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(Aus der Serologiseh-bakteriologisch-chemische.n Abteilung [leitender Oberarzt: Dr. med. habil. C. Riebeling] der Psychiatrischen und Nervenklinik [Direktor: Professor Dr. med. Biirger-Prinz] der Hansischen Universit/~t Hamburg.) Der Liquor in versehiedenen Lebensaltern mit besonderer Beriicksichtigung des Riickbildungs- und Greisenalters. Von Carl Itiebeling, Hamburg. Mit 7 Textabbildungen. Der Liquor cerebrospinalis ist in vieler Beziehung nieht nur ein Spiegel des Krankheitsgesehehens und das nicht nur bei neurologisehen und psychischen Affektionen, sondern er l~i~t auch, allerdings in sehr einge- schrs Ma~e, die Wandiungen erkennen, die der KSrper in den Lebensaltern durchmacht. Damit ist leider nicht auch gesagt, da] man eine eigene Physiologie des Kindesalters am Liquor erkennen kSnnte oder einen Greisenliquor als solchen yon dem Liquor des mittleren Lebensalters unterscheiden kSnnte. Mader hat Untersuchungen am Kindesliquor ausgeftihrt, die ohne Ab- wandlung auch fiir den Liquor anderer Lebensalter verwertbar sind. Er ist bei seinen Untersuchungen auch nicht speziell der Frage nachge- gangen, ob ein Unterschied gegentiber dem Liquor der Erwachsenen erkennbar w~re. Samson hat sich sehr eingehend mit dem Liquor des Kindesalters besch~ftigt, seine Ergebnisse sind in vieler Beziehung ver- wertbar. Ebenso haben Selter und etwa zu gleicher Zeit Riebeling Unter- suchungen am kindlichen Liquor vorgenommen. In letzter Zeit hat Ujsaghy sich ausftihrlich mit der Frage besch~tftigt, ob dem kindlichen Liquor Besonderheiten gegentiber dem anderen zuzumessen seien. Die sehr hohen Normalwerte fiir Eiweil~, die dieser Autor ffir friih- kindliche Liquores findet, sind zwar in der Gesamtrichtung auch yon den anderen Autoren gefunden worden, indes scheinen mir nach meiner Erfahrung an sehr groBem Material die Werte doch zu hoch, was an der angewandten Methodik liegen kann. Fiir jede Eiwei~bestimmungs- methode muB man die Normalwerte neu ermitteln, in~besondere muB man, wie ich verschiedentlich nachgewiesen habe, bei der Bestimmung yon Eiweil~ genau die gleiehen Einschr~nkungen gegeniiber nephelometri- schen und auch volumetrischen Methoden machen, wie man sie bei Polarisationsbestimmungen fiir verschiedene Zucker machen wiirde. Ebenso wenig wie gleiche Drehungswinkel der Ebene des polarisierten Lichts gleiche Mengen verschiedener Zucker angeben, entsprechen gleiche Triibungen einer EiweiBf~llungsfliissigkeit gleichen Mengen EiweiB, das

Der Liquor in verschiedenen Lebensaltern mit besonderer Berücksichtigung des Rückbildungs- und Greisenalters

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Page 1: Der Liquor in verschiedenen Lebensaltern mit besonderer Berücksichtigung des Rückbildungs- und Greisenalters

(Aus der Serologiseh-bakteriologisch-chemische.n Abteilung [leitender Oberarzt: Dr. med. habil. C. Riebeling] der Psychiatrischen und Nervenklinik [Direktor:

Professor Dr. med. Biirger-Prinz] der Hansischen Universit/~t Hamburg.)

Der Liquor in versehiedenen Lebensaltern mit besonderer Beriicksichtigung

des Riickbildungs- und Greisenalters. Von

Carl Itiebeling, Hamburg.

Mit 7 Textabbildungen.

Der Liquor cerebrospinalis ist in vieler Beziehung nieht nur ein Spiegel des Krankheitsgesehehens und das nicht nur bei neurologisehen und psychischen Affektionen, sondern er l~i~t auch, allerdings in sehr einge- schrs Ma~e, die Wandiungen erkennen, die der KSrper in den Lebensaltern durchmacht . Dami t ist leider nicht auch gesagt, d a ] m a n eine eigene Physiologie des Kindesalters am Liquor erkennen kSnnte oder einen Greisenliquor als solchen yon dem Liquor des mit t leren Lebensalters unterscheiden kSnnte.

Mader hat Untersuchungen am Kindesliquor ausgeftihrt, die ohne Ab- wandlung auch fiir den Liquor anderer Lebensalter verwer tbar sind. Er ist bei seinen Untersuchungen auch nicht speziell der Frage nachge- gangen, ob ein Unterschied gegentiber dem Liquor der Erwachsenen erkennbar w~re. Samson ha t sich sehr eingehend mit dem Liquor des Kindesalters besch~ftigt, seine Ergebnisse sind in vieler Beziehung ver- wertbar. Ebenso haben Selter und etwa zu gleicher Zeit Riebeling Unter- suchungen am kindlichen Liquor vorgenommen. In letzter Zeit ha t Ujsaghy sich ausftihrlich mi t der Frage besch~tftigt, ob dem kindlichen Liquor Besonderheiten gegentiber dem anderen zuzumessen seien.

