großartig – von einfach war nie die Redeullstein LebenISbN 978-3-96366-066-5; 20 €

„Ich kann nicht mehr lange stehen? Dann setze ich mich eben. Ich kann mir kein ganzes Programm mehr auswendig auf die Festplatte schaffen? Dann lese ich eben viel vor.“ Pragmatisch wie schnodde-rig setzt sich Gaby Köster mit den Folgen ihres 2008 erlittenen Schlaganfalls aus-einander, den sie in „Ein Schnupfen hät-te auch gereicht“ thematisierte. In ihrem ebenfalls mit Till Hoheneder verfassten Buch „Das Leben ist großartig - von ein-fach war nie die Rede" zieht die Kölner Ko-mikerin zehn Jahre nach dem „drecksdris-seligen“ Schlaganfall Bilanz.

Dabei thematisiert sie nicht nur ihr Le-ben mit Handicap, sondern schildert etwa den Trennungsschmerz, als es ihren Tan-go-begeisterten Sohn nach Argentini-en zieht. Darüber hinaus ist zu erfahren, dass Gaby Köster einen Hang zu Esoterik hat, mit Schauspielerin Anna Schudt zur Emmy-Verleihung nach New York reiste oder einen Partner via Dating-App Tin-der suchte.

Interessant wird es aber vor allem dann, wenn sie ihren Alltag als Rollstuhlfah-rerin thematisiert, die sich ärgert, wenn man ihr den Behindertenparkplatz weg-schnappt oder sie beim Shoppen mit zu engen Umkleidekabinen kämpft. Auch die Tour mit ihrem Comedy-Programm „Sit-com“ bedeutete eine Herausforderung, der sie sich stellte.

Gerade Gaby Kösters kämpferische Le-benseinstellung und Alltagsbewältigung machen das Buch insgesamt lesenswert:

"Wenn es dann so weit ist, dass ich Sachen nicht mehr schaffe, dann habe ich mich wenigstens so lange bemüht, bis es nicht mehr ging. Und habe ein reines Gewissen.“

Uta Biestmann-Kotte

Straßenzeitung Iso NroHelsinki, Finnland

arbeit, einkommen und Hoffnung

Zunächst gab es 2011 lediglich einen ge-meinsamen Aufruf bekannter finnischer Kulturmagazine als Protest gegen den zu-nehmenden Rassismus im Lande. Auf-grund des großen Zuspruchs in der Be-völkerung entstanden nach und nach etliche Anschlusstexte, was die Initiatoren schließlich dazu bewegte, über einen Trä-gerverein die bisher einzige finnische Stra-ßenzeitung namens Iso Nro (große Nr.) zu gründen.

Man wollte durch den Verkauf des Ma-gazins vor allem jenen Menschen eine Be-schäftigung anbieten, denen sich wegen ihrer sozialen Situation kaum andere Ein-kommensmöglichkeiten boten. Die einzi-ge hauptamtliche Redakteurin Veera Ve-hkaselo bemerkt dazu ganz stolz: „Wir haben seitdem schon mehr als 1500 Men-schen zu einem zusätzlichen Einkommen verholfen und sicher auch zu einer neuen, positiven Lebensperspektive.“

Neben der öffentlichen Akzeptanz er-hält der Trägerverein seit 2013 zudem vom finnischen Bildungsministerium ein jähr-liches Stipendium, wodurch alle Kosten für die Herausgabe von Iso Nro abgedeckt sind. So können die etwa 90 lizenzierten Verkäufer/innen die derzeitige Auflage von 5000 Exemplaren bereits 11 mal pro Jahr im Großraum Helsinki und der Regi-on Uusimaa anbieten. Die Hefte kosten 10 €, davon geht die Hälfte an das Verkaufs-personal.