Die sehr hohen Normalwer te fiir Eiweil~, die dieser Autor ffir friih- kindliche Liquores findet, sind zwar in der Gesamtr ichtung auch yon den anderen Autoren gefunden worden, indes scheinen mir nach meiner Erfahrung an sehr groBem Material die Werte doch zu hoch, was an der angewandten Methodik liegen kann. Fiir jede Eiwei~best immungs- methode muB m a n die Normalwerte neu ermitteln, in~besondere muB man, wie ich verschiedentlich nachgewiesen habe, bei der Bes t immung yon Eiweil~ genau die gleiehen Einschr~nkungen gegeniiber nephelometri- schen und auch volumetr ischen Methoden machen, wie m a n sie bei Polar isat ionsbest immungen fiir verschiedene Zucker machen wiirde. Ebenso wenig wie gleiche Drehungswinkel der Ebene des polarisierten Lichts gleiche Mengen verschiedener Zucker angeben, entsprechen gleiche Triibungen einer EiweiBf~llungsfliissigkeit gleichen Mengen EiweiB, das

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aus verschiedenen Frakt ionen s t a m m t und noch weniger solchen Mengen, die aus verschiedenen k rankhaf ten Prozessen ents tanden sind. Wit werden uns mit den Ergebnisw yon U]saghy noch besch/~ftigen.

Agonaler und postmortaler Liquor ist vielfach untersucht worden, die Autoren sind sich einig darfiber, daI3 die ('Jffnung der Blutliquor- schranke durch den Tod, meist bereits durch die Agone, den Eiweil3- gehalt des Liquors stark ansteigen li~13t und eine Verwertung der gefun- denen Mengen ebensowenig sinnvoll ist wie eine Auswertung yon Kolloid- reaktionen. Auch die Zellzahl steigt fast immer nennenswert an.

Sieht man sich das Verhalten des Eiweil3es im Verlauf des Lebens an, so kann man schematisch eine K u r v e aufstellen, die allerdings nicht aus einer Summe yon Einzelergebnissen das Mittel zieht, sondern die nu t das Gesagte versinnbildlichen soll.

])er gleiche Befund wie beim Eiwei~ ergibt sich auch bei der Zell- z/~hlung. Den Interferometerwert bes t immt beim Liquor zum Unter- schied vom Serum ganz iiberwiegend der Anteil an Nichtkolloiden. DaB er auch eine nachweisbare Wandlung im Laufe des Lebens durch- macht , zeigt, da~ die gesamte Liquorchemie eine gewisse Beeinflussung durch das Lebensalter erf/~hrt. Uber die Anteile der verschiedenen Liquor- bestandteile am Gesamt-In ter ferometerwer t ha t zuerst Riebeling gear- beitet. Roeder hat letzthin diesbezfigliche Untersuchungen ver6ffentlicht.

I ch sehe den EiweiBgehalt des Greisenliquors als niedrig an. I m ge- sunden Senium sind zwar an anderen Vorg/~ngen deutliche Abbaureak- t ionen erkennbar, diese beziehen sich aber nicht auf eine Eiwei~ver- mehrung ira Liquor. Nach den Befunden des unteren Tefls der Abb. 1 miiBte man das allerdings annehmen. ])as Greisengehirn enth~lt so- vie1 weniger Eiweil3 als das Gehirn des mit t leren Lebensalters, dal3 m a n glauben mSchte, dab sich dieser Abbau im Liquor auspri~gen mfil3te. Be t rach te t man aber parallel dazu den Gehalt des pr/~formierten und abspal tbaren Ammoniaks im Greisengehirn, der auch deutlich niedriger ist als im mittleren Lebensalter und h~lt dem entgegen die Befunde, dab gerade dann Ammoniak in erheblich vermehr te r Menge im Liquor auftr i t t , wenn dieses Elektrolyt im Gehirn s tark vermehr t ist, dann kann m a n aus diesen Befunden parallel schlieBen, dab gerade dann eine Ver- mehrung yon Abbauprodukten im Liquor erkennbar ist, wenn die Ge- samtsubstanzmengen ira Gehirngewebe erh6ht sind. Ob m a n diese Er- h6hung halten daft ffir eine Summierung von gesundem und abbaureifem Material, steht offen. Ammoniak habe ieh im Liquor der allerdings nur 2 Kinder (auBer Epflepsien), die ich untersuehen konnte, prakt iseh iiber- haup t nieht gefunden, im Liquor einiger epfleptiseher Kinder in erheb- lieh vermehr tem Mal3e genau entsprechend den Befunden, die ieh an vielen anderen Epflepsiefiillen habe erheben k6nnen.

Fragen wir uns, welehe Ver~nderungen des Liquors durch Erk rankung in den verschiedenen Lebensaltern zuerst und am meisten auftreten,

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so miissen wir einschr~nkend bemerken, dab wir natfirlich ausgesprochene Kinderkrankhei ten nicht als Besonderheiten aufffihren kSnnen. Da es fiir diese prakt isch keine Parallelen gibt in den anderen Lebensaltern, hat es keinen Sinn, hier Vergleiche ziehen zu wollen.

Als sehr wichtig mSchte ieh die Beobachtungen von U]saghy erw~hnen beziiglich des Fibringlobulins. Diese Eiwei~fraktion, die im Liquor der Erwachsenen ausgesproehen selten vorkommt unter ganz umschrie- benen Bedingungen - - Meningitis und gelegentlich ganz frisehe Para lyse dfirften die einzigen Gelegenheiten sein - - kommt bei Kindern offenbar sehr viel leichter - - auch nur unter pathologischen Bedingungen aller- dings - - vor. Dies Ergebnis muB wohl als eine Best~tigung der auch sonst vielfach beweisbaren grS]~eren Durehls der Blutliquor- schranke im Kindesal ter angesehen werden. Die grSl~ere Neigung des Kindes, mi t neurologischen Symptomen bei akuten Infekten zu reagieren, pr~gt sieh in der grSl~eren H~ufigkeit auch pathologischer Liquorbefunde im Kindesal ter aus. Chronische innere Leiden im Kindesalter zu unter- suchen, ha t te ich keine Gelegenheit, es w~re interessant zu wissen, wie sich z. B. der Diabetes, die Nephrosklerose einerseits, chronische Ans andererseits im Kindesal ter auspr~gen, die im Erwachsenenliquor immer irgendwelehe Symptome maehen bzw. bei der Perniciosa gerade trotz der Schwere der Krankhe i t auffallend wenig nennenswerte Zeiehen ab- geben. Da alle Betrachtungen fiber den Liquor yon demjenigen des ge- sunden Erwachsenen ausgehen, brauchen wir diesen, der die Vergleichs- normale darstellt, nicht gesondert zu erSrtern.

I m Pr~senium sehen wir relat iv wenig Liquorveri~nderungen, kSnnen aber sagen, dal~ geringfiigige Vermehrungen des EiweiBes nieht selten sind. Unter diesen sind etwa in gleichen Prozentss Globulin- und Albuminvermehrungen vertreten. Nie ist bei den untersuchten F~llen, bei denen vorwiegend pr~senile Depressionen sich befinden und bei denen zum Vergleich einige F~lle herangezogen wurden, bei denen eine neue Phase des manisch-depressiven Irreseins ira hSheren Lebensal ter auftrat , eine positive Kolloidreaktion gefunden worden, weder war die Mast ixkurve jemals aueh nur angedeutet positiv, noch land sigh eine sonst so leicht pathologische Veri~nderungen anzeigende Salzs~ure- Collargolreaktion. Leichte Arteriosklerosen und einfache, unkomplizier te senile Demenz ergeben ebenfalls fast nur vSllig negative Befunde, bei der Arteriosklerose linden sich leiehter als bei der senilen Demenz geringe Vermehrungen des Eiwei~es.

Eine ver~nderte Reakt ion des hSheren Lebensalters auf Krankhei ten , wie sie ja sieher anzunehmen ist insbesondere fiir solche Zusti~nde, bei denen die vegeta t iven Regulat ionen eine Rolle spielen - - ich erinnere nur an die Tatsache, da~ hohes Fieber bei Greisen sehr viel seltener ist als bei M~nnern mit t leren Alters (Lasch, Mi~ller, Deham, Bailli /) - - pr~gt sich im Liquor seltener aus. Wir haben eine tuberkulSse Meningitis

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bei einer Greisin gesehen, deren Liquor kurz vor dem Tode unter- sueht worden war. Es fand sieh keine Zellvermehrung, wohl aber eine ausgepr/~gte Eiwefl3vermehrung. In einigen F~llen yon Paralyse im Se- nium muBte man sagen, dab der Befund so auff/~llig viel schw/~cher war als der durchschnittliehen Erwar tung entsproehen h/~tte, dab man diesen Befund auf das Alter zurfiekffihren dfirfte. Indes sah ich aueh viele F/~lle, bei denen sich der Liquor in nichts von einem anderen Paralyse- liquor unterschied.

Da sich mir fiir viele Fragen der Liquordiagnostik und der Theorie der Liquorver/s die Salzs/~ure-Collargolreaktion als sehr brauchbar erwiesen hat, die ieh Ende 1937 angegeben habe, habe ich ffir die nachfolgende l~bersicht fiber die Liquores des h6heren Lebens- alters nur die F~lle seit Ende 1937 verwandt . Es handelt sich um 75 F/~lle unter etwa 2200. Sie verteflen sich so, dab 20 F~lle pr/~senile Depressionen sind, etwa 15 arteriosklerotische ohne st~rkere Erweicbungen bzw. post- apopIektische F~lle, etwa 15 unkomplizierte senile Demenzen, etwa 10 F/~lle Encephalomalacien und einige andere F/~lle.

U m einen Uberblick zu gewinnen, welehe Untersuchungsmethoden ffir die Beurteflung einer eventuellen Beteiligung des Liquors bei psychi- schen Ver/~nderungen des hSheren Lebensalters am geeignetsten sind, haben wir das gesamte Material zun~ehst einmal nach diesen unterteil t . Das bedeutet nun keineswegs, dal~ wir einer oder der anderen Methode den Vorzug geben, sondern wir halten prinzipiell an einer mSglichst breiten und vielseitigen Untersuchung fest, da nur die Betrachtung des Syndroms, fast hie die Betraehtung eines einzelnen Befundes diagnostisch weiter helfen kann. Vorweg sei bemerkt , dab ich s~mtliche F~lle, bei denen aus dem Liquorwassermann oder auch nur aus einem posit iven Blutwasser- mann der Nachweis tfir das Vorhandensein einer K6rperlues geffihrt war, aus der Betrachtung ausgeschlossen habe, somit also keine Verf~l- schungen der Ergebnisse durch fibersehene Lues zu ffirchten habe und andererseits fiber die Wa.R. nicht zu berichten brauche. Von s~mtlichen F~llen wurde der Liquorzueker best immt, inde? bringt die l ]bersicht nichts Bemerkenswertes. Ich erw~hne nur, dab wir in F~llen frischer Apoplexien niemals die Zuckervermehrung vermiBten.