Inhaltlich geht es in Iso Nro naturge-mäß um Obdachlosigkeit, Armut und un-gleiche Lebensbedingungen, neben Kunst- und Kulturthemen auch um öffentliche Einmischung, denn, so Vehkaselo, „wir wollen auch weiterhin gefragte Experten für sozialpolitische Themen bleiben!“

Günther Bensmann

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Steinbacher Druck GmbH Anton-Storch-Straße 15

49080 Osnabrück www.steinbacher.de

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abseits ist Mitglied im International Network of StreetpapersDie abseits-Redaktion ist Trägerin der Bürgermedaille der Stadt OsnabrückHerausgeber Soziale Dienste SKM gGmbHBramscher Straße 11 | 49088 OsnabrückFon: 0541 33035-15 | Fax: 0541 [email protected] | www.soziale-dienste-skm.deMitarbeiterInnen dieser Ausgabe Birgit Bernstorff, Günther Bensmann, Uta Biestmann-Kotte, Frieda Doornbos, Helga Duwendag-Strecker, Nicole Eggert, Lena Feldkamp, Franziska Friedrich, Simon Geest, Christian Götz, Lukas Gruenke, Willi Kaiser, Susanne Kampling, Thomas Kater (V.i.S.d.P.), Gerald Krause, Beate Nakamura, Charlotte Oevermann, Thomas Osterfeld, Cornelia Owen, Henrike Pracht, Susanne Pruß, René Ranft, Hartmut Ross, Ulrich Sandhaus, Ramona Schönbrunn, Ursula Schumacher, Fiete Stratmann, Patrick Vallo, Frank Wenzel, Julian WesselLayout Ulrich SandhausDruck Steinbacher Druck GmbHAnton-Storch-Straße 15 | 49080 Osnabrück

Verkaufspreis 2,20 € | davon gehen 1,10 € an die Verkäuferin oder den VerkäuferAuflage 10.000 ExemplareErscheinungsweise zweimonatlichAusgabestelle für Verkäuferausweise und ZeitungenTageswohnung für wohnungslose MenschenBramscher Straße 11 | 49088 OsnabrückBankverbindung Sparkasse Osnabrück | Stichwort: abseits | IBAN DE63 2655 0105 1551 9876 11 Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Fotos, Manu-skripte oder Illustrationen übernehmen wir keine Haftung.

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Impressum

Werden Mehrfamilienhäuser von einer Zentralheizung versorgt, müssen die an-fallenden Heizkosten mindestens zu 50 % verbrauchsabhängig auf die Mieterhaus-halte oder Wohnungseigentümerhaushal-te verteilt werden. Dazu müssen alle Räu-me der Wohnung mit Erfassungssystemen (z.B. Heizkostenverteilern) ausgestattet sein, die einmal im Jahr abgelesen werden.

Auch per Mietvertrag kann nichts anderes bestimmt werden. Die Vertei-lung der Heizkosten ausschließlich nach Wohnfläche oder die Vereinbarung ei-ner sogenannten Warmmiete, bei der die Heizkosten in der Miete enthalten sind, oder eine Heizkostenpauschale, über die nicht abgerechnet werden muss, sind un-zulässig. Ausnahmen vom Grundsatz der verbrauchsabhängigen Heizkostenabrech-nung gibt es praktisch nur in sogenann-ten Passivhäusern, in denen so gut wie keine Heizenergie benötigt wird, oder in Häusern mit besonders energiesparen-den Heizungsanlagen, wie beispielsweise

Wärmepumpen der Solaranlagen. Rech-net der Vermieter nicht verbrauchsabhän-gig ab, sondern verteilt die Heizkosten z. B. ausschließlich nach der Wohnfläche auf die Mieter des Hauses, haben diese ein 15 %-iges Kürzungsrecht. Sie können von der Heizkostenabrechnung des Vermieters also 15 % abziehen. So steht es im Gesetz, der sogenannten Heizkostenverordnung. Dabei geht es um folgende typische Fälle:• Die Wohnung ist gar nicht erst mit Erfas-sungsgeräten ausgestattet.• Es gibt in der Wohnung Erfassungsgeräte, sie sind aber z.B. falsch montiert, liefern keine verwertbaren Ergebnisse.• Die Erfassungsgeräte sind in der laufen-den Abrechnungsperiode ausgefallen oder aus anderen zwingenden Gründen kön-nen mehr als 25 % der Wohnfläche des Hauses nicht verbrauchsabhängig abge-rechnet werden. Sind weniger als 25 % der Wohnfläche betroffen, kann der Vermie-ter den Verbrauch schätzen und ein Kür-zungsrecht ist ausgeschlossen.