Wenn yon 75 Untersuchungen 42 eine Eiwei~vermehrung irgendwelcher Ar t ergeben, abet nur 9 unter diesen Fgllen eine reine Globulinvermehrung, s~mtlich bei Fgllen mi t negativer Mastixreaktion, dann zeigt das erstens, dab die qualitative Prfifung auf Globulin mit der Phase I innerhalb des Bereichs unserer F~lle recht wenig Bedeutung hat und dab eine Sch~tzung einer hSheren als der normalen GesamteiweiBreaktion, wenn m a n schon keine quant i ta t ive Technik anwenden will oder kann, immer noch aus- sichtsreicher ist. Andererseits zeigt es, dab dem Globulin beim Zustande- kommen der Kolloidreaktionen nicht die Bedeutung zukommt, wie sie vielfaeh frfiher gegeben wurde, ni~mlich immer unter dem Gesichtswinkel

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der so h~ufig untersuchten Paralyse. Dor t freilich ist das ,,spezifische" Globulin sicher iiberwiegend wenn nicht ausschlieBlich der Verursacher der typischen Paralyse-Mastixkurve.

H a t sich f fir die Best immung des Globulins und innerhalb gewisser Grenzen auch des Albumins ergeben, dab sie bei den Liquores der hier zu besprechenden F~lle keine wesentliehe diagnostische Bedeutung haben, dab sie aber noch weniger in der Lage sind, das Verst~ndnis fiir die Vor- g~nge am Z. N. S. zu fSrdern, so gilt das nieht viel weniger ftir die Normo- mast ixreakt ion. Wir fanden sie nur 10mal positiv, 2 weitere Male war sie angedeute t positiv, also es land sich in mindestens einem R5hrehen eine Ausfs bis 5. Ganz anders verhielt sieh die Salzs~ure-Collargol- reaktion, die bei 45 Fallen einen positiven Ausfall zeigte. Interessanter- weise war ein bes t immter Typus besonders reiehlich vertreten, auf den welter unten noch eingegangen wird.

Diese Reakt ion, fiber die ieh verschiedentlich berichtet habe, kann hier nicht mehr besproehen werden. Es sei nur erw~hnt, dab sie ge- wisserma2en ein Gegenstiiek zu den gebr~uehliehen Kolloidi 'eaktionen ist. Es werden nieht die auf ein TestkoUoid f~llend wirkenden Eigen- sehaften des Liquors untersueht in einem dieses sonst unbeeinfluBt lassenden Milieu, sondern es wird der Sehutz gepriift, den der Liquor aus- fiben kann vor der sieher f~llenden Wirkung einer S~ure. Umgekehr t also wie bei den bekannten Kolloidreaktionen muB eine negative Kurve wenig oder gar keinen Sehutz zeigen und bei den hSheren Verdiinnungen sicher eine Ausfi~llung des Testkolloids erkennbar sein, w~hrend bei positivem Liquor entweder der Schutz l~nger fortgesetzt wird, oder, was besonders eharakterist iseh ist ffir diese Reaktion, es t r i t t eine neue Sehutzzone auf, nachdem die sehiitzende Kraf t des Liquors bei einer oder zwei bes t immten Verdiinnungen bereits erschSpft erschien. Die Ab- bildungen veranschaulichen dies iibrigens.

Bei pri~senilen Depressionen sehen wir nicht selten eine EiweiBver- mehrung im Liquor und zwar kommen mehr Albumin- als Globulin- vermehrungen vor. Zellvermehrungen sind praktisch nie zu beobaehten. Mast ixkurve war immer negativ, ein einziges Mal fand sich eine positive S. C .R . Wir kSnnen aus dem Material schlieBen, dab es sich bei den EiweiBvermehrungen um soche handelt, wie sie auch bei degenerativen Erkrankungen des Z. N. S. festzustellen sind und weder um Produkte eines rapiden Abbaus von Nervensubstanz noeh um Eiwei0, das aus den Meningen oder gar aus dem Plasma s tammt .

Bei der einfaehen senflen Demenz finden wir ebenfalls fast ausnahmslos negative Befunde. Die Eiwei~werte sind zwar niedrig, aber nicht unter der Norm, hi~ufig am Rande der Norm. Weder die Mastix- noch die Salz- s~ure-Collargolreaktion spreehen auf irgendwelche Ver~nderungen an. Die Zellzahlen sind fast ausnahmslos normal, das spezifisehe Gewieht der Liquors wie auch der Interferometerwert liegen recht niedrig. Diese

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Befunde deeken sioh iibrigens mit den von uns erhobenen Resultaten der Gehirnuntersuehungen weitgehend.

Im Laufe sehr ausgedehnter, grSBtenteils noch nicht ver6ffentliehter chemischer Untersuehungen an Gehirnen fanden wir aul3erdem, dab der EiweiBgehalt parallel mit dem Trockensubstanzgehalt bei den senilen Gehirnen absinkt. Im Gegensatz zu dem Gesehehen an anderen Organen. Die Gegeniiberstellung einer Reihe yon Befunden am Liquor und am Ge- h im der verschiedenen Lebensalter kann nur schematisch genommen werden. Die Winkel des Anstiegs oder Abstiegs sind, wie sich ja auch

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aus der Anordnung der zeitlichen Absts ergibt , nicht Funktionen gleichzusetzen, sondern sollen ledig- lich die Art der Ver~nderungen an- zeigen (Abb. 1).

Ws die Ausbeute an Liquor- ver/~nderungen bisher recht mager ist, wird sie um so reichhaltiger, wenn wir uns den Arteriosklerosen und ins- besondere der Encephalomalacie, den Apoplexien und Postapoplexien zu- wenden. Bei den Arteriosklerosen ein- facherer Art linden wir neben immer noch reichlich negativen Befunden bereits mehr Eiweil3vermehrungen als bei den pr~senilen F/~llen. Hier ist aber die Doms der S .C .R . Welm ich oben erws dab ein besonderer Typus dieser Reaktion besonders

hs zu beobachten sei, so kalm ich jetzt n~Lher auf diesen ein- gehen (Abb. 2). Es handelt sieh um den Typus mit langsam abfallen- dem Schutz, yon dem Ihnen die Abbildung einige verschiedene Kurven zeigt. I m Idealfalle, wie wir ihn zuerst und am sch6nsten bei Ur/i.mien zu sehen bekamen und wie er uns auch ffir das Verst~ndnis der Reaktion viel geholfen hat, finder sieh in ununterbroehener Reihe ein Abfall der Schutzkraft ganz entsprechend der fortlaufenden Ver- diinnung. Aus theoretischen Grtinden und insbesondere dureh die Er- fahrung autorisiert, daft man zu diesem Typus die Formen der Kurve zurechnen, wie sie in der Abbildung ebenfalls zu sehen sind. Zwar findet sich hier der scharfe Untersehied zwischen Schutz und kompletter Aus- f~llung, wie wir ihn yon anderen F/~llen her gewohnt sind, ~ber die zweite Schutzzone ist verbreitert und unv.ollsts Daf3 die zweite Schutz- zone nur inkompletten Schutz anzeigt, ist das charakteristische an diesen Kurventypen. Gut 2/3 der 43 positiven Kurven, n/~mlich 29, zeigen einen dieser Typen. Bei s/~mtliehen F~llen handelt es sich um Apoplexien, um

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postapoplektische Zustgnde, um Arteriosklerosen mi t gleichzeitiger peripherer Sklerose.

Aus Untersuchungen zur Aufklgrung des Wesens der S. C. R. lgBt sich mi t geringen Einschrgnkungen sagen, dab die genannten Typen yon Reakt ionen insonderheit nicht bei Vermehrung yon Kolloiden im Liquor, sondern bei Vermehrung molekular gelSster Substanzen beob- achtet wird. Das wfirde bedeuten, dab wir es mit niedrigen Abbau- produkten der zerstSrten Hirnsubstanz einerseits, aber auch mi t niedrig- molekularen Stoffen aus dem Plasma zu tun haben, die lediglieh in den Liquor hineindiffundiert waren. Indes finder sich dieser Typus der S. C. R. doch nur bei Affektionen des Z . N . S . , so dab wit annehmen diirfen, dab Abbaupro- dukte des Gehirns die ent- scheidende Rolle spielen.

Die Untersuchung eines ganzen Spekt rums yon Liquorvergnderungen ge- s ta t te t eben, auch einen gewissen Einblick in das Geschehen zu nehmen, das der Liquorvergnderung vorgeordnet ist. Mehr als die meisten anderenUnter - suchungsmethoden, auch

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Abb. 2. Unvol l s tgnd ige zwei te Schu tzzone , sehr hguf ig bei noch le ich ten a r t e r io sk l e ro t i s chen Zus t anden .

mehr als die Frakt ionierung der EiweiBkSrper, hat sich die S. C. R. fiir diese Bemiihungen als Hilfe gezeigt. In anderen Fgllen yon sekundgrer Bedeutung ist sie meines Erachtens fiir das Verstgndnis der Gescheh- nisse bei Senium und Arteriosklerose yon nicht zu unterschgtzender Bedeutung. I n den Abbfldungen sei prinzipiell bemerkt , dab Zellzahlen und Zuckerwerte nu r mi t angegeben sind, wenn sie pathologisch waren. DaB die Wa.R. negat iv war, war ja die Vorbedingung fiir die Aus- wahl der Befunde i iberhaupt .

Was die Lebensdauer angeht, so kann man bei solchen Liquorbefunden eine gfinstige Prognose stellen. Die meisten Fglle sind wenig affiziert und erholen sich, wenn das Liquorsyndrom nur eine geringe EiweiB- vermehrung aufweist, wenn die Zellzahl nur wenig erhSht ist und wenn die S. C. R. eine der besehriebenen Kurven typen zeigt (Abb. 3 und 4). Anders ist es mi t solehen Fgllen, bei denen multiple Encephalomalaeien sehr schwere Liquorvergnderungen setzen. Wie Sie aus dem Beispiel sehen, kann m a n die Fglle mi t multiplen Encephalomalaeien reeht deut- lich abtrennen yon denjenigen der Arteriosklerosen und postapoplekti- schen Zustgnde. Die Mast ixkurve ist in diesen Fgllen - - und das sind fast die einzigen im gesamten Material - - regelmgBig s tark positiv. Sie zeigt den sog. Lues cerebri-Typ, wie er aber bekanntl ieh durehaus

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n i c h t n u r bei dieser E r k r a n k u n g v o r k o m m t . Es empf ieh l t s ich meines E r a c h t e n s f ibe rhaup t nicht , yon so lchen T y p e n b e z e i c h n u n g e n a l lzuvie l

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Gebrauch zu machen. Die meisten Einzelbefunde der Liquorunter- suchungsmethoden sind unspezifisch, erst die Bearbeitung des Syndroms - - eine mSglichst viele Einzelheiten umfassende Untersuchung - - gestat te t gelegentlich eine differenzierte Diagnose. Die hohen EiweiBmengen lassen sich nicht durch Blutbeimengungen erkl/~ren, die etwa gerade nicht mehr erkennbar sind. Man wiirde, s/~he man nicht meist recht hohe Zuckerwerte, sondern niedrige, aueh an eine tuberkulSse Meningitis denken kSnnen, wenn man einen solchen Liquor sieht mit der starken Eiwefl~vermehrung, mit der rechtsliegenden Mastixkurve und der groBen Eiweii~menge. Indes fehlt die Zellvermehrung und die Herabsetzung des Zuckers. Die S. C. R. ist durehaus ,,meningitisch". Der Fall maehte diagnostisch viel Schwierigkeit, da aueh ein Tumor in Frage kam. Einen solehen Befund h/~tte man nach dem Liquor nicht ablehnen kSnnen, er wurde aber fiir unwahrscheinlieh erkl/~rt. Es handelte sich um folgen- den Fall :

Herr F. (64 Jahre alt) war in das A. K. St. Georg eingeliefert worden, da er Kr/impfe gehabt h/~tte und auf der StraBe zusammengebrochen w/~re. Objektive Anamnese nicht zu erlangen gewesen. Er war zuerst gut ansprechbar, wurde in der gleiehen Nacht verwirrt. Naeh einigen Tagen klang die Verwirrtheit ab, es zeigte sich eine schwere Demenz. Neurologisch war damals kein pathologischer Befund erhoben worden. Die Liquoruntersuchung hat te eine leicht pathologische Mastix-Reaktion ergeben, sowie bei normaler Zellzahl 2,0 GE. und 0,7 Glob. Internistiseh kein pathologiseher Befund. Hier war der Kranke euphoriseh, zeitlich und 5rtlieh desorientiert, perseverierte. Er faBte Fragen i iberhaupt nieht auf und wirkte schwer abgebaut. Das Eneephalogramm ergab erweiterte Ventrikel ohne Seitendifferenzen und eine verst/~rkte Oberfl/~chen- zeichnung. Neurologisch war niehts zu linden gewesen, ebensowenig internistisch. Im Verlauf: schnell hinf/~lliger werdend ohne besondere Einzelheiten. Nach Auftreten einer schlaffen L/~hmung beider Beine Exitus.

Die Obduktion ergibt : M/~l~ige Arteriosklerose der basalen Hirngef/~ge. Multiple Herdchen frischen und/ i l te ren Datums im Mark, Schwanzkern, Linsenkern, innerer Kapsel usw. Bronchopneumonie und eitrige Bron- chitis. Coronarsklerose Atheromatose der Aorta. Weiche Hi rnhau t m/~l~ig getriibt. Zuekergul~milz, sonst keine Besonderheiten des tibrigen Sektionsbefundes. Offenbar haben die st/indig neu auftretenden kleinen Blutungen den Liquorbefund in dem Sinne einer erheblichen Steigerung der EiweiBmengen aber aueh Vertiefung der Mastixkurve beeinflul~t (Abb. 5).

Ebenso wie in diesem Falle die Prognose schon aus dem Liquor sehlecht gestellt werden konnte, ist das auch regelm/~Big der Fall bei den Liquorver/~nderu~gen, die das Bild bieten, wie w i r e s etwa auch bei einer Encephalomyelitis, gelegentlieh bei einer Poliomyelitis anterior

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als Ausdruck einer sehweren orga- nischen Sch~digt~ng erleben. Abb. 6 gibt davon einige Beispiele. Da~ gerade der Fall, bei dem auBerdem eine schwere meningeale Reakt ion ~uf eine Blutung beobaehte t wurde, sich sehr besserte, wird ~nschlieBend noeh besproehen. Befunde wie diese sind bei mult iplen Enceph~lomalu- bien nicht selten ! Die Deutung wird natiirlich ~bh~ngen yon dem kli- nisehen Befund, bei dem der Liquor nur unterst i i tzend sein kann. Nur ein F~ll unter diesen bot ein in vieler Beziehung ~hnliches Bild wie die beiden F~lle, die Miiller im vorigen J~hr verSffentlichte. Aus der S.C.R. allein h~tte m a n hier sogar eine Meningitis nicht ausschlie[]en dfir- fen, inde~ war dafiir die Mastix- reaktion zu wenig ausgeproehen: Mi~ller zeigte, dab der Liquorbefund in weitem Ma~e meningitisch sein kann und da~ die Ursache ffir solehen Befund doeh nur in einer Hirnblutung liegen kann, die eine reakt ive meningit isehe Ver~nde- rung verursaehte.

Leider wurden in den fr~gliehen F~llen von Miiller keine Zuckerbe- s t immungen vorgenommen. Meist, j~ man kann sagen prakt isch aus- nahmslos, ist bei einer Meningitis der Zucker so s tark herabgesetzt , dab dieser Befund die Diagnose entscheiden kann. I m Gegensatz dazu ist er erhSht bei der sog. Meningitis serosa, bei der meninge- alen l~eaktion z. B. der Paralyt iker . In meinem Falle, bei dem das ge- samte heute yon mir ganz regel- m~Big ausgefiihrte Liquorunter-

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144 Carl Riebeling: I)er Liquor in verschiedenen Lebensaltern

Der 53jihrige kr~ftige grol3e Mann wird in die Klinik eingeliefert wegen Psychose mit SpraehstSrung. Die k6rperliche Untersuchung ergibt eine Hypertonie von 220/140, sonst nur folgender neurologiseher Befund : PupilIen reagieren beiderseits prompt und ausgiebig auf L. und C. Die rechte Pupille ist weiter als die linke. Kein Nystagmus, keine Augen- muskell/~hmung. Zunge weieht nicht ab. Faeialis intakt. B. D. t~. rechts gleich links. P. S . R . rechts gleich links positiv. A- S. R. rechts gleieh positiv. Oppenheim rechts schwach positiv, links negativ. Rossolimo lhrks rechts (d-), Babinski R. positiv. Obere Extremit/ i tenreflexe reehts gleieh links. Sprache gestSrt. Aphasisch. Der Pa t ien t ist bewul~tseinsver'- /indert, fal3t Fragen nicht auf. Aus der Anamnese ergibt sich kein An- hal tspunkt fiir Lues. Friiher Scharlach, sonst nie krank gewesen. Sei immer sehr nervSs gewesen. Psychisch nichts wesentlich Auff/~lliges. Am Tage der Erkrankung fielder Ehefrau auf, dab er im Essen herumstocherte und nicht aB. Seine Sprache war unverst/s Er schien aber zu verstehen, was man ihm sagte. Einen Monat vorher habe er 2 Tage lang doppelt gesehen. Diagnose: Aphasie nach Apoplexie bei Hypertonie. Liquorbefund vom 3.1 .39 zeigt die enorme meningeale Reaktion. Geringe meningitische Mastixkurve, erhebliche EiweiBvermehrung. Liquordia- gnose: ,,Meningeale Reizung naeh Apoplexie mSglich. Gegen Lues spricht, dab bei so hohen EiweiBwerten und den Kolloidreaktionen die Wa.R. positiv w/~re." Die Aphasie l~Bt langsam nach. KSrperlich linden sigh bei gleichbleibendem Hoehdruek keine Pyramidenzeichen mehr. Entlassung zum Kassenarzt, nachdem die Aphasie weitgehend zuriickgebildet war.

Eine recht erhebliche Zellvermehrung land sich auch in einem an- deren Falle, bei dem allerdings die Situation durch eine begleitende Nephrosklerose komp.liziert war. In diesem Falle sehen wir im Liquor nur eine meningeale Reaktion bei der S. C. R., die denn aueh den wesent- lichsten Anhaltspunkt gab, um die Diagnose zu kl i ren. Wir sehen ja im Begirm einer Meningitis nieht allzu selten die S. C. 1%. in der Art auftreten, wie sie hier gezeigt wird (Abb. 7). DaB reines verdiinntes Serum regel- m/s die S. C. R. in dieser Form gibt, besagt iibrigens niehts dariiber, dab es sich hier etwa um stark blur- bzw. serumhaltigen Liquor gehandelt h i t te . Setzt man Serum oder Blut selbst in groBen Mengen zum Liquor zu, so wird die beim Serum regelm/~Big fehlende 1. F/~llungszone immer zu finden sein. Mit Ausnahme eines neuen Kunstgriffs, der aber noch nicht endgiiltig fiir eine etwaige diagnostische Verwertung einer Serum- Salzs/~ure-Collargolreaktion ausgeschSpft ist, ist der Zusatz yon Liquor ja fiberhaupt die bisher einzig bekannte M6gliehkeit, aus einer Serum- kurve eine Meningitiskurve zu machen. Die Krankengeschichte des Falles ist folgende:

Der 53j/~hrige Mann war naeh Angaben der Ehefrau immer gesund gewesen und s tammt aus vSllig unbelasteter Familie. War im Felde.

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H it besonderer Beriicksichtigung des Riickbildungs- und Greisenalters. 145

Nach dem Kriege Kellner, Restaurantps dann angesteUt. Im letzten Lebensjahr Darmkatar rh , Gallensteinreizung. Gutmiitiger, m/il3ig intelligenter oft leicht hypomanischer Mann. In den letzten Lebens- monaten reizbar und oft verstimmt. Nur seit einigen Jahren Angst- gefiihl und Atemnot mi t stenokardischen Anf/illen. Vor 2 Jahren pl6tz- lich bewul3tlos hingefallen, dann aber nach einiger Zeit allein nach Hause gegangen. 5 Tage vor dem Tode nachts Beklemmungsgeffihl, starke Kopf- schmerzen, der reehte Arm sei lahm. Schreit ira Schlaf auf, tobte im Bert, griff irgendwohin, hat te siehtlich Angst. Zuckungen im reehten Arm, Augen sehen nach links, er verlor die Sprache. Bei der Aufnahme total aphasich. I-Ierzaktion stark beschleunigt. R.R. 160/90 Biceps R. : rechts + + , links ~-. P. S. R. rechts ersch6pfbarer Klonus, links ~-. Ba- binski reehts ~-. Knips R. : erst positiv, dann wegen spastischer Daumen- haltung nicht mehr zu prfifen. Augenhintergrund o .B . Am n/~chsten Tag motorisch sehr unruhig, starker Temperaturanstieg. Krampfanf/~lle: klonische Zuekungen der rechten KSrperh/~lfte, Kopf und Augen naeh rechts gedreht. W/~hrend die rechte Seite dauernd zuckt, t re ten links im Arm und Bein zeitweise leichte Zuckungen auf. Nach dem Anfall nicht mehr ansprechbar. 1%. N. im Aderlal3blut 98 mg-%. Exitus.

Die Sektion ergibt: Enorm verdiekte Sch/idelkalotte, Dura ver- wachsen. Windungen fiber der Konvexit/~t des reehten Vorderlappens erscheinen abgeplattet , die Furehen verstrichen. Die darfiberliegende Pia blutig durehtr/~nkt. Konsistenz des Gehirns weich, schwappend. Auch an der Basis des rechten Vorderlappens ist die Pia erheblich blutig durchtr~nkt. Die grol3en Pialvenen mit derben thrombotischen Massen angeftillt. Basale Hirngef/iBe mit wenig Kalkeinlagerungen von regel- rechtem Verlauf mit Ausnahme einer abnorm dicken rechten A. comm. reed. Eigenartige Deformierung des Clivus. Im Schnitt zeigt sieh eine schwere Hirnblutung. In der rechten BrusthShle 250 ccm sehr w/~sserige r6tliche Flfissigkeit, sonst o .B . Herz fiberleiehenfaustgrol3, schlaff, rot- braune Muskulatur. Starke Dilatation beider Ventrikel. Leichte Athero- matose der Aorta. Konzentrisehe Hypertrophie der Wandmuskulatur . Lungen: beide Unter lappen 6demat6s. Leber: mittelgrol3, derb. Gallen- blase: frei. Nieren: mittelgroB, Kapsel beiderseits gut abziehbar. Feinst granuliert, vielleicht geringe Verschm~lerung der Rinde. Nierenbeeken und Harnleiter o . B . Anatomische Diagnose: Hirnblutung. Konzentri- sehe Herzhypertrophie und Dilatation. Atheromatose beider Nieren.

Solehe F~lle sind relativ selten. Ich glaube allerdings, dab man um so mehr linden wird, je mehr man auch schwerere Eneephalomalaeien punktiert . Die mfglieherweise zu stellende Prognose ist von nieht zu unterseh/~tzender Bedeutung. Ich habe mich bemfiht, einen kurzen ~ber- blick zu geben fiber Ver/mderungen, die der Liquor im Laufe des Lebens erf/ihrt. DaB das Schwergewicht der Untersuchung auf dem Liquor des Rfickbildungs- und Greisenalters liegt, ist klar. Einerseits haben wir aus

Z. f. 4. g . Neu r . u. P s y c h . 167 (Ber . ) . 10

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146 Hans Runge: Einteilung und Behandlung der psychisch~n

diesen Lebensabschnitten die meisten Befunde, andererseits lag das Schwergewicht des Interesses auf diesem Abschnitt.

Zusammenfassung.

Die Ver&nderungen, die der Liquor im Laufe des Lebens durch- macht, lassen sich in eine gewisse Parallele zu den Ver~nderungen setzen, die am Gehirn gefunden werden.

Es werden einige Typen von Liquorver~nderungen besprochen, die die leichteren bis minimalen des Rfickbildungsalters, die Befunde bei leichteren Arteriosklerosen, diejenigen bei schweren Encephalomalacien mit ausgedehnten ZerstSrungen und diejenigen bei der unkomplizierten senilen Demenz betreffen.

Es gelingt, die Liquorbefunde bei richtiger Auswertung fiir die Prognose nutzbar zu machen.

Literatur. Bailli]: Bull. Soc. roum. Neur. etc. 14, 210 (1933). - - Lasch u. Mi~ller-Dehan:

Dtsch. Arch. klin. Med. 169, 309 (1930). - - Mi~ller: Nervenarzt 1938, 358. - - Rie- beling: Klin. Wschr. 1938 I, 513. --Mi~ller-Deham: Berlin: Julius Springer 1938. - - Samson: Ergeh. inn. Med. 41, 1931. - - U]saghy: Mschr. Kinderheilk. 66, 67, 71 (1937, ]938).

(Aus der Nervenklinik Waldhaus Berlin-Nikolassee. Leitender Arzt : Dozent Dr. Schulte.)

Einteilung und Behandlung der psychischen Riickbildungserkrankungen bei Miinnern

durch aktive Umstimmung. Von

Hans Runge, Berlin-Nikolassee.

I n der letzten Zeit wurden fiir die Behandlung der psychischen StS- rungen des Riickbildungsalters, insbesondere bei M~nnern, neue Wege aufgezeigt. Es ist ja bekannt, dab gerade bei diesen Erkrankungen, deren Trs bereits eine festgefiigte und teilweise erstarrte Charakter- prs und einen eigenen Lebensstil aufweisen, jede Art yon Psycho- therapie am psychologisch erfaBbaren (Jberbau der Psychose versagt. Hier wird man also yon vornherein mit einer somatogenen Behandlungs- ar t einsetzen miissen.

Wit haben in den letzten Monaten an der Nervenklinik Waldhaus Berlin-Nikolassee bei 28 Krankheitsfi~llen yon M~nnern zwischen 40 und 65 Jahren, die ein ~ngstlich-paranoides bzw. depressiv-hypochondrisches Gepr~ge hatten, und bei denen eine Arteriosklerose, ein parenchymatSser