Heizkostenabrechnung – 15-prozentiges KürzungsrechtDer Expertentipp vom Mieterverein Osnabrück

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34Februar/März ´20

RätselDie glücklichen Gewinner des Preisrätsels aus der letzten Ausgabe:

ein handsignierter Kupferstich des Osnabrücker Künstlers Manfred Blieffert aus der "Edition Katharinenpresse"ein Hofftie-Kissen von Sonnen-Sicht-Schutz, Hasbergenein Kombispender für Zucker und Süßstoff aus Edelstahl

Mit der Einsendung des Lösungswortes stimmen Sie einer Veröffentlichung Ihres Namens im Ge-winnfall zu. Wenn Sie das nicht möchten, schreiben Sie das bitte dazu. Gewinnen können Sie trotzdem.

(gegenetwas)anlaufen

Wasser-stellefür Tiere

munter,ver-kehrs-reich

StromzurNordsee

Sing-vogel

GruppevonRätsel-lösern

Haupt-stadtvonSyrien

Schnee-hütteder Inuit

Vorfahrsüd-amerik.u. mexik.Währung

arab.mantel-artigerUmhang

einKörper-teil

poetisch:Er-quickung

Vorteil,Ertrag,Gewinn

Anhäu-fung,Schar

poet.:kleineInsel

unnatür-lichesBeneh-men

sehrbetagt

Unter-sucher,Tester

Teil derHand

Sport-fi scherei

mit Farbeversehen

Getreide-art

Näh-mittel

Nach-zügler

Ehe-mannBa-

learen-insel

natürlichesGewässerzumSchwimmen

Süd-staatder USA

Zuruf anZugtiere

Audioanteilan einerTV-, Film-produktion

unter-weisen

über-triebeneSpar-samkeit

beglücktBruch-stücke

1912gesun-kenesSchiff

nicht d.2 teilbar

FaunaFlussdurchInns-bruck

grüne, inHalmenwachsendePfl anze

Blech-blas-instru-ment

so gutwiemöglich

Stromin Ost-sibirienZahlwort

See-manns-ruf

ältereBezeich-nung fürPullover

Kehr-gerät

metall-haltigesMineral

Brand-rück-stand

Bedroh-lichkeiteinerLage

Papst-name

bewe-gendeKraft

weibl.Adels-titel

Preisgren-ze (engl.)

Streit,Hader

(einenMangel,Schaden)beseitigen

Einbrin-gen derFeld-früchte

grie-chischerBuch-stabe

HalbinselÄgyptens

längsterStromEuropas

Leben,Existenz

ugs.:hinterdas

Hunde-rasse

Schulnote(ungenüg.)

schwed. NameSchwedensKau-

werkzeugblass,bleich

KurzwortfürPopmusik

altröm.Staats-mann,Feldherr

Schwer-metall

schma-lerDurch-gang

Eiform

Getreide-art,Dinkel

Saug-strö-mung

nord-amerik.Hirsch-art

Liniezwi-schenStaaten

ugs.:Naviga-tions-gerät

Mahlzeit

schott.Stam-mes-verband

respek-tieren

ugs.:falscheFährte

VulkanaufIsland

Körper-empfi n-dung

alterNameThailands

zum Auf-fl ammenbringen

Men-schen-menge

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1. Preis: 2. Preis: 3. Preis:

Ursula Dieckmann, OsnabrückKlaus Engelhardt, OsnabrückGabriele Lübker, Osnabrück

Straßenzeitung abseits, Bramscher Str. 11, 49088 Osnabrück Einsendeschluss: 20. März 2020

1. Preis:

2. Preis: 3. Preis:

Die folgenden Preise verlosen wir unter den Einsendern des richtigen Lösungswortes:

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Hauswörmannsweg 88 • 49080 OsnabrückTel 0541 506 88-0 • Fax 0541 506 88-20

[email protected]

ÖffnungszeitenMontag - Freitag 09.00 - 18.00 UhrSamstag 09.30 - 16.00 Uhr

Jonathans LadenJohannisstraße 8849074 Osnabrück

0541 335 66 [email protected]

ÖffnungszeitenMontag - Freitag 10.00 - 18.00 Uhr

Samstag 10.00 - 16.00 Uhr

Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) & Bundesfreiwilligendienst (BFD)Du hast Interesse etwas Neues zu erleben?

Freiwilligendienst in den Bereichen•Soziales Kaufhaus •Jonathans Laden

•Verwertung von Altmaterialien•Fahrradwerkstatt •Dienstleistungen

•Übungswerkstatt

Ansprechpartner: René Kark, Tel.: 0541 506 88 77, [email protected]

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SA, 21. MÄRZ 2020

Bitte bis 28. Februar anmelden